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Document 52002AE0353

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Grünbuch — Entschädigung für Opfer von Straftaten" (KOM(2001) 536 endg.)

OJ C 125, 27.5.2002, p. 31–39 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002AE0353

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Grünbuch — Entschädigung für Opfer von Straftaten" (KOM(2001) 536 endg.)

Amtsblatt Nr. C 125 vom 27/05/2002 S. 0031 - 0039


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Grünbuch - Entschädigung für Opfer von Straftaten"

(KOM(2001) 536 endg.)

(2002/C 125/09)

Die Europäische Kommission beschloss am 28. September 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Grünbuch zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 27. Februar 2002 an. Berichterstatter war Herr Melícias.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 389. Plenartagung am 20. und 21. März 2000 (Sitzung vom 20. März) mit 85 gegen 3 Stimmen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Seit der Staat im 18. Jahrhundert die Rolle des Geschädigten übernommen hat und die Opfer im Rechtsstreit mit dem Täter vertritt, kommen die Opfer von Straftaten nicht mehr in eigener Sache zu Wort, sie werden nicht mehr beachtet und nicht mehr am Verfahren beteiligt. Aus dieser Hauptrolle des Staates bei der Sühnung von Verbrechen und der daraus resultierenden Entmündigung der Opfer entstanden diesen Leiden, Ungerechtigkeiten und Schwierigkeiten im gesellschaftlichen Leben.

1.1.1. So ist eine unheilvolle, untragbare Situation entstanden, gegen die erst seit wenigen Jahren allmählich vorgegangen wird.

1.2. In fast allen Ländern gibt es seit etwa 20 Jahren Bürgerbewegungen und -verbände, die heute auf europäischer Ebene in einem Forum organisiert sind und jenen, die an den psychischen, physischen und materiellen Folgen einer Straftat leiden, Gehör und öffentliche Vertretung verschaffen.

1.3. Verschiedene Staaten haben diese Bewegungen mitverfolgt und die inzwischen im Strafrecht und bei der Verteidigung der Grundsätze der Billigkeit und gesellschaftlichen Solidarität eingetretene Entwicklung beachtet; dadurch wurden sie auf die Lage dieser bislang praktisch ignorierten Bürger aufmerksam.

1.3.1. Sie richten ihren Blick nicht nur auf die Stellung der Opfer bei der Durchsetzung der Strafjustiz, sondern auch auf eine mögliche Entschädigung der Opfer in Fällen, in denen das Ausbleiben einer andersartigen Wiedergutmachung den elementarsten Gerechtigkeitssinn verletzt.

1.4. Die Vereinten Nationen und der Europarat haben bei der Suche nach internationalen Antworten auf das Problem der Opfer von Straftaten wichtige Arbeit geleistet, wobei insbesondere das Europäische Übereinkommen von 1983 (das noch nicht von allen Unterzeichnerstaaten ratifiziert wurde) und die Erklärung der Vereinten Nation von 1985 zu nennen wären.

1.5. Die Europäische Union kam nicht umhin, sich in die gleiche Richtung zu bewegen, um eine Gesellschaftsform zu verteidigen, in der die Sicherheit und die Rechtsordnung auf einer Kultur der Solidarität im Sinne einer wirklichen Mitverantwortung beruht und das allgemeine Grundrecht der Bürger gilt, bei Angriffen und Gefahren und als Opfer von Straftaten nicht alleingelassen zu werden.

1.6. In der Folge der von der Kommission (Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 1999) bereits geleisteten hervorragenden Arbeit, die hinsichtlich der Problematik der Opfer von Straftaten den Vorgaben des Aktionsplans von Wien(1) folgte und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Tampere (Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Punkt 32, aus dem Jahr 1999) beeinflusste, gewann der mit dem Vertrag von Amsterdam eingeleitete Prozess der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in den Mitgliedstaaten eine besondere Dimension und einen besonderen Sinn dadurch, dass konkrete Probleme der Bürger betrachtet werden und versucht wird, Lösungen für diese konkreten Probleme zu finden. Auch das Europäische Parlament hat sich nachdrücklich für eine Verbesserung der Entschädigung der Opfer von Straftaten eingesetzt (Entschließungen aus den Jahren 1989 und 1999).

1.7. Desgleichen wird unter portugiesischem Vorsitz (erstes Halbjahr 2000) und auf seine Initiative mit entschiedener Unterstützung der Kommission und der Staaten, die danach den Ratsvorsitz innehatten, die Notwendigkeit eines Rahmenbeschlusses über die Stellung der Opfer im Strafprozess anerkannt, und es werden die Arbeiten aufgenommen, die in die Verabschiedung dieses Beschlusses im März 2001 mündeten.

1.8. Nachdem der schwedische Ratsvorsitz dafür gesorgt hat, dass die Vorarbeiten vorangetrieben wurden, legt die Kommission mit diesem Grünbuch nun einen weiteren wichtigen Beitrag zur staatlichen Entschädigung der Opfer von Straftaten vor und wird damit der Empfehlung des Rates von Tampere voll und ganz gerecht.

1.9. Der WSA als institutionelles Forum der Begegnung und des Dialogs zwischen Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft kann diese Initiative nur begrüßen.

2. Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

2.1. Das Grünbuch leitet eine Konsultation darüber ein, wie in der Europäischen Union die staatliche Entschädigung der Opfer von Straftaten gewährleistet und verbessert werden kann.

2.2. Das Grünbuch beschreibt den bestehenden europäischen Rechtsrahmen für die staatliche Entschädigung der Opfer von Straftaten.

2.3. Es informiert detailliert über die rechtliche Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten.

2.4. Es enthält Informationen und zeigt Wege auf, die zur Formulierung grundlegender Fragen führen, deren Beantwortung folgende Feststellungen ermöglicht:

- ob und in welchem Rahmen eine Maßnahme auf Gemeinschaftsebene erforderlich ist;

- wie die Möglichkeit der staatlichen Entschädigung der Opfer von Straftaten in allen Mitgliedstaaten konkretisiert und in verstärktem Maße geboten werden kann;

- auf welche Weise in Fällen, in denen die Straftat nicht im Wohnsitz-Mitgliedstaat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat begangen wurde, der Zugang der Opfer zur staatlichen Entschädigung erleichtert werden kann.

2.5. Die Auswertung der Antworten auf die von der Kommission gestellten Fragen wird potentiell äußerst wichtige Ergebnisse zeitigen:

- obligatorische Einführung eines angemessenen Niveaus staatlicher Entschädigung für Opfer von Straftaten und ggf. Einführung eines gemeinsamen Nenners für die Festlegung dieses Niveaus;

- Sicherstellung des Vorhandenseins praktischer Mechanismen - durch die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und die Weiterentwicklung der bestehenden Systeme - zur Erleichterung des Erhalts einer staatlichen Entschädigung für Opfer von Straftaten unabhängig vom Wohnort des Opfers in der Union und unabhängig vom Tatort.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Da die Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche Traditionen, Kulturen und Praktiken haben und die Behandlung der Fragen im Zusammenhang mit der Entschädigung von Opfern unterschiedlich weit fortgeschritten ist, befindet sich die staatliche Entschädigung der Opfer von Straftaten, wie die aus der Konferenz von Umeå (Oktober 2000) hervorgegangene Studie und das Grünbuch selbst deutlich belegen, auf einem völlig unterschiedlichen Stand, der praktisch von null bis zu einem sehr akzeptablen Niveau reicht; dieses kann jedoch angesichts der heutigen Gegebenheiten unmöglich auf andere Mitgliedstaaten übertragen werden.

3.1.1. Betrachtet man dabei auch die Beitrittsländer, so sind die Unterschiede noch größer.

3.1.2. Diese offensichtliche Tatsache macht die Schwierigkeit des Unterfangens deutlich und lässt es geboten erscheinen, die weiteren Schritte mit äußerster Umsicht einzuleiten; dennoch betrachtet der Ausschuss solche (Fort-)Schritte wegen ihrer praktischen Konsequenzen als wesentlich und zugleich als beispielhaft für den Erfolg des europäischen Einigungswerks, in dessen Mittelpunkt der Bürger und seine konkreten Probleme stehen.

3.2. Es ist sicherlich wünschenswert und für alle Mitgliedstaaten annehmbar, dass staatlich garantierte Systeme zur Entschädigung der Opfer von Straftaten in allen Mitgliedstaaten bestehen.

3.2.1. Auch ist es akzeptabel, dass festgelegt und gewährleistet werden muss, dass diese Systeme ein angemessenes Schutzniveau bieten.

3.2.2. Eine gemeinsame Antwort auf die Frage, wie dieses Niveau festgelegt werden soll und wie die sich daraus ergebenden Folgen gehandhabt werden sollen, ist keinesfalls leicht zu finden und erfordert große Anstrengung und Entschlossenheit seitens der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, wenn wirklich positive Ergebnisse erzielt werden sollen.

3.3. Es ist notwendig, eine positive Dynamik in Gang zu setzen und gegen die Gefahr der Einführung eines kleinsten gemeinsamen Nenners anzugehen, da dadurch die Mitgliedstaaten, die bereits ein hohes Entschädigungsniveau erreicht haben, in ihrem Willen zur Beibehaltung und ständigen Höherentwicklung desselben geschwächt werden könnten.

3.3.1. Gleichzeitig und ebenfalls im Sinne dieses positiven Ansatzes muss in den Mitgliedstaaten, in denen noch keine Entschädigung vorgesehen ist oder das Entschädigungsniveau unter dem zu vereinbarenden Mindestniveau liegt, der Versuchung entgegengewirkt werden, das Mindestniveau zum Hoechstniveau zu machen.

3.3.2. Nur durch eine derartige positive Dynamik kann der Gedanke eines gemeinsamen Fortschritts bekräftigt, der Billigkeitsgrundsatz gewahrt und den Bürgern ein angemessener Schutz gewährt werden.

3.4. Damit eine Initiative der Kommission in diesem Bereich sinnvoll ist, müssen Bezugsgrößen und somit gemeinsame Vorschriften vorhanden sein, die eine Konvergenz ermöglichen.

3.4.1. Hier geht es wie auch in anderen Bereichen um die Verankerung und Verteidigung der Interessen der Bürger in einem ausgewogenen - leider in Wirklichkeit oft gespannten - Verhältnis zu den kollektiven Interessen, die durch die konkrete Situation jedes Mitgliedstaats verkörpert werden; dieses Ziel soll im Rahmen des notwendigen und wünschenswerten Prozesses des Aufbaus eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für alle EU-Bürger erreicht werden.

3.5. Der im Grünbuch der Kommission enthaltene Fragebogen zeigt auf, auf welche Weise dieses schwer zu erzielende Gleichgewicht angestrebt werden kann.

3.6. Die Stellungnahme des Ausschusses muss eingedenk dieser Vorwarnungen und unserer gemeinsamen Kultur der Solidarität und Mitverantwortung gelesen werden.

4. Beantwortung des Fragebogens der Kommission

4.1. Frage 1: Soll eine Gemeinschaftsinitiative zur staatlichen Entschädigung für die Opfer von Straftaten die drei in Kapitel 4.2 aufgelisteten Ziele verfolgen? Sollen weitere Ziele verfolgt werden?

4.1.1. Der erste Teil der Frage kann nur mit Ja beantwortet werden. Die drei genannten Ziele sind die grundlegenden Ziele und erfordern eine Initiative der Kommission (eine Richtlinie erscheint als die geeignetste Maßnahme). Eine derartige Initiative wird vom Ausschuss uneingeschränkt unterstützt.

4.1.1.1. Andere Ziele wie z. B. die Bereitstellung bzw. Weitergabe von vollständigen, weitreichenden und in einer dem Opfer verständlichen Sprache abgefassten Informationen oder die notwendige Gewährleistung der Unterstützung der Opfer, damit diese die ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten voll nutzen können, sind Instrumente im Rahmen dieser drei ersten Ziele. Die Antworten auf verschiedene der folgenden Fragen sind im Übrigen in starkem Maße für die Verwirklichung derartiger Ziele entscheidend.

4.1.1.2. Der Ausschuss ist sich der finanziellen Auswirkungen, die sich für die Mitgliedstaaten aus der Umsetzung einer diesbezüglichen Initiative der Kommission ergeben, vollauf bewusst. Dessen ungeachtet vertritt er den Standpunkt, dass es hier um einen maßgeblichen Bereich für den Aufbau Europas und eine der wichtigsten Aufgaben dieses Einigungswerkes geht: die Wahrung der Würde des Bürgers in einem wirklichen gemeinsamen Raum des Rechts, den Schutz seiner sensibelsten und unabdingbarsten Rechte und eine Annäherung der Rechtsvorschriften auf der Grundlage gemeinsamer Ziele, die von allen als unverzichtbare Voraussetzung für eine gemeinsame bessere Zukunft begriffen werden.

4.2. Frage 2: Welche Anspruchsvoraussetzungen sollen für die Arten der Straftaten und die Schadensarten gelten, die durch eine Mindestnorm gedeckt werden?

4.2.1. Das Grünbuch stellt einen Leitfaden für mögliche Maßnahmen in diesem Bereich dar, wobei stets darauf zu achten ist, dass kein kleinster gemeinsamer Nenner unter Berücksichtigung der Lage in jedem Mitgliedstaat gesucht wird, sondern eine Mindestnorm, welche dem Opfer garantiert, dass seine Stellung und Interessen als EU-Bürger gewahrt bleiben.

4.2.2. Analyse der genannten Kriterien:

- Opfer, die eine Entschädigung beanspruchen können: Sowohl direkte als auch mittelbare Opfer, wobei die Begriffsbestimmungen so stark wie möglich vereinheitlicht werden sollten, ohne die Unterhaltsberechtigten, die sog. Unbeteiligten und die sog. Samariter zu vergessen.

- Kriterien im Zusammenhang mit den Straftat- und Schadensarten: Die derzeit als am ehesten annehmbar erscheinende Vorgehensweise ist die Abdeckung der Auswirkungen von Gewalttaten mit körperlichen (physischen) und psychischen (immateriellen, Schmerzen, Leiden) Schäden sowie materieller Schäden, die untrennbar mit den eben genannten verbunden sind. Auch rein materielle Schäden, selbst infolge von Delikten ohne Gewaltanwendung, müssen abgedeckt werden, sofern sie das Opfer in äußerste wirtschaftliche Bedürftigkeit stürzen. Hierbei müssen auch die Opfer von Unfällen infolge des Führens von Fahrzeugen unter Einfluss von Alkohol oder sonstigen die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Substanzen berücksichtigt werden. In den Fällen, in denen das Verhalten des Fahrzeugführers den schwerwiegenden Tatbestand der Vorsätzlichkeit annimmt und Gefahr für Leib und Leben besteht, muss einhellig anerkannt werden, dass eine strafbare Rechtswidrigkeit mit Gewaltanwendung vorliegt, und es müssen daraus die gebührenden Konsequenzen gezogen werden.

- Es muss daher eine allgemeine Definition für die zu einer Entschädigung verpflichtende Straftat festgeschrieben werden.

4.3. Frage 3: Soll eine Mindestnorm einen bestimmten, von einem Antragsteller staatlicher Entschädigung geforderten Nachweisgrad einschließen?

4.3.1. Es muss die Notwendigkeit bekräftigt werden, dass ausreichend aufschlussreiche Indizien und Beweismittel vorliegen (bekräftigt werden muss auch der Grundsatz der Bestrafung des Missbrauchs dieser Regelung).

4.3.1.1. Des Weiteren muss grundsätzlich festgelegt werden, dass das Verfahren zur Vorlage der Beweise (im Sinne des höchstmöglichen Wahrscheinlichkeitsgrads bei der Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der behaupteten Straftat und den behaupteten Schäden) möglichst einfach und flexibel zu sein hat und Verfahrensmechanismen, die diesen Nachweis erschweren, sind zu verbieten.

4.3.1.2. Abgesehen von den Grundprinzipien, deren Entwicklung jedem Mitgliedstaat im Rahmen der Solidarität obliegt (und die nach dem europäischen "common sense" zu beurteilen sind), kann die gemeinsame Mindestnorm im Sinne einer vernünftigen Frist (mit begründeten Ausnahmen) für die Vorlage der Indizien oder Beweise festgelegt werden, wobei die besonders empfindliche und unsichere Lage beachtet werden muss, in der sich das Opfer normalerweise befindet, und verhindert werden muss, dass eine Sekundärviktimisierung entsteht.

4.4. Frage 4: Soll eine Mindestnorm immaterielle Schäden einbeziehen, und, falls ja, kann eine Definition derartiger Schäden eingeschlossen werden?

4.4.1. Hinsichtlich der Entschädigung für materielle Schäden (bei der den am schlechtesten gestellten Opfern besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss) ist der Ausschuss mit der im Grünbuch aufgezeigten Perspektive völlig einverstanden.

4.4.2. Im Hinblick auf immaterielle Schäden ist eine Mindestnorm von grundlegender Bedeutung. Angesichts der Schwierigkeit, zu einer einheitlichen Definition zu gelangen, kann der Ausschuss der im Grünbuch hierfür aufgezeigten Lösung ebenfalls zustimmen. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei den Fällen gewidmet werden, in denen das Opfer langfristig geschädigt wird.

4.4.2.1. Der Grundsatz, dass die Entschädigung ebenso wie im Rahmen des nationalen Haftpflichtrechts zu bewerten ist, führt zwar nicht unbedingt zu einer Vereinheitlichung, wäre aber dennoch ein großer Fortschritt.

4.4.2.2. Angestrebt werden könnte gleichwohl eine Vereinheitlichung mithilfe einer gemeinsamen Richtwerttabelle, in der der Umfang der jeweiligen Entschädigung für die einzelnen Kategorien von Straftaten und die Kriterien für die Einstufung in die verschiedenen Kategorien der Tabelle festgelegt werden.

4.4.2.3. Bei der Verwendung von Richtwerttabellen besteht jedoch die Gefahr, dass die Behörden sie rein mechanisch ihren Entscheidungen zugrunde legen und dadurch der menschliche Aspekt zu kurz kommt. Um dies zu verhindern, müssten bei derartigen Entscheidungen die Opferhilfeorganisationen gehört werden, da sie aufgrund ihrer Erfahrung und Sensibilisierung im konkreten Einzelfall wesentlich dazu beitragen könnten, dass nicht mitleidslos und ohne weiteres Nachdenken entschieden wird.

4.5. Frage 5: Kann die Entschädigung für ständige Erwerbsunfähigkeit für die Zwecke einer Mindestnorm definiert werden?

4.5.1. Der Ausschuss stimmt den Ausführungen der Kommission grundsätzlich zu. Es ist hervorzuheben, dass in der oben genannten Mindestnorm für die Wiedergutmachung immaterieller Schäden auch die ständige Erwerbsunfähigkeit in jeder erdenklichen Form sowie immaterielle Schäden aufgrund längerer Erwerbsunfähigkeit berücksichtigt werden müssen. Ggf. wäre die Einführung einer gemeinsamen Tabelle der Erwerbsunfähigkeitsgrade zweckmäßig.

4.6. Frage 6: Soll eine Mindestnorm die Möglichkeit vorsehen, die Finanzlage des Opfers bei der Feststellung des Entschädigungsanspruchs des Opfers oder der Festsetzung des Entschädigungsbetrags zu berücksichtigen?

4.6.1. Nach Auffassung des Ausschusses muss die Antwort nein lauten. Die Wiedergutmachung des tatsächlich erlittenen Schadens nach Billigkeitskriterien scheint die gerechteste Lösung zu sein.

4.6.2. Hinsichtlich der Festsetzung des Entschädigungsbetrags ist der Ausschuss wiederum mit den Ausführungen der Kommission grundsätzlich einverstanden. Was die immateriellen Schäden angeht, scheint die Lösung, dass jeder Staat die Art und Weise der Festsetzung des Entschädigungsbetrags bestimmt, der beste Weg zu sein, wenn auch die oben genannte Lösung einer gemeinsamen Tabelle - trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten - nicht ausgeschlossen werden sollte.

4.6.3. Bei Opfern aus einem anderen Mitgliedstaat muss jedoch die möglicherweise unterschiedliche Behandlung in verschiedenen Mitgliedstaaten in Betracht gezogen werden, die im Folgenden angesprochen wird.

4.7. Frage 7: Wie soll der subsidiäre Charakter der staatlichen Entschädigung im Vergleich zu anderen Quellen der Opferentschädigung in einer Mindestnorm definiert werden?

4.7.1. Es ist nicht notwendig, den Abschluss eines Gerichtsverfahrens abzuwarten, um die Möglichkeit einer Entschädigung durch den Täter oder aus anderen Quellen einschätzen zu können.

4.7.2. Das Opfer wird schlechter gestellt, wenn die Reaktion auf die ihm verursachten Probleme erst mit großer Verspätung erfolgt.

4.7.3. Als erste und sofortige Antwort auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Opfers sollte - wo immer dies notwendig ist - die grundsätzliche Entschädigung durch den Staat und dementsprechend eine Vorschusszahlung vorgesehen sein.

4.7.4. Der Staat hat ein Regressrecht hinsichtlich späterer Entschädigungsleistungen, insbesondere wenn sie vom Täter erbracht wurden.

4.7.5. Die lediglich subsidiäre Natur der Entschädigung durch den Staat, die sich als Grundsatz abzeichnet, darf nicht dazu führen, dass keine Leistung erfolgt oder die Leistung eine Sekundärviktimisierung erzeugt.

4.7.6. In der Praxis wird die staatliche Entschädigung häufig die erste Reaktion sein müssen.

4.7.7. Wenn das Opfer, bevor es eine staatliche Entschädigung erhalten kann, nachweisen müsste, dass es bereits alle anderen Möglichkeiten (Schädiger, Versicherungen etc.) ohne Erfolg ausgeschöpft hat, würde dieses langwierige und schwierige Verfahren die Viktimisierung nur noch weiter verstärken und die staatliche Hilfe als einen Akt erscheinen lassen, der sehr nach Scheinheiligkeit aussieht.

4.8. Frage 8: Welche anderen Quellen der Entschädigung sollen von der staatlichen Entschädigung abgezogen werden?

4.8.1. Diese Frage bezieht sich laut Grünbuch hauptsächlich auf Privatversicherungen.

4.8.1.1. In dem angesprochenen Kontext hat die Frage der Versicherungen eine ähnliche Dimension wie die wirtschaftliche Lage des Opfers.

4.8.1.2. Allerdings dürfte wohl die Möglichkeit nicht abzulehnen sein, dass der Staat die von ihm geleistete Entschädigung in voller Höhe zurückerhält, wenn das Opfer von seiner Versicherung entschädigt wird und der entsprechende Betrag die vom Staat geleistete Zahlung nicht übersteigt.

4.8.1.3. Der Schutz der Interessen des Opfers erscheint ausreichend gewährleistet.

4.8.1.4. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Grundsatz der Komplementarität und nicht der Subsidiarität zur Anwendung kommt. Das Vorhandensein einer Privatversicherung darf nicht berücksichtigt werden. Der Staat muss so handeln, als habe das Opfer keinerlei Vorkehrungen getroffen, da das Opfer andernfalls für seine Vorsorgebemühungen bestraft würde.

4.8.1.5. Wenn der Grundsatz der Subsidiarität der vom Staat geleisteten Entschädigung vertreten wird, müsste der Staat durch spezielle Anreize und Steuererleichterungen dafür sorgen, dass verstärkt Privat- und Sozialversicherungen abgeschlossen werden.

4.9. Frage 9: Soll eine Mindestnorm die Möglichkeit einer Vorschusszahlung vorsehen?

4.9.1. Angesichts der einzelnen Punkte, die der Frage vorangestellt sind (Punkt 5.5 bis 5.8 des Grünbuchs), ist festzuhalten, dass sich der Rechtseintritt des Staates in die Entschädigungsansprüche des Opfers grundsätzlich aus dem erklärtermaßen subsidiären Charakter seines Handelns ableitet.

4.9.1.1. Dennoch ist die Auswirkung, die dieser Grundsatz dem Anschein nach auf die zeitliche Abfolge der staatlichen Entschädigung haben kann, aufgrund der Notlage des Opfers nicht hinnehmbar.

4.9.2. Würde der Staat erst tätig, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, so würden die Interessen des Opfers nicht geschützt, denn es würden Verfahrenswege festgeschrieben, die von vornherein als das Gegenteil einer echten Lösung zu erkennen sind.

4.9.3. Vorschusszahlungen sind unter allen Umständen die wirksamste Lösung zur rechtzeitigen Unterstützung des Opfers und zur Vermeidung der Ausgrenzung, der ihm wegen verschiedener Aspekte seiner Situation droht.

4.9.4. Durch die Einführung des Mechanismus der Vorschusszahlungen als prioritäres Instrument in gerechtfertigten Fällen wird die Problematik der Fristen für den Antrag auf Entschädigung relativiert, da die Aussicht auf eine Vorschusszahlung für das Opfer ein starker Anreiz ist, seinen Antrag möglichst früh zu stellen, und dadurch der Staat zu einer vorzeitigen Prüfung und Entscheidung gezwungen wird, die den weiteren Prozess in den meisten Fällen erleichtern kann.

4.9.5. Auf jeden Fall stimmt der Ausschuss der Aussage zu, dass die Fristen möglichst lang sein und für Sonderfälle, die noch längere Fristen erfordern (z. B. sexueller Missbrauch von Minderjährigen), Ausnahmen vorgesehen werden sollten, wobei immer das Interesse des Opfers im Vordergrund stehen muss; dem Staat scheinen dadurch keine besonderen Nachteile zu entstehen.

4.9.6. Die Anzeige der Straftat bei der Polizei unter den Bedingungen und mit den Ausnahmen, die in Ziffer 5.6 des Grünbuchs genannt sind, sollte in die Mindestnorm aufgenommen werden, wobei jedoch wie gesagt Ausnahmen vorgesehen werden sollten für alle Fälle, in denen es hinnehmbar oder unvermeidlich ist, dass ein Opfer anders gehandelt hat.

4.10. Frage 10: Sollen Kriterien im Zusammenhang mit dem Verhalten des Opfers bei der Straftat, seiner Beteiligung an krimineller Tätigkeit im Allgemeinen oder andere rechtliche Erwägungen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Ordnung in eine Mindestnorm einbezogen werden?

4.10.1. Wenn das Verhalten des Opfers als Ursache der Straftat und der daraus resultierenden Schädigung zu betrachten ist, muss dies unbedingt berücksichtigt werden, da es sich nachteilig auf die Entschädigung durch den Staat auswirken bzw. eine Entschädigung ausschließen kann. Gleichwohl darf das frühere Verhalten in sozialer, moralischer oder sonstiger Hinsicht, selbst wenn es rechtswidrig ist, nicht "mit Gewalt" mit einer konkreten Situation, in der die betreffende Person zum Opfer einer Straftat wird, in Verbindung gebracht werden, um die Verweigerung einer staatlichen Entschädigung zu rechtfertigen. Dies würde nämlich bedeuten, dass allen Arten der Diskriminierung, die in Anbetracht der Menschenrechte und in einem gemeinsamen Raum der Freizügigkeit, Freiheit und Rechtssicherheit nicht hinnehmbar sind, Tür und Tor geöffnet würde.

4.10.2. Zum Schutz des Opfers und im Sinne der Billigkeit ist es daher gerechtfertigt, die insbesondere im europäischen Übereinkommen von 1983 genannte Reihe von Gründen zu überprüfen und zu verbessern. Es ist z. B. nicht hinnehmbar, dass das Opfer aufgrund einer kriminellen Vergangenheit, die mit der Straftat, durch die es geschädigt wurde, in keinem Zusammenhang steht, schlechter gestellt wird, oder dass die öffentliche Ordnung vorgeschoben wird, um bestimmte Verhaltensweisen bzw. bestimmte Bevölkerungsgruppen im Hinblick auf die Möglichkeit, staatliche Entschädigung zu erhalten, zu benachteiligen.

4.11. Frage 11: Welche weiteren, in diesem Grünbuch nicht behandelten Kriterien können für die Einbeziehung in eine Mindestnorm in Frage kommen?

4.11.1. Aus ähnlicher Sicht wie in der vorhergehenden Frage wird es nicht als zweckmäßig betrachtet, weitere Kriterien festzulegen.

4.12. Frage 12: Wäre das Recht des Opfers auf Unterstützung einer Behörde in seinem Wohnsitzmitgliedstaat bei der Beantragung einer staatlichen Entschädigung eines anderen Mitgliedstaats geeignet, den Zugang von Opfern einer Straftat in der EU zur staatlichen Entschädigung zu erleichtern?

4.12.1. Die wünschenswerte interaktive Zusammenarbeit auf der Grundlage des Netzes der einzelstaatlichen Behörden, die an der Entschädigung der Opfer arbeiten, oder auf der Grundlage des europäischen Netzes der Verbände und sonstigen Einrichtungen der organisierten Zivilgesellschaft, die Opfern Unterstützung leisten, sowie die Nutzung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im europäischen Justiznetz könnte in vielen Fällen eine gute Lösung sein. Der Ausschuss befürwortet die Schaffung einer einzelstaatlichen Einrichtung (in die nach Möglichkeit Organisationen der Zivilgesellschaft, die Opfern Unterstützung leisten, eingebunden werden sollten), die selbst und/oder in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen in dem betreffenden Mitgliedstaat für die gesamte Gestaltung der Strukturen und Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene zuständig ist.

4.12.2. Die unter Ziffer 6.2 des Grünbuchs genannten Hindernisse können im Interesse aller Beteiligten verringert werden, wenn die Mitgliedstaaten komplementär zueinander vorgehen, nachdem die für alle verbindlichen gemeinsamen Vorgehensweisen festgelegt sind.

4.12.3. Der Grundsatz, dass das Hoheitsgebiet, in dem eine Straftat begangen wurde, maßgeblich ist, dürfte nach derzeitiger Lage kaum zu umgehen sein.

4.12.3.1. Da es sich dabei de facto um die bekannteste und am weitesten entwickelte Grundlage der Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung handelt, sollte man vielleicht die Erstellung eines hybriden Modells in Erwägung ziehen, das vorwiegend auf dem Territorialitätsprinzip beruht, jedoch ergänzt wird durch ein System der doppelten Zuständigkeit (Staat des Tatorts und Staat des Wohnorts), auf das sich der geschädigte Bürger berufen würde, wenn das Entschädigungssystem seines Staates für ihn günstiger ist, so dass die Entschädigung durch den Staat des Tatorts ergänzt würde durch die Entschädigung durch den Staat des Wohnortes.

4.12.4. Hinsichtlich des ergänzenden Entschädigungsverfahrens im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung wäre der Mitgliedstaat des Wohnorts des Opfers verpflichtet, das Ergebnis des Entschädigungsverfahrens im Staat des Tatorts anzuerkennen.

4.12.4.1. Bei dieser Lösung könnte das Opfer einer Straftat von vornherein in dem Mitgliedstaat seines Wohnsitzes einen Antrag auf ergänzende Entschädigung stellen und dadurch die Gewährung von Vorschusszahlungen ermöglichen, wenn die Umstände dies rechtfertigen.

4.13. Frage 13: Wäre die Möglichkeit des Opfers, sowohl in seinem Wohnsitzmitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, in dem die Straftat begangen wurde, eine staatliche Entschädigung zu erhalten, geeignet, den Zugang der Opfer zur staatlichen Entschädigung zu erleichtern?

4.13.1. Einerseits birgt das Modell der doppelten Zuständigkeit die Schwierigkeit in sich, dass der Wohnsitzmitgliedstaat des Opfers sich mit einer in einem anderen Staat begangenen Straftat und allen damit verbundenen Informationen befassen müsste (die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten bleibt in diesem Fall bestehen; das Gleiche gilt für die Schwierigkeiten des Opfers, sich die Beweismittel zu beschaffen).

4.13.1.1. Andererseits können sich aus der Anwendung der zweifachen Zuständigkeit aus Verfahrensgründen voneinander abweichende Entscheidungen ergeben.

4.13.2. Das in der Antwort auf die vorherige Frage angesprochene hybride Modell dürfte es ermöglichen, dass ähnliche Fälle in jedem Mitgliedstaat einheitlich behandelt werden und gleichzeitig jeder Bürger eines Mitgliedstaates mit günstigerer Regelung gegenüber seinen Mitbürgern, die Opfer einer ähnlichen Straftat im eigenen Land wurden, nicht benachteiligt wird.

4.13.2.1. Andererseits bietet dieses Modell denjenigen Staaten, deren Regelungen ungünstiger sind, sicher kaum einen Anreiz zur Weiterentwicklung im Sinne der Konvergenz.

4.13.3. Um zu vermeiden, dass das Schutzniveau in den einzelnen Mitgliedstaaten völlig unterschiedlich bleibt, wozu das genannte Modell führen könnte, muss eine Bezugsgröße festgelegt werden, die auf dem besten Schutzniveau in den verschiedenen Mitgliedstaaten beruht. Dies wäre eine optimale Konvergenzgröße.

4.13.3.1. Unter Berücksichtigung der Ausgangslage in den einzelnen Mitgliedstaaten sollte es zwingend vorgeschrieben sein, das genannte Bezugsniveau innerhalb einer zumutbaren Frist zu erreichen.

4.13.3.2. Somit gäbe es zwei gemeinsame Bezugsnormen zur Festlegung der Parameter des Schutzniveaus:

- das Niveau, unterhalb dessen kein glaubwürdiger Schutz besteht: dieses müsste von den Ländern mit gegebenenfalls noch niedrigerem Schutzniveau unverzüglich gewährleistet werden und wäre der Ausgangspunkt zur weiteren Erhöhung des Schutzniveaus;

- und ein qualitativ hochwertiges Schutzniveau: dieses würde als Bezugsgröße und Anreiz für die Weiterentwicklung und als Parameter zur Messung der innerhalb der gemeinsam vereinbarten zumutbaren Frist erzielten Fortschritte dienen.

4.13.4. Eine mögliche Harmonisierung würde über mehrere Etappenziele erreicht, wobei die Entwicklungsunterschiede durch den hybriden Mechanismus der Zuständigkeit des Tatortstaates und der Ergänzung durch den Wohnsitzmitgliedstaat bzw. durch die Schaffung eines gemeinsamen Ausgleichsfonds aufgefangen würden.

4.13.5. Die Vorgabe eines Weges bis zur Erreichung der Bezugsgröße, z. B. in drei oder vier Etappen, würde es ermöglichen, die Mitgliedstaaten in eine Art Ausgangstabelle einzuordnen und die Fortschritte bis zur Erreichung der Bezugsgröße zu messen.

4.14. Frage 14: Welche weiteren nicht in diesem Grünbuch dargelegten Lösungen können in Betracht gezogen werden, um den Zugang der Opfer einer Straftat in der EU zur staatlichen Entschädigung zu erleichtern?

4.14.1. Das oben genannte hybride Modell sollte in Erwägung gezogen werden.

4.14.2. Erwähnenswert sind auch die bei den Vereinten Nationen laufenden Arbeiten zur Schaffung eines Fonds für die Unterstützung der Opfer von Straftaten im Ausland; diese Arbeiten sollten in unserer Institution und für unsere Zwecke untersucht werden im Hinblick auf die ergänzende Entschädigung der Opfer von Straftaten, die in Mitgliedstaaten begangen wurden, welche nicht in der Lage sind, die als angemessen betrachteten Mindestbeträge zu leisten. Die Schaffung eines solchen Fonds wäre auch eine Antwort auf die im EU-Raum erforderlichen Informationskampagnen.

4.15. Frage 15: Sollen harmonisierte Formblätter für die Beantragung staatlicher Entschädigung in allen Mitgliedstaaten erstellt werden?

4.15.1. Wie oben gesagt, sind einheitliche Formulare (einschließlich der Übersetzung in die gebräuchlichsten Sprachen) für die vom Grünbuch angestrebte Strategie unerlässlich.

4.16. Weitere durch Vorschriften zu regelnde Aspekte

4.16.1. Die Information und Aufklärung der Opfer, vor allem von Straftaten im Ausland, erfordern eine Vorschrift über die Art der Informationen, die in der ganzen EU verfügbar sein müssen, über den Zugang zu diesen Informationen und den Stellen, die sie erteilen.

4.16.2. Bei grenzüberschreitenden Fällen sollte die Verwendung der gebräuchlichsten europäischen Arbeitssprachen (und der Gebärdensprache - mit entsprechenden Dolmetschern - zur Erleichterung der Kommunikation mit hörbehinderten Opfern) von allen Mitgliedstaaten akzeptiert werden. Die Verwendung zwei- oder dreisprachiger gemeinsamer Formulare ist wie gesagt von grundlegender Bedeutung.

4.16.3. Es sollte eine Hoechstfrist für die Bearbeitung des Entschädigungsantrags durch die Behörden ins Auge gefasst werden.

4.16.4. Die amtlichen Dokumente, die das Opfer für die Antragstellung benötigt, müssen kostenlos sein; die Behörden müssen beim Umgang mit den Dokumenten Hilfestellung leisten, und die Dokumente müssen inhaltlich wie auch sprachlich für das Opfer unmittelbar oder mittelbar verständlich sein; überdies müssen vorzugsweise die schnellsten Kommunikationsmittel genutzt werden.

5. Abschließende Zusammenfassung

5.1. Unter Hinweis auf die in der Einleitung zum vorliegenden Text enthaltenen Warnungen und im Bewusstsein der Schwierigkeiten bei den endgültigen Entscheidungen, die stets Ergebnis eines Kompromisses sein werden, meint der Ausschuss, dass jetzt konkrete Schritte in Richtung des angestrebten Ziels unternommen werden.

5.2. Berücksichtigt man im Zusammenhang mit der hier untersuchten allgemeinen Problematik vor allem, wie wichtig es ist, die Probleme bei der Behandlung der Fälle von Opfern einer Straftat im Ausland vollständig zu lösen, so gelangt man wie gesagt zu der Auffassung, dass zur Vermeidung der genannten Schwierigkeiten das höchste Schutzniveau angestrebt werden muss, indem mehrere Entwicklungsstufen vorgesehen und die verschiedenen Ausgangspositionen korrigiert und schrittweise vereinheitlicht werden müssen.

5.3. Die Lösung muss auf dem Grundsatz der Solidarität und der Gleichbehandlung der Bürger im EU-Raum beruhen, wobei die Konvergenz nicht nur ein Ziel, sondern auch ein Prozess ist und der Begriff "Unionsbürgerschaft" eine qualitativ hochwertige gemeinsame Plattform sein muss und als wünschenswerter Bezugspunkt keinesfalls eine Reduzierung der Rechte mit sich bringen darf.

5.4. Das heißt, der Prozess der Übernahme der höchsten Bezugsgröße muss für die Mitgliedstaaten bedeuten, dass sie den kleinsten gemeinsamen Nenner erreichen.

5.5. Deshalb müssen die Ziele der schrittweise erfolgenden Weiterentwicklung inhaltlich definiert und die zu ihrer Erreichung erforderlichen Fristen festgelegt werden; gleichzeitig sind Maßnahmen gegen jene Mitgliedstaaten vorzusehen, welche der eingegangenen Verpflichtung nicht nachkommen.

5.6. Die Idee einer ergänzenden Entschädigung durch den Wohnsitzmitgliedstaat, wie sie vorgeschlagen wurde, kann auf Umsetzungsschwierigkeiten stoßen, da die meisten Entscheidungen betreffend staatliche Entschädigungsleistungen nicht auf objektiven Rechtskriterien, sondern auf Billigkeitsgrundsätzen beruhen, sodass Bewertungsunterschiede zwischen zwei Staaten auftreten können. Dies ist lediglich ein Diskussionsvorschlag, ebenso wie die Möglichkeit einer ergänzenden Entschädigung aus einem europäischen Fonds, aufgrund dessen die Staaten sich, da sie ja Beiträge einzahlen würden, allmählich auf die Einhaltung der einvernehmlichen Entschädigungsnorm und -höhe zubewegen würden. Die Schaffung eines Fonds könnte einen gewissen Ausgleich dafür ermöglichen, dass immer die gleichen Staaten mehr als andere bezahlen.

5.7. Wie zu Beginn hervorgehoben, begrüßt der Ausschuss die hervorragende Arbeit der Kommission, die eine wichtige Anstrengung auf dem Weg zum Aufbau eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts darstellt.

5.8. Die Umsetzung dieser Initiative der Kommission zur staatlichen Entschädigung der Opfer von Straftaten wird ein echter und signifikanter Fortschritt auf der Suche nach Schutzlösungen für die Bürger sein und für die Mitgliedstaaten ein deutliches, beispielhaftes Ergebnis beim Aufbau eines wirklichen europäischen Rechtsraums bedeuten, der auf einer Kultur der Solidarität im Sinne einer wirklichen Mitverantwortung beruht, und in dem das allgemeine Grundrecht der Bürger gilt, bei Angriffen und Gefahren und als Opfer von Straftaten nicht alleingelassen zu werden.

Brüssel, den 20. März 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1-15, Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

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