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Document 62016TO0131

Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. Juli 2016.
Königreich Belgien gegen Europäische Kommission.
Vorläufiger Rechtsschutz – Staatliche Beihilfen – Regelung der Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen bestimmter multinationaler Unternehmen – Auf der Grundlage von Steuervorbescheiden (tax rulings) gewährte Befreiung – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung als mit dem Binnenmarkt unvereinbar eingestuft und die Rückforderung der Beihilfen angeordnet wird – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Fehlende Dringlichkeit.
Rechtssache T-131/16 R.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2016:427

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

19. Juli 2016 ( *1 )

„Vorläufiger Rechtsschutz — Staatliche Beihilfen — Regelung der Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen bestimmter multinationaler Unternehmen — Auf der Grundlage von Steuervorbescheiden (tax rulings) gewährte Befreiung — Beschluss, mit dem die Beihilferegelung als mit dem Binnenmarkt unvereinbar eingestuft und die Rückforderung der Beihilfen angeordnet wird — Antrag auf Aussetzung der Durchführung — Fehlende Dringlichkeit“

In der Rechtssache T‑131/16 R

Königreich Belgien, vertreten durch C. Pochet und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte M. Segura Catalán und M. Clayton,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P.-J. Loewenthal und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen eines Antrags nach den Art. 278 und 279 AEUV auf Erlass einstweiliger Anordnungen, gerichtet auf die Aussetzung der Durchführung der Art. 2, 3 und 4 des Beschlusses C (2015) 9887 final der Kommission vom 11. Januar 2016 über die von Belgien angewandte Beihilferegelung SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) – Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

Vorgeschichte des Rechtsstreits, Verfahren und Anträge der Parteien

1

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft den Beschluss C (2015) 9887 final der Kommission vom 11. Januar 2016 über die von Belgien angewandte Beihilferegelung SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) – Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen (im Folgenden: angefochtener Beschluss), der zu einer spezifischen Regelung des belgischen Steuerrechts ergangen ist, nämlich der Regelung der Steuerbefreiung bestimmter Gewinne, die von zu einer multinationalen Unternehmensgruppe gehörenden belgischen Unternehmen erzielt wurden. Das wesentliche Element dieser Regelung ist das System der Erteilung von Steuervorbescheiden über Gewinnüberschüsse (im Folgenden: System der Gewinnüberschüsse), das einem belgischen Unternehmen, das zu einer multinationalen Unternehmensgruppe gehört, Anpassungen seiner Steuerbemessungsgrundlage ermöglicht.

2

Nach Ansicht des Königreichs Belgien beruht das System der Gewinnüberschüsse auf dem Fremdvergleichsgrundsatz, der im Bereich der internationalen Besteuerung weithin Anwendung finde und im Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Vermeidung von Doppelbesteuerung anerkannt sei. Dieser Grundsatz solle sicherstellen, dass der jeweilige Wert grenzüberschreitender Transaktionen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe deren tatsächlichen wirtschaftlichen Wert widerspiegle, also den, der sich nach den Bedingungen und Modalitäten ergebe, die zur Anwendung gekommen wären, wenn diese Transaktionen nicht zwischen verbundenen Parteien abgewickelt worden wären, so dass jedes der zur selben Gruppe gehörenden Unternehmen als eigenständiges Steuersubjekt angesehen werden könne.

3

Das Königreich Belgien weist darauf hin, dass die zuständige belgische Steuerbehörde nach der fraglichen Steuerregelung die Lage jedes Unternehmens gesondert prüfe und einen Vorbescheid erlasse, mit dem die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regelung festgelegt würden. In einem solchen Bescheid würden zunächst auf der Grundlage eines Berichts über Verrechnungspreise die auf Transaktionen zwischen dem belgischen Unternehmen und den mit ihm verbundenen Unternehmen angewendeten Fremdvergleichspreise ermittelt. Nach Anwendung dieser Verrechnungspreise auf die Transaktionen behalte das belgische Unternehmen, das eine zentrale Rolle im multinationalen Unternehmen einnehme, grundsätzlich den aus diesen Transaktionen verbleibenden Gewinn. Außerdem würden auf der Grundlage eines zweiten Berichts über Verrechnungspreise die möglichen „Gewinnüberschüsse“ ermittelt. Hierbei werde berücksichtigt, dass sich ein Teil der verbleibenden Gewinne aus dem Mehrwert ergebe, der durch die vom belgischen Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten geschaffen werde, und dass ein anderer Teil dieser verbleibenden Gewinne auf die Gruppeneffekte, etwa die Konzernsynergie oder Skaleneffekte, zurückzuführen sei. Innerhalb der verbleibenden Gewinne entsprächen die Gewinnüberschüsse den Gewinnen, die ein Unternehmen nicht hätte erzielen können, wenn es nicht Teil einer Unternehmensgruppe gewesen wäre. Es handle sich hierbei um Gewinne des belgischen Unternehmens, die über die fremdvergleichskonformen Gewinne hinausgingen.

4

Allein die Gewinnüberschüsse, die auf der Grundlage der Berichte über Verrechnungspreise nicht den belgischen Transaktionen des in Belgien steuerpflichtigen Unternehmens zugerechnet werden dürften und somit nicht Teil der fremdvergleichskonformen Gewinne dieses Unternehmens seien, dürften gemäß der fraglichen Befreiungsregelung von der Steuerbemessungsgrundlage ausgenommen werden. Die verbleibenden Gewinne spiegelten die vom belgischen Unternehmen erzielten Gewinne wider, wobei diese Gewinne nach den Vorschriften des belgischen Steuerrechts der Besteuerung durch die belgischen Behörden unterlägen, während die Gewinne, die sich aus der Zugehörigkeit zu einer internationalen Unternehmensgruppe ergäben, nicht der Steuerhoheit Belgiens unterlägen.

5

In dem angefochtenen Beschluss gelangte die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass das System der Gewinnüberschüsse für die dadurch Begünstigten eine staatliche Beihilfe darstelle. Dieses System weiche von der im belgischen Steuerrecht vorgesehenen allgemeinen Regel ab, wonach Unternehmen, die ihren Sitz in Belgien hätten oder über eine Betriebsstätte in Belgien tätig seien, auf der Basis ihres gesamten steuerbaren Gewinns besteuert würden, der als Ausgangspunkt auf der Grundlage ihrer tatsächlich erzielten Gewinne berechnet werde. Somit werde ein Teil der Gewinne, die von den zu multinationalen Unternehmensgruppen gehörenden belgischen Unternehmen erzielt würden, von der Steuer auf belgische Unternehmen ausgenommen, was zu einer Ungleichbehandlung von Unternehmen führe, die sich im Hinblick auf das mit der oben angeführten allgemeinen Regel verfolgte Ziel, die Gewinne aller Unternehmen zu besteuern, die in Belgien steuerpflichtig seien, in einer tatsächlich und rechtlich ähnlichen Situation befänden.

6

Hilfsweise legte die Kommission in dem angefochtenen Beschluss dar, unabhängig davon, ob das Referenzsystem dahin verstanden werden könne, dass es eine allgemeine Regelung umfasse, nach der bei belgischen Unternehmen multinationaler Unternehmensgruppen nicht die Gewinne besteuert werden dürften, die die sogenannten fremdvergleichskonformen Gewinne überstiegen, stelle das System der Gewinnüberschüsse eine fehlerhafte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – und folglich eine Abweichung von diesem Grundsatz – dar. Diese Abweichung bestehe darin, den belgischen Unternehmen multinationaler Unternehmensgruppen eine Steuerbefreiung für einen Teil ihrer fremdvergleichskonformen Gewinne zu gewähren, was zu einer Ungleichbehandlung von Unternehmen führe, die sich im Hinblick auf das Ziel, das mit der allgemeinen Regelung für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen in Belgien verfolgt werde, in einer tatsächlich und rechtlich ähnlichen Situation befänden.

7

Daher heißt es in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses, dass die Regelung der Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar und vom Königreich Belgien unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig angewandt worden sei. In Art. 2 Abs. 1 bis 4 des Beschlusses wird das Königreich Belgien aufgefordert, die unvereinbare und rechtswidrige Beihilfe von den Empfängern zurückzufordern. Dabei wird klargestellt, dass die Rückforderungsbeträge unter Anwendung der Zinseszinsformel zu verzinsen seien und dass sämtliche von den Begünstigten noch nicht zurückgezahlten Beträge von der Unternehmensgruppe zurückzufordern seien, zu der der Empfänger gehöre. Art. 3 des Beschlusses sieht vor, dass die Beihilfe sofort und tatsächlich zurückgefordert wird und dass das Königreich Belgien sicherstellt, dass der angefochtene Beschluss binnen vier Monaten nach seiner Bekanntgabe vollständig umgesetzt wird. In Art. 4 des Beschlusses wird dem Königreich Belgien die Verpflichtung auferlegt, zum einen der Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses u. a. die Liste der Beihilfenempfänger und des von jedem Empfänger zurückzufordernden Gesamtbetrags (Kapital und Zinsen) zu übermitteln und zum anderen die Kommission über den Fortgang der innerstaatlichen Maßnahmen zur Umsetzung des angefochtenen Beschlusses bis zur vollständigen Rückzahlung der Beihilfe zu unterrichten.

8

In ihrer Pressemitteilung über den angefochtenen Beschluss vom 11. Januar 2016 schätzte die Kommission, dass die Rückforderung der Beihilfen sich auf einen Gesamtbetrag von ungefähr 700 Mio. Euro belaufen werde und dass sich die belgischen Behörden auf Seiten der Empfänger an ungefähr 35 multinationale Unternehmen wenden müssten.

9

Mit Klageschrift, die am 22. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Belgien eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben.

10

Mit gesondertem Schriftsatz, der am 26. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Belgien den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz eingereicht, mit dem es im Wesentlichen beantragt,

die Durchführung der Art. 2, 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache auszusetzen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

11

In ihrer Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 17. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, beantragt die Kommission,

diesen Antrag zurückzuweisen;

dem Königreich Belgien die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

12

Nach den Art. 278 und 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung einer vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen. Nach Art. 278 AEUV haben Klagen jedoch grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, da für die Handlungen der Organe der Europäischen Union die Vermutung der Rechtmäßigkeit gilt. Der Eilrichter kann daher nur in Ausnahmefällen die Aussetzung der Durchführung eines von dem Gericht angegriffenen Rechtsakts anordnen oder einstweilige Anordnungen treffen (vgl. Beschluss vom 11. November 2013, CSF/Kommission, T‑337/13 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:599, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13

Nach Art. 156 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zudem den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie die den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach rechtfertigenden Sach- und Rechtsgründe anführen. Der Eilrichter kann somit die Aussetzung der Durchführung anordnen und andere einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen. Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (vgl. Beschluss vom 11. November 2013, CSF/Kommission, T‑337/13 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:599, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14

Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt der Eilrichter über ein weites Ermessen, und er kann nach Maßgabe der Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge der Prüfung frei bestimmen, da keine Rechtsvorschrift ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt. Der Eilrichter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (vgl. Beschluss vom 11. November 2013, CSF/Kommission, T‑337/13 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:599, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15

Die Aktenstücke enthalten alle für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer vorherigen mündlichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten.

16

Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

17

In diesem Zusammenhang beklagt das Königreich Belgien die Rechtsunsicherheit, die mit dem neuen Ansatz der Kommission zur Definition der Steuerhoheit eines Mitgliedstaats und mit deren neuer Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes verbunden sei. Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit noch nie dagewesenen Ausmaßes sei es sehr wahrscheinlich, dass manche Unternehmen beschließen würden, sich aus Belgien zurückzuziehen oder in Belgien nicht mehr zu investieren, was einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die belgische Wirtschaft nach sich zöge.

18

Das Königreich Belgien befürchtet zudem, dass eine Durchführung des angefochtenen Beschlusses ihm einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen würde, denn die belgische Steuerbehörden müssten bei den Unternehmen sämtliche Daten erheben, die Steuer, die jedes einzelne Unternehmen ohne das System der Gewinnüberschüsse hätte zahlen müssen, prüfen und neu berechnen und die Rückzahlung der Beihilfe zuzüglich Zinsen verlangen. Außerdem müssten die Steuerbehörden mit ihren Amtskollegen in den anderen Mitgliedstaaten und in bestimmten Drittstaaten Kontakt aufnehmen, um feststellen zu können, ob der in Belgien gestundete Teil der Gewinnüberschüsse anderswo besteuert worden sei oder besteuert werde. Diese Arbeit führte für die Verwaltung eines relativ kleinen Landes, das über geringere personelle Kapazitäten verfüge, zu einem enormen Verwaltungsaufwand. Im Fall einer Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses sähe sich das Königreich Belgien einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden wegen des enormen Verwaltungsaufwand gegenüber, den es zunächst zur Bestimmung des auf der Grundlage des angefochtenen Beschlusses, dem es an Klarheit fehle, zurückzufordernden Betrags und sodann zur Rückerstattung der zurückgeforderten Beträge betreiben müsste.

19

Sollten die als rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen eingestuften Beträge zurückgefordert werden, würden die Unternehmen, von denen diese Beihilfen zurückgefordert werden müssten, außerdem gerichtlich gegen diese Rückforderung vorgehen. Die nationalen Gerichte – wie im Übrigen auch die internationalen Schiedsgerichte – müssten eine Vielzahl aufwändiger und komplexer Rechtsstreitigkeiten bewältigen, in denen Unternehmen eine Entschädigung und Schadensersatz begehrten.

20

Nach der Rechtsprechung könne es Gründe dafür geben, in bestimmten Fällen die Voraussetzung der Dringlichkeit zu lockern, wenn der nachgewiesene fumus boni iuris besonders ausgeprägt sei. So habe der Eilrichter bereits der übergroßen Schwierigkeit Rechnung getragen, den Nachweis zu erbringen, dass der behauptete Schaden nicht wiedergutzumachen sei, und anerkannt, dass dem Primärrecht, d. h. den Art. 278 und 279 AEUV, Vorrang gegenüber sämtlichen Sekundärrechtsakten zukomme. Nichts hindere daher den Eilrichter daran, diese Artikel unmittelbar anzuwenden und eine Aussetzung der Durchführung anzuordnen, wenn er dies „den Umständen nach für nötig“ halte, oder die „erforderlichen“ einstweiligen Maßnahmen zu erlassen, weil die angefochtene Maßnahme offensichtlich rechtswidrig sei, etwa wenn ihr selbst der Anschein der Rechtmäßigkeit fehle.

21

Die Kommission hingegen hält die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht für erfüllt.

22

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne persönlich einen solchen Schaden zu erleiden (Beschlüsse vom 19. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑52/12 R, EU:T:2012:447, Rn. 36, vom 17. Januar 2013, Slowenien/Kommission, T‑507/12 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:25, Rn. 14, und vom 27. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑826/14 R, EU:T:2015:126, Rn. 24).

23

Was die hierzu notwendigen Beweise angeht, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass die Partei, die eine einstweilige Maßnahme beantragt, vor dem Eilrichter konkrete und genaue Angaben machen muss, die durch detaillierte Dokumente erhärtet sind, die die geltend gemachte Situation belegen und eine Prüfung der Folgen ermöglichen, die sich wahrscheinlich aus dem Nichterlass der beantragten Maßnahme ergeben. Diese Partei ist also verpflichtet, Angaben zu machen, die durch Dokumente untermauert und geeignet sind, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes, vollständiges Bild der Situation zu vermitteln, die den Erlass dieser Anordnung ihrer Auffassung nach rechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Januar 2013, Slowenien/Kommission, T‑507/12 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:25, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Da der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom Königreich Belgien gestellt worden ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten für die Belange zuständig sind, die auf nationaler Ebene als Allgemeininteressen betrachtet werden. Daher können sie diese im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes verteidigen und den Erlass einstweiliger Anordnungen beantragen, indem sie sich insbesondere darauf berufen, dass die angefochtene Maßnahme die Erfüllung ihrer staatlichen Aufgaben und die öffentliche Ordnung ernsthaft beeinträchtigen könnte. Die Mitgliedstaaten können außerdem geltend machen, dass ein Sektor ihrer Volkswirtschaft Schaden erleiden würde, zumal wenn die beanstandete Maßnahme nachteilige Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau und die Lebenshaltungskosten haben kann. Dagegen können sie nicht lediglich geltend machen, dass eine begrenzte Anzahl von Unternehmen Schäden erleiden würde, wenn diese für sich genommen nicht einen ganzen Sektor der nationalen Wirtschaft darstellen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 27. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑826/14 R, EU:T:2015:126, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Zur Behauptung des Königreichs Belgien, es sei wahrscheinlich, dass im Fall der Durchführung des angefochtenen Beschlusses bestimmte vom System der Gewinnüberschüsse begünstigte Unternehmen ihre Tätigkeiten aus Belgien verlagern oder beschließen würden, in Belgien nicht mehr zu investieren, ist festzustellen, dass das Königreich Belgien weder behauptet und schon gar nicht belegt, dass diese Unternehmen, deren Zahl es nicht einmal angegeben hat, einen bestimmten Sektor der belgischen Volkswirtschaft repräsentierten und dass die ihnen durch den angefochtenen Beschluss entstandene Beeinträchtigung ungünstige Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau und die Lebenshaltungskosten innerhalb einer Wirtschaftsbranche oder einer bestimmten Region Belgiens haben könnte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Beschluss vom 27. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑826/14 R, EU:T:2015:126, Rn. 31).

26

Das Königreich Belgien hat somit kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und vollständiges Bild der zur Begründung der Dringlichkeit geltend gemachten wirtschaftlichen Lage erstellt, wie dies die Rechtsprechung verlangt. Unter diesen Umständen kann der Eilrichter die geltend gemachte Dringlichkeit nicht auf der Grundlage der bloßen, nicht belegten Behauptung des Königreichs Belgien hinsichtlich der befürchteten Vorgehensweise bestimmter Unternehmen annehmen. Wegen des strikten Ausnahmecharakters einstweiliger Anordnungen (siehe oben, Rn. 12) kann eine solche Maßnahme nämlich nur dann gewährt werden, wenn diese Behauptung mit Angaben einhergeht, die ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und vollständiges Bild der fraglichen Lage zeichnen, und wenn sie auf Beweise gestützt ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Januar 2013, Slowenien/Kommission, T‑507/12 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:25, Rn. 18 und 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Dasselbe gilt für die Behauptung des Königreichs Belgien, für seine Steuerbehörden – die „eines relativ kleinen Landes, das über geringere personelle Kapazitäten verfügt“ – entstünde ein übergroßer Verwaltungsaufwand, wenn sie den Betrag der zurückzufordernden Beihilfen und – im Fall einer späteren Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses – die zurückzuzahlenden Beträge der zurückgeforderten Beihilfen bestimmen müssten. Tatsächlich hat das Königreich Belgien lediglich angebliche, rein abstrakte administrative Schwierigkeiten angeführt, ohne die Struktur der personellen Kapazitäten zu erläutern, über die seine Steuerverwaltung verfüge, ohne die angeblich übergroßen Belastungen zu präzisieren, denen die Steuerverwaltung ausgesetzt sein soll, und ohne sich – auf der Grundlage konkreter fiskalischer Argumente – gegen die Erwägungsgründe 205 bis 211 des angefochtenen Beschlusses zu wenden, die gerade die Methode der Rückforderung der als rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar eingestuften staatlichen Beihilfen betreffen.

28

Das Königreich Belgien hat auch die im 202. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geäußerte Ansicht der Kommission, dass die zurückzufordernden Beträge unschwer beziffert werden könnten, nicht in Abrede gestellt: Da die Befreiung von Gewinnüberschüssen einem Prozentsatz des Gewinns vor Steuern entspricht, der auf den tatsächlich erzielten Gewinn des belgischen Unternehmens eines Konzerns angewendet wird, würde es zur Beseitigung des durch die Maßnahme bewirkten selektiven Vorteils genügen, die Differenz zwischen der auf den tatsächlich erzielten Gewinn zu entrichtenden Steuer und der aufgrund der angefochtenen Regelung tatsächlich entrichteten Steuer, zuzüglich der ab dem Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe auf diesen Betrag fälligen Zinsen, zurückzuzahlen.

29

Da das Königreich Belgien zudem nicht die genaue Anzahl der von einer möglichen Rückforderung betroffenen Unternehmen angegeben hat, kann der Eilrichter nur die Zahl zugrunde legen, die sich aus dem Anhang des angefochtenen Beschlusses ergibt, nämlich etwa 50 Unternehmen, oder die von der Kommission in ihrer Pressemitteilung vom 11. Januar 2016 öffentlich genannte Zahl von ungefähr 35 Unternehmen. Es erscheint jedoch kaum möglich, dass die Behandlung einer solchen Zahl von Rückforderungsfällen durch die zuständigen Behörden das reibungslose Funktionieren der belgischen Steuerverwaltung beeinträchtigen könnte (vgl. entsprechend Beschluss vom 27. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑826/14 R, EU:T:2015:126, Rn. 48 und 49). Dies gilt selbst unter der Annahme, dass die Steuerverwaltung tatsächlich gezwungen wäre, sämtliche vom Königreich Belgien aufgezeigten Schritte der Überprüfung, der Neuberechnung und der Kontaktaufnahme mit anderen Steuerverwaltungen zu unternehmen (siehe oben, Rn. 18).

30

Das Königreich Belgien befürchtet zwar, dass die Unternehmen, von denen die Beihilfen zurückgefordert werden müssten, die Gerichte anrufen könnten, die so eine Vielzahl umfangreicher und komplexer Rechtsstreitigkeiten bewältigen müssten, doch genügt auch hier die Feststellung, dass es nicht nachgewiesen hat, dass die belgischen Gerichte Gefahr liefen, mit einer solchen Zahl von Klagen gegen mögliche Rückforderungsanordnungen der Steuerbehörden überhäuft zu werden, dass dadurch die geordnete Rechtspflege in Belgien ernsthaft beeinträchtigt werden könnte. Da das Königreich Belgien insbesondere nicht genau angegeben hat, wie viele Unternehmen von einer möglichen Rückforderung betroffen wären, muss der Eilrichter von der Prämisse ausgehen, dass die belgischen Gerichte höchstens etwa 50 Klagen zu bewältigen hätten (siehe oben, Rn. 29). Es erscheint jedoch kaum möglich, dass die Behandlung einer solchen Zahl von Klagen die geordnete Rechtspflege in Belgien beeinträchtigen könnte (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 27. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑826/14 R, EU:T:2015:126, Rn. 48 und 49).

31

Soweit sich das Königreich Belgien zur Untermauerung seines Vorbringens zur Gefahr einer Beeinträchtigung seiner Steuerverwaltung und seiner Rechtspflege auf den Beschluss vom 19. September 2012, Griechenland/Kommission (T‑52/12 R, EU:T:2012:447), stützt, ist darauf hinzuweisen, dass die Anerkennung einer Dringlichkeit in der Rechtssache, in der dieser Beschluss ergangen ist, auf einer Gesamtheit ganz besonderer Umstände beruhte, die in Griechenland im Jahr 2012 vorlagen (im Folgenden: griechische Rechtssache).

32

In der griechischen Rechtssache trug der Präsident des Gerichts nämlich angesichts der Gefahr, dass die Erfüllung der staatlichen Aufgaben der Hellenischen Republik gefährdet werden konnte, u. a. dem Umstand Rechnung, dass sich die Zahl der Beihilfeempfänger – griechische Landwirte –, von denen die griechischen Behörden die Beihilfen zurückfordern mussten, auf mehrere Hunderttausend belief; diese stellten, zusammen mit ihren Familien, einen erheblichen Teil der griechischen Gesamtbevölkerung dar. Nach Ansicht des Präsidenten des Gerichts hätte eine solche massenhafte Rückforderung verhängnisvolle Konsequenzen für die Finanzverwaltung gehabt, die der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und der Verfolgung „der großen Steuerhinterzieher“ zum Zweck der Eintreibung von Beträgen in Höhe von insgesamt 20 Mrd. Euro, also fast 50-mal mehr als die im griechischen Agrarsektor zurückzufordernden Beihilfen, absoluten Vorrang hätten einräumen müssen, zumal es äußerst vorhersehbar gewesen sei, dass ein großer Teil der mehreren hunderttausend Begünstigten sich weigern würde, die verlangten Beträge zu entrichten, was die Zwangsbeitreibung mit massivem Eingreifen der Beamten der Finanzverwaltung erforderlich gemacht hätte, deren Zahl sich aber nicht erhöht habe (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 19. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑52/12 R, EU:T:2012:447, Rn. 44 bis 47).

33

Hinzu kam in der griechischen Rechtssache die Gefahr einer Störung der öffentlichen Ordnung. Vor diesem Hintergrund trug der Präsident des Gerichts dem Umstand Rechnung, dass das soziale Klima in Griechenland durch eine Beschädigung des Vertrauens in den Staatsapparat, eine allgemeine Unzufriedenheit und ein Gefühl der Ungerechtigkeit gekennzeichnet war, und hob hervor, dass die gewalttätigen Demonstrationen gegen die drakonischen Sparmaßnahmen des griechischen Staatsapparats ständig zunähmen, so dass eine Rückforderung der streitigen Zahlungen im gesamten landwirtschaftlichen Sektor Demonstrationen hätte auslösen können, die in Gewalttätigkeiten und dramatische Ausschreitungen hätten ausarten können, was einen nicht wiedergutzumachenden Schaden verursacht hätte, auf den sich die Hellenische Republik zu Recht habe berufen können (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 19. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑52/12 R, EU:T:2012:447, Rn. 48 und 49).

34

Es ist jedoch offensichtlich, dass sich das Königreich Belgien zum Nachweis der Dringlichkeit keineswegs auf Umstände berufen kann, wie sie für die griechische Rechtssache kennzeichnend waren.

35

Zu der vom Königreich Belgien schließlich vertretenen Auffassung, die Voraussetzung der Dringlichkeit solle gelockert werden, wenn der nachgewiesene fumus boni iuris besonders ausgeprägt sei, ist festzustellen, dass sich der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz keineswegs auf einen solchen fumus boni iuris stützt, sondern vielmehr auf die Rechtsprechung Bezug nimmt, nach der die Voraussetzung des fumus boni iuris erfüllt ist, wenn zumindest einer der zur Stützung der Klage geltend gemachten Klagegründe dem ersten Anschein nach einschlägig oder jedenfalls nicht unbegründet erscheint, weil er ein schwieriges rechtliches Problem erkennen lässt, dessen Lösung nicht offensichtlich ist und einer eingehenden Prüfung bedarf, die Gegenstand des Hauptsacheverfahrens sein muss. Zudem vertritt das Königreich Belgien im Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und im Anschluss an eine zusammenfassende Darstellung der fünf zur Stützung der Klage geltend gemachten Klagegründe die Ansicht, die Antwort auf die aufgeworfenen Rechtsfragen sei nicht auf den ersten Blick offensichtlich und bedürfe einer eingehenden Prüfung, die zum Hauptsacheverfahren gehöre, und beantragt, „die Klage als nicht offensichtlich unbegründet zu erachten, weil die Fragen, die Gegenstand der Klage sind, hinreichend relevant und schwerwiegend sind, um den fumus boni iuris darzutun“.

36

Folglich ist nach dem Vorbringen des Königreichs Belgiens selbst die Prämisse für die geltend gemachte Lockerung, d. h. das Vorliegen eines besonders ausgeprägten fumus boni iuris, im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gegeben.

37

Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass eine Lockerung der für die Prüfung der Dringlichkeit geltenden Voraussetzungen nur in drei Arten von Rechtsstreitigkeiten zugelassen worden ist, in denen die Erfüllung dieser Voraussetzungen, wie sie in der Verfahrensordnung vorgesehen sind und in ständiger Rechtsprechung ausgelegt werden, systembedingt übermäßig schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist.

38

In diesem Zusammenhang sind erstens die Streitigkeiten im Bereich restriktiver Maßnahmen zu nennen. Grundsätzlich ist jeder Antrag auf Aussetzung der Durchführung einer restriktiven Maßnahme mit der Begründung zurückzuweisen, dass eine solche Aussetzung die volle Wirksamkeit dieser Maßnahmen im Fall der Abweisung der auf ihre Nichtigerklärung gerichteten Klage behindern könnte. Eine solche Aussetzung würde einer von diesen Maßnahmen betroffenen Einrichtung nämlich etwa ermöglichen, die Gelder, die sie bei Banken hält, die zu deren Einfrieren verpflichtet sind, sofort abzuheben und ihre Bankkonten zu leeren, bevor die Entscheidung zur Hauptsache ergeht. So könnte sie den Zweck der gegen sie verhängten Maßnahmen umgehen, obgleich die beim Eilrichter beantragte einstweilige Anordnung die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisieren darf (vgl. Beschlüsse vom 14. Juni 2012, Qualitest FZE/Rat, C‑644/11 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2012:354, Rn. 73 bis 77 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. März 2013, Iranian Offshore Engineering & Construction/Rat, T‑110/12 R, EU:T:2013:118, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Außerdem ist nach ständiger Rechtsprechung das Interesse einer Person oder einer Einrichtung an der vorläufigen Aufhebung des Einfrierens ihrer Gelder auf einen Vorteil gerichtet, den sie nicht einmal mit einem Nichtigkeitsurteil erreichen könnte. Ein solches Urteil würde nämlich die von dieser Person oder Einrichtung begehrte praktische Wirkung, nämlich die Aufhebung des Einfrierens ihrer Gelder, erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem seiner Verkündung hervorbringen; zu diesem Zeitpunkt ist der Eilrichter aber zeitlich nicht mehr zuständig, und jedenfalls könnte das Einfrieren der Gelder aufgrund einer neuen restriktiven Maßnahme, die die für nichtig erklärte Maßnahme innerhalb der Frist des Art. 60 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ersetzt, beibehalten werden. Folglich kann das Interesse der fraglichen Person oder Einrichtung, im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Aufhebung des Einfrierens ihrer Gelder zu erwirken, nicht vom Eilrichter geschützt werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 16. Juli 2015, National Iranian Tanker Company/Rat, T‑207/15 R, EU:T:2015:535, Rn. 55 bis 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

In dieser bei Streitigkeiten über restriktive Maßnahmen gegebenen besonderen Situation hat der Eilrichter in besonderen Ausnahmefällen den Fall in Betracht gezogen, dass die Dringlichkeit in der unabdingbaren Notwendigkeit bestehen könnte, so schnell wie möglich einen offenkundigen und äußerst schwerwiegenden Rechtsverstoß zu beseitigen oder Art. 278 AEUV, eine primärrechtliche und damit in ihrem Rang über der Verfahrensordnung stehende Bestimmung, unmittelbar anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. Februar 2014, HTTS und Bateni/Rat, T‑45/14 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:85, Rn. 50 und 51).

41

Zweitens sind die Rechtsstreitigkeiten im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe zu nennen. Ausgehend von der Feststellung, dass die Anwendung der bisherigen Rechtsprechung systematisch dazu führen würde, einem abgelehnten Bieter praktisch den Nachweis unmöglich zu machen, dass ihm durch die Ablehnung seines Angebots ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen könnte, hat der Eilrichter entschieden, dass ein solches Ergebnis mit den sich aus dem effektiven vorläufigen Schutz nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebenden Erfordernissen unvereinbar ist. Daher ist nunmehr anerkannt, dass von einem abgelehnten Bieter, der das Vorliegen eines besonders ausgeprägten fumus boni iuris beweisen kann, nicht der Nachweis verlangt werden kann, dass ihm ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde, vorausgesetzt, er hat seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz fristgemäß einreicht (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 23. April 2015, Kommission/Vanbreda Risk & Benefits, C‑35/15 P[R], EU:C:2015:275, Rn. 30 und 57).

42

Drittens schließlich sind die Rechtsstreitigkeiten im Bereich des Zugangs zu Dokumenten zu nennen. Was den Schutz von vermeintlich vertraulichen Dokumenten betrifft, hat der Eilrichter darauf hingewiesen, dass ihn, auch wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass der geltend gemachte Schaden irreparabel sei, der akzessorische und damit begrenzte Charakter seiner Befugnisse sowie der im Verhältnis zum Hauptverfahren akzessorische und vorläufige Charakter des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes daran hindern würden, die Verbreitung bestimmter in diesen Dokumenten enthaltener individueller Daten zu genehmigen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die in der Hauptsache entscheidenden Richter es vorziehen würden, zu prüfen, ob für die fraglichen Dokumente aufgrund ihrer Eigenart eine allgemeine Vertraulichkeitsvermutung gelten müsse, die diese Dokumente der Verpflichtung zu einer teilweisen Verbreitung entziehen würde. Grundsätzlich kann der Eilrichter in Anbetracht seiner rein akzessorischen Befugnisse somit keinen teilweisen Zugang genehmigen, ohne einer solchen Entscheidung zur Hauptsache ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Da diese Erwägungen hinsichtlich der Natur des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes für das abschließende Ergebnis dieses Verfahrens als solches maßgeblich sind, können sie nicht allein auf die Bereiche des fumus boni iuris und der Interessenabwägung angewendet werden, sondern müssen dem Eilrichter gegebenenfalls auch die unmittelbare Anwendung der Art. 278 und 279 AEUV, die Bestimmungen des Primärrechts sind, ermöglichen, die ihn dazu ermächtigen, eine Aussetzung der Durchführung anzuordnen, wenn er dies „den Umständen nach für nötig“ hält, und die „erforderlichen“ einstweiligen Anordnungen zu treffen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 25. Juli 2014, Deza/ECHA, T‑189/14 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:686, Rn. 99 bis 101, 104 und 105, und vom 1. September 2015, Pari Pharma/EMA, T‑235/15 R, EU:T:2015:587, Rn. 104 bis 106, 109 und 110).

43

Da sich der vorliegende Fall jedoch keiner der drei oben in den Rn. 38 bis 42 genannten Arten von Rechtsstreitigkeiten zuordnen lässt, sind die für den fumus boni iuris und die Dringlichkeit geltenden Voraussetzungen in ihrer Auslegung durch die ständige Rechtsprechung (siehe oben, Rn. 13) anzuwenden, so dass das Königreich Belgien hätte nachweisen müssen, dass ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht, wohingegen ein fumus boni iuris, so gewichtig er auch sein mag, nicht das Fehlen von Dringlichkeit heilen kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 27. Februar 2015, Spanien/Kommission, T‑826/14 R, EU:T:2015:126, Rn. 23).

44

Nach alledem kann der Eilrichter nur feststellen, dass das Königreich Belgien nicht nachgewiesen hat, dass ihm ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde, wenn die beantragte Aussetzung der Durchführung nicht angeordnet würde. Die Voraussetzung der Dringlichkeit ist somit nicht erfüllt.

45

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Abwägung der verschiedenen auf dem Spiel stehenden Interessen, in deren Rahmen der Eilrichter insbesondere zu bestimmen hat, ob das Interesse des Königreichs Belgien am Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung schwerer wiegt als das Interesse an einer sofortigen Anwendung der angefochtenen Entscheidung (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 26. Juni 2003, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 R und C‑217/03 R, EU:C:2003:385, Rn. 142).

46

Gemäß Art. 108 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV beschließt die Kommission, wenn sie feststellt, dass eine staatliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, dass der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat. Daraus ergibt sich, dass das allgemeine Interesse, aufgrund dessen die Kommission die ihr durch Art. 108 Abs. 2 AEUV übertragenen Aufgaben wahrnimmt, um dafür zu sorgen, dass das Funktionieren des Binnenmarkts nicht durch wettbewerbsfeindliche staatliche Beihilfen beeinträchtigt wird, von besonderer Bedeutung ist. Die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe aufzuheben, dient nämlich zur Wiederherstellung der früheren Lage (vgl. Beschluss vom 20. August 2014, Gmina Kosakowo/Kommission, T‑217/14 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:734, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

Folglich ist entschieden worden, dass im Rahmen eines Antrags auf Aussetzung des Vollzugs der von der Kommission auferlegten Verpflichtung, eine von ihr für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärte Beihilfe zurückzuzahlen, das Unionsinteresse normalerweise Vorrang genießt vor dem Interesse der Empfänger der Beihilfe, den Vollzug der Verpflichtung zu deren Rückzahlung bis zum Erlass des Urteils in der Hauptsache zu verhindern. Nur wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen und wenn insbesondere die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist, können die Empfänger einer solchen Beihilfe den Erlass einstweiliger Maßnahmen erwirken (vgl. Beschluss vom 20. August 2014, Gmina Kosakowo/Kommission, T‑217/14 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:734, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Wie oben festgestellt, erfüllt das Königreich Belgien die Voraussetzung der Dringlichkeit im vorliegenden Fall jedoch nicht, so dass bereits deshalb seine Interessen hinter die der Union zurücktreten.

49

Was mögliche außergewöhnliche Umstände angeht, ist darauf hinzuweisen, dass das Königreich Belgien im Wesentlichen nur das Vorliegen eines fumus boni iuris und den Umstand hervorhebt, dass die Kommission über einen längeren Zeitraum hinweg versäumt habe, die Regelung der Gewinnüberschüsse zu prüfen, ohne dass jedoch in dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ein außergewöhnlicher Umstand angeführt wird, der der Rückforderung der behaupteten staatlichen Beihilfen entgegenstehen könnte.

50

Nach alledem ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen, ohne dass es einer Prüfung der Voraussetzung des fumus boni iuris bedarf (Beschluss vom 25. Oktober 2012, Hassan/Rat, C‑168/12 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2012:674, Rn. 31).

 

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

 

1.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 19. Juli 2016

 

Der Kanzler

E. Coulon

Der Präsident

M. Jaeger


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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