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Document 62002TJ0109

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 26. April 2007.
Bolloré SA und andere gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Kartelle - Markt für Selbstdurchschreibepapier - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Dauer der Zuwiderhandlung - Schwere der Zuwiderhandlung - Erhöhung zu Abschreckungszwecken - Erschwerende Umstände - Mildernde Umstände - Mitteilung über Zusammenarbeit.
Verbundene Rechtssachen T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02.

European Court Reports 2007 II-00947

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2007:115

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

26. April 2007(*)

„Wettbewerb – Kartelle − Markt für Selbstdurchschreibepapier – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Dauer der Zuwiderhandlung – Schwere der Zuwiderhandlung – Erhöhung zu Abschreckungszwecken – Erschwerende Umstände – Mildernde Umstände – Mitteilung über Zusammenarbeit“

In den verbundenen Rechtssachen T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02

Bolloré SA mit Sitz in Puteaux (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Saint‑Esteben und H. Calvet,

Klägerin in der Rechtssache T‑109/02,

Arjo Wiggins Appleton Ltd mit Sitz in Basingstoke (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt F. Brunet, Solicitor J. Temple Lang und Barrister J. Grierson,

Klägerin in der Rechtssache T‑118/02,

unterstützt durch

Königreich Belgien, vertreten durch A. Snoecx und M. Wimmer als Bevollmächtigte,

Streithelfer in der Rechtssache T‑118/02,

Mitsubishi HiTec Paper Bielefeld GmbH, vormals Stora Carbonless Paper GmbH, mit Sitz in Bielefeld (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt I. van Bael und Solicitor A. Kmiecik,

Klägerin in der Rechtssache T‑122/02,

Papierfabrik August Koehler AG mit Sitz in Oberkirch (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Brinker und S. Hirsbrunner,

Klägerin in der Rechtssache T‑125/02,

M‑real Zanders GmbH, vormals Zanders Feinpapiere AG, mit Sitz in Bergisch Gladbach (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Burrichter und M. Wirtz,

Klägerin in der Rechtssache T‑126/02,

Papeteries Mougeot SA mit Sitz in Laval-sur-Vologne (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte G. Barsi, J. Baumgartner und J.‑P. Hordies, dann Rechtsanwälte Barsi und Baumgartner,

Klägerin in der Rechtssache T‑128/02,

Torraspapel, SA, mit Sitz in Barcelona (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. Brouwer, F. Cantos und C. Schillemans,

Klägerin in der Rechtssache T‑129/02,

Distribuidora Vizcaína de Papeles, SL, mit Sitz in Derio (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte E. Pérez Medrano und I. Delgado González,

Klägerin in der Rechtssache T‑132/02,

Papelera Guipuzcoana de Zicuñaga, SA, mit Sitz in Hernani (Spanien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt I. Quintana Aguirre,

Klägerin in der Rechtssache T‑136/02,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, in den Rechtssachen T‑109/02 und T‑128/02 vertreten durch W. Mölls und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt N. Coutrelis, in den Rechtssachen T‑118/02 und T‑129/02 vertreten durch W. Mölls und A. Whelan als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. van der Woude, in der Rechtssache T‑122/02 zunächst vertreten durch R. Wainwright und W. Mölls, dann durch R. Wainwright und A. Whelan als Bevollmächtigte, in den Rechtssachen T‑125/02 und T‑126/02 vertreten durch W. Mölls und F. Castillo de la Torre im Beistand von Rechtsanwalt H.‑J. Freund, in den Rechtssachen T‑132/02 und T‑136/02 vertreten durch W. Mölls und F. Castillo de la Torre im Beistand der Rechtsanwälte J. Rivas Andrés und J. Gutiérrez Gisbert,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/337/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier) (ABl. 2004, L 115, S. 1) oder, hilfsweise, Herabsetzung der durch diese Entscheidung gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter F. Dehousse und D. Sváby,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündlichen Verhandlungen vom 2. (T‑132/02 und T‑136/02), 7. (T‑109/02 und T‑128/02), 14. (T‑122/02), 16. (T‑118/02 und T‑129/02) und 21. Juni 2005 (T‑125/02 und T‑126/02)

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Im Herbst 1996 übermittelte der Papierkonzern Sappi, dessen Muttergesellschaft die Sappi Ltd ist, der Kommission Informationen und Unterlagen, die bei ihr den Verdacht begründeten, dass eine geheime Absprache über die Festsetzung von Preisen auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier, auf dem Sappi als Hersteller tätig war, bestehe oder bestanden habe.

2        Angesichts der von Sappi gemachten Angaben nahm die Kommission bei einer Reihe von Herstellern von Selbstdurchschreibepapier Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) vor. So fanden am 18. und 19. Februar 1997 die in Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Nachprüfungen in den Räumlichkeiten der Arjo Wiggins Belgium SA, der Papeteries Mougeot SA (im Folgenden: Mougeot), der Torraspapel, SA, der Sarriopapel y Celulosa, SA (im Folgenden: Sarrió), und der Grupo Torras, SA, statt. Ferner wurden zwischen Juli und Dezember 1997 Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 bei Sappi, der Arjo Wiggins Appleton plc (im Folgenden: AWA), der Arjo Wiggins Europe Holdings Ltd, der Arjo Wiggins SA und ihrer Tochtergesellschaft Guérimand SA, Mougeot, Torraspapel, Sarrió, Unipapel, der Sociedade Comercial de Celulose e Papel Lda, der Stora Carbonless Paper GmbH (vormals Stora‑Feldmühle AG, im Folgenden: Stora) und der Papierfabrik August Koehler AG (im Folgenden: Koehler) vorgenommen.

3        Im Jahr 1999 richtete die Kommission außerdem Auskunftsverlangen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 an AWA, Mougeot, Torraspapel, die Cartiere Sottrici Binda SpA (im Folgenden: Binda), die Carrs Paper Ltd (im Folgenden: Carrs), die Distribuidora Vizcaína de Papeles, SL (im Folgenden: Divipa), die Ekman Iberica, SA (im Folgenden: Ekman), die Papelera Guipuzcoana de Zicuñaga, SA (im Folgenden: Zicuñaga), Koehler, Stora, die Zanders Feinpapier AG (im Folgenden: Zanders) und die Copigraph SA. Darin wurden die betreffenden Unternehmen zu Angaben über von ihnen angekündigte Preiserhöhungen, über ihre Absatzmengen, Kunden und Umsätze und über ihre Treffen mit Konkurrenten aufgefordert.

4        AWA, Stora und Copigraph gaben in ihren Antworten auf das Auskunftsverlangen zu, an multilateralen Kartellsitzungen der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier teilgenommen zu haben. Sie lieferten der Kommission verschiedene Unterlagen und Informationen.

5        Mougeot nahm am 14. April 1999 Kontakt zur Kommission auf und erklärte sich bereit, gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) an der Untersuchung mitzuwirken. Sie räumte ein, dass es ein Kartell zur Festsetzung der Preise für Selbstdurchschreibepapier gab, und übermittelte der Kommission Informationen über den Aufbau des Kartells und insbesondere über verschiedene Zusammenkünfte, an denen ihre Vertreter teilgenommen hatten.

6        Am 26. Juli 2000 leitete die Kommission das Verfahren in der vorliegenden Sache ein und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: MB), die sie an 17 Unternehmen richtete, u. a. an AWA, die Bolloré SA und deren Tochtergesellschaft Copigraph, Carrs, Zicuñaga, Divipa, die Mitsubishi HiTech Paper Bielefeld GmbH (vormals Stora, im Folgenden: MHTP), Mougeot, Koehler, Sappi, Torraspapel und Zanders. Diese Unternehmen erhielten mittels einer CD-ROM, die ihnen am 1. August 2000 übersandt wurde, Einsicht in die Ermittlungsakten der Kommission.

7        Mit Ausnahme von Binda, International Paper und der Mitsubishi Paper Mills Ltd nahmen alle Adressaten der MB schriftlich zu den Beschwerdepunkten der Kommission Stellung.

8        Am 8. und 9. März 2001 fand eine Anhörung statt.

9        Nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen und in Kenntnis des Abschlussberichts des Anhörungsbeauftragten erließ die Kommission am 20. Dezember 2001 die Entscheidung 2004/337/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) (Sache COMP/E‑1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier) (ABl. 2004, L 115, S. 1, im Folgenden: Entscheidung).

10      In Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung stellt die Kommission fest, dass elf Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen verstoßen hätten, indem sie an einer Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor Selbstdurchschreibepapier teilgenommen hätten.

11      In Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung stellt die Kommission fest, dass AWA, Bolloré, MHTP, Koehler, Sappi, Torraspapel und Zanders von Januar 1992 bis September 1995, Carrs von Januar 1993 bis September 1995, Divipa von März 1992 bis Januar 1995, Zicuñaga von Oktober 1993 bis Januar 1995 und Mougeot von Mai 1992 bis September 1995 an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten.

12      In Art. 2 der Entscheidung werden die in Art. 1 aufgeführten Unternehmen angewiesen, den dort genannten Verstoß abzustellen, falls dies nicht bereits geschehen sei, und bei ihren Tätigkeiten auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier von jeglichen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen Abstand zu nehmen, die gleiche oder ähnliche Ziele verfolgten oder Wirkungen nach sich zögen wie dieser Verstoß.

13      In Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung werden gegen die betroffenen Unternehmen folgende Geldbußen festgesetzt:

–        AWA: 184,27 Mio. Euro;

–        Bolloré: 22,68 Mio. Euro;

–        Carrs: 1,57 Mio. Euro;

–        Divipa: 1,75 Mio. Euro;

–        MHTP: 21,24 Mio. Euro;

–        Zicuñaga: 1,54 Mio. Euro;

–        Mougeot: 3,64 Mio. Euro;

–        Koehler: 33,07 Mio. Euro;

–        Sappi Ltd: 0 Euro;

–        Torraspapel: 14,17 Mio. Euro;

–        Zanders: 29,76 Mio. Euro.

14      Nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung sind die Geldbußen innerhalb von drei Monaten ab Zustellung der Entscheidung zu zahlen. Art. 3 Abs. 3 der Entscheidung bestimmt, dass nach Ablauf dieser Frist automatisch Zinsen zu dem von der Europäischen Zentralbank für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte am 1. Dezember 2001 zugrunde gelegten Zinssatz zuzüglich 3,5 Prozentpunkte berechnet werden, d. h. 6,77 %.

15      Die Entscheidung ist an die elf in den Art. 1 und 2 genannten Unternehmen gerichtet.

16      In der Entscheidung (Randnr. 77) heißt es, die Kartellteilnehmer hätten einen umfassenden wettbewerbswidrigen Plan vereinbart, der im Wesentlichen darauf ausgerichtet gewesen sei, durch kollektive Preiserhöhungen die Ertragslage der teilnehmenden Unternehmen zu verbessern. Im Rahmen dieses globalen Plans habe das Hauptziel des Kartells darin bestanden, Preiserhöhungen sowie die Daten für ihr Inkrafttreten zu vereinbaren.

17      Zu diesem Zweck hätten auf verschiedenen Ebenen (allgemein, national und regional) Kartellsitzungen stattgefunden. In Randnr. 89 der Entscheidung wird ausgeführt, den allgemeinen Kartellsitzungen sei eine Reihe nationaler oder regionaler Sitzungen gefolgt, deren Zweck darin bestanden habe, die Durchführung der bei den allgemeinen Kartellsitzungen beschlossenen Preiserhöhungen in den einzelnen Märkten sicherzustellen. Bei diesen Sitzungen hätten die Teilnehmer detaillierte und individuelle Informationen über ihre Preise und Verkaufsmengen ausgetauscht (Randnr. 97). Um die Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen zu gewährleisten, seien bei einigen nationalen Kartellsitzungen Verkaufsquoten zugeteilt und Marktanteile für die einzelnen Teilnehmer festgelegt worden (Randnr. 81).

18      An den Kartelltätigkeiten seien alle wichtigen Anbieter im EWR beteiligt gewesen, und sie seien in allen beteiligten Unternehmen auf hoher Ebene konzipiert, geleitet und gefördert worden. Die Durchführung derartiger Kartelle führe automatisch zu einer erheblichen Verfälschung des Wettbewerbs (Randnr. 377). Unter Berücksichtigung der Art des untersuchten Verhaltens, dessen tatsächlicher Auswirkungen auf den Markt für Selbstdurchschreibepapier und der Tatsache, dass es sich auf den gesamten Gemeinsamen Markt und, nach dessen Gründung, den gesamten EWR erstreckt habe, sei davon auszugehen, dass die Adressaten der Entscheidung eine sehr schwere Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen begangen hätten (Randnr. 404).

19      Zur Ermittlung des Ausgangsbetrags der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung teilte die Kommission die betroffenen Unternehmen nach ihrer relativen Bedeutung auf dem fraglichen Markt in fünf Kategorien ein (Randnrn. 406 bis 409). Um eine ausreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße zu gewährleisten, erhöhte sie sodann den auf diese Weise ermittelten Ausgangsbetrag bei AWA, Bolloré und Sappi um 100 % (Randnrn. 410 bis 412). Danach zog sie zur Festlegung des Grundbetrags der verhängten Geldbußen die Dauer des von jedem Unternehmen begangenen Verstoßes heran (Randnrn. 413 bis 417).

20      Als erschwerenden Umstand wertete die Kommission die führende Rolle von AWA und erhöhte deshalb den Grundbetrag der Geldbuße dieses Unternehmens um 50 % (Randnrn. 418 bis 424). Mildernde Umstände waren nach Ansicht der Kommission im vorliegenden Fall nicht gegeben.

21      Die Kommission passte die Endbeträge im Hinblick auf Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 an (Randnr. 434) und setzte sodann in Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit die Geldbußen bei Mougeot um 50 %, bei AWA um 35 %, bei „Bolloré (Copigraph)“ um 20 % und bei Carrs, MHTP und Zanders um 10 % herab (Randnrn. 435 bis 458).

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

22      Mit gesonderten Klageschriften, die zwischen dem 11. und dem 18. April 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben Bolloré (T‑109/02), AWA (T‑118/02), MHTP (T‑122/02), Koehler (T‑125/02), Zanders (T‑126/02), Mougeot (T‑128/02), Torraspapel (T‑129/02), Divipa (T‑132/02) und Zicuñaga (T‑136/02) die vorliegenden Klagen erhoben.

23      Bolloré beantragt,

–        die Art. 1, 2 und 3 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit diese Artikel sie betreffen;

–        hilfsweise, die in Art. 3 der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße ganz erheblich herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24      AWA beantragt,

–        die in der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben oder, hilfsweise, erheblich herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

–        alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, die das Gericht für angebracht hält.

25      Das Königreich Belgien beantragt als Streithelfer von AWA, deren Geldbuße erheblich herabzusetzen.

26      MHTP beantragt,

–        Art. 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sich aus ihm ergibt, dass sie vor dem 1. Januar 1993 an einer Zuwiderhandlung teilgenommen hat;

–        die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27      Koehler beantragt,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die in Art. 3 der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

28      Zanders beantragt,

–        Art. 3 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit ihr darin eine Geldbuße in Höhe von 29,76 Mio. Euro auferlegt wird;

–        hilfsweise, die in Art. 3 der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29      Mougeot beantragt,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die von der Kommission verhängte Geldbuße erheblich herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Torraspapel beantragt,

–        Art. 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit ihr darin ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis September 1993 zur Last gelegt wird, und die Geldbuße entsprechend herabzusetzen;

–        die in Art. 3 der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße erheblich herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten einschließlich der Kosten und Zinsen für die Stellung einer Bankgarantie oder die vollständige oder teilweise Zahlung der Geldbuße aufzuerlegen.

31      Divipa beantragt,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit ihr darin außer der Beteiligung an einer Absprache in Bezug auf den spanischen Markt eine Beteiligung an einem den gesamten Markt des EWR umfassenden Kartell zur Last gelegt wird, hilfsweise, die in der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32      Zicuñaga beantragt,

–        die Art. 1, 3 und 4 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit diese Artikel sie betreffen;

–        hilfsweise, die von der Kommission gegen sie verhängte Geldbuße wie folgt herabzusetzen:

–        die Erhöhung der Geldbuße um 10 % für nichtig zu erklären, da ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht länger als ein Jahr gedauert hat;

–        die Geldbuße wegen mildernder Umstände deutlich, mindestens um 60 %, herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

33      Die Kommission beantragt in allen Rechtssachen, die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

34      In den Rechtssachen T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑128/02, T‑132/02 und T‑136/02 hat das Gericht schriftliche Fragen gestellt, die von den betroffenen Parteien fristgerecht beantwortet wurden.

35      Mit Schreiben vom 14. Juni 2005, das auch eine Stellungnahme zum Sitzungsbericht enthält, hat die Klägerin in der Rechtssache T‑126/02 das Gericht über die Änderung ihres Firmennamens und ihrer Gesellschaftsform von Zanders Feinpapiere AG in M‑real Zanders GmbH (im Folgenden ebenfalls: Zanders) unterrichtet.

36      Die Verfahrensbeteiligten haben in getrennten Sitzungen am 2., 7., 14., 16. und 21. Juni 2005 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

37      Die Verfahrensbeteiligten sind vom Gericht bei der Sitzung in der jeweiligen Rechtssache aufgefordert worden, zur etwaigen Verbindung aller Rechtssachen zu gemeinsamer Entscheidung Stellung zu nehmen. Da sie keine Einwände erhoben haben, hält das Gericht es für angebracht, die vorliegenden Rechtssachen nach Art. 50 seiner Verfahrensordnung zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

 Rechtliche Würdigung

38      Die Klägerinnen beantragen die Nichtigerklärung der Entscheidung und/oder die Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße.

I –  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der Entscheidung

39      Die Klägerinnen beantragen die Nichtigerklärung der gesamten Entscheidung oder bestimmter sie betreffender Bestimmungen. Diese Anträge beruhen auf formalen, den Ablauf des Verwaltungsverfahrens betreffenden Klagegründen und auf materiellen Klagegründen, die sich gegen die Feststellungen und Beurteilungen der Kommission in Bezug auf die Beteiligung bestimmter Unternehmen an der Zuwiderhandlung richten.

A –  Zu den Klagegründen in Bezug auf den Ablauf des Verwaltungsverfahrens

1.     Erster Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Weigerung, im Verwaltungsverfahren Unterlagen offenzulegen, die von der Kommission als vertraulich eingestuft wurden

a)     Vorbringen der Parteien

40      Zicuñaga trägt vor, sowohl nach der Lehre als auch nach Art. 19 der Verordnung Nr. 17 stelle der vollständige Zugang zur Ermittlungsakte eine Verfahrensgarantie dar, die die wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte und insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör gewährleisten solle. Diese Garantie solle es dem Betroffenen nicht nur ermöglichen, die von der Kommission herangezogenen belastenden Unterlagen zu beanstanden, sondern solle ihm auch Zugang zu entlastenden Unterlagen verschaffen, die für seine Verteidigung nützlich sein könnten.

41      Bei vertraulichen Unterlagen müsse die Kommission das berechtigte Interesse des betroffenen Unternehmens an Wahrung der Vertraulichkeit mit den Verteidigungsrechten in Einklang bringen. Die Kommission dürfe sich in der Endentscheidung jedoch nicht auf Unterlagen stützen, zu denen der Beschuldigte nicht habe Stellung nehmen können. Die Weigerung der Kommission, ein Schriftstück im Verwaltungsverfahren zu übermitteln, stelle zudem eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar, wenn das Verwaltungsverfahren im Fall der Übermittlung dieses Schriftstücks an den Betroffenen möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Durch die unterbliebene Offenlegung von Unterlagen, die die Kommission als vertraulich eingestuft habe, seien folglich die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt worden.

42      Die Kommission trägt vor, bei den von ihr durchgeführten Ermittlungen seien alle erforderlichen Garantien eingehalten und kein Rechtsgrundsatz verletzt worden. Im Übrigen sei das Vorbringen von Zicuñaga unzulässig, da sie nicht angebe, welche belastenden Unterlagen die Kommission herangezogen habe.

b)     Würdigung durch das Gericht

43      Die Argumentation von Zicuñaga ist mehrdeutig. Die Überschrift des fraglichen Klagegrundes („Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Nichtvorlage belastender Unterlagen“) legt nahe, dass sich die Klägerin nur dagegen wendet, dass die Kommission Unterlagen, die in der Entscheidung als Belastungsbeweise verwendet wurden, im Verwaltungsverfahren nicht übermittelt hat. Andere Abschnitte ihrer Klageschrift deuten darauf hin, dass sie auch rügt, dass im Verwaltungsverfahren Unterlagen nicht übermittelt worden seien, die entlastende Gesichtspunkte hätten enthalten können.

44      Zur Rüge von Zicuñaga, dass die Kommission Unterlagen, die in der Entscheidung als Belastungsbeweise herangezogen worden seien, im Verwaltungsverfahren nicht übermittelt habe, hat die Kommission in ihren Schriftsätzen zutreffend ausgeführt, dass Zicuñaga keine solche Unterlage angibt. Insoweit ist deren Vorbringen daher als unsubstantiiert zurückzuweisen.

45      Soweit Zicuñaga rügt, dass die Kommission ihr im Verwaltungsverfahren keine Einsicht in Unterlagen gewährt habe, die für ihre Verteidigung von Nutzen gewesen wären, da sie entlastende Gesichtspunkte hätten enthalten können, ist an die Rechtsprechung zu erinnern, nach der die Kommission den betroffenen Unternehmen, damit diese sich gegen die ihnen in der MB zur Last gelegten Beschwerdepunkte sachgerecht verteidigen können, die vollständige Ermittlungsakte zugänglich machen muss, mit Ausnahme der Schriftstücke, die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen oder sonstige vertrauliche Informationen enthalten, und der internen Vermerke der Kommission (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 170 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Außerdem muss das Recht der Unternehmen und Unternehmensvereinigungen auf Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse mit der Gewährleistung des Anspruchs auf Zugang zu den gesamten Akten in Einklang gebracht werden. Ist die Kommission der Ansicht, dass bestimmte Unterlagen in ihrer Ermittlungsakte Geschäftsgeheimnisse oder sonstige vertrauliche Informationen enthalten, so muss sie daher nicht vertrauliche Fassungen dieser Unterlagen erstellen oder von den Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, von denen die fraglichen Unterlagen stammen, erstellen lassen. Erweist sich die Erstellung nicht vertraulicher Fassungen aller Unterlagen als schwierig, so muss sie den Betroffenen eine hinreichend genaue Liste der problematischen Unterlagen übermitteln, damit sie prüfen können, ob es angebracht ist, Zugang zu konkreten Schriftstücken zu verlangen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995, Solvay/Kommission, T‑30/91, Slg. 1995, II‑1775, Randnrn. 88 bis 94).

47      Im vorliegenden Fall rügt Zicuñaga nach den Angaben in ihren Schriftsätzen insbesondere, dass die Kommission ihr keine Einsicht in die in Randnr. 288 der Entscheidung angesprochenen detaillierten Informationen über die Umsätze mehrerer beschuldigter Unternehmen, darunter Zicuñaga, in den einzelnen Ländern des EWR während des Kartellzeitraums gewährt habe. Diese Informationen enthielten wahrscheinlich Anhaltspunkte, die ihr den Nachweis ermöglicht hätten, dass sie keine mit den europäischen Herstellern von Selbstdurchschreibepapier abgestimmte Preispolitik verfolgt habe.

48      Hierzu geht aus der von der Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts vorgelegten Liste der Unterlagen, aus denen die Akte in der Rechtssache T‑136/02 besteht, hervor, dass die Kommission den Parteien im Verwaltungsverfahren eine nicht vertrauliche Fassung der Unterlagen mit den in Randnr. 288 angesprochenen Informationen übermittelt hat, wenn diese Unterlagen als nicht zugänglich eingestuft waren. Zicuñaga konnte somit prüfen, ob es angebracht war, Zugang zu konkreten Schriftstücken zu verlangen.

49      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission in einem Verfahren zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG nicht verpflichtet ist, von sich aus Unterlagen zugänglich zu machen, die nicht in ihrer Ermittlungsakte enthalten sind und die sie nicht in der endgültigen Entscheidung gegen die betroffenen Parteien verwenden will. Folglich muss eine Partei, die im Verwaltungsverfahren erfährt, dass die Kommission Unterlagen besitzt, die für ihre Verteidigung nützlich sein könnten, bei der Kommission ausdrücklich Einsicht in diese Unterlagen beantragen. Wird ein solcher Antrag im Verwaltungsverfahren nicht gestellt, so tritt in diesem Punkt in Bezug auf eine gegen die endgültige Entscheidung etwa erhobene Nichtigkeitsklage Verwirkung ein (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, im Folgenden: Zement-Urteil, Randnr. 383).

50      Zicuñaga hat im Verwaltungsverfahren keinen förmlichen Antrag auf Einsicht in die vertrauliche Fassung der oben genannten Informationen gestellt. Sie spricht zwar in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts von einem schriftlichen Antrag auf Einsicht in diese Informationen und legt das Schreiben vor, mit dem dieser Antrag von der Kommission abgelehnt wurde. Der Antrag datiert jedoch vom 3. April 2002 und wurde somit gestellt, nachdem das Verwaltungsverfahren beendet und die Entscheidung erlassen worden war. Da Zicuñaga im Verwaltungsverfahren keinen solchen Antrag gestellt hatte, ist in Bezug auf die Nichtigkeitsklage Verwirkung eingetreten.

51      Folglich ist dieser Klagegrund von Zicuñaga zurückzuweisen.

2.     Zweiter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht wegen der unterbliebenen Übermittlung von Unterlagen, die nicht in der auf CD-ROM zugänglich gemachten Ermittlungsakte enthalten waren

a)     Vorbringen der Parteien

52      Koehler wirft der Kommission vor, ihr bestimmte Unterlagen nicht zugänglich gemacht zu haben, die in der den Adressaten der MB am 1. August 2000 auf CD-ROM übermittelten Ermittlungsakte nicht enthalten seien. Dabei handele es sich insbesondere um die Erwiderungen der anderen Adressaten auf die MB sowie um die Anlagen zu diesen Erwiderungen, zu denen ein in Fn. 365 der Entscheidung erwähntes Gutachten gehöre, das AWA der Kommission übersandt habe. Die zahlreichen Verweise auf diese Erwiderungen in der Entscheidung zeugten davon, dass sich die Kommission sowohl bei ihrer Analyse des Sachverhalts als auch bei der Bußgeldzumessung auf sie gestützt habe. Die Erwiderung von Mougeot auf die MB zeige, dass die Akte ersichtlich auch für ihre Verteidigung nützliche Informationen enthalten habe.

53      Die Kommission entgegnet, sie dürfe zwar nur Tatsachen berücksichtigen, zu denen sich die betroffenen Unternehmen hätten äußern können; die Erwiderungen auf die MB seien aber nicht Teil der Ermittlungsakte, in die Einsicht zu gewähren sei. Das Verwaltungsverfahren sei mit Eingang dieser Erwiderungen als beendet anzusehen und könne nicht unbegrenzt fortgesetzt werden, da sich jedes Unternehmen zu den Stellungnahmen der anderen Unternehmen äußern wolle. Koehler habe keinen belastenden Gesichtspunkt genannt, auf den die Kommission einen gegen sie erhobenen Vorwurf gestützt habe, ohne dass sie sich dazu habe äußern können.

b)     Würdigung durch das Gericht

54      Die Argumentation von Koehler geht in zwei Richtungen. Zum einen seien bestimmte in der ihr zugänglich gemachten Ermittlungsakte nicht enthaltene Unterlagen von der Kommission in der Entscheidung als belastende Beweismittel verwendet worden, ohne dass sie sie im Verwaltungsverfahren habe einsehen oder sich zu ihnen habe äußern können. Zum anderen habe die Kommission ihr Unterlagen, die sich nicht in der ihr zugänglich gemachten Ermittlungsakte befänden und die möglicherweise entlastende Beweismittel enthielten, nicht übermittelt. Diese beiden Punkte sind gesondert zu prüfen.

55      Zur unterbliebenen Übermittlung angeblich belastender Beweismittel, die in der Koehler zugänglich gemachten Ermittlungsakte nicht enthalten waren, ist zunächst festzustellen, dass eine Unterlage nur dann als ein einen Kläger belastendes Schriftstück angesehen werden kann, wenn sich die Kommission bei der Feststellung einer Zuwiderhandlung, an der dieser Kläger teilgenommen haben soll, auf diese Unterlage stützt (Zement-Urteil, Randnr. 284).

56      Da Unterlagen, die den betroffenen Parteien im Verwaltungsverfahren nicht übermittelt wurden, keine Beweismittel darstellen, die ihnen entgegengehalten werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, Slg. 1991, I‑3359, Randnr. 21, und Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T‑11/89, Slg. 1992, II‑757, Randnrn. 55 und 56, und ICI/Kommission, T‑13/89, Slg. 2002, II‑1021, Randnrn. 34 und 35), sind Unterlagen, die nicht in der Ermittlungsakte enthalten waren und den Klägern nicht übermittelt wurden und in Bezug auf die sich herausstellt, dass die Kommission sich in der angefochtenen Entscheidung auf sie gestützt hat, als Beweismittel auszuschließen (Zement-Urteil, Randnr. 382; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 24 bis 30, Urteil Solvay/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 57, und Urteil ICI/Kommission, Randnr. 36),

57      Will sich die Kommission auf eine Stelle in einer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder auf eine Anlage zu einer solchen Erwiderung stützen, um in einem Verfahren zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG das Bestehen einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, so müssen die anderen Beteiligten an diesem Verfahren folglich in die Lage versetzt werden, sich zu einem solchen Beweismittel zu äußern (vgl. in diesem Sinne die oben in Randnr. 56 angeführten Urteile AKZO/Kommission, Randnr. 21, Shell/Kommission Randnr. 55, und ICI/Kommission, Randnr. 34).

58      Im vorliegenden Fall führt die Klägerin in ihrer Klageschrift allgemein aus: „Infolge der zahlreichen Verweise in den Fußnoten steht außer Zweifel, dass die Kommission die Stellungnahmen der anderen Verfahrensbeteiligten verwertet hat, um sowohl ihre Sachverhaltsdarstellung als auch die Bußgeldzumessung zu untermauern.“ Anhand einer so allgemeinen Behauptung lässt sich aber nicht ermitteln, welche konkreten Unterlagen in der Entscheidung als belastende Beweismittel gegen sie verwendet worden sein sollen. In der mündlichen Verhandlung hat sie im Übrigen eingeräumt, dass es kein belastendes Schriftstück gebe, das sie nicht habe einsehen können.

59      In Zusammenhang mit der unterbliebenen Übermittlung möglicherweise entlastender Beweise, die sich nicht in der ihr zugänglich gemachten Ermittlungsakte befanden, nennt Koehler die Erwiderungen anderer Adressaten auf die MB sowie die Anlagen zu diesen Erwiderungen. Sie hat jedoch nicht dargetan, dass sie bei der Kommission ausdrücklich die Übermittlung dieser Beweismittel beantragt hat; in der mündlichen Verhandlung hat sie sogar eingeräumt, keinen Antrag auf Einsichtnahme in diese Unterlagen gestellt zu haben. Die Klägerin kann daher vor Gericht den fehlenden Zugang zu ihnen nicht rügen (vgl. in diesem Sinne das Zement-Urteil, Randnr. 383; siehe auch oben, Randnr. 49).

60      Überdies hat Koehler nicht dargetan, dass sie, wenn ihr die Erwiderungen der übrigen Adressaten auf die MB und die Anlagen zu diesen Erwiderungen zugänglich gewesen wären, Argumente hätte vorbringen können, die geeignet gewesen wären, das in der Entscheidung erzielte Ergebnis zu beeinflussen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 1980, Distillers/Kommission, 30/78, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26, und Urteil des Gerichts vom 27. November 1990, Kobor/Kommission, T‑7/90, Slg. 1990, II‑721, Randnr. 30).

61      Soweit Koehler geltend macht, das der Erwiderung von AWA auf die MB beigefügte Gutachten sei in der ihr zugänglich gemachten Ermittlungsakte nicht enthalten gewesen, hätte aber für ihre Verteidigung von Nutzen sein können, geht aus der Entscheidung (Randnrn. 390, 392 und 396) hervor, dass die Kommission das von AWA im Verwaltungsverfahren auf dieses Gutachten gestützte Vorbringen, die Zuwiderhandlung habe keine konkreten Auswirkungen auf den Markt gehabt, ausdrücklich zurückgewiesen hat. Das Argument von Koehler, ihre Verteidigung sei beeinträchtigt worden, weil sie im Verwaltungsverfahren keinen Zugang zu diesem Gutachten gehabt habe, greift daher nicht durch.

62      Zur Erwiderung von Mougeot auf die MB trägt Koehler in ihrer Replik vor, diese Erwiderung zeige, dass die Akte ersichtlich für ihre Verteidigung nützliche Informationen enthalten habe. Sie nimmt insoweit auf den in Randnr. 293 der Entscheidung zitierten Abschnitt dieser Erwiderung Bezug, in dem Mougeot entgegen einer früheren Aussage gegenüber der Kommission erklärt: „In der [MB] wird nicht nachgewiesen, dass die AEMCP[Association of European Manufacturers of Carbonless Paper]-Versammlungen vor der Umstrukturierung der Vereinigung im September 1993 als Rahmen für wettbewerbswidrige Absprachen dienten.“ In Randnr. 295 der Entscheidung weist die Kommission dies jedoch ausdrücklich zurück und führt aus, die Erklärungen von Sappi, Mougeot und AWA bewiesen zusammen genommen, dass spätestens ab 1992 Kartellsitzungen stattgefunden hätten. Unter Bezugnahme auf die Randnrn. 112 und 113 der Entscheidung fügt sie hinzu, Beweismaterial von Sappi bestätige, dass es vor September 1993 auch auf Versammlungen der Vereinigung europäischer Hersteller von Selbstdurchschreibepapier (AEMCP) oder auf Sitzungen, die anlässlich dieser Versammlungen stattgefunden hätten, zu Geheimabsprachen gekommen sei. Der von Koehler angeführte Abschnitt der Erwiderung von Mougeot auf die MB beweist somit entgegen dem Vorbringen von Koehler nicht, dass die Erwiderungen auf die MB und die Anlagen zu diesen Erwiderungen sie in die Lage versetzt hätten, Argumente vorzutragen, die zu einem anderen Ergebnis des Verwaltungsverfahrens hätten führen können.

63      Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

3.     Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens aufgrund mangelnder Übereinstimmung zwischen der MB und der Entscheidung

a)     Vorbringen der Parteien

64      Bolloré trägt vor, in der MB habe die Kommission ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nur aufgrund ihrer Verantwortung als Muttergesellschaft für die Handlungen ihrer Tochtergesellschaft Copigraph bejaht. Die Entscheidung enthalte dagegen einen neuen Vorwurf an sie, der sich auf ihre persönliche und eigenständige Verwicklung in das Kartell stütze. Die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte verletzt, da sie ihr nicht die Möglichkeit gegeben habe, im Verwaltungsverfahren zu diesem Vorwurf Stellung zu nehmen.

65      Die Kommission bestreitet, dass in der Entscheidung von einer persönlichen Verwicklung von Bolloré in die Zuwiderhandlung ausgegangen wird. Der Klägerin würden die Handlungen ihrer Tochtergesellschaft zugerechnet, da sie gemeinsam mit ihr ein einziges Unternehmen bilde. Der vorliegende Klagegrund könnte daher nur dann Erfolg haben, wenn nachgewiesen würde, dass der Klägerin die Zuwiderhandlung in der MB nicht aus diesem Grund zugerechnet worden sei oder dass die Kommission ihre Beurteilung in der Entscheidung auf Tatsachen gestützt habe, zu denen sich Bolloré im Verwaltungsverfahren nicht habe äußern können. Dies sei aber nicht der Fall.

b)     Würdigung durch das Gericht

66      Die Wahrung der Verteidigungsrechte ist ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts, das unter allen Umständen, insbesondere aber in allen Verfahren, die zu Sanktionen führen können, zu beachten ist, selbst wenn es sich dabei um ein Verwaltungsverfahren handelt. Danach muss das betroffene Unternehmen in die Lage versetzt werden, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände angemessen Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichts vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, T‑5/00 und T‑6/00, Slg. 2003, II‑5761, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Nach der Rechtsprechung muss die MB, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Beteiligten tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt. Nur unter dieser Voraussetzung kann die MB nämlich den ihr durch die Gemeinschaftsverordnungen zugewiesenen Zweck erfüllen, der darin besteht, den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle Angaben zur Verfügung zu stellen, deren sie bedürfen, um sich wirksam verteidigen zu können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt (Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg. 1993, I‑1307, Randnr. 42, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, Slg. 1998, II‑1989, Randnr. 63).

68      Zudem ist eine Verletzung der Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren anhand der Rügen zu beurteilen, die die Kommission in der MB und in der Entscheidung erhoben hat (Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995, ICI/Kommission, T‑36/91, Slg. 1995, II‑1847, Randnr. 70, und Urteil Solvay/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 60). Unter diesen Umständen setzt die Feststellung einer Verletzung der Verteidigungsrechte voraus, dass die Rüge, die gegen das Unternehmen nach dessen Vorbringen in der MB nicht erhoben worden war, von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung beibehalten wird.

69      Angesichts der in den drei vorstehenden Randnummern wiedergegebenen Rechtsprechung ist zunächst zu prüfen, auf welcher Grundlage die Kommission in der Entscheidung die Verantwortung von Bolloré für die Zuwiderhandlung bejaht hat. Die dafür relevanten Angaben sind in den Randnrn. 353 bis 356 der Entscheidung (Teil II [Rechtliche Würdigung], Abschnitt 2.3.2 [Haftung für die Zuwiderhandlung – Copigraph und Bolloré]) zu finden.

70      Diese Randnummern lauten:

„(353) Copigraph SA war während der Zeit der Zuwiderhandlung eine vollständige Tochtergesellschaft von Bolloré SA (vormals Bolloré Technologies SA) und wurde im November 1998 von AWA erworben. Copigraph stellte [ihre] Tätigkeiten am 2. Februar 2000 mit Wirkung zum 30. Dezember 2000 ein. Bolloré macht geltend, dass [sie] für die Verhaltensweisen von Copigraph nicht haftbar gemacht werden könne, da Copigraph sich einer vollständigen wirtschaftlichen Eigenständigkeit erfreute. Gemäß Bolloré ergab sich diese Eigenständigkeit aus den streng getrennten Führungsstrukturen von Copigraph und Bolloré und der eigenen Infrastruktur und Geschäftspolitik von Copigraph aufgrund der Tatsache, dass [sie] beinahe 35 % [ihres] Rohstoffbedarfs außerhalb der Bolloré-Gruppe und sogar bei einem Wettbewerber deckte.

(354) Copigraph gehörte der Abteilung ‚Spezialpapiere‘ von Bolloré an. [Herr V.], der damalige Leiter der Abteilung, war gleichzeitig Geschäftsführer von Copigraph. Außerdem war der damalige Verkaufsdirektor von Copigraph, [Herr J. B.], seit 1994 in der Verkaufsabteilung des Werkes Thonon. Somit musste Bolloré SA über die Teilnahme [ihrer] Tochtergesellschaft an dem Kartell informiert gewesen sein.

(355) Es gibt Beweise dafür, dass auch die Muttergesellschaft direkt an dem Kartell beteiligt war. Bolloré war Mitglied des AEMCP, dessen offizielle Zusammenkünfte von Januar 1992 bis September 1993 auch als Kartellzusammenkünfte dienten. [Herr V.], der Leiter des Bereichs Spezialpapiere, nahm als Vertreter von Bolloré an diesen Kartellzusammenkünften gemeinsam mit dem Verkaufsdirektor von Copigraph teil. Der Leiter des Bereichs Spezialpapiere von Bolloré nahm auch an der Kartellzusammenkunft für den französischen Markt am 1. Oktober 1993 teil. Bei allen nachfolgenden Kartellzusammenkünften, an denen einzelne Vertreter von Copigraph nachweislich teilnahmen, war der Verkaufsdirektor von Copigraph anwesend. All diese Zusammenkünfte fanden im Jahr 1994 statt, und wie bereits erwähnt, war der Verkaufsdirektor von Copigraph gleichzeitig in der Verkaufsabteilung von Bolloré beschäftigt.

(356) Hieraus schließt die Kommission, dass Bolloré nicht nur für [ihr] eigenes Verhalten, sondern auch für das Verhalten von Copigraph und dies für die gesamte Dauer des ausgewiesenen Zeitraums des Kartells haftbar zu machen ist.“

71      Aus dem vorstehend wiedergegebenen Auszug aus der Entscheidung geht hervor, dass Bolloré für die Zuwiderhandlung mit der Begründung haftbar gemacht wurde, dass sie als verantwortlich für die Teilnahme ihrer Tochtergesellschaft Copigraph anzusehen sei und dass es Beweise für ihre unmittelbare Beteiligung an dem Kartell gebe.

72      Bolloré bestreitet nicht, dass sie der MB entnehmen konnte, dass die Kommission ihr dort die Zuwiderhandlung zurechnete, weil sie als 100 %ige Muttergesellschaft von Copigraph im Zeitraum der Zuwiderhandlung für deren Kartellteilnahme haftete, und dass sie dazu Stellung nehmen konnte. Ihr Einwand geht dahin, dass die Kommission in der MB nicht angegeben habe, dass sie ihr die Zuwiderhandlung auch aufgrund ihrer unmittelbaren Beteiligung am Kartell zurechnen wolle.

73      Die relevanten Abschnitte der MB sind in den Randnrn. 240 bis 245 und 248 (Teil II [Rechtliche Würdigung], Kapitel B [Anwendung der Wettbewerbsregeln], Abschnitt 8 [Haftung für die Zuwiderhandlung]) zu finden.

74      Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission in diesen Randnummern der MB eine unmittelbare Beteiligung von Bolloré am Kartell, abweichend von den Angaben zu anderen in der MB genannten Muttergesellschaften wie AWA und Torraspapel, nicht erwähnte; so führt die Kommission zu AWA aus, sie sei „über die Abteilung Arjo Wiggins Carbonless Paper Operation unmittelbar autonom an dem Kartell beteiligt“ gewesen, und zu Torraspapel gibt sie an: „Nachweislich ist auch die Muttergesellschaft unmittelbar an der Tätigkeit des Kartells beteiligt.“

75      Ferner geht, wie Bolloré zutreffend hervorhebt, aus Randnr. 243 der MB hervor, dass die Kommission zwischen zwei Fällen unterschieden hat:

„Soweit die Beziehung zwischen Muttergesellschaften und Tochtergesellschaften betroffen ist, richtet die Kommission diese Mitteilung der Beschwerdepunkte immer dann an die Muttergesellschaft, wenn

–        mehr als eine ihrer Tochtergesellschaften an der Zuwiderhandlung beteiligt war;

–        die Muttergesellschaft selbst an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

In den übrigen Fällen der Beteiligung einer Tochtergesellschaft wird die Mitteilung der Beschwerdepunkte an diese Gesellschaft und ihre Muttergesellschaft gerichtet.“

76      Im Fall der aus Bolloré und Copigraph bestehenden Gruppe wurde die MB nicht nur an Bolloré gerichtet, sondern auch an Copigraph; dies war angesichts der in Randnr. 243 der MB aufgestellten Kriterien geeignet, Bolloré in der Annahme zu bestärken, dass die Kommission im Stadium der MB nicht davon ausging, dass Bolloré als Muttergesellschaft der Gruppe unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

77      Somit ist festzustellen, dass die Kommission nach dem Wortlaut der MB Bolloré nur deshalb für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung ziehen wollte, weil diese als Muttergesellschaft der Gruppe, die im Zeitraum der Zuwiderhandlung aus ihr und ihrer 100%igen Tochtergesellschaft Copigraph bestand, für das rechtswidrige Verhalten von Copigraph haften musste. Für Bolloré war aus der MB nicht ersichtlich, dass sich die Kommission, als sie sie für die Zuwiderhandlung haftbar machte, auch – wie in der Entscheidung geschehen – auf ihre unmittelbare Beteiligung am Kartell stützen würde.

78      Hinzu kommt, dass die von der Kommission in Randnr. 355 der Entscheidung zur Stützung ihrer These in Bezug auf die unmittelbare Beteiligung von Bolloré an der Zuwiderhandlung – die Zugehörigkeit von Bolloré zur AEMCP und ihre Vertretung durch Herrn V. und Herrn J. B. bei mehreren Kartellzusammenkünften – angeführten Tatsachen in der MB nicht erwähnt wurden. Auch wenn man der Kommission darin zustimmt, dass sich die Zugehörigkeit von Bolloré zur AEMCP aus Unterlagen ergab, die der MB beigefügt waren, ist festzustellen, dass die Kommission in dieser Mitteilung nur Copigraph zu den Mitgliedern der AEMCP zählte, nicht aber Bolloré. Herr V. und Herr J. B. wurden in der MB stets als Vertreter von Copigraph und nicht von Bolloré bei den Kartellzusammenkünften bezeichnet. Die Kommission erwähnt auch an keiner Stelle der MB, dass Bolloré bei diesen Zusammenkünften vertreten gewesen sei.

79      Die MB hat es Bolloré daher nicht ermöglicht, vom Vorwurf ihrer unmittelbaren Beteiligung an der Zuwiderhandlung oder auch nur von den Tatsachen, auf die die Kommission ihn in der Entscheidung stützt, Kenntnis zu erlangen, so dass sie sich, wie ihre Erwiderung auf die MB zeigt, im Verwaltungsverfahren nicht sachgerecht gegen diesen Vorwurf und diese Tatsachen verteidigen konnte.

80      Selbst wenn die Entscheidung neues tatsächliches oder rechtliches Vorbringen enthält, zu dem die betroffenen Unternehmen nicht gehört worden sind, so zieht der festgestellte Fehler jedoch nur dann die Nichtigerklärung der Entscheidung in diesem Punkt nach sich, wenn das betreffende Vorbringen auf der Grundlage anderer in der Entscheidung berücksichtigter Umstände, zu denen die betroffenen Unternehmen Stellung nehmen konnten, nicht rechtlich hinreichend bewiesen werden kann (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 196; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 28. Februar 2002, Compagnie générale maritime u. a./Kommission, T‑86/95, Slg. 2002, II‑1011, Randnr. 447). Die Verletzung der Verteidigungsrechte von Bolloré könnte somit die Gültigkeit der Entscheidung in Bezug auf Bolloré nur dann beeinträchtigen, wenn sie allein auf deren unmittelbarer Beteiligung an der Zuwiderhandlung beruhen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil Mo och Domsjö/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 74). In diesem Fall könnte der in der Entscheidung enthaltene neue Vorwurf einer unmittelbaren Beteiligung von Bolloré am Kartell nicht aufrechterhalten werden, da ihr die Verantwortung für die Zuwiderhandlung nicht angelastet werden könnte.

81      Sollte sich dagegen bei der materiell-rechtlichen Prüfung (siehe unten, Randnrn. 123 bis 150) herausstellen, dass die Kommission Bolloré zu Recht für die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft Copigraph am Kartell haftbar gemacht hat, so würde der von der Kommission begangene Rechtsfehler nicht genügen, um die Nichtigerklärung der Entscheidung zu rechtfertigen, da er den verfügenden Teil der Entscheidung nicht maßgeblich hätte beeinflussen können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 14. Mai 2002, Graphischer Maschinenbau/Kommission, T‑126/99, Slg. 2002, II‑2427, Randnr. 49, und vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, Slg. 2005, II‑0000, Randnr. 49). Soweit nämlich bestimmte Gründe einer Entscheidung diese für sich genommen rechtlich hinreichend rechtfertigen können, wirken sich etwaige Mängel der übrigen Begründung des Rechtsakts nach gefestigter Rechtsprechung keinesfalls auf dessen verfügenden Teil aus (Urteil des Gerichts vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, Slg. 2005, II‑3745, Randnr. 144; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2001, Kommission und Frankreich/TF1, C‑302/99 P und C‑308/99 P, Slg. 2001, I‑5603, Randnrn. 26 bis 29).

4.     Vierter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Grundsatzes der Unschuldsvermutung

a)     Vorbringen der Parteien

82      Zicuñaga trägt erstens vor, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen, da sie ihre Beteiligung am Kartell aus bloßen Vermutungen und indirekten Erklärungen abgeleitet habe. Das Fehlen einer hinreichend klaren Sanktion für den Fall, dass unzutreffende oder unvollständige Informationen gegeben würden, könne die Unternehmen veranlassen, der Kommission rekonstruierte oder verzerrte Auskünfte zu übermitteln, um ihre Zusammenarbeit aufzuwerten. Während ein Unternehmen ursprünglich nur dann auf die Milde der Kommission habe hoffen dürfen, wenn es entscheidende Beweise geliefert habe, habe die Kommission später einen großzügigeren Standpunkt eingenommen. Unter diesen Umständen müssten die Erklärungen von Sappi mit Vorsicht genossen werden und könnten nur dann als verlässlich eingestuft werden, wenn sie durch andere Beweise untermauert würden.

83      Zweitens könne die Kommission ihre Beurteilungen nicht auf die Aussagen einer Person unbekannter Identität stützen; sie verletze dadurch die Verteidigungsrechte, da sie es nicht ermögliche, die Angaben dieses Zeugen im Rahmen seiner Anhörung zu widerlegen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei es unabdingbar, den Zeugen mit seinen Behauptungen konfrontieren zu können, um die Glaubwürdigkeit der Aussage und der betreffenden Person ermessen zu können und um dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, gegen belastende Angaben vorzugehen und denjenigen, von dem sie stammten, während seiner Aussage oder danach zu befragen.

84      Die Kommission bestreitet, die Beteiligung von Zicuñaga an der Zuwiderhandlung aus bloßen Vermutungen oder indirekten Erklärungen abgeleitet zu haben. Sie hebt hervor, dass die Gemeinschaftsgerichte nie die Rechtmäßigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit oder den Beweiswert der von Unternehmen in diesem Rahmen abgegebenen Erklärungen in Zweifel gezogen hätten. Im Übrigen sehe die Verordnung Nr. 17 keine Befragung der Zeugen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor; auch habe die Klägerin beim Gericht keinen dahin gehenden Antrag gestellt.

b)     Würdigung durch das Gericht

85      Soweit Zicuñaga mit dieser Argumentation den Beweiswert der Erklärungen von Personen unbekannter Identität bestreiten will, auf die die Kommission ihre in der Entscheidung gegen Zicuñaga erhobenen Vorwürfe gestützt hat, betrifft sie die erst später vorzunehmende materiell-rechtliche Prüfung, ob diese Vorwürfe hinreichend belegt sind.

86      Soweit auch eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf ein faires Verfahren gerügt wird, die darin bestehen soll, dass Zicuñaga, weil in der MB nicht angegeben wurde, von wem die Erklärungen stammen, die der Würdigung ihres Verhaltens durch die Kommission zugrunde liegen, daran gehindert gewesen sei, gegen diese Würdigung durch Beantragung einer Anhörung dieser Person(en) im Verwaltungsverfahren vorzugehen, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zwar jede angeklagte Person u. a. das Recht hat, „Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten“, doch ist die Kommission nach ständiger Rechtsprechung kein Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK (Urteile des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, Van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 81, und vom 7. Juni 1983, Musique diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 7). Im Übrigen bestimmt Art. 15 Abs. 4 der Verordnung Nr. 17 ausdrücklich, dass Entscheidungen der Kommission, mit denen Geldbußen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht festgesetzt werden, nicht strafrechtlicher Art sind (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, T‑83/91, Slg. 1994, II‑755, Randnr. 235).

87      Gleichwohl muss die Kommission im Verwaltungsverfahren die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 8). Sie ist jedoch, auch wenn sie natürliche oder juristische Personen anhören kann, sofern sie dies für erforderlich hält, nicht berechtigt, Belastungszeugen ohne deren Einverständnis vorzuladen. Außerdem stellt die Tatsache, dass die Kommission nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft nicht verpflichtet ist, Entlastungszeugen vorzuladen, deren Anhörung beantragt wird, keinen Verstoß gegen die oben genannten Grundsätze dar (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 392).

88      Im vorliegenden Fall hat Zicuñaga überdies keine Angaben gemacht, aus denen hervorgeht, dass sie die Kommission im Verwaltungsverfahren um nähere Auskünfte über die Identität der Personen, auf deren Erklärungen die Kommission ihre in der MB gegen Zicuñaga erhobenen Vorwürfe gestützt hat, im Hinblick auf eine Anhörung dieser Personen in ihrer Anwesenheit ersucht hätte. Sie hat auch nicht dargetan, dass sie im Verwaltungsverfahren die Vorladung und Befragung von Entlastungszeugen beantragt hat.

89      Daher ist der vorliegende Klagegrund, soweit mit ihm eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf ein faires Verfahren gerügt wird, zurückzuweisen. Soweit er sich gegen den Wert der Beweise richtet, auf die die Kommission ihre in der Entscheidung gegen Zicuñaga erhobenen Vorwürfe gestützt hat, ist im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung auf ihn einzugehen.

5.     Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Sachverhaltsermittlung und unzureichende Begründung der Entscheidung

a)     Vorbringen der Parteien

90      Zanders wirft der Kommission vor, nur belastende Umstände ermittelt zu haben. Sie führt aus, die Kommission hätte auch ihre im Dezember 2000 und im März 2001 zu ihrer maßgebenden Rolle bei der Beendigung des Kartells gemachten Angaben berücksichtigen oder bei Zweifeln an deren Wert weitere Ermittlungen anstellen müssen. Ferner habe die Kommission ein von ihr im März 2001 vorgelegtes Gutachten zum Nachweis der äußerst begrenzten, wenn nicht inexistenten Auswirkungen der versuchten Preisabsprachen unberücksichtigt gelassen. Die Entscheidung enthalte zudem keinerlei Begründung für die Nichtberücksichtigung dieser beiden Elemente. Sie enthalte auch keinen Abschnitt, in dem die individuelle Rolle von Zanders geprüft werde.

91      Die Kommission trägt vor, Zanders habe ihre Behauptung, dass sie bei der Beendigung der Zuwiderhandlung eine besondere Rolle gespielt habe, nicht belegt. Den Auswirkungen der Preisabsprachen auf den Markt habe die Kommission im Rahmen der Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung einen ganzen Abschnitt der Entscheidung (Randnrn. 382 bis 402) gewidmet. In der Entscheidung werde die Begründungspflicht voll und ganz eingehalten; das Verhalten der Klägerin werde zusammen mit dem von fünf anderen Unternehmen in den Randnrn. 263 bis 271 geprüft. Die Klägerin habe im Übrigen in ihrer Erwiderung auf die MB nicht geltend gemacht, dass sie eine rein passive Rolle gespielt habe.

b)     Würdigung durch das Gericht

92      Verfügen die Gemeinschaftsorgane wie im vorliegenden Fall über ein Ermessen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können, so kommt der Beachtung der Garantien, die die Gemeinschaftsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, ganz besondere Bedeutung zu; zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteil des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, II‑5469, Randnr. 14; Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1992, La Cinq/Kommission, T‑44/90, Slg. 1992, II‑1, Randnr. 86, und vom 11. Juli 1996, Métropole télévision u. a./Kommission, T‑528/93, T‑542/93, T‑543/93 und T‑546/93, Slg. 1996, II‑649, Randnr. 93).

93      Im Übrigen muss nach ständiger Rechtsprechung die durch Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können (Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63, und des Gerichts vom 20. März 2002, Lögstör Rör/Kommission, T‑16/99, Slg. 2002, II‑1633, Randnr. 368).

94      Hierzu ist festzustellen, dass in der Entscheidung die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, dass Zanders ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen konnte und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In den Randnrn. 263 bis 271 der Entscheidung prüft die Kommission nämlich die Beteiligung von Zanders am Kartell zusammen mit der von AWA, Koehler, Sappi, Stora und Torraspapel.

95      Zanders macht speziell geltend, ihre Rolle bei der Beendigung der Zuwiderhandlung und das von ihr vorgelegte Gutachten seien nicht berücksichtigt worden.

96      Zur Rolle von Zanders bei der Beendigung der Zuwiderhandlung ist festzustellen, dass sie in ihrer Erwiderung vom 12. Dezember 2000 auf die MB das Schreiben vom 1. April 1996 angeführt hat, in dem der Chairman und Chief Executive Officer von International Paper alle Mitarbeiter des Konzerns darauf hinwies, dass der Konzern höchsten Wert auf die Einhaltung der Gesetze und die Beachtung ethischer Grundsätze bei der Zusammenarbeit mit Kunden, Geschäftspartnern, staatlichen Behörden und anderen Gremien lege. Sie erwähnte ferner, dass eine Sitzung stattgefunden habe, um die Einhaltung des Wettbewerbsrechts durch ihre Führungskräfte zu gewährleisten und ein Programm zur Befolgung des Wettbewerbsrechts zu schaffen. Im Übrigen habe ihr Vorstandsvorsitzender, der am 1. Januar 1996 den Vorsitz der AEMCP übernommen habe, nach der Übernahme des Vorsitzes der Vereinigung öffentlich unmissverständlich erklärt, dass das Unternehmen von rechtswidrigen Aktivitäten Abstand genommen habe.

97      Die in der vorstehenden Randnummer genannten Gesichtspunkte wurden von Zanders in ihrer Erwiderung auf die MB zur Stützung ihrer Erklärungen vorgetragen, die sich gegen den von der Kommission in der MB erhobenen Vorwurf richteten, dass über den Herbst 1995 hinaus kollusive Kontakte fortbestanden hätten. Genauer gesagt war dieses Vorbringen Teil der Argumentation, mit der Zanders nachweisen wollte, dass sie sich ab Herbst 1995 nicht mehr an geheimen Kartelltreffen oder mit den Konkurrenten abgestimmten Verhaltensweisen bei den Preisen beteiligt habe, dass sie eine eigenständige Preispolitik verfolgt habe und dass insbesondere die von ihr im September 1996 vorgenommene Preiserhöhung nicht das Ergebnis eines kollusiven Treffens gewesen sei.

98      Die Kommission hat das in der vorstehenden Randnummer wiedergegebene Vorbringen von Zanders im Verwaltungsverfahren unbestreitbar berücksichtigt. Der Entscheidung zufolge endete die Zuwiderhandlung von Zanders nämlich im September 1995 und nicht, wie in der MB angenommen, im März 1997.

99      Dagegen lässt sich weder der Erwiderung von Zanders vom 12. Dezember 2000 auf die MB noch der ergänzenden Stellungnahme, die Zanders am 2. März 2001 an die Kommission richtete, entnehmen, dass die oben in Randnr. 96 angeführten oder andere Gesichtspunkte von Zanders im Verwaltungsverfahren vorgetragen wurden, um den jetzt von ihr angestrebten Nachweis zu führen, dass sie bei der Beendigung des rechtswidrigen Kartells eine entscheidende Rolle gespielt habe, die bei der Festsetzung der Geldbuße als mildernder Umstand hätte anerkannt werden müssen. Zanders kann der Kommission unter diesen Umständen nicht vorwerfen, gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen zu haben, weil sie die genannten Gesichtspunkte nicht als Beleg für ihren entscheidenden Beitrag zur Beendigung der Absprache vor den ersten Ermittlungen der Kommission berücksichtigt habe.

100    Zanders hat in ihrer Erwiderung auf die MB auch nicht behauptet, im Kartell eine rein passive Rolle gespielt zu haben. Sie kann sich daher insoweit nicht auf eine unzureichende Begründung der Entscheidung berufen. Für die Zeit von 1992 bis Herbst 1995 hat sie im Übrigen in ihrer Erwiderung auf die MB bestritten, die ihr in den Randnrn. 187 und 199 der MB vorgeworfene führende Rolle gespielt zu haben. Sie machte also das Fehlen eines erschwerenden Umstands geltend. Dieser wird ihr aber von der Kommission nicht zur Last gelegt.

101    Das von Koehler, MHTP und Zanders bei PricewaterhouseCoopers in Auftrag gegebene Gutachten vom 2. März 2001 trägt den Titel „Die Wettbewerbssituation auf dem europäischen Markt für Selbstdurchschreibepapier von Sommer/Herbst 1995 bis Februar/März 1997“ (im Folgenden: Gutachten von PricewaterhouseCoopers).

102    Aus dem Schreiben, mit dem das Gutachten von PricewaterhouseCoopers übersandt wurde, geht hervor, dass es in erster Linie dazu diente, die Ausführungen der Kommission in der MB zur Funktionsweise des Kartells auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier in der Zeit von Sommer/Herbst 1995 bis Februar/März 1997 zu widerlegen. Zudem heißt es in den Schlussfolgerungen des Gutachtens ausdrücklich, die wirtschaftliche Analyse deute darauf hin, dass das Verhalten der drei fraglichen Hersteller zwischen Sommer/Herbst 1995 und Februar/März 1997 nicht abgestimmt gewesen sei.

103    Das Gutachten von PricewaterhouseCoopers bezieht sich somit auf einen Zeitraum, der außerhalb des in der Entscheidung angegebenen Zeitraums der Zuwiderhandlung liegt. Insoweit kann es nicht als relevant angesehen werden.

104    Der Klageschrift ist jedoch zu entnehmen, dass sich der Einwand von Zanders dagegen richtet, dass die Kommission die ebenfalls im Gutachten von PricewaterhouseCoopers enthaltenen Angaben außer Acht gelassen habe, wonach die versuchten Preisabsprachen in der Zeit von Januar 1992 bis Herbst 1995 nur äußerst begrenzte oder gar keine Auswirkungen gehabt hätten.

105    Selbst wenn man insoweit davon ausgeht, dass ergänzende Angaben zur Stützung eines irrelevanten Nachweises zu berücksichtigen sind, kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, das Vorbringen von Zanders zu den angeblich begrenzten Auswirkungen des Kartells nicht berücksichtigt zu haben.

106    In Randnr. 388 der Entscheidung heißt es nämlich:

„AWA, Carrs, MHTP (Stora), Koehler, Sappi und Zanders behaupten, dass die tatsächlichen Auswirkungen des Kartells auf den Markt des Selbstdurchschreibepapiers im EWR, wenn überhaupt, dann nur sehr begrenzt gewesen seien. Sie führen dazu an, dass es nur begrenzte oder keine Auswirkungen auf die Preise gehabt hätte, da die im Markt tatsächlich erzielten Preise niedriger als die vereinbarten oder angekündigten Preiserhöhungen gewesen seien. Dies zeige, dass die vereinbarten Preiserhöhungen in der Praxis nicht durchgesetzt worden seien. Zur Untermauerung dieser Behauptung haben sie insbesondere Folgendes geltend gemacht: Die Preise und Gewinnspannen der Hersteller seien erheblich zurückgegangen, die Preise für Selbstdurchschreibepapier spiegelten im Wesentlichen die Änderungen bei den Zellstoffkosten und der Nachfrage sowie, in der späteren Kartellphase, die Kapazitätszwänge wider, der Wettbewerb zwischen den Herstellern habe sich fortgesetzt und die Hersteller hätten die Preiserhöhungen mit den Kunden einzeln aushandeln müssen.“

107    Auch wenn das von Zanders im Verwaltungsverfahren der Kommission übermittelte Gutachten von PricewaterhouseCoopers nicht ausdrücklich erwähnt wird, zeigt dieser Auszug aus der Entscheidung zweifelsfrei, dass die Kommission in diesem Verfahren die Angaben berücksichtigt hat, die u. a. von Zanders zum Nachweis der begrenzten oder nicht vorhandenen Auswirkungen der versuchten Preisabsprachen im Zeitraum der Zuwiderhandlung gemacht wurden. Die Zurückweisung des auf diese Angaben gestützten Vorbringens der Unternehmen durch die Kommission bedeutet, dass das Vorbringen nach Ansicht der Kommission nichts an ihrem in den Randnrn. 382 bis 387 der Entscheidung dargelegten Standpunkt zu den konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt ändern konnte. Dagegen kann dieser Auszug nicht als Beleg dafür angesehen werden, dass die Kommission es bei ihrer Beurteilung der Rechtssache unterlassen hätte, die von Zanders zu ihrer Verteidigung vorgetragenen Gesichtspunkte gebührend zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, T‑141/94, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 118).

108    Nach der vorstehenden Analyse ist dieser fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

6.     Sechster Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, das Recht auf Akteneinsicht und die Verteidigungsrechte, da einige Unterlagen in der Ermittlungsakte schwer auffindbar seien und die Liste der in dieser Akte enthaltenen Unterlagen unbrauchbar sei

a)     Vorbringen der Parteien

109    AWA trägt vor, die ihr im Verwaltungsverfahren übersandte Liste der von der Kommission auf CD-ROM beigefügten Unterlagen sei unbrauchbar. Sie enthalte weder einen Index noch eine Beschreibung der betreffenden Unterlagen, sondern beschränke sich auf die Angabe der Gründe für die angebliche Vertraulichkeit einiger von ihnen und der Stelle, an der sich gegebenenfalls die entsprechende nicht vertrauliche Fassung befinde.

110    Koehler führt aus, die Kommission habe vor Übersendung der CD-ROM an die Adressaten der MB bestimmte vertrauliche Unterlagen aus der Akte entfernt und durch nicht vertrauliche Fassungen ersetzt, die sie an anderer Stelle in die Akte eingefügt habe. Sie habe sich aber weder in der MB noch in der Entscheidung die Mühe gemacht, die Verweise auf diese Unterlagen entsprechend anzupassen. Sie habe auch nicht mitgeteilt, dass es solche nicht vertraulichen Fassungen gebe und wie sie in der Akte zu finden seien. Die von der Kommission angefertigte Liste der Dokumente erlaube nur eine annäherungsweise Identifizierung der angeführten Dokumente. In manchen Fällen sei es sogar unmöglich, das fragliche Dokument wiederzufinden.

111    Die Kommission ist der Meinung, dass ihr keine Verletzung der Verteidigungsrechte zur Last gelegt werden könne. Zum einen habe sie den Unternehmen zusammen mit der CD-ROM eine Liste zur Verfügung gestellt, in der die verschiedenen Aktenstücke in der üblichen Weise nach dem Umfang des Zugangs zu ihnen klassifiziert worden seien. Zum anderen seien die in der MB angeführten Unterlagen dieser zusammen mit einer Konkordanzliste der vertraulichen und nicht vertraulichen Fassungen beigefügt worden.

b)     Würdigung durch das Gericht

112    Nach den Angaben, die die Kommission in den beiden fraglichen Rechtssachen (T‑118/02 und T‑125/02) gemacht hat, übermittelte sie den Adressaten der MB am 26. Juli 2000 zusammen mit den Beschwerdepunkten und den darin angeführten Unterlagen eine Liste der an die MB angeschlossenen Dokumente. Diese Liste ist von der Kommission als Anlage zu ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache T‑125/02 vorgelegt worden. Auf Ersuchen des Gerichts hat die Kommission sie auch in der Rechtssache T‑118/02 vorgelegt.

113    Die fragliche Liste enthält für jedes in der MB angeführte Dokument, in der Reihenfolge der dortigen Erwähnung, eine kurze Beschreibung des Dokuments, den Namen des Unternehmens, bei dem es gefunden oder von dem es zur Verfügung gestellt wurde, die Seitennummer des Dokuments und gegebenenfalls die Seitennummer seiner nicht vertraulichen Fassung.

114    Am 1. August 2000 erhielten die Adressaten der MB von der Kommission ferner zusammen mit der CD-ROM, die die gesamte Ermittlungsakte der Kommission enthielt, eine Dokumentenliste („List of documents“), in der für jedes Dokument, in der Reihenfolge der Nummerierung in der Akte, der Zugangscode angegeben war (A für einsehbar; PA für teilweise einsehbar; NA für nicht einsehbar). Bei den als nicht einsehbar eingestuften Dokumenten und den nicht einsehbaren Teilen der als teilweise einsehbar eingestuften Dokumenten enthielt sie eine Angabe zur Fundstelle der nicht vertraulichen Fassung des betreffenden Dokuments oder Teildokuments in der Akte und/oder eine kurze Beschreibung des Inhalts des betreffenden Dokuments oder Teildokuments. Damit hat die Kommission die Bestimmungen von Punkt II A 1.4 ihrer Mitteilung 97/C 23/03 über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in Fällen einer Anwendung der Artikel [81] und [82] EG-Vertrag, der Artikel 65 und 66 EGKS-Vertrag und der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. 1997, C 23, S. 3) voll und ganz eingehalten.

115    AWA und Koehler verfügten somit zum einen über die Liste der an die MB angeschlossenen Dokumente und zum anderen über die in der vorstehenden Randnummer erwähnte „List of documents“; sie waren daher ebenso wie die übrigen Adressaten der MB ohne weiteres in der Lage, in der Ermittlungsakte die gesuchten Unterlagen – nach Maßgabe des in diesen Listen angegebenen Zugangscodes in ihrer Originalfassung oder ihrer nicht vertraulichen Fassung – zu finden.

116    Die Adressaten der MB konnten zwar, wie die Kommission selbst in ihren Schriftsätzen in der Rechtssache T‑125/02 ausführt, bei Dokumenten, die – wie insbesondere die in der MB angeführten Dokumente, auf die Koehler speziell Bezug genommen hat – als nicht einsehbar oder teilweise einsehbar eingestuft waren, an der ihrer Nummer in der Akte entsprechenden Stelle nicht unmittelbar ihre nicht vertrauliche Fassung oder die kurze Beschreibung ihres Inhalts finden, sondern mussten eine Liste heranziehen, um die nicht vertrauliche Fassung oder die kurze Beschreibung in der Akte ausfindig zu machen. Die geringfügigen Unannehmlichkeiten und der minimale Zeitverlust, die den Adressaten der MB dadurch entstanden sein mögen, können sich jedoch offenkundig nicht auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung auswirken.

117    Folglich ist dieser sechste Klagegrund zurückzuweisen.

7.     Siebter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Verteidigungsrechte aufgrund der verspäteten Zustellung der Entscheidung

a)     Vorbringen der Parteien

118    AWA trägt vor, die offenbar am 20. Dezember 2001 erlassene Entscheidung sei ihr erst am 8. Februar 2002 zugestellt worden. Unabhängig von den Gründen für diese Verzögerung habe sie in den anderthalb Monaten nach Erlass der Entscheidung insbesondere ihren Kunden nicht erklären können, weshalb sie mit der größten jemals verhängten individuellen Geldbuße belegt worden sei.

119    Die Kommission führt aus, sie habe am 5. Februar 2002 wegen der Änderung der Gesellschaftsbezeichnung der Klägerin eine kurze Berichtigung ihrer Entscheidung vom 20. Dezember 2001 vorgenommen. Die Zustellung der Entscheidung am 8. Februar 2002, verbunden mit einem die erfolgten Änderungen erläuternden Korrigendum, könne daher nicht als verspätet angesehen werden.

b)     Würdigung durch das Gericht

120    Aus dem Schreiben vom 7. Februar 2002, mit dem das für Wettbewerbsfragen zuständige Mitglied der Kommission die Entscheidung ihren Adressaten, darunter AWA, zustellte, geht hervor, dass die Entscheidung am 20. Dezember 2001 erlassen und am 5. Februar 2002 in dem schriftlichen Verfahren E/177/2002 berichtigt wurde. Wegen dieser Berichtigung wurde die Entscheidung ihren Adressaten erst anderthalb Monate nach ihrem Erlass zugestellt. Die Frist zwischen dem Erlass der Entscheidung und ihrer Berichtigung kann nicht als übermäßig lang angesehen werden.

121    Soweit die Argumentation von AWA auch dahin zu verstehen sein sollte, dass sie der Kommission vorwirft, die Entscheidung veröffentlicht zu haben, bevor sie sie ihren Adressaten zur Kenntnis gebracht habe, und dass dies AWA daran gehindert habe, Dritten die Gründe für die Entscheidung zu erläutern, so ist festzustellen, dass AWA keinen Nachweis dafür erbringt, dass die Kommission den Inhalt der Entscheidung vor der Zustellung an ihre Adressaten preisgegeben hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, ist jedenfalls hervorzuheben, dass – so bedauerlich ein solches Vorgehen auch sein mag – die Entscheidung bereits ergangen war und Handlungen nach ihrem Erlass ihre Gültigkeit nicht beeinträchtigen können (Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 1983, IAZ u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, Slg. 1983, 3369, Randnr. 16).

B –  Zu den auf eine Verletzung von Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen sowie auf Beurteilungsfehler der Kommission in Bezug auf die Beteiligung bestimmter Unternehmen an der Zuwiderhandlung gestützten Klagegründen

122    Drei Unternehmen, und zwar Bolloré, Divipa und Zicuñaga, stellen die Richtigkeit der Beurteilung ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung durch die Kommission in Frage.

1.     Der Fall von Bolloré

123    Einleitend ist daran zu erinnern, dass die Kommission Bolloré in der Entscheidung (Randnrn. 353 bis 356) zum einen aufgrund ihrer unmittelbaren persönlichen Kartellteilnahme und zum anderen aufgrund ihrer Verantwortung für die Kartellteilnahme ihrer Tochtergesellschaft Copigraph für die Zuwiderhandlung haftbar macht. Wie jedoch bereits entschieden wurde (siehe oben, Randnrn. 66 bis 81), hat die MB Bolloré nicht in die Lage versetzt, von der Rüge ihrer persönlichen Beteiligung am Kartell oder von den Tatsachen, auf die die Kommission diese Rüge in der Entscheidung stützte, Kenntnis zu erlangen. Dies macht die Prüfung des inhaltlichen Vorbringens von Bolloré entbehrlich, mit dem sie ihre persönliche und unmittelbare Beteiligung am Kartell bestreitet.

124    Zu prüfen ist daher die Argumentation von Bolloré, die sich darauf stützt, dass die Kommission ihr zu Unrecht das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft Copigraph im Rahmen des Kartells zugerechnet habe.

a)     Vorbringen der Parteien

125    Bolloré führt aus, die Kommission stütze sich in der Entscheidung auf zwei Gesichtspunkte, um sie für das Verhalten von Copigraph haftbar zu machen, und zwar zum einen darauf, dass Copigraph im Zeitraum der Zuwiderhandlung ihre 100 %ige Tochtergesellschaft gewesen sei, und zum anderen darauf, dass sie zwangsläufig über die Beteiligung von Copigraph am Kartell informiert gewesen sei.

126    Der erste Gesichtspunkt reiche nicht aus, um ihr das rechtswidrige Verhalten von Copigraph zuzurechnen. Es bedürfe nämlich eines zusätzlichen Aspekts, damit die Kommission annehmen könne, dass die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt habe. Im vorliegenden Fall fehle jedoch ein solcher zusätzlicher Aspekt. Sie habe in ihrer Erwiderung auf die MB dargelegt, dass Copigraph bei der Gestaltung ihrer Geschäftspolitik über große Autonomie verfügt habe, was die Kommission im Übrigen nicht bestreite. Außerdem sei nur ein Drittel des Umsatzes der Papierfabrik Bolloré in Thonon-les-Bains auf Copigraph entfallen, und diese Geschäftsbeziehungen zwischen Bolloré und Copigraph hätten keine Einschränkung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit von Copigraph bedeutet.

127    Den zweiten Gesichtspunkt leite die Kommission aus drei Umständen ab, und zwar aus der Zugehörigkeit von Copigraph zur Abteilung „Spezialpapiere“ von Bolloré, aus der Tatsache, dass Herr V., der Leiter dieser Abteilung, auch der Geschäftsführer von Copigraph und der Generaldirektor der Papierfabrik Bolloré in Thonon-les-Bains gewesen sei, und aus der Tatsache, dass Herr J. B., der damalige Verkaufsdirektor von Copigraph, seit 1994 auch in der Verkaufsabteilung der Papierfabrik in Thonon-les-Bains tätig gewesen sei. Diese drei Umstände ließen aber nicht den Schluss zu, dass Bolloré zwangsläufig über die Beteiligung von Copigraph am Kartell informiert gewesen sei.

128    Die Kommission führt aus, Copigraph sei von 1990 bis 1998 unstreitig eine 100 %ige Tochtergesellschaft von Bolloré gewesen; dies genüge nach der Rechtsprechung, um annehmen zu können, dass Bolloré entscheidenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt habe. Diese Annahme werde überdies durch die in den Randnrn. 353 bis 355 der Entscheidung dargelegten Anhaltspunkte bestätigt.

b)     Würdigung durch das Gericht

129    Zunächst ist hervorzuheben, dass Bolloré zwar die Dauer der Zuwiderhandlung in Abrede stellt, aber nicht bestreitet, dass Copigraph in die Aktivitäten des Kartells verwickelt war.

130    Ihre Argumentation besteht im Wesentlichen darin, dass die von der Kommission in der Entscheidung angeführten Gesichtspunkte es nicht erlaubten, sie für die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft Copigraph am Kartell haftbar zu machen.

131    Nach ständiger Rechtsprechung schließt der Umstand, dass die Tochtergesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, nicht aus, dass ihr Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann; dies gilt insbesondere dann, wenn die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, ICI/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnrn. 132 und 133, und Geigy/Kommission, 52/69, Slg. 1972, 787, Randnr. 44, sowie vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925, Randnr. 26).

132    Insoweit ist die Tatsache, dass die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft hält, zwar ein starkes Indiz dafür, dass sie entscheidenden Einfluss auf das Marktverhalten der Tochtergesellschaft ausüben kann, reicht jedoch für sich genommen nicht aus, um die Muttergesellschaft für das Verhalten der Tochtergesellschaft verantwortlich machen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 131 angeführt, Randnrn. 27 bis 29, und Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in dieser Rechtssache, Slg. 2000, I‑9928, Nrn. 17 bis 62). Ein zusätzliches Element neben dem Beteiligungsgrad bleibt erforderlich, kann aber in Indizien bestehen. Dabei muss nicht unbedingt nachgewiesen werden, dass die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft tatsächlich angewiesen hat, am Kartell teilzunehmen (vgl. in diesem Sinne die oben genannten Schlussanträge, Nrn. 40, 48 und 51).

133    Im vorliegenden Fall geht aus den Randnrn. 353 und 354 der Entscheidung hervor, dass sich die Kommission, als sie Bolloré für die Beteiligung von Copigraph am Kartell haftbar machte, nicht ausschließlich auf die unstreitige Tatsache stützte, dass Bolloré im Zeitraum der Zuwiderhandlung das gesamte Kapital von Copigraph hielt, sondern auch auf andere, oben in Randnr. 127 angeführte Gesichtspunkte zum Nachweis dafür, dass Copigraph im Wesentlichen die Weisungen von Bolloré befolgte.

134    Unter Rückgriff auf die Argumentation in ihrer Erwiderung vom 28. November 2000 auf die MB (Randnr. 353 der Entscheidung) trägt Bolloré verschiedene Gesichtspunkte vor, die belegen sollen, dass Copigraph im Zeitraum der Zuwiderhandlung wirtschaftlich völlig eigenständig gewesen sei. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob diese verschiedenen Behauptungen begründet sind, oder ob es im Gegenteil Indizien für einen entscheidenden Einfluss von Bolloré auf ihre Tochtergesellschaft gibt.

135    Erstens hat Bolloré im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, ihr Leitungsorgan und das von Copigraph seien streng getrennt gewesen.

136    Die Fußnote auf S. 1 der Erwiderung von Bolloré auf die MB enthält jedoch folgende Angabe:

„Bis 1993 hatten Bolloré und Copigraph ein gemeinsames Mitglied des Verwaltungsrats, Frau [G.], die die Vertreterin von Bolloré Participation im Conseil de Bolloré Technologie und die ständige Vertreterin der Copigraph Holding bei Copigraph war. Die letztgenannten Ämter legte sie am 25. Oktober 1993 nieder.“

137    Vorbehaltlich der nachfolgenden Prüfung der Stichhaltigkeit des Vorbringens von Bolloré, mit dem sie die Beteiligung von Copigraph an der Zuwiderhandlung vor September oder Oktober 1993 bestreitet, ist somit festzustellen, dass dem Leitungsorgan von Copigraph während eines Teils des Zeitraums, in dem nach Ansicht der Kommission die Zuwiderhandlung begangen wurde, ein Mitglied des Verwaltungsrats von Bolloré angehörte.

138    Außerdem geht aus den Angaben von Bolloré in ihrer Erwiderung auf die MB hervor, dass die vier Personen, aus denen der Verwaltungsrat von Copigraph von September 1993 bis März 1997 bestand, zwar nicht Mitglieder des Verwaltungsrats von Bolloré waren, aber alle bei Bolloré (im Finanz-, Buchführungs- oder Verwaltungsbereich) tätig waren, mehrheitlich in leitender Funktion. Darüber hinaus gehörte, wie die Kommission in Randnr. 354 der Entscheidung zutreffend feststellt, Herr V., der im Zeitraum der Zuwiderhandlung der geschäftsführende Direktor von Copigraph war, nach den Angaben in der Erwiderung von Bolloré auf die MB zu ihren Mitarbeitern, und zwar als Direktor ihrer Papierfabrik in Thonon-les-Bains. Wie es in Randnr. 354 der Entscheidung weiter heißt – und wie Bolloré in ihren Schriftsätzen bestätigt –, war Herr V. überdies der Leiter der Abteilung „Spezialpapiere“ von Bolloré. Diese Häufung von Führungskräften von Bolloré an der Spitze von Copigraph zeugt von dem Umfang, in dem Bolloré in die Leitung ihrer Tochtergesellschaft einbezogen war. Sie versetzte Bolloré zwangsläufig in die Lage, die Geschäftspolitik von Copigraph auf dem Markt entscheidend zu beeinflussen.

139    Diese Analyse wird in Bezug auf den Zuwiderhandlungszeitraum von Februar bis September 1995 noch durch die Angaben in der von Herrn J. B. am 2. April 2002 abgegebenen und der Klageschrift beigefügten Erklärung untermauert; demnach war J. B. von Ende September 1992 bis März 1997 Verkaufsdirektor von Copigraph und ab Februar 1995 zugleich im Verkauf von Bolloré tätig.

140    Das Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, KNP BT/Kommission (T‑309/94, Slg. 1998, II‑1007, Randnrn. 47 und 48), wonach die Teilnahme eines Vorstandsmitglieds der Muttergesellschaft an den kollusiven Treffen ein Anhaltspunkt dafür war, dass die Muttergesellschaft die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaft an der Zuwiderhandlung zwangsläufig kannte und billigte, kann nicht dahin verstanden werden, dass das oder die Mitglieder der Muttergesellschaft, die bei der Tochtergesellschaft Leitungsfunktionen wahrnehmen, zwingend dem Vorstand der Muttergesellschaft angehören müssen, damit von fehlender wirtschaftlicher Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft ausgegangen werden kann (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 132 angeführt, Nr. 58). Dass eine der Muttergesellschaft angehörende Person kein Vorstandsmitglied dieser Gesellschaft ist, hindert sie nämlich nicht daran, in Ausübung ihrer Leitungsfunktionen bei der Tochtergesellschaft darüber zu wachen, dass das Vorgehen der Tochtergesellschaft auf dem Markt den Vorgaben der Leitungsorgane der Muttergesellschaft entspricht.

141    Zweitens hat Bolloré im Verwaltungsverfahren hervorgehoben, dass Copigraph über eine eigene Infrastruktur verfügt habe.

142    Bolloré hat zwar in ihrer Erwiderung auf die MB ausgeführt, die Tatsache, dass die Tochtergesellschaft weder Eigentümerin der Produktionsanlagen noch Arbeitgeberin ihres Personals sei und dass ihr Umsatz in den Jahresabschlüssen der Muttergesellschaft verbucht werde, könne zum Nachweis der fehlenden Unabhängigkeit der Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteil Mo och Domsjö/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnrn. 89 bis 94). Dass Copigraph im vorliegenden Fall, wie Bolloré in ihrer Erwiderung auf die MB angegeben und die Kommission nicht in Zweifel gezogen hat, über ihre eigenen Produktionsanlagen und ihr eigenes Personal verfügte und dass sie ihren Umsatz in ihren eigenen Jahresabschlüssen verbuchte, beweist jedoch für sich genommen nicht, dass Copigraph ihr Marktverhalten völlig autonom von ihrer Muttergesellschaft Bolloré festlegte.

143    Schließlich hat Bolloré im Verwaltungsverfahren eine Reihe von Gesichtspunkten angeführt, die ihres Erachtens die Unabhängigkeit der Geschäftspolitik von Copigraph bestätigen. Zum einen seien die Tätigkeiten im Papierbereich geringfügig, und der Umsatz von Copigraph stelle einen ganz geringen Teil des Konzernumsatzes dar. Zum anderen habe Copigraph auch nach ihrem Erwerb durch Bolloré weiterhin fast 35 % ihres Rohstoffbedarfs außerhalb des Bolloré-Konzerns gedeckt, u. a. bei einem direkten Konkurrenten von Bolloré.

144    Selbst wenn man die Richtigkeit des Vorbringens von Bolloré zur geringen Bedeutung ihrer Tätigkeiten im Papierbereich und des Umsatzes von Copigraph im Bolloré-Konzern unterstellt, beweist es aber keineswegs, dass Bolloré Copigraph gestattete, ihr Marktverhalten völlig autonom festzulegen. Ein dahin gehender Schluss kann auch nicht daraus gezogen werden, dass Copigraph im Zeitraum der Zuwiderhandlung ihre Rohstoffe zum Teil von Lieferanten bezog, die nicht dem Bolloré-Konzern angehörten. Diese Feststellung schließt es nicht aus, dass Copigraph bei ihrer Kartellteilnahme im Wesentlichen den Weisungen ihrer Muttergesellschaft folgte.

145    Insoweit ist im Übrigen hervorzuheben, dass Copigraph, wie in Randnr. 354 der Entscheidung angegeben und von Bolloré nicht in Abrede gestellt wird, der Abteilung „Spezialpapiere“ von Bolloré angehörte.

146    Außerdem enthält die Erwiderung von Bolloré auf die MB folgende Angaben zu den Umständen des Erwerbs von Copigraph:

„1990 war die Papierfabrik von Bolloré in Thonon-les-Bains (Haute-Savoie) einem sehr harten Wettbewerb auf einem Papiermarkt ausgesetzt, der durch vier aufeinanderfolgende Jahre der Erhöhung des Preises von Papierbrei gekennzeichnet war.

[Copigraph] war im Bereich der Verarbeitung und des Vertriebs von Selbstdurchschreibepapier tätig und gehörte insoweit zu den größten Kunden der Fabrik in Thonon. Auf Copigraph entfiel mehr als [ein Drittel] des Umsatzes dieses Werks und mehr als die Hälfte seiner Kapazität.

Der Grund für den Erwerb aller Anteile an [Copigraph] durch Bolloré bestand daher im Wesentlichen in der Sicherstellung der Absatzmöglichkeiten der Fabrik in Thonon und der Gewährleistung des Fortbestands dieses Industriebetriebs (der zu dieser Zeit 340 Personen beschäftigte).

Diese vertikale Integration erschien damals um so angebrachter, als die Fabrik in Thonon angesichts der auf dem Markt vorhandenen Überkapazität mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.“

147    Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen zutreffend hervorhebt, geht aus dem oben wiedergegebenen Auszug hervor, dass die Eingliederung von Copigraph in die Abteilung „Spezialpapiere“ Teil eines Systems der vertikalen Integration war, wobei die Fabrik von Bolloré in Thonon-les-Bains mit der Herstellung von Selbstdurchschreibepapier und Copigraph mit dessen Verarbeitung und Vertrieb betraut war. Aus diesem Auszug ergibt sich ferner, dass mit dem Erwerb von Copigraph durch Bolloré im Wesentlichen die Absatzmöglichkeiten und der Fortbestand der Fabrik von Bolloré in Thonon-les-Bains in einem Kontext wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgrund starken Wettbewerbs auf dem Markt gewährleistet werden sollten. Die Kommission war berechtigt, in diesen Angaben einen Anhaltspunkt dafür zu sehen, dass die Beteiligung von Copigraph an der Preisabsprache auf der Anwendung einer von Bolloré festgelegten allgemeinen Politik beruhte, die insbesondere dazu diente, die Marktstellung ihrer Fabrik in Thonon-les-Bains zu erhalten.

148    Nach alledem können die von Bolloré vorgetragenen Gesichtspunkte ihr Vorbringen zur Eigenständigkeit von Copigraph nicht stützen. Die in den obigen Randnrn. 136 bis 140 und 145 bis 147 angeführten Gesichtspunkte geben vielmehr zusammen mit dem Umstand, dass Bolloré im Zeitraum der Zuwiderhandlung das gesamte Kapital von Copigraph hielt, Anlass zu der Annahme, dass die Beteiligung von Copigraph an der Preisabsprache daraus resultierte, dass Bolloré entscheidenden Einfluss auf ihr Verhalten ausübte. Die Kommission hat Bolloré daher zu Recht für die Beteiligung von Copigraph am Kartell haftbar gemacht.

149    Im Übrigen kann der Umstand, dass Copigraph im November 1998 von AWA erworben wurde, Bolloré – die nach wie vor existiert – nicht von ihrer Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten von Copigraph vor deren Erwerb durch AWA entlasten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 145, und vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C‑297/98 P, Slg. 2000, I‑10101, Randnr. 25).

150    Folglich ist der Klagegrund zurückzuweisen, den Bolloré darauf stützt, dass Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen verletzt worden seien, weil die Kommission ihr das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft Copigraph zugerechnet habe. Die Verantwortung von Bolloré für die Zuwiderhandlung ist somit unabhängig von ihrer unmittelbaren Beteiligung – die verneint wurde (siehe oben, Randnrn. 66 bis 81) – erwiesen.

2.     Der Fall von Divipa und Zicuñaga

a)     Vorbringen der Parteien

151    Divipa und Zicuñaga machen geltend, die Kommission habe zu Unrecht ihre jeweilige Beteiligung an den Kartelltreffen für den spanischen Markt festgestellt. Sie stellen den Beweiswert mehrerer von der Kommission herangezogener Dokumente in Abrede. Sie tragen ferner vor, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie von der europaweiten Ausdehnung des Kartells gewusst hätten oder hätten wissen müssen.

152    Beide machen außerdem geltend, die Kommission habe ihre besonderen Merkmale nicht berücksichtigt. Sie seien beide nicht Mitglied der AEMCP. Divipa fügt hinzu, sie sei ein ausschließlich auf dem spanischen Markt tätiges kleines Familienunternehmen, das Selbstdurchschreibepapier nicht herstelle, sondern verarbeite und vertreibe. Ihre Preise hingen von denen ihres Hauptlieferanten, Koehler, und denen ihrer Konkurrenten ab. Zicuñaga betont, dass sie nie Selbstdurchschreibepapier verkauft habe.

153    Zicuñaga führt weiter aus, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass sie an einem Gesamtplan beteiligt gewesen sei, der abgestimmte Preiserhöhungen und Vereinbarungen zur Festlegung von Verkaufsquoten und Marktanteilen umfasst habe.

154    Die Kommission hält die Einwände der Klägerinnen in Bezug auf den Beweiswert der von ihr zur Stützung ihrer These herangezogenen Schriftstücke für unbegründet. Die Beweise müssten in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung aller einschlägigen tatsächlichen Gegebenheiten gewürdigt werden. Diese Beweise belegten die Beteiligung von Divipa und Zicuñaga an dem Kartell auf dem spanischen Markt. Um ihnen die Beteiligung an dem europaweiten Kartell zur Last legen zu können, müsse die Kommission ihnen nicht die Kenntnis aller Einzelheiten und Bestandteile dieses Kartells nachweisen, sondern nur das Vorliegen einer Reihe objektiver Umstände, die den Schluss zuließen, dass sie die europaweite Ausdehnung des Kartells gekannt hätten oder vernünftigerweise hätten vorhersehen können. In der Entscheidung werde die Mitgliedschaft in der AEMCP als solche nicht als Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung angesehen. Im Übrigen könne die Eigenschaft als Großhändler, Vertriebshändler oder Verarbeiter ein Unternehmen nicht von seiner Verantwortung für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln befreien. Dass das Kartell nicht immer erfolgreich gewesen sei oder dass sich das betreffende Unternehmen nicht stets an die getroffene Vereinbarung gehalten habe, sei kein Hindernis für die Annahme seiner Beteiligung daran. Es bedürfe nicht des Nachweises, dass sich das Unternehmen an allen Ausprägungen des Kartells beteiligt habe.

b)     Würdigung durch das Gericht

155    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Beweise für die Beteiligung an einem Kartell in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung aller einschlägigen tatsächlichen Gegebenheiten zu würdigen sind (vgl. in diesem Sinne die Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf in der Rechtssache Rhône-Poulenc/Kommission, T‑1/89, Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991, Slg. 1991, II‑867, II‑956 – Gemeinsame Schlussanträge zu den Polypropylen-Urteilen). Die Kommission muss genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde. Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen; es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering/Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnrn. 179 und 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

156    In Art. 1 Abs. 1 und 2 der Entscheidung wirft die Kommission Divipa und Zicuñaga vor, unter Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen an einer „Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor Selbstdurchschreibepapier“ teilgenommen zu haben. Die Zuwiderhandlung habe bei Divipa im März 1992 und bei Zicuñaga im Oktober 1993 begonnen und bei beiden Unternehmen im Januar 1995 geendet.

157    Aus den Randnrn. 77 bis 81, 252, 253, 327, 328, 333 und 334 der Entscheidung geht hervor, dass nach den Feststellungen der Kommission diese Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen einen umfassenden wettbewerbswidrigen Plan bildete, der im Wesentlichen darin bestanden habe, Preiserhöhungen sowie deren Termine zu vereinbaren und in einigen Fällen gemeinsam Verkaufsquoten und Marktanteile festzulegen und Informationen auszutauschen, um den Abschluss von Preiserhöhungsvereinbarungen zu erleichtern oder die Anwendung der vereinbarten Preiserhöhungen sicherzustellen.

158    In den Randnrn. 153 bis 176 der Entscheidung nennt die Kommission eine Reihe von Gesichtspunkten, die ihres Erachtens belegen, dass zwischen Februar 1992 und Oktober 1994 kollusive Zusammenkünfte in Bezug auf den spanischen Markt stattfanden und dass Divipa und Zicuñaga an mehreren dieser Zusammenkünfte teilnahmen.

159    Sodann führt die Kommission in Randnr. 286 der Entscheidung aus, auch wenn Divipa und Zicuñaga nur an Kartellsitzungen in Bezug auf den spanischen Markt teilgenommen hätten, müsse ihnen klar gewesen sein, dass das Kartell das gesamte 1994 zum EWR gewordene Gebiet umfasst habe. Zur Stützung dieser Ausführungen beruft sie sich in Randnr. 287 unter Bezugnahme auf die Randnrn. 89 bis 94 und die Randnrn. 197, 211, 277 und 280 der Entscheidung u. a. darauf, dass die beiden Ebenen von Zusammenkünften eng miteinander verknüpft gewesen seien und dass den Teilnehmern an den nationalen Zusammenkünften nicht unbekannt geblieben sein könne, dass diese komplementär zu den allgemeinen Kartellsitzungen gewesen seien.

160    Daher ist zunächst zu prüfen, ob die Behauptungen der Kommission zum Vorliegen eines Kartells auf dem spanischen Markt und zur Beteiligung von Divipa und Zicuñaga an diesem Kartell zutreffen. Falls sich diese Behauptungen als begründet erweisen, ist anschließend zu prüfen, ob der Beweis für ihre Beteiligung zusammen mit den in den Randnrn. 286 bis 289 der Entscheidung dargelegten Gesichtspunkten den Schluss zulässt, dass Divipa und Zicuñaga auch an dem in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellten allgemeinen Kartell beteiligt waren.

 Zum Vorliegen kollusiver Zusammenkünfte in Bezug auf den spanischen Markt

161    Mehrere Anhaltspunkte tragen zum Nachweis eines Kartells auf dem spanischen Markt für Selbstdurchschreibepapier in der Zeit von Februar1992 bis 1995 bei.

162    Erstens hat Sappi ihre Beteiligung an Kartelltreffen in Bezug auf den spanischen Markt ab Februar 1992 eingeräumt und hierzu verschiedene Informationen geliefert. In ihrer Antwort vom 18. Mai 1999 an die Kommission (Dokumente Nrn. 15193 bis 15206) verweist Sappi auf verschiedene kollusive Zusammenkünfte in Bezug auf den spanischen Markt, die am 17. und am 27. Februar 1992, am 30. September und am 19. Oktober 1993 sowie am 3. Mai und am 29. Juni 1994 stattgefunden hätten. Ein Mitarbeiter von Sappi hat angegeben (Dokumente Nrn. 15179 und 15180), in den Jahren 1993 bis 1995 mit anderen Lieferanten an sechs oder sieben Zusammenkünften in Barcelona teilgenommen zu haben. Diese Zusammenkünfte hätten etwa vier- oder fünfmal pro Jahr stattgefunden. Seiner Erinnerung nach habe er erstmals am 19. Oktober 1993 und letztmals im Jahr 1995 daran teilgenommen. Die Zusammenkünfte hätten zur Festlegung der Preise auf dem spanischen Markt gedient. Sie hätten etwa zwei Stunden gedauert und grundsätzlich mit einer Entscheidung über eine prozentuale Preiserhöhung geendet. Teilgenommen hätten Copigraph, Arjo Wiggins, Torraspapel, Zicuñaga, Koehler, Stora-Feldmühle (nunmehr MHTP), Zanders und Divipa. Die in diesen verschiedenen Dokumenten enthaltenen Auszüge aus den Erklärungen von Sappi gehörten zu den der MB beigefügten Unterlagen, so dass alle Klägerinnen Zugang zu ihnen hatten. Die Kommission hat sie auch dem Gericht vorgelegt.

163    Zweitens hat AWA ihre Teilnahme an multilateralen Kartelltreffen der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier eingeräumt und der Kommission eine Liste der Zusammenkünfte von Konkurrenten zwischen 1992 und 1998 übergeben. Das Dokument Nr. 7828, ein Auszug aus einer Antwort von AWA an die Kommission vom 30. April 1999, enthält allgemeine Angaben von AWA zur Durchführung mehrerer Treffen, insbesondere in Lissabon und Barcelona zwischen 1992 und 1994, an denen ihrer Erinnerung nach Vertreter von Sarrió, Binda, Stora-Feldmühle (nunmehr MHTP) und Divipa oder einiger dieser Unternehmen sowie, wohl nur an einem Treffen, von Zicuñaga teilnahmen. Der kollusive Charakter einiger dieser Treffen ergibt sich aus den nachfolgenden, im Dokument Nr. 7829 enthaltenen Erklärungen von AWA, wonach einige Treffen „unzulässig“ (improper) gewesen seien, da sie als Rahmen für Erörterungen der Preise von Selbstdurchschreibepapier gedient hätten, bei denen auch Absichtserklärungen über die Ankündigung von Preiserhöhungen ausgetauscht worden seien. Die Erklärungen von AWA in diesen beiden dem Gericht vorgelegten Schriftstücken (Dokumente Nrn. 7828 und 7829) waren auch Teil der der MB beigefügten Unterlagen, zu denen Divipa und Zicuñaga Zugang hatten.

164    AWA hat sodann in ihrer Erwiderung auf die MB eine Liste der „unzulässigen“ Treffen von Konkurrenten vorgelegt, zu deren Nachweis AWA nach ihren Angaben beigetragen hat. Auf dieser Liste befinden sich allein für den spanischen Markt Treffen am 17. Februar und am 5. März 1992, am 30. September 1993 sowie am 3. Mai, am 29. Juni und am 19. Oktober 1994. Die in Randnr. 170 der Entscheidung erwähnte Liste, um deren Vorlage das Gericht in der Rechtssache T‑132/02 ersucht hat, enthält keine Angaben zu den bei diesen Treffen anwesenden Unternehmen. Weder Divipa noch Zicuñaga oder eine andere Klägerin hat diese Liste als belastendes Dokument bezeichnet, zu dem kein Zugang gewährt wurde, und kein Unternehmen hat ihre Einsichtnahme beantragt.

165    Drittens hat Mougeot, die ebenfalls ihre Teilnahme an multilateralen Kartelltreffen der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier eingeräumt hat, in ihren Erklärungen vom 14. April 1999 (Dokumente Nrn. 7647 bis 7655) mehrere Treffen aufgezählt und für jedes von ihnen Gegenstand, Inhalt und Teilnehmer angegeben. Zu diesen Treffen gehört für den spanischen Markt die Zusammenkunft am 19. Oktober 1994, bei der nach den Angaben von Mougeot Copigraph, Stora, Torraspapel, Divipa, Ekman, Zicuñaga, Koehler, AWA und sie selbst vertreten waren. Nach diesen Dokumenten war Gegenstand des fraglichen Treffens die Organisation des spanischen Markts, und in der Rubrik „Inhalt des Treffens“ heißt es: „Festlegung der Preise auf dem spanischen Markt anhand der Größe der Kunden …“ Die Erklärungen von Mougeot waren ebenfalls Teil der der MB beigefügten und dem Gericht vorgelegten Unterlagen.

166    Diese Erklärungen wurden zwar im Nachhinein und im Hinblick auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegeben. Ihnen kann aber deshalb nicht der Beweiswert abgesprochen werden. Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind nämlich grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteil JFE Engineering/Kommission, oben in Randnr. 155 angeführt, Randnr. 211).

167    Nach der Rechtsprechung des Gerichts kann jedoch eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einer Absprache beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweismittel untermauert wird (Urteil JFE Engineering/Kommission, oben in Randnr. 155 angeführt, Randnr. 219; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Enso-Gutzeit/Kommission, T‑337/94, Slg. 1998, II‑1571, Randnr. 91).

168    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass sich die Erklärungen von Sappi, AWA und Mougeot in mehreren Punkten decken, so dass sie sich gegenseitig untermauern. Zum anderen werden ihre Erklärungen im vorliegenden Fall durch andere Beweismittel aus dem streitigen Zeitraum bestätigt. So wird die Existenz jedes der von AWA erwähnten kollusiven Treffen durch ein anderes Schriftstück bestätigt, das aus dem Zeitraum der Zuwiderhandlung und von einem teilnehmenden Unternehmen stammt.

169    Erstens teilt in Bezug auf das Treffen am 17. Februar 1992 Herr W. (Sappi) in einem Telefax gleichen Datums (Dokument Nr. 4588, zitiert in den Randnrn. 157 der Entscheidung und 61 der MB) seinem Vorgesetzten, Herrn J., mit, dass die Situation wegen des Verhaltens von Sarrió und Koehler gelinde gesagt verworren bleibe und dass am selben Tag eine Zusammenkunft der Betroffenen stattfinde.

170    Zweitens teilt in Bezug auf das Treffen am 5. März 1992 Herr W. (Sappi) in einem Vermerk vom 27. Februar 1992 (Dokument Nr. 4589, wiedergegeben in den Randnrn. 158 der Entscheidung und 60 der MB) derselben Person mit, dass er Vorkehrungen getroffen habe, um in der folgenden Woche in Barcelona an einer Zusammenkunft mit anderen Betroffenen zwecks Erörterung der jüngsten Entwicklungen auf dem spanischen Markt teilzunehmen. Er fügt hinzu, die Zusammenkunft werde am 5. März 1992 stattfinden. Dieses und das vorhergehende Dokument waren der MB beigefügt.

171    Der Vermerk vom 9. März 1992 (Dokumente Nrn. 4703 und 4704, wiedergegeben in den Randnrn. 156 der Entscheidung und 60 der MB), den der spanische Vertreter von Sappi an Sappi Europe richtete, ist zwar kein Sitzungsprotokoll, enthält aber sehr genaue Angaben zum Verhalten der genannten Unternehmen, u. a. von Divipa. Darin ist von einer Preiserhöhung um 10 ESP die Rede, die sich die Vertriebshändler zum Ziel gesetzt hatten und die nicht vollständig erreicht wurde. Der Verfasser dieses Vermerks führt aus, Divipa habe ihre Preise überhaupt nicht erhöht. Er fügt hinzu, es liege auf der Hand, dass Sappi Europe keine Preissteigerung herbeiführen könne, wenn die anderen Anbieter nicht mitzögen. Ferner weist er darauf hin, dass Zicuñaga einen Plan zur Herstellung von Selbstdurchschreibepapier an der spanischen Grenze angekündigt habe, was den Wettbewerb noch verschärfen dürfte.

172    Drittens werden in Bezug auf das Treffen am 30. September 1993 in Barcelona in einem Vermerk (Dokumente Nrn. 5 und 9972, zitiert in Randnr. 163 der Entscheidung), der an diesem Tag vom Vertreter von Sappi verfasst wurde, die für 1992 und 1993 von AWA, Binda, Copigraph, Sappi, Divipa, Stora-Feldmühle, Koehler, Sarrió und Zanders deklarierten Verkäufe sowie eine Quote für das vierte Quartal 1993 genannt. Die Teilnehmer kamen überein, eine Preiserhöhung um 10 % bei Papierrollen und ‑bogen anzukündigen. Sie kamen ferner überein, sich erneut zu treffen, um die Einhaltung der Quoten zu bestätigen. Dieser Vermerk wurde in Randnr. 80 der MB vollständig wiedergegeben.

173    Viertens heißt es in Bezug auf das Treffen am 19. Oktober 1993 in Barcelona in einem Vermerk (Dokument Nr. 4474, angesprochen in den Randnrn. 165 und 192 der Entscheidung), der in spanischer Sprache von einem Mitarbeiter von Sappi verfasst wurde und den Titel „Besuchsbericht“ (informe vista) trägt, am 19. Oktober 1993 habe ein Treffen stattgefunden, an dem alle Vertriebshändler außer Copigraph teilgenommen hätten. Bei diesem Treffen hätten die Teilnehmer eine Erhöhung des Endverbraucherpreises für Rollen um 8 % festgelegt. Sie hätten ferner vereinbart, dem Hersteller mitzuteilen, dass sie nur eine Erhöhung seiner Preise um 7,5 % akzeptieren würden, was zu einer Erhöhung der Handelsspanne um 0,5 % führe. Auch wenn dieser Vermerk kein Datum trägt, zeigt die Bezugnahme auf die „heutigen Preise“, dass er zeitnah erstellt wurde. Es ist nicht überraschend, dass er weder unterzeichnet noch datiert ist, da es sich um einen Vermerk über ein Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand handelt, so dass es für seinen Verfasser angebracht war, so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen (vgl. in diesem Sinne das Urteil Shell/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 86). Darüber hinaus lassen die Sprache, in der er verfasst wurde, und die übrigen von Sappi gemachten Angaben keinen Zweifel daran, dass sich der Vermerk auf den spanischen Markt bezieht. Mit Ausnahme des letzten Satzes wurde er in Randnr. 84 der MB wiedergegeben.

174    Fünftens befindet sich in den Akten in Bezug auf das Treffen am 3. Mai 1994 ein Vermerk (Dokument Nr. 14535) gleichen Datums, der ebenfalls von einem Mitarbeiter von Sappi verfasst wurde und den Titel „Besuchsbericht“ trägt. Sein Untertitel lautet: „Herstellertreffen zur Analyse der Preissituation“. Für jedes teilnehmende Unternehmen – Copigraph, AWA, Torraspapel, Zicuñaga, Koehler, Stora, Zanders, Sappi und Divipa – ist der Name seines Vertreters angegeben. Der Vermerk enthält ferner eine Tabelle der Tagespreise und der – höheren – für den 16. Mai vorgesehenen Preise, wobei hinzugefügt wird, dass diese Preise auf Vereinbarungen der Vertriebshändler beruhten. Der Vermerk war der MB beigefügt, und sein Inhalt wurde in deren Randnrn. 110 bis 112 beschrieben.

175    Sechstens gibt es in Bezug auf das Treffen am 29. Juni 1994 einen Vermerk (Dokument Nr. 4476, angesprochen in den Randnrn. 164 und 166 der Entscheidung) gleichen Datums mit dem Titel „Treffen der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier“. Er enthält auch den Namen des jeweiligen Vertreters der teilnehmenden Unternehmen Torraspapel, Reacto, Divipa, Stora, AWA, Sappi und Zicuñaga. Er beginnt mit dem Wort „Rollen“, gefolgt von der Erläuterung „Alle mit vollen Auftragsbüchern und Quoten“. Es ist die Rede von einer Preiserhöhung bei Rollen um 10 % ab 1. September. Verschiedene Richtpreise werden für Direktverkäufe an Drucker genannt, wobei drei Kategorien von Kunden und Produkttypen unterschieden werden. Zum Bogenpreis heißt es in dem Vermerk, er sei zu seiner früheren Höhe zurückgekehrt, da der vereinbarte Preis nicht eingehalten worden sei. Es wurde beschlossen, diesen Preis in zwei Stufen anzuheben, und zwar am 1. Juli und am 1. September 1994 um je 5 %. Der Vermerk endet mit folgendem Hinweis: „Nächstes Treffen am 23. September um 12.30 Uhr“. Dieses Dokument war der MB beigefügt, und sein Inhalt wurde in deren Randnrn. 121 bis 123 beschrieben.

176    Überdies heißt es in einem von Sappi stammenden internen Telefax vom 4. November 1994 (Dokument Nr. 4565, zitiert in Randnr. 166 der Entscheidung), der spanische Marktführer Torraspapel habe eine Preissenkung um 10 ESP angekündigt, und alles deute darauf hin, dass die Preiserhöhungen vom November keine Wirkung haben würden, da sie bislang von keinem Händler angekündigt worden seien. Dieses Telefax wurde in Randnr. 130 der MB angesprochen und ihr beigefügt.

177    Siebtens schließlich geht in Bezug auf das Treffen am 19. Oktober 1994 aus dem von Mougeot verfassten und den spanischen Markt betreffenden handschriftlichen Vermerk vom 21. Oktober 1994 (Dokument Nr. 1839, erwähnt in den Randnrn. 167, 222 und 223 der Entscheidung) hervor, dass die Teilnehmer über die ab 3. Januar 1995 anzuwendenden Preise überein kamen. Zicuñaga und Mougeot wurde „gestattet, für 5 [ESP]/kg weniger zu verkaufen“. Der Verfasser des Vermerks führt aus, es erscheine ihm „utopisch, von Zicuñaga zu verlangen, für 2 % unter den Großen zu verkaufen, ohne über Mengen zu reden“. Das nächste Treffen sollte am 24. November 1994 zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfinden. Dieser handschriftliche Vermerk war der MB beigefügt.

178    Von den Treffen am 27. Februar 1992 und am 19. Oktober 1993, die lediglich von Sappi, nicht aber von AWA erwähnt werden, wird somit nur das erstgenannte durch kein anderes Schriftstück bestätigt. Die Feststellungen der Kommission zum Inhalt dieses Treffens am 27. Februar 1992 brauchen jedoch nicht geprüft zu werden, da es jedenfalls außerhalb des Divipa und Zicuñaga zur Last gelegten Zeitraums der Zuwiderhandlung lag.

179    Außer diesen Treffen am 17. Februar und am 5. März 1992, am 30. September und am 19. Oktober 1993 sowie am 3. Mai, am 29. Juni und am 19. Oktober 1994 nennt die Kommission schließlich in Tabelle 3 (Randnr. 129 der Entscheidung) und in Anhang II der Entscheidung ein Treffen zum spanischen und zum portugiesischen Markt in Barcelona am 16. Juli 1992 und ein Treffen allein zum spanischen Markt am 23. September 1994.

180    Zu dem Treffen am 16. Juli 1992 geht aus Randnr. 159 der Entscheidung hervor, dass die Feststellungen der Kommission zum Inhalt und zum wettbewerbswidrigen Gegenstand dieses Treffens auf den Angaben in den Dokumenten 4484, 4501 bis 4503 und 4520 beruhen, die in den Fn. 166 und 167 der Entscheidung zitiert sind und der MB beigefügt waren.

181    Im Rahmen seiner mündlichen Erklärung (Dokument Nr. 4484) gab Herr B. G. von Unipapel, dem Vertreter von Sappi in Portugal, an, er habe sich am 16. Juli 1992 nach Barcelona begeben, um bei einem Treffen „die Situation auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier in Portugal und Spanien“ zu erörtern.

182    Diese Erklärung wird durch Kopien von Reisekostenabrechnungen (Dokumente Nrn. 4501 bis 4503) bestätigt, denen zufolge Herr B. G. am 16. Juli 1992 von Lissabon nach Barcelona und zurück reiste.

183    Im Rahmen einer weiteren mündlichen Erklärung (Dokument Nr. 4520) gab Herr B. G. an, der Zweck der Sitzung am 16. Juli 1992 habe darin bestanden, über Preiserhöhungen und Marktanteile zu diskutieren. Er fügte hinzu, die Vereinbarungen hätten hauptsächlich Rollen betroffen. Dass ähnliche Absprachen für Bogen existiert hätten, könne er nicht bestätigen. Darüber hinaus seien bei dieser Sitzung Informationen über die Verkaufsmengen und die von den einzelnen Unternehmen praktizierten Preise ausgetauscht worden.

184    Angesichts der in den drei vorstehenden Randnummern wiedergegebenen Angaben war die Kommission zu der Feststellung berechtigt, dass am 16. Juli 1992 in Barcelona ein Treffen stattfand, bei dem zumindest in Bezug auf Rollen Vereinbarungen über Preiserhöhungen und die Aufteilung der Märkte in Spanien und Portugal getroffen wurden. Die Kommission behauptet jedoch nicht, dass Divipa bei diesem Treffen anwesend war, weil Herr B. G. sie nicht als Teilnehmer nannte.

185    In Bezug auf das Treffen am 23. September 1994 zeigt der oben in Randnr. 175 behandelte Vermerk (Dokument Nr. 4476) zwar, dass dieses Treffen vorgesehen war. Kein Schriftstück und keine Erklärung bestätigt jedoch, dass es tatsächlich zu diesem Zeitpunkt stattfand. Die Kommission hat somit nicht nachgewiesen, dass es am 23. September 1994 ein Treffen in Bezug auf den spanischen Markt gab.

186    Gleichwohl hat die Kommission mittels dieses Bündels genauer und übereinstimmender Indizien in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen, dass es zumindest von März 1992 bis Januar 1995 ein Kartell auf dem spanischen Markt gab. Die Wirkungen des Kartells bestanden nämlich über die formelle Beendigung der kollusiven Treffen hinaus fort, da die bei dem Treffen am 19. Oktober 1994 (siehe oben, Randnr. 177) vereinbarten Preiserhöhungen ab 3. Januar 1995 gelten sollten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 3. Juli 1985, Binon, 243/83, Slg. 1985, 2015, Randnr. 17, und des Gerichts vom 10. März 1992, Montedipe/Kommission, T‑14/89, Slg. 1992, II‑1155, Randnr. 231).

187    Dieses Kartell hatte die Form wiederholter Treffen konkurrierender Unternehmen, bei denen diese sich im Wesentlichen über Preiserhöhungen und deren Termine verständigten. Bei einem Treffen, und zwar dem vom 30. September 1993 (siehe oben, Randnr. 172), wurden Quoten festgelegt.

 Zur Beteiligung von Divipa und Zicuñaga am Kartell auf dem spanischen Markt

188    Weist die Kommission nach, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, so ist dies nach der Rechtsprechung ein ausreichender Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell. Ist die Teilnahme an solchen Sitzungen erwiesen, so obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Sitzungen geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Konkurrenten darauf hingewiesen hat, dass es an den Sitzungen mit einer anderen Zielsetzung als diese teilnahm (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Randnr. 155, Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnr. 96, und Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 81).

189    Indem das Unternehmen an der fraglichen Sitzung teilnahm, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren, gab es den anderen Teilnehmern nämlich Anlass zu der Annahme, dass es dem Ergebnis der Sitzung zustimme und sich daran halten werde (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 188 angeführt, Randnr. 82).

190    Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass in der Tabelle (Dokument Nr. 15199) mit Angaben zu den verschiedenen Treffen, ihren Daten, ihrem Gegenstand und ihren Teilnehmern, die in der oben in Randnr. 162 angesprochenen Antwort von Sappi vom 18. Mai 1999 enthalten ist, Divipa und Zicuñaga als Teilnehmer an dem kollusiven Treffen am 19. Oktober 1993 aufgeführt sind. Dies wird durch die Angabe in dem oben in Randnr. 173 erwähnten Vermerk bestätigt, wonach an diesem Treffen alle Vertriebshändler mit Ausnahme von Copigraph teilnahmen.

191    Zweitens geht aus den oben in Randnr. 162 erwähnten Erklärungen des Mitarbeiters von Sappi hervor, dass Divipa und Zicuñaga bei den Treffen anwesend waren, an denen er zwischen Oktober 1993 und 1995 teilnahm. In Bezug auf die Treffen am 3. Mai und am 29. Juni 1994 gibt dieser Mitarbeiter sogar an, dass Divipa durch Herrn A. und Herrn C. und Zicuñaga durch Herrn E. vertreten gewesen sei. Diese Erklärungen werden für jedes dieser Treffen durch die oben in den Randnrn. 174 und 175 erwähnten Vermerke bestätigt, die der Mitarbeiter von Sappi zeitnah zu dem streitigen Sachverhalt verfasst hat.

192    Drittens nahm Divipa nach den oben in Randnr. 163 angesprochenen Erklärungen von AWA zumindest an einigen der Treffen teil, die zwischen 1992 und 1994 in Bezug auf den spanischen Markt stattfanden. Zicuñaga habe dagegen wohl nur an einem dieser Treffen teilgenommen. Diese Erklärung, die mehrere Jahre nach dem streitigen Sachverhalt in vorsichtigem Ton verfasst wurde, kann den Beweiswert der genauen Angaben in den Schriftstücken, die von Sappi im Zeitraum der Zuwiderhandlung verfasst wurden und in denen die Anwesenheit von Zicuñaga bei den Treffen am 19. Oktober 1993, am 3. Mai und am 29. Juni 1994 ausdrücklich erwähnt wird, nicht erschüttern.

193    Viertens geht aus den oben in Randnr. 165 angesprochenen Erklärungen von Mougeot hervor, dass Divipa und Zicuñaga bei dem Treffen am 19. Oktober 1994 anwesend waren. Die Teilnahme von Zicuñaga an diesem Treffen wird auch durch den oben in Randnr. 177 erwähnten handschriftlichen Vermerk von Mougeot bestätigt, in dem es heißt: „Zicuñaga und Mougeot [wurde] gestattet, für 5 [ESP]/kg weniger zu verkaufen“. Aufgrund der genauen Angaben von Mougeot zur Anwesenheit von Herrn A. (Divipa) bei diesem Treffen sowie der in der vorstehenden Randnummer angeführten Erklärungen von AWA durfte die Kommission auf die Teilnahme des Unternehmens an dem Treffen schließen.

194    Dass Sappi, wie Divipa in ihrer Antwort vom 18. Mai 1999 ausführt, kein Treffen in Bezug auf den spanischen Markt am 19. Oktober 1994 erwähnt, ist damit zu erklären, dass Sappi nach der von Mougeot erstellten Teilnehmerliste an diesem Treffen nicht teilnahm. Dieser Umstand kann jedenfalls das Bündel übereinstimmender Indizien nicht entkräften, die die Durchführung dieses Treffens und die Teilnahme von Divipa an ihm belegen.

195    Aus allen vorstehenden Anhaltspunkten folgt, dass die Kommission die Teilnahme von Divipa und Zicuñaga an kollusiven Treffen, die zwischen dem 19. Oktober 1993 und dem 19. Oktober 1994 regelmäßig stattfanden, in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hat.

196    Selbst wenn Divipa und Zicuñaga im Übrigen nicht an allen Treffen teilgenommen haben sollten, die im Rahmen des von der Kommission gerügten Systems regelmäßiger Treffen stattfanden, haben sie keine Anhaltspunkte für eine etwaige offene Distanzierung vom Inhalt der Treffen geliefert, an denen sie teilnahmen. Die Zuwiderhandlung könnte ihnen somit weiterhin zugerechnet werden. Da sie nachweislich an diesen Treffen teilnahmen und deren Zweck u. a. die Festsetzung von Preiszielen war, haben die Klägerinnen ihren Konkurrenten zumindest den Eindruck vermittelt, dass sie mit derselben Einstellung wie diese an den Treffen teilnahmen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 232, und vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnr. 98). Dieses System von Treffen war Teil einer Reihe von Bemühungen der fraglichen Unternehmen, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die normale Preisentwicklung auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier zu verfälschen. Es wäre daher gekünstelt, dieses durch eine einzige Zielsetzung gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere gesonderte Zuwiderhandlungen zu sehen (Urteil Rhône-Poulenc/Kommission, oben in Randnr. 155 angeführt, Randnr. 126).

197    Dass Divipa schon ab März 1992 am Kartell teilnahm, ergibt sich zunächst aus den oben in den Randnrn. 163 und 192 angesprochenen Erklärungen von AWA. Sie werden im Übrigen durch die Erwähnung von Divipa in dem oben in Randnr. 171 herangezogenen Vermerk vom 9. März 1992 untermauert. In diesem Vermerk prüft der spanische Vertreter von Sappi erkennbar, ob das zuvor von den Vertriebshändlern festgelegte Ziel einer Preiserhöhung um 10 ESP durch verschiedene Unternehmen umgesetzt wurde. Er erwähnt ausdrücklich, dass Divipa ihre Preise nicht erhöht habe. Die Beobachtung der Preispolitik von Divipa neben der von Sarrió und AWA, die ihre eigene Handelsgesellschaft auf dem spanischen Markt hatten, stellt aber ein starkes Indiz dafür dar, dass Divipa sich zu dieser Zeit am Kartell beteiligte.

198    Diese Feststellungen, nach denen sich Divipa schon ab März 1992, Zicuñaga ab Oktober 1993 und beide bis Januar 1995 an dem Kartell auf dem spanischen Markt beteiligten, können durch Erwägungen in Bezug auf die besonderen Merkmale dieser Unternehmen nicht in Frage gestellt werden.

199    Wie den Randnrn. 17 und 330 der Entscheidung zu entnehmen ist, hat die Kommission angemessen berücksichtigt, dass weder Divipa noch Zicuñaga Mitglied der AEMCP war. Die Kommission hat die Mitgliedschaft in der AEMCP im Übrigen nicht als Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung angesehen.

200    Die von Divipa und Zicuñaga hervorgehobenen Unterschiede zwischen den Preiserhöhungen, die bei den Treffen, an denen sie teilnahmen, beschlossen wurden, und der Preisentwicklung in dem Zeitraum, in dem diese Beschlüsse gelten sollten, können – die Richtigkeit der von diesen Unternehmen zur Veranschaulichung ihrer Preispolitik im genannten Zeitraum vorgelegten Zahlen unterstellt – allenfalls belegen, dass sie die bei den fraglichen Treffen gefassten Beschlüsse über Preiserhöhungen nicht einhielten. Nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3) (im Folgenden: Leitlinien), könnte die tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen einen mildernden Umstand darstellen; daher ist das dahin gehende Vorbringen der Parteien im Rahmen der auf die Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße gerichteten Klagegründe zu prüfen (siehe unten, Randnrn. 594 bis 635). Dagegen ändert die Tatsache, dass die vereinbarten Preise nicht eingehalten wurden, nichts am wettbewerbswidrigen Zweck der Treffen und damit an der Kartellteilnahme der Klägerinnen (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Tréfilunion/Kommission, T‑148/89, Slg. 1995, II‑1063, Randnr. 79). Die genannten Unterschiede – ihr Vorliegen unterstellt – können daher die Beweise für die Teilnahme von Divipa und Zicuñaga an den kollusiven Treffen nicht entkräften.

201    Der von Zicuñaga angeführte Umstand, dass in ihrem Konzern die Papeteries de l’Atlantique SA mit der Herstellung und dem Vertrieb von Selbstdurchschreibepapier betraut sei, kann nicht in Frage stellen, dass Zicuñaga – die allein in den Erklärungen der übrigen Kartellmitglieder erwähnt wird – an der Zuwiderhandlung teilnahm. Es ist zwar richtig, dass Zicuñaga im streitigen Zeitraum nur 50 % des Kapitals der Papeteries de l’Atlantique SA hielt, doch legt die Kommission Zicuñaga die Zuwiderhandlung wegen ihres eigenen Verhaltens und nicht in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft dieses Unternehmens zur Last. Zum einen wird nämlich in den unmittelbaren schriftlichen Beweisen für die Treffen am 3. Mai und am 29. Juni 1994 (siehe oben, Randnrn. 174 und 175) ausdrücklich auf die Anwesenheit eines Vertreters von Zicuñaga bei diesen beiden den spanischen Markt betreffenden kollusiven Treffen Bezug genommen. Zum anderen wird in dem von Mougeot verfassten handschriftlichen Vermerk vom 21. Oktober 1994 (siehe oben, Randnr. 177) Zicuñaga ausdrücklich erwähnt. Von der Papeteries de l’Atlantique SA ist nie die Rede. Und selbst wenn die Entscheidung die Art der Tätigkeiten von Zicuñaga innerhalb ihres Konzerns nicht genau widerspiegeln sollte, so ist festzustellen, dass sich Zicuñaga nicht gegen die Angabe in Randnr. 365 der Entscheidung gewandt hat, dass sie für die Festsetzung der Preise sämtlicher Papiererzeugnisse der Gruppe verantwortlich gewesen sei.

202    Divipa verweist auch auf die Unterschiede zwischen ihren in den Vermerken von Sappi deklarierten Verkaufsmengen und den ihrer Klageschrift beigefügten Angaben. Diese Unterschiede belegten, dass die Angaben in den Vermerken von Sappi nicht von ihr stammten. Insoweit ist hervorzuheben, dass die Angaben, die Divipa ihrer Klageschrift beigefügt hat, durch kein Schriftstück untermauert sind, anhand dessen geprüft werden kann, ob sie der Realität entsprechen. Auch wenn sie zutreffen sollten, belegt der Unterschied zwischen ihnen und den Angaben in den Vermerken von Sappi jedenfalls nur, dass Letztere nicht der Realität entsprachen. Sie lassen dagegen nicht den Schluss zu, dass die in den Vermerken von Sappi genannten durchschnittlichen Verkaufsmengen nicht von Divipa bei dem Treffen am 30. September 1993 angegeben wurden.

203    Divipa macht ferner geltend, es sei nicht nachvollziehbar, dass ein kleiner Vertriebshändler wie sie an Herstellertreffen teilgenommen haben solle. Ihre Eigenschaft als Vertriebshändlerin kann aber das Bündel von Indizien für ihre Teilnahme am Kartell auf dem spanischen Markt nicht entkräften. Sie nimmt ihr auch nicht das Interesse an der Teilnahme am Kartell, das nach der Analyse der Kommission in den Randnrn. 153 und 165 der Entscheidung, gegen die Divipa keine Einwände erhoben hat, zwangsläufig die Vertriebshändler einschließen musste, um auf dem spanischen Markt ordnungsgemäß funktionieren zu können, der durch eine weitgehende Integration der Produktions- und Vertriebsnetze gekennzeichnet war, so dass zahlreiche Hersteller auch Vertriebshändler waren. Außerdem erstreckte sich nach dem Vermerk vom 29. Juni 1994 (Dokument Nr. 4476, oben in Randnr. 175 angesprochen) die bei dieser Zusammenkunft getroffene Vereinbarung auf die Verbraucherpreise; dies genügt angesichts der Eigenschaft von Divipa als Vertriebshändlerin als Erklärung für ihre Anwesenheit bei diesem Treffen.

204    Schließlich bedeutet die Tatsache, dass Divipa zwischen 60 % und 70 % ihres Bedarfs an Selbstdurchschreibepapier von Koehler und den Rest von anderen Herstellern bezieht, zwar eine gewisse Abhängigkeit von ihren Lieferanten hinsichtlich des Kaufpreises. Diese kann jedoch zum einen nicht als umfassend angesehen werden. Die Tabelle, die Divipa als Anlage zu ihrer Klageschrift vorgelegt hat, zeigt nämlich, dass sie 1993 bestimmte Senkungen ihres Kaufpreises nicht immer unverzüglich weitergab, so dass ihre Handelsspanne beträchtlich blieb. Zum anderen lässt auch dieser Umstand jedenfalls nicht jedes Interesse an ihrer Kartellteilnahme entfallen, da jede in diesem Rahmen beschlossene und gegenüber dem Kunden umgesetzte Preiserhöhung zu einer Erhöhung ihrer Gewinnspanne führen konnte. Aus der genannten Tabelle geht im Übrigen hervor, dass die Kaufpreise von Koehler zwischen Januar und Dezember 1994 von 159,25 auf 195,70 stiegen und die Handelsspanne von Divipa von 20,38 bis 43,81. Überdies ergibt sich aus dem oben in Randnr. 173 angesprochenen Vermerk in Bezug auf das Treffen am 19. Oktober 1993, dass sich die Verhandlungen zum einen auf den Preis erstreckten, den der Vertriebshändler dem Hersteller zahlen musste, und zum anderen auf die Erhöhung, die die Vertriebshändler gegenüber ihren Kunden vornahmen, wobei eine Anhebung ihrer Handelsspanne vorgesehen war.

 Zur Beteiligung von Divipa und Zicuñaga am Kartell auf dem europäischen Markt

205    Nach Randnr. 286 der Entscheidung hat die Kommission die Beteiligung von Divipa und Zicuñaga an kollusiven Treffen nur in Bezug auf den spanischen Markt festgestellt. Sie führt jedoch aus, diesen Unternehmen müsse „klar gewesen sein, dass das Kartell das gesamte 1994 zum EWR gewordene Gebiet umfasste“.

206    Sie stützt sich insoweit auf die enge Verknüpfung, die zwischen den allgemeinen Kartelltreffen auf europäischer Ebene und den nationalen, insbesondere spanischen, kollusiven Treffen bestanden habe, auf die Tatsache, dass die großen europäischen Hersteller von Selbstdurchschreibepapier an den Aktivitäten des Kartells auf dem spanischen Markt teilgenommen hätten, sowie auf die Bedeutung der innergemeinschaftlichen Handelsströme bei Selbstdurchschreibepapier im Referenzzeitraum.

207    Nach der Rechtsprechung kann ein Unternehmen, das sich an einer vielgestaltigen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch eigene Handlungen beteiligt hat, die den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllen und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollen, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legen, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann und bereit ist, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 158 und die dort angeführte Rechtsprechung).

208    Im vorliegenden Fall geht insbesondere aus der obigen Randnr. 187 hervor, dass die Vereinbarungen in Bezug auf den spanischen Markt, an denen Divipa und Zicuñaga teilnahmen, die gemeinsame Festlegung von Preiserhöhungen bezweckten. Außerdem wurden bei einem Treffen am 30. September 1993, an dem Zicuñaga nicht mitwirkte, weil sie noch nicht am Kartell teilnahm, Verkaufsquoten für diesen Markt auf der Grundlage eines Informationsaustauschs über die getätigten Verkäufe zugeteilt. Diese Vereinbarungen deckten sich folglich mit dem allgemeinen europäischen Kartell, dessen Hauptzweck in der Anhebung der Preise für Selbstdurchschreibepapier und bei bestimmten Gelegenheiten in der gemeinsamen Festlegung von Verkaufsquoten oder Marktanteilen und im Austausch vertraulicher Informationen zur Erleichterung des Abschlusses oder der Umsetzung von Vereinbarungen über Preiserhöhungen bestand.

209    Nach der Rechtsprechung genügt jedoch die bloße Tatsache, dass eine Vereinbarung, an der ein Unternehmen teilnimmt, und ein Gesamtkartell den gleichen Gegenstand haben, nicht, um diesem Unternehmen die Beteiligung am Gesamtkartell zur Last zu legen. Nur wenn das Unternehmen, als es an dieser Vereinbarung teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in das Gesamtkartell eingliederte, kann seine Teilnahme an der betreffenden Vereinbarung Ausdruck seines Beitritts zum Gesamtkartell sein (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Sigma Tecnologie/Kommission, T‑28/99, Slg. 2002, II‑1845, Randnr. 45).

210    Die Kommission macht in der Entscheidung geltend, das sei bei Divipa und Zicuñaga der Fall gewesen, was diese bestreiten.

211    Es steht zwar fest, dass Divipa und Zicuñaga nie Mitglied der AEMCP waren und dass sie weder an den offiziellen Treffen dieser Vereinigung teilnahmen, die nach Ansicht der Kommission bis September 1993 als Rahmen für das europaweite Kartell dienten, noch an den allgemeinen Kartelltreffen, die ab September 1993 am Rande der offiziellen AEMCP-Sitzungen stattgefunden haben sollen. Im Übrigen geht aus keinem der Beweise für die Teilnahme von Divipa und Zicuñaga an kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt hervor, dass bei einem dieser Treffen ein Preiskartell auf europäischer Ebene angesprochen wurde.

212    Weder Divipa noch Zicuñaga liefert jedoch Indizien, die den Feststellungen der Kommission in den Randnrn. 89 bis 94 und 211 der Entscheidung und den in Randnr. 90 wiedergegebenen Erklärungen von Mougeot widersprechen. In diesen Erklärungen heißt es: „AWA [war] der Meinung, dass man ohne Einschaltung der für die örtlichen Märkte zuständigen Personen kaum Chancen gehabt hätte, die erwarteten Ergebnisse zu erzielen, was an sich schon eine Erklärung für das Abhalten marktspezifischer Sitzungen ist. … Die von ihren Vorgesetzten über eine gewünschte Preiserhöhung informierten örtlichen Führungskräfte hatten die Aufgabe, untereinander die praktischen Modalitäten der Realisierung dieser Erhöhung festzulegen.“ Daraus geht klar hervor, dass die Teilnehmer an den fraglichen Sitzungen, um den Erfolg der im Rahmen der allgemeinen Kartelltreffen gefassten Preiserhöhungsbeschlüsse zu gewährleisten, für die flächendeckende Umsetzung dieser Beschlüsse auf den verschiedenen regionalen und nationalen Märkten sorgen wollten. Angesichts des erheblichen Umfangs des Handelsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten bei dem betreffenden Produkt wäre es höchst ineffizient gewesen, wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen ausschließlich auf der Ebene eines Mitgliedstaats zu treffen.

213    Die Kommission hat zwei bei Sappi gefundene Tabellen (Tabellen 5 und 6 in den Randnrn. 207 und 217 der Entscheidung und in den Randnrn. 117 und 127 der MB) mit den für verschiedene Länder bei den beiden allgemeinen Treffen am 21. Juni und am 22. September 1994 vereinbarten Preiserhöhungen vorgelegt. Für Spanien enthalten diese Tabellen keine Zahlen, sondern den Vermerk „noch anzugeben“. Das Protokoll des Treffens in Bezug auf den spanischen Markt am 29. Juni 1994 (Dokument Nr. 4476, oben in Randnr. 175 angesprochen) und der handschriftliche Vermerk von Mougeot vom 21. Oktober 1994 (Dokument Nr. 1839, oben in Randnr. 177 angesprochen; siehe auch unten, Randnr. 235), der im Anschluss an die ebenfalls den spanischen Markt betreffende Zusammenkunft am 19. Oktober 1994 erstellt wurde, zeigen, dass auf jedes dieser allgemeinen Treffen ein nationales Treffen folgte, bei dem die Preiserhöhungen für den spanischen Markt effektiv präzisiert wurden. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen hervorhebt, bestätigt überdies die Tatsache, dass in diesem handschriftlichen Vermerk von Mougeot die Worte „im Hinblick auf die für Spanien angekündigten AEMCP-Mengen“ verwendet werden und von einer Erörterung dieser Zahlen die Rede ist, die These, dass sich Divipa und Zicuñaga zwangsläufig des größeren, europaweiten Rahmens bewusst waren, in dem die Treffen in Bezug auf den spanischen Markt stattfanden, an denen sie teilnahmen.

214    Außerdem belegen die verschiedenen Schriftstücke, auf die die Kommission in Zusammenhang mit den spanischen Treffen Bezug genommen hat (in den Randnrn. 154 bis 171 der Entscheidung, in Anhang II dieser Entscheidung und in den entsprechenden Fußnoten), zweifelsfrei, dass an diesen Treffen eine Reihe von Vertretern europäischer Hersteller von Selbstdurchschreibepapier teilnahmen, deren Teilnahme an den allgemeinen Kartelltreffen im Hinblick auf die von der Kommission in den Randnrn. 263 bis 276 der Entscheidung angeführten Indizien nicht bestritten werden kann und in den meisten Fällen auch nicht bestritten wurde.

215    Im Hinblick darauf, dass – wie die Kommission in Randnr. 176 der Entscheidung hervorhebt – nach Angaben eines Vertreters von Unipapel bei den Nachprüfungen (Dokument Nr. 4525, dessen relevanter Auszug in Randnr. 74 der MB wiedergegeben ist) die portugiesischen Kunden vermuteten, dass dem Verhalten der portugiesischen Marktteilnehmer bei Preiserhöhungen ein europaweites Kartell zugrunde lag, erscheint es kaum denkbar, dass es Divipa und Zicuñaga, die bei den Treffen in Bezug auf den spanischen Markt Kontakt zu Vertretern der an den allgemeinen Kartelltreffen beteiligten großen europäischen Hersteller von Selbstdurchschreibepapier hatten, verborgen geblieben sein soll, dass sie sich durch ihre Teilnahme an kollusiven Vereinbarungen auf dem genannten Markt in ein europaweites Kartell eingliederten.

216    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Divipa und Zicuñaga zwangsläufig über Existenz und Inhalt des europaweiten Kartells informiert waren (vgl. in diesem Sinne das Zement-Urteil, Randnr. 4097) und dass sie, als sie auf dem spanischen Markt an Vereinbarungen mit dem gleichen wettbewerbswidrigen Zweck wie dieses Kartell teilnahmen, zwangsläufig wussten, dass sie sich damit dem Kartell anschlossen (vgl. in diesem Sinne das Zement-Urteil, Randnr. 4099).

217    Der von Zicuñaga angeführte Umstand, dass die Akten keinen Anhaltspunkt dafür enthielten, dass die Preise auf anderen als dem spanischen Markt bei den spanischen Treffen erörtert oder ihr von anderen Unternehmen mitgeteilt worden seien, entspricht vollkommen dem allgemeinen Organisationsschema des Kartells, wonach die insbesondere im Rahmen von Zusammenkünften geführten Erörterungen auf nationaler oder regionaler Ebene zur Festlegung der praktischen Modalitäten für die Anwendung der auf europäischer Ebene gefassten Preiserhöhungsbeschlüsse auf die Preisen des betreffenden lokalen Marktes dienten. Er kann zudem die vorstehende Analyse nicht in Frage stellen.

218    Zicuñaga beruft sich ferner darauf, dass sie nicht an den angeblich kollusiven Treffen und Aktivitäten auf dem französischen und dem italienischen Markt teilgenommen habe, obwohl sie dort geschäftliche Interessen gehabt habe. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Zicuñaga, wie sie bei der Anhörung ausgeführt hat, „für die Festsetzung der Preise für sämtliche Papiererzeugnisse der Gruppe verantwortlich [war] und deshalb sämtliche Preisbeschlüsse auch für die Erzeugnisse der Papeteries de l'Atlantique [traf]“ (Randnr. 365 der Entscheidung). Der Angabe, dass Zicuñaga geschäftliche Interessen nicht nur in Spanien, sondern aufgrund der Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaft Papeteries de l'Atlantique auch in Frankreich und Italien gehabt habe, kann daher entnommen werden, dass Zicuñaga, der nicht verborgen geblieben sein konnte, dass einige bei den spanischen Treffen vertretene Unternehmen auch auf dem französischen und dem italienischen Markt aktiv waren, sich zur Festlegung der Preispolitik ihrer Gruppe zwangsläufig darüber informierte, ob sich die Vereinbarungen, an denen sie teilnahm, in ein europaweites Kartell einfügten; sie war somit zwangsläufig über die Existenz eines solchen Kartells unterrichtet.

219    Der in der vorstehenden Randnummer erwähnte Umstand kann jedenfalls die oben in den Randnrn. 205 bis 217 dargelegte Analyse nicht in Frage stellen. Überdies könnte dieser Umstand auch als Indiz dafür angesehen werden, dass Zicuñaga wusste, dass sich die Vereinbarungen, an denen sie auf dem spanischen Markt teilnahm, in ein europaweites Kartell einfügten, und es deshalb für überflüssig hielt, an kollusiven Treffen und Aktivitäten außerhalb Spaniens mitzuwirken.

220    Im Übrigen ist hervorzuheben, dass sich die Lage von Zicuñaga in mehreren Punkten von der des Unternehmens Sigma Tecnologie di rivestimento in der Rechtssache Sigma Tecnologie/Kommission (oben in Randnr. 209 angeführt) unterscheidet, auf die Zicuñaga in ihren Schriftsätzen Bezug nimmt. Im Gegensatz zur Klägerin in jener Rechtssache war Zicuñaga nämlich in der betreffenden Branche auf mehreren nationalen Märkten tätig. Selbst wenn man der These von Zicuñaga folgt, dass ihre Preispolitik von ihren spanischen Konkurrenten als aggressiv angesehen worden sei, hat Zicuñaga zudem keinen Beleg dafür geliefert, dass sie – wie Sigma Tecnologie di rivestimento – von bestimmten kollusiven Treffen oder Aktivitäten wegen ihres Verhaltens als „Spielverderber“ ausgeschlossen wurde (Urteil Sigma Tecnologie/Kommission, oben in Randnr. 209 angeführt, Randnrn. 42 und 46). Der oben in Randnr. 177 angesprochene Vermerk von Mougeot in Bezug auf das Treffen am 19. Oktober 1994 zeigt vielmehr, dass Zicuñaga als vollwertiges Mitglied des spanischen Kartells angesehen wurde, in dessen Rahmen ihr gestattet wurde, zu etwas niedrigeren Preisen als die übrigen Kartellmitglieder zu verkaufen.

221    Im Rahmen ihres Vorbringens, wonach sie die streitigen Preisabsprachen nicht umgesetzt habe, rügt Zicuñaga, dass die Kommission ihr im Verwaltungsverfahren keine Einsicht in die in Randnr. 288 der Entscheidung angesprochenen detaillierten Informationen gewährt habe. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen in den Randnrn. 45 bis 51 zu verweisen.

 Zur Beteiligung von Zicuñaga an Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten und Marktanteilen

222    Wie oben in Randnr. 153 ausgeführt, stellt Zicuñaga schließlich ihre Beteiligung an Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten und Marktanteilen in Abrede.

223    Aus den Randnrn. 77, 81, 252, 253, 326 bis 331, 376, 382 und 383 der Entscheidung geht hervor, dass nach den Feststellungen der Kommission die Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten und Marktanteilen keine gesonderten Zuwiderhandlungen, sondern Bestandteile einer einzigen, in Art. 1 der Entscheidung behandelten und Zicuñaga zur Last gelegten Zuwiderhandlung waren, deren allgemeines Ziel darin bestand, die Preise für Selbstdurchschreibepapier im gesamten 1994 zum EWR gewordenen Gebiet zu erhöhen (Randnr. 327 der Entscheidung), und dessen Eckpfeiler im Abschluss von Preiserhöhungsvereinbarungen bestand (Randnr. 383 der Entscheidung).

224    Zunächst ist zu prüfen, ob die Kommission das Vorliegen von Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten und Marktanteilen ordnungsgemäß nachgewiesen hat und ob sie zu der Annahme berechtigt war, dass diese Vereinbarungen Teil des wettbewerbswidrigen Gesamtplans waren, der die in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung ausmachte. Insoweit trennt die Kommission in den Randnrn. 241 bis 251 der Entscheidung zwischen Angaben, die ihres Erachtens das Vorliegen von Vereinbarungen über die Zuteilung von Verkaufsquoten belegen, und Angaben, in denen sie einen Beweis für das Vorliegen von Vereinbarungen über die Marktaufteilung sieht.

225    Zu den Ausführungen der Kommission in Bezug auf die Zuteilung von Verkaufsquoten ist erstens festzustellen, dass dem von Sappi verfassten Schriftstück über das Treffen am 30. September 1993 in Barcelona (Dokument Nr. 5, oben in Randnr. 172 angeführt) zufolge die Teilnehmer an diesem Treffen zunächst ihre durchschnittlichen monatlichen Verkäufe in den Jahren 1992 und 1993 angaben und eine Aufteilung der Verkaufsquoten für das vierte Quartal 1993 vornahmen, dann überein kamen, eine Preiserhöhung um 10 % bei Papierrollen und ‑bogen ab 1. Januar 1994 anzukündigen, und schließlich beschlossen, sich zu einem später festzulegenden Zeitpunkt erneut zu treffen, um die Einhaltung der Quoten zu prüfen.

226    Zweitens stellt Zicuñaga die Feststellungen der Kommission in den Randnrn. 138, 242 und 243 der Entscheidung nicht in Frage, wonach es in einer von Sappi bei einem Treffen zum französischen Markt am 1. Oktober 1993 angefertigten „attendance note“ (Dokument Nr. 6, wiedergegeben in Randnr. 87 der MB) heißt, dass die Teilnehmer an diesem Treffen eine Preiserhöhung sowie eine Verteilung von Quoten für das vierte Quartal 1993 vereinbart hätten, „um Preiserhöhungen zu ermöglichen“.

227    Zu den Ausführungen der Kommission in Bezug auf die Vereinbarungen über die Marktaufteilung trägt Zicuñaga keinen Gesichtspunkt zur Entkräftung der Feststellungen der Kommission in den Randnrn. 141 und 246 der Entscheidung vor, wonach das Treffen, das im Frühjahr 1994 in Nogent-sur-Marne zum französischen Markt stattfand, als Rahmen sowohl für eine Preiserhöhungsvereinbarung als auch für eine Vereinbarung zur Marktaufteilung gedient habe (Dokument Nr. 7651, angesprochen in den Randnrn. 113 und 115 der MB und dieser beigefügt).

228    Die oben dargestellten Gesichtspunkte lassen den Schluss zu, dass die Kommission in Randnr. 241 der Entscheidung zutreffend festgestellt hat, dass „bei einigen der nationalen Kartellsitzungen Verkaufsquoten zugeteilt und Marktanteile für die einzelnen Teilnehmer festgelegt wurden, um die Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen zu gewährleisten“. Die Kommission war somit zu der Annahme berechtigt, dass die Preiserhöhungsvereinbarungen und die gemeinsame Festlegung von Verkaufsquoten und Marktanteilen untrennbar miteinander verbundene Teile des wettbewerbswidrigen Gesamtplans waren, der die in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung ausmachte.

229    Sodann ist zu prüfen, ob die Kommission berechtigt war, Zicuñaga die die Vereinbarungen über die Zuteilung von Verkaufsquoten und die Marktaufteilung betreffenden Aspekte der einzigen Zuwiderhandlung zur Last zu legen.

230    Das Wort „Rollen“, gefolgt von der Erläuterung „Alle mit vollen Auftragsbüchern und Quoten“, in dem oben in Randnr. 175 angesprochenen Vermerk von Sappi vom 29. Juni 1994 beweist nicht zwingend, dass bei dem Treffen am 29. Juni 1994 eine Vereinbarung über Verkaufsquoten geschlossen wurde. Diese Angabe beweist jedoch, dass zum Zeitpunkt des Treffens alle Teilnehmer, zu denen Zicuñaga gehörte, Parteien einer Vereinbarung über die Verteilung von Verkaufsquoten auf dem Rollenmarkt waren.

231    Die in der vorstehenden Randnummer erwähnte Angabe in Bezug auf das Treffen am 29. Juni 1994 stellt den einzigen Anhaltspunkt dar, der Zicuñaga zum Beweis ihrer unmittelbaren Beteiligung an einer Vereinbarung über die Zuteilung von Verkaufsquoten entgegengehalten werden kann. Die Kommission hat nämlich nicht festgestellt, dass Zicuñaga an dem Treffen am 30. September 1993 in Barcelona teilnahm, bei dem eine Vereinbarung über die Zuteilung von Verkaufsquoten für das vierte Quartal 1993 getroffen wurde. In Bezug auf die anderen Treffen, bei denen die Kommission die Anwesenheit von Zicuñaga ordnungsgemäß nachgewiesen hat, macht die Kommission in der Entscheidung nicht geltend, dass sie als Rahmen für Vereinbarungen über Verkaufsquoten gedient hätten.

232    In ihrer Klagebeantwortung trägt die Kommission allerdings vor, auch bei dem Treffen am 19. Oktober 1994 sei von Verkaufsquoten die Rede gewesen.

233    Hierzu enthält der von Mougeot verfasste handschriftliche Vermerk vom 21. Oktober 1994 über das Treffen am 19. Oktober 1994 zum spanischen Markt (siehe oben, Randnr. 177) folgende Angaben:

„–      Ich habe im Hinblick auf die für Spanien mitgeteilten AEMCP-Mengen (außer Zicuñaga) Ende August 94, [plus] 4 300 [t] gefragt, wo unsere 93er-Mengen ([minus] 50 %) geblieben sind.

–        Antwort von Sarrió: Mengen kommen und gehen!

–        Antwort von Koehler: Die AEMCP-Zahlen sind falsch!“

234    Dies könnte zwar – wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung vorträgt – bedeuten, dass bei dem Treffen am 19. Oktober 1994 Verkaufsquoten oder ‑mengen erörtert wurden. Weder in dem Teil der Entscheidung, der den Treffen in Bezug auf den spanischen Markt gewidmet ist, noch in dem Teil, der die Zuteilung von Verkaufsquoten und die Marktaufteilung betrifft, hat die Kommission jedoch auf diese Angaben zur Stützung ihrer Ausführungen zum Abschluss von Vereinbarungen über Verkaufsquoten oder Marktanteile im Referenzzeitraum verwiesen. Unter diesen Umständen können die Angaben nicht als Beweis für die Beteiligung von Zicuñaga an Vereinbarungen über Verkaufsquoten herangezogen werden.

235    Gleichwohl beweist die oben in Randnr. 230 wiedergegebene Angabe, dass Zicuñaga bei dem Treffen am 29. Juni 1994 über die Existenz einer Vereinbarung über Verkaufsquoten informiert wurde.

236    Da erwiesen ist, dass Zicuñaga an Vereinbarungen über Preiserhöhungen auf dem spanischen Markt teilnahm, wobei sie wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass sie sich dadurch in ein europaweites Kartell eingliederte, durfte die Kommission sie unter diesen Umständen auch für die Vereinbarungen über Verkaufsquoten verantwortlich machen, die im Zeitraum ihrer Beteiligung an den Preiserhöhungsvereinbarungen getroffen wurden. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann ein Unternehmen, das sich an einer vielgestaltigen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch eigene Handlungen beteiligt hat, die den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllen und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollen, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legen, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann und bereit ist, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnr. 203).

237    Zicuñaga ist daher für die Vereinbarung über die Aufteilung von Verkaufsquoten zur Verantwortung zu ziehen, die bei dem Treffen am 29. Juni 1994 behandelt wurde.

238    Zu den Vereinbarungen über die Aufteilung von Märkten geht aus den Randnrn. 246 bis 251 der Entscheidung hervor, dass die Kommission ihre Feststellungen zum Vorliegen solcher Vereinbarungen zunächst auf Angaben über zwei Treffen zum französischen Markt stützt, die im Frühjahr 1994 und am 6. Dezember 1994 stattfanden. Die Entscheidung enthält aber kein Indiz dafür, dass Zicuñaga wusste oder vernünftigerweise hätte vorsehen können, dass Treffen in Bezug auf den französischen Markt als Rahmen für Marktaufteilungsvereinbarungen dienten. Insoweit hat die Kommission, anders als bei ihren Feststellungen zu den Preiserhöhungsvereinbarungen, in der Entscheidung nicht die Ansicht vertreten, dass die auf dem französischen Markt beobachteten Marktaufteilungsvereinbarungen Teil der dezentralisierten Umsetzung einer behaupteten europaweiten Marktaufteilungsvereinbarung waren, deren Teilnehmer die örtlichen Verantwortlichen auf den verschiedenen betroffenen Märkten informierten. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass ein Unternehmen wie Zicuñaga, das unstreitig nicht an kollusiven Treffen in Bezug auf einen anderen als den spanischen Markt teilnahm, von der Existenz der genannten Marktaufteilungsvereinbarungen wusste oder sie vernünftigerweise hätte vorhersehen können.

239    Die Kommission führt weiter aus, es gebe Hinweise darauf, dass die Marktanteile auf der Tagesordnung der allgemeinen Kartelltreffen gestanden hätten (Randnr. 250 der Entscheidung). Zicuñaga nahm jedoch unstreitig nie an allgemeinen Kartelltreffen teil. Außerdem beziehen sich die von der Kommission in den Randnrn. 250 und 251 der Entscheidung zur Stützung ihrer Behauptung angeführten Gesichtspunkte auf das allgemeine Kartelltreffen am 2. Februar 1995, also auf ein Treffen, das nach Ablauf des Zicuñaga in Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung zur Last gelegten Zeitraums der Zuwiderhandlung stattfand.

240    Folglich ist die Beteiligung von Zicuñaga an Marktaufteilungspraktiken nicht erwiesen.

241    Nach alledem war die Kommission berechtigt, Zicuñaga für die im Zeitraum ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung vorgenommene Zuteilung von Verkaufsmengen verantwortlich zu machen. Dagegen hat die Kommission Zicuñaga den die Marktaufteilungsvereinbarungen betreffenden Aspekt der einzigen Zuwiderhandlung zu Unrecht zur Last gelegt.

242    Dieser Beurteilungsfehler ist jedoch nicht geeignet, die Feststellungen zu entkräften, nach denen Zicuñaga im Rahmen von Treffen, die dem französischen Markt gewidmet waren, an Preiserhöhungsvereinbarungen teilnahm; Gleiches gilt für die Einschätzung, dass sich Zicuñaga durch diese Vereinbarungen an dem europaweiten Kartell für die Preise von Selbstdurchschreibepapier beteiligte, das den wesentlichen Teil der in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung darstellte. Die obigen Erwägungen zur Marktaufteilung sind daher nicht geeignet, die Beteiligung von Zicuñaga an dieser Zuwiderhandlung in Frage zu stellen. Es ist davon auszugehen, dass Zicuñaga, die über ein Jahr lang an den genannten Preisinitiativen teilnahm, vernünftigerweise vorhersehen konnte, dass die mitwirkenden Unternehmen versuchen würden, den Erfolg dieser Initiativen durch verschiedene Vorkehrungen zu fördern, und dass sie bereit war, diese Möglichkeit in Kauf zu nehmen. Bei der Prüfung des Hilfsantrags von Zicuñaga auf Herabsetzung der in Art. 3 der Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße wird jedoch zu klären sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die fehlende Verantwortung von Zicuñaga für die Marktaufteilungspraktiken eine Verringerung ihrer Geldbuße rechtfertigt.

243    Der von Divipa auf die Verletzung der Art. 81 EG und 53 EWR-Abkommen und von Zicuñaga auf Beurteilungsfehler gestützte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

C –  Zu den die Dauer der Zuwiderhandlung betreffenden Klagegründen

244    Eine Reihe von Klägerinnen, und zwar Bolloré, MHTP, Koehler, Mougeot, Torraspapel, Divipa und Zicuñaga, wenden sich gegen die Feststellungen der Kommission zur Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung. Einige dieser Klägerinnen (MHTP, Koehler, Mougeot und Torraspapel) äußern sich dazu im Rahmen von Anträgen auf teilweise Nichtigerklärung von Art. 1 der Entscheidung und auf Herabsetzung der ihnen in Art. 3 der Entscheidung auferlegten Geldbuße, während andere (Bolloré, Divipa und Zicuñaga) dies im Rahmen ihrer Hilfsanträge auf Herabsetzung der Geldbuße tun. Aus den Schriftsätzen der letztgenannten Unternehmen geht jedoch hervor, dass sie der Sache nach die Rechtmäßigkeit der Entscheidung in Frage stellen, soweit in deren Art. 1 Abs. 2 die jeweilige Dauer der von ihnen begangenen Zuwiderhandlung festgestellt wird. Ihr Antrag ist daher dahin umzudeuten, dass er auch auf die teilweise Nichtigerklärung des die Dauer der Zuwiderhandlung betreffenden Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung gerichtet ist.

245    Das Vorbringen von Bolloré, MHTP, Koehler, Mougeot und Torraspapel stimmt weitgehend überein und geht dahin, dass die Kommission ihre Kartellteilnahme in der Zeit vor September oder Oktober 1993 bzw., im Fall von MHTP, in der Zeit vor Januar 1993 nicht nachgewiesen habe. Vorbehaltlich bestimmter Besonderheiten ihrer individuellen Lage machen sie im Wesentlichen geltend, zum einen sei entgegen den Behauptungen der Kommission nicht erwiesen, dass die Treffen, die auf europäischer Ebene innerhalb der AEMCP vor September oder Oktober 1993 stattgefunden hätten, als Rahmen für kollusive Preisabsprachen gedient hätten, und zum anderen sei nicht erwiesen, dass sie vor dieser Zeit an kollusiven Treffen auf nationaler oder regionaler Ebene teilgenommen hätten. Zunächst ist gemeinsam das jeweilige Vorbringen der verschiedenen genannten Unternehmen zu prüfen sowie das ergänzende Vorbringen von Mougeot, dass die Kommission ihre Kartellteilnahme nach Juli 1995 nicht nachgewiesen habe. Sodann ist das jeweilige Vorbringen von Divipa und Zicuñaga zu prüfen.

1.     Zu den Klagegründen von Bolloré, MHTP, Koehler, Mougeot und Torraspapel

a)     Zur Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung vor September oder Oktober 1993

 Vorbringen der Parteien

246    Im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem sie eine Verletzung von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 rügt, trägt Bolloré vor, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass sie zwischen Januar 1992 und September oder Oktober 1993 Verantwortung für das Kartell getragen habe. Zur Stützung ihres Vorbringens führt sie erstens aus, Copigraph habe bestritten, vor September 1993 an einem Kartell teilgenommen zu haben. Zweitens spricht sie den Erklärungen von AWA vom 5. Mai 1999, von Mougeot vom 14. April 1999 und von Sappi vom 6. Januar 1998, die die Kommission zum Nachweis der Kartellteilnahme von Copigraph vor September 1993 heranzieht, jeden Beweiswert ab. Diese verschiedenen Erklärungen seien auch widersprüchlich, denn die Erklärungen von Mougeot beträfen angebliche allgemeine Kartelltreffen, die Erklärungen von AWA dagegen ein angebliches Kartell in Bezug auf den französischen Markt. Außerdem habe Copigraph die erste Preiserhöhung im Dezember 1993 vorgenommen; dies schließe aus, dass sie vor September oder Oktober 1993 an einem Kartell beteiligt gewesen sei.

247    Im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem sie das Fehlen von Beweisen rügt, führt MHTP aus, die Kommission habe ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung vor Januar 1993 nicht nachgewiesen. Zur Stützung dieses Vorbringens macht sie erstens geltend, die in den Randnrn. 107 und 108 der Entscheidung wiedergegebenen Erklärungen von AWA, Sappi und Mougeot belegten nicht, dass die Sitzungen der AEMCP im Jahr 1992 als Rahmen für ein Kartell gedient hätten. Zweitens sei entgegen den Feststellungen der Kommission nicht erwiesen, dass sie an den Treffen am 5. März 1992 in Bezug auf den spanischen Markt, im Frühjahr 1992 in Bezug auf den französischen Markt und am 16. Juli 1992 in Bezug auf den spanischen und den portugiesischen Markt teilgenommen habe.

248    Im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem sie das Fehlen von Beweisen rügt, führt Koehler aus, die Kommission habe ihre Beteiligung an einem wettbewerbswidrigen Kartell vor Oktober 1993 nicht nachgewiesen. Zur Stützung dieses Vorbringens macht sie erstens geltend, die von der Kommission herangezogenen Erklärungen von Mougeot und Sappi bewiesen nicht, dass vor Oktober 1993 im Rahmen der AEMCP kollusive Vereinbarungen getroffen worden seien. Dass es vor Oktober 1993 auf einer Reihe nationaler oder regionaler Märkte kollusive Treffen gegeben habe, sei kein Beleg für die Existenz einer europaweiten Koordinierung zu dieser Zeit. Zweitens sei entgegen den Feststellungen der Kommission nicht erwiesen, dass sie an den Treffen am 17. Februar und am 5. März 1992 in Bezug auf den spanischen Markt, im Frühjahr 1992 in Bezug auf den französischen Markt, am 16. Juli 1992 in Bezug auf den spanischen und den portugiesischen Markt, am 14. Januar 1993 in Bezug auf die Märkte des Vereinigten Königreichs und Irlands, im Frühjahr 1993 in Bezug auf den französischen Markt und am 30. September 1993 in Bezug auf den spanischen Markt teilgenommen habe.

249    Im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler rügt, führt Mougeot aus, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass sie vor Oktober 1993 an einem Kartell teilgenommen habe. In den von der Kommission herangezogenen Erklärungen von Sappi werde sie nicht als Teilnehmer an den kollusiven Treffen in den Jahren 1992 und 1993 erwähnt. Da sie 1992 nicht Mitglied der AEMCP gewesen sei, habe sie an den Sitzungen dieser Vereinigung am 26. Mai und am 10. September 1992 nur als beobachtendes Mitglied teilgenommen, und es bestehe aller Anlass zu der Annahme, dass die Teilnehmer an der AEMCP-Sitzung vom 9. Februar 1993, der ersten Sitzung dieser Vereinigung, an der sie als deren Mitglied teilgenommen habe, die Existenz oder Zweckmäßigkeit eines Kartells nicht in ihrer Gegenwart angesprochen hätten.

250    Mougeot fügt hinzu, in Randnr. 111 der Entscheidung habe die Kommission den Inhalt ihrer Erklärungen vom 14. April 1999 verfälscht. Überdies habe die von der Kommission in Randnr. 112 der Entscheidung angeführte Erklärung von Sappi keinerlei Beweiswert für die These, dass die offiziellen AEMCP-Sitzungen vor der Umstrukturierung der Vereinigung im September 1993 als Rahmen für kollusive Treffen in Bezug auf Preise gedient hätten.

251    Im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem sie die falsche Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG und Verstöße gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung und eine grundlegende Verfahrensvorschrift rügt, führt Torraspapel aus, es gebe keinen Beweis für ihre angebliche Beteiligung an einer Zuwiderhandlung in der Zeit zwischen Januar 1992 und September 1993. Sie macht einige Vorbemerkungen zu den Gefahren einer strategischen Denunzierung aufgrund der neuen Gnadenpolitik der Kommission und zum fehlenden Beweiswert der Erklärungen von AWA, Sappi und Mougeot, auf die die Kommission ihre These stütze. Sodann bestreitet sie erstens, dass die offiziellen AEMCP-Sitzungen bis September 1993 als Rahmen für Preisabsprachen gedient hätten. Zweitens macht sie geltend, entgegen den Feststellungen der Kommission habe sie nicht an den Treffen am 17. Februar und am 5. März 1992 in Bezug auf den spanischen Markt, im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 in Bezug auf den französischen Markt sowie am 16. Juli 1992 in Bezug auf den spanischen und den portugiesischen Markt teilgenommen.

252    Die Kommission weist die Einwände gegen den Beweiswert der Erklärungen von AWA, Sappi und Mougeot zurück. Diese Erklärungen ermöglichten es, die Ausgestaltung des Kartells auch im Jahr 1992 zu verstehen. Sie antwortet überdies Punkt für Punkt auf das Vorbringen der Klägerinnen, dass sie an den verschiedenen in Rede stehenden nationalen oder regionalen Treffen nicht teilgenommen hätten.

 Entscheidung

253    Nach Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung nahmen Bolloré, MHTP, Koehler und Torraspapel von Januar 1992 bis September 1995 an der Zuwiderhandlung teil, während Mougeot in dieser Bestimmung eine Teilnahme von Mai 1992 bis September 1995 zur Last gelegt wird.

254    Die in Bezug auf die Teilnahme der fünf genannten Klägerinnen an der Zuwiderhandlung in der Zeit von Januar oder Mai 1992 bis September oder Oktober 1993 relevanten Abschnitte der Entscheidung lauten:

„(83) Die EWR-weite Planung und Koordinierung des Kartells erfolgte auf den allgemeinen Kartellsitzungen, die unter dem Mantel der offiziellen Versammlungen der AEMCP stattfanden.

(84)      Auf den allgemeinen Kartellsitzungen trafen die Teilnehmer Grundsatzentscheidungen über den Zeitpunkt und die (prozentuale) Höhe der Preiserhöhungen für jedes einzelne EWR-Land. In der Regel beschlossen sie mehrere aufeinanderfolgende Preiserhöhungen für einige Monate im Voraus.

(85)      Die AEMCP-Versammlungen dienten seit mindestens Januar 1992 bis zum September 1993 zugleich auch als Kartellsitzungen. …

(87)      In der Regel konnte bei den AEMCP-Sitzungen eine rege Teilnahme verbucht werden, und während der Dauer der Zuwiderhandlungen haben alle damaligen Mitglieder an diesen Sitzungen teilgenommen: AWA, Binda, Copigraph, Koehler, Mougeot, Sappi, Stora, Torraspapel/Sarrió und Zanders. …“

255    Weiter heißt es in den Randnrn. 107 bis 113, Sappi habe zugegeben, dass bei den regelmäßigen Zusammenkünften, die spätestens ab Anfang 1992 stattgefunden hätten, wettbewerbswidrige Absprachen zwischen den konkurrierenden Herstellern getroffen worden seien. Nach einer von einem Sappi-Mitarbeiter abgegebenen Erklärung hätten derartige Sitzungen ab 1991 „auf EG-weiter Ebene“ stattgefunden. Auch AWA habe zugegeben, dass es ab Anfang 1992 derartige Zusammenkünfte gegeben habe. Mougeot, die der AEMCP Ende 1992 beigetreten sei, habe Erklärungen (Dokument Nr. 7467, oben in Randnr. angesprochen) über den Inhalt einer offiziellen AEMCP-Sitzung im Jahr 1993 geliefert, aus denen die Kommission schließe, dass die Neugründung („reconstitution“) der Vereinigung zugleich eine Umstrukturierung des Kartells beinhaltet habe. Mougeot habe erklärt:

„Es war zweifellos anlässlich der offiziellen AEMCP-Sitzung vom 14. September 1993 oder der vorhergehenden, bestimmt aber nach Amtsantritt [von Herrn B.] an der Spitze der Generaldirektion Selbstdurchschreibepapier von AWA, dass Herr B. klar entschieden hat, die hauptsächlichen Hersteller von Selbstdurchschreibepapier Markt für Markt zu ‚inoffiziellen‘ Treffen einzuladen und die Organisation der offiziellen AEMCP-Sitzungen zu ändern. In Zukunft sollte bei allen AEMCP-Versammlungen ein Anwalt zugegen sein, um diesen einen offiziellen und nicht kritikanfälligen Charakter zu geben. Andererseits entschied er, dass alles, was Preise betrifft, nicht mehr hier, sondern ausschließlich in den ‚inoffiziellen‘ Sitzungen behandelt werden soll.“

 Würdigung durch das Gericht

256    Einleitend ist in Bezug auf die Beweisführung für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darauf hinzuweisen, dass es der Kommission obliegt, die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der Tatsachen, die eine Zuwiderhandlung darstellen, rechtlich hinreichend zu belegen (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58, und Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnr. 86).

257    Daher muss die Kommission genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

258    Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnrn. 513 bis 520). Im Übrigen sind die Beweise, wie bereits oben in den Randnrn. 155 und 156 ausgeführt, in ihrer Gesamtheit zu würdigen; Erklärungen, die im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegeben wurden, kann nicht allein deshalb der Beweiswert abgesprochen werden.

259    Aus der Entscheidung geht hervor, dass die Kommission die Haftung der betreffenden fünf Klägerinnen in der Zeit von Januar 1992 – oder Mai 1992 bei Mougeot – bis September oder Oktober 1993 auf ihre Beteiligung an kollusiven Kontakten und an einem System kollusiver Treffen stützt, das aus einem Geflecht offizieller Sitzungen der AEMCP, die als Rahmen für Preisabsprachen gedient hätten, und nationaler oder regionaler Kartelltreffen bestanden haben soll.

260    Zunächst ist das behauptete System kollusiver Treffen, bestehend aus offiziellen Sitzungen der AEMCP und nationalen oder regionalen Kartelltreffen, zu analysieren. Sodann ist auf die Beteiligung der betreffenden Klägerinnen an diesen Treffen vor September oder Oktober 1993 einzugehen.

–       Zu dem behaupteten System kollusiver Treffen

Offizielle Sitzungen der AEMCP vor September oder Oktober 1993

261    Aus den Randnrn. 107 bis 113, 254 bis 256 und 295 der Entscheidung geht hervor, dass die Kommission ihre Behauptung, vor September oder Oktober 1993 hätten im Rahmen der offiziellen Sitzungen der AEMCP allgemeine (europaweite) Kartelltreffen stattgefunden, erstens auf die Erklärungen von Mougeot im Dokument Nr. 7647 (siehe oben, Randnr. 255) stützt, zweitens auf die Aussage eines Mitarbeiters von Sappi sowie die Eingeständnisse von Sappi und AWA und drittens auf die Existenz zahlreicher Beweise für die Durchführung nationaler oder regionaler Kartelltreffen ab Januar 1992, auf die in den Randnrn. 281 ff. eingegangen wird.

262    Erstens zeigen die Randnrn. 113 und 254 der Entscheidung, dass die in Randnr. 108 der Entscheidung wiedergegebenen und oben in Randnr. 255 zitierten Erklärungen von Mougeot (Dokument Nr. 7647) das Kernelement der Beweisführung der Kommission in diesem Punkt darstellen.

263    Insoweit ist zunächst das Vorbringen von Mougeot zurückzuweisen, wonach die Kommission den Inhalt ihrer Erklärungen verfälscht habe. Ein Vergleich von Randnr. 108 der Entscheidung mit dem Dokument Nr. 7647, das die betreffenden Erklärungen enthält, ergibt, dass die Kommission in der Entscheidung die im genannten Dokument enthaltenen Erklärungen von Mougeot wörtlich und originalgetreu wiedergegeben hat.

264    Ferner ist auf ein von Koehler vorgetragenes Argument zu antworten, dass die Kommission, wie aus Randnr. 295 der Entscheidung hervorgeht, dem späteren Widerruf von Mougeot in deren Erwiderung auf die MB wegen des ganz eindeutigen Inhalts der Erklärungen von Mougeot zu Recht keinen Glauben schenkte.

265    Zurückzuweisen ist auch das Argument von Torraspapel, die Ausführungen in Fn. 97 der Entscheidung belegten, dass die Kommission selbst Zweifel am Beweiswert der Erklärungen von Mougeot gehabt habe. Dass die Kommission in dieser Fußnote in Anbetracht des Inhalts der in der Akte enthaltenen Schriftstücke die Behauptung von Mougeot, sie habe am 9. Februar 1993 erstmals an einer Sitzung der AEMCP teilgenommen, zurückgewiesen hat, kann nicht als Ausdruck eines generellen Zweifels der Kommission am Beweiswert der Erklärungen von Mougeot gewertet werden. Anders als bei den Angaben von Mougeot, auf die sich Fn. 97 der Entscheidung bezieht, gibt es zudem kein Element, das zu den in Randnr. 108 der Entscheidung wiedergegebenen Erklärungen in Widerspruch stünde und Zweifel an ihrem Beweiswert wecken könnte.

266    Aus diesen Erklärungen von Mougeot geht hervor, dass bei einer offiziellen Sitzung der AEMCP Herr B. nach seinem Amtsantritt als Leiter der Generaldirektion „Selbstdurchschreibepapier“ von AWA entschied, die Aktivitäten der AEMCP umzugestalten und künftig ihre offiziellen Sitzungen im Beisein eines Anwalts durchzuführen, um ihnen einen „nicht kritikanfälligen“ Charakter zu geben, sowie „alles, was Preise betrifft“, nicht mehr bei diesen, sondern bei „inoffiziellen“ Sitzungen zu behandeln. Die Erklärungen von Mougeot machen deutlich, dass die offiziellen Sitzungen der AEMCP vor der von Herrn B. (AWA) beschlossenen Umgestaltung ihrer Aktivitäten als Rahmen für die Erörterung von Preisen dienten. Genau diese Erörterungen stellten den kritikanfälligen Bestandteil der Sitzungen dar.

267    Keine der betreffenden Klägerinnen wendet sich gegen die Angabe in Randnr. 110 der Entscheidung, dass die erste offizielle Sitzung der AEMCP im Beisein eines Anwalts am 18. November 1993 stattfand. Unter diesen Umständen war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass die Entscheidung von Herrn B., die Aktivitäten und Sitzungen der AEMCP umzustrukturieren, bei der offiziellen Sitzung dieser Vereinigung getroffen wurde, die der Sitzung am 18. November 1993 unmittelbar vorausging, d. h. bei der Sitzung am 14. September 1993. Die Kommission hat daher zutreffend die Ansicht vertreten, dass im Rahmen der offiziellen Sitzungen der AEMCP bis zum 14. September 1993 Gespräche über die Preise geführt wurden.

268    Diese Erwägung wird durch die Randnrn. 115 bis 121 der Entscheidung bestätigt, aus denen sich ergibt, dass nach dieser Umstrukturierungsentscheidung am Rand der offiziellen Sitzungen der AEMCP inoffizielle Treffen stattfanden, die der Vereinbarung von Preiserhöhungen im EWR dienten.

269    Zweitens stützt sich die Kommission auf den in Randnr. 112 der Entscheidung wiedergegebenen Auszug aus der Aussage (Dokument Nr. 5407, der MB als Anlage beigefügt) einer von Sappi im Februar 1993 eingestellten Person, die sich erinnert, dass ihre Kollegen „von AEMCP-Versammlungen oder anderen Sitzungen sehr klare Vorstellungen über die durchzuführenden Preiserhöhungen mitbrachten und kaum Bedenken hinsichtlich der Reaktionen der Wettbewerber hatten“.

270    Entgegen dem Vorbringen einiger Klägerinnen hat dieser Mitarbeiter seine Erinnerungen keineswegs in zweifelndem oder vorsichtigem Ton ausgedrückt. Mangels gegenteiliger Angaben sind sie dahin zu verstehen, dass sie sich sowohl auf die Zeit vor September 1993 als auch auf die Zeit danach beziehen. Für die Zeit von Februar bis September 1993 bestätigen sie, dass auf europäischer Ebene im Rahmen offizieller Sitzungen der AEMCP kollusive Treffen stattfanden, was die Unternehmen, die ihre Beteiligung am Kartell seit 1992 eingeräumt haben, im Übrigen nicht bestreiten.

271    In diesem Stadium der Analyse zeigt sich somit, dass die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten hat, dass vor September 1993 im Rahmen offizieller Sitzungen der AEMCP Preisabsprachen getroffen wurden. Nunmehr ist zu prüfen, ob die Kommission zu der Feststellung berechtigt war, dass die offiziellen Sitzungen der AEMCP spätestens seit Januar 1992 und ununterbrochen bis September 1993 als Rahmen derartiger Absprachen benutzt wurden.

272    Insoweit führt die Kommission in den Randnrn. 86 und 113 der Entscheidung zur Stützung ihrer Feststellungen aus, die erste offizielle Sitzung der AEMCP, die sie belegen könne, habe am 23. Januar 1992 stattgefunden. Aus dieser Angabe in Verbindung mit den in Randnr. 107 der Entscheidung angeführten, von ihr als übereinstimmend angesehenen Erklärungen von AWA und Sappi, die bestätigten, dass ab Anfang des Jahres 1992 kollusive Treffen auf europäischer Ebene stattgefunden hätten, und mit Beweisen dafür, dass es ab Januar 1992 regelmäßige Sitzungen und Kontakte auf nationaler oder regionaler Ebene gab (gleiche Randnr.), schließt sie, dass das europaweite Preiskartell spätestens im Januar 1992 begonnen habe. In Randnr. 113 der Entscheidung fügt die Kommission hinzu, die in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen zeigten, dass es zwischen Januar 1992 und dem Treffen am 14. September 1993 acht AEMCP-Sitzungen gegeben habe, die alle in Zürich stattgefunden hätten.

273    Zunächst ist festzustellen, dass keine der Klägerinnen die Richtigkeit der Angaben in der Entscheidung anzweifelt, wonach am 23. Januar 1992 eine offizielle AEMCP-Sitzung stattfand.

274    Sodann ist erstens darauf hinzuweisen, dass AWA in ihrer Erklärung (Dokumente Nrn. 7828 und 7829, siehe oben, Randnr. 163), auf die die Kommission in Randnr. 107 der Entscheidung verweist, zugibt, ab Anfang 1992 mit Konkurrenten an bestimmten „unzulässigen“ (improper) Treffen teilgenommen zu haben, die als Rahmen für Absichtserklärungen über die Ankündigung von Preiserhöhungen gedient hätten. Dieses Eingeständnis von AWA bezog sich ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen der Kommission (Dokument Nr. 7829) zufolge auf Treffen, an denen Sarrió, Mougeot, Stora-Feldmühle, Copigraph, Koehler und Zanders teilgenommen und die zwischen 1992 und 1995 in Paris, Zürich und Genf stattgefunden haben sollen. Zürich ist aber die Stadt, in der, wie aus Tabelle A in Anhang I der Entscheidung hervorgeht, alle offiziellen Treffen der AEMCP zwischen Januar 1992 und September 1993 abgehalten wurden.

275    Nach der Antwort von AWA (Dokument Nr. 7827) bezieht sich der in den Randnrn. 61 und 107 der Entscheidung angesprochene Auszug auf die Einzelheiten der Treffen, die vom 1. Januar 1992 bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Antwort stattfanden, mit Ausnahme der offiziellen AEMCP-Sitzungen; daraus könnte man schließen, dass sie alle AEMCP-Sitzungen wegen des fehlenden kollusiven Charakters ausnahm. Da begründete Zweifel nach dem Grundsatz in dubio pro reo den Klägerinnen zugute kommen müssen, ist davon auszugehen, dass die Erklärungen der AWA für sich genommen nicht den Schluss zulassen, dass die offizielle AEMCP-Sitzung am 23. Januar 1992 als Rahmen für eine Preisabsprache diente. Sie stellen gleichwohl ein wesentliches Indiz für die Existenz eines Kartells auf europäischer Ebene ab Anfang 1992 dar.

276    Zweitens geht in Bezug auf die in Randnr. 107 der Entscheidung angesprochenen Erklärungen von Sappi aus Randnr. 73 der Entscheidung hervor, hervor, dass die Kommission auf Erklärungen von Sappi verweist, aus denen hervorgehe, „dass Kontakte wettbewerbswidrigen Zusammenwirkens zwischen den europäischen Herstellern von Selbstdurchschreibepapier seit der Gründung ihrer Fachvereinigung AEMCP im Jahr 1981 und besonders seit Mitte der 80er Jahre stattgefunden haben“.

277    In Fn. 64 der Entscheidung (Dokument Nr. 4656) fügt die Kommission hinzu:

„Sappi übergab der Kommission eine Erklärung eines ihrer Mitarbeiter, der seit den 70er Jahren im Verkauf von Selbstdurchschreibepapier tätig war, in der es heißt: ‚He had first suspected that there was collusion in carbonless paper in about the mid 1980[s] because of comments made by senior management [...] He would have believed that the collusion involved Arjo Wiggins, Köhler and Stora Feldmühle, among others. He had been aware of bilateral exchange of information from about the mid/late 1980s‘ (Freie Übersetzung: ‚... er habe aufgrund von Bemerkungen des Topmanagements seit etwa Mitte der 80er Jahre vermutet, dass es im Selbstdurchschreibepapiergeschäft wettbewerbswidrige Absprachen gebe [...] Seiner Ansicht nach seien an der Kollusion u. a. Arjo Wiggins, Köhler und Stora Feldmühle beteiligt gewesen. Von einem bilateralen Informationsaustausch habe er seit etwa Mitte/Ende der 80er Jahre Kenntnis gehabt.‘) …“

278    Eine Aussage eines anderen Mitarbeiters von Sappi deutet darauf hin, dass es von 1991 bis 1993 auf Gemeinschaftsebene kollusive Kontakte und Zusammenkünfte von Konkurrenten gab. Dieser Mitarbeiter von Sappi gibt an, er habe geglaubt, dass diese Kontakte Kollusionscharakter hätten und dass zwischen den Anbietern über die Preise auf Gemeinschaftsebene diskutiert werde.

279    Die in den vorstehenden Randnummern angeführten Erklärungen von Mitarbeitern von Sappi belegen, dass es ab Ende der achtziger oder Anfang der neunziger Jahre auf europäischer Ebene ein Preiskartell gab, an dem einige Hersteller mitwirkten. Überdies bestätigen sie die Angaben von AWA zur Existenz eines Kartells auf europäischer Ebene ab Anfang 1992. Ihnen kann dagegen nicht entnommen werden, dass die offizielle AEMCP-Sitzung am 23. Januar 1992 als Rahmen für kollusive Kontakte diente. Ebenso wenig wie die Erklärungen von AWA lassen sie daher für sich genommen den Schluss zu, dass die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass ab Januar 1992 im Rahmen der offiziellen AEMCP-Sitzungen Preisabsprachen getroffen wurden.

280    Daher ist der dritte von der Kommission angeführte Gesichtspunkt zu prüfen, und zwar die Durchführung kollusiver Treffen und Kontakte auf nationaler oder regionaler Ebene ab Anfang 1992 in zeitlicher Nähe zu den offiziellen AEMCP-Sitzungen.

Treffen auf nationaler oder regionaler Ebene vor September oder Oktober 1993

281    Aus der in Randnr. 129 der Entscheidung enthaltenen Tabelle 3 („Nationale bzw. regionale Kartellsitzungen, Februar 1992 bis Frühjahr 1995“) geht hervor, dass nach den Feststellungen der Kommission zwischen Februar 1992 und dem 30. September 1993 sieben nationale oder regionale Sitzungen stattfanden. Anhang II der Entscheidung enthält dazu folgende Einzelheiten:

–        Am 17. Februar 1992 habe ein Treffen in Bezug auf den spanischen Markt stattgefunden, an dem u. a. Koehler und Torraspapel teilgenommen hätten.

–        Am 5. März 1992 habe ein Treffen in Bezug auf den spanischen Markt stattgefunden, an dem u. a. Stora (MHTP), Koehler und Torraspapel teilgenommen hätten.

–        Im Frühjahr 1992, wahrscheinlich im April, habe ein Treffen in Bezug auf den französischen Markt stattgefunden, an dem u. a. Copigraph (Tochtergesellschaft von Bolloré), Stora (MHTP), Koehler, Mougeot und Torraspapel teilgenommen hätten.

–        Am 16. Juli 1992 habe ein Treffen in Bezug auf den spanischen Markt stattgefunden, an dem u. a. Stora (MHTP), Koehler und Torraspapel teilgenommen hätten.

–        Am 14. Januar 1993 habe ein Treffen in Bezug auf die Märkte des Vereinigten Königreichs und Irlands stattgefunden, an dem u. a. Stora (MHTP) und Koehler teilgenommen hätten.

–        Im Frühjahr 1993, wahrscheinlich im April, habe ein Treffen in Bezug auf den französischen Markt stattgefunden, an dem u. a. Copigraph (Tochtergesellschaft von Bolloré), Stora (MHTP), Koehler, Mougeot und Torraspapel teilgenommen hätten.

–        Am 30. September 1993 habe ein Treffen in Bezug auf den spanischen Markt stattgefunden, an dem u. a. Copigraph (Tochtergesellschaft von Bolloré), Stora (MHTP), Koehler, Mougeot und Torraspapel teilgenommen hätten.

282    Es ist zu prüfen, ob die Feststellungen der Kommission zur Durchführung dieser Treffen und zu ihrem wettbewerbswidrigen Zweck stichhaltig sind.

283    Zum Treffen am 17. Februar 1992 in Bezug auf den spanischen Markt hat das Gericht in den obigen Randnrn. 161 bis 169 bereits festgestellt, dass dieses Treffen, das die Einhaltung einer Vereinbarung über die Erhöhung der Preise auf dem spanischen Markt gewährleisten sollte, einen mit dem allgemeinen Gegenstand der Zuwiderhandlung in Einklang stehenden kollusiven Zweck hatte.

284    Zum Treffen am 5. März 1992 hat das Gericht in den obigen Randnrn. 161 bis 170 ebenfalls festgestellt, dass sowohl sein Stattfinden als auch sein kollusiver Zweck erwiesen sind.

285    Was die Treffen im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 in Bezug auf den französischen Markt angeht, so ergeben sich ihr Stattfinden und ihr wettbewerbswidriger Zweck aus den in den Dokumenten Nrn. 15026, 15027 und 15272 enthaltenen Erklärungen von Mitarbeitern von Sappi, die in Randnr. 137 der Entscheidung angeführt werden und der MB beigefügt waren.

286    Der im Dokument Nr. 15272 enthaltene Auszug aus der Erklärung von Sappi lautet:

„Der (damalige) Leiter des Verkaufsbüros der Sappi (UK) Ltd in Frankreich erklärte, er habe mit seinem Vorgesetzten, [Herrn W.], an zwei Treffen mit Konkurrenten in Frankreich teilgenommen. Das erste Treffen habe im Frühjahr 1992 stattgefunden und das zweite ein Jahr später. Eines sei in einem Hotel am Flughafen Charles-de-Gaulle durchgeführt worden und das andere im Zentrum von Paris. Dies seien die einzigen derartigen Treffen, an denen er teilgenommen habe, und ihm sei nichts von anderen Treffen in Frankreich bekannt.

Bei diesen Treffen sei hauptsächlich über Bögen gesprochen worden, die Sappi damals in Frankreich nicht verkauft habe. Bei den Treffen sei keine Übereinstimmung oder irgendwie geartete Vereinbarung in Bezug auf Bögen erreicht worden. Bei Rollen hätten sich die Gespräche auf das vergangene und gegenwärtige, nicht auf das künftige Preisniveau bezogen.“

287    Darüber hinaus gibt Sappi in der Tabelle (Dokument Nr. 15200, der MB beigefügt) in ihrer Antwort vom 18. Mai 1999 auf ein Auskunftsverlangen der Kommission an, Treffen hätten an verschiedenen Tagen im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993, wahrscheinlich im April, in Paris am Flughafen Charles-de-Gaulle und in einem Hotel nahe der Place de l’Étoile stattgefunden. Nach den Angaben in der Tabelle dienten diese Treffen zum Austausch von Informationen und zu Gesprächen über Kunden und die von ihnen zu fordernden Preise. Sappi führt aus, an den Treffen hätten Vertreter ihres Unternehmens sowie von AWA, Sarrió, Zanders, dem Agenten von Zanders in Frankreich, Europapier und Feldmühle teilgenommen. Sie könne sich nicht erinnern, ob ein Vertreter von Koehler teilgenommen habe.

288    Aus den in den vorstehenden Randnummern wiedergegebenen Angaben geht hervor, dass sich der Mitarbeiter von Sappi, von dem sie stammen und der persönlich bei den genannten Veranstaltungen zugegen war, genau daran erinnert, dass es im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 zwei Treffen von Konkurrenten in Paris gab, die u. a. dazu dienten, Gespräche über Kunden und die von ihnen zu fordernden Preise zu führen. Die mangelnde Präzision hinsichtlich des genauen Zeitpunkts dieser Treffen dürfte mit der großen Zeitspanne zu erklären sein, die zwischen dem streitigen Sachverhalt und dem Zeitpunkt liegt, zu dem dieser Mitarbeiter nach seinen Erinnerungen befragt wurde; sie ändert nichts daran, dass er genaue Angaben zu Zeitraum, Ort und Zweck der betreffenden Sitzungen machte. Sie kann daher den Erklärungen des Mitarbeiters von Sappi in Bezug auf diese verschiedenen Aspekte nicht ihren Beweiswert nehmen.

289    In Bezug auf das Treffen im Frühjahr 1993 zeigen außerdem die von der Kommission in Fn. 135 der Entscheidung angeführten Reisekostenabrechnungen (Dokumente Nrn. 4798, 4799 und 5034), dass sich Herr F. (Koehler) und Herr W. (Stora-Feldmühle) am 14. April 1993 beide in Paris befanden. Dies stützt die These der Kommission, dass das Frühjahrstreffen 1993 im April stattfand.

290    Laut den oben in Randnr. 286 zitierten Erklärungen des Mitarbeiters von Sappi gab es zwar nach dessen Erinnerung bei den Treffen im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 keine Preisabsprache. Die Angabe, dass die Teilnehmer an diesen Treffen keine Übereinstimmung oder irgendwie geartete Vereinbarung in Bezug auf Bögen erreicht hätten, ist jedoch so zu verstehen, dass bei diesen Treffen in Bezug auf Bögen entsprechende Versuche gemacht wurden; die Treffen waren demnach unzulässig.

291    Im Rahmen dieser Versuche mussten die Teilnehmer nämlich zwangsläufig individuelle Informationen über ihre Preise und/oder Verkaufsmengen bei Bögen austauschen. Nach der Rechtsprechung (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 117 und 121) steht das Erfordernis, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer eine eigenständige Politik verfolgt, aber streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen ihnen entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Konkurrenten beeinflusst oder ein solcher Konkurrent über das Marktverhalten, zu dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die Fühlungnahme bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die nicht den normalen Bedingungen des relevanten Markts entsprechen. Insoweit gilt vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Konkurrenten ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die Treffen im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 hinsichtlich des Markts für Bögen als Rahmen für Abstimmungen dienten, die gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstießen.

292    Außerdem ist in den oben in Randnr. 286 angesprochenen Erklärungen des Mitarbeiters von Sappi in Bezug auf Rollen davon die Rede, dass bei den Treffen Gespräche über Kunden und die von ihnen zu fordernden Preise geführt wurden; dies bedeutet nach der in Randnr. 291 genannten Rechtsprechung, dass nach Art. 81 Abs. 1 EG verbotene Abstimmungen vorlagen.

293    Dass im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 in Paris zwei Treffen von Konkurrenten mit wettbewerbswidrigem Zweck stattfanden, ist somit erwiesen.

294    Darüber hinaus würde sich an diesem Ergebnis auch dann nichts ändern, wenn davon auszugehen wäre, dass bei diesen Treffen lediglich Informationen ausgetauscht wurden, was nur unzulässig wäre, soweit sie dazu gedient hätten, die Festlegung von Preiserhöhungen oder Verkaufsquoten zu erleichtern sowie die Einhaltung der Vereinbarungen zu überwachen (Randnr. 97 der Entscheidung).

295    Unter Berücksichtigung erstens des Auszugs aus der Erklärung von Sappi, wonach es bei den fraglichen Treffen Versuche zur Erzielung einer Vereinbarung über den Bogenmarkt gab, zweitens der Anhaltspunkte dafür, dass mindestens seit Januar 1992 auf europäischer Ebene im Rahmen der offiziellen Sitzungen der AEMCP Preiserhöhungen vereinbart wurden, und drittens der Tatsache, dass sowohl an dem Treffen im Frühjahr 1992 als auch an dem Treffen im Frühjahr 1993 eine Reihe von Unternehmen teilnahm, die auch bei den genannten offiziellen Sitzungen vertreten waren (namentlich Sappi, AWA und Zanders), war die Kommission nämlich zu der Annahme berechtigt, dass der Zweck des Austauschs geschäftlicher Informationen bei den französischen Treffen zwangsläufig mit einer Vereinbarung über die Erhöhung des Preises für Selbstdurchschreibepapier zusammenhing.

296    In Bezug auf das Treffen am 16. Juli 1992 ist nach den obigen Feststellungen des Gerichts in den Randnrn. 180 bis 184 erwiesen, dass dieses Treffen stattfand und einen wettbewerbswidrigen Zweck hatte.

297    Zum Nachweis dafür, dass das Treffen am 14. Januar 1993 stattfand und einen wettbewerbswidrigen Zweck hatte, stützt sich die Kommission auf die nicht vertraulichen Dokumente Nrn. 15026, 15175 und 15176, 15271 und 15272 sowie 4752, die der MB beigefügt waren.

298    Das Dokument Nr. 15026 enthält u. a. folgende Angaben:

„Der erste Mitarbeiter hat uns mitgeteilt, … er glaube, dass zwei Treffen im Heathrow Business Centre und eines im Hotel Intercontinental in London stattgefunden hätten, könne sich aber nicht erinnern, welche … Der zweite Mitarbeiter hat uns mitgeteilt, … er habe in seinem Terminkalender am … 14. Januar 1993 einen Vermerk über ein Treffen im Heathrow Business Centre am Terminal 2 um 10 Uhr. Ihm falle für seine dortige Anwesenheit kein anderer Grund als ein Treffen mit Konkurrenten ein …“

299    In den Dokumenten Nrn. 15175 und 15176 finden sich folgende Präzisierungen:

„Die Aussage, die … machen konnte, lautet wie folgt. … Wie in den Erklärungen vom 11. November und vom 20. Dezember 1996 dargelegt, nahm er an einem Treffen mit Konkurrenten im Vereinigten Königreich teil, wahrscheinlich am Donnerstag, dem 14. Januar 1993, im Heathrow Business Centre am Terminal 2 um 10 Uhr. Eine Kopie der betreffenden Seite seines Terminkalenders ist als Anlage 5 beigefügt. Er war von [Herrn I.], dem damaligen geschäftsführenden Direktor für Verkauf und Marketing der Sappi (UK) Ltd, um Teilnahme gebeten worden. Bei dem Treffen ging es hauptsächlich um den Austausch von Informationen darüber, welcher Anbieter welche Kunden belieferte, sowie um Markttrends und ‑erwartungen. Es kam keine Vereinbarung zustande. … Die Sitzung wurde von Arjo Wiggins geleitet. Es wurden eher Informationen ausgetauscht, als Vereinbarungen über das künftige Verhalten getroffen.“

300    Die Dokumente Nrn. 15271 und 15272 enthalten folgende Erklärungen:

„Der erste Mitarbeiter sagte: … Bisweilen hätten allerdings informelle Ad-hoc-Treffen von Konkurrenten im Vereinigten Königreich stattgefunden. Der Zweck der Treffen habe eher darin bestanden, Marktinformationen, insbesondere über vergangene Geschäfte, zu erlangen, und die Meinungen der Konkurrenten einzuholen, als darin, Übereinstimmung zu erzielen oder sich abgestimmt zu verhalten, um den Versuch zu unternehmen, eine Preiserhöhung durchzusetzen. Sappi habe teilgenommen, um Informationen zu erlangen; andere könnten die Treffen aber genutzt haben, um Signale auszusenden oder auch zu versuchen, den Markt zu täuschen. Bei den Treffen sei nicht über Marktaufteilung oder die Abwerbung von Kunden gesprochen worden. … Er bestätigte, an drei derartigen Treffen teilgenommen zu haben, je eines in den Jahren 1992, 1993 und 1994. Es sei auch möglich, dass er ein oder zwei weitere Treffen (aber nicht mehr) besucht habe. 1995 oder 1996 habe er an keinem Treffen teilgenommen. Die Durchführung solcher Treffen sei bereits üblich gewesen, als er im Bereich des Verkaufs von Selbstdurchschreibepapier tätig geworden sei. … Die Treffen hätten in der Regel am Flughafen Heathrow oder in einem Londoner Hotel stattgefunden …“

301    Bei dem Dokument Nr. 4752 handelt es sich um einen Auszug aus dem Terminkalender eines Mitarbeiters von Sappi; er enthält unter dem Datum des 14. Januar 1993 folgenden Eintrag: „T2 Heathrow 10 Uhr Bus. Zentrum“.

302    Angesichts der verschiedenen in den obigen Randnrn. 298 bis 301 erwähnten Anhaltspunkte war die Kommission zu der Feststellung berechtigt, dass am 14. Januar 1993 um 10 Uhr morgens am Flughafen Heathrow ein Treffen von Konkurrenten stattfand. Aus dem oben in Randnr. 299 wiedergegebenen Auszug geht zwar hervor, dass die Teilnehmer an diesem Treffen zu keiner Vereinbarung kamen. Abgesehen davon, dass dieser Auszug als Beleg für einen Versuch zur Herbeiführung einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung gesehen werden kann, was aus den oben in Randnr. 291 genannten Gründen zur Unzulässigkeit des fraglichen Treffens führt, bestätigt jedoch der oben in Randnr. 299 wiedergegebene Auszug aus der Erklärung von Sappi, dass das Treffen als Rahmen für den Austausch von Informationen über die jeweiligen Kunden der verschiedenen Teilnehmer diente.

303    Zum Austausch von Informationen ist darauf hinzuweisen, dass er von der Kommission als Zuwiderhandlung angesehen wird, weil er zum Abschluss oder zur Einhaltung einer Preiserhöhungsvereinbarung beigetragen haben soll.

304    Mehrere Indizien bestätigen die These, dass der Zweck des Austauschs von Informationen bei dem Treffen im Vereinigten Königreich mit der Vereinbarung einer Preiserhöhung in Zusammenhang stand. Erstens zeigt der Auszug aus der Erklärung von Sappi, dass bei dem fraglichen Treffen versucht wurde, zu einer Vereinbarung zu kommen. Zweitens gibt es Anhaltspunkte dafür, dass mindestens seit Januar 1992 auf europäischer Ebene im Rahmen der offiziellen Sitzungen der AEMCP Preiserhöhungen vereinbart wurden. Drittens nahm an dem Treffen am 14. Januar 1993 eine Reihe von Unternehmen teil, die auch bei den offiziellen Sitzungen der AEMCP vertreten waren, in deren Rahmen die allgemeinen Kartelltreffen über Preiserhöhungsvereinbarungen stattfanden.

305    Ferner ist hervorzuheben, dass AWA nach den Angaben in Randnr. 183 der Entscheidung in ihrer Erwiderung auf die MB bestätigte, dass das Treffen am 14. Januar 1993 zu den „improper meetings“ von Konkurrenten gehört habe (siehe auch oben, Randnr. 164).

306    In Bezug auf das in Randnr. 163 der Entscheidung erwähnte Treffen am 30. September 1993 in Barcelona hat das Gericht bereits oben in Randnr. 172 entschieden, dass die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass dieses Treffen stattfand und als Rahmen für den Austausch geschäftlicher Informationen über die individuellen Verkäufe in den Jahren 1992 und 1993 sowie für Vereinbarungen über die Zuteilung von Verkaufsquoten für das vierte Quartal 1993 und über eine Preiserhöhung ab 1. Januar 1994 diente. Außerdem bestätigt der Umstand, dass die Teilnehmer an diesem Treffen vom 30. September 1993 erst geschäftliche Informationen über ihre jeweiligen durchschnittlichen Verkäufe austauschten, dann eine Aufteilung von Verkaufsquoten vereinbarten, eine gemeinsame Preiserhöhung beschlossen und vereinbarten, sich erneut zu treffen, um die Einhaltung der Verkaufsquoten zu überprüfen, die These der Kommission, dass bei bestimmten Gelegenheiten Absatzinformationen ausgetauscht und Verkaufsquoten festgelegt worden seien, um den Abschluss von Vereinbarungen über Preiserhöhungen zu erleichtern und ihre Umsetzung zu gewährleisten.

307    Die Kommission hat daher in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen, dass kollusive Treffen in Bezug auf den spanischen Markt am 17. Februar, 5. März und 16. Juli 1992 sowie am 30. September 1993, in Bezug auf den französischen Markt im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 sowie in Bezug auf die Märkte des Vereinigten Königreichs und Irlands am 14. Januar 1993 stattfanden. Diese kollusiven Treffen auf nationaler oder regionaler Ebene bestätigen im Hinblick auf die in Randnr. 90 der Entscheidung wiedergegebene Erklärung von Mougeot, wonach die Treffen zu dem Zweck durchgeführt worden seien, die allgemeine Anwendung der auf europäischer Ebene beschlossenen Preiserhöhungen zu gewährleisten, die Beschreibung der Zuwiderhandlung durch die Kommission in Randnr. 77 der Entscheidung und insbesondere die Tatsache, dass das Mittel zur Verwirklichung des Ziels des Kartells in der Abhaltung von Treffen auf verschiedenen Ebenen (allgemein, national oder regional) bestand.

308    Hinsichtlich des Beginns der Zuwiderhandlung war die Kommission folglich zu der Feststellung berechtigt, dass es zur Zeit der offiziellen Sitzung der AEMCP am 23. Januar 1992 kollusive Kontakte in Spanien gab, die den gleichen Zweck wie die allgemeinen Kartelltreffen hatten, die bis September 1993 im Rahmen der offiziellen AEMCP-Sitzungen stattfanden. Aus dieser Feststellung – zu der das Eingeständnis mehrerer Unternehmen, ab Januar 1992 an einem europaweiten Kartell beteiligt gewesen zu sein, sowie die Angaben von AWA zu ihrer Teilnahme, ab Januar 1992, an „unzulässigen“ Treffen in Bezug auf verschiedene nationale oder regionale Märkte, bei denen Absichtserklärungen über die Ankündigung von Preiserhöhungen ausgetauscht worden seien (Dokument Nr. 7828), hinzukommen – zieht das Gericht den Schluss, dass die Kommission die offizielle AEMCP-Sitzung am 23. Januar 1992 zu Recht als Rahmen für ein allgemeines Kartelltreffen angesehen und für die daran beteiligten Unternehmen den Beginn der Zuwiderhandlung auf Januar 1992 festgesetzt hat.

309    Wie oben in Randnr. 272 ausgeführt, zeigen nach Randnr. 113 der Entscheidung die im Besitz der Kommission befindlichen Unterlagen, dass es zwischen Januar 1992 und dem Treffen am 14. September 1993 acht AEMCP-Sitzungen gab, deren genaue Daten in Tabelle A in Anhang I der Entscheidung aufgeführt sind und die alle in Zürich stattfanden. Angesichts dieser von den Klägerinnen nicht bestrittenen Angabe und der Eingeständnisse von Sappi und AWA sowie der in Randnr. 108 der Entscheidung wiedergegebenen Erklärung von Mougeot, aus der hervorgeht, dass bis September 1993 die allgemeinen Kartelltreffen im Rahmen offizieller AEMCP-Sitzungen stattfanden, und die für die Zeit von Februar 1993 bis September 1993 durch die Angaben eines Mitarbeiters von Sappi bestätigt wird (siehe oben, Randnr. 269), war die Kommission zu der Feststellung berechtigt, dass es zwischen Januar 1992 und September 1993 ein kontinuierliches europaweites Preiskartell gab, auch wenn nur einige der genannten offiziellen Sitzungen als Rahmen für kollusive Preisabsprachen auf europäischer Ebene dienten.

310    Die Feststellungen der Kommission, dass von Januar 1992 bis September 1993 kollusive Preisabsprachen auf europäischer Ebene im Rahmen offizieller AEMCP-Sitzungen getroffen worden seien, an die sich eine Reihe nationaler oder regionaler Treffen zur Gewährleistung ihrer Umsetzung auf den einzelnen Märkten angeschlossen hätten, sind daher als hinreichend erwiesen anzusehen.

311    Zu prüfen ist noch, ob die Kommission für die Zeit vor September oder Oktober 1993 ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass sich die fünf Klägerinnen an einem umfassenden wettbewerbswidrigen Plan beteiligten, dessen Hauptziel darin bestand, bei Treffen auf verschiedenen Ebenen Preiserhöhungen sowie die Daten für ihr Inkrafttreten zu vereinbaren.

–       Teilnahme der Klägerinnen an Treffen vor September oder Oktober 1993

312    Zunächst ist daran zu erinnern, dass es ein ausreichender Beleg für die Teilnahme eines Unternehmens an einem Kartell ist, wenn die Kommission nachweist, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen. Ist dieses System von Treffen Teil einer Reihe von Bemühungen der fraglichen Unternehmen, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die normale Preisentwicklung auf dem betreffenden Markt zu verfälschen, so wäre es gekünstelt, dieses durch eine einzige Zielsetzung gekennzeichnete Verhalten zu zerlegen und darin mehrere gesonderte Zuwiderhandlungen zu sehen (vgl. die oben in den Randnrn. 188 und 196 angeführte Rechtsprechung).

313    Weder Koehler noch Torraspapel bestreiten die Angaben in Tabelle B in Anhang I der Entscheidung, wonach beide an allen offiziellen Sitzungen der AEMCP in der Zeit von Januar 1992 bis September 1993 teilnahmen. Dies genügt für die Feststellung, dass die Kommission ihnen zu Recht eine kontinuierliche Beteiligung an Preisabsprachen und damit an der in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung in der Zeit von Januar 1992 bis September 1993 zur Last gelegt hat, auch wenn nur einige der genannten Sitzungen als Rahmen für kollusive Preisabsprachen dienten.

314    MHTP bestreitet nicht die Angaben in der oben genannten Tabelle, wonach Unternehmen der Stora-Gruppe an den verschiedenen offiziellen Sitzungen der AEMCP in der Zeit von Januar 1992 bis September 1993 teilnahmen. Da sie sich auch nicht gegen die Erwägungen der Kommission in den Randnrn. 360 bis 362 der Entscheidung wendet, wonach sie für das rechtswidrige Verhalten der Unternehmen der Stora-Gruppe haftbar zu machen ist, hat ihr die Kommission zu Recht die Beteiligung an Preisabsprachen und damit an der in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung in der Zeit von Januar 1992 bis September 1993 zur Last gelegt.

315    Zudem stellt MHTP nicht ihre Haftung für die Zuwiderhandlung ab Januar 1993 in Abrede. Durch das – mit einer Herabsetzung ihrer Geldbuße um 10 % belohnte (Randnrn. 456 und 458 der Entscheidung) – Nichtbestreiten des Sachverhalts, auf dem die Feststellung der Zuwiderhandlung für die Zeit von Januar 1993 bis Mitte 1995 beruht, räumt MHTP ein, dass von Januar 1993 bis September oder Oktober 1993 kollusive Treffen auf europäischer Ebene stattfanden. In der mündlichen Verhandlung hat sie im Übrigen erklärt, es sei völlig plausibel, dass es zu dieser Zeit Kartelltreffen auf europäischer Ebene gegeben habe. Sie hat dort ferner anerkannt, dass es – wenn man die Erklärung von Mougeot beim Wort nehme – völlig glaubhaft sei, dass die AEMCP-Sitzung zur damaligen Zeit das Forum des Kartells dargestellt habe. Weder MHTP noch die übrigen Unternehmen, die den kollusiven Charakter der AEMCP-Sitzungen vor ihrer Umstrukturierung im September oder Oktober 1993 bestreiten, haben aber Anhaltspunkte dafür geliefert, dass sich die Ausgestaltung oder Struktur der AEMCP im Januar 1993 änderte. MHTP hat im Übrigen keine andere als die von der Kommission gegebene Erklärung zu Ort und Inhalt der kollusiven Treffen des europaweiten Kartells vor der Umstrukturierung der AEMCP im September/Oktober 1993 vorgebracht.

316    Bolloré bestreitet nicht die Angaben in Tabelle B in Anhang I der Entscheidung, wonach Copigraph an der offiziellen Sitzung der AEMCP am 23. Januar 1992 und dann an vier der sieben späteren Sitzungen vor dem 14. September 1993 teilnahm. Die Angabe zur Anwesenheit von Copigraph bei der offiziellen Sitzung der AEMCP am 23. Januar 1992 lässt den Schluss zu, dass Copigraph zu diesem Zeitpunkt an einer kollusiven Preisabsprache auf europäischer Ebene teilnahm.

317    Auch wenn nicht sicher ist, dass alle offiziellen Sitzungen der AEMCP in der Zeit von Januar 1992 bis September 1993 als Rahmen für den Abschluss einer kollusiven Preisabsprache dienten, lässt die Feststellung, dass Copigraph an fünf der acht offiziellen Sitzungen teilnahm, den Schluss zu, dass dieses Unternehmen von Januar 1992 bis September 1993 fortgesetzt an kollusiven Preisabsprachen auf europäischer Ebene teilnahm. Copigraph hat sich nämlich nicht offen von den Sitzungen distanziert, an denen sie teilnahm (vgl. die oben in den Randnrn. 188 und 196 angeführte Rechtsprechung).

318    Schließlich steht in Bezug auf Mougeot fest, dass sie nicht an der Sitzung am 23. Januar 1992 teilnahm und dass die erste AEMCP-Sitzung, an der sie teilnahm, am 26. Mai 1992 stattfand. Anschließend nahm sie an allen AEMCP-Sitzungen bis September 1993 teil, also an sechs der acht Sitzungen vor dem 14. September 1993. Ebenso wenig wie Copigraph hat sich Mougeot offen von den Sitzungen distanziert, an denen sie teilnahm (vgl. die oben in den Randnrn. 188 und 196 angeführte Rechtsprechung). Auch wenn sie nur als Beobachterin daran teilnahm, hat sie nicht dargetan, dass sie ihre Konkurrenten darauf hingewiesen hätte, dass sie dabei eine andere Zielsetzung als diese verfolgte (vgl. in diesem Sinne Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 188 angeführt, Randnr. 81). Aus keinem der von Mougeot vorgelegten Schriftstücke ergibt sich, dass sie in der AEMCP Akzeptanzprobleme gehabt hätte oder marginalisiert worden wäre. Im Protokoll der AEMCP-Sitzung am 26. Mai 1992 heißt es vielmehr, bei der vorhergehenden Sitzung sei beschlossen worden, Mougeot zum Beitritt zur AEMCP aufzufordern. Außerdem ersuchte der Vorsitzende der AEMCP den Vertreter von Mougeot bei dieser Sitzung, sein Unternehmen als Neuankömmling und nicht als bloßen Gast vorzustellen. In den Protokollen der AEMCP-Sitzungen am 10. September und am 25. November 1992 ist der Vertreter von Mougeot unter den Teilnehmern aufgeführt, ohne dass zwischen diesem und den anderen Unternehmen ein Unterschied gemacht würde. Im Protokoll der Sitzung am 25. November 1992 heißt es, der Vertreter von Mougeot habe die Teilnehmer davon unterrichtet, dass sein Unternehmen in der Lage sein müsste, seine Zahlen für das zweite Halbjahr 1992 im Dezember zu denen der Vereinigung hinzuzufügen. Auch wenn Mougeot erst ab 1993 Mitglied der AEMCP war, belegt die Tatsache, dass sie schon seit Mai 1992 in gleicher Weise wie die übrigen Mitglieder an den kollusiven Treffen der AEMCP teilnahm und Informationen über das zweite Halbjahr 1992 lieferte, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ihre Kartellteilnahme bereits ab 26. Mai 1992.

319    Diese Feststellungen zur Beteiligung der betreffenden Klägerinnen am Kartell auf europäischer Ebene vor September oder Oktober 1993 genügen, um ihnen die Zuwiderhandlung für diesen Zeitraum zuzurechnen.

320    Darüber hinaus untermauern Indizien für die Beteiligung mehrerer dieser Unternehmen an Treffen auf nationaler oder regionaler Ebene die Kontinuität ihrer Teilnahme an der Zuwiderhandlung.

321    So stellt die Kommission fest, dass Koehler und Torraspapel an dem Treffen am 17. Februar 1992 teilnahmen. Sie stützt sich dabei auf den internen Vermerk von Sappi gleichen Datums (Dokument Nr. 4588), in dem von einer Zusammenkunft der „Betroffenen“ die Rede ist. Aufgrund dieser Angabe in Verbindung mit den Ausführungen in dem fraglichen Vermerk zu den durch das Verhalten von Koehler und Sarrió auf dem spanischen Markt entstandenen Ungewissheiten war die Kommission zu der Feststellung berechtigt, dass Koehler und Sarrió zu den „Betroffenen“ gehörten, die an diesem Treffen teilnahmen, das zur Prüfung der Probleme aufgrund der Nichteinhaltung der fraglichen Vereinbarung durch beide Unternehmen diente, die dieser – wie sich aus dem Vermerk vom 9. März 1992 (Dokumente Nrn. 4703 und 4704, oben in Randnr. 171 angesprochen) ergibt – als Vertriebshändler oder Lieferant von Selbstdurchschreibepapier auf dem spanischen Markt beigetreten waren.

322    Da Torraspapel weder die Angabe in Randnr. 363 der Entscheidung widerlegt, wonach Sarrió ihre 100%ige Tochtergesellschaft war und weiterhin ist, noch die Behauptung der Kommission in dieser Randnummer, dass Torraspapel im Verwaltungsverfahren ihre Verantwortlichkeit für das Verhalten von Sarrió nicht abgestritten habe, war die Kommission berechtigt, ihr die Verantwortung für die Teilnahme von Sarrió an dem kollusiven Treffen am 17. Februar 1992 aufzuerlegen.

323    In Bezug auf das Treffen am 5. März 1992 geht aus den Fn. 7 und 10 des Anhangs II der Entscheidung hervor, dass die Kommission ihre Feststellung, wonach Koehler und Torraspapel an diesem Treffen teilnahmen, auf den in Randnr. 156 der Entscheidung angesprochenen internen Vermerk von Sappi vom 9. März 1992 (Dokumente Nrn. 4703 und 4704, oben in Randnr. 171 angeführt) stützt. Dieser Vermerk lässt zwar die Annahme zu, dass sich beide Unternehmen an einer Vereinbarung über eine Preiserhöhung auf dem spanischen Markt um 10 ESP pro Kilo Anfang Februar 1992 beteiligten, enthält jedoch keine Angabe, aus der hervorginge, dass sie am 5. März 1992 an einem kollusiven Treffen teilnahmen.

324    Dagegen ergibt sich aus der Antwort von AWA vom 30. April 1999 auf ein Auskunftsverlangen der Kommission (Dokument Nr. 7828, oben in Randnr. 163 angeführt), dass Vertreter von Sarrió (Torraspapel), Koehler und Stora (MHTP) an den „improper meetings“ teilnahmen, zu denen das Treffen am 5. März 1992 gehörte, wie AWA in ihrer Erwiderung auf die MB bestätigt hat (Randnr. 170 der Entscheidung).

325    Die Kommission stellt im Übrigen fest, dass die fraglichen fünf Klägerinnen an den beiden Treffen in Bezug auf den französischen Markt teilnahmen.

326    Die oben in den Randnrn. 276 bis 279 und 285 bis 293 behandelten Erklärungen von Sappi lassen in Verbindung mit der Angabe von AWA im Dokument Nr. 7828, wonach Vertreter dieses Unternehmens zwischen 1992 und 1995 an „improper meetings“ u. a. in Paris neben Vertretern von Sarrió teilnahmen, den Schluss zu, dass die Kommission zu Recht die Beteiligung von Sarrió (Torraspapel) an den beiden fraglichen Treffen festgestellt hat. Der von dem Mitarbeiter von Sappi geäußerte Zweifel (Dokument Nr. 15027, der MB als Anlage 1 beigefügt) daran, ob der an diesen Treffen teilnehmende Vertreter von Sarrió deren Verkaufsagent in Frankreich war, ändert nichts daran, dass er – im Gegensatz zu der vorsichtigen Formulierung, die er in Bezug auf die Anwesenheit eines Vertreters von Koehler bei den Treffen wählt – keinen Vorbehalt hinsichtlich der Teilnahme von Sarrió äußert.

327    In Bezug auf Stora (MHTP) stützt die Angabe in der oben in Randnr. 287 angeführten Erklärung, dass Feldmühle bei dem Treffen im Frühjahr 1992 vertreten war, in Verbindung mit der Angabe von AWA im Dokument Nr. 7828 zur Teilnahme von Vertretern dieses Unternehmens an „improper meetings“ u. a. in Paris zwischen 1992 und 1995 neben Vertretern von Stora-Feldmühle die These der Kommission, dass Stora-Feldmühle an dem Treffen im Frühjahr 1992 teilnahm, so dass MHTP die Verantwortung für diese Beteiligung auferlegt werden kann.

328    In ihren Schriftsätzen führt MHTP aus, der Mitarbeiter von Sappi, von dem die in der vorstehenden Randnummer erwähnte Angabe stamme, erkläre auch, dass Stora-Feldmühle nicht an dem Treffen im Frühjahr 1993 in Paris teilgenommen habe, während die Kommission behaupte, Beweise für die Teilnahme dieses Unternehmens an dem genannten Treffen zu haben. Unter diesen Umständen sei es nicht ausgeschlossen, dass sich der Mitarbeiter von Sappi bei der Nennung des französischen Treffens, an dem Stora-Feldmühle teilgenommen haben solle, geirrt habe. Die Bestimmtheit der Angabe des Mitarbeiters von Sappi zur Anwesenheit von Stora-Feldmühle bei dem ersten der beiden in seiner Aussage beschriebenen französischen Treffen nimmt der Hypothese von MHTP jedoch jede Überzeugungskraft.

329    Was das Treffen im Frühjahr 1993 angeht, so bestreitet MHTP nicht, ab Januar 1993 an der Zuwiderhandlung teilgenommen zu haben, und erhebt keine Einwände gegen die Feststellungen der Kommission zum Treffen im Frühjahr 1993 in Paris und zu ihrer Teilnahme daran. Unter diesen Umständen braucht die Stichhaltigkeit der Feststellung der Kommission zur Teilnahme von Stora-Feldmühle an dem Treffen im Frühjahr 1993 in Paris nicht geprüft zu werden.

330    Was Mougeot und Copigraph (Tochtergesellschaft von Bolloré) anbelangt, so erwähnt der Mitarbeiter von Sappi ihre Anwesenheit bei diesen beiden Treffen nicht. Die allgemeine Angabe in der Erklärung von AWA im Dokument Nr. 7828, dass von 1992 bis 1995 „improper meetings“ von Vertretern von AWA, Sarrió, Mougeot, Stora-Feldmühle, Copigraph, Koehler und Zanders in Paris, Zürich und Genf stattgefunden hätten, stellt jedoch ein Indiz für die Beteiligung von Mougeot und Copigraph an den Treffen im Frühjahr 1992 und im Frühjahr 1993 in Frankreich dar.

331    Dieses Indiz kann zwar für sich genommen ihre Beteiligung an den beiden Treffen nicht belegen. Da Mougeot und Copigraph jedoch zwei Hauptakteure auf dem französischen Markt für Selbstdurchschreibepapier sind, bedeutet ihre Erwähnung in den allgemeinen Angaben von AWA über Treffen von Konkurrenten zwischen 1992 und 1995, u. a. in Paris, zwangsläufig, dass sie zumindest vom europäischen Marktführer als Teilnehmer an den rechtswidrigen Handlungen auf dem französischen Markt während dieses gesamten Zeitraums angesehen wurden, unabhängig von ihrer An- oder Abwesenheit bei den beiden genannten Treffen. Dieses Indiz für die Teilnahme am Kartell auf dem französischen Markt im genannten Zeitraum wird durch die Erklärungen von Mougeot bestätigt, wonach sie „von dem einen oder anderen Hersteller, meist von AWA, angerufen und über die Einzelheiten der für die verschiedenen Märkte vorgesehenen Preiserhöhungen informiert [wurde]“, und zwar im Wesentlichen „bis Mitte 1995“ (Dokument Nr. 11598, Randnr. 95 der Entscheidung und Randnr. 41 der MB).

332    Zum Treffen am 16. Juli 1992 hat Herr B. G. ausgeführt (vgl. Dokument Nr. 4484, oben in Randnr. 180 angeführt), an ihm hätten Sarrió (Torraspapel), AWA (Herr F. und Herr B.) und Koehler (Herr F.) teilgenommen. Diese Angabe, die durch die allgemeinen Angaben von AWA im Dokument Nr. 7828, dass sie zwischen 1992 und 1994 neben Vertretern u. a. von Sarrió (Torraspapel) und Koehler an „improper meetings“ in Barcelona teilgenommen habe, bestätigt wird, belegt die Teilnahme dieser beiden Unternehmen an dem kollusiven Treffen am 16. Juli 1992 in Bezug auf den spanischen und den portugiesischen Markt.

333    Um die Teilnahme von Stora (MHTP) an dem Treffen am 16. Juli 1992 nachzuweisen, stützt sich die Kommission auf die Erklärungen von AWA (Dokument Nr. 7828), wonach sie zwischen 1992 und 1994 neben Vertretern von Sarrió, Unipapel, Koehler, Ekman und Stora-Feldmühle oder einiger dieser Unternehmen an mehreren Treffen in Lissabon und Barcelona teilgenommen habe.

334    Herr B. G. nennt in seinen detaillierten Erklärungen zum Treffen am 16. Juli 1992 Stora nicht als Teilnehmer. In diesem Zusammenhang könnten die allgemeinen Angaben von AWA als unzureichender Nachweis für die Teilnahme von Stora (MHTP) an dem Treffen am 16. Juli 1992 erscheinen.

335    Wie die Kommission jedoch in ihren Schriftsätzen in der Rechtssache T‑122/02 ausführt, geht aus den Erklärungen von Herrn B. G. hervor, dass das Treffen am 16. Juli 1992 offensichtlich deshalb stattfand, weil Sarrió und Stora-Feldmühle in Portugal sehr niedrige Preise verlangten, die unter den Papierkosten lagen. Wie die Kommission zutreffend hervorhebt, kann diese Bezugnahme auf die u. a. von Stora-Feldmühle verfolgte Niedrigpreispolitik dahin verstanden werden, dass sich dieses Unternehmen nicht an die aufgrund einer Marktvereinbarung zu wahrende Preisdisziplin hielt. Mit anderen Worten kann eine solche Angabe in Verbindung mit den Ausführungen von AWA im Dokument Nr. 7828 als Nachweis dafür angesehen werden, dass Stora-Feldmühle ungeachtet dessen, dass sie nicht an dem Treffen am 16. Juli 1992 teilnahm, zu dieser Zeit an einer Absprache über die Preise auf dem iberischen Markt beteiligt war.

336    Die Kommission stellt die Teilnahme von Stora (MHTP) und Koehler an dem Treffen am 14. Januar 1993 fest. MHTP bestreitet nicht, dass sie ab Anfang Januar 1993 an der Zuwiderhandlung teilnahm. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, die Stichhaltigkeit der Feststellung der Kommission zur Teilnahme dieses Unternehmens an dem Treffen am 14. Januar 1993 zu prüfen.

337    Zur Teilnahme von Koehler an diesem Treffen geht aus dem Auszug aus der Erklärung von Sappi im Dokument Nr. 15026 hervor, dass nach den Angaben des ersten Mitarbeiters, dessen Aussage Gegenstand dieser Erklärung ist, „[Herr D.] (Koehler)“ bei allen oder einigen der Treffen anwesend war, die im Vereinigten Königreich am Flughafen Heathrow oder in einem Londoner Hotel stattfanden. Der zweite Mitarbeiter, dessen Aussage ebenfalls Gegenstand der fraglichen Erklärung ist, gibt an, er glaube, dass „[Herr D.] (Koehler)“ an dem Treffen am 14. Januar 1993 teilgenommen habe. Auch die Dokumente Nrn. 15176 und 15178, bei denen es sich um eine weitere Erklärung von Sappi handelt, enthalten die obige Angabe sowie folgenden Zusatz: „Neben den Namen von Konkurrenten, die der Kommission im Dezember 1996 mitgeteilt wurden, konnte [der betreffende Mitarbeiter] als maßgebende Teilnehmer … [Herrn K.] von Koehler … ermitteln.“ Schließlich hat AWA erklärt (Dokument Nr. 7828), ihre Vertreter im Vereinigten Königreich hätten zwischen 1992 und 1994 an „improper meetings“ u. a. mit Vertretern von Koehler teilgenommen.

338    Angesichts dieses Bündels von Indizien war die Kommission zu der Feststellung berechtigt, dass Koehler bei dem Treffen am 14. Januar 1993 vertreten war.

339    Zur Teilnahme von Copigraph, Koehler, Stora-Feldmühle und Torraspapel an dem Treffen am 30. September 1993 geht aus den Fn. 40, 42, 44 und 45 des Anhangs II der Entscheidung hervor, dass die Kommission ihre Feststellungen auf die Dokumente Nrn. 5 und 7828 stützt. Die Angabe über die „deklarierten“ Verkaufsmengen in den „Aktenvermerken“ (notes for file) von Sappi zu diesem Treffen sowie die Angaben in diesen Vermerken über die Zuteilung ganz genauer Verkaufsquoten für das vierte Quartal 1993 (siehe oben, Randnr. 172) stellen starke Indizien dafür dar, dass an dem fraglichen Treffen die verschiedenen in Punkt 1 dieser Vermerke genannten Unternehmen teilnahmen, d. h. Copigraph, Stora-Feldmühle, Koehler und Sarrió.

340    Außerdem werden diese starken Indizien in Bezug auf Sarrió, Koehler und Stora-Feldmühle durch die allgemeinen Angaben in der Erklärung von AWA im Dokument Nr. 7828 bestätigt, wonach Verantwortliche von AWA in Spanien zwischen 1992 und 1994 an mehreren „improper meetings“, u. a. in Barcelona, teilnahmen, bei denen, wie AWA glaubt, auch Vertreter von Sarrió, Koehler und ihres Agenten Ekman sowie Stora-Feldmühle anwesend waren.

341    Zu Koehler ist noch festzustellen, dass die Kommission nach den Angaben in Fn. 186 der Entscheidung über eine Reisekostenabrechnung, ein Flugticket und eine Hotelrechnung von Herrn F. (Koehler) verfügt, die belegen, dass er sich am 30. September 1993 in Barcelona befand. Auf Ersuchen des Gerichts hat die Kommission diese Schriftstücke in der Rechtssache T‑125/02 vorgelegt.

342    Selbst wenn man unterstellt, dass einige der betreffenden Klägerinnen tatsächlich nicht an dem Treffen am 30. September 1993 teilnahmen, sind im Übrigen die Angaben, wonach ihnen im Hinblick auf ihren für 1992 und 1993 deklarierten Absatz Verkaufsquoten für das letzte Quartal des Jahres 1993 zugeteilt wurden, ein Beweis dafür, dass sie zu dieser Zeit dem Kartell in Bezug auf den spanischen Markt angehörten, in dessen Rahmen die durch die „Aktenvermerke“ von Sappi bestätigten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen stattfanden.

343    Schließlich geht, worauf Koehler in ihren Schriftsätzen zutreffend hinweist, aus Anhang II der Entscheidung hervor, dass die Kommission die Teilnahme dieses Unternehmen an dem genannten Treffen daraus ableitet, dass Ekman bei dem Treffen zugegen war. Diese Feststellung der Kommission scheint auf dem Auszug aus der Erklärung von AWA im Dokument Nr. 7828 zu beruhen, wonach zu den Teilnehmern an den spanischen Treffen, die AWA zwischen 1992 und 1994 besuchte, „Ekman (Agent von Koehler)“ gehörte.

344    In ihren Schriftsätzen macht Koehler geltend, Ekman sei ein unabhängiger Vertriebshändler, so dass es nicht zulässig sei, Ekman und sie als wirtschaftliche Einheit anzusehen und ihr deshalb das Verhalten von Ekman zuzurechnen. Aus der in der vorstehenden Randnummer erwähnten Erklärung von AWA ergibt sich jedoch, dass Ekman von den übrigen Teilnehmern an dem Treffen als Agent von Koehler angesehen wurde und nicht als unabhängiger Vertriebshändler. Darüber hinaus ist in den „Aktenvermerken“ von Sappi zum Treffen am 30. September 1993 (Dokument Nr. 5, oben in Randnr. 172 angeführt) von den „deklarierten Verkäufen“ von „Koehler“ die Rede. Dies zeigt, dass Ekman bei diesem Treffen von einem Mitarbeiter von Koehler begleitet wurde – worauf auch die oben genannte Erklärung von AWA in Verbindung mit den Belegen für die Anwesenheit von Herrn F. (Koehler) in Barcelona am 30. September 1993 hindeutet – oder dass Ekman an dem Treffen als Vertreter von Koehler teilnahm und nach deren Weisungen handelte, wie es auch der Wahrnehmung von AWA entsprach. In beiden Fällen war die Kommission berechtigt, die Teilnahme von Koehler an dem Treffen am 30. September 1993 festzustellen.

345    Im Ergebnis hat die Kommission in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen, dass Bolloré (über Copigraph), Koehler, Mougeot und Torraspapel vor September oder Oktober 1993 und MHTP vor Januar 1993 an der Zuwiderhandlung teilnahmen.

b)     Zur Teilnahme von Mougeot an der Zuwiderhandlung nach dem 1. Juli 1995

346    Im Rahmen eines auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler gestützten Klagegrundes trägt Mougeot vor, es sei nicht erwiesen, dass sie nach dem 1. Juli 1995 am Kartell teilgenommen habe. Sie bestreitet ihre Teilnahme an der in Randnr. 273 der Entscheidung erwähnten inoffiziellen AEMCP-Sitzung am 2. Februar 1995. Ferner macht sie geltend, die von der Kommission herangezogenen Anhaltspunkte bewiesen nicht, dass sie der angeblich bei diesem Treffen vereinbarten Preiserhöhung zugestimmt habe. Sie fügt hinzu, die Behauptung der Kommission in Randnr. 273 der Entscheidung, dass sie Preiserhöhungen auf dem italienischen Markt im September 1995 zugestimmt habe, werde durch keinen in der Entscheidung erwähnten Anhaltspunkt untermauert.

347    Die Kommission stellt fest, dass Mougeot bis September 1995 an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe. Aus den Randnrn. 126, 237, 250, 251 und 273 der Entscheidung geht hervor, dass diese Feststellung zum einen auf der Prüfung des volumenmäßigen Bedarfs von Mougeot bei dem allgemeinen Kartelltreffen am 2. Februar 1995 und zum anderen auf ihrer Zustimmung zu den bei diesem Treffen geschlossenen Vereinbarungen beruht.

348    Erstens ist zur Durchführung und zum kollusiven Gegenstand dieses Treffens zu sagen, dass die Kommission dessen Protokoll vorgelegt hat (Dokument Nr. 7, der MB beigefügt, und Randnrn. 144 bis 146 der MB). Ihm ist zu entnehmen, dass am 2. Februar 1995 in Frankfurt ein allgemeines Kartelltreffen stattfand, bei dem eine Reihe von Preiserhöhungen auf verschiedenen Märkten des EWR (Frankreich, Deutschland, Österreich, Spanien, Portugal, Vereinigtes Königreich, Italien, Finnland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Griechenland, Belgien, Niederlande und Island) in Bezug auf Rollen und Bögen sowie die Termine für das Inkrafttreten dieser verschiedenen Preiserhöhungen vereinbart wurden. Diese Termine erstreckten sich vom 1. Februar 1995 (Erhöhung des Rollenpreises um 10 % und des Bogenpreises um 5 % auf dem spanischen Markt) bis zum 1. September 1995 (Erhöhung des Rollenpreises um 8 % und des Bogenpreises um 5 % auf dem Markt des Vereinigten Königreichs; Erhöhung des Rollen- und des Bogenpreises um 10 % auf dem italienischen Markt).

349    Zweitens ist zur Teilnahme von Mougeot an diesem Treffen festzustellen, dass sich auf dessen Teilnehmerliste, die Bestandteil des genannten Protokolls ist und in Randnr. 124 der Entscheidung teilweise wiedergegeben wird, Herr P. B. (Mougeot) befindet. Er ist auch in den Erklärungen von Sappi vom 18. Mai 1999 (Dokument Nr. 15200 in seiner nicht vertraulichen Fassung, oben in Randnr. 162 angeführt) als Teilnehmer an dem Treffen aufgeführt.

350    Mougeot hat jedoch eine um 15.30 Uhr ausgestellte Bordkarte von Herrn P. B. vorgelegt, die bestätigen soll, dass ihr Vertreter Frankfurt unmittelbar nach der offiziellen AEMCP-Sitzung, die am selben Tag dort stattfand, verließ.

351    Insoweit geht aus Randnr. 123 der Entscheidung hervor, dass – wie auch die Kommission ausführt – dies nicht ausschließt, dass der Vertreter am Beginn des Treffens, das um 14 Uhr am Flughafen stattfand, teilnahm.

352    Selbst wenn Mougeot nicht an diesem allgemeinen Kartelltreffen am 2. Februar 1995 teilgenommen haben sollte, belegen jedoch zahlreiche Anhaltspunkte in ihrer Gesamtheit, dass sie sich den gefassten Beschlüssen anschloss und ihnen zustimmte.

353    Erstens bestätigt die Nennung des Vertreters von Mougeot auf der Liste der Teilnehmer an diesem Treffen, selbst wenn es sich um einen Irrtum handeln sollte, gleichwohl, dass Mougeot als Teilnehmer daran oder als Mitglied der beschränkten Gruppe der Kartellteilnehmer angesehen wurde.

354    Zweitens wurde bei diesem Treffen nach dessen Protokoll der volumenmäßige Bedarf von Mougeot erörtert. Im Protokoll heißt es nämlich: „Mougeot braucht einen Marktanteil. AWA wird vorschlagen, eine bestimmte Tonnage abzugeben.“ Die Prüfung des Bedarfs von Mougeot bei einem allgemeinen Treffen und die vorgeschlagene Lösung deuten darauf hin, dass Mougeot noch am Kartell teilnahm. Sie stützen nicht die These, dass es eine rein bilaterale Erörterung zwischen Mougeot und AWA gab.

355    Drittens hat Mougeot, wie vom Gericht bereits oben in Randnr. 331 ausgeführt, selbst erklärt (Dokument Nr. 11598), sie sei „von dem einen oder anderen Hersteller, meist von AWA, angerufen und über die Einzelheiten der für die verschiedenen Märkte vorgesehenen Preiserhöhungen informiert“ worden, und zwar „bis Mitte 1995“. Im Februar 1995 war dies somit der Fall.

356    Viertens führt Mougeot in einem Telefax vom 2. Februar 1995 (Dokument Nr. 1378, Randnr. 237 der Entscheidung), das am folgenden Tag an einen Vertriebshändler im Vereinigten Königreich, J & H Paper, geschickt wurde, aus: „Der Markt [des Vereinigten Königreichs] wird am 6. März um 8 % heraufgehen, wir machen Ihnen also unser bestes Angebot.“ Dies lässt in Verbindung mit der Angaben im Protokoll des Treffens am 2. Februar 1995 über eine Erhöhung des Rollenpreises auf dem Markt des Vereinigten Königreichs um 8 % ab 1. März 1995 den Schluss zu, dass dieses Unternehmen noch am Tag des Treffens über den dort gefassten Beschluss informiert worden sein muss, die Rollenpreise auf dem Markt des Vereinigten Königreichs Anfang März 1995 um 8 % anzuheben, und diese Preiserhöhung sofort in die dem Vertriebshändler, an den das fragliche Telefax gerichtet war, angebotenen Preise einbezog.

357    Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen zutreffend geltend macht, ist das Vorbringen von Mougeot zurückzuweisen, wonach es sich bei diesem Telefax nicht um die Anwendung einer Preiserhöhungsvereinbarung handele, sondern um eine einseitige, von Mougeot vor dem Treffen am 2. Februar 1995 getroffene Entscheidung.

358    In dem Telefax heißt es zwar einleitend: „Wie ich Ihnen letzte Woche gesagt habe, müssen wir unsere Preise im Anschluss an eine [Preis-]Erhöhung bei Papierbrei im Januar heraufsetzen.“ Wie die Kommission zu Recht ausführt, geht jedoch aus diesem Auszug des Telefaxes hervor, dass sich die Ankündigung von Mougeot gegenüber J & H Paper in der Woche vor Übersendung des Telefaxes lediglich auf das Erfordernis einer Preiserhöhung bezog. Dass Mougeot den genauen Umfang dieser Erhöhung (8 %) erst am 3. Februar 1995 mitteilte, legt die Annahme nahe, dass Mougeot zunächst J & H Paper über eine bevorstehende Erhöhung des Papierpreises informieren wollte und ihr dann deren Umfang auf der Grundlage der Informationen mitteilte, die sie in Bezug auf die bei dem allgemeinen Kartelltreffen für den Markt des Vereinigten Königreichs ab 1. März 1995 vereinbarte Preiserhöhung erhalten hatte. Außerdem ist in dem Telefax von einer Erhöhung der Preise um 8 % ab 6. März 1995 auf dem „UK market“ und nicht nur durch Mougeot die Rede; dies bestätigt den kollusiven Ursprung des Beschlusses, die Preise zu erhöhen.

359    Sechstens schließlich ist festzustellen, dass sich Mougeot keineswegs vom Kartell und damit von den bei dem allgemeinen Kartelltreffen am 2. Februar 1995 gefassten Beschlüssen distanziert hat. Vielmehr bestreitet Mougeot nicht, bis Juli 1995 an dem Kartell teilgenommen zu haben. Sie räumt ein, bei einem Treffen im Frühjahr 1995 zugegen gewesen zu sein, das zur Festsetzung der Preise für Juli diente.

360    Aus all diesen Gesichtspunkten geht hervor, dass die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten hat, dass Mougeot den bei dem allgemeinen Kartelltreffen am 2. Februar 1995 getroffenen Vereinbarungen einschließlich des Beschlusses, die Preise im Vereinigten Königreich und in Italien zu erhöhen, zugestimmt hatte. Hinzuzufügen ist, dass die Frage, ob Mougeot diese Preiserhöhungen vorgenommen hat, keine Auswirkungen auf die Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung haben kann. Der Umstand, dass ein Unternehmen die Ergebnisse einer Sitzung mit wettbewerbswidrigem Gegenstand nicht umsetzt, kann es nämlich nicht von seiner Verantwortung für die Teilnahme an einem Kartell entlasten, sofern es sich nicht offen von dessen Inhalt distanziert hat (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 50, und Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 188 angeführt, Randnr. 85).

361    In Einklang mit der oben in Randnr. 186 angeführten ständigen Rechtsprechung, nach der Art. 81 EG auch für Vereinbarungen gilt, deren Wirkungen über ihre formelle Beendigung hinaus fortdauern, hat die Kommission daher ordnungsgemäß nachgewiesen, dass Mougeot bis September 1995, als die letzte bei dem Treffen am 2. Februar 1995 vorgesehene Preiserhöhung vorgenommen wurde, am Kartell teilnahm.

362    Folglich ist der von Mougeot auf ihre Nichtteilnahme am Kartell nach dem 1. Juli 1995 gestützte Klagegrund zurückzuweisen.

2.     Zu dem von Divipa geltend gemachten Klagegrund

363    Im Rahmen von Klagegründen, die auf eine falsche Anwendung von Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen sowie auf einen Beurteilungsfehler gestützt werden, macht Divipa geltend, die Kommission habe ihr zu Unrecht eine Geldbuße für die Zeit von März 1992 bis Januar 1995 auferlegt. Sie habe an keinem der Treffen teilgenommen, die sie nach Ansicht der Kommission zwischen März 1992 und Oktober 1994 besucht haben solle. Die Preise, die sie im Januar 1995 angewandt habe, stimmten nicht mit den bei dem Treffen am 19. Oktober 1994 vereinbarten Preisen überein, so dass die Annahme, sie habe dem Kartell über dieses Treffen hinaus angehört, nicht zulässig sei.

364    Insoweit geht aus der obigen Randnr. 185 hervor, dass es für die Feststellungen der Kommission zu einem kollusiven Treffen am 23. September 1994 in Bezug auf den spanischen Markt – wie auch zur Teilnahme von Divipa daran – keinen Beweis gibt. Dagegen sind nach der oben in den Randnrn. 170 bis 195 vorgenommenen Prüfung die Feststellungen der Kommission zur Teilnahme von Divipa an den kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt, die am 30. September und am 19. Oktober 1993 sowie am 3. Mai, am 29. Juni und am 19. Oktober 1994 stattfanden, als erwiesen anzusehen.

365    Auch wenn die Teilnahme von Divipa an dem kollusiven Treffen am 5. März 1992 nicht unmittelbar erwiesen ist, ergibt sich aus einem Bündel übereinstimmender Indizien (vgl. insbesondere die obigen Randnrn. 170 bis 195 und 205 bis 215), dass Divipa seit März 1992 dem Kartell angehörte, so dass die Kommission berechtigt war, Divipa ab diesem Zeitpunkt die Beteiligung an der Zuwiderhandlung zur Last zu legen.

366    Zum Ende des Zeitraums der Beteiligung von Divipa an der Zuwiderhandlung geht aus den obigen Randnrn. 162 und 177 hervor, dass die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass Divipa am 19. Oktober 1994 an einem Treffen in Bezug auf den spanischen Markt teilnahm, bei dem die ab 3. Januar 1995 anzuwendenden Preise festgelegt wurden. Selbst wenn man die Behauptung von Divipa, dass ihre im Januar 1995 angewandten Preise nicht mit den bei dem Treffen am 19. Oktober 1994 vereinbarten Preisen übereingestimmt hätten, als richtig unterstellt, kann sie unter diesen Umständen allenfalls belegen, dass Divipa im Januar 1995 die am 19. Oktober 1994 getroffene Vereinbarung nicht einhielt; daraus ist in Verbindung mit dem Fehlen von Beweisen für eine Beteiligung von Divipa an einer Absprache nach Januar 1995 zu schließen, dass die Teilnahme von Divipa an der Zuwiderhandlung, wie von der Kommission in der Entscheidung festgestellt, im Januar 1995 endete. Dagegen lässt sie die Feststellung unberührt, dass Divipa bei dem Treffen am 19. Oktober 1994 an einer Vereinbarung zur Festlegung der Preise teilnahm und mit den übrigen Beteiligten überein kamen, diese Vereinbarung ab 3. Januar 1995 anzuwenden; darin kommt zum Ausdruck, dass sie dem Kartell bis zu diesem Zeitpunkt angehörte. Die Kommission war daher zu der Feststellung berechtigt, dass Divipa bis Januar 1995 an der Zuwiderhandlung teilnahm.

367    Es ist davon auszugehen, dass in der Teilnahme von Divipa an kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt ihre Zugehörigkeit zum allgemeinen europaweiten Kartell zum Ausdruck kommt (siehe oben, Randnrn. 205 bis 215) und damit ihre Beteiligung an der in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung.

3.     Zu dem von Zicuñaga geltend gemachten Klagegrund

368    Im Rahmen eines auf Beurteilungsfehler gestützten Klagegrundes trägt Zicuñaga vor, die Behauptungen der Kommission beträfen nur ihre angebliche Beteiligung an Treffen, die zwischen Oktober 1993 und Oktober 1994 stattgefunden hätten. Sie fügt hinzu, es gebe keinen Beweis für ihre Teilnahme an dem Treffen im Oktober 1993, so dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung höchstens fünf Monate gedauert habe.

369    Hierzu geht aus den oben in den Randnrn. 161 bis 201 getroffenen Feststellungen des Gerichts hervor, dass die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass Zicuñaga an den kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt am 19. Oktober 1993 sowie am 3. Mai, am 29. Juni und am 19. Oktober 1994 teilnahm. Es ist davon auszugehen, dass in der Teilnahme von Zicuñaga an diesen verschiedenen Treffen ihre Beteiligung an der in Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung zum Ausdruck kommt.

370    Zum Treffen am 19. Oktober 1994 wird oben in Randnr. 193 ausgeführt, dass Zicuñaga bei diesem Treffen an einer Vereinbarung zur Festlegung der Preise teilnahm und mit den übrigen Beteiligten überein kam, diese Vereinbarung ab 3. Januar 1995 anzuwenden; darin kommt nach der oben in Randnr. 188 angeführten Rechtsprechung zum Ausdruck, dass sie dem Kartell bis zu diesem Zeitpunkt angehörte.

371    Nach dem Vorstehenden war die Kommission berechtigt, in Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung festzustellen, dass sich Zicuñaga in der Zeit von Oktober 1993 bis Januar 1995 an der Zuwiderhandlung beteiligte. Der geprüfte Klagegrund ist folglich zurückzuweisen.

II –  Zu den Klagegründen, die sich auf die Aufhebung oder Herabsetzung der in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung verhängten Geldbußen richten

372    Alle Klägerinnen beantragen die Herabsetzung der verhängten Geldbuße. AWA beantragt in erster Linie, die gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben. Ihre Argumentation besteht im Wesentlichen aus acht Klagegründen oder Gruppen von Klagegründen.

A –  Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes aufgrund der Unvollständigkeit und Ungenauigkeit der MB in Bezug auf die Geldbußen

1.     Vorbringen der Parteien

373    Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen. Erstens trägt AWA vor, die Kommission habe ihre Geldbuße auf der Grundlage einer Reihe von Gesichtspunkten festgesetzt, die in der MB nicht angekündigt worden seien und zu denen sie sich deshalb im Verwaltungsverfahren nicht habe äußern können. Zweitens wirft sie der Kommission vor, gegen sie eine höhere als die nach der bisherigen Entscheidungspraxis üblichen Geldbußen verhängt zu haben. Drittens führt sie aus, die Kommission sei bei der Festsetzung der Geldbuße von den Leitlinien abgewichen, ohne in der MB anzukündigen, dass sie dies beabsichtige.

374    Die Kommission ist der Ansicht, die MB habe es AWA ermöglicht, von den relevanten Gesichtspunkten für die Ermittlung der gegen sie verhängten Geldbuße Kenntnis zu erlangen. Im Übrigen habe sie sich voll und ganz an die Leitlinien gehalten. Und schließlich könne die Tatsache, dass sie in der Vergangenheit bei bestimmten Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe festgesetzt habe, ihr nicht die Möglichkeit nehmen, die Geldbußen innerhalb der Grenzen der Verordnung Nr. 17 anzuheben.

2.     Würdigung durch das Gericht

375    Zunächst sind der zweite und der dritte Teil dieses Klagegrundes zu prüfen, mit denen AWA geltend macht, dass die Kommission unter Abweichung von der bisherigen Praxis und den Leitlinien ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und ihr berechtigtes Vertrauen verletzt habe.

a)     Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und zur Nichtbeachtung des berechtigten Vertrauens infolge der Abweichung der Kommission von ihrer bisherigen Praxis

376    In Bezug auf die bisherige Entscheidungspraxis ist daran zu erinnern, dass nach gefestigter Rechtsprechung die Tatsache, dass die Kommission für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen in der Vergangenheit Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, ihr nicht die Möglichkeit nehmen kann, die Geldbußen in den Grenzen der Verordnung Nr. 17 zu erhöhen, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 109; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 196 angeführt, Randnr. 309, und vom 14. Mai 1998, Europa Carton/Kommission, T‑304/94, Slg. 1998, II‑869, Randnr. 89). Die wirksame Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln verlangt nämlich, dass die Kommission die Höhe der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 109, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 237).

377    Zudem sind nach ständiger Rechtsprechung die Wirtschaftsteilnehmer nicht berechtigt, auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation zu vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1982, Edeka, 245/81, Slg. 1982, 2745, Randnr. 27, und vom 14. Februar 1990, Delacre u. a./Kommission, C‑350/88, Slg. 1990, I‑395, Randnr. 33). Folglich können Unternehmen, die von einem Verwaltungsverfahren betroffen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, nicht darauf vertrauen, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten wird (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission, T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Slg. 2001, II‑2035, Randnr. 146, und Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 243).

378    Daher kann sich AWA nicht darauf berufen, dass die Kommission das in ihrer bisherigen Praxis angewandte Bußgeldniveau überschritten habe. Im Übrigen scheint AWA in ihrer Erwiderung einzuräumen, dass die bisherige Praxis der Kommission bei ihr keine berechtigten Erwartungen wecken konnte.

b)     Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes infolge der Abweichung der Kommission von den Leitlinien

379    AWA trägt vor, die Kommission sei von den Leitlinien abgewichen, ohne anzukündigen, dass sie dies beabsichtige; dadurch habe sie ihr berechtigtes Vertrauen in die Leitlinien beeinträchtigt. Die Kommission sei zunächst dadurch von den Leitlinien abgewichen, dass sie außer Acht gelassen habe, dass die fragliche Zuwiderhandlung keine oder allenfalls begrenzte Wirkungen entfaltet habe. Sodann habe sie aufgrund ihrer Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung den Ausgangsbetrag der Geldbuße auf 70 Mio. Euro festgesetzt, d. h. auf das 3,5-fache des in den Leitlinien für „besonders schwere Verstöße“ vorgesehenen Ausgangsbetrags von 20 Mio. Euro. Schließlich hätte die Kommission ankündigen müssen, dass sie eine Geldbuße verhängen wolle, die vor der Herabsetzung gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit das 2,5-fache der höchsten je von der Kommission gegen ein einzelnes Unternehmen verhängten Geldbuße betragen habe.

380    Die Leitlinien wurden im Januar 1998, also nach der Zuwiderhandlung, aber vor Übersendung der MB am 26. Juli 2000 veröffentlicht.

381    Nach Ansicht von AWA hätte es der Kommission freigestanden, von den Leitlinien abzuweichen und höhere Geldbußen zu verhängen, wenn sie die Leitlinien geändert oder eine solche Absicht zumindest in der MB angekündigt hätte, was nicht geschehen sei.

382    AWA hat jedoch nicht dargetan, inwiefern die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße von den Leitlinien abgewichen sein soll. Den Ausführungen von AWA zu ihrem Klagegrund liegt nämlich ein falsches Verständnis sowohl der Leitlinien als auch der Entscheidung zugrunde.

383    Erstens hat die Kommission in Bezug auf die Auswirkungen der Zuwiderhandlung in den Randnrn. 382 bis 409 der Entscheidung erläutert, in welcher Weise sie bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung deren konkrete Auswirkungen auf den Markt und die tatsächlichen Folgen des rechtswidrigen Verhaltens jedes Teilnehmers auf den Wettbewerb berücksichtigt hat. Die Kommission hat die von einigen Unternehmen, darunter AWA, im Verwaltungsverfahren vertretene Auffassung angesprochen, dass das Kartell nur sehr begrenzte Auswirkungen auf den Markt gehabt habe. Sodann hat sie erläutert, weshalb eine solche Auffassung zurückzuweisen sei. Die Kommission hat somit in ihrer Entscheidung die Ansicht vertreten, dass sich die Zuwiderhandlung tatsächlich ausgewirkt habe, und hat auf dieser Grundlage eine entsprechende Geldbuße festgesetzt. AWA kann daher nicht geltend machen, dass die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung unberücksichtigt gelassen habe. Deren Berücksichtigung bedeutet, dass der Kommission auch nicht vorgeworfen werden kann, die Nichtberücksichtigung der fehlenden oder begrenzten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nicht angekündigt zu haben.

384    Wenn man unterstellt, dass sich AWA in Wirklichkeit gegen die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt wendet, so vermengt sich ihre Kritik mit den Ausführungen zu ihrem die Schwere der Zuwiderhandlung betreffenden Klagegrund und ist in diesem Rahmen zu prüfen.

385    Zudem ist festzustellen, dass die Kommission angekündigt hatte, die Auswirkungen der Zuwiderhandlung berücksichtigen zu wollen. Sie hatte nämlich in der MB angegeben, dass sie bei ihrer Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung deren „konkrete Auswirkungen … auf dem Markt“ berücksichtigen werde (Randnr. 262).

386    Zweitens ist, soweit AWA geltend macht, die Kommission habe den in den Leitlinien genannten Ausgangsbetrag überschritten, daran zu erinnern, dass diese für „besonders schwere Verstöße“ wie „horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle [und] Marktaufteilungsquoten“ „[v]oraussichtliche Beträge … oberhalb von 20 Mio. ECU“ vorsehen. Da die Kommission die Möglichkeit hat, Ausgangsbeträge von über 20 Mio. Euro zu wählen, kann nicht geltend gemacht werden, dass sie in diesem Punkt von den Leitlinien abgewichen sei.

387    Dem ist hinzuzufügen, dass sich die Kommission bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags von 70 Mio. Euro im Fall von AWA auf das jeweilige Gewicht des Unternehmens und die tatsächlichen Folgen seines rechtswidrigen Verhaltens für den Wettbewerb stützte, wie sie im Umsatz der Klägerin mit dem betreffenden Erzeugnis im EWR zum Ausdruck kommen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Randnr. 266 der MB ankündigte, dass sie die Bedeutung jedes beteiligten Unternehmens auf dem relevanten Markt sowie die Folgen seines rechtswidrigen Verhaltens für den Wettbewerb berücksichtigen werde.

388    Drittens hat AWA in Bezug auf die Höhe der Geldbuße vor ihrer Herabsetzung gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht dargetan, inwiefern die Leitlinien der Verhängung einer Geldbuße in dieser Höhe entgegenstehen sollen. Außerdem ist auf die oben in Randnr. 377 angesprochene Rechtsprechung hinzuweisen, wonach AWA nicht darauf vertrauen konnte, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten würde.

389    AWA macht auch in allgemeinerer Form geltend, die Kommission hätte ankündigen müssen, dass sie beabsichtige, ihre „neue Bußgeldpolitik“ anzuwenden.

390    Es lässt sich nur schwer erkennen, inwiefern die in der Entscheidung herangezogene Berechnungsmethode gegenüber der früheren Praxis neu sein soll; dies könnte allenfalls für die Anwendung der Leitlinien gelten, die ihrerseits eine gegenüber der früheren Praxis bei der Bußgeldberechnung geänderte Berechnungsmethode darstellen. Es ist hervorzuheben, dass AWA, anders als die Klägerinnen in den „Fernwärmetechnik-Urteilen“ (u. a. dem oben in Randnr. 209 angeführten Urteil Sigma Tecnologie/Kommission), die Änderungen der früheren Praxis durch die Leitlinien nicht in Frage stellt. Ihre Kritik scheint sich nur dagegen zu richten, dass in ihrem Fall eine Methode zur Berechnung der Geldbußen angewandt wurde, die ihres Erachtens sowohl gegen die Verwaltungspraxis als auch gegen die Leitlinien der Kommission verstößt.

391    Nach der Rechtsprechung braucht die Kommission, wenn sie die tatsächlichen und rechtlichen Umstände angegeben hat, auf die sich ihre Berechnung der Geldbußen stützt, nicht zu erläutern, in welcher Weise sie jeden dieser Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße heranziehen wird (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 21, und Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1983, Michelin/Kommission, 322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 19).

392    Selbst wenn die von der Kommission in dieser Rechtssache angewandte Methode gegenüber der bestehenden Verwaltungspraxis als neuartig anzusehen sein sollte, war die Kommission daher nicht verpflichtet, den betroffenen Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens mitzuteilen, dass sie eine neue Methode für die Berechnung der Geldbußen anzuwenden beabsichtigte (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 207).

393    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in Anbetracht des Ermessens der Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen nicht darauf vertrauen konnte, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten würde (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 243).

394    Schließlich ist festzustellen, dass das Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Sarrió/Kommission (T‑334/94, Slg. 1998, II‑1439), auf das AWA in diesem Zusammenhang zur Stützung ihres Vorbringens Bezug nimmt, dass in der MB keine grundlegend neue und strengere Politik der Bußgeldfestsetzung angekündigt worden sei, irrelevant ist, da es nicht den Inhalt einer Mitteilung der Beschwerdepunkte betrifft, sondern die Begründung der Entscheidung.

395    Folglich kann in Bezug auf die Art und Weise der Anwendung der Leitlinien durch die Kommission keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder des Grundsatzes des Vertrauensschutzes festgestellt werden.

c)     Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufgrund der Festsetzung der Geldbuße durch die Kommission unter Heranziehung in der MB nicht angekündigter Gesichtspunkte

396    Einzugehen ist noch auf die Argumentation, die Kommission habe die Geldbuße von AWA auf der Grundlage einer Reihe von Gesichtspunkten festgesetzt, die in der MB nicht angekündigt worden seien und zu denen sich AWA daher im Verwaltungsverfahren nicht habe äußern können. AWA wirft der Kommission vor, nicht angekündigt zu haben, dass sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße zu Abschreckungszwecken erhöhen wolle, und nicht angegeben zu haben, wie sie die Abschreckung insbesondere auf der Grundlage ihrer Größe berücksichtigen wolle. Die Kommission habe auch nicht angekündigt, wie sie die Führungsrolle der betroffenen Unternehmen berücksichtigen werde.

397    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung ihre Verpflichtung zur Wahrung des Anspruchs der Unternehmen auf rechtliches Gehör erfüllt, wenn sie in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen festzusetzen seien, und die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte wie Schwere und Dauer der vermuteten Zuwiderhandlung sowie den Umstand anführt, ob diese vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Damit macht sie gegenüber den Unternehmen die Angaben, die diese für ihre Verteidigung nicht nur gegen die Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern auch gegen die Festsetzung einer Geldbuße benötigen (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 21, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 199).

398    Folglich sind bei der Bemessung der Geldbußen die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen gegenüber der Kommission dadurch gewahrt, dass sie sich zu Dauer, Schwere und Wettbewerbswidrigkeit des ihnen zur Last gelegten Sachverhalts äußern können. Außerdem verfügen die Unternehmen bezüglich der Bemessung der Geldbußen über eine zusätzliche Garantie, weil das Gericht mit Befugnis zu uneingeschränkter Nachprüfung entscheidet und u. a. die Geldbuße gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 aufheben oder herabsetzen kann (Urteile Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 235, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 200).

399    Im vorliegenden Fall sind die beiden Punkte zu prüfen, in denen die Kommission nach Ansicht von AWA deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat.

400    Zur wichtigen Rolle von AWA im Kartell ist festzustellen, dass in der MB die Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts angekündigt worden war. In Randnr. 198 der MB legte die Kommission nämlich dar, dass AWA die „Rolle als Anführer des Kartells“ übernommen habe, während sie in dem der Geldbuße gewidmeten Teil der MB ausführte, dass die individuelle Geldbuße jedes der beteiligten Unternehmen u. a. die Rolle widerspiegeln werde, die es „laut obiger Darstellung“ bei den geheimen Abmachungen gespielt habe. Außerdem geht aus der Entscheidung hervor, dass AWA im Verwaltungsverfahren bestritt, im Kartell eine wichtige Rolle gespielt zu haben; dies zeigt, dass sie den insoweit in der MB gegen sie erhobenen Vorwurf durchaus wahrgenommen und sich zu ihm geäußert hat.

401    In Bezug auf den Gesichtspunkt der Abschreckung kündigte die Kommission in Randnr. 264 der MB ausdrücklich an, dass die Geldbußen „so hoch angesetzt werden [sollten], dass sie abschreckend wirken“. Darüber hinaus hat sie in Einklang mit der Rechtsprechung in den Randnrn. 262 bis 266 der MB die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände angegeben, auf die sie sich bei der Berechnung der Geldbuße der Klägerin stützen würde, so dass insoweit deren Anspruch auf rechtliches Gehör angemessen beachtet wurde.

402    Unter diesen Umständen kann AWA vernünftigerweise nicht geltend machen, dass die Kommission die Faktoren, die sie berücksichtigen würde, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße zu gewährleisten, detaillierter hätte ankündigen müssen. Da die Kommission die Geldbuße erst nach Anhörung der Unternehmen und Beendigung des Verwaltungsverfahrens festsetzen konnte, war es ihr nicht möglich, im Verwaltungsverfahren die gegen die betroffenen Unternehmen festzusetzenden Bußgeldbeträge vorherzusehen oder gar die Abschreckungswirkung dieser Beträge einzuschätzen und sich zu dem etwaigen Erfordernis von Anpassungen zur Gewährleistung einer solchen Wirkung der Geldbußen zu äußern.

403    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung, wenn sie die tatsächlichen und rechtlichen Umstände angegeben hatte, auf die sich ihre Berechnung der Geldbußen stützen würde, nicht zu erläutern brauchte, in welcher Weise sie jeden dieser Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße heranziehen würde. Angaben zur Höhe der beabsichtigten Geldbußen wären nämlich eine nicht sachgerechte Vorwegnahme der Entscheidung der Kommission, solange den Unternehmen keine Gelegenheit gegeben wurde, zu den ihnen zur Last gelegten Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen (Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 21, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 391 angeführt, Randnr. 19).

404    Aus all diesen Gründen ist der von AWA auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes gestützte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

B –  Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot

1.     Vorbringen der Parteien

405    Die Behauptung, die Kommission habe im vorliegenden Fall eine neue Bußgeldpolitik angewandt, bildet auch die Grundlage für den auf einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gestützten Klagegrund von AWA. Der Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot soll sich daraus ergeben, dass die Geldbuße von AWA erheblich höher sei als die zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung verhängten Geldbußen. AWA ist der Ansicht, die Kommission dürfe keine neue Bußgeldpolitik anwenden, ohne die Unternehmen über eine solche Änderung ihrer Politik unterrichtet zu haben.

406    Die Kommission führt aus, sie habe sich voll und ganz an die Leitlinien gehalten, so dass ihr in dieser Rechtssache nicht vorgeworfen werden könne, rückwirkend eine neue Bußgeldpolitik angewandt zu haben.

2.     Würdigung durch das Gericht

407    Unternehmen, die von einem Verwaltungsverfahren betroffen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, können weder darauf vertrauen, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten wird, noch auf eine bestimmte Methode für die Berechnung der Geldbußen. Die betreffenden Unternehmen müssen sich folglich dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit beschließen kann, das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anzuheben. Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch die Verhängung von Geldbußen in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch dann, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden.

408    Daraus ist zu schließen, dass die Leitlinien und speziell die darin vorgesehene neue Methode für die Berechnung der Geldbußen, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, für Unternehmen wie die Klägerinnen zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar waren.

409    Die Kommission hat daher, als sie in der streitigen Entscheidung die Leitlinien auf vor deren Erlass begangene Zuwiderhandlungen anwandte, nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 228 bis 232).

410    Soweit AWA in Wirklichkeit geltend macht, die Kommission habe nicht durch die Anwendung der Leitlinien gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, sondern dadurch, dass sie bei der Festsetzung ihrer Geldbuße von den Leitlinien abgewichen sei, ist auf die Randnrn. 379 bis 395 zu verweisen, aus denen hervorgeht, dass dieser Klagegrund zurückzuweisen ist.

411    Soweit der Klagegrund eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot schließlich dahin zu verstehen sein sollte, dass mit ihm auch eine Abweichung von der bisherigen Entscheidungspraxis gerügt wird, ist auf die obigen Randnrn. 376 bis 378 zu verweisen, in denen das Gericht diesen Klagegrund zurückgewiesen hat.

412    Aus all diesen Gründen ist der Klagegrund des Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot zurückzuweisen.

C –  Zu den Klagegründen, die auf die Unzulänglichkeit der Beweise, einen Verstoß gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie Beurteilungsfehler in Bezug auf die Feststellungen der Kommission zur Beteiligung bestimmter Unternehmen an dem europaweiten Kartell gestützt werden

413    Divipa und Zicuñaga beantragen eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße mit der Begründung, dass sich die Kommission auf ihre Beteiligung an einem europaweiten Kartell gestützt habe, während sie in Wirklichkeit nur an einem Kartell auf nationaler Ebene teilgenommen hätten. Sie wiederholen dabei ihre Argumentation zu dem im Rahmen ihrer Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung geltend gemachten materiellen Klagegrund. Im Rahmen des gleichen Klagegrundes wirft Divipa der Kommission ferner vor, bei der Festsetzung ihrer Geldbuße nicht berücksichtigt zu haben, dass sie nicht an einem rechtswidrigen Kartell teilgenommen und nicht unmittelbar an der Beschlussfassung über die Preise mitgewirkt habe.

414    Zur Beteiligung am europaweiten Kartell ist auf die obigen Randnrn. 205 bis 215 zu verweisen, aus denen sich ergibt, dass weder Divipa noch Zicuñaga verborgen geblieben sein konnte, dass sich ihre Kartellteilnahme auf nationaler Ebene in den größeren Rahmen eines europaweiten Kartells einfügte. Sie können somit keine Herabsetzung ihrer Geldbuße aus diesem Grund verlangen.

415    Zur Kartellteilnahme von Divipa geht aus den obigen Randnrn. 155 bis 204 hervor, dass die Kommission in Bezug auf den spanischen Markt die Kartellteilnahme von Divipa für die Zeit von März 1992 bis Januar 1995 hinreichend nachgewiesen hat; sie ergibt sich insbesondere aus ihrer Beteiligung an einer Reihe von Treffen, bei denen sich die auf dem spanischen Markt tätigen Unternehmen auf Preiserhöhungen sowie, bei dem Treffen am 30. September 1993, auf eine Zuteilung von Verkaufsquoten einigten. Divipa kann daher nicht verlangen, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen, weil sie nicht an einem rechtswidrigen Kartell teilgenommen habe.

416    Dem Argument von Divipa, sie habe nicht unmittelbar an der Beschlussfassung über die Preise mitgewirkt, ist entgegenzuhalten, dass sie sich nicht offen vom Inhalt der Treffen distanzierte, an denen sie teilnahm. Sie gab damit den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme, dass sie dem Ergebnis der Treffen zustimme und sich daran halten werde (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 188 angeführt, Randnr. 82). Soweit mit diesem Argument eine passive Rolle geltend gemacht werden soll, wird es im Rahmen der Würdigung mildernder Umstände geprüft (siehe unten, Randnrn. 596 bis 635).

417    In Bezug auf Zicuñaga bleibt noch zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Maß die Tatsache, dass ihre Beteiligung an Marktaufteilungspraktiken nicht erwiesen ist (siehe oben, Randnrn. 238 bis 240), eine Herabsetzung ihrer Geldbuße rechtfertigt.

418    Hierzu ist festzustellen, dass die Zuwiderhandlung im einleitenden Teil der Entscheidung als Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise bezeichnet wird, „in deren Rahmen [die betreffenden Hersteller und Vertriebshändler] abgestimmte Preiserhöhungen festlegten, Verkaufsquoten zuteilten, Marktanteile festlegten und ein System zur Überwachung der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen einrichteten“ (Randnr. 2 der Entscheidung). Bei der Beschreibung der Art der Zuwiderhandlung spricht die Kommission in Randnr. 376 der Entscheidung von einer Zuwiderhandlung, die „aus der Festsetzung von Preisen und der Aufteilung des Marktes bestand, die zu den schwersten Zuwiderhandlungen gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] bzw. Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen zählen“.

419    Im verfügenden Teil der Entscheidung wird die der Klägerin zur Last gelegte Zuwiderhandlung dagegen nur allgemein als „Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor Selbstdurchschreibepapier“ beschrieben (Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung).

420    Ferner geht aus der Entscheidung hervor, dass die Vereinbarung über die Preiserhöhungen das „Hauptziel“ (Randnr. 77) und der „Eckpfeiler“ (Randnr. 383) des Kartells war. Bei der Schilderung der Ziele des Kartells in den Randnrn. 77 bis 81 der Entscheidung spricht die Kommission von einem „umfassenden wettbewerbswidrigen Plan …, der im Wesentlichen darauf ausgerichtet war, durch kollektive Preiserhöhungen die Ertragslage der teilnehmenden Unternehmen zu verbessern“, und fügt hinzu: „Im Rahmen dieses globalen Planes bestand das Hauptziel des Kartells darin, Preiserhöhungen sowie entsprechende Termine (die Daten für das Inkrafttreten dieser Erhöhungen) zu vereinbaren.“ Nach Randnr. 81 der Entscheidung sollte die Zuteilung von Verkaufsquoten und Marktanteilen bei einigen nationalen Kartelltreffen „die Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen … gewährleisten“ sowie „Abweichungen vom gemeinsamen System“ und „Wettbewerb mit anderen kommerziellen Aspekten“ verhindern.

421    Hierzu ist festzustellen, dass sich die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen ergeben, die zwar alle Mittäter der Zuwiderhandlung sind, deren Beteiligung aber insbesondere in Abhängigkeit von den Merkmalen des betroffenen Marktes und der Stellung des einzelnen Unternehmens auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung verschiedene Formen aufweisen kann.

422    Jedoch kann die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die gesamte Zuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das zwar von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt wurde, aber dieselbe wettbewerbswidrige Zielsetzung oder Wirkung hat, nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt.

423    Art. 81 EG untersagt Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen einschließlich des Verhaltens zur Durchführung dieser Vereinbarungen oder Beschlüsse sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, wenn sie den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen geeignet sind und eine wettbewerbswidrige Zielsetzung oder Wirkung haben. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann sich somit nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortlaufenden Verhalten ergeben. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass einer oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortlaufenden Verhaltens auch für sich genommen einen Verstoß gegen Artikel 81 EG darstellen könnten (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 79 bis 81).

424    Unter den Umständen des vorliegenden Falls ist das Gericht der Ansicht, dass sich die festgestellten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen wegen ihrer übereinstimmenden Zielsetzung und ihres engen Zusammenwirkens in einen Gesamtplan einfügten, der wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der fraglichen Unternehmen war, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel, die Verfälschung der Preisentwicklung, verfolgt wurde. Wie die Kommission in Randnr. 253 der Entscheidung zutreffend ausführt, wäre es gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, obwohl es sich um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisierte. Das Vorliegen einer einzigen Zuwiderhandlung ergibt sich nämlich daraus, dass alle Teilnehmer an der Vereinbarung das gleiche Ziel verfolgten, und nicht aus den Durchführungsmodalitäten dieser Vereinbarung (Zement-Urteil, Randnr. 4127).

425    Unter solchen Umständen war ein Unternehmen, das sich an einer solchen Zuwiderhandlung durch eigene Handlungen beteiligte, die den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legten. Dies ist der Fall, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

426    Es ist davon auszugehen, dass die Kommission rechtlich hinreichend bewiesen hat, dass Zicuñaga an dem System von Kartelltreffen, an den Preiserhöhungen sowie an bestimmten Maßnahmen, die die Durchführung der Preiserhöhungen erleichtern sollten, während der gesamten Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung teilnahm (siehe oben, Randnrn. 155 bis 243).

427    Dass Zicuñaga damit zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen wollte, vermag ihre Verantwortung für die von anderen Unternehmen beabsichtigten oder durchgeführten und zu den verschiedenen Bestandteilen der Zuwiderhandlung gehörenden Verhaltensweisen zu begründen. Denn sie kannte alle diese Bestandteile oder konnte sie vernünftigerweise vorhersehen, da sie über ein Jahr lang an den regelmäßigen Treffen der Hersteller und Vertriebshändler von Selbstdurchschreibepapier teilgenommen hatte.

428    In Bezug auf die Maßnahmen, die die Durchführung der Preiserhöhungen erleichtern sollten, genügt die Feststellung, dass die verschiedenen in Randnr. 2 der Entscheidung genannten Verhaltensweisen insofern alle ergänzenden Charakter gegenüber den Preiserhöhungen hatten, als sie dazu dienten, günstige Bedingungen für die Verwirklichung der von den Herstellern und Vertriebshändlern von Selbstdurchschreibepapier festgelegten Preisziele zu schaffen. Es ist davon auszugehen, dass Zicuñaga, die über ein Jahr lang an den genannten Preisinitiativen teilnahm, vernünftigerweise vorsehen konnte, dass die mitwirkenden Unternehmen versuchen würden, den Erfolg dieser Initiativen durch verschiedene Vorkehrungen zu fördern, und dass sie bereit war, diese Möglichkeit in Kauf zu nehmen. Auch wenn nicht erwiesen ist, dass sich Zicuñaga konkret an der Ergreifung oder Durchführung all dieser Maßnahmen beteiligte, ist sie doch für das konkrete Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen in diesem Zusammenhang im Rahmen der einheitlichen Zuwiderhandlung an den Tag legten, an der sie teilnahm und mitwirkte (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 205 bis 207).

429    Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission jedoch nicht nachgewiesen, dass Zicuñaga an den Marktaufteilungspraktiken beteiligt war (siehe oben, Randnrn. 238 bis 240). Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt hat, ist zwar für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung irrelevant, aber bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 188 angeführt, Randnr. 192). Da die Kommission nicht dargetan hat, dass sie diesen Gesichtspunkt der Nichtteilnahme an den Marktaufteilungspraktiken bei allen Parametern, die zur Ermittlung des Endbetrags der gegen Zicuñaga verhängten Geldbuße führten, berücksichtigt hat, ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, dass der Endbetrag der Geldbuße von Zicuñaga um 15 % herabzusetzen ist.

D –  Zu den Klagegründen, die auf die Unzulänglichkeit der Beweise, Verstöße gegen Art. 253 EG, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, die mangelnde individuelle Bußgeldbemessung, falsche Tatsachenfeststellungen, Beurteilungsfehler und Rechtsfehler bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung gestützt werden

430    Mehrere Unternehmen wenden sich gegen die von der Kommission anhand der in ihrer Entscheidung genannten Gesichtspunkte – die Art der Zuwiderhandlung und deren tatsächliche Auswirkungen – vorgenommene Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung sowie die Klassifizierung der Kartellteilnehmer anhand der Schwere der Zuwiderhandlung und die Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken.

1.     Art der Zuwiderhandlung

431    Nach Ansicht der Kommission bestand die Zuwiderhandlung aus der Festsetzung von Preisen und einer Marktaufteilung; diese zählten ihrem Wesen nach zu den schwersten Verstößen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen.

432    AWA stellt die Schwere der streitigen Vereinbarungen in Abrede und führt aus, sie hätten sich im Wesentlichen auf Gespräche über den Terminplan und den Betrag der Ankündigungen von Preiserhöhungen beschränkt und nicht oder nur in unbedeutender und weitgehend ineffektiver Weise auf die Aufteilung von Marktanteilen oder die Zuteilung von Verkaufsquoten erstreckt. Einige Erklärungen von Sappi bestätigten, dass die Treffen nicht als Rahmen für Absprachen über Marktanteile gedient hätten. Das Kartell auf dem Papiermarkt sei nicht umfassend institutionalisiert gewesen und habe kein wirksames System zur Überwachung der Vereinbarungen umfasst. Aufgrund all dessen handele es sich um eine weniger schwerwiegende als die in anderen Rechtssachen festgestellten Zuwiderhandlungen.

433    Torraspapel trägt vor, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass sich das Kartell auf Preisfestsetzungs- und Marktaufteilungspraktiken erstreckt habe und habe es deshalb fälschlich als besonders schwere Zuwiderhandlung eingestuft.

434    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung insbesondere die Art der Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1997, SCK und FNK/Kommission, T‑213/95 und T‑18/96, Slg. 1997, II‑1739, Randnr. 246 und die dort angeführte Rechtsprechung).

435    Überdies sind „[d]ie in der Festsetzung von Preisen und der Aufteilung von Märkten bestehenden Zuwiderhandlungen … als besonders schwerwiegend anzusehen, da sie einen unmittelbaren Eingriff in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt bedeuten“ (Urteil Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 107 angeführt, Randnr. 675).

436    Das Gericht hat den Begriff der besonders schweren Zuwiderhandlung u. a. in seinem Urteil vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland Company und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission (T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, im Folgenden: Urteil ADM/Kommission, Randnrn. 117 bis 131), präzisiert. Demnach ist die Einstufung als besonders schwere Zuwiderhandlung nicht vom Vorliegen einer Marktabschottung abhängig. Vielmehr besteht bei horizontalen Absprachen über Preiskartelle oder Marktaufteilungsquoten die Vermutung, dass sie das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen, und auch andere Praktiken, die geeignet sind, eine solche Wirkung zu entfalten, können so eingestuft werden.

437    Weder aus dieser Rechtsprechung noch aus den Leitlinien geht hervor, dass die Einstufung als besonders schwere Zuwiderhandlung das Vorliegen mehrerer derartiger Verhaltensweisen voraussetzt. Eine horizontale Preisabsprache kann für sich genommen eine solche Zuwiderhandlung darstellen, wenn sie das ordnungsgemäße Funktionieren des Markts in Frage stellt. Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich die betroffenen Unternehmen über die Preise verständigten und dadurch das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes in Frage stellten. Dies genügt im vorliegenden Fall als Rechtfertigung für die Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer, auch wenn sich die streitigen Vereinbarungen nur auf Preisfestsetzungspraktiken erstreckten.

438    Ergänzend ist festzustellen, dass AWA das Vorliegen von Vereinbarungen zur Marktaufteilung oder Quotenverteilung letztlich nicht bestreitet, sondern nur vorträgt, diese Aktivitäten seien relativ unbedeutend und weitgehend ineffektiv gewesen.

439    Schließlich ist zu dem Argument, das Kartell sei nicht institutionalisiert gewesen und es habe keinen Kontrollmechanismus gegeben, festzustellen, dass sich die geschaffene Struktur als ausreichend für ein mehrjähriges Funktionieren des Kartells erwies. Aus mehreren Abschnitten der Entscheidung geht hervor, dass die Teilnehmer an den Kartelltreffen detaillierte und individuelle Angaben über ihre Preise und Verkaufsmengen austauschten und dass die Anwendung der Vereinbarungen u. a. durch AWA überwacht wurde. So heißt es in dem von Mougeot erstellten Protokoll des Treffens am 1. Oktober 1993 (Dokument Nr. 7648, in Randnr. 104 der Entscheidung angeführt und der MB beigefügt), dass bei Nichteinhaltung der Vereinbarungen Sanktionen verhängt worden seien („[Herr B.] hat unmissverständlich erklärt, dass er eine Nichtbefolgung dieser Preiserhöhung nicht dulden werde und dass er sich all diejenigen, die nicht mitspielten, persönlich vornehmen werde.“). Auf die Aufforderung, den Kontrollmechanismus zu beschreiben und die Gründe für die von Herrn B. und AWA ausgeübte Autorität zu erläutern, antwortete Mougeot (Dokument Nr. 11494, in Randnr. 104 der Entscheidung angeführt und der MB beigefügt):

„Unseres Wissens gab es keinerlei Verträge, Dokumente oder Rechtslagen, die AWA berechtigt hätten, eine irgendwie geartete Autorität zu beanspruchen. AWA besaß vielmehr die Stellung eines moralischen und wirtschaftlichen Marktführers. … Die finanzielle und industrielle Präsenz von AWA erlaubte es [Herrn B.], zu erklären, dass AWA – wenn diese Erhöhungen nicht umgesetzt würden – dazu übergehen werde, den Markt durch eine Preispolitik, bei der die meisten auf der Strecke bleiben würden, völlig zu zerschlagen. Mit der Zerschlagung von [Binda] in Italien hatte er im Übrigen eine perfekte Demonstration seiner Fähigkeiten geliefert.“

440    Mougeot soll von AWA auch gerügt worden sein, weil sie deren Anweisungen nicht befolgt habe (Randnr. 143 der Entscheidung). Dass Sappi ebenfalls die Entwicklung der Preise und Quoten der Kartellmitglieder im Verhältnis zu den festgelegten Zielen aufmerksam verfolgte, geht im Übrigen aus dem Vermerk vom 9. März 1992 und dem Vermerk in Bezug auf das Treffen am 30. September 1992 hervor, die oben in den Randnrn. 171 und 172 angesprochen wurden.

441    Weder aus den Leitlinien noch aus der Rechtsprechung ergibt sich jedenfalls, dass ein Kartell, um als besonders schwere Zuwiderhandlung eingestuft zu werden, spezielle institutionelle Strukturen aufweisen muss.

442    Angesichts der vorstehenden Gegebenheiten hat die Kommission das fragliche Kartell zu Recht als eine ihrer Art nach besonders schwere Zuwiderhandlung eingestuft.

2.     Tatsächliche Auswirkungen der Zuwiderhandlung

443    Mehrere Klägerinnen (AWA, MHTP, Zanders und Torraspapel) tragen vor, die tatsächlichen Auswirkungen des Kartells auf den Markt für Selbstdurchschreibepapier seien sehr begrenzt gewesen. Die Kommission habe die Entwicklung der Preise dieses Produkts nicht ordnungsgemäß geprüft und nur Erhöhungen, aber keine Senkungen berücksichtigt. Die tatsächlich auf dem Markt erzielten Preise hätten unter den beschlossenen oder angekündigten Erhöhungen gelegen. Dies zeige, dass die Erhöhungen in der Praxis nicht umgesetzt worden seien. Einige Klägerinnen verweisen darüber hinaus auf die ungünstige Entwicklung der Preise für Selbstdurchschreibepapier und die Verringerung ihrer Gewinnspannen oder die Geringfügigkeit der Gewinne. Die Preise für Selbstdurchschreibepapier spiegelten im Wesentlichen die Veränderungen bei den Kosten und die Nachfrage nach Papierbrei wider.

444    AWA hat zwei Sachverständigengutachten der National Economic Research Associates vorgelegt (im Folgenden: NERA-Gutachten). Das erste, vom Dezember 2000 stammende Gutachten wurde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Das zweite, vom April 2002 stammende Gutachten wurde für das Gerichtsverfahren erstellt. Mit beiden soll nachgewiesen werden, dass die aus den rechtswidrigen Vereinbarungen hervorgegangenen Preise nicht über das Maß hinaus angehoben werden konnten, das unter normalen Wettbewerbsbedingungen erreicht worden wäre. Koehler und Zanders haben das Gutachten von PricewaterhouseCoopers, das die Situation auf dem europäischen Markt für Selbstdurchschreibepapier von Sommer/Herbst 1995 bis Februar/März 1997 beschreibt, im Verwaltungsverfahren vorgelegt und auch dem Gericht zur Kenntnis gebracht (siehe oben, Randnrn. 101 bis 103).

445    In den Randnrn. 382 bis 402 der Entscheidung weist die Kommission die Argumentation der betroffenen Unternehmen zurück, wobei sie im Wesentlichen geltend macht, allein die Tatsache, dass es Preisankündigungen mit Beträgen und Zeitplan im Anschluss an Preisabstimmungen gegeben habe, genüge, um Auswirkungen auf den Markt anzunehmen. Sie räumt zwar ein, dass der Markt für Selbstdurchschreibepapier rückläufig war, ist aber der Ansicht, dies schließe nicht aus, dass es dem Kartell gelungen sei, den Preisrückgang zu kontrollieren oder einzuschränken. Die Beispiele für Meinungsverschiedenheiten seien wohl keine Beispiele für einen vollständigen Fehlschlag bei der Umsetzung der Vereinbarungen. Einige vereinbarte Erhöhungen seien verschoben worden, und gelegentlich habe es geringere als die vorgesehenen Erhöhungen gegeben.

446    Zunächst ist daran zu erinnern, dass bei der Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung insbesondere der normative und wirtschaftliche Zusammenhang zu berücksichtigen ist, in den sich die beanstandete Verhaltensweise einfügt (Urteile des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnr. 612, und vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, Slg. 1997, I‑4411, Randnr. 38). Insoweit geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Kommission, um die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt zu beurteilen, auf den Wettbewerb abstellen muss, den es normalerweise ohne die Zuwiderhandlung gegeben hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 619 und 620, Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mayr-Melnhof/Kommission, T‑347/94, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 235, und Urteil Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 107 angeführt, Randnr. 645).

447    Die Leitlinien sehen hierzu vor, dass bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Markts zu berücksichtigen sind. Unter der Überschrift „Besonders schwere Verstöße“ enthalten sie Beispiele für Arten von Verstößen und deren Gegenstand, wobei ihre konkreten Auswirkungen nur mittels der ganz allgemeinen Erwähnung der Beschränkung der Funktionsweise des Binnenmarkts angesprochen werden. Die Schwere des Verstoßes wird nicht unmittelbar mit seinen Auswirkungen verknüpft. Die konkreten Auswirkungen stellen einen unter mehreren Gesichtspunkten dar, und sie sind sogar außer Acht zu lassen, wenn sie nicht messbar sind.

448    Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung hat sich die Kommission gleichwohl darauf gestützt, dass die Zuwiderhandlung tatsächliche Auswirkungen auf den Markt für Selbstdurchschreibepapier im EWR gehabt habe (Randnrn. 382 bis 402 der Entscheidung), wie sie es nunmehr nach Nr. 1 Teil A Abs. 1 der Leitlinien tun muss, wenn sich diese Auswirkungen als messbar erweisen.

449    Die von der Kommission angeführten konkreten Indizien deuten jedoch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass das Kartell nicht unerhebliche Auswirkungen auf den relevanten Markt hatte.

450    Erstens geht insbesondere aus den Randnrn. 203, 204, 213, 214, 215, 225, 227, 235, 236 und 237 sowie aus Anhang V der Entscheidung hervor, dass die Preisabsprachen häufig in der Weise umgesetzt wurden, dass den Kunden die bei den Treffen beschlossenen Preiserhöhungen angekündigt wurden. Nach den Erklärungen von Mougeot vom 14. April 1999 (Dokument Nr. 7649, der MB beigefügt) soll Herr B. bei dem Treffen am 1. Oktober 1993 erläutert haben, dass die „Preiserhöhungen Gegenstand von Rundschreiben an die Kunden sein sollten, um diese Erhöhungen wirksam werden zu lassen“. Wie in Randnr. 384 der Entscheidung ausgeführt, dienten die vereinbarten Erhöhungen somit zwangsläufig als Grundlage für die Festlegung der individuellen Transaktionspreise.

451    Schon daraus, dass die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich ankündigten und dass die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen tatsächlichen Transaktionspreise dienten, lässt sich aber ableiten, dass die Preisabsprache eine schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckte als auch bewirkte (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Cascades/Kommission, T‑308/94, Slg. 1998, II‑925, Randnr. 194). Die Kommission war daher nicht verpflichtet, das Vorbringen der Parteien, mit dem sie nachzuweisen versuchten, dass die fraglichen Vereinbarungen keine Erhöhung der Preise über das Maß hinaus bewirkt hätten, das unter normalen Wettbewerbsbedingungen erreicht worden wäre, im Einzelnen zu prüfen und es Punkt für Punkt zu beantworten. Sie war insbesondere nicht verpflichtet, die dahin gehende Analyse im ersten von AWA vorgelegten NERA-Bericht zu widerlegen, wie sie in den Randnrn. 390 bis 401 der Entscheidung erläutert. Anders als AWA offenbar meint, kann der Kommission insoweit keine unzureichende Begründung vorgeworfen werden.

452    Im Übrigen kann der Umstand, dass die Preisvorgaben einiger Klägerinnen den bei den Treffen festgelegten Preiszielen nicht immer ganz genau entsprachen, die Feststellung, dass durch die Berücksichtigung der Ankündigungen vereinbarter Preise bei der Festlegung individueller Preise eine Auswirkung auf den Markt eintrat, nicht entkräften, denn die von der Kommission zur Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen berücksichtigten Auswirkungen sind nicht diejenigen, die sich aus dem tatsächlichen Verhalten, das ein bestimmtes Unternehmen an den Tag gelegt haben will, ergeben, sondern diejenigen, die sich aus der gesamten Zuwiderhandlung ergeben, an der das Unternehmen mit anderen beteiligt war (vgl. in diesem Sinne Urteil Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 196 angeführt, Randnr. 342).

453    Diese Feststellung, dass mittels der Ankündigung der vereinbarten Preise und deren Berücksichtigung auf Kundenebene eine Auswirkung auf den Markt eintrat, kann nicht durch den Hinweis darauf in Frage gestellt werden, dass sich die von der Kommission in diesem Bereich gesammelten schriftlichen Beweise nicht auf den gesamten in Rede stehenden Zeitraum erstreckten. Zum einen geht aus den Randnrn. 383 und 384 der Entscheidung klar hervor, dass die Kommission diesen Gesichtspunkt im Rahmen der Auswirkung auf den Markt berücksichtigte. Zum anderen bezog sie weitere Gesichtspunkte in ihre Analyse der Auswirkung auf den Markt und, darüber hinaus, der Schwere der Zuwiderhandlung ein.

454    Zweitens führt die Kommission nämlich an, dass es wiederholt Vereinbarungen über die Zuteilung von Verkaufsmengen und die Aufteilung der Märkte gegeben habe, die zumindest in gewissem Maß eingehalten worden seien.

455    Aus den Akten geht hervor, dass bei den Treffen in Barcelona am 30. September 1993 (Dokument Nr. 5, oben in Randnr. 172 angeführt) und in Paris am 1. Oktober 1993 (Dokument Nr. 6) Verkaufsquoten zugeteilt wurden. Die Auskünfte, die einige Unternehmen über ihren tatsächlichen Absatz in den Jahren 1992 und 1993 gaben, zeugen von einem engen Zusammenhang zwischen den vereinbarten Quoten und den bei diesen Treffen ausgetauschten Verkaufszahlen (vgl. Anhang III der Entscheidung). Auch im Protokoll des Treffens am 29. Juni 1994 (siehe oben, Randnr. 175) ist von Quoten die Rede. Überdies geht aus den Erklärungen von Mougeot (Dokumente Nrn. 7651 bis 7653, oben in Randnr. 165 angeführt) und deren Anlagen (Dokumente Nrn. 7657 und 7658, der MB beigefügt) hervor, dass es bei den Treffen am 31. Mai 1994 in Nogent-sur-Marne und am 6. Dezember 1994 in Genf Vereinbarungen über die Marktanteile gab. Die Kommission hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, dass diese Quotenzuteilungen und Marktaufteilungen ein zusätzliches Indiz für die Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt darstellen.

456    Drittens trägt die Kommission vor, die Schlussfolgerung in Bezug auf die konkreten Auswirkungen des Kartells werde dadurch bestätigt, dass die Umsetzung der Preiserhöhungen nachverfolgt und kontrolliert worden sei.

457    Die von der Kommission in den Randnrn. 97 bis 106 der Entscheidung angeführten Gesichtspunkte belegen, dass es tatsächlich eine solche Kontrolle, vor allem durch AWA, gab. Dies ergibt sich insbesondere aus den in Randnr. 104 der Entscheidung wiedergegebenen und bereits oben in Randnr. 439 angesprochenen Erklärungen von Mougeot, in denen es heißt: „[Herr B.] hat unmissverständlich erklärt, dass er eine Nichtbefolgung dieser Preiserhöhung nicht dulden werde und dass er sich all diejenigen, die nicht mitspielten, persönlich vornehmen werde.“ Mehrere Vermerke von Sappi (siehe oben, Randnrn. 169, 171, 175 und 176) machen ebenfalls deutlich, dass es eine Überprüfung des Verhaltens der Kartellmitglieder gab, insbesondere hinsichtlich der Umsetzung der vereinbarten Preiserhöhungen.

458    Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ist nur die Existenz dieser Kontrolle oder Nachverfolgung relevant, ohne dass es darauf ankommt, welches Unternehmen dabei eine dominierende Rolle gespielt gehabt. Die Kontrolle der Umsetzung der vereinbarten Preise war Teil des Plans, dem die Kartellmitglieder zugestimmt hatten. Torraspapel kann daher der Kommission nicht zum Vorwurf machen, dass sie die Existenz dieser Kontrollmechanismen im Stadium der Beurteilung der Art der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, während die individuelle Verantwortung jedes Teilnehmers anschließend in einem späteren Stadium geprüft wird.

459    Zum letzten von der Kommission herangezogenen Indiz für die Auswirkungen des Kartells – der langen Dauer der Zuwiderhandlung trotz der vorhandenen Risiken – ist festzustellen, dass es, da die beanstandeten Verhaltensweisen in den meisten Fällen über drei Jahre andauerten, unwahrscheinlich ist, dass die Hersteller sie seinerzeit als völlig wirkungs- und nutzlos ansahen (Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 748).

460    Aus all diesen Gesichtspunkten zieht das Gericht den Schluss, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass die fragliche Zuwiderhandlung konkrete Auswirkungen auf den Markt hatte.

461    Hinzuzufügen ist, dass der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass sie in diesem Stadium die Rückläufigkeit des Markts für Selbstdurchschreibepapier nicht berücksichtigte. Die Kommission spricht diesen Umstand in Randnr. 392 der Entscheidung gerade im Rahmen der Prüfung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung an und erläutert klar die Gründe, aus denen diese Rückläufigkeit Auswirkungen des Kartells auf den Markt nicht ausschließt. Die Kommission räumt ein, dass man in einer derartigen Marktlage von zurückgehenden Preisen ausgehen könne, vertritt aber die Ansicht, dies schließe es „nicht aus, dass es dem Kartell gelungen [ist], den Preisrückgang zu kontrollieren oder einzuschränken. Durch die Aufrechterhaltung nicht-leistungsfähiger Wettbewerber im Markt für einen längeren Zeitraum, als unter normalen Wettbewerbsbedingungen zu erwarten gewesen wäre, kann das Kartell somit verhindert haben, dass sich die Produktionskapazitäten auf natürliche Weise der Nachfrage anpassen.“

462    Insoweit ist hervorzuheben, dass die bloße Tatsache, dass der relevante Markt rückläufig ist und dass bestimmte Unternehmen Verluste erleiden, weder der Errichtung eines Kartells noch der Anwendung von Art. 81 EG entgegenstehen kann. Im Gegenteil hat diese Situation einige Unternehmen nach eigenem Bekunden veranlasst, dem Kartell beizutreten. Dem ist hinzuzufügen, dass die schlechte Marktlage – ihr Vorliegen unterstellt – nicht bedeuten kann, dass das Kartell keine Auswirkungen hatte. Wie die Kommission ausführt, ermöglichten es die vereinbarten Preiserhöhungen, den Preisverfall zu kontrollieren oder zu begrenzen, und verfälschten dadurch den Wettbewerb. Dass es Preissenkungen aufgrund der Marktbedingungen gegeben haben mag, ändert nichts am Vorwurf abgestimmter Preiserhöhungen. Der Umstand, dass die Erhöhung des Papierbreipreises die Unternehmen zur Anhebung des Preises für Selbstdurchschreibepapier veranlasst haben könnte, lässt die Rüge unberührt, dass sie dies nicht eigenständig, sondern in Abstimmung und durch den Abschluss von Vereinbarungen taten. Zudem könnte die Tatsache, dass in einem durch starke strukturelle Überkapazitäten gekennzeichneten Markt, auf dem eher Preissenkungen zu erwarten wären, der Preis für Selbstdurchschreibepapier die Erhöhungen des Papierbreipreises nachvollziehen konnte, gerade als Indiz für ein Kartell angesehen werden.

463    Im Ergebnis ist das Gericht in Bezug auf die Schwere der Zuwiderhandlung der Ansicht, dass die Kommission die streitigen Vereinbarungen zu Recht als besonders schwere Zuwiderhandlung eingestuft hat. Es handelt sich nämlich um eine Zuwiderhandlung, die ihrer Art nach besonders schwer ist, die Auswirkungen auf den Markt hatte und die sich auf den gesamten Gemeinsamen Markt und, nach seiner Errichtung, den gesamten EWR erstreckte.

3.     Klassifizierung der Kartellmitglieder bei der Festsetzung der Bußgeldbeträge

464    Nach den Leitlinien ermöglicht innerhalb der einzelnen Kategorien von Zuwiderhandlungen und insbesondere bei denen, die als schwer und besonders schwer eingestuft wurden, „die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes“.

465    Auf der Grundlage des Umsatzes, der 1995 mit dem Verkauf des Erzeugnisses im EWR erzielt wurde, teilte die Kommission die betroffenen Unternehmen nach ihrer relativen Bedeutung auf dem fraglichen Markt im EWR in fünf Kategorien ein. AWA, der größte Hersteller von Selbstdurchschreibepapier, bildet allein die erste Kategorie. Der zweiten Kategorie gehören MHTP, Zanders und Koehler, der dritten Torraspapel und Bolloré, der vierten Sappi und Mougeot und schließlich der fünften Divipa, Zicuñaga und Carrs an.

466    Das Vorbringen der Klägerinnen in diesem Zusammenhang betrifft mehrere Gesichtspunkte, und zwar die Wahl des Bezugsjahrs, die Heranziehung eines falschen Umsatzes und das unverhältnismäßige Ergebnis, zu dem die Methode der Kommission führe.

467    Bevor auf diese Gesichtspunkte eingegangen wird, ist auf die oben in Randnr. 376 angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, aus der sich ergibt, dass die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 17 bei der Bemessung der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, um auf das Verhalten der Unternehmen im Sinne der Einhaltung der Wettbewerbsregeln einzuwirken. Die wirksame Anwendung dieser Regeln verlangt, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen – gegebenenfalls durch dessen Anhebung – jederzeit den Erfordernissen der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft anpassen kann.

468    Nach ständiger Rechtsprechung können überdies zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung je nach den Umständen des Einzelfalls die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den es auf den Markt ausüben konnte. Daraus ergibt sich zum einen, dass bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden darf, der mit dem Verkauf der Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, und der somit einen Anhaltspunkt für deren Ausmaß liefern kann. Zum anderen folgt daraus, dass weder der einen noch der anderen dieser Umsatzzahlen eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf, so dass die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnrn. 120 und 121; Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1994, Parker Pen/Kommission, T‑77/92, Slg. 1994, II‑549, Randnr. 94, und vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 176, und Urteil ADM/Kommission, Randnr. 188).

a)     Wahl des Bezugsjahrs

469    Torraspapel und Divipa kritisieren die Wahl des Bezugsjahrs. Divipa ist der Ansicht, die Kommission hätte sich auf den Umsatz für 1994 stützen müssen. Mehrere Unternehmen, so auch sie, seien nämlich 1995 nicht mehr in das Kartell verwickelt gewesen. Torraspapel macht geltend, ihr Umsatz im Jahr 1995 sei im Vergleich zu den Vorjahren außergewöhnlich hoch gewesen und sei deshalb kein getreues Abbild ihrer tatsächlichen Bedeutung auf dem Markt im Zeitraum der Zuwiderhandlung.

470    Wie Divipa selbst einräumt, ist die Kommission nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts nicht verpflichtet, die Geldbußen anhand der Schwere auf der Grundlage von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen beruhen, denn die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss des Gerichtshofs vom 25. März 1996, SPO u. a./Kommission, C‑137/95 P, Slg. 1996, I‑1611, Randnr. 54, und Urteil Ferriere Nord/Kommission, oben in Randnr. 446 angeführt, Randnr. 33; Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Buchmann/Kommission, T‑295/94, Slg. 1998, II‑813, Randnr. 163).

471    Aus Randnr. 407 der Entscheidung geht hervor, dass die Kommission den im Jahr 1995 – dem letzten Jahr, das in den Zeitraum der Zuwiderhandlung einbezogen wurde – mit dem Verkauf des Erzeugnisses im EWR erzielten Umsatz herangezogen hat, um die relative Bedeutung der Unternehmen auf dem relevanten Markt zu vergleichen und sie anhand ihrer jeweiligen Fähigkeit zur Verfälschung des Wettbewerbs in verschiedene Kategorien einzuteilen.

472    Hierzu ist festzustellen, dass sich für Torraspapel und Divipa unabhängig von der Stichhaltigkeit ihres Vorbringens im Ergebnis nichts geändert hätte, wenn sich die Kommission auf ihren Umsatz im Jahr 1994 gestützt hätte. Aus Tabelle 1 b in Randnr. 18 der Entscheidung geht nämlich hervor, dass Torraspapel mit einem vergleichbaren Umsatz und Marktanteil wie Bolloré (Copigraph) in der dritten Kategorie bliebe und Divipa weiterhin zur letzten Kategorie gehören würde. Die Entscheidung kann daher in diesem Punkt nicht in Frage gestellt werden. Diese Rüge geht folglich ins Leere.

b)     Berücksichtigung eines falschen Gesamtumsatzes

473    AWA und Koehler sind der Ansicht, die Kommission habe in ihrem Fall den Gesamtumsatz ihrer jeweiligen Gruppe herangezogen, während sie bei MHTP und Zanders nur den eigenen Umsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigt habe.

474    AWA macht geltend, wenn die Kommission nur ihren eigenen Umsatz berücksichtigt hätte, wäre sie nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass zwischen ihr und den übrigen betroffenen Unternehmen ein ganz erheblicher Größenunterschied bestehe; der Ausgangsbetrag der Geldbuße wäre daher niedriger gewesen, und die Geldbuße selbst hätte sich um 141,75 Mio. Euro verringert. Koehler führt aus, wegen der Nichtberücksichtigung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen den Gruppen, denen MHTP, Zanders und sie angehörten, habe die Kommission sie zu Unrecht in dieselbe Kategorie wie diese beiden Unternehmen eingestuft.

475    Soweit AWA und Koehler rügen, dass der Klassifizierung der Kartellteilnehmer ein falscher Gesamtumsatz zugrunde liege, kann ihr Klagegrund keinen Erfolg haben.

476    Aus den Randnrn. 406 bis 409 der Entscheidung geht nämlich klar hervor, dass die Kommission die fraglichen Unternehmen „nach ihrer relativen Bedeutung auf dem betroffenen Markt“ eingeteilt hat, wobei sie den „Produktumsatzanteil im EWR“ zugrunde legte. Der Gesamtumsatz der Unternehmen oder Unternehmensgruppen wurde daher in diesem Stadium nicht herangezogen.

477    Darüber hinaus beziehen sich die Einwände von AWA und Koehler nicht auf ihren eigenen Umsatz, sondern auf die Nichtberücksichtigung des Gruppenumsatzes bei MHTP und Zanders. Selbst wenn sich die Kommission bei Letzteren geirrt haben sollte, kann sich aber niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten anderer begangene Rechtsverletzung berufen (Urteil vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 468 angeführt, Randnr. 160). Das Argument, gegen MHTP und Zanders sei eine zu niedrige Geldbuße verhängt worden, kann nicht zu einer Herabsetzung der Geldbuße von AWA oder Koehler führen. Insoweit ist ihr Klagegrund zurückzuweisen.

478    Über all das hinaus war die Kommission mangels Beweisen für eine Beteiligung der Gruppen, denen Zanders und MHTP angehören, an der Zuwiderhandlung berechtigt, nicht den Gesamtumsatz dieser Gruppen heranzuziehen. Da die Kommission keine hinreichenden Indizien fand, um den genannten Gruppen die Zuwiderhandlung zuzurechnen, war es Sache der Klägerinnen, soweit sie der Ansicht waren, dass sich die Mitwirkung dieser Gruppen aus den Akten ergebe, dafür den Beweis zu erbringen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, T‑31/99, Slg. 2002, II‑1881, im Folgenden: Urteil ABB/Kommission, Randnr. 181). Im vorliegenden Fall hat aber weder AWA noch Koehler einen solchen Beweis erbracht. Ihr Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

c)     Unverhältnismäßigkeit des Ergebnisses der von der Kommission angewandten Methode

479    Mehrere Unternehmen machen geltend, der von der Kommission anhand der Schwere festgesetzte Bußgeldbetrag stehe außer Verhältnis zu ihrem eigenen Umsatz, zu den Geldbußen anderer Kartellteilnehmer, zu den in anderen Entscheidungen verhängten Geldbußen oder zu mehreren dieser Aspekte. Die Methode zur Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße verstoße somit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Grundsatz der Gleichbehandlung.

 Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

480    MHTP macht geltend, es sei nicht ersichtlich, dass die Kommission ihren Umsatz auf dem relevanten Markt berücksichtigt habe. Sie habe die betroffenen Unternehmen anhand ihrer Anteile am fraglichen Markt in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die Heranziehung der Marktanteile als Unterscheidungskriterium zwischen den betroffenen Unternehmen bewirke aber nicht automatisch die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Wenn sich die Kommission ausschließlich auf die Marktanteile stütze, berücksichtige sie nur relative Unterschiede beim Umsatz und nicht die absolute Höhe des Umsatzes auf dem relevanten Produktmarkt.

481    Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnr. 443 und die dort angeführte Rechtsprechung).

482    Im Übrigen kann aus der bloßen Tatsache, dass sich die Kommission in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich auf den Umsatz jedes Unternehmens auf dem relevanten Markt gestützt, sondern andere die Bedeutung der Unternehmen auf diesem Markt betreffende Faktoren einbezogen hat, nicht geschlossen werden, dass die Kommission eine unverhältnismäßige Geldbuße verhängt hätte. Nach der Rechtsprechung darf weder dem Gesamtumsatz eines Unternehmens noch dem Umsatz bei den Produkten, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 303).

483    Die von der Kommission im vorliegenden Fall berücksichtigten Faktoren sind in den Randnrn. 372 bis 408 der Entscheidung klar aufgeführt. Dazu gehört der Umsatz auf dem relevanten Markt. Außerdem kann der Umstand, dass sich die von der Kommission festgelegten Ausgangsbeträge nicht – wie in der Rechtssache, die Gegenstand des Urteils des Gerichts vom 14. Mai 1998, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission (T‑354/94, Slg. 1998, II‑2111), war – auf einen bestimmten Prozentsatz des Umsatzes stützen, für sich genommen nicht zu ihrer Unverhältnismäßigkeit führen.

484    Schließlich ist die Kommission bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen beruhen, oder für den Fall, dass gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz oder ihren Umsatz auf dem relevanten Produktmarkt zum Ausdruck kommen (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 278).

485    Die Rüge von MHTP ist daher zurückzuweisen.

486    Koehler trägt vor, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, da sie ihr eine im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft und den Gewinn aus dem Kartell völlig unverhältnismäßige Geldbuße auferlegt habe. Der Gerichtshof und das Gericht hätten die wesentliche Rolle des Kriteriums der Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung mehrfach bestätigt. Auch in den Leitlinien werde der Größe des fraglichen Unternehmens erhebliche Bedeutung beigemessen.

487    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission die betroffenen Unternehmen nach ihrer relativen Bedeutung auf dem fraglichen Markt in fünf Kategorien eingeteilt hat, um dem jeweiligen Gewicht jedes Unternehmens und damit den tatsächlichen Folgen seines rechtswidrigen Verhaltens für den Wettbewerb Rechnung zu tragen (Randnr. 406 der Entscheidung). Die Kommission hat demnach sehr wohl eine Differenzierung anhand der Größe der Unternehmen vorgenommen.

488    Koehler erkennt dies im Übrigen an, denn sie führt aus, die Kommission habe das Erfordernis einer differenzierten Bußgeldzumessung korrekt definiert; es sei ihr aber nicht gelungen, ihre eigenen Vorgaben in überzeugender Weise auf den konkreten Fall anzuwenden. In der Erwiderung fügt sie hinzu, die Kommission habe nicht die erforderlichen Differenzierungen vorgenommen, die sich aufgrund ihrer eigenen Methode zur Festsetzung der Geldbuße aufgedrängt hätten.

489    Das Hauptargument von Koehler scheint darin zu bestehen, dass sie ein Familienunternehmen sei, das keinen Zugang zu den Kapitalmärkten habe und das sowohl im Hinblick auf seine Größe als auch auf seine Ressourcen im Vergleich zu den übrigen mit einer Sanktion belegten Beteiligten zu den kleinen Unternehmen gehöre.

490    Um den Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nachzuweisen, stellt Koehler Vergleiche zwischen ihrer Geldbuße und den Geldbußen von MHTP, Zanders und AWA an.

491    Bei der Beweisführung bezieht Koehler jedoch in den Gesamtumsatz von MHTP und Zanders den Umsatz der Gruppe ein, zu der diese Unternehmen ihres Erachtens gehören. Wie das Gericht oben in Randnr. 478 ausgeführt hat, hat die Kommission aber den Gesamtumsatz der Gruppe, der die beiden genannten Unternehmen angehören, zu Recht nicht berücksichtigt.

492    In Bezug auf den Vergleich der Geldbuße von Koehler mit der Geldbuße von AWA ist daran zu erinnern, dass bei der Festlegung des Ausgangsbetrags in Randnr. 409 der Entscheidung ausdrücklich die relative Bedeutung der Unternehmen auf dem betroffenen Markt unter Zugrundelegung des Produktumsatzanteils im EWR berücksichtigt wurde. In diesem Stadium spiegelte somit der Ausgangsbetrag der Geldbuße jedes dieser beiden Unternehmen global das Verhältnis zwischen ihrem jeweiligen Umsatz auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier wider.

493    Die Kommission verdoppelte sodann zu Abschreckungszwecken den Ausgangsbetrag bei AWA, Sappi und Bolloré, um deren Größe und Gesamtressourcen Rechnung zu tragen. Indem die Kommission die Geldbuße bei AWA, nicht aber bei Koehler aus diesem Grund verdoppelte, berücksichtigte sie somit den zwischen diesen beiden Unternehmen bestehenden Unterschied in der Größe und den Gesamtressourcen.

494    Hinzuzufügen ist, dass der bloße Vergleich des Prozentsatzes der Geldbußen vom Gesamtumsatz der betroffenen Unternehmen nicht ausreichen kann, um die Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße von Koehler zu belegen. Die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße kann nämlich nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein (vgl. die oben in Randnr. 468 angeführte Rechtsprechung).

495    Im Übrigen belegen diese Vergleiche nicht, dass der Grundbetrag der Geldbuße von Koehler außer Verhältnis zur Größe und zu den Gesamtressourcen des Unternehmens steht. Die Klägerin erbringt keinen Nachweis dafür, dass der Grundbetrag der Geldbuße, gemessen an ihrem konkreten Gewicht, zu hoch ist. Es trifft zwar zu, dass Koehler ein Familienunternehmen ist, doch kann sie nach ihrem Umsatz bei Selbstdurchschreibepapier nicht zu den kleinen Unternehmen der Branche gezählt werden.

496    Schließlich ist die Kommission bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen nicht verpflichtet, für den Fall, dass gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den Endbeträgen der Geldbußen alle Unterschiede zwischen den betreffenden Unternehmen in Bezug auf ihren Gesamtumsatz zum Ausdruck kommen (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 217).

497    Daher ist die auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützte Rüge von Koehler zurückzuweisen.

 Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

498    AWA trägt vor, die in ihrem Fall anhand der Schwere festgesetzte Geldbuße sei im Verhältnis zu den Geldbußen der übrigen Kartellteilnehmer überhöht. Die Kommission habe sich in Bezug auf MHTP, Zanders und Koehler an die Leitlinien gehalten, während sie bei ihr das alte, auf der jeweiligen Bedeutung der betreffenden Unternehmen auf dem Markt beruhende System angewandt habe.

499    Zanders macht geltend, durch die von der Kommission vorgenommene Klassifizierung sei sie gegenüber ihren im Kartell erheblich aktiveren Konkurrenten wie Koehler, MHTP und Torraspapel benachteiligt worden.

500    Koehler führt aus, der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung sei verletzt, wenn ein Unternehmen durch eine Geldbuße, gemessen an seiner Wirtschaftskraft, ungleich härter bestraft werde als die übrigen betroffenen Unternehmen. Als Familienunternehmen hätte sie nicht in die gleiche Kategorie wie MHTP und Zanders eingestuft werden dürfen. Ihr Vorbringen entspricht zum großen Teil den Argumenten, die bereits im Rahmen des geltend gemachten Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft wurden. Insoweit ist auf die obigen Randnrn. 486 bis 497 zu verweisen.

501    Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 309 und die dort angeführte Rechtsprechung).

502    Nach den Leitlinien sollten bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind (Kartelle), in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen Kategorien festgesetzten Beträge gewichtet werden, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren.

503    Für diesen Fall heißt es in den Leitlinien weiter: „Der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise kann … gegebenenfalls dazu führen, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, ohne dass dieser Abstufung eine arithmetische Formel zugrunde liegt.“

504    Nach der Rechtsprechung muss, wenn die Kommission die betroffenen Unternehmen zur Festsetzung der Geldbußen in Kategorien einteilt, die Bestimmung der Schwellenwerte für jede der auf diese Weise gebildeten Kategorien schlüssig und objektiv gerechtfertigt sein (Urteil Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 496 angeführt, Randnr. 220).

505    Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob die von der Kommission vorgenommene Klassifizierung mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung in Einklang steht.

506    Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission, damit „das jeweilige Gewicht und folglich die tatsächlichen Wettbewerbsfolgen des Verstoßverhaltens der einzelnen Unternehmen berücksichtigt werden“, in der Entscheidung (Randnrn. 406 und 407) die betroffenen Unternehmen „nach ihrer relativen Bedeutung auf dem betroffenen Markt“ in Kategorien eingeteilt. Dabei hielt sie „[f]ür die Bestimmung der relativen Bedeutung eines Unternehmens auf dem betroffenen Markt … eine Gewichtung anhand des Produktumsatzanteils im EWR für gerechtfertigt“. In Randnr. 408 wird auch auf die Marktanteile der Unternehmen Bezug genommen. Die Begründung für die vorgenommene Klassifizierung ist somit klar.

507    Da diese Gesichtspunkte – der Umsatz des Unternehmens mit dem Produkt im EWR sowie seine Marktanteile – Rückschlüsse auf die Bedeutung des Unternehmens zulassen, können sie nach der oben in Randnr. 468 angeführten Rechtsprechung von der Kommission in diesem Rahmen berücksichtigt werden.

508    Wie aus Randnr. 407 der Entscheidung hervorgeht, hat die Kommission bei der Festlegung der verschiedenen Kategorien die Zahlen aus Tabelle 1 b in Randnr. 18 der Entscheidung herangezogen.

509    Insoweit ist hervorzuheben, dass die in dieser Tabelle enthaltenen Umsatzzahlen auf Angaben der Unternehmen in ihren Erwiderungen auf die Auskunftsverlangen beruhen. AWA kann sich daher im vorliegenden Verfahren nicht darauf berufen, dass sie selbst unzutreffende Angaben gemacht habe. Davon abgesehen bleiben die in ihrer Klageschrift genannten neuen Zahlen in der gleichen Größenordnung und hätten daher nicht zu einem anderen Ergebnis geführt.

510    Im Übrigen geht entgegen dem Vorbringen von AWA aus dem Vergleich der Zahlenangaben in der fraglichen Tabelle und den von der Kommission festgelegten Kategorien nicht hervor, dass die Kommission bei AWA ein anderes System angewandt hat als bei den übrigen Unternehmen.

511    Zwar würde die Heranziehung der Marktanteile neben anderen Gesichtspunkten zwecks Differenzierung zwischen den Unternehmen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, wenn sie nicht bei allen einbezogenen Unternehmen erfolgen würde. AWA liefert jedoch selbst in ihrer Klageschrift eine Tabelle, aus der nach ihren eigenen Angaben hervorgeht, dass die anhand der Schwere festgelegten Beträge im Allgemeinen den Anteilen der Beteiligten auf dem betroffenen Markt entsprechen. Entgegen dem Vorbringen von AWA wurde der Grundsatz der Gleichbehandlung somit beachtet.

512    Zanders ist der Ansicht, sie sei dadurch benachteiligt worden, dass sie in dieselbe Kategorie wie MHTP und Koehler eingestuft worden sei, obwohl diese wesentlich aktiver am Kartell mitgewirkt hätten als sie, oder dadurch, dass sie nicht in dieselbe Kategorie wie Torraspapel eingestuft worden sei, obwohl es keinen objektiven Grund gegeben habe, sie abweichend zu behandeln.

513    Nach den von der Kommission herangezogenen Zahlen betrugen in den Jahren 1994 und 1995 die Marktanteile von Zanders etwa 12 %, von MHTP etwa 14 % und von Koehler etwa 10 %, während der Marktanteil von Torraspapel im Jahr 1994 bei 5,4 % und im Jahr 1995 bei 6,9 % lag. Nach diesem Kriterium wurde Zanders durch die von der Kommission festgelegten Kategorien nicht benachteiligt; Gleiches gilt im Übrigen für Koehler, trotz des von ihr geltend gemachten Charakters als Familienunternehmen (siehe auch oben, Randnrn. 487 ff.).

514    Zanders versucht jedoch nachzuweisen, dass ihr Marktanteil auf einigen Märkten, insbesondere in Frankreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich, unter dem von Torraspapel gelegen habe.

515    Insoweit ist hervorzuheben, dass sich die Kommission bei allen Kartellteilnehmern auf den Produktumsatz und die Marktanteile im EWR gestützt hat. Sie hat nämlich die Ansicht vertreten, dass das Kartell den gesamten Gemeinsamen Markt und – nach seiner Gründung – den gesamten EWR erfasst habe (Randnr. 403 der Entscheidung). Die Beweisführung von Zanders ist daher irrelevant, da sie nur für bestimmte Märkte gilt.

516    Der von Zanders behauptete – und von der Kommission im Übrigen bestrittene – geringere Grad ihrer Mitwirkung am Kartell könnte unter Umständen als mildernder Umstand im Sinne der Leitlinien berücksichtigt werden. Er spielt jedoch keine Rolle im Stadium der Festlegung des Ausgangsbetrags anhand der Schwere, wo die Gewichtung auf der Grundlage objektiver Kriterien vorgenommen wird, um „das jeweilige Gewicht … jedes einzelnen Unternehmens“ zu berücksichtigen.

517    Schließlich ist auf das Argument von AWA einzugehen, dass das allgemeine Niveau der anhand der Schwere für das vorliegende Kartell festgesetzten Beträge im Vergleich mit anderen neueren Rechtssachen zu hoch sei.

518    AWA führt aus, mit der sehr bedeutsamen Ausnahme des in ihrem Fall festgesetzten Betrags ähnelten die Ausgangsbeträge im vorliegenden Fall weitgehend den für jeden Verstoß festgelegten Beträgen in anderen Rechtssachen, bei denen es um besonders schwere Verstöße gegangen sei. Sie hätten aber wesentlich niedriger sein müssen, weil die Vereinbarungen nicht zu einer Erhöhung der Preise im Vergleich mit den normalen Wettbewerbsbedingungen geführt, nicht die Erzielung geringer Gewinne durch die Beteiligten verhindert, sich auf Erörterungen der Preise beschränkt und keinen Kontrollmechanismus umfasst hätten.

519    Die Argumentation von AWA richtet sich gegen die Einstufung der vorliegenden Zuwiderhandlung als besonders schwer und nicht gegen die aufgrund dieser Einstufung als besonders schwere Zuwiderhandlung festgelegten Beträge, die nach den Angaben von AWA weitgehend den in anderen Rechtssachen wegen gleichartiger Zuwiderhandlungen festgelegten Beträgen ähneln.

520    Da die Kommission die Zuwiderhandlung zu Recht als besonders schwer eingestuft hat (siehe oben, Randnrn. 431 bis 442), kann die Rüge der Ungleichbehandlung im Verhältnis zu neueren Rechtssachen nicht durchgreifen, da AWA einräumt, dass ein solcher Betrag auch in anderen Rechtssachen für derartige Zuwiderhandlungen festgesetzt wurde.

521    Im Übrigen ist in Bezug auf die im Fall von AWA festgesetzte Geldbuße daran zu erinnern, dass nach gefestigter Rechtsprechung die Tatsache, dass die Kommission für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen in der Vergangenheit Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, ihr nicht die Möglichkeit nehmen kann, die Geldbußen in den Grenzen der Verordnung Nr. 17 zu erhöhen, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen.

522    Daher sind die Klagegründe, die sich gegen die Klassifizierung der Kartellteilnehmer und die auf dieser Grundlage festgesetzten Ausgangsbeträge richten, zurückzuweisen.

4.     Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken

523    AWA und Bolloré wenden sich gegen die Verdoppelung des Ausgangsbetrags der Geldbußen zu Abschreckungszwecken. Diese Erhöhung führe zu einer Geldbuße, die völlig außer Verhältnis zu dem vom Kartell betroffenen Verkaufsvolumen stehe und die Schwere der den verschiedenen Unternehmen zuzurechnenden Zuwiderhandlung und ihre konkrete Rolle außer Acht lasse. AWA macht ferner geltend, diese Erhöhung zu Abschreckungszwecken werde weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der Entscheidung begründet und sei mit der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit unvereinbar.

524    Die Kommission hat in den Randnrn. 410 bis 412 der Entscheidung ausgeführt, um eine ausreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße zu gewährleisten, sei sie in Bezug auf AWA, Sappi und Bolloré der Auffassung, „dass der aus der relativen Bedeutung auf dem betroffenen Markt resultierende Ausgangsbetrag der Geldbuße wegen der Größe dieser Unternehmen und ihrer Gesamtressourcen nach oben angepasst werden muss“. Sie hatte bereits in der MB angekündigt, die Geldbußen so hoch ansetzen zu wollen, dass sie abschreckend wirken.

525    Nach den Leitlinien ist „die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet“. Darüber hinaus kann der Tatsache Rechnung getragen werden, dass „Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind“.

526    Es steht der Kommission frei, das Niveau der Geldbußen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken (Urteil vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 196 angeführt, Randnr. 309). Überdies kann die Kommission gegen ein Unternehmen, dessen Handlungen sich auf dem Markt nachhaltiger auswirken als die Handlungen anderer Unternehmen, die die gleiche Zuwiderhandlung begangen haben, da es dort eine entscheidende Stellung einnimmt, höhere Geldbußen verhängen, ohne gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verstoßen. Eine derartige Berechnungsweise der Höhe der Geldbuße entspricht auch dem Erfordernis einer hinreichenden Abschreckung (Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2003, Minoan Lines/Kommission, T‑66/99, Slg. 2003, II‑5515, Randnr. 284; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, T‑24/93 bis T‑26/93 und T‑28/93, Slg. 1996, II-1201, Randnr. 235).

527    Die Abschreckung muss, wie sich aus dem Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission (oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 106) ergibt, sowohl spezifisch als auch generell sein. Mit der Geldbuße wird eine individuelle Zuwiderhandlung geahndet, aber sie fügt sich auch in den Rahmen einer allgemeinen Politik zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln durch die Unternehmen ein. Selbst gegenüber dem betroffenen Unternehmen kann sich die Abschreckung nicht allein auf den relevanten Markt beschränken, sondern muss für seine gesamten Tätigkeiten gelten. Bolloré kann daher aus dem Verkauf ihrer Sparte „Selbstdurchschreibepapier“ und der fehlenden Rückfallgefahr in diesem Sektor keinen Anspruch auf Herabsetzung ihrer Geldbuße ableiten.

528    Zum Einwand von AWA in Bezug auf die Abschreckungswirkung erga omnes der Geldbuße ist festzustellen, dass die Geldbuße zwar eine Abschreckungswirkung sowohl gegenüber dem Unternehmen, dem sie auferlegt wurde, als auch gegenüber anderen Unternehmen haben soll, die versucht sein könnten, gegen die Wettbewerbsregeln zu verstoßen; im vorliegenden Fall wurde sie jedoch unter Berücksichtigung der konkreten Situation des betroffenen Unternehmens und aller Umstände des Einzelfalls berechnet. Insoweit kann die Geldbuße, wenn sie gegenüber dem fraglichen Unternehmen nicht unverhältnismäßig ist, dies nicht allein dadurch werden, dass sie zugleich eine Abschreckungswirkung erga omnes entfaltet.

529    Vorliegend wenden sich die Klägerinnen jedoch vor allem gegen das Ausmaß der Erhöhung zu Abschreckungswirkung in ihrem Fall, das unverhältnismäßig sei und für das Erläuterungen fehlten.

530    Was die behauptete Unverhältnismäßigkeit des im vorliegenden Fall zu Abschreckungszwecken angewandten Multiplikators angeht, so hat das Gericht in seinem Urteil ABB/Kommission (Randnr. 162) die Verdoppelung der Geldbuße gebilligt, die von der Kommission zu Abschreckungszwecken vorgenommen wurde, um die Bedeutung der Klägerin im Fernwärmesektor widerzuspiegeln und ihrer Stellung als einem der größten europäischen Konzerne Rechnung zu tragen.

531    Nach Tabelle 1 b in Randnr. 18 der Entscheidung sind AWA, Bolloré und Sappi die größten europäischen Konzerne. Ihr Gesamtumsatz, der sich in derselben Bandbreite bewegt, ist deutlich höher als der Umsatz der übrigen betroffenen Unternehmen. Folglich erscheint die Verdoppelung der Geldbußen von AWA und Bolloré im Hinblick auf die Stellung ihrer Gruppe nicht als unverhältnismäßig.

532    Insoweit ist hervorzuheben, dass – entgegen der offenbar bei AWA und Bolloré bestehenden Annahme, wonach sich die Kommission bei dieser Erhöhung zu Abschreckungszwecken auf den weltweiten Umsatz ihrer Gruppe gestützt habe – der Multiplikator nicht anhand einer mathematischen Formel errechnet wurde und nicht proportional zum Gesamtumsatz der Klägerin ist (vgl. in diesem Sinne Urteil ABB/Kommission, Randnr. 180). Vergleicht man nämlich, in absteigender Reihenfolge, in Tabelle 1 b die Gesamtumsätze von AWA, Sappi, Bolloré und Torraspapel, so zeigt sich, dass der Umsatz von Bolloré und AWA zwischen fünf- und siebenmal so hoch ist wie der Umsatz von Torraspapel, während die Kommission nur einen Multiplikator von 2 angewandt hat, ohne zwischen AWA und Bolloré zu differenzieren.

533    Zu dem Argument, diese Erhöhung stehe völlig außer Verhältnis zu dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Umsatz, ist zu sagen, dass der von der Schwere bestimmte Ausgangsbetrag der Geldbuße auf der Grundlage des Produktumsatzanteils auf dem betreffenden Markt ermittelt wurde. Dieser Gesichtspunkt wurde daher von der Kommission an erster Stelle berücksichtigt. Die Erhöhung zu Abschreckungszwecken dient dagegen in einem späteren Stadium zur Berücksichtigung der Größe und der Gesamtressourcen des Unternehmens.

534    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission sowohl den Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch den Teil dieses Umsatzes berücksichtigen darf, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 121).

535    AWA wirft der Kommission gleichwohl vor, bereits im Stadium der Festsetzung des Ausgangsbetrags wegen der Bedeutung der Klägerin auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier einen Multiplikator von 3,5 und dann noch zur Abschreckung einen Multiplikator von 2 angewandt zu haben.

536    Wie oben ausgeführt, werden aber bei beiden Erhöhungen nicht die gleichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Die erste Erhöhung bezieht sich auf die Bedeutung des Unternehmens auf dem relevanten Produktmarkt, und die zweite betrifft die gesamte Tätigkeit des Unternehmens oder der Gruppe, der es angehört, und soll seinen Gesamtressourcen Rechnung tragen.

537    Zur fehlenden Erläuterung für die Erhöhung zu Abschreckungszwecken ist festzustellen, dass die Kommission in der Entscheidung ausführt, im Fall von AWA, Sappi und Bolloré müsse „der aus der relativen Bedeutung auf dem betroffenen Markt resultierende Ausgangsbetrag der Geldbuße wegen der Größe dieser Unternehmen und ihrer Gesamtressourcen nach oben angepasst werden“. Entgegen dem Vorbringen von AWA wird die fragliche Erhöhung also durchaus begründet.

538    AWA wendet sich jedoch gegen die Heranziehung der Größe des Unternehmens und seiner Gesamtressourcen zu Abschreckungszwecken. Sie führt aus, nach einer vernünftigen ökonomischen Theorie der Abschreckung müssten die Geldbußen in Abhängigkeit vom erwarteten Nutzen der Zuwiderhandlung auf dem relevanten Markt und von der Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung festgesetzt werden. Zwischen der Frage der Abschreckung und dem weltweiten Konzernumsatz eines Unternehmens bestehe kein rationaler Zusammenhang.

539    In Bezug auf die Berücksichtigung der Größe und der Gesamtressourcen der betroffenen Unternehmen vermag das Gericht keinen Beurteilungsfehler in der von der Kommission vertretenen Auffassung zu erkennen, dass Großunternehmen im Allgemeinen über bessere Ressourcen verfügen, um Kenntnis von den Anforderungen und Folgen des Wettbewerbsrechts zu erlangen, als kleinere Unternehmen (Urteil ABB/Kommission, Randnr. 169).

540    Da die Berücksichtigung der Abschreckungswirkung einer Geldbuße zu den Faktoren gehört, die nach der Rechtsprechung bei der Ermittlung der Schwere einer Zuwiderhandlung zum Tragen kommen, kann AWA zudem der Kommission keinen Vorwurf daraus machen, dass sie die Abschreckungswirkung der Geldbußen bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags anhand der Schwere ihrer Zuwiderhandlung berücksichtigt hat. Die Berücksichtigung der Abschreckungswirkung der Geldbußen ist nämlich Bestandteil der Gewichtung der Geldbußen anhand der Schwere der Zuwiderhandlung (Urteil ABB/Kommission, Randnr. 167). Die Behauptung von AWA, die Kommission sei verpflichtet gewesen, eine Erhöhung zu Abschreckungszwecken erst im letzten Stadium der Bußgeldberechnung vorzunehmen, ist daher nicht stichhaltig.

541    Zur behaupteten Unvereinbarkeit der Erhöhung zu Abschreckungszwecken mit der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit ist hervorzuheben, dass sich diese beiden Schritte klar voneinander unterscheiden und dass die gleichzeitige Anwendung beider Elemente nicht als widersprüchlich angesehen werden kann. Die Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken gehört nämlich zu der Phase der Bußgeldberechnung, in der die begangene Zuwiderhandlung geahndet wird. Nach der Ermittlung dieses Betrages sollen dann durch Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit diejenigen Unternehmen belohnt werden, die beschlossen haben, mit der Kommission zu kooperieren. Entgegen dem Vorbringen von AWA gewährleistet die Tatsache, dass ein Unternehmen beschlossen hat, an einer Untersuchung mitzuwirken, um eine Herabsetzung der ihm in diesem Rahmen auferlegten Geldbuße zu erreichen, keineswegs, dass es davon Abstand nehmen wird, künftig eine ähnliche Zuwiderhandlung zu begehen.

542    Die Gesichtspunkte, die Anlass zur Herabsetzung der Geldbuße eines Unternehmens aufgrund individueller mildernder Umstände geben könnten, sind gegebenenfalls bei der Prüfung mildernder Umstände zu berücksichtigen und kommen nicht im Stadium der Erhöhung zu Abschreckungszwecken zum Tragen. Dies gilt z. B. für die Mitläuferrolle, die Copigraph (Bolloré) gespielt haben will, und für die Beendigung der Zuwiderhandlung durch dieses Unternehmen vor Beginn der Untersuchung.

543    Vor Abschluss der Prüfung des Vorbringens der Klägerinnen zur Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken ist in diesem Zusammenhang schließlich auf die Ungleichbehandlung zurückzukommen, die einige Unternehmen darin sehen, dass in ihrem Fall der Umsatz der Gruppe herangezogen worden sei, während die Kommission ihn bei anderen Kartellteilnehmern nicht berücksichtigt habe. Da die Kommission nämlich ankündigte, die Größe und die Gesamtressourcen der betroffenen Unternehmen im Rahmen der Erhöhung der Geldbußen zu Abschreckungszwecken berücksichtigen zu wollen (Randnr. 411 der Entscheidung), kann die Zugehörigkeit zu einer Gruppe entscheidend sein.

544    In Bezug auf AWA ist darauf hinzuweisen, dass zu Recht der Umsatz der Gruppe herangezogen wurde, da die Muttergesellschaft – was im Übrigen nicht bestritten wurde – unmittelbar und autonom am Kartell beteiligt war.

545    In Bezug auf Bolloré hat das Gericht oben in den Randnrn. 66 bis 81 die Ansicht vertreten, dass der Vorwurf ihrer unmittelbaren Beteiligung zurückzuweisen ist, da die MB es ihr nicht ermöglichte, von diesem Vorwurf Kenntnis zu erlangen und sich gegen ihn zu verteidigen. Nach Prüfung der Situation von Bolloré (siehe oben, Randnrn. 129 bis 150) hat das Gericht jedoch entschieden, dass die Kommission dieses Unternehmen zu Recht für die Beteiligung seiner Tochtergesellschaft Copigraph am Kartell haftbar gemacht hat.

546    Folglich konnten diese beiden Gesellschaften als gemeinschaftlich für das ihnen vorgeworfene Verhalten verantwortlich angesehen werden, da die Handlungen der einen der anderen zuzurechnen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnrn. 54, 524 und 525). Aus Tabelle 1 b in Randnr. 18 der Entscheidung geht hervor, dass der im Fall von Bolloré berücksichtigte Umsatz bei Selbstdurchschreibepapier der Umsatz von Copigraph ist, da nur diese einen solchen Umsatz erzielte. Die Kommission hat daher den Ausgangsbetrag der Geldbuße von Bolloré zutreffend unter Heranziehung des Umsatzes von Copigraph festgelegt. Da Copigraph und Bolloré ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG bildeten, war die Berücksichtigung der Gesamtressourcen der Gruppe zur Gewährleistung einer hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbuße gerechtfertigt.

547    Nach dieser Analyse war die Kommission berechtigt, im Fall von AWA und Bolloré den Ausgangsbetrag der Geldbuße zu erhöhen, um zu gewährleisten, dass sie eine hinreichende Abschreckungswirkung hat.

548    Die Kommission hat auch zu Recht die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze von 10 % des Umsatzes auf den weltweiten Umsatz von Bolloré angewandt. Diese Obergrenze ist nämlich anhand des gesamten Umsatzes aller Gesellschaften zu ermitteln, aus denen die als „Unternehmen“ im Sinne von Art. 81 EG auftretende wirtschaftliche Einheit besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnr. 528).

549    Somit sind alle Klagegründe zurückzuweisen, die auf die Unzulänglichkeit der Beweise, Verstöße gegen Art. 253 EG, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, die mangelnde individuelle Bußgeldbemessung, falsche Tatsachenfeststellungen, Beurteilungsfehler und Rechtsfehler bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung gestützt werden.

E –  Zu den Klagegründen in Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung

550    Nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 ist die Dauer der Zuwiderhandlung einer der Gesichtspunkte, die bei der Bemessung der Geldbuße für Unternehmen, die gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen haben, zu berücksichtigen sind.

551    In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung unterscheiden die Leitlinien zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der für die Schwere des Verstoßes festgesetzte Ausgangsbetrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag um bis zu 10 % für jedes Jahr erhöht werden kann (Nr. 1 Teil B Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich).

552    In den Randnrn. 414 bis 416 der Entscheidung führt die Kommission aus:

„(414) Mit Bezug auf alle Unternehmen ist die Kommission der Auffassung, dass der Verstoß von mittlerer Dauer (ein bis fünf Jahre) war.

(415) Bei AWA, Copigraph (Bolloré), Koehler, Sappi, MHTP (Stora), Torraspapel und Zanders dauerte der Verstoß drei Jahre und neun Monate. Der sich nach der Schwere des Verstoßes richtende Ausgangsbetrag … ist daher für jedes dieser Unternehmen um insgesamt 35 % zu erhöhen.

(416) Im Falle von Mougeot, Carrs, Divipa und Zicuñaga dauerte der Verstoß zwischen einem Jahr und vier Monaten und drei Jahren und fünf Monaten. Der o. g. Ausgangsbetrag ist daher für Mougeot um 30 %, für Carrs um 25 %, für Divipa um 25 % und für Zicuñaga um 10 % zu erhöhen.“

553    Mehrere Klägerinnen wenden sich gegen die Feststellungen der Kommission zur Dauer der von ihnen begangenen Zuwiderhandlung. Insoweit ist auf die obigen Randnrn. 256 bis 371 zu verweisen, aus denen hervorgeht, dass die von der Kommission vorgenommenen Erhöhungen wegen der Dauer der Zuwiderhandlung begründet sind.

554    Darüber hinaus macht AWA in Bezug auf die Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung geltend, die Kommission habe diese Erhöhung nicht, wie in Randnr. 415 der Entscheidung angegeben, beim Ausgangsbetrag der Geldbuße vorgenommen, sondern bei einem doppelt so hohen Betrag.

555    Es trifft zu, dass in Randnr. 415 der Entscheidung von dem „sich nach der Schwere des Verstoßes richtende[n] Ausgangsbetrag“ die Rede ist und in Klammern auf Randnr. 409 Bezug genommen wird, die die anhand der Schwere ermittelten Ausgangsbeträge der Geldbußen ohne Erhöhung zu Abschreckungszwecken enthält.

556    Die Kommission räumt ein, dass es sich dabei um ein Versehen handelt und dass sie auf Randnr. 412 hätte Bezug nehmen müssen, der den Betrag einschließlich der Erhöhung zu Abschreckungszwecken enthält.

557    Am Endergebnis ändert dies jedenfalls nichts. Nach der Logik der Entscheidung wäre es zwar besser gewesen, auf den bereits zu Abschreckungszwecken erhöhten Ausgangsbetrag Bezug zu nehmen. Das Ergebnis wäre aber nicht anders ausgefallen, wenn die Berechnung in umgekehrter Reihenfolge vorgenommen worden wäre, d. h. durch Erhöhung des Ausgangsbetrags von 70 Mio. Euro um 35 % wegen der Dauer der Zuwiderhandlung und anschließender Verdoppelung zu Abschreckungszwecken. Der Grundbetrag der Geldbuße von AWA wäre der in Randnr. 417 genannte Betrag geblieben.

558    Daher sind die auf die Dauer der Zuwiderhandlung gerichteten Klagegründe zurückzuweisen.

F –  Zu dem Klagegrund, mit dem Verstöße gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie ein Fehler bei der Tatsachenwürdigung gerügt werden

559    Aufgrund des erschwerenden Umstands der Anführerrolle bei der Zuwiderhandlung hat die Kommission den Grundbetrag der Geldbuße von AWA um 50 % angehoben (Randnr. 424 der Entscheidung).

560    Zunächst ist festzustellen, dass die Berücksichtigung der Anführerrolle mit der Rechtsprechung und den Leitlinien in Einklang steht.

561    Nach der Rechtsprechung ist, wenn eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen wurde, im Rahmen der Bußgeldzumessung zu prüfen, welches relative Gewicht der Beteiligung jedes einzelnen der Unternehmen zukommt (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 446 angeführt, Randnr. 623), wofür insbesondere ihre jeweilige Rolle bei der Zuwiderhandlung während der Dauer ihrer Beteiligung daran zu ermitteln ist (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnr. 150, und Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Enichem Anic/Kommission, T‑6/89, Slg. 1991, II‑1623, Randnr. 264). Daraus ergibt sich u. a., dass für die Berechnung des Bußgeldbetrags die von einem oder mehreren Unternehmen im Rahmen eines Kartells eingenommene Rolle als „Anführer“ berücksichtigt werden muss, da Unternehmen, die eine solche Rolle spielen, im Vergleich zu den anderen Unternehmen eine besondere Verantwortung tragen (Urteil IAZ u. a./Kommission, oben in Randnr. 121 angeführt, Randnrn. 57 und 58, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Finnboard/Kommission, C‑298/98 P, Slg. 2000, I‑10157, Randnr. 45, und Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, oben in Randnr. 446 angeführt, Randnr. 291). In Einklang mit diesen Grundsätzen wird in Nr. 2 der Leitlinien unter der Überschrift „Erschwerende Umstände“ eine nicht abschließende Liste der Umstände aufgestellt, die eine Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße rechtfertigen; dazu gehört u. a. die „Rolle als Anführer oder Anstifter des Verstoßes“ (Urteil ADM/Kommission, Randnrn. 238 bis 240).

562    AWA trägt jedoch vor, es gebe keine oder nur wenige Beweise für ihre Anführerrolle bei der Zuwiderhandlung; eine Erhöhung um 50 % sei jedenfalls unverhältnismäßig und verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen, die eine Anführerrolle bei der Zuwiderhandlung übernommen hätten.

1.     Fehler bei der Tatsachenwürdigung

563    Nach den Randnrn. 418 und 419 der Entscheidung zeigt ein Bündel von Hinweisen, dass AWA die Anführerrolle bei der Zuwiderhandlung übernommen habe; dazu gehörten insbesondere die Einberufung und Leitung einiger Treffen, ihre Rolle als Initiatorin der Umstrukturierung des Kartells, die Ingangsetzung von Preiserhöhungen sowie die Überwachung der Umsetzung des Kartells.

564    AWA antwortet Punkt für Punkt auf jede dieser Angaben. Die Übernahme der technischen Durchführung bestimmter Treffen habe sie nicht zur Anführerin des Kartells gemacht, zumal sich andere Unternehmen um die Reservierung von Räumen für allgemeine oder örtliche Kartelltreffen gekümmert hätten. Wenn man mangels genauerer Angaben unterstelle, dass ihre angebliche Rolle als Initiatorin mit der zur damaligen Zeit von Herrn B. übernommenen Leitung der AEMCP in Zusammenhang stehe, so sei festzustellen, dass diese Leitungsfunktion keinen Beweis für eine von ihr gespielte Anführerrolle darstellen könne. Für die angeblich von ihr ausgegangenen Preiserhöhungen gebe es keinen anderen Beweis als die Erklärungen von Mougeot, denen es an Verlässlichkeit mangele. Sie sei nicht die einzige gewesen, die Preiserhöhungen angekündigt habe, und dass sie die erste gewesen sei, sei mit ihrer Stellung als Marktführerin zu erklären, gegen die nichts einzuwenden sei und die aus ihr nicht die Anführerin der Zuwiderhandlung mache. Sie habe keinerlei Druck auf irgendeinen Hersteller ausgeübt, und es gebe keinen Beweis dafür, dass sie von ihrer Stellung als Marktführerin tatsächlich Gebrauch gemacht habe, um auf die Einhaltung der Vereinbarungen hinzuwirken, oder auch nur dafür, dass sie damit gedroht habe. Selbst wenn die Richtigkeit der Erklärungen von Mougeot unterstellt werde, belegten sie allenfalls, dass AWA gegenüber anderen Herstellern bisweilen deutliche Worte gebraucht habe.

565    Es ist festzustellen, dass AWA bestimmte Tatsachen nicht als solche bestreitet, sondern sich nur gegen ihre Auslegung durch die Kommission wendet. So leugnet AWA weder, dass sie die technische Durchführung bestimmter Treffen übernahm, noch bestreitet sie, dass Herr B. die AEMCP während deren Umstrukturierung leitete, dass sie Preiserhöhungen ankündigte und dies als erstes Unternehmen tat und dass sie schließlich die Zusage verlangte und erhielt, in den Geschäftsräumen von Sarrió die Informationen über deren Absatzmengen zu überprüfen.

566    Wie sich aus Randnr. 423 der Entscheidung ergibt, zog die Kommission aus diesem Bündel von Anhaltspunkten den Schluss, dass AWA die Anführerrolle spielte:

„Eine lückenlose Kette von Unterlagen zeigt, dass AWA, [die] auf dem Selbstdurchschreibepapiermarkt eine wirtschaftliche Führungsrolle einnahm und als Käufer oder Vertriebshändler von großen Teilen des Ausstoßes kleinerer Produzenten Druck auf [ihre] Konkurrenten ausüben konnte, auch bei der Überwachung und Absicherung der Einhaltung der Vereinbarungen eine Schlüsselrolle spielte.“

567    Schon in der MB führte die Kommission aus:

„Es ist unbestreitbar, dass AWA, der führende Hersteller von Selbstdurchschreibepapier in Europa, zugleich EWR-weit – außer in Spanien – der Hauptanführer des Kartells war. Die … materiellen Beweise zeigen, dass zahlreiche Kartellsitzungen von Vertretern von AWA einberufen und geleitet wurden. … Außerdem gibt es für zumindest zwei allgemeine Kartellsitzungen und mehrere nationale Sitzungen Hinweise darauf, dass die in diesen Sitzungen vereinbarten Preiserhöhungen von AWA ausgingen und dass AWA von den anderen Teilnehmern verlangte, die gleichen Erhöhungen vorzunehmen. AWAs Rolle als Anführer des Kartells wird zusätzlich unterstrichen durch eine Reihe von Dokumenten, die zeigen, dass AWA jeweils das erste Unternehmen war, das die Preiserhöhungen im Markt angekündigt hat und dass die anderen Wettbewerber dann diesen Ankündigungen ‚gefolgt‘ sind. Im Protokoll der allgemeinen Kartellsitzung vom 2. Februar 1995 wird ausdrücklich festgestellt, dass AWA bei der Ankündigung der in der Sitzung vereinbarten Preiserhöhungen vorangehen solle.“

568    Erstens ist festzustellen, dass – auch wenn, wie AWA geltend macht, andere Unternehmen gelegentlich die Reservierung von Räumen übernommen, zu bestimmten Treffen eingeladen oder Preiserhöhungen angekündigt haben mögen – bei keinem von ihnen so viele übereinstimmende Anhaltspunkte für eine Führungsrolle wie bei AWA vorliegen. So trifft es z. B. zu, dass auch Koehler die AEMCP ab Januar 1995 leitete, doch kann die Rolle von Herrn F. (Koehler) nicht mit der von Herrn B. (AWA) verglichen werden, der die Funktionsweise des Kartells modifizierte.

569    Zweitens haben die Kartellmitglieder nichts vorgetragen, das gegen die Anführerrolle von AWA spricht. Vielmehr sind die in den Randnrn. 95, 97, 104, 108, 120, 141, 143, 193, 194, 210, 234 und 246 der Entscheidung angesprochenen und insbesondere die oben in Randnr. 439 erwähnten Erklärungen von Mougeot eher eine Bestätigung für die Führungsrolle von AWA.

570    AWA stellt jedoch den Beweiswert der Erklärungen von Mougeot in Abrede; diese lägen im Interesse von Mougeot begründet, als Opfer eines von AWA ausgeübten Drucks zu erscheinen und als Gegenleistung für solche Auskünfte von der Kommission mit Nachsicht behandelt zu werden.

571    Hierzu ist festzustellen, dass – auch wenn es gewisse Differenzen zwischen Mougeot und AWA gibt – die Erklärungen von Mougeot allgemein in zahlreichen Punkten, insbesondere in Bezug auf die Struktur und die Geschichte des Kartells, mit denen von AWA übereinstimmen, wobei diese im Übrigen auch abgegeben wurden, um von der Mitteilung über Zusammenarbeit profitieren zu können (vgl. u. a. die obigen Randnrn. 163 bis 168 und 261). Die Glaubwürdigkeit der Erklärungen von Mougeot kann daher nicht allein in Bezug auf die Führungsrolle von AWA in Frage gestellt werden, zumal diese Rolle durch ein Bündel schlüssiger und übereinstimmender Beweise bestätigt wird.

572    Überdies ist hervorzuheben, dass zu diesem Bündel von Beweisen neben den Erklärungen von Mougeot Schriftstücke gehören, die die Kommission bei Sappi fand (Randnr. 103 der Entscheidung), sowie Erklärungen und Mitteilungen dieses Unternehmens (vgl. Randnr. 181 der Entscheidung sowie die Bezugnahme in den Randnrn. 228 und 233 auf S. 7 der Akte der Kommission, die Erklärungen von Sappi enthält). Es kann daher nicht behauptet werden, dass die These der Kommission nur durch die Erklärungen von Mougeot gestützt werde.

573    Schließlich weist die Kommission in Bezug auf den von AWA auf andere Unternehmen ausgeübten Druck in ihrer Klagebeantwortung darauf hin, dass sie AWA nicht beschuldigt habe, andere Unternehmen zur Teilnahme am Kartell gedrängt zu haben, auch wenn einige von ihnen, etwa Carrs und Torraspapel, in ihren Erwiderungen auf die MB angegeben hätten, auf Druck von AWA gehandelt zu haben.

574    In Randnr. 425 der Entscheidung führt die Kommission zwar im Rahmen der Prüfung mildernder Umstände aufgrund einer ausschließlich passiven Rolle aus: „Carrs, Copigraph und Torraspapel geben an, bei dem Verstoß eine ausschließlich passive Rolle gespielt zu haben und vom Kartellanführer durch Druck zur Mitwirkung gezwungen worden zu sein. Auch Koehler führt an, durch Drohungen von AWA zur Mitwirkung veranlasst worden zu sein.“ Dabei handelt es sich jedoch um die Darlegung des Vorbringens dieser Parteien in Erwiderung auf die MB, mit dem sie mildernde Umstände zugebilligt bekommen wollten und das die Kommission sodann in den Randnrn. 426 und 427 der Entscheidung zurückweist.

575    Darüber hinaus enthalten die von der Kommission in den Randnrn. 418 bis 423 der Entscheidung zum Nachweis der Führungsrolle von AWA vorgetragenen Gesichtspunkte keine Bezugnahme auf derartige Aufforderungen oder Drohungen von AWA, mit denen Unternehmen zur Kartellteilnahme bewegt werden sollten. AWA kann daher nicht geltend machen, dass sie zu Unrecht solcher Drohungen beschuldigt worden sei oder dass sie keinen Zugang zu dahin gehenden Erklärungen der Unternehmen gehabt habe. Aus den Randnrn. 420 bis 422 der Entscheidung und den Schriftsätzen von AWA geht hervor, dass sie den Vorwurf der Anführerrolle in all seinen Aspekten erfasst und in Ausübung ihrer Verteidigungsrechte bestritten hat. Sie kann daher insoweit keine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend machen.

576    Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen zieht das Gericht den Schluss, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie auf der Grundlage eines Bündels schlüssiger und übereinstimmender Indizien zu dem Ergebnis kam, dass AWA die Anführerrolle bei der Zuwiderhandlung übernommen habe.

577    Nunmehr ist zu prüfen, ob diese Rolle eine Erhöhung der Geldbuße von AWA um 50 % rechtfertigte.

2.     Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

578    AWA macht geltend, selbst wenn sie die Anführerin der Zuwiderhandlung gewesen wäre, würde dies keine Erhöhung der Geldbuße um 50 % rechtfertigen. Die Unverhältnismäßigkeit dieser Erhöhung ergebe sich aus der Entscheidungspraxis der Kommission und aus einem Vergleich ihrer Lage mit der anderer Unternehmen, deren Geldbuße aus dem gleichen Grund erhöht worden sei.

579    Das Argument, eine Erhöhung um 50 % liege über der im Allgemeinen in den übrigen Entscheidungen der Kommission vorgenommenen Erhöhung, ist jedoch nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu belegen (vgl. in diesem Sinne das Urteil ADM/Kommission, Randnr. 248).

580    Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbußen über ein Ermessen verfügt und nicht verpflichtet ist, eine genaue mathematische Formel anzuwenden (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Martinelli/Kommission, T‑150/89, Slg. 1995, II‑1165, Randnr. 59, und Urteil Mo och Domsjö/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 268, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, Slg. 2000, I‑9855, Randnr. 47).

581    Darüber hinaus ist dem Argument, dass die Erhöhung um 50 % die prozentual höchste und in absoluten Zahlen zweithöchste Erhöhung darstelle, die je aufgrund der Anführerrolle vorgenommen worden sei, entgegenzuhalten, dass eine derartige Erhöhung keinen Ausnahmefall darstellt.

582    In ihrer Entscheidung 2002/271/EG vom 18. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.490 – Graphitelektroden) (ABl. 2002, L 100, S. 1) nahm die Kommission bei der SGL Carbon AG eine Erhöhung um 85 % wegen erschwerender Umstände vor. Die Anführerrolle war allerdings nicht der einzige erschwerende Umstand; SGL Carbon wurde ferner zur Last gelegt, die Untersuchung der Kommission behindert und die Zuwiderhandlungen nicht abgestellt zu haben. Im Fall der UCAR International Inc. betrug die Erhöhung 60 % und wurde mit ihrer Rolle als Anführer und Anstifter sowie mit der Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach den Nachprüfungen begründet. In der Entscheidung 1999/210/EG der Kommission vom 14. Oktober 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache Nr. IV/F-3/33.708 – British Sugar Plc, Sache Nr. IV/F-3/33.709 – Tate & Lyle Plc, Sache Nr. IV/F-3/33.710 – Napier Brown & Company Ltd, Sache Nr. IV/F-3/33.711 – James Budgett Sugars Ltd) (ABl. 1999, L 76, S. 1) betrug die Erhöhung 75 %. Der British Sugar Plc wurde ihre Rolle als Anstifter und „treibende Kraft hinter der Zuwiderhandlung“ zur Last gelegt, aber auch die Verletzung ihrer Verpflichtungen zur Einhaltung des Gemeinschaftsrechts und die Begehung von zwei Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht auf dem gleichen Markt.

583    Überdies wurde bei weiteren Unternehmen eine Erhöhung um 50 % wegen ihrer Anführerrolle vorgenommen, z. B. bei der F. Hoffmann-La Roche AG in der Entscheidung 2003/2/EG der Kommission vom 22. November 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.512 – Vitamine) (ABl. 2003, L 6, S. 1) sowie bei Archer Daniels Midland und Ajinomoto in der Entscheidung 2001/418/EG der Kommission vom 7. Juni 2000 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag bzw. Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/36.545/F3 – Aminosäuren) (ABl. 2001, L 152, S. 24).

584    AWA ist jedoch der Ansicht, dass nach der Entscheidungspraxis der Kommission die Anwendung des Satzes von 50 % ein Element der Anstiftung oder der Ausübung von Zwang erfordere.

585    In Bezug auf das Anstiftungselement ist darauf hinzuweisen, dass in der Entscheidung 2001/418 bei ADM eine Erhöhung um 50 % vorgenommen wurde, obwohl die Anstifterrolle eindeutig Ajinomoto zugeschrieben wurde. Dieses Beispiel spricht folglich gegen die These von AWA, dass es zur Anwendung des Satzes von 50 % eines Anstiftungselements bedürfe.

586    Selbst wenn jedoch der These von AWA, dass die Anwendung eines Erhöhungssatzes von 50 % ein Anstiftungselement erfordere, zuzustimmen sein sollte, wäre es im vorliegenden Fall vorhanden. AWA hat nämlich mehrere Kartelltreffen einberufen und geleitet, „gab … den Anstoß zur Umstrukturierung des Kartells“ (Randnr. 418 der Entscheidung), ergriff die Initiative für mehrere Preiserhöhungen und war häufig das erste Unternehmen, das die Preiserhöhungen auf dem Markt ankündigte. Die Erhöhung um 50 % kann daher nicht als unverhältnismäßig angesehen werden (siehe oben, Randnrn. 568 bis 576).

587    Ergänzend ist zum Element der Ausübung von Zwang festzustellen, dass in den Leitlinien zu den erschwerenden Umständen auch Vergeltungsmaßnahmen gegenüber anderen Unternehmen gezählt werden, mit denen die Einhaltung der rechtswidrigen Beschlüsse oder Praktiken durchgesetzt werden soll. Diese Maßnahmen sind daher ein eigener, von der Rolle als Anführer oder Anstifter des Verstoßes getrennter erschwerender Umstand.

588    Überdies ist im vorliegenden Fall nach Randnr. 104 der Entscheidung in den Erklärungen von Mougeot von Drohungen die Rede, denn dort heißt es: „[Herr B.] hat unmissverständlich erklärt, dass er eine Nichtbefolgung dieser Preiserhöhung nicht dulden werde und dass er sich all diejenigen, die nicht mitspielten, persönlich vornehmen werde.“

589    Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass die unbestreitbare wirtschaftliche Führungsrolle von AWA auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier ihr in gewissem Umfang die Ausübung von Zwang ermöglichte. Die oben in Randnr. 439 angesprochenen Erklärungen von Mougeot deuten darauf hin.

590    Die Erhöhung der Geldbuße von AWA um 50 % wegen ihrer Anführerrolle verstößt daher nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

3.     Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

591    Nach Ansicht von AWA verstößt die Erhöhung der Geldbuße um 50 % wegen ihrer Anführerrolle auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da mehrere Unternehmen die gleiche Rolle wie sie gespielt hätten. Koehler habe mehrere Treffen organisiert. Torraspapel, Mougeot und MHTP seien die treibende Kraft bei den nationalen Vereinbarungen gewesen und hätten die technische Durchführung von Treffen übernommen. In der Entscheidung werde Torraspapel als Anführer des Kartells auf dem spanischen Markt beschrieben. Dass die Geldbuße dieser Unternehmen nicht ebenfalls erhöht worden sei, stelle daher eine ungerechtfertigte Diskriminierung dar.

592    Es gibt in Bezug auf keines dieser Unternehmen ein Bündel schlüssiger und übereinstimmender Anhaltspunkte, das von gleicher Art und Bedeutung ist wie die Indizien für eine Anführerrolle von AWA bei der fraglichen Zuwiderhandlung. Dass das eine oder andere dieser Unternehmen diese oder jene Funktion im Kartell gehabt haben mag, macht aus ihm noch keinen Anführer. Erst das Zusammentreffen einer Reihe von Anhaltspunkten, bestätigt durch die Erklärungen mehrerer Unternehmen, verleiht AWA diese Eigenschaft (siehe oben, Randnrn. 568 bis 576).

593    Die Kommission hat daher die Geldbuße von AWA zu Recht wegen erschwerender Umstände um 50 % erhöht.

G –  Zu den Klagegründen, die auf Verstöße gegen Art. 253 EG, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, die mangelnde individuelle Bußgeldbemessung, eine zu enge Auslegung der Leitlinien für Geldbußen sowie offensichtliche Beurteilungsfehler aufgrund der mangelnden Berücksichtigung bestimmter mildernder Umstände gestützt werden

1.     Ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum im Kartell

594    Mehrere Klägerinnen (Bolloré, Zanders, Mougeot, Divipa und Zicuñaga) machen geltend, sie hätten am Kartell nur passiv mitgewirkt oder seien Mitläufer oder Randfiguren gewesen. Die Kommission hätte daher ihre Geldbuße wegen mildernder Umstände herabsetzen müssen.

595    Die Kommission weist ihr Vorbringen mit der Begründung zurück, alle Kartellteilnehmer seien aktive Mitglieder gewesen.

596    Bei einer von mehreren Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung ist die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens zu prüfen (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 446 angeführt, Randnr. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnr. 150), um festzustellen, ob in seinem Fall erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

597    Die Nrn. 2 und 3 der Leitlinien sehen eine Abänderung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe bestimmter erschwerender und mildernder Umstände vor. Insbesondere stellt „ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum“ eines Unternehmens bei der Zuwiderhandlung, sofern erwiesen, nach Nr. 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien einen mildernden Umstand dar, wobei diese passive Rolle bedeutet, dass sich das betreffende Unternehmen nicht hervorgetan haben darf, d. h. nicht aktiv an der Ausarbeitung der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen beteiligt war (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnrn. 165 bis 167).

598    Im Übrigen können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass ihre Geldbuße hätte herabgesetzt werden müssen, weil sie nicht zu den Anführern des Kartells gehört hätten. Mit dem Vorbringen, dass sie keine aktive Rolle gespielt hätten, machen sie nämlich nur das Fehlen eines erschwerenden Umstands geltend (vgl. in diesem Sinne Urteil Lögstör Rör/Kommission, oben in Randnr. 93 angeführt, Randnr. 322, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Dansk Rørindustri/Kommission, T‑21/99, Slg. 2002, II‑1681, Randnr. 230).

599    Bolloré trägt vor, die Kommission habe aus der regelmäßigen Teilnahme von Copigraph an den Kartelltreffen und den Preiserhöhungsinitiativen geschlossen, dass sie keine rein passive Rolle gespielt habe. Auch bei regelmäßiger Teilnahme an den Treffen und den Preiserhöhungen könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass das fragliche Unternehmen im Kartell nur Mitläufer gewesen sei. Die Kommission sei verpflichtet, den konkreten Grad der Beteiligung des betreffenden Unternehmens am Kartell in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu prüfen. Bolloré habe aber bei den Treffen den geringsten Eifer aller Mitglieder der AEMCP gezeigt.

600    Hierzu ist festzustellen, dass der von Bolloré in ihrer Klageschrift anerkannte Beteiligungsgrad von Copigraph – 15 von 21 Treffen der AEMCP, 8 der 11 Treffen zwischen dem 14. September 1993 und September 1995 und 3 der 4 allgemeinen Treffen, abgesehen von ihrer Teilnahme an den nationalen Treffen auf dem französischen Markt und 4 der 6 Treffen in Bezug auf den spanischen Markt – nicht unerheblich ist. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine im Vergleich zu den normalen Kartellmitgliedern deutlich seltenere Teilnahme an den Treffen im Sinne des Urteils BPB de Eendracht/Kommission (oben in Randnr. 501 angeführt, Randnr. 343). Ihre Teilnahme an diesen Treffen und an Preiserhöhungsinitiativen sowie das Eingeständnis ihrer Kartellteilnahme zeugen daher nicht von einer ausschließlich passiven Mitwirkung oder reinem Mitläufertum.

601    Bolloré scheint jedoch der Ansicht zu sein, dass die Kommission einem Unternehmen, das eine passive Mitwirkung geltend mache, mildernde Umstände zubilligen und seine Geldbuße herabsetzen müsse, sofern sie nicht nachweise, dass das Unternehmen tatsächlich aktiv mitgewirkt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.

602    Die Leitlinien schreiben nämlich nicht vor, dass die Kommission jeden der in Nr. 3 aufgeführten mildernden Umstände stets gesondert berücksichtigen muss. Auch wenn die in Nr. 3 der Leitlinien aufgeführten Umstände gewiss zu denen gehören, die die Kommission gegebenenfalls berücksichtigen kann, ist sie doch nicht verpflichtet, automatisch eine zusätzliche Herabsetzung vorzunehmen, wenn ein Unternehmen Gesichtspunkte anführt, die auf das Vorliegen eines dieser Umstände hindeuten können. Denn die Angemessenheit einer etwaigen Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen. Da sich aus den Leitlinien nichts dafür ergibt, dass die in Betracht kommenden mildernden Umstände zwingend berücksichtigt werden müssten, ist davon auszugehen, dass der Kommission ein gewisses Ermessen verbleibt, um über den Umfang einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.

603    Jedenfalls nennen die Leitlinien als Beispiele für mildernde Umstände eine „ausschließlich“ passive Mitwirkung oder „reines“ Mitläufertum. Wer an der Mehrzahl der kollusiven Treffen teilnimmt, ist aber bereits aktiv genug, um nicht als „ausschließlich“ passiv oder „reiner“ Mitläufer eingestuft zu werden.

604    Mougeot rügt, dass die gegen sie verhängte Geldbuße außer Verhältnis zum Grad ihrer Verantwortung für das Kartell stehe. Die von ihr vorgetragenen Argumente belegen aber nicht, dass sie ausschließlich passiv mitwirkte oder eine reine Mitläuferin war, was sie im Übrigen auch nicht behauptet. Dass sie keine Anführerrolle gespielt hat, kann aus dem oben in Randnr. 598 angegebenen Grund ebenfalls nicht zu einer Herabsetzung der Geldbuße führen.

605    Divipa trägt vor, die Kommission habe ihrer ausschließlich passiven und untergeordneten Rolle im Kartell nicht Rechnung getragen. Sie habe an keinem Treffen und keiner Beschlussfassung der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier teilgenommen und zu ihnen nur rein vertikale Beziehungen in ihrer Eigenschaft als bloßer Vertriebshändler unterhalten. Das Gericht hat jedoch das Vorbringen, mit dem Divipa ihre Teilnahme an der Zuwiderhandlung in Abrede stellt, zurückgewiesen (siehe oben, Randnrn. 155 bis 221). Da ihre Teilnahme an kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt erwiesen ist, kann ihre Rolle nicht als ausschließlich passiv eingestuft werden. Dass sie an diesen Treffen als Vertriebshändler teilnahm, vermag daran nichts zu ändern.

606    Zicuñaga führt aus, die Kommission hätte bei der Berechnung ihrer Geldbuße als mildernden Umstand berücksichtigen müssen, dass sie ausschließlich passiv an der Zuwiderhandlung mitgewirkt habe oder reine Mitläuferin gewesen sei. Zur Stützung dieses Vorbringens verweist sie allein auf Entscheidungen der Kommission, in denen diese die Anführer und die gewöhnlichen Mitglieder unterschiedlich behandelte.

607    Da die Kommission jedoch die Teilnahme von Zicuñaga an kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt nachgewiesen hat (siehe oben, Randnrn. 155 bis 243), kann Zicuñaga eine Herabsetzung ihrer Geldbuße nicht dadurch erlangen, dass sie schlicht behauptet, ausschließlich passiv mitgewirkt zu haben oder reine Mitläuferin gewesen zu sein, ohne dafür irgendeinen Beweis zu erbringen.

608    Zanders bestreitet nicht, dass sie von Januar 1992 bis September 1995 Mitglied des Kartells war – und wurde dafür im Übrigen mit einer Herabsetzung der Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit belohnt –, leugnet aber, die ihr von der Kommission zur Last gelegte aktive oder gar führende Rolle im Kartell gespielt zu haben. Sie sei bei bestimmten Treffen nicht zugegen gewesen, und der Kommission vorliegende unmittelbare Nachweise belegten, dass sie an wichtigen Teilen des Kartells nicht oder zumindest in geringerem Umfang als andere Unternehmen teilgenommen und sich auf eine Mitläuferrolle beschränkt habe. Insbesondere habe sie sich an den inoffiziellen Treffen der AEMCP nach deren Umstrukturierung im Herbst 1993 nicht beteiligt.

609    Dass die Teilnahme von Zanders an bestimmten Treffen nicht erwiesen sein mag und dass sie aktiver an den kollusiven Vereinbarungen auf nationaler Ebene als auf europäischer Ebene mitgewirkt haben mag, beweist nicht, dass sie ausschließlich passiv mitwirkte oder reine Mitläuferin war. Zanders erklärt im Übrigen selbst, sie stelle grundsätzlich nicht in Abrede, dass nach bestimmten Treffen, bei denen sie nicht zugegen gewesen sei, Abstimmungen mit ihr stattgefunden hätten. Ungeachtet ihrer Entscheidung, nicht mehr an den inoffiziellen Treffen der AEMCP nach deren Umstrukturierung teilzunehmen, hat Zanders überdies in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, den übrigen Mitgliedern nicht signalisiert zu haben, dass sie sich vom Kartell distanziere oder nicht mehr daran teilnehme. Sie wurde deshalb von den übrigen Beteiligten weiterhin als vollwertiges Mitglied angesehen und über das Ergebnis der kollusiven Treffen informiert. Schließlich geht aus den Erklärungen von Zanders in der mündlichen Verhandlung hervor, dass sie die bei den Treffen, bei denen sie nicht zugegen war, gefassten Beschlüsse umsetzte und nur in einigen Fällen nicht befolgte. Diese Anhaltspunkte widerlegen daher die These, dass sie sich ausschließlich passiv verhalten habe.

610    Zanders versucht offenbar vor allem nachzuweisen, dass sie keine „führende Rolle“ spielte. Nach der oben in Randnr. 598 angeführten Rechtsprechung macht sie damit aber nur das Fehlen eines erschwerenden Umstands geltend.

611    Was die Benachteiligung angeht, die Zanders gegenüber anderen, ihres Erachtens im Kartell deutlich aktiveren Unternehmen erlitten zu haben glaubt, so ist die ausschließlich passive Mitwirkung oder das reine Mitläufertum im Kartell für jedes Unternehmen individuell zu prüfen. Dass andere Unternehmen aktiver gewesen sein mögen, bedeutet nicht automatisch, dass Zanders ausschließlich passiv mitwirkte oder reine Mitläuferin war. Nur ihre völlige Passivität könnte berücksichtigt werden, aber diese ist nicht erwiesen.

612    Im Ergebnis hat die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, dass alle am Kartell beteiligten Unternehmen insofern aktive Mitglieder waren, als sie an Treffen teilnahmen, bei denen sie Informationen austauschten und Preiserhöhungen beschlossen, die sodann den Kunden angekündigt wurden. Auch wenn es zutrifft, dass nicht unbedingt alle von ihnen bei allen Aspekten der Zuwiderhandlung und auf dem ganzen Markt gleichermaßen aktiv waren, hat doch keines von ihnen im eigentlichen Sinne ausschließlich passiv mitgewirkt oder war reiner Mitläufer. Die Kommission hat daher die Leitlinien, die keine Abstufung zwischen der Anführerrolle und der ausschließlich passiven Mitwirkung oder dem reinen Mitläufertum vorsehen, zutreffend angewandt.

2.     Größe und Markteinfluss des zuwiderhandelnden Unternehmens

613    Divipa ist der Ansicht, sie hätte nicht in dieselbe Kategorie wie Carrs und Zicuñaga eingestuft werden dürfen, weil es sich bei ihr um ein kleines Familienunternehmen handele, das allein auf lokaler Ebene in der Verarbeitung und im Vertrieb tätig sei. Die ihr zur Last gelegte Zuwiderhandlung habe keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung gehabt.

614    Die Kommission trägt vor, sie habe dem begrenzten Einfluss von Divipa durch deren Einstufung in die fünfte Kategorie Rechnung getragen. Da alle Mitgliedsunternehmen des Kartells die Wettbewerbsregeln verletzt hätten, könne die Argumentation von Divipa nicht dazu führen, dass sie in eine niedrigere Kategorie als Carrs und Zicuñaga eingestuft werde.

615    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die geringe Größe von Divipa angemessen berücksichtigt wurde, denn sie wurde in die letzte Kategorie eingestuft, in der der Ausgangsbetrag der Geldbuße auf 1,4 Mio. Euro festgesetzt wurde, obwohl er bei einer als besonders schwer eingestuften Zuwiderhandlung über 20 Mio. Euro hätte betragen können. Zum anderen hat das Gericht bereits entschieden, dass der Umstand, dass die Klägerin ein mittelgroßes Familienunternehmen ist, keinen mildernden Umstand darstellen kann (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 338).

616    Was das Argument angeht, die Divipa zur Last gelegte Zuwiderhandlung habe keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung gehabt, so kann sich die Beurteilung der Auswirkungen des Kartells, das den gesamten Gemeinsamen Markt und dann den gesamten EWR umfasste, nicht allein auf den Markt beschränken, auf dem Divipa nach ihren Angaben tätig ist. Der Handel zwischen Mitgliedstaaten wurde somit beeinträchtigt, so dass Art. 81 EG anwendbar ist. Sollte dieses Argument dahin zu verstehen sein, dass mit ihm das Fehlen einer konkreten Auswirkung der Divipa zur Last gelegten Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb geltend gemacht wird, so ist auf die obigen Randnrn. 445 bis 459 zu verweisen.

617    Divipa war daher kein mildernder Umstand aufgrund ihrer Größe und ihres begrenzten Einflusses zuzubilligen.

3.     Verhalten auf dem Markt im Zeitraum der Zuwiderhandlung

618    Divipa führt aus, sie habe die bei Sitzungen, an denen sie nicht teilgenommen habe, angeblich getroffenen Vereinbarungen nie angewandt. Ihr Geschäftsverhalten habe in Widerspruch zum Inhalt dieser Vereinbarungen gestanden. Ihr Verhalten habe daher auf den Markt nur ganz unbedeutende oder gar keine Auswirkungen gehabt.

619    Torraspapel macht geltend, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass sie sich trotz des auf sie ausgeübten Drucks nicht an die Preisabsprachen gehalten habe. Die Entwicklung ihrer Preispolitik entspreche keineswegs den angeblichen Preisabsprachen. Ihr Preisverhalten habe die wettbewerbswidrigen Wirkungen des Kartells regelmäßig vereitelt; schon deshalb hätte ihr die Kommission einen mildernden Umstand zubilligen müssen.

620    Zicuñaga führt aus, nach den Leitlinien und der Praxis der Kommission sei als mildernder Umstand zu berücksichtigen, dass die unzulässige Vereinbarung nicht nur teilweise umgesetzt worden sei.

621    Die Kommission hält sich nicht für verpflichtet, die Nichteinhaltung einer unzulässigen Vereinbarung als mildernden Umstand heranzuziehen. Sie beruft sich dabei u. a. auf das Urteil vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission (oben in Randnr. 468 angeführt, Randnr. 142).

622    Wie bereits dargelegt, ist bei einer von mehreren Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens zu prüfen (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 446 angeführt, Randnr. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnr. 150), um festzustellen, ob in seinem Fall erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

623    Nr. 3 – „Mildernde Umstände“ – der Leitlinien enthält eine nicht abschließende Liste von Umständen, die zu einer Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße führen können; dazu gehört die tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen (Nr. 3, zweiter Gedankenstrich).

624    Dieser Abschnitt enthält keine bindende Aufzählung mildernder Umstände, die die Kommission berücksichtigen muss. Folglich verbleibt der Kommission ein gewisses Ermessen, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.

625    Insoweit ist zu prüfen, ob die von den Klägerinnen vorgetragenen Umstände belegen können, dass sie sich in der Zeit, in der sie an den rechtswidrigen Vereinbarungen beteiligt waren, deren Anwendung tatsächlich entzogen, indem sie sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhielten (Urteil ADM/Kommission, Randnr. 268; vgl. in diesem Sinne auch Zement-Urteil, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnrn. 4872 bis 4874).

626    Vorliegend lassen die von den Klägerinnen gelieferten Anhaltspunkte nicht den Schluss zu, dass sie sich der Anwendung der fraglichen rechtswidrigen Vereinbarungen tatsächlich entzogen, indem sie sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhielten.

627    Im Fall von Torraspapel kann man zwar aus den Randnrn. 157, 166 und 216 der Entscheidung ableiten, dass dieses Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen nicht immer oder nur mit Verzögerung befolgte, doch belegen zahlreiche andere Anhaltspunkte (vgl. insbesondere die Randnrn. 204, 206, 215, 225 bis 227 und 236 bis 238 der Entscheidung), dass es diese Vereinbarungen weitgehend umsetzte. So geht z. B. aus den Randnrn. 204 und 206 hervor, dass AWA, Koehler, Sappi, Stora und Torraspapel zwischen Januar und Mai 1994 Preiserhöhungen ankündigten, die mit den in der allgemeinen Kartellsitzung vom 19. Januar 1994 beschlossenen Erhöhungen übereinstimmten. Desgleichen kündigten AWA, Sappi, Stora, Torraspapel und Zanders für September oder Oktober 1994 Preiserhöhungen an, die genau mit den in der Sitzung vom 21. Juni 1994 abgesprochenen Erhöhungen übereinstimmten (Randnr. 215). Zum Zeitraum von Dezember 1994 bis Februar 1995 führt die Kommission in Randnr. 225 aus, sie habe festgestellt, dass alle Teilnehmer an der allgemeinen Kartellsitzung vom 22. September 1994 – AWA, Koehler, Sappi, Stora, Torraspapel und Zanders –Preiserhöhungen angekündigt hätten, die mit den bei dieser Sitzung vereinbarten Erhöhungen übereinstimmten. Schließlich heißt es in einem von Sappi übermittelten und in Randnr. 238 angeführten Schriftstück vom 16. Februar 1995: „Die Marktführer Sarrió/Stora/AWA haben die 6%ige Erhöhung [für Rollen] zum 1. 3. 1995 verkündet …“ Ferner ergibt sich aus von der Kommission vorgelegten Schriftstücken, dass Torraspapel bisweilen gesonderte Vereinbarungen mit bestimmten Großkunden traf und dabei die vereinbarte Preiserhöhung verschob. Bei den Zahlen, auf die sie ihr Argument von der mangelnden Anwendung der vereinbarten Preiserhöhungen stützt, vergleicht sie aber die durchschnittlichen monatlichen Preise, ohne auf diese Verzögerungen oder Verschiebungen bei der Anwendung aufmerksam zu machen.

628    Die Behauptung von Divipa, sie sei ein bloßer Vertriebshändler, der mit den übrigen betroffenen Unternehmen nicht in Wettbewerb stehe, ist nicht stichhaltig. Sie kaufte zwar große Rollen von den Herstellern, stellte aber selbst Bögen und kleine Rollen her, die sie wie andere betroffene Unternehmen an Dritte lieferte. Auf dem spanischen und dem portugiesischen Markt vertrieben einige Hersteller ihre Produkte selbst; andere bedienten sich unabhängiger Vertriebshändler (Randnr. 153 der Entscheidung). Die vertikal integrierten Hersteller kontrollierten den gesamten Ablauf und legten ihre Preise für die Druckereien fest, während die vertikal nicht integrierten Hersteller den Verkaufspreis mit dem Vertriebshändler abstimmen mussten. In diesem Fall mussten zwei Preisniveaus festgelegt werden: der Preis, den der Hersteller vom Vertriebshändler verlangte, und der Preis, den der Vertriebshändler von Dritten verlangte. Der Vermerk über das Treffen in Barcelona am 19. Oktober 1993 (Dokument Nr. 4474, in Randnr. 192 der Entscheidung angeführt und oben in Randnr. 173 angesprochen) zeigt, dass sich das Kartell auch auf den letztgenannten Preis erstreckte. Durch die Teilnahme am Kartell hatte Divipa daher die Möglichkeit, ihre Gewinnspanne zu beeinflussen.

629    Außerdem hat die Kommission nachgewiesen, dass Divipa an kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt teilnahm, bei denen Preiserhöhungen beschlossen wurden. Divipa macht jedoch geltend, sie habe diese Vereinbarungen nicht angewandt. Im vorliegenden Fall lassen die von ihr gemachten Angaben jedoch nicht den Schluss zu, dass sie die streitigen Vereinbarungen nicht anwandte und sich insoweit auf dem Markt in einer Weise verhielt, die geeignet war, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der festgestellten Zuwiderhandlung zu durchkreuzen. Die von Divipa ihrer Klageschrift beigefügten Tabellen zeigen nämlich z. B., dass 1994 ihre Margen und Verkaufspreise trotz der strukturellen Überkapazitäten und eines rückläufigen Marktes deutlich stiegen. Selbst wenn man als erwiesen unterstellt, dass sie sich nicht in vollem Umfang an die Vereinbarungen hielt, würde dies allein im Übrigen nicht ausreichen, um die Kommission zu verpflichten, ihr mildernde Umstände zuzubilligen. Die Klägerin hat nämlich durch ihre mehr oder weniger unabhängige Marktpolitik möglicherweise nur versucht, das Kartell zu ihrem Vorteil auszunutzen (Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 468 angeführt, Randnr. 142, und Cascades/Kommission, oben in Randnr. 451 angeführt, Randnr. 230).

630    Die in der vorstehenden Randnummer in Bezug auf Divipa angestellten Erwägungen gelten in gleicher Weise für Zicuñaga. Die Kommission hat nachgewiesen, dass Zicuñaga an kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt teilnahm, bei denen Preiserhöhungen beschlossen wurden. Zicuñaga macht zwar als mildernden Umstand geltend, dass die Erhöhungen nicht umgesetzt worden seien, belegt dies aber nicht. Im Rahmen ihres Vorbringens zu mildernden Umständen begnügt sie sich mit der Bezugnahme auf mehrere Entscheidungen der Kommission, von denen die meisten überdies vor Erlass der Leitlinien ergangen sind. Sie macht geltend, in diesen Entscheidungen habe die Kommission, als sie die Schwere der Zuwiderhandlung beurteilt habe, berücksichtigt, dass die fraglichen Vereinbarungen nicht oder nur begrenzt angewandt worden seien. Bei der Bewertung mildernder Umstände ist aber nach dem Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen die relative Schwere des Tatbeitrags des Unternehmens zu prüfen (Urteil ADM/Kommission, Randnr. 265).

631    Die Angaben von Zicuñaga in anderen, nicht die Frage mildernder Umstände betreffenden Abschnitten ihrer Klageschrift bestätigen jedenfalls, dass sich die Preise von Zicuñaga und Divipa parallel entwickelten. Im Übrigen geht aus der Klageschrift auch hervor, dass die Preise von Zicuñaga von 174,99 ESP im November 1993 auf 210,99 ESP im Dezember 1994 stiegen. Dass die von Zicuñaga angewandten Preise nicht genau den bei den verschiedenen kollusiven Treffen beschlossenen Preisen entsprechen, kann für sich genommen nicht beweisen, dass Zicuñaga die fraglichen Vereinbarungen nicht umsetzte.

632    Hierzu führt die Kommission in Randnr. 397 der Entscheidung aus: „Die Unterlagen zu den Zusammenkünften und Preiserhöhungen … zeigen, dass die vereinbarten Erhöhungen gelegentlich auf spätere Zeitpunkte verschoben wurden, dass etwas geringere Erhöhungen umgesetzt wurden … oder dass weitere Zusammenkünfte vereinbart wurden, um die Vereinbarung zu überarbeiten.“ Sie schließt daraus, dass das Kartell „Auswirkungen auf das Preisgebaren seiner Mitglieder [hatte], selbst wenn die umgesetzten Erhöhungen zuweilen von den vereinbarten Höhen abwichen oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sind“.

633    Die Kommission hat folglich nicht behauptet, dass alle beschlossenen Preiserhöhungen in der bei dem fraglichen Treffen festgelegten Höhe umgesetzt worden seien. Dass die bei diesem oder jenem Treffen beschlossene Preiserhöhung nicht in genauer Höhe vorgenommen wurde, kann nicht belegen, dass das Kartell keine Auswirkungen auf die Preisfestsetzungspolitik seiner Mitglieder hatte, zu denen Zicuñaga gehörte. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Zicuñaga, indem sie Preise verlangte, die nicht denen entsprachen, die aus der Anwendung der Vereinbarungen resultieren sollten, und zugleich weiterhin an den kollusiven Treffen in Bezug auf den spanischen Markt teilnahm, versuchte, von den übrigen Kartellteilnehmern die Erlaubnis zu erhalten, zu niedrigeren als den im allgemeinen Beschluss festgelegten Preisen zu verkaufen (vgl. in diesem Sinne Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 342, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch das Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 409 angeführt). Der oben in Randnr. 177 erwähnte handschriftliche Vermerk von Mougeot vom 21. Oktober 1994 zeugt jedenfalls davon, dass Zicuñaga diese Erlaubnis erhielt, die eine andere Möglichkeit darstellen kann, vom Kartell zu profitieren.

634    Unter diesen Umständen hält sich das Gericht durch die Anhaltspunkte in der Entscheidung und die von Zicuñaga gemachten Angaben für ausreichend unterrichtet, um ohne Einholung ergänzender Auskünfte der Kommission zu bestätigen, dass Zicuñaga kein mildernder Umstand wegen der tatsächlichen Nichtanwendung der Vereinbarungen oder Zuwiderhandlungen zuzuerkennen ist.

635    Die Kommission hat daher zu Recht beschlossen, den Klägerinnen keine mildernden Umstände wegen der tatsächlichen Nichtanwendung der Vereinbarungen oder Zuwiderhandlungen zuzubilligen.

4.     Existenz von Drohungen und Druck

636    Mehrere Klägerinnen (Koehler, Bolloré für Copigraph und Torraspapel) machen geltend, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass sie Drohungen oder Druck – im Wesentlichen von AWA – ausgesetzt gewesen seien.

637    Es trifft zwar zu, dass die Kommission in den Randnrn. 104, 106 und 425 der Entscheidung von AWA geäußerte Drohungen erwähnt; in Randnr. 427 führt sie jedoch aus:

„Drohungen (in diesem Fall vom Kartellanführer) [können] nicht Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und des EWR rechtfertigen. Statt dem Kartell beizutreten, hätten die betreffenden Unternehmen die zuständigen Behörden, u. a. die Kommission, von dem illegalen Verhalten ihrer Konkurrenten in Kenntnis setzen müssen, um für eine Abstellung desselben zu sorgen.“

638    Die Existenz von Drohungen und Druck gehört nicht zu den in den Leitlinien – wenn auch nicht erschöpfend – aufgezählten mildernden Umständen.

639    Ein solcher Druck kann, unabhängig von seinem Umfang, keinen mildernden Umstand darstellen. Dass derartiger Druck ausgeübt wurde, ändert nichts an der Tatsache und der Schwere der begangenen Zuwiderhandlung (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 409 angeführt, Randnr. 370). Die Klägerinnen hätten den auf sie ausgeübten Druck bei den zuständigen Behörden zur Anzeige bringen und bei der Kommission eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 einlegen können, statt sich am Kartell zu beteiligen (vgl. in diesem Sinne Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 339). Diese Erwägung gilt für alle im vorliegenden Fall betroffenen Unternehmen, ohne dass zwischen ihnen anhand des Intensitätsgrads des behaupteten Drucks zu unterscheiden ist.

640    Die Kommission war folglich nicht verpflichtet, die von einigen Klägerinnen angeführten Drohungen als mildernden Umstand zu berücksichtigen.

5.     Beendigung der Zuwiderhandlung

641    Bolloré, MHTP und Zanders machen geltend, die Kommission habe die Beendigung der Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission in ihrem Fall nicht als mildernden Umstand berücksichtigt. Zicuñaga trägt vor, in mehreren früheren Entscheidungen der Kommission sei die Geldbuße herabgesetzt worden, weil die Zuwiderhandlung vor Erlass der abschließenden Entscheidung geendet habe.

642    Die Kommission antwortet MHTP in Randnr. 429 der Entscheidung, sie habe der Würdigung des Verstoßes nur jenen begrenzten Zeitraum zugrunde gelegt, für den ausreichende Beweise zur Verfügung gestanden hätten. Da es sich um einen offensichtlichen Verstoß handele, sei die Forderung von MHTP nach einer Wertung seiner frühzeitigen Einstellung als mildernder Umstand zurückzuweisen.

643    Die Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission gehört zu den in Nr. 3 der Leitlinien ausdrücklich aufgezählten mildernden Umständen.

644    Die Kommission braucht jedoch generell weder eine Fortsetzung der Zuwiderhandlung als erschwerenden Umstand noch die Beendigung einer Zuwiderhandlung als mildernden Umstand zu berücksichtigen (Urteil ABB/Kommission, Randnr. 213).

645    Hier liegt der Zeitpunkt des Endes der den betreffenden Klägerinnen zur Last gelegten Zuwiderhandlung – spätestens September 1995 – vor dem ersten Eingreifen oder den ersten Nachprüfungen der Kommission im Januar 1997.

646    In diesem Fall würde aber durch eine Herabsetzung der Geldbußen die nach den Leitlinien bei ihrer Berechnung heranzuziehende Dauer der Zuwiderhandlungen doppelt berücksichtigt. Mit dieser Heranziehung wird gerade bezweckt, gegen Unternehmen, die über längere Zeit gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen haben, strenger vorzugehen als gegen Unternehmen, deren Zuwiderhandlungen von kurzer Dauer waren. Würde eine Geldbuße herabgesetzt, weil ein Unternehmen sein rechtswidriges Verhalten vor den ersten Nachprüfungen der Kommission beendet hat, so würden die Verantwortlichen für kurzzeitige Zuwiderhandlungen hierdurch ein zweites Mal begünstigt.

647    Nach Randnr. 348 der Entscheidung konnte die Kommission das Datum der Beendigung des Kartells nicht ermitteln. Sie ging von einem Ende der Zuwiderhandlung im September 1995 aus, weil sie nur bis zu diesem Zeitpunkt über schriftliche Beweise verfügte. Sie schließt jedoch nicht aus, dass die Absprachen danach fortgesetzt wurden. Gleichwohl wurden die Geschehnisse nach September 1995 bei der Berechnung der fraglichen Geldbußen nicht berücksichtigt, so dass jedes Begehren, die Geldbußen aus diesem Grund herabzusetzen, zurückzuweisen ist.

648    An diesem Ergebnis würde sich im Übrigen auch dann nichts ändern, wenn das Vorbringen der Parteien zu einer Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Beendigung der Zuwiderhandlung vor dem Eingreifen der Kommission zu prüfen sein sollte.

649    Zicuñaga verweist zur Stützung ihres Antrags auf Herabsetzung ihrer Geldbuße aufgrund der Beendigung der Zuwiderhandlung vor dem Eingreifen der Kommission lediglich auf dahin gehende Entscheidungen der Kommission.

650    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission jedoch nicht an ihre früheren Entscheidungen gebunden; dies gilt umso mehr, als alle angeführten Entscheidungen vor Erlass der Leitlinien ergangen sind. Zicuñaga hat darüber hinaus keinen ihre eigene Lage betreffenden Gesichtspunkt genannt, der die Herabsetzung ihrer Geldbuße aufgrund der frühzeitigen Einstellung der Zuwiderhandlung rechtfertigen würde. Dass ihr eine Zuwiderhandlung von kürzerer Dauer zur Last gelegt wird als den übrigen Unternehmen, wurde bereits dadurch berücksichtigt, dass bei ihr die Erhöhung wegen der Dauer geringer ausfiel als bei den übrigen Unternehmen.

651    Auch Bolloré und MHTP liefern keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich in Bezug auf die Beendigung der Zuwiderhandlung in einer besonderen Lage befinden, die eine Herabsetzung ihrer Geldbuße rechtfertigen würde.

652    Zanders beruft sich dagegen nicht nur auf die Beendigung der Zuwiderhandlung, sondern auch auf ihre aktive Rolle in diesem Zusammenhang. Sie trägt mehrere Tatsachen vor. Ihr Vorstand habe bei einer Sitzung im Herbst 1995 von den maßgebenden Führungskräften des Unternehmens eine strikte Einhaltung der kartellrechtlichen Vorschriften verlangt. Mit dieser Sitzung sei ein umfangreiches Compliance-Programm eingeleitet worden, in dessen Verlauf die Mitarbeiter des Unternehmens im Kartellrecht geschult worden seien. Der Chairman von International Paper habe im Frühjahr 1996 ein Schreiben (Anlage 8 zur Klageschrift) an alle Mitarbeiter der Gesellschaft gerichtet und sie zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln aufgefordert; diesem Schreiben seien Direktiven über die Einhaltung des europäischen Wettbewerbsrechts beigefügt worden. Nach außen hin habe der Vorstandsvorsitzende von Zanders nach Übernahme des Vorsitzes der AEMCP zum 1. Januar 1996 in diesem Rahmen den Konkurrenten im Übrigen unmissverständlich deutlich gemacht, dass Zanders einen „Schlussstrich“ unter das Kartell gezogen habe. Die Zahl der Sitzungen der AEMCP sei 1996 gesunken, und Zanders sei bei den geheimen Treffen nicht mehr vertreten gewesen.

653    Es ist zwar wichtig, dass die Klägerin Maßnahmen ergriffen hat, um künftige erneute Zuwiderhandlungen ihrer Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, doch ändert dies nichts an der Tatsache der vorliegend festgestellten Zuwiderhandlung. Dieser Umstand verpflichtete die Kommission nicht, wegen eines mildernden Umstands die Geldbuße der Klägerin herabzusetzen (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 409 angeführt, Randnr. 373, mit dem im Rechtsmittelverfahren das Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 345, bestätigt wurde). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Kommission bei der Bußgeldbemessung den Zeitraum, in dem Zanders nach ihren Angaben Maßnahmen zur Beendigung der Zuwiderhandlung traf, nicht berücksichtigte.

654    Darüber hinaus ist festzustellen, dass die aktive Rolle, die Zanders bei der Beendigung des Kartells insbesondere in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der AEMCP gespielt haben will, schwer damit vereinbar erscheint, dass sie nach ihren Angaben ausschließlich passiv an der Zuwiderhandlung mitwirkte oder eine reine Mitläuferin war.

655    Schließlich kann die Kommission jedenfalls nicht gegenüber allen Unternehmen, die diesen Klagegrund erhoben haben, verpflichtet sein, im Rahmen ihres Ermessens eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer offensichtlichen Zuwiderhandlung vorzunehmen, unabhängig davon, ob die Beendigung vor oder nach ihrem Eingreifen erfolgte.

656    Da im vorliegenden Fall die Preisfestsetzung in der Selbstdurchschreibepapierbranche zweifelsfrei eine offensichtliche Zuwiderhandlung war, die von der Kommission zu Recht als „besonders schwer“ eingestuft wurde (siehe oben, Randnrn. 434 bis 442), werfen die Klägerinnen der Kommission fälschlich vor, ihre Geldbuße nicht aufgrund der Beendigung ihrer Teilnahme an dieser Zuwiderhandlung vor Einleitung der Untersuchung herabgesetzt zu haben.

6.     Wirtschaftliche Lage in der Selbstdurchschreibepapierbranche

657    Zahlreiche Klägerinnen (Bolloré, Zanders, Mougeot, AWA – unterstützt durch das Königreich Belgien – und Koehler) rügen, dass die Kommission entgegen einer gefestigten Entscheidungspraxis die Krise der Selbstdurchschreibepapierbranche im fraglichen Zeitraum nicht berücksichtigt habe.

658    In der mit „Allgemeines“ überschriebenen Nr. 5 sehen die Leitlinien vor, dass es je nach Fall angezeigt sein kann, „einige objektive Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang“.

659    Aus den Randnrn. 24, 25 und 392 der Entscheidung ergibt sich, dass der Markt für Selbstdurchschreibepapier durch strukturelle Überkapazitäten und eine zurückgehende Nachfrage aufgrund der Verwendung elektronischer Datenträger gekennzeichnet war. Mehrere Unternehmen gaben an, im streitgegenständlichen Zeitraum erhebliche Verluste erlitten zu haben.

660    Die Kommission räumt in Randnr. 392 der Entscheidung selbst ein, dass der Markt für Selbstdurchschreibepapier in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum rückläufig gewesen sei. In Randnr. 431 vertritt sie jedoch die Ansicht, die in den Erwiderungen auf die MB und dem von der AEMCP in Auftrag gegebenen Gutachten der Mikulski Hall Associates (im Folgenden: MHA-Gutachten) enthaltenen Informationen ließen nicht die Schlussfolgerung zu, dass sich die Selbstdurchschreibepapierbranche während der Dauer der Zuwiderhandlung von 1992 bis 1995 in einer vergleichbaren Krise befunden habe wie die Wirtschaftszweige in den früheren von den Unternehmen genannten Kartellentscheidungen.

661    Die Kommission macht geltend, Kartelle hätten ihren Ursprung häufig in einer wirtschaftlichen Krisensituation, so dass wirtschaftliche Schwierigkeiten der betreffenden Branche nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden könnten. Der Zeitraum der Zuwiderhandlung könne nicht als Zeitraum einer besonders ernsten Krise eingestuft werden. Trotz des Beginns einer Abschwungphase hätten sich die Verkäufe nämlich auf hohem Niveau gehalten.

662    Bei der Prüfung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Krise in der betreffenden Branche vorliege, müsse sie komplexe wirtschaftliche Gegebenheiten würdigen, für die sich die Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter auf die Frage beschränke, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden seien, ob die Begründung ausreichend sei, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden sei und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorlägen.

663    Zur Situation in der Selbstdurchschreibepapierbranche genügt der Hinweis, dass das Gericht in seinem Urteil Lögstör Rör/Kommission (oben in Randnr. 93 angeführt, Randnrn. 319 und 320) entschieden hat, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, die schlechte Finanzlage in der fraglichen Branche als mildernden Umstand zu behandeln. Ferner hat das Gericht bestätigt, dass die Kommission nicht deshalb, weil sie in früheren Rechtssachen die wirtschaftliche Situation in der Branche als mildernden Umstand berücksichtigt hat, dies zwangsläufig auch weiterhin tun muss (Urteil vom 10. März 1992, ICI/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 372). Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, entstehen Kartelle im Allgemeinen dann, wenn eine Branche in Schwierigkeiten ist. Folgte man der Argumentation der Klägerinnen, so müsste die Geldbuße regelmäßig in fast allen Fällen herabgesetzt werden. Daher braucht nicht näher geprüft zu werden, ob der vorliegende Sachverhalt und derjenige anderer Entscheidungen, in denen Strukturkrisen als mildernde Umstände angesehen wurden, tatsächlich vergleichbar sind (Urteil vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 496 angeführt, Randnr. 345).

664    Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Kommission die Situation in der Selbstdurchschreibepapierbranche berücksichtigt hat und dass die Klägerinnen nicht dargetan haben, dass die Analyse der Marktsituation durch die Kommission mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet war. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, Slg. 1985, 2545, Randnr. 34, und vom 17. November 1987, BAT und Reynolds/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Randnr. 62) nimmt der Gemeinschaftsrichter zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind; seine Überprüfung der Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission beschränkt sich aber notwendig auf die Frage, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission, C‑7/95 P, Slg. 1998, I‑3111, Randnr. 34).

665    Über all das hinaus geht aus dem MHA-Gutachten (Randnrn. 25 bis 28 der Entscheidung) hervor, dass sich die Zunahme der Nachfrage zwar ab 1990/91 verlangsamte, aber ein wirklicher Rückgang erst im Laufe des Jahres 1995 eintrat, d. h. gegen Ende der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung. Die Parteien haben nichts vorgetragen, das diese Angaben entkräften könnte. Sie deuten darauf hin, dass der Markt zwar rückläufig war, aber der Beginn der Krise mit dem Ende der Zuwiderhandlung zusammenfällt.

666    Die Kommission hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Lage auf dem Markt für Selbstdurchschreibepapier keinen mildernden Umstand darstellte.

7.     Mangelnder Gewinn aus der Zuwiderhandlung und finanzielle Lage des Zuwiderhandelnden

667    Mehrere Klägerinnen machen geltend, während der Dauer der Zuwiderhandlung hätten sie nur geringfügige Gewinne erzielt oder sogar Verluste erlitten.

668    Mougeot und Bolloré führen ihre Verluste im Rahmen eines auf die mangelnde Berücksichtigung des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds gestützten Klagegrundes an; insoweit ist daher auf die obigen Randnrn. 657 bis 666 zu verweisen.

669    Koehler ist der Ansicht, ebenso wie die durch das Kartell erzielten Gewinne müssten auch erlittene Verluste berücksichtigt werden. Aus Gründen der Billigkeit hätte die Kommission folglich ihre Geldbuße herabsetzen müssen, da sie praktisch während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung erhebliche Verluste erlitten und deshalb aus ihrer Kartellbeteiligung nur einen ganz begrenzten oder gar keinen Gewinn gezogen habe.

670    Dieses Vorbringen greift nicht durch.

671    Wie das Gericht im Zement-Urteil (Randnr. 4881) entschieden hat, steht die Tatsache, dass ein Unternehmen aus der Zuwiderhandlung keinen Vorteil gezogen hat, der Verhängung einer Geldbuße nicht entgegen, da diese sonst ihren abschreckenden Charakter verlieren würde. Folglich braucht die Kommission für die Festsetzung der Geldbußen weder nachzuweisen, dass die Zuwiderhandlung den betreffenden Unternehmen einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft hat, noch gegebenenfalls das Fehlen eines aus der fraglichen Zuwiderhandlung gezogenen Vorteils zu berücksichtigen.

672    Außerdem schließt, wie die Kommission zutreffend ausführt, die Tatsache, dass die Klägerin nach den von ihr vorgelegten Zahlen im Zeitraum der Zuwiderhandlung bei Selbstdurchschreibepapier Verluste erlitten hat, es nicht aus, dass ihre Lage ohne das Kartell schlechter gewesen wäre und dass sie somit trotz allem einen gewissen Gewinn aus dem Kartell zog. Nach den von der Klägerin in ihrer Klageschrift gemachten Zahlenangaben waren ihre Verluste im Jahr 1992 erheblich, fielen aber im Jahr 1993 deutlich geringer aus. 1994 erzielte sie dann einen Gewinn, und 1995 machte sie erneut Verluste, die jedoch geringer waren als 1993. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Kartell es der Klägerin ermöglichte, ihre Verluste zu begrenzen.

673    Folglich hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie zu dem Ergebnis kam, dass es im vorliegenden Fall keine mildernden Umstände gebe.

H –  Zu den Klagegründen, mit denen Verstöße gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit sowie eine falsche Anwendung dieser Mitteilung gerügt werden

674    Mehrere Klägerinnen (Zicuñaga, MHTP, Mougeot, AWA und Koehler) rügen, dass die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit durch die Kommission gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße.

1.     Zicuñaga

675    Zicuñaga macht geltend, die Heranziehung der Regelung, nach der im Fall einer Zusammenarbeit mit der Kommission eine niedrigere oder gar keine Geldbuße festgesetzt werde, verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der verlange, dass für das gleiche Verhalten die gleiche Sanktion verhängt werde.

676    Zunächst ist festzustellen, dass sich Zicuñaga, soweit sie damit die Rechtmäßigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit in Frage stellen will, nicht auf der Grundlage von Art. 241 EG auf ihre Unanwendbarkeit berufen hat.

677    Sodann ist hervorzuheben, dass eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt ist, wenn das Verhalten des betreffenden Unternehmens der Kommission ermöglicht hat, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung leichter festzustellen und sie gegebenenfalls zu beenden (Urteil vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnr. 36). Folglich gibt es keine Ungleichbehandlung zwischen dem Unternehmen, das sich freiwillig zur Zusammenarbeit entschließt, und dem Unternehmen, das dies ablehnt, da sich das Verhalten des erstgenannten Unternehmens von dem des letztgenannten unterscheidet und damit eine unterschiedliche Sanktion rechtfertigt.

678    Hierzu ist festzustellen, dass der Weg der Zusammenarbeit auch Zicuñaga offenstand (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 409 angeführt, Randnr. 419). Sie hat davon aber keinen Gebrauch gemacht. Sie kann sich daher nicht darauf berufen, insoweit benachteiligt worden zu sein.

679    Der dahin gehende Klagegrund von Zicuñaga ist daher zurückzuweisen.

2.     MHTP

680    MHTP macht geltend, die Kommission habe die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung verletzt, da ihre Geldbuße nur um 10 % herabgesetzt worden sei, obwohl sie den Sachverhalt und die Zuwiderhandlung eingeräumt habe. Zu der Zeit, als sie mit der Kommission zusammengearbeitet habe, sei die Geldbuße in den Entscheidungen, in denen die Mitteilung über Zusammenarbeit zur Anwendung gekommen sei, um mindestens 20 % herabgesetzt worden, während eine Herabsetzung um 10 % nur bei Unternehmen vorgenommen worden sei, die die Zuwiderhandlung nicht eingeräumt hätten. Sie habe daher die berechtigte Erwartung gehabt, einen Nachlass von 20 % zu erhalten, denn sie habe auf die Ausübung der Verteidigungsrechte verzichtet und ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung vor Übersendung der MB eingeräumt.

681    Der Fall von MHTP fällt unter Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit, in dem es heißt: „Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle Voraussetzungen [der Abschnitte B und C] erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.“ Dem wird hinzugefügt:

„Dies gilt insbesondere, wenn

–        ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

–        ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“

682    Im vorliegenden Fall setzte die Kommission die Geldbuße von MHTP gemäß Abschnitt D Nr. 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit um 10 % herab, weil MHTP den Sachverhalt nicht wesentlich bestritten hatte (Randnr. 458 der Entscheidung). Sie nahm keine Herabsetzung gemäß Abschnitt D Nr. 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung vor. In Randnr. 446 der Entscheidung erkennt die Kommission zwar an, dass MHTP ihr vor Erlass der MB Informationen übermittelte, doch in Randnr. 450 führt sie aus:

„Von allen Erwiderungen war die von MHTP (Stora) am wenigsten eindeutig: Das Unternehmen gibt Diskussionen zwischen Wettbewerbern über Preise zu, behauptet aber, dass keine Vereinbarungen über Preiserhöhung erzielt worden wären. Diese vage und unbelegte Behauptung kann nicht als Information oder Dokument gewertet werden, die das Bestehen des angezeigten Kartells beweisen, so dass eine Verringerung der Geldbuße nicht gerechtfertigt ist.“

683    MHTP hat nichts vorgetragen, das belegen könnte, dass die Informationen, die sie der Kommission vor der MB lieferte, zur Feststellung des Vorliegens der Zuwiderhandlung beitrugen.

684    Zum Vergleich des vorliegenden Falles mit der früheren Praxis der Kommission ist hervorzuheben, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet ist, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen (Urteile Mayr-Melnhof/Kommission, oben in Randnr. 446 angeführt, Randnr. 368, und ABB/Kommission, Randnr. 239).

685    Im Urteil ABB/Kommission verneint das Gericht aufgrund dieser Feststellung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung mit früheren Entscheidungen der Kommission, ohne diese zu prüfen. Die eingehende Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Randnrn. 240 bis 245 dieses Urteils erstreckt sich nur auf den Vergleich der Lage der verschiedenen Kartellteilnehmer.

686    MHTP führt das Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (oben in Randnr. 459 angeführt, Randnr. 1232) als Beleg dafür an, dass das Gericht bereits Begehren geprüft habe, die sich auf die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Rechtssachen gestützt hätten. Es ist zwar richtig, dass in diesem Urteil darauf eingegangen wird, doch wird das Argument, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung mit ihrer früheren Praxis verstoßen, zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts hängt die Bemessung der Geldbußen von einer Vielzahl von Kriterien ab, die in jedem Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu würdigen sind, und die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Dieses Urteil stützt daher das Vorbringen von MHTP nicht.

687    Festzustellen ist jedenfalls, dass die in Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehene Bandbreite von 10 % bis 50 % reicht, ohne dass besondere Kriterien für die Abstufung der Herabsetzung innerhalb dieser Bandbreite festgelegt würden. Die Mitteilung schafft daher keine berechtigte Erwartung darauf, in den Genuss eines bestimmten Prozentsatzes der Herabsetzung zu kommen.

688    Aufgrund all dieser Erwägungen weist das Gericht diesen Klagegrund zurück.

3.     Mougeot

689    Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen ihrer Beurteilung der Kooperation von Mitgliedern eines Kartells den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht außer Acht lassen darf (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 496 angeführt, Randnr. 394 und die dort genannte Rechtsprechung). Der Kommission ist jedoch ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Qualität und des Nutzens der von den verschiedenen Mitgliedern eines Kartells geleisteten Zusammenarbeit zuzugestehen; nur eine offensichtliche Überschreitung dieses Ermessens kann beanstandet werden.

690    Mougeot führt aus, sie werde gegenüber Sappi benachteiligt, deren Geldbuße um 100 % herabgesetzt worden sei; die Kommission hätte in ihrem Fall nach Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit eine Herabsetzung um 75 % vornehmen müssen.

691    Wie sich aus den Randnrn. 436 bis 445 der Entscheidung ergibt, war Sappi, die das Kartell anzeigte, das einzige Unternehmen, das die kumulativen Voraussetzungen von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit erfüllte. Da Mougeot erst Beweise für die Existenz des Kartells lieferte, nachdem die Kommission aufgrund einer Entscheidung Nachprüfungen vorgenommen hatte, konnte sie nicht in den Genuss der Bestimmungen von Abschnitt B kommen. Um unter Abschnitt C zu fallen, musste Mougeot die in Abschnitt B Buchst. b bis e genannten Voraussetzungen erfüllen. Mougeot räumt aber in ihrer Klageschrift selbst ein, dass sie der Kommission nicht als erstes Unternehmen Angaben über das Kartell machte. Im Gegensatz zu Sappi, die selbst im Herbst 1996 die Initiative ergriff, das Kartell bei der Kommission anzuzeigen, kooperierte Mougeot überdies erst in Beantwortung des Auskunftsverlangens, das die Kommission im März 1999 an sie gerichtet hatte.

692    Insoweit ist hervorzuheben, dass nach dem Wortlaut von Abschnitt B Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit das „erste“ Unternehmen nicht alle Angaben gemacht haben muss, die sämtliche Einzelheiten der Funktionsweise des Kartells belegen, sondern dass es ausreicht, „Angaben“ von entscheidender Bedeutung zu machen. Insbesondere verlangt diese Bestimmung nicht, dass die gemachten Angaben für sich genommen zur Ausarbeitung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte oder gar zum Erlass einer Endentscheidung „ausreichen“, mit der das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festgestellt wird. Die bloße Tatsache, dass Mougeot ihrerseits Angaben gemacht haben mag, die sich als entscheidend erwiesen, um der Kommission die Erbringung des Beweises für die Zuwiderhandlung zu ermöglichen, kann daher nichts daran ändern, dass Sappi als erstes Unternehmen das Kartell anzeigte, und nicht dazu führen, dass auf Mougeot eine Bestimmung angewandt wird, die dem ersten Unternehmen, das das Kartell vor den Nachprüfungen der Kommission anzeigt, vorbehalten ist.

693    Die Kommission hat daher im Fall von Mougeot zu Recht Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit angewandt. Durch die Herabsetzung der Geldbuße um 50 %, d. h. um den höchstmöglichen Betrag, trug sie der Bedeutung der von Mougeot gemachten Angaben und ihrer Zusammenarbeit bei den Nachprüfungen an Ort und Stelle während der Ermittlungen gebührend Rechnung.

4.     AWA

694    AWA trägt vor, ihre Geldbuße hätte in gleichem Maße herabgesetzt werden müssen wie die Geldbuße von Mougeot, denn sie habe schon vor diesem Unternehmen Kontakt zur Kommission aufgenommen, und die von ihr gelieferten Beweise seien von größerem Nutzen gewesen als die von Mougeot vorgelegten.

695    Somit ist im Licht der oben in Randnr. 689 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob die Kommission dadurch, dass sie die Geldbuße von AWA um 35 % und nicht wie bei Mougeot um 50 % herabsetzte, das ihr in diesem Bereich zustehende weite Ermessen offensichtlich überschritten hat.

696    Zum zeitlichen Ablauf der Mitteilung von Informationen an die Kommission ist festzustellen, dass AWA zwar früher als Mougeot ankündigte, mit der Kommission zusammenarbeiten zu wollen, dass Mougeot der Kommission aber als erstes der beiden Unternehmen tatsächlich Informationen übermittelte, und zwar am 14. April 1999. Der tatsächliche Beitrag von AWA stammt vom 30. April 1999.

697    Insoweit ist hervorzuheben, dass die Kommission nicht verpflichtet war, die Tatsache, dass sich eines der Unternehmen ein wenig schneller als die übrigen bei ihr gemeldet hatte, als ausschlaggebend anzusehen. Aus der Mitteilung über Zusammenarbeit geht klar hervor, dass es für die Anwendung der Abschnitte B und C darauf ankommt, welches Unternehmen als erstes Angaben von entscheidender Bedeutung macht. Dies war im vorliegenden Fall Sappi (siehe oben, Randnrn. 691 und 692). AWA und Mougeot fielen somit beide unter Abschnitt D, der nicht darauf abstellt und keinen Bonus dafür gewährt, dass ein Unternehmen früher als ein anderes kooperiert hat.

698    Dass AWA bestrebt gewesen sein mag, vor der Kontaktaufnahme zur Kommission die übrigen Kartellmitglieder über ihre Kooperationsabsicht zu informieren, hat im Übrigen nichts mit ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission zu tun.

699    Da der Kommission die Beiträge von AWA und Mougeot nach denen von Sappi und nach den von der Kommission vorgenommenen Nachprüfungen übersandt wurden, ist dagegen zu prüfen, ob sie „von ähnlicher Qualität“ sind.

700    Dabei sind die Randnrn. 447 und 448 der Entscheidung heranzuziehen:

„Mougeot hat freiwillig Erklärungen und Unterlagen mit detaillierten Angaben zu Kartellzusammenkünften (vor allem über [ihren] Heimatmarkt Frankreich) einschließlich Zeitpunkt, Teilnehmer, Inhalt und erzielte Vereinbarungen vorgelegt.

Auch AWA übermittelte der Kommission freiwillig Informationen über Kartelltreffen, nannte im Einzelnen die Zeiträume, in denen solche Zusammenkünfte in den verschiedenen Mitgliedstaaten abgehalten wurden und legte Listen der teilnehmenden Unternehmen vor. Zum Inhalt der Treffen führte AWA aus, dass ‚auf einigen dieser Treffen ... Preise für Selbstdurchschreibepapier diskutiert wurden ..., was bis zu einem Austausch von Informationen über geplante Preiserhöhungsankündigungen ging‘.“

701    Außerdem zählt die Kommission in Randnr. 252 der Entscheidung die Beweise auf, die sich auf das Kartell als Ganzes beziehen. Dazu gehören die Aussagen von Mougeot und Sappi sowie die von AWA in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen der Kommission gelieferten Angaben über unzulässige Zusammenkünfte („improper meetings“) sowie die von Mougeot und Sappi übermittelten detaillierten Notizen und Aussagen über die nationalen und regionalen Kartellsitzungen.

702    Der Vergleich dieser Randnummern zeigt, dass die Informationen von Mougeot detaillierter sein sollen als die von AWA. Mougeot habe insbesondere die Daten der Sitzungen angegeben, AWA dagegen nur Zeiträume. Auch wenn die ursprüngliche Erklärung von AWA nicht ebenso genau war wie die von Mougeot, hat AWA jedoch laut Randnr. 61 der Entscheidung in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen der Kommission „eine Liste vorgelegt, in der ‚unzulässige‘ Zusammenkünfte oder Gruppen solcher Zusammenkünfte zwischen Wettbewerbern aus den Jahren 1992 bis 1998 verzeichnet sind“. Diese Liste enthält eine Aufstellung von Treffen unter Angabe genauer Daten, zu deren Nachweis AWA beigetragen haben soll. Im Übrigen ist der Zeitraum, auf den sich die Erklärungen von AWA beziehen, länger als der von den Erklärungen von Mougeot erfasste Zeitraum. Die in der Erklärung von Mougeot vom 14. April 1999 (Dokumente Nrn. 7647 bis 7655, oben in Randnr. 165 angesprochen) aufgeführten Treffen fanden nämlich in der Zeit vom 1. Oktober 1993 bis Sommer 1995 statt. Bei den Informationen über die Durchführung kollusiver Treffen gibt es somit keinen deutlichen Unterschied zwischen Mougeot und AWA.

703    Was die Teilnehmer an den kollusiven Treffen angeht, so besteht kaum ein Unterschied zwischen der Angabe der „Teilnehmer“ durch Mougeot und den von AWA gelieferten „Listen der teilnehmenden Unternehmen“. Aus Anhang II der Entscheidung ergibt sich jedenfalls, dass die Erklärungen von AWA (Dokument Nr. 7828) für die Kommission zum Nachweis der Beteiligung jedes Unternehmens an den Treffen von sehr großem Nutzen waren. Dass dieses Dokument in den Fußnoten der Liste der Treffen und ihrer Teilnehmer bei weitem am häufigsten zitiert wird, ist hierfür eine Bestätigung.

704    Schließlich geht aus den Randnrn. 447 und 448 hervor, dass sich die Erklärungen von Mougeot im Wesentlichen auf ihren „Heimatmarkt Frankreich“ beschränken, während sich die Informationen von AWA auf Treffen „in den verschiedenen Mitgliedstaaten“ erstrecken. Die Tatsache, dass mehrere Unternehmen das Kartell auf europäischer Ebene abgestritten haben, unterstreicht die Bedeutung der dahin gehenden Angaben von AWA.

705    Die Kommission hat daher einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie bei Mougeot eine Herabsetzung um 50 % und bei AWA um 35 % vornahm. Auch wenn Mougeot nämlich im Gegensatz zu AWA Dokumente vorgelegt hat, die aus dem streitigen Zeitraum stammen, und wenn ihre Erklärungen in einigen Punkten detaillierter sind, erstrecken sich die von AWA gemachten Angaben auf einen größeren Zeitraum und ein größeres geografisches Gebiet. Die Beiträge von AWA und Mougeot sind daher als Kooperation von ähnlicher Qualität anzusehen. Es kann auch nicht geltend gemacht werden, dass sich ihre Kooperation unter dem Aspekt ihres Nutzens für die Kommission unterscheide. Der vom Gericht bereits in Bezug auf den spanischen Markt (siehe oben, Randnrn. 161 bis 168) und in Bezug auf den kollusiven Charakter der offiziellen AEMCP-Sitzungen vor September oder Oktober 1993 (siehe oben, Randnrn. 256 bis 310) vorgenommen Prüfung ist zudem zu entnehmen, dass sich die von AWA und Mougeot gelieferten Informationen zum großen Teil decken und zusammen mit den Angaben von Sappi eine Gesamtheit von Indizien bilden, die zum Verständnis der Funktionsweise des Kartells und zum Nachweis seiner Existenz unerlässlich waren.

706    Folglich greift der Klagegrund durch, mit dem AWA geltend macht, dass die aufgrund ihrer Zusammenarbeit vorgenommene Herabsetzung unzulänglich und diskriminierend sei.

707    In Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist das Gericht der Ansicht, dass im Fall von AWA aufgrund ihrer Zusammenarbeit die gleiche Herabsetzung wie bei Mougeot, d. h. um 50 %, vorzunehmen ist, da die von Mougeot und AWA gelieferten Beweise von ähnlicher Qualität sind. Die Geldbuße von AWA ist daher entsprechend herabzusetzen.

5.     Koehler

708    Koehler schließlich ist der Ansicht, die Kommission habe ihre vorbehaltlose Zusammenarbeit sowohl vor als auch nach Übersendung der MB nicht berücksichtigt. Es verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, dass Carrs, MHTP und Zanders einen Nachlass erhalten hätten, sie aber nicht.

709    Die Randnrn. 457 und 458 der Entscheidung lauten:

„(457) Koehler macht geltend, dass [sie] ‚bestimmte Sachverhalte‘ aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht bestreitet. Das Unternehmen bestreitet jedoch wesentliche Teile der Beweise für seine Mitwirkung in dem Kartell für den Zeitraum der Zuwiderhandlung. Insbesondere bestreitet Koehler die von der Kommission vorgenommene Darstellung der Vereinbarungen über Verkaufsquoten und Marktanteile sowie die Existenz eines Überwachungssystems. Die Kommission zieht daher den Schluss, dass es zu keiner effektiven Zusammenarbeit seitens Koehler mit der Kommission gekommen ist.

(458) Die Kommission gewährt Carrs, MHTP und Zanders eine Verringerung der Geldbuße um 10 % dafür, dass sie den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht wesentlich bestreiten.“

710    Zum Zeitraum vor Übersendung der MB führt Koehler aus, sie habe vorbehaltlos mit der Kommission zusammengearbeitet. Sie fügt hinzu: „So musste die Nachprüfung, die am 9. und 10. 12. 1997 bei Koehler durchgeführt wurde, nicht erzwungen werden, sondern das Vorstandsmitglied [K. F.] willigte im Voraus in die Nachprüfung ein …“

711    Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die bloße Einwilligung in eine Nachprüfung der Beweis für eine vorbehaltlose Zusammenarbeit ist. Die Mitteilung über Zusammenarbeit sieht eine spürbar niedrigere Festsetzung der Geldbuße vor, wenn ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen. Koehler hat nichts Derartiges geliefert und behauptet dies auch gar nicht. Ihr Vorbringen kann daher keinen Erfolg haben.

712    In Bezug auf den Zeitraum nach Erhalt der MB sieht die Mitteilung über Zusammenarbeit eine spürbar niedrigere Festsetzung der Geldbuße vor, wenn ein Unternehmen der Kommission mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet. Es ist zu prüfen, ob dies bei Koehler, wie sie behauptet, der Fall ist, wobei auch ein Vergleich mit den anderen Unternehmen anzustellen ist, auf die diese Bestimmung angewandt wurde.

713    In ihrer Stellungnahme zur MB erklärte Koehler, dass sie die „von der Kommission zutreffend ermittelten und nachgewiesenen Sachverhalte und Tatvorwürfe“ eingestehe. In ihrer Klageschrift fügt sie hinzu: „Soweit Koehler dieses Eingeständnis mit einem Vorbehalt verband, geschah dies aus der Überzeugung, dass Koehler nicht zugemutet werden konnte, Unzutreffendes als zutreffend anzuerkennen, bloß um damit einen Bußgeldnachlass zu erwirken.“

714    Auch wenn Koehler sodann versucht, einige ihrer Vorbehalte mit einer nachfolgenden Änderung des Standpunkts der Kommission zu rechtfertigen, räumt sie jedoch ein, Vorbehalte gemacht und „die Feststellung der Kommission hinsichtlich der Vereinbarung von Verkaufsquoten und Marktanteilen relativiert“ zu haben. Außerdem räumt Koehler zwar den Austausch von Informationen über die Verkaufsmengen auf regionaler Ebene ein – während sie ihn auf europäischer Ebene bestreitet –, fügt aber hinzu, es handele sich um Ausnahmen, die sich auf vergangene Zeiträume erstreckt hätten.

715    Im Übrigen trifft es zu, dass Koehler in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, ihr Bestreiten betreffe nur die Zeit vor Oktober 1993; für die Zeit danach habe sie ungeachtet einiger möglicherweise unklarer oder vager Formulierungen mit der Kommission zusammengearbeitet. Aus der Stellungnahme von Koehler zur MB geht aber nicht hervor, dass sie ihr Bestreiten ausdrücklich auf den erstgenannten Zeitraum beschränkte. In ihren einleitenden Bemerkungen führt sie im Gegenteil aus, dass sie bestimmte Tatsachen, und zwar diejenigen, die die Kommission in der MB zutreffend festgestellt und beurteilt habe, nicht bestreiten werde. Ferner enthält der das Bestreiten der Tatvorwürfe betreffende Teil III einen Punkt 3 mit der Überschrift „Keine Vereinbarung von Verkaufsquoten oder Marktanteilen auf gesamteuropäischer Ebene“ und einen Punkt 4 mit der Überschrift „Kein Überwachungssystem“. Dieses in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzte Bestreiten kann nicht als vage oder unpräzise angesehen werden.

716    Eine Herabsetzung der Geldbuße ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des betreffenden Unternehmens der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T‑45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 270 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kommission verfügt insoweit über ein Ermessen, wie sich aus dem Wortlaut von Abschnitt D Nr. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit und speziell den einleitenden Worten „Dies gilt insbesondere …“ ergibt. Zudem und vor allem kann eine niedrigere Festsetzung auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit nur gerechtfertigt sein, wenn die gelieferten Informationen und allgemeiner das Verhalten des betreffenden Unternehmens insoweit als Zeichen seiner echten Zusammenarbeit angesehen werden können (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 409 angeführt, Randnrn. 394 und 395).

717    Mit Vorbehalten verbundene Eingeständnisse oder mehrdeutige Erklärungen sind jedoch nicht Ausdruck einer echten Zusammenarbeit und nicht geeignet, der Kommission ihre Aufgabe zu erleichtern, denn sie machen Nachprüfungen erforderlich. Dies gilt umso mehr, wenn sich diese Vorbehalte – wie hier – auf Punkte wie die Dauer der Zuwiderhandlung, die Verkaufsquoten, die Marktanteile oder den Austausch von Informationen beziehen.

718    Da Koehler durch diese Vorbehalte zahlreiche Bestandteile des Kartells in Abrede gestellt oder zumindest der Kommission nicht bei ihrer Aufgabe – der Untersuchung und Ahndung des Kartells – geholfen hat, kann sie keine spürbar niedrigere Festsetzung ihrer Geldbuße wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts beanspruchen.

719    Schließlich ist zu prüfen, ob – wie Koehler behauptet – die Weigerung, ihre Geldbuße aus diesem Grund herabzusetzen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt, weil die Geldbußen von Carrs, MHTP und Zanders um 10 % herabgesetzt wurden.

720    Soweit sich Koehler damit gegen den Umfang der bei diesen anderen Unternehmen wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts vorgenommenen Herabsetzung wendet, ist, selbst wenn man unterstellt, dass die Kommission die Geldbuße dieser Unternehmen zu stark herabgesetzt hätte, darauf hinzuweisen, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 468 angeführt, Randnr. 160, Mayr-Melnhof/Kommission, oben in Randnr. 446 angeführt, Randnr. 334, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, Randnr. 367).

721    Im Übrigen ist, soweit sich der Einwand von Koehler dagegen richtet, dass ihre Geldbuße nicht gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt wurde, auf die obigen Randnrn. 708 bis 718 zu verweisen, aus denen hervorgeht, dass sie darauf unter den Umständen des konkreten Falles keinen Anspruch hatte.

722    Darüber hinaus ist in Bezug auf das Bestreiten des Sachverhalts durch die anderen Unternehmen, deren Geldbuße um 10 % herabgesetzt wurde, festzustellen, dass Carrs die Existenz des Kartells und ihre Beteiligung daran für die gesamte in der Entscheidung genannte Dauer der Zuwiderhandlung einräumt. Sie gibt jedoch an, nur an den Treffen in Bezug auf die Märkte des Vereinigten Königreichs und Irlands teilgenommen und vom Kartell auf europäischer Ebene keine Kenntnis gehabt zu haben. Damit hat sie den Sachverhalt nicht bestritten. Im Übrigen steht auch die Tatsache, dass Carrs geltend macht, das Kartell habe nur begrenzte Wirkungen gehabt, nicht in Widerspruch zur Einräumung des Sachverhalts.

723    In Bezug auf Zanders und MHTP führt Koehler aus, die Randnrn. 455 und 456, wonach sie den Sachverhalt nicht bestritten hätten, seien unvereinbar mit der Feststellung in Randnr. 395, dass MHTP und Zanders die Umsetzung der Vereinbarungen zur Preisfestsetzung und Quotenverteilung geleugnet hätten.

724    Mit den in Randnr. 395 wiedergegebenen Argumenten von MHTP und Zanders wird die Wirksamkeit der Vereinbarungen in Abrede gestellt, um darzutun, dass ihnen geringere Schwere beizumessen sei. Sie stellen nicht die Existenz des Kartells in Frage und sind daher nicht unvereinbar mit einem fehlenden Bestreiten des Sachverhalts.

725    Dass MHTP ihre Kartellteilnahme erst für die Zeit ab Ende 1992 eingeräumt hat (Randnrn. 270 und 271 der Entscheidung), hat die Kommission berücksichtigt. Randnr. 456 der Entscheidung lautet nämlich: „MHTP macht geltend, dass [sie] den Sachverhalt nicht bestreitet, auf den die Feststellung einer Zuwiderhandlung im Zeitraum 1992 bis Mitte 1995 gegründet ist.“

726    Im Übrigen ist die Haltung von MHTP, die nur den Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung bestritten hat, nicht mit der von Koehler vergleichbar, deren Vorbehalte mehrere Bestandteile des Kartells betrafen.

727    Unter diesen Umständen hat Koehler nicht dargetan, ungleich behandelt worden zu sein. Aus all diesen Erwägungen folgt, dass die Kommission ihre Geldbuße zu Recht nicht aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt hat.

III –  Zum Antrag von AWA auf Vorlage von Unterlagen

728    AWA fordert das Gericht auf, von der Kommission zu verlangen, interne Unterlagen über die Berechnung ihrer Geldbuße und alle in der Entscheidung erwähnten Unterlagen mit Ausnahme der ihr am 1. August 2000 übermittelten Schriftstücke vorzulegen.

729    Nach Art. 49 der Verfahrensordnung kann das Gericht in jedem Verfahrensstadium eine prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme im Sinne der Art. 64 und 65 der Verfahrensordnung beschließen. Die Aufforderung, Unterlagen vorzulegen, fällt darunter.

730    Damit das Gericht feststellen kann, ob die Anordnung der Vorlage bestimmter Unterlagen dem ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens dienlich wäre, muss die antragstellende Partei die gewünschten Unterlagen bezeichnen und dem Gericht zumindest gewisse Anhaltspunkte dafür geben, dass diese Dokumente für das Verfahren zweckdienlich sind (Urteil Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 256 angeführt, Randnr. 93).

731    Nach der Ausgestaltung in der Klageschrift bezeichnet weder der Antrag auf Vorlage interner Unterlagen über die Berechnung ihrer Geldbuße noch der Antrag, der sich auf alle in der Entscheidung herangezogenen Unterlagen mit Ausnahme der AWA am 1. August 2000 übermittelten Schriftstücke bezieht, die gewünschten Unterlagen mit hinreichender Genauigkeit, um dem Gericht die Beurteilung ihrer Zweckdienlichkeit für das Verfahren zu ermöglichen.

732    Beide Anträge sind daher zurückzuweisen.

733    Darüber hinaus hat AWA die Zweckdienlichkeit dieser Unterlagen für das Verfahren nicht dargetan.

734    Was ihren Antrag auf Vorlage interner Unterlagen der Kommission über die Berechnung ihrer Geldbuße angeht, so kann allein der von AWA angeführte Umstand, dass das Gericht u. a. in mehreren Rechtssachen, die zu den „Karton-Urteilen“ führten (z. B. dem Urteil vom 14. Mai 1998, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 483 angeführt), von der Kommission die Vorlage solcher Unterlagen verlangte, nicht ihre Zweckdienlichkeit im vorliegenden Fall beweisen und das Gericht verpflichten, die gleichen Maßnahmen anzuordnen.

735    Überdies sind die „Karton-Urteile“, wie die Kommission zutreffend ausführt, vor Erlass der Leitlinien ergangen. Letztere sollen aber gerade die Transparenz und Objektivität der Entscheidungen der Kommission gewährleisten, indem das Schema der neuen für die Bußgeldberechnung geltenden Methode dargestellt wird. Im vorliegenden Fall wird in der Entscheidung, in der eindeutig die Leitlinien angewandt werden, die Bußgeldberechnung eingehend erläutert.

736    Schließlich werden nach ständiger Rechtsprechung interne Unterlagen der Kommission den Parteien nur dann zugänglich gemacht, wenn sie ernsthafte Indizien dafür geliefert haben, dass außergewöhnliche Umstände des konkreten Falles dies erfordern (Beschluss des Gerichtshofs vom 18. Juni 1986, BAT und Reynolds/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1986, 1899, Randnr. 11, und Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben in Randnr. 716 angeführt, Randnr. 34; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994, Deere/Kommission, T‑35/92, Slg. 1994, II-957, Randnr. 31). AWA hat aber keine dahin gehenden ernsthaften Indizien geliefert.

737    Der Antrag auf Vorlage aller in der Entscheidung herangezogenen Unterlagen mit Ausnahme der AWA am 1. August 2000 übermittelten Schriftstücke soll es AWA nach ihren Angaben ermöglichen, die von der Kommission in der Entscheidung herangezogenen Beweismittel zu sichten und zu prüfen.

738    Auch wenn AWA die Unbrauchbarkeit des Indexes rügt (siehe oben, Randnrn. 109 bis 117), bestreitet sie nicht, dass sie im Verwaltungsverfahren Einsicht in die Akte der Kommission erhielt. Sofern die Kommission in der Entscheidung gegen ein Unternehmen keine anderen als die Unterlagen verwendet, die das Unternehmen im Verwaltungsverfahren einsehen konnte, ist sie nicht verpflichtet, ihm Einsicht in alle in der Entscheidung erwähnten Unterlagen zu gewähren (vgl. in diesem Sinne Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 45 angeführt, und die dort angeführte Rechtsprechung).

739    Der beim Gericht gestellte Antrag bezieht sich auf alle in der Entscheidung herangezogenen Unterlagen mit Ausnahme der AWA am 1. August 2000 übermittelten Schriftstücke. Anders als in dem Schreiben, das AWA am 22. Februar 2002 an die Kommission richtete, wird in diesem Antrag nicht erläutert, dass er insbesondere die Erwiderungen der übrigen Adressaten auf die MB und das Gutachten von PricewaterhouseCoopers betrifft.

740    Selbst wenn jedoch diese Erläuterungen des beim Gericht gestellten allgemeinen Antrags zu berücksichtigen sein sollten und ein Antrag, der sich global auf die Erwiderungen der übrigen Adressaten der MB bezieht, als hinreichend genaue Bezeichnung der gewünschten Unterlagen angesehen werden könnte, hätte AWA jedenfalls die die Zweckdienlichkeit dieser Unterlagen für das Verfahren nicht dargetan.

741    Der von AWA gestellte Antrag auf prozessleitende Maßnahmen ist daher zurückzuweisen.

742    Aufgrund all dieser Erwägungen sind die Klagen in den Rechtssachen T‑109/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02 und T‑132/02 abzuweisen. In der Rechtssache T‑118/02 wird die Geldbuße von AWA auf 141,75 Mio. Euro herabgesetzt. In der Rechtssache T‑136/02 wird die Geldbuße von Zicuñaga auf 1,309 Mio. Euro herabgesetzt.

 Kosten

743    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

744    In den Rechtssachen T‑109/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02 und T‑132/02 sind die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen. Sie tragen daher entsprechend dem Antrag der Beklagten die gesamten Kosten.

745    Da in der Rechtssache T‑118/02 der Klage teilweise stattgegeben worden ist, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, dass die Klägerin zwei Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission trägt, während die Kommission ein Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Klägerin trägt. Das Königreich Belgien, das dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Klägerin auf Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände im Hinblick auf die Schwierigkeiten in der Selbstdurchschreibepapierbranche beigetreten ist, trägt seine eigenen Kosten sowie entsprechend dem Antrag der Kommission die dieser durch die Streithilfe entstandenen Kosten.

746    Da in der Rechtssache T‑136/02 der Klage teilweise stattgegeben worden ist, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, dass die Klägerin zwei Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission trägt, während die Kommission ein Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Klägerin trägt.

Aus diesen Gründen hat


DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:


1.      In der Rechtssache T‑109/02, Bolloré/Kommission,

–        wird die Klage abgewiesen;

–        trägt die Klägerin die Kosten.

2.      In der Rechtssache T‑118/02, Arjo Wiggins Appleton/Kommission,

–        wird die in Art. 3 der Entscheidung 2004/337/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier) gegen die Klägerin verhängte Geldbuße auf 141,75 Mio. Euro festgesetzt;

–        wird die Klage im Übrigen abgewiesen;

–        trägt die Klägerin zwei Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission, während die Kommission ein Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Klägerin trägt;

–        trägt der Streithelfer seine eigenen Kosten sowie die der Kommission durch die Streithilfe entstandenen Kosten.

3.      In der Rechtssache T‑122/02, Mitsubishi HiTec Paper Bielefeld/Kommission,

–        wird die Klage abgewiesen;

–        trägt die Klägerin die Kosten.

4.      In der Rechtssache T‑125/02, Papierfabrik August Koehler/Kommission,

–        wird die Klage abgewiesen;

–        trägt die Klägerin die Kosten.

5.      In der Rechtssache T‑126/02, M‑realZanders/Kommission,

–        wird die Klage abgewiesen;

–        trägt die Klägerin die Kosten.

6.      In der Rechtssache T‑128/02, Papeteries Mougeot/Kommission,

–        wird die Klage abgewiesen;

–        trägt die Klägerin die Kosten.

7.      In der Rechtssache T‑129/02, Torraspapel/Kommission,

–        wird die Klage abgewiesen;

–        trägt die Klägerin die Kosten.

8.      In der Rechtssache T‑132/02, Distribuidora Vizcaína de Papeles/Kommission,

–        wird die Klage abgewiesen;

–        trägt die Klägerin die Kosten.

9.      In der Rechtssache T‑136/02, Papelera Guipuzcoana de Zicuñaga/Kommission,

–        wird die in Art. 3 der Entscheidung 2004/337/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier) gegen die Klägerin verhängte Geldbuße auf 1,309 Mio. Euro festgesetzt;

–        wird die Klage im Übrigen abgewiesen;

–        trägt die Klägerin zwei Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission, während die Kommission ein Drittel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Klägerin trägt.



Vilaras

Dehousse

Šváby

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. April 2007.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Vilaras

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtliche Würdigung

I –  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der Entscheidung

A –  Zu den Klagegründen in Bezug auf den Ablauf des Verwaltungsverfahrens

1.  Erster Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Weigerung, im Verwaltungsverfahren Unterlagen offenzulegen, die von der Kommission als vertraulich eingestuft wurden

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

2.  Zweiter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht wegen der unterbliebenen Übermittlung von Unterlagen, die nicht in der auf CD-ROM zugänglich gemachten Ermittlungsakte enthalten waren

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

3.  Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens aufgrund mangelnder Übereinstimmung zwischen der MB und der Entscheidung

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

4.  Vierter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Grundsatzes der Unschuldsvermutung

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

5.  Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Sachverhaltsermittlung und unzureichende Begründung der Entscheidung

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

6.  Sechster Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, das Recht auf Akteneinsicht und die Verteidigungsrechte, da einige Unterlagen in der Ermittlungsakte schwer auffindbar seien und die Liste der in dieser Akte enthaltenen Unterlagen unbrauchbar sei

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

7.  Siebter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Verteidigungsrechte aufgrund der verspäteten Zustellung der Entscheidung

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

B –  Zu den auf eine Verletzung von Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen sowie auf Beurteilungsfehler der Kommission in Bezug auf die Beteiligung bestimmter Unternehmen an der Zuwiderhandlung gestützten Klagegründen

1.  Der Fall von Bolloré

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

2.  Der Fall von Divipa und Zicuñaga

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

Zum Vorliegen kollusiver Zusammenkünfte in Bezug auf den spanischen Markt

Zur Beteiligung von Divipa und Zicuñaga am Kartell auf dem spanischen Markt

Zur Beteiligung von Divipa und Zicuñaga am Kartell auf dem europäischen Markt

Zur Beteiligung von Zicuñaga an Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten und Marktanteilen

C –  Zu den die Dauer der Zuwiderhandlung betreffenden Klagegründen

1.  Zu den Klagegründen von Bolloré, MHTP, Koehler, Mougeot und Torraspapel

a)  Zur Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung vor September oder Oktober 1993

Vorbringen der Parteien

Entscheidung

Würdigung durch das Gericht

–  Zu dem behaupteten System kollusiver Treffen

–  Teilnahme der Klägerinnen an Treffen vor September oder Oktober 1993

b)  Zur Teilnahme von Mougeot an der Zuwiderhandlung nach dem 1. Juli 1995

2.  Zu dem von Divipa geltend gemachten Klagegrund

3.  Zu dem von Zicuñaga geltend gemachten Klagegrund

II –  Zu den Klagegründen, die sich auf die Aufhebung oder Herabsetzung der in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung verhängten Geldbußen richten

A –  Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes aufgrund der Unvollständigkeit und Ungenauigkeit der MB in Bezug auf die Geldbußen

1.  Vorbringen der Parteien

2.  Würdigung durch das Gericht

a)  Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und zur Nichtbeachtung des berechtigten Vertrauens infolge der Abweichung der Kommission von ihrer bisherigen Praxis

b)  Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes infolge der Abweichung der Kommission von den Leitlinien

c)  Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufgrund der Festsetzung der Geldbuße durch die Kommission unter Heranziehung in der MB nicht angekündigter Gesichtspunkte

B –  Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot

1.  Vorbringen der Parteien

2.  Würdigung durch das Gericht

C –  Zu den Klagegründen, die auf die Unzulänglichkeit der Beweise, einen Verstoß gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie Beurteilungsfehler in Bezug auf die Feststellungen der Kommission zur Beteiligung bestimmter Unternehmen an dem europaweiten Kartell gestützt werden

D –  Zu den Klagegründen, die auf die Unzulänglichkeit der Beweise, Verstöße gegen Art. 253 EG, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, die mangelnde individuelle Bußgeldbemessung, falsche Tatsachenfeststellungen, Beurteilungsfehler und Rechtsfehler bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung gestützt werden

1.  Art der Zuwiderhandlung

2.  Tatsächliche Auswirkungen der Zuwiderhandlung

3.  Klassifizierung der Kartellmitglieder bei der Festsetzung der Bußgeldbeträge

a)  Wahl des Bezugsjahrs

b)  Berücksichtigung eines falschen Gesamtumsatzes

c)  Unverhältnismäßigkeit des Ergebnisses der von der Kommission angewandten Methode

Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

4.  Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken

E –  Zu den Klagegründen in Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung

F –  Zu dem Klagegrund, mit dem Verstöße gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie ein Fehler bei der Tatsachenwürdigung gerügt werden

1.  Fehler bei der Tatsachenwürdigung

2.  Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

3.  Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

G –  Zu den Klagegründen, die auf Verstöße gegen Art. 253 EG, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, die mangelnde individuelle Bußgeldbemessung, eine zu enge Auslegung der Leitlinien für Geldbußen sowie offensichtliche Beurteilungsfehler aufgrund der mangelnden Berücksichtigung bestimmter mildernder Umstände gestützt werden

1.  Ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum im Kartell

2.  Größe und Markteinfluss des zuwiderhandelnden Unternehmens

3.  Verhalten auf dem Markt im Zeitraum der Zuwiderhandlung

4.  Existenz von Drohungen und Druck

5.  Beendigung der Zuwiderhandlung

6.  Wirtschaftliche Lage in der Selbstdurchschreibepapierbranche

7.  Mangelnder Gewinn aus der Zuwiderhandlung und finanzielle Lage des Zuwiderhandelnden

H –  Zu den Klagegründen, mit denen Verstöße gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit sowie eine falsche Anwendung dieser Mitteilung gerügt werden

1.  Zicuñaga

2.  MHTP

3.  Mougeot

4.  AWA

5.  Koehler

III –  Zum Antrag von AWA auf Vorlage von Unterlagen

Kosten


* Verfahrenssprachen: Spanisch, Deutsch, Englisch und Französisch.

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