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Document 62019CC0490

Schlussanträge des Generalanwalts G. Pitruzzella vom 17. September 2020.
Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier gegen Société Fromagère du Livradois SAS.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation (Frankreich).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Schutz der geografischen Angaben und der Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Verordnung (EG) Nr. 510/2006 – Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 – Art. 13 Abs. 1 Buchst. d – Praktik, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen – Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses, dessen Name geschützt ist – Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) ‚Morbier‘.
Rechtssache C-490/19.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:730

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 17. September 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑490/19

Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier

gegen

Société Fromagère du Livradois SAS

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Kassationshof, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Geografische Angaben und Ursprungsbezeichnungen – Schutz der Eintragung einer Bezeichnung – Verbot der Verwendung durch einen Dritten oder Verbot einer Aufmachung, die geeignet ist, den Verbraucher ohne Verwendung der Bezeichnung irrezuführen“

I. Einleitung

1.

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen, das Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge ist, stellt die Cour de cassation (Kassationshof, Frankreich) dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen (EG) Nr. 510/2006 ( 2 ) und (EU) Nr. 1151/2012 ( 3 ).

2.

Diese Frage ist im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier (im Folgenden: Verband) und der Société Fromagère du Livradois SAS (im Folgenden: SFL) betreffend ein mutmaßlich unlauteres und parasitäres Wettbewerbsverhalten der Letztgenannten unter Missachtung der geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.) „Morbier“ vorgelegt worden.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

3.

Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 ( 4 ), aufgehoben und ersetzt durch die Verordnung Nr. 510/2006, hat die Europäische Union einen Schutz von geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und von geschützten geografischen Angaben (g.g.A.) für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel eingeführt. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 510/2006 bestimmt:

„Eingetragene Namen werden geschützt gegen

a)

jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung für Erzeugnisse, die nicht unter die Eintragung fallen, sofern diese Erzeugnisse mit den unter dieser Bezeichnung eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind oder sofern durch diese Verwendung das Ansehen der geschützten Bezeichnung ausgenutzt wird;

b)

jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Verfahren‘, ‚Fasson‘, ‚Nachahmung‘ oder dergleichen verwendet wird;

c)

alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben, die sich auf Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse beziehen und auf der Aufmachung oder der äußeren Verpackung, in der Werbung oder in Unterlagen zu den betreffenden Erzeugnissen erscheinen, sowie die Verwendung von Behältnissen, die geeignet sind, einen falschen Eindruck hinsichtlich des Ursprungs zu erwecken;

d)

alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

…“

4.

Die Verordnung Nr. 510/2006 wurde mit Wirkung vom 3. Januar 2013 durch die Verordnung Nr. 1151/2012 aufgehoben und ersetzt. Art. 13 Abs. 1 der letztgenannten Verordnung ist im Wesentlichen identisch mit der entsprechenden Bestimmung der Verordnung Nr. 510/2006, mit der Ausnahme, dass er auch für unter den geschützten Namen fallende Erzeugnisse gilt, wenn sie als Zutaten verwendet werden, sowie für „Dienstleistungen“. Ähnliche Bestimmungen wie Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 finden sich in den verschiedenen von der Union eingeführten Qualitätsregelungen ( 5 ).

5.

Aufgrund der gemäß der Verordnung Nr. 2081/92 erlassenen Verordnung (EG) Nr. 1241/2002 der Kommission vom 10. Juli 2002 ( 6 ) wurde die Bezeichnung „Morbier“ in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen eingetragen. Die durch die auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbare Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1128/2013 der Kommission vom 7. November 2013 ( 7 ) geänderte Spezifikation der g.U. „Morbier“ beschreibt den bildlichen Aspekt des Morbier folgendermaßen: „,Morbier‘ ist ein Käse aus roher Kuhmilch, gepresst, nicht gebrannt, von flacher, zylindrischer Form mit einem Durchmesser von 30-40 cm, einer Höhe von 5-8 cm, einem Gewicht von 5-8 kg, ebener Ober- und Unterfläche und leicht konvexem Rand. Der Käse weist in der Mitte einen waagerechten schwarzen Streifen auf, der sich geschlossen und ununterbrochen durch die gesamte Schnittfläche zieht. Die Rinde ist naturbelassen, sie wird abgerieben und weist eine gleichmäßige Struktur, Rindenschmiere und einen sichtbaren Abdruck des Musters der Käseform auf. Ihre Farbe ist beige bis ins Orange spielend mit orangebraunen, orangeroten oder orange-rosafarbenen Schattierungen. Der Käseteig ist elfenbeinfarben bis hellgelb und weist häufig verstreute Öffnungen von der Größe einer Johannisbeere oder kleine abgeplattete Luftblasen auf. …“

6.

Die am 1. Juni 2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 ( 8 ) hat ausdrücklich die Verwendung von pflanzlicher Kohle E153 für Käse mit der g.U. „Morbier“ vorbehalten ( 9 ).

B.   Französisches Recht

7.

In dem aus der Loi no 2007-1544 de lutte contre la contrefaçon ( 10 ) (Gesetz Nr. 2007-1544 zur Bekämpfung von Nachahmungen) vom 29. Oktober 2007 hervorgegangenen und auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Art. L. 722-1 des Code de la propriété intellectuelle (Gesetzbuch über geistiges Eigentum) heißt es:

„Jede Beeinträchtigung einer geografischen Angabe begründet die zivilrechtliche Haftung ihres Urhebers.

Für die Anwendung des vorliegenden Kapitels gilt als ‚geografische Angabe‘:

b)

die nach der Gemeinschaftsregelung betreffend den Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben

…“

III. Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8.

Der Verband wurde am 18. Juli 2007 vom Institut national de l’origine et de la qualité (Nationales Institut für Ursprung und Qualität, im Folgenden: INAO) als Interessenvertretung zum Schutz des Morbier anerkannt. SFL mit Sitz im Departement Puy-de-Dôme (Frankreich) ist ein Unternehmen, das Käse herstellt und vermarktet.

9.

Morbier ist ein Käse, der seit einem Dekret vom 22. Dezember 2000 eine kontrollierte Ursprungsbezeichnung (im Folgenden: AOC) trägt; Art. 8 dieses Dekrets sah eine Übergangszeit für Unternehmen vor, die außerhalb des durch dieses Dekret festgelegten geografischen Bezugsgebiets ansässig waren und Käse unter dem Namen „Morbier“ herstellten und vertrieben, einen Übergangszeitraum vor, um ihnen zu ermöglichen, diesen Namen ohne die Angabe „AOC“ weiterhin bis zum Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach der Veröffentlichung der Eintragung der Ursprungsbezeichnung „Morbier“ als geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) durch die Europäische Kommission gemäß Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 weiterhin zu verwenden ( 11 ). Dieses Dekret wurde durch das Dekret Nr. 2011‑441 vom 20. April 2011 aufgehoben.

10.

Da SFL nicht in dem geografischen Gebiet liegt, für das der Name „Morbier“ vorbehalten ist, wurde es ihr, die Käse unter diesem Namen seit 1979 herstellt, gemäß Art. 8 des Dekrets vom 22. Dezember 2000 gestattet, den Namen „Morbier“ ohne die Angabe „AOC“ bis zum 11. Juli 2007 zu verwenden, wonach sie ihn durch den Namen „Montboissié du Haut Livradois“ ersetzte. SFL meldete außerdem am 5. Oktober 2001 in den USA die amerikanische Marke Morbier du Haut Livradois an, die sie 2008 für zehn Jahre verlängerte, und am 5. November 2004 die französische Marke Montboissier.

11.

Der Verband warf SFL vor, die geschützte Bezeichnung dadurch zu beeinträchtigen und unlauteren und parasitären Wettbewerb zu betreiben, dass sie einen Käse herstelle und vertreibe, der das visuelle Erscheinungsbild des unter die g.U. „Morbier“ fallenden Erzeugnisses übernehme, um eine Verwechslung mit diesem zu erzeugen und von der Bekanntheit des mit diesem verbundenen Images zu profitieren, ohne sich an die Spezifikation der Ursprungsbezeichnung halten zu müssen, und verklagte sie daher am 22. August 2013 vor dem Tribunal de grande instance de Paris (Regionalgericht Paris, Frankreich) mit dem Antrag, ihr aufzugeben, jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung des Namens der g.U. „Morbier“, jede Aneignung, Nachahmung oder Anspielung auf diese g.U., alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben gleich welcher Art, die sich auf Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften des Erzeugnisses beziehen und geeignet sind, einen falschen Eindruck über dessen Ursprung zu erwecken, alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen, und insbesondere jede Verwendung eines schwarzen Streifens, der zwei Teile des Käses trennt, zu unterlassen und ihren Schaden zu ersetzen.

12.

Mit Urteil vom 14. April 2016 wies das Tribunal de grande instance de Paris (Regionalgericht Paris) alle Anträge des Verbands ab. Diese Entscheidung wurde von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit Urteil vom 16. Juni 2017 bestätigt. In diesem Urteil befand die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) u. a., der Vertrieb eines Käses, der ein oder mehrere in der Spezifikation des Morbier enthaltene Merkmale aufweise und diesem daher ähnele, stelle kein Fehlverhalten dar. Im Anschluss an die Feststellung, dass die Regelung über die g.U. nicht darauf abziele, das Erscheinungsbild eines Erzeugnisses oder seine in der Spezifikation beschriebenen Merkmale zu schützen, sondern seine Bezeichnung, so dass sie nicht verbiete, ein Erzeugnis nach denselben Techniken herzustellen wie denjenigen, die in den auf die geografische Bezeichnung anwendbaren Vorschriften vorgesehen seien, und unter Hinweis darauf, dass mangels eines ausschließlichen Rechts die Wiedergabe des Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses unter die Handels- und Gewerbefreiheit falle, befand die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris), dass die Merkmale, auf die sich der Verband berufe, u. a. der horizontale blaue Streifen, zu einer historischen Tradition gehörten, einer jahrhundertealten Technik, die auch bei anderen Käsesorten anzutreffen seien, die von SFL bereits vor der Erlangung der g.U. angewandt worden seien und die nicht auf Investitionen beruhten, die der Verband oder seine Mitglieder getätigt hätten. Zwar sei das Recht, pflanzliche Kohle zu verwenden, nur Käse der g.U. „Morbier“ verliehen worden, jedoch habe SFL, um sich an die amerikanischen Rechtsvorschriften zu halten, diese durch Traubenpolyphenol ersetzen müssen, so dass die beiden Käse insoweit nicht vergleichbar seien. Unter Hinweis darauf, dass SFL weitere Unterschiede zwischen dem Käse Montboissier und dem Morbier, u. a. die Verwendung von pasteurisierter Milch für den ersten und Rohmilch für den zweiten, geltend gemacht habe, kam die Cour d’appel (Berufungsgericht) zu dem Ergebnis, dass die beiden Käse unterschiedlich seien und dass der Verband versuche, den Schutz der Bezeichnung „Morbier“ für unlautere wirtschaftliche Interessen und unter Verstoß gegen den Grundsatz des freien Wettbewerbs auszudehnen.

13.

Gegen dieses Urteil der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) legte der Verband beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde ein. Er trug vor, die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) habe dadurch, dass sie befunden habe, nur die Verwendung des Namens „Morbier“ könne eine Beeinträchtigung der g.U. „Morbier“ darstellen, gegen Art. 13 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 verstoßen und nicht die Frage beantwortet, ob die Aufmachung des Käses „Montboissier“ geeignet sei, den Verbraucher irrezuführen. SFL ihrerseits macht geltend, die g.U. schütze Erzeugnisse aus einem abgegrenzten Gebiet, die als einzige die geschützte Bezeichnung tragen dürften. Sie verbiete anderen Erzeugern nicht, ähnliche Erzeugnisse herzustellen und zu vermarkten, sofern diese Vermarktung nicht mit Praktiken einhergehe, die zu einer Verwechslung führen könnten, u. a. durch Aneignung der geschützten Bezeichnung oder Anspielung auf diese. „[Sonstige] Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen“, wie es in Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 heiße, müssten notwendigerweise den „Ursprung“ des Erzeugnisses betreffen; es müsse sich also um Praktiken handeln, die den Verbraucher dazu verleiteten, zu glauben, dass ihm ein Erzeugnis mit der in Rede stehenden g.U. vorliege. Diese „Praktiken“ könnten sich nicht lediglich aus dem Erscheinungsbild des Erzeugnisses als solchem ergeben, ohne dass seine Verpackung auf die geschützte Herkunft Bezug nehme.

14.

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 510/2006 und der Verordnung Nr. 1151/2012 dahin auszulegen, dass sie nur die Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung durch einen Dritten verbieten, oder dahin, dass sie die Aufmachung eines unter eine Ursprungsbezeichnung fallenden Erzeugnisses, insbesondere die Wiedergabe seiner charakteristischen Form oder seines charakteristischen Erscheinungsbilds, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen, verbieten, auch wenn die eingetragene Bezeichnung nicht verwendet wird?

15.

In der vorliegenden Rechtssache haben der Verband, SFL, die französische und die griechische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Diese Beteiligten, mit Ausnahme der griechischen Regierung, haben in der Sitzung vom 18. Juni 2020 mündliche Ausführungen gemacht.

IV. Würdigung

A.   Vorbemerkungen

16.

Die von der Cour de cassation (Kassationshof) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage lässt sich in zwei Teile gliedern. Mit dem ersten Teil dieser Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dahin auszulegen ist, dass er nur die Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung durch einen unbefugten Dritten verbietet.

17.

Der zweite Teil der Vorlagefrage, der voraussetzt, dass der erste Teil verneint wird, geht hingegen dahin, ob, wenn die geschützte Bezeichnung nicht verwendet wird, auch die bloße Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds des unter die eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses verboten ist, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses, das diese Form oder dieses Erscheinungsbild aufweist, irrezuführen.

18.

Obwohl sie sich auf Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnungen insgesamt bezieht, betrifft die Vorlagefrage, wie sich aus ihrem Wortlaut und aus den Gründen der Vorlageentscheidung ergibt, speziell Buchst. d dieses Art. 13 Abs. 1, betreffend alle „sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen“. Wie jedoch aus den nachfolgenden Ausführungen hervorgeht, haben fast alle Beteiligten, die schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, die Vorlagefrage auch im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 geprüft, der u. a. jede „Anspielung“ auf einen geschützten Namen verbietet. Darüber hinaus betraf eine der den Beteiligten vom Gerichtshof zur mündlichen Beantwortung in der Sitzung gestellten schriftlichen Fragen den Unterschied zwischen den in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b und d enthaltenen Bestimmungen. Der Vollständigkeit halber werde ich daher die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage sowohl unter dem Gesichtspunkt des Buchst. b als auch unter dem Gesichtspunkt des Buchst. d behandeln.

B.   Zusammenfassung der Erklärungen der Beteiligten

19.

Der Verband macht geltend, der erste Teil der vom nationalen Gericht vorgelegten Frage sei bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere in den Urteilen vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association ( 12 ) (im Folgenden: Urteil Scotch Whisky), und vom 2. Mai 2019, Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego ( 13 ) (im Folgenden: Urteil Queso Manchego), beantwortet, in denen klargestellt worden sei, dass auch Praktiken, die nicht in der Verwendung des geschützten Namens bestünden, unter das Verbot nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 fallen könnten. Zum zweiten Teil der Vorlagefrage trägt der Verband vor, das Verbot der Wiedergabe des charakteristischen Erscheinungsbilds eines unter eine eingetragene Ursprungsbezeichnung fallenden Erzeugnisses könne sowohl im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 als auch im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. d in Betracht gezogen werden. Nach Auffassung des Verbands ist die Wiedergabe des charakteristischen Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 502/2006 nur dann verboten, wenn das streitige Erscheinungsbild geeignet ist, dem Verbraucher die Erzeugnisse, die eine eingetragene Bezeichnung tragen, gedanklich unmittelbar in Erinnerung zu rufen. Dagegen sei eine solche Wiedergabe auf der Grundlage von Buchst. d dieses Art. 13 Abs. 1 verboten, wenn sie geeignet sei, den Verbraucher über die Herkunft des Erzeugnisses irrezuführen. Was den schwarzen Streifen im Käse Morbier angehe, sei dieser das Erkennungszeichen, die „Signatur“ des Käses, die ihm seine Identität verleihe, zumindest wenn die übrigen Bedingungen hinsichtlich Farbe und Textur erfüllt seien.

20.

SFL macht geltend, die g.U. schütze ihrem Wesen nach die „Bezeichnung“ des Erzeugnisses, die es ermögliche, es mit einem bestimmten Gebiet und einer bestimmten Produktionstechnik in Verbindung zu bringen. Dagegen werde die Verwendung einer solchen Technik weder ausschließlich den unter diese Bezeichnung fallenden Erzeugnissen vorbehalten noch erlaube sie es, die Vermarktung eines Erzeugnisses mit dem gleichen Erscheinungsbild wie diese Erzeugnisse zu verbieten. Ein solch weitreichender Schutz würde ein immerwährendes Verwertungsmonopol auf eines oder mehrere der in der Spezifikation der Bezeichnung beschriebenen Merkmale und auf das Erscheinungsbild eines Erzeugnisses verleihen, das so nicht durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützt werden könne. Die Urteile Scotch Whisky und Queso Manchego hätten visuelle Elemente auf der Verpackung des Erzeugnisses oder im Namen des Erzeugnisses betroffen, die leicht zu ersetzen seien und die Vermarktung des Erzeugnisses selbst nicht behinderten, im Gegensatz zu Elementen, die das Erscheinungsbild des Erzeugnisses beträfen, wie z. B. der Streifen in der Mitte der von SFL hergestellten Käse, der im Übrigen auf eine überlieferte Herstellungstechnik zurückgehe ( 14 ). Sie verweist ferner auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Maßnahmen gleicher Wirkung, wonach die Verwendung einer bestimmten Form der Verpackung in Ermangelung eines ausschließlichen Rechts oder einer Rechtsvorschrift nicht zugunsten eines Teils der Erzeuger monopolisiert werden könne, sofern die Verwendung durch andere in lauterer und herkömmlicher Weise erfolge. Darüber hinaus sei es zum einen nicht verboten, „Feta“- oder „Mozzarella“-Käse oder auch „Parmesan“-Käse in der gleichen Aufmachung und Verpackung herzustellen, wie sie unter die jeweiligen geschützten Bezeichnungen fielen ( 15 ); zum anderen könnten mehrere verschiedene g.U. ein Erzeugnis mit identischer Form schützen. SFL verweist ferner auf „herabgestufte“ Erzeugnisse, d. h. Erzeugnisse, die mangels einer der Spezifikation der g.U. entsprechenden Aufmachung die g.U. nicht in Anspruch nehmen könnten, aber gleichwohl mit der Genehmigung von Berufsorganisationen wie dem Verband vermarktet würden. Schließlich seien die schwarzen Streifen ein charakteristisches Merkmal vieler in Frankreich und im Ausland hergestellter Erzeugnisse (z. B. des Cendré des Prés, des Douanier, des Ratoureux usw.). Im Ergebnis ist die Vorlagefrage nach Ansicht von SFL dahin zu beantworten, dass der auf eine g.U. zurückgehende Schutz sich nur auf die Bezeichnung des Erzeugnisses bezieht und dass sich hieraus für ein Erzeugnis, das diese g.U. nicht in Anspruch nehmen kann, kein Verbot ergibt, ein ähnliches Merkmal aufzuweisen.

21.

Die Kommission weist zunächst darauf hin, dass die Ursprungsbezeichnung weder die unter sie fallenden Erzeugnisse schütze noch irgendein physisches oder sonstiges Merkmal dieser Erzeugnisse, wie es in der Spezifikation oder auf den von den Begünstigten der betreffenden geschützten geografischen Angabe vermarkteten Erzeugnissen erscheine. Der Gegenstand des Schutzes sei nur die eingetragene Bezeichnung. Generell könne jedoch nicht prima facie ausgeschlossen werden, dass die Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses, dessen Bezeichnung geschützt sei, eine Beeinträchtigung dieser Bezeichnung darstellen könne, obwohl dies die Ausnahme sei. Unter Bezugnahme auf die Urteile Scotch Whisky und Queso Manchego vertritt die Kommission die Auffassung, Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 sei dahin auszulegen, dass er nicht nur die Verwendung der eingetragenen Bezeichnung durch einen Dritten verbiete, sondern auch alle sonstigen Praktiken, u. a. die Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds des durch die Bezeichnung geschützten Erzeugnisses, wenn diese deutlich sichtbare Merkmale beträfen, die ausschließlich zu diesem Erzeugnis gehörten, und sofern eine hinreichend unmittelbare und eindeutige begriffliche Nähe zwischen diesen Praktiken und der geschützten Bezeichnung bestehe, die geeignet sei, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen, auch wenn die eingetragene Bezeichnung nicht verwendet werde. Damit jedoch auf das Vorliegen einer solchen Praxis in einem bestimmten Fall geschlossen werden könne, müsse die wiedergegebene Form oder das wiedergegebene Erscheinungsbild für die von der geschützten Bezeichnung erfassten Erzeugnisse charakteristisch sein und von den Verbrauchern als einzigartig und „unterscheidungskräftig“ für diese Erzeugnisse wahrgenommen werden.

22.

Die französische Regierung trägt zum ersten Teil der Vorlagefrage vor, aus dem Buchstaben, dem Geist und den Zielen von Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass diese Bestimmung den eingetragenen Bezeichnungen einen erweiterten Schutz gewähre, der ein sehr breites Spektrum von Beeinträchtigungen abdecke, und dass daher nicht nur die Verwendung dieser Bezeichnung durch einen Dritten verboten sei. Zum zweiten Teil der Vorlagefrage vertritt die französische Regierung die Auffassung, die Verwendung einer charakteristischen Form oder eines besonders unterscheidungskräftigen Zeichens eines unter eine g.U. fallenden Erzeugnisses könne zum einen eine gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 verstoßende „Anspielung“ auslösen und zum anderen eine verbotene Praxis im Sinne von Buchst. d dieses Artikels darstellen, wenn sie geeignet sei, den Verbraucher zu veranlassen, gedanklich unmittelbar einen Bezug zu dem fraglichen Erzeugnis herzustellen.

23.

Die griechische Regierung ist ebenfalls der Ansicht, dass sich aus dem Wortlaut und den Zielen von Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 ergebe, dass dessen Bestimmungen ein möglichst breites Spektrum von Beeinträchtigungen geschützter Bezeichnungen abdeckten. Was insbesondere Art. 13 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnungen angehe, so sei diese Vorschrift, was die Art und die Form der Praxis angehe, weiter gefasst als die ihr vorangehenden, nicht aber was das Ergebnis angehe, zu dem diese Praxis führen müsse, nämlich zur Irreführung des Verbrauchers. Die Form oder das Erscheinungsbild eines Erzeugnisses sei jedoch geeignet, den Verbraucher irrezuführen und ihn unmittelbar an das unter die geschützte Bezeichnung fallende Erzeugnis zu erinnern, auch wenn es keinen direkten Bezug dazu gebe. Folglich könne die Wiedergabe des Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses, dessen Bezeichnung geschützt sei, unter die Verbote nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 fallen, sofern sie nicht zufällig erfolge, sondern dazu bestimmt sei, den Ruf der geschützten Bezeichnung auszunutzen.

C.   Beurteilung

24.

Zunächst möchte ich auf die von der Kommission sowohl in ihren schriftlichen als auch in ihren mündlichen Erklärungen vertretene Auffassung zurückkommen, wonach Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 einen Schutzmechanismus vorsieht, der sich auf die eingetragene Bezeichnung selbst und nicht auf das unter diese Bezeichnung fallende Erzeugnis bezieht.

25.

Diese Auffassung trifft sicherlich zu. In unserem Fall ist also die Bezeichnung „Morbier“ geschützt und nicht, zumindest nicht unmittelbar, das Erzeugnis, das nach den in der Spezifikation für diese Bezeichnung festgelegten Regeln hergestellt wurde ( 16 ) und die darin beschriebenen physischen und organoleptischen Eigenschaften sowie die Aufmachung, das Erscheinungsbild oder irgendein anderes Merkmal dieses Erzeugnisses aufweist. Eine solche Auffassung muss meiner Ansicht nach jedoch in ihren Kontext eingeordnet werden.

26.

Zunächst ist nämlich festzustellen, dass zwar kein Zweifel daran besteht, dass der Gegenstand des Schutzes in Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 die eingetragene Bezeichnung ist, dass aber auch zu bedenken ist, dass der Unionsgesetzgeber mit der Schaffung eines Systems zum Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen zum einen beabsichtigte, die ländliche Wirtschaft – insbesondere in benachteiligten oder abgelegenen Gebieten – durch die „Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten Merkmalen“ zu unterstützen ( 17 ), und zum anderen, die „Qualität und Vielfalt der Erzeugung der Landwirtschaft … der Union“ zu erhalten, die „eine ihrer größten Stärken [darstellen], indem sie den Erzeugern der Union einen Wettbewerbsvorteil bieten und einen erheblichen Beitrag zum lebendigen kulturellen und gastronomischen Erbe leisten“ ( 18 ). Es ist somit letztlich der Schutz traditioneller Erzeugnisse „mit besonderen Merkmalen aufgrund des geografischen Ursprungs“, der das oberste Ziel der Regelung betreffend g.U. und g.g.A. darstellt. Der diesen Angaben gewährte Schutz ist nur ein Instrument im Dienste dieses Ziels, und sein Umfang muss daher im Licht dieses Ziels ausgelegt werden ( 19 ).

27.

Zweitens möchte ich, anknüpfend an das soeben Gesagte, darauf hinweisen, dass nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1151/2012 „der Ausdruck ‚Ursprungsbezeichnung‘ einen Namen [bezeichnet], der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet wird, … dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Gegend oder, in Ausnahmefällen, in einem bestimmten Land liegt“ und „das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt“ ( 20 ). Die g.U. sind also insofern geschützt, als sie ein Erzeugnis bezeichnen, das bestimmte „Eigenschaften“ oder „Merkmale“ aufweist, d. h. physische Attribute wie Geschmack, Geruch und Erscheinungsbild, die ihm eigen sind und die mit seinem geografischen Ursprung zusammenhängen. Ganz allgemein bildet die Verbindung mit dem Gebiet als Element, das in der Lage ist, ein Erzeugnis qualitativ von der gesamten Angebotspalette auf dem Markt zu unterscheiden, die Grundlage für den Schutz der g.U. Das Verfahren zur Eintragung einer g.U., wie es derzeit in den Art. 49 bis 52 der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehen ist, zielt gerade darauf ab, zu prüfen, ob die Anforderungen bezüglich der Ursprungsbezeichnungen gemäß Art. 5 dieser Verordnung erfüllt sind. Zu diesem Zweck muss der Eintragungsantrag gemäß Art. 8 der genannten Verordnung eine Produktspezifikation enthalten, die u. a. „eine Beschreibung des Erzeugnisses, gegebenenfalls einschließlich der Rohstoffe, sowie der wichtigsten physikalischen, chemischen, mikrobiologischen oder organoleptischen Eigenschaften des Erzeugnisses“, die Abgrenzung des geografischen Bezugsgebiets und einen Nachweis für den Zusammenhang zwischen der Qualität oder den Merkmalen des Erzeugnisses und diesem Gebiet umfasst ( 21 ). Diesem Antrag ist ferner ein einziges Dokument beizufügen, das u. a. „die wichtigsten Anforderungen der Produktspezifikation: Namen, Beschreibung des Erzeugnisses gegebenenfalls unter Einbeziehung der besonderen Vorschriften für dessen Aufmachung und Etikettierung“ sowie „eine Beschreibung des Zusammenhangs des Erzeugnisses mit den … geografischen Verhältnissen oder dem geografischen Ursprung, gegebenenfalls unter Einbeziehung besonderer Angaben zur Beschreibung des Erzeugnisses oder des Gewinnungsverfahrens, die diesen Zusammenhang begründen“ ( 22 ), enthält. Sodann ist ein Einspruchsverfahren vorgesehen, das Dritten die Möglichkeit gibt, Einspruch gegen die Eintragung einzulegen, u. a., wenn sich herausstellt, dass die Anforderungen an die g.U. gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 1151/2012 oder die Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung in Bezug auf die Spezifikation nicht erfüllt sind ( 23 ).

28.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, falls der Gerichtshof feststellen sollte, dass die Wiedergabe des Unterscheidungsmerkmals eines unter eine eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 verstoßen könnte, Gegenstand des Schutzes weder dieses Merkmal als solches wäre noch das Erzeugnis, auf das es sich bezieht. Eine solche Wiedergabe ist nämlich nur insoweit verboten, als sie gegebenenfalls die Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung oder auf eine Praxis darstellt, die Erzeuger oder Landwirte, deren Erzeugnisse unter eine solche Bezeichnung fallen, daran hindert, „die Käufer und die Verbraucher im Rahmen eines fairen Wettbewerbs über die Merkmale ihrer Erzeugnisse [zu] informieren“ und „ihre Erzeugnisse auf dem Markt sachgemäß kenntlich [zu] machen“ ( 24 ), d. h., soweit sie die Erreichung der spezifischen Ziele des Schutzes der g.U. und der g.g.A. beeinträchtigt. Diese Ziele sind im 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1151/2012 angeführt und in deren Art. 4 erläutert; sie zielen insbesondere darauf ab, den Erzeugern und den Landwirten faire Einkünfte für die Qualität ihrer mit einem geografischen Gebiet verbundenen Erzeugnisse zu gewährleisten und den Verbrauchern klare Informationen über die Merkmale dieser Erzeugnisse zu geben.

29.

Vorab sei weiter darauf hingewiesen, dass geografische Bezeichnungen zwar gewerbliche Schutzrechte sind, dass sie jedoch Gegenstand von Regeln sui generis sind, in denen sich Elemente des öffentlichen Rechts mit denen des Privatrechts vermischen und ihnen Vorrang vor denen des Privatrechts eingeräumt wird. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich auch von den Marken, dem gewerblichen Schutzrecht, das den geografischen Bezeichnungen am nächsten kommt. So beruht erstens die rechtliche Existenz von g.U. (wie auch von g.g.A.) auf einem Rechtsakt (einer Verordnung der Kommission). Dieser Rechtsakt legt im Einzelnen „die wichtigsten physikalischen, chemischen, mikrobiologischen oder organoleptischen Eigenschaften des Erzeugnisses“ sowie das Verfahren zur Gewinnung und gegebenenfalls die Aufmachung des Erzeugnisses fest. Zweitens wird ein Überwachungssystem eingerichtet, um die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen an g.U. zu überprüfen. Dieses System beruht auf amtlichen Kontrollen, die von einer von jedem Mitgliedstaat benannten zuständigen Behörde durchgeführt werden und die insbesondere darauf abzielen, durch „Überprüfung der Übereinstimmung eines Erzeugnisses mit der entsprechenden Produktspezifikation“ ( 25 ) die Einhaltung der Qualitätsanforderungen für die unter einer eingetragenen Bezeichnung vermarkteten Erzeugnisse zu gewährleisten ( 26 ). Drittens ist die Regelung über die eingetragenen Bezeichnungen sehr stark mit dem Ziel des Schutzes der Interessen der Verbraucher verbunden, die sowohl hinsichtlich ihrer Erwartungen an das Qualitätsniveau der unter diese Bezeichnungen fallenden Erzeugnisse als auch hinsichtlich ihres Rechts, durch wahrheitsgemäße kommerzielle Angaben informiert und bei ihren Kaufentscheidungen nicht irregeführt zu werden, berücksichtigt werden ( 27 ). Viertens verleihen eingetragene geografische Bezeichnungen zwar ein ausschließliches Recht, doch ist dies kein individuelles Recht, da jeder Erzeuger in dem betreffenden geografischen Gebiet berechtigt ist, die fragliche Bezeichnung unter der einzigen Bedingung zu verwenden, dass er die entsprechende Spezifikation einhält ( 28 ). Auch hier überwiegt das öffentliche Interesse daran, dass die Ursprungsbezeichnungen von jedem Erzeuger, der die erforderlichen Bedingungen erfüllt, frei verwendet werden können. Schließlich soll das durch eingetragene geografische Bezeichnungen verliehene ausschließliche Recht nicht dazu dienen, Innovation, Erfindungsreichtum oder, einfacher gesagt, individuelle unternehmerische Fähigkeiten zu belohnen. Entgegen den Ausführungen der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) in dem im Ausgangsverfahren ergangenen Urteil ist es auch nicht dazu bestimmt, Investitionen von Erzeugern zu vergüten, die zur Verwendung dieser Bezeichnungen berechtigt sind. Die Tätigkeit dieser Erzeuger beschränkt sich nämlich per definitionem auf die Fortführung einer lokalen, manchmal sehr alten Produktionstradition, die mit der natürlichen und menschlichen Umwelt der Region, in der sie tätig sind, verbunden ist, d. h. mit Faktoren, die nicht von ihrer Initiative und ihren unternehmerischen Entscheidungen abhängen. Wie in den vorliegenden Schlussanträgen bereits erläutert, sind es die Ziele der Agrarpolitik, des Verbraucherschutzes und des Schutzes des gemeinsamen kulturellen Erbes, die der Regelung zum Schutz der eingetragenen geografischen Bezeichnungen zugrunde liegen. Diese Regelung fördert somit ein Anreizmodell, das in direktem Zusammenhang mit diesen Zielen steht und sich von dem auf wettbewerbsorientierte Innovation ausgerichteten Modell unterscheidet.

30.

Nach alledem wende ich mich nun dem ersten Teil der Vorlagefrage zu, in dem das vorlegende Gericht dem Gerichtshof die Frage stellt, ob Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 nur die Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung durch einen Dritten verbietet.

31.

Wie alle Beteiligten, die im vorliegenden Verfahren Erklärungen abgegeben haben, eingeräumt haben, findet sich die Antwort auf diese Frage bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

32.

So hat der Gerichtshof im Urteil Scotch Whisky, das nach dem Urteil der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) erging, welches Gegenstand des beim vorlegenden Gericht eingelegten Rechtsmittels ist, die Fälle der direkten oder indirekten Verwendung einer eingetragenen geografischen Angabe im Sinne von Art. 16 Buchst. a der Verordnung Nr. 110/2008 ( 29 ) – dessen Wortlaut im Wesentlichen mit dem des Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 übereinstimmt – von den insbesondere unter Buchst. b dieses Artikels 16 fallenden klar unterschieden. Während die erste Bestimmung, so der Gerichtshof, es verbietet, „dass Marktteilnehmer zu gewerblichen Zwecken eine eingetragene geografische Angabe für Erzeugnisse verwenden, die nicht von der Eintragung erfasst sind, namentlich mit dem Ziel, ungerechtfertigte Vorteile aus dieser Angabe zu ziehen“ ( 30 ), und Sachverhalte erfasst, in denen das streitige Zeichen die eingetragene geografische Angabe „in identischer oder zumindest in klanglich und/oder visuell hochgradig ähnlicher Form verwendet“ ( 31 ), betrifft Buchst. b „Fälle, in denen das streitige Zeichen die geografische Angabe nicht als solche verwendet, sondern sie den angesprochenen Verkehrskreisen dergestalt suggeriert, dass der Verbraucher einen hinreichend engen Zusammenhang zwischen dem Zeichen und der eingetragenen geografischen Angabe herstellt“ ( 32 ).

33.

Ebenfalls in der Rechtssache Scotch Whisky stellte der Gerichtshof fest, dass weder „der teilweise Einschluss einer geschützten geografischen Angabe im streitigen Zeichen“ noch „die Feststellung einer klanglichen und visuellen Ähnlichkeit der streitigen Bezeichnung mit der geschützten geografischen Angabe“ ( 33 ) eine zwingende Voraussetzung für die Anwendung von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 darstellten und dass bei der Beurteilung, ob eine „Anspielung“ im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, „das nationale Gericht … zu prüfen [hat], ob der Verbraucher durch den Namen des betreffenden Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte geografische Angabe trägt“. Unter Bezugnahme auf Rn. 35 des Urteils vom 21. Januar 2016, Viiniverla (C‑75/15, EU:C:2016:35), stellte der Gerichtshof fest, dass gegebenenfalls auch das Kriterium der „inhaltlichen Nähe“ zwischen Begriffen aus verschiedenen Sprachen zu berücksichtigen sei, wobei auch eine solche Nähe beim Verbraucher einen gedanklichen Bezug zu dem Erzeugnis hervorrufen könne, dessen geografische Angabe geschützt sei, wenn er ein vergleichbares Erzeugnis vor sich habe, das die streitige Bezeichnung trage ( 34 ), und kam zu dem Ergebnis, dass das nationale Gericht das Vorliegen einer Anspielung „zu prüfen hat, wobei es gegebenenfalls den teilweisen Einschluss einer geschützten geografischen Angabe in der streitigen Bezeichnung, eine klangliche und/oder visuelle Ähnlichkeit dieser Bezeichnung mit der geschützten geografischen Angabe oder eine inhaltliche Nähe der Bezeichnung zu der Angabe zu berücksichtigen hat“ ( 35 ). Diese Grundsätze wurden im Urteil Queso Manchego bestätigt, in dem der Gerichtshof klarstellte, dass die weite Formulierung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 510/2006 „dahin verstanden werden [kann], dass sie nicht nur auf die Begriffe verweist, mit denen auf eine eingetragene Bezeichnung angespielt werden kann, sondern auch auf jedes Bildzeichen, das dem Verbraucher die Erzeugnisse, die diese Bezeichnung tragen, in Erinnerung rufen kann“, und dass der Gebrauch des Wortes „jede“ den Willen des Unionsgesetzgebers widerspiegelt, „die eingetragenen Bezeichnungen zu schützen, indem in Betracht gezogen wird, dass eine Anspielung durch einen Wortbestandteil oder ein Bildzeichen erfolgt“ ( 36 ). Nach Auffassung des Gerichtshofs kann nämlich „nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass Verbraucher durch Bildzeichen aufgrund ihrer begrifflichen Nähe zu einer eingetragenen Bezeichnung veranlasst werden können, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu den Erzeugnissen herzustellen, die diese Bezeichnung tragen“ ( 37 ).

34.

In Bezug auf Buchst. c des Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008 stellte der Gerichtshof klar, dass dieser „den geschützten Bereich um ‚alle sonstigen … Angaben‘ – d. h. um Informationen für die Verbraucher – in der Bezeichnung oder auf der Aufmachung oder Etikettierung des betreffenden Erzeugnisses [erweitert], die zwar nicht auf die geschützte geografische Angabe anspielen, aber angesichts der Verbindungen zwischen dem Erzeugnis und der Angabe als falsch oder irreführend eingestuft werden“, und dass sich der Ausdruck „alle sonstigen … Angaben“ in dieser Bestimmung „auf Informationen jeder Art in der Bezeichnung oder auf der Aufmachung oder Etikettierung des betreffenden Erzeugnisses erstreckt, insbesondere in Form eines Textes, eines Bildes oder eines Behältnisses, die geeignet sind, Auskunft über die Herkunft, den Ursprung, die Beschaffenheit oder die wesentlichen Merkmale des Erzeugnisses zu geben“ ( 38 ).

35.

Ganz allgemein hat der Gerichtshof befunden, dass Art. 16 Buchst. a bis d der Verordnung Nr. 110/2008 ( 39 ) verschiedene Fälle erfasst, in denen die Vermarktung eines Erzeugnisses mit einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Bezugnahme auf eine geografische Angabe unter Umständen einhergeht, die geeignet sind, das Publikum irrezuführen oder bei ihm zumindest Assoziationen hinsichtlich des Ursprungs des Erzeugnisses hervorzurufen oder dem Wirtschaftsteilnehmer zu ermöglichen, in unberechtigter Weise das Ansehen der fraglichen geografischen Angabe auszunutzen.

36.

Diese Grundsätze gelten auch für Art. 13 Abs. 1 Buchst. a bis d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012. Dieser Artikel eröffnet daher einen weitreichenden Schutz, der zum einen die Verwendung, widerrechtliche Aneignung und Anspielung auf die geschützte Bezeichnung und ganz allgemein alle parasitären Praktiken, die darauf abzielen, den Ruf dieser Bezeichnung durch eine gedankliche Verbindung auszunutzen, und zum anderen alle Verhaltensweisen abdeckt, die geeignet sind, die Gefahr einer Verwechslung zwischen Erzeugnissen, die eine solche Bezeichnung tragen, und konventionellen Erzeugnissen ( 40 ) zu schaffen. Er zielt darauf ab, den Missbrauch geschützter geografischer Angaben zu verhindern, nicht nur im Interesse der Käufer, sondern auch im Interesse der Erzeuger, die sich bemüht haben, die Qualitäten zu garantieren, die von Erzeugnissen erwartet werden, die solche Angaben rechtmäßig tragen ( 41 ).

37.

Auf den ersten Teil der Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 die bloße Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung durch einen Dritten nicht verbietet.

38.

Mit dem zweiten Teil seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 auch die Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds eines unter eine eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses verbietet. Wie ich bereits in Nr. 18 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, werde ich die Frage sowohl unter dem Gesichtspunkt des Buchst. b dieser Bestimmung als auch unter dem Gesichtspunkt des Buchst. d behandeln, obwohl sich die Vorlagefrage nur auf Letzteren bezieht.

39.

Mit der Kommission stimme ich dahin überein, dass sich Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 grundsätzlich nicht für eine Auslegung eignet, nach der eine „Anspielung“ auf eine eingetragene Bezeichnung im Sinne dieser Bestimmung schon allein aufgrund der Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbilds des unter eine solche Bezeichnung fallenden Erzeugnisses vorliegen kann.

40.

Zwar kann im Licht der in den Nrn. 32 und 33 dieser Schlussanträge angeführten Rechtsprechung, die die Möglichkeit einer rein begrifflichen Anspielung auf eingetragene Bezeichnungen anerkannt hat, nicht ausgeschlossen werden, dass in bestimmten Ausnahmefällen eine solche Anspielung vorkommen kann, wenn sich der Verbraucher der Form oder dem Erscheinungsbild eines herkömmlichen Erzeugnisses gegenüber sieht, das die Form oder das Erscheinungsbild eines vergleichbaren, unter eine solche geschützte Bezeichnung fallenden Erzeugnisses ganz oder teilweise wiedergibt.

41.

Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn die geschützte Bezeichnung eine ausdrückliche Bezugnahme auf die typische Form des damit versehenen Erzeugnisses enthält ( 42 ). In einem solchen Fall könnte die Form oder das Erscheinungsbild des Erzeugnisses geeignet sein, beim Publikum eine „unmittelbare und eindeutige“ Assoziation ( 43 ) mit dieser Bezeichnung hervorzurufen, wie der Gerichtshof im Urteil Queso Manchego im Zusammenhang mit Bildelementen entschieden hat, die auf dem Etikett eines herkömmlichen Erzeugnisses angebracht sind und sich auf das geografische Gebiet beziehen, mit dem eine g.U. verbunden ist, deren wesentlicher Bestandteil eine Bezugnahme auf dieses geografische Gebiet ist ( 44 ).

42.

Meiner Ansicht nach müssten allerdings drei Bedingungen erfüllt sein, damit eine solche Assoziation eine „Anspielung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 darstellen kann.

43.

Erstens muss das wiedergegebene Element in der Spezifikation der eingetragenen Bezeichnung als Unterscheidungsmerkmal für das unter diese Bezeichnung fallende Erzeugnis erscheinen. Ein solches Erfordernis stellt zum einen sicher, dass dieses Element tatsächlich Teil der lokalen Produktionstradition ist, die unter die eingetragene Bezeichnung fällt, und dient zum anderen dem Ziel der Rechtssicherheit.

44.

Zweitens darf, wie die Kommission meines Erachtens zu Recht hervorgehoben hat, das wiedergegebene Element nicht untrennbar mit einem Produktionsprozess verbunden sein, der als solcher für jeden Erzeuger frei verfügbar bleiben muss.

45.

Schließlich und in Übereinstimmung mit dem Ansatz, den ich in Nr. 29 meiner Schlussanträge in der Rechtssache vorgeschlagen habe, in der das Urteil Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:11) ergangen ist, muss sich das Vorliegen der Anspielung aus einer Einzelfallprüfung ergeben, bei der neben dem streitigen Element – im vorliegenden Fall das Element der Form oder des Erscheinungsbilds des Erzeugnisses, das unter eine geschützte Bezeichnung fällt, die Gegenstand der Wiedergabe ist – jedes sonstige als relevant angesehene Element berücksichtigt wird, entweder, weil es das Potenzial einer Anspielung hat oder, im Gegenteil, weil es die Möglichkeit ausschließt oder einschränkt, dass der Verbraucher das herkömmliche Erzeugnis unmittelbar und eindeutig mit dem Erzeugnis assoziieren kann, das unter die geschützte Bezeichnung fällt ( 45 ). Meiner Meinung nach sollte auch das Vorliegen einer parasitären Absicht festgestellt werden ( 46 ).

46.

Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass die in den vorstehenden Nummern vorgeschlagene Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 auf einer allgemeineren Ebene nicht bedeutet, dass die Form, das Erscheinungsbild oder auch die Verpackung des herkömmlichen Erzeugnisses nicht als kontextuelle Elemente für die Zwecke der Gesamtbeurteilung des Vorliegens einer Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 und insbesondere zur Feststellung des Vorliegens einer parasitären Absicht berücksichtigt werden können, wie der Gerichtshof im Übrigen in seinen Urteilen vom 4. März 1999, Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola ( 47 ), und vom 26. Februar 2008, Kommission/Deutschland ( 48 ), anerkannt hat und wie ich in Nr. 29 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:11) ausgeführt habe.

47.

Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 eignet sich zwar nur ausnahmsweise dafür, Verhaltensweisen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art zu erfassen, doch können diese Verhaltensweisen andererseits gegebenenfalls unter Buchst. d dieses Artikels fallen.

48.

Wie der Gerichtshof in Bezug auf Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008 festgestellt hat ( 49 ), enthält Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 ( 50 ) eine abgestufte Aufzählung verbotener Verhaltensweisen, nach der sich jeder Unterpunkt dieses Absatzes von den vorhergehenden unterscheidet ( 51 ). Wie schon oben in den Nrn. 32 bis 34 erwähnt, hatte der Gerichtshof bereits Gelegenheit, sich zum Verhältnis zwischen den Buchst. a, b und c von Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008 zu äußern. Dagegen hat er bisher weder Buchst. d dieses Artikels noch Buchst. d von Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 oder vergleichbare Bestimmungen in den Verordnungen zur Einführung von Qualitätsregelungen ausgelegt.

49.

Wie von allen am vorliegenden Verfahren Beteiligten ausgeführt wurde, enthält Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 ( 52 ) einen „Auffangtatbestand“, der darauf abzielt, das System des Schutzes der eingetragenen Bezeichnungen zu schließen. Dies geht insbesondere aus seiner Formulierung betreffend „alle sonstigen Praktiken“, d. h. jedes Verhalten, das nicht bereits unter die anderen Bestimmungen desselben Artikels fällt, hervor.

50.

Das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel ist in ihrem Wortlaut klar formuliert: Es soll verhindert werden, dass der Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irregeführt wird.

51.

Im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012, der das Bestehen einer Verwechslungsgefahr unberücksichtigt lässt ( 53 ) und insbesondere parasitäre Verhaltensweisen verbieten will ( 54 ), erfasst Buchst. d dieses Artikels daher Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen, mit dem Ziel, sowohl die Irreführung des Verbrauchers bei seinen Kaufhandlungen zu verhindern als auch die Landwirte und die Erzeuger, die die eingetragene Bezeichnung verwenden, vor einer möglichen Abwerbung von Kunden zu schützen.

52.

Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Ausdruck „Praktiken, die geeignet sind“, in Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 ergibt, dass diese Bestimmung nur den Nachweis des Bestehens einer „Gefahr“ verlangt, dass der Verbraucher durch die streitige Praxis irregeführt wird, und zum anderen, dass sich der Irrtum auf den „Ursprung“ des Erzeugnisses beziehen muss – Ausdruck, der sowohl im Sinne von „geografische Herkunft“ als auch im Sinne von „ursprüngliche Erzeugung“ zu verstehen ist, da der Verbraucher zu der falschen Annahme geführt werden muss, dass das Erzeugnis, dem er sich gegenüber sieht, in das geografische Bezugsgebiet der eingetragenen Bezeichnung fällt oder dass es Teil einer unter die eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugung ist.

53.

Das Ziel, eine Irreführung des Verbrauchers in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses zu verhindern, stellt die einzige Anwendungsvoraussetzung des Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dar. Daher definiert diese Bestimmung nicht die verbotenen Verhaltensweisen, sondern beschränkt sich darauf, sie anhand ihrer Ergebnisse zu qualifizieren.

54.

Daraus folgt, dass jede Praxis in den Anwendungsbereich des Verbots fallen kann, im Grundsatz einschließlich der Wiedergabe der typischen Form oder des typischen Erscheinungsbilds eines unter eine eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses oder eines bestimmten und unterscheidungskräftigen Merkmals dieses Erzeugnisses, sofern sie geeignet ist, den Verbraucher irrezuführen.

55.

Die Beurteilung, ob die Gefahr einer Irreführung besteht, muss ebenfalls in jedem Einzelfall und unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren erfolgen. Beispielsweise ist bei einer Praxis wie der im Ausgangsverfahren streitigen, die in der Wiedergabe eines Elements des Erscheinungsbilds des unter eine eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses besteht, u. a. zu berücksichtigen, welche Bedeutung dieses Element in den Augen des Verbrauchers für die Identifizierung des Erzeugnisses hat. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr kann unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob es sich beim Gegenstand der Wiedergabe um ein ausschließliches oder besonders unterscheidungskräftiges Merkmal des von der eingetragenen Bezeichnung erfassten Erzeugnisses oder um ein Merkmal handelt, das in dem betreffenden Agrar- und Lebensmittelsektor üblicherweise verwendet wird.

56.

In diesem Zusammenhang sollte auch das Erscheinungsbild des Erzeugnisses als Ganzes bewertet werden. Wie nämlich in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt wurde, kann selbst die Wiedergabe eines typischen und ausschließlichen Merkmals der Form oder des Erscheinungsbilds eines unter eine eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses den Verbraucher nicht irreführen, wenn das Erscheinungsbild des konventionellen Erzeugnisses insgesamt von dem des mit dieser Bezeichnung versehenen Erzeugnisses abweicht.

57.

Ebenso ist die Art und Weise der Präsentation des fraglichen Erzeugnisses in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, um erstens zu beurteilen, ob der Verbraucher sich zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung tatsächlich dem streitigen Merkmal gegenüber sieht ( 55 ), und zweitens, ob andere mit dieser Art und Weise zusammenhängende Faktoren geeignet sind, das Irrtumsrisiko des Verbrauchers zu erhöhen ( 56 ).

58.

Ganz allgemein ist darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012, bei dessen Anwendung der Kontext, in dem die „falsche oder irreführende Angabe“ gemacht wird, außer Acht gelassen wird ( 57 ), Buchst. d dieses Artikels eine Beurteilung dieses Kontexts erfordert, um konkret festzustellen, ob die Gefahr einer Irreführung des Verbrauchers besteht.

59.

Es ist allein Sache des nationalen Gerichts, diese Würdigung unter Bezugnahme auf die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Durchschnittsverbrauchers vorzunehmen ( 58 ).

60.

Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen ist auf den zweiten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass die Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds eines unter eine eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses eine verbotene Praxis im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 darstellen kann, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

V. Ergebnis

61.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage der Cour de cassation (Kassationshof, Frankreich) wie folgt zu beantworten:

Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel und der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung durch einen Dritten verbietet.

Die Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds eines unter eine eingetragene Bezeichnung fallenden Erzeugnisses kann eine verbotene Praxis im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 darstellen, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die Rechtswidrigkeit einer solchen Praxis in jedem Einzelfall im Licht aller relevanten Faktoren und unter Bezugnahme auf die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2006, L 93, S. 12).

( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1).

( 4 ) Verordnung zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 1992, L 208, S. 1).

( 5 ) Vgl. für den Weinsektor Art. 103 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671), für den Sektor aromatisierter Getränke Art. 20 der Verordnung (EU) Nr. 251/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates (ABl. 2014, L 84, S. 14) und für den Spirituosensektor Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates (ABl. 2008, L 39, S. 16).

( 6 ) Verordnung zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 2400/96 zur Eintragung bestimmter Bezeichnungen in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel gemäß Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (Gailtaler Speck, Morbier, Queso Palmero oder Queso de la Palma, Natives Olivenöl extra Thrapsano, Turrón de Agramunt oder Torró d’Agramunt) (ABl. 2002, L 181, S. 4).

( 7 ) ABl. 2013, L 302, S. 7.

( 8 ) Verordnung der Kommission vom 11. November 2011 zur Änderung des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Liste der Lebensmittelzusatzstoffe der Europäischen Union (ABL. 2011, L 295, S. 1).

( 9 ) Vgl. Anhang der Verordnung Nr. 1129/2011, Teil E, Nr. 01.7.2.

( 10 ) JORF vom 30. Oktober 2007, Text Nr. 2.

( 11 ) In ihren schriftlichen Erklärungen trägt SFL vor, ein Rechtsmittel gegen das Dekret vom 22. Dezember 2000 sei durch Urteil des Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) vom 5. November 2003 zurückgewiesen worden. In dem Verfahren, in dem dieses Urteil ergangen sei, hätten das INAO und der französische Finanzminister geltend gemacht: „Das Dekret [vom 22. Dezember 2000] hindert Wirtschaftsteilnehmer außerhalb des Bezeichnungsgebiets in keiner Weise daran, ihre Erzeugnisse weiterhin herzustellen und zu vermarkten. Es hindert sie lediglich daran, dies weiterhin unter Verwendung des Namens ‚Morbier‘ zu tun, da sie nicht genau den geografischen und technischen Kriterien entsprechen, die für das Recht zur Verwendung dieses Namens festgelegt wurden“. In seinem Urteil habe der Conseil d’État (Staatsrat) ausgeführt: „Sowohl die nationalen als auch die Gemeinschaftsregeln, die den Schutz von g.U. regeln, haben zum Ziel, die Qualität der Erzeugnisse, die eine eingetragene Bezeichnung tragen, aufzuwerten, u. a. indem vorgeschrieben wird, dass das Erzeugnis in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt werden“ und „dass diese Regeln den freien Verkehr anderer Erzeugnisse, denen dieser Schutz nicht zugutekommt, nicht behindern“.

( 12 ) C‑44/17, EU:C:2018:415.

( 13 ) C‑614/17, EU:C:2019:344.

( 14 ) SFL führt in ihren schriftlichen Erklärungen aus, Morbier, dessen Produktion über das derzeitige DOP-Gebiet hinausgehe, werde traditionell aus am selben Tag gemolkener Milch hergestellt: Die Morgenmilch werde zum Schutz mit einer dünnen Holzkohleschicht überzogen, bis sie von der Abendmilch bedeckt werde. Nach der Verarbeitung weise der Käselaib in der Mitte einen schwarzen Streifen entsprechend der dazwischen liegenden Holzkohleschicht auf. Aus den Akten ergebe sich, dass der Streifen in der Mitte des von SFL vermarkteten Käses eine rötliche Tönung habe und aus Traubenmost und nicht aus pflanzlicher Holzkohle bestehe.

( 15 ) SFL verweist insbesondere auf die Urteile vom 25. Oktober 2005, Deutschland und Dänemark/Kommission (C‑465/02 und C‑466/02, EU:C:2005:636), und vom 26. Februar 2008, Kommission/Deutschland (C‑132/05, EU:C:2008:117).

( 16 ) Vgl. jedoch in Bezug auf Weine Art. 103 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 und in Bezug auf aromatisierte Getränke Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 251/2014, die vorsehen, dass die jeweiligen Erzeugnisse, die einen geschützten Namen in Übereinstimmung mit der Produktspezifikation verwenden, selbst gegen die in diesen Bestimmungen vorgesehenen verbotenen Verhaltensweisen geschützt werden.

( 17 ) Vgl. zweiter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 510/2006; vgl. im selben Sinne vierter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1151/2012.

( 18 ) Vgl. erster Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1151/2012.

( 19 ) Vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, Viiniverla (C‑75/15, EU:C:2016:35, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie Urteil Scotch Whisky (Rn. 37).

( 20 ) Eine praktisch identische Definition fand sich in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 510/2006.

( 21 ) Vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und f der Verordnung Nr. 1151/2012.

( 22 ) Vgl. Art. 8 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii der Verordnung Nr. 1151/2012.

( 23 ) Vgl. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 zu den Einspruchsgründen und Art. 51 dieser Verordnung zum Verfahren.

( 24 ) Vgl. Erwägungsgründe 3 und 5 der Verordnung Nr. 1151/2012; vgl. auch Urteile vom 14. Juli 2011, Bureau national interprofessionnel du Cognac (C‑4/10 und C‑27/10, EU:C:2011:484, Rn. 47), vom 21. Januar 2016, Viiniverla, (C‑75/15, EU:C:2016:35, Rn. 24), sowie Urteile Scotch Whisky (Rn. 36) und Queso Manchego (Rn. 29).

( 25 ) Vgl. Art. 36 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1151/2012.

( 26 ) Zwar gehört zu den Funktionen einer Marke auch die eines Indikators der Qualität, doch hängt diese ausschließlich von den Entscheidungen des Markeninhabers ab, der zumindest theoretisch nicht verpflichtet ist, das gleiche Qualitätsniveau seiner Waren oder Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.

( 27 ) Das Interesse der Verbraucher, hinsichtlich der gewerblichen Herkunft der von ihnen gekauften Waren oder Dienstleistungen keinem Irrtum zu erliegen, spiegelt sich auch im Markenrecht wider. Im Mittelpunkt des Markenrechts stehen jedoch die privaten Interessen der Inhaber.

( 28 ) Eine Marke verleiht hingegen ein ausschließliches, in der Regel individuelles Recht, das es ihrem Inhaber erlaubt, jeden Dritten von der Benutzung desselben oder eines ähnlichen Zeichens auszuschließen. Die Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, insbesondere Art. 29 bis 36) sieht zwar auch Kollektivmarken vor, doch sind die Vorschriften, die für Kollektivmarken gelten, ebenso wie die Vorschriften, die für Individualmarken gelten, eminent privatrechtlicher Natur und weisen nicht die öffentlich-rechtlichen Aspekte auf, die für die Vorschriften über geschützte geografische Bezeichnungen charakteristisch sind.

( 29 ) Art. 16 Buchst. a bis d der Verordnung Nr. 110/2008 hat praktisch denselben Inhalt wie Art. 13 Abs. 1 Buchst. a bis d der Verordnung Nr. 510/2006.

( 30 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 38).

( 31 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 31)

( 32 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 33); Hervorhebung nur hier.

( 33 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 46 und 49).

( 34 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 50).

( 35 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 51). Die streitige Bezeichnung in dem Ausgangsverfahren, in dem dieses Urteil erging, war das Wort „Glen“. Der Gerichtshof stellte fest, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, zu prüfen, ob ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger europäischer Durchschnittsverbraucher einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der geschützten geografischen Angabe, nämlich „Scotch Whisky“, herstelle, wenn er ein vergleichbares Erzeugnis vor sich habe, wobei es mangels einer klanglichen und/oder visuellen Ähnlichkeit dieser Bezeichnung mit der geschützten geografischen Angabe und eines teilweisen Einschlusses dieser Angabe in der fraglichen Bezeichnung die inhaltliche Nähe der besagten Angabe zu dieser Bezeichnung zu berücksichtigen habe (Urteil Scotch Whisky, Rn. 52)

( 36 ) Vgl. Urteil Queso Manchego (Rn. 18).

( 37 ) Vgl. Urteil Queso Manchego (Rn. 22).

( 38 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 65 und 66).

( 39 ) Vgl. Urteil vom14. Juli 2011, Bureau national interprofessionnel du Cognac (C‑4/10 und C‑27/10, EU:C:2011:484, Rn. 46).

( 40 ) Mit diesem Ausdruck bezeichne ich im Folgenden Erzeugnisse, die nicht unter eine geschützte Ursprungsbezeichnung oder eine geschützte geografische Angabe fallen.

( 41 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 14. September 2017, EUIPO/Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto, C‑56/16 P, EU:C:2017:693, Rn. 82, und vom 20. Dezember 2017, Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne, C‑393/16, EU:C:2017:991, Rn. 38.

( 42 ) Die Kommission hat beispielhaft auf die g.U. „Queso tetilla“ verwiesen. In einem Urteil vom 31. Oktober 2013 (Nr. 419/13) entschied das Berufungsgericht für Handelssachen, Alicante, dass diese g.U. eine traditionelle Bezeichnung schütze, welche die Verbraucher mit der konischen Form des fraglichen Erzeugnisses in Verbindung brächten, und betrachtete das unerlaubte Inverkehrbringen von Käse mit einer identischen Form als Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012.

( 43 ) Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:11) ausgeführt habe, muss die Existenz einer solchen Assoziation sowohl hinsichtlich der Unmittelbarkeit (der assoziative kognitive Prozess darf keine komplexe Neuverarbeitung der Informationen verlangen) als auch hinsichtlich der Intensität (die Assoziation muss sich hinreichend stark aufdrängen) der Reaktion des Verbrauchers auf den Anblick des konventionellen Erzeugnisses bewertet werden.

( 44 ) Vgl. Urteil Queso Manchego (Rn. 40).

( 45 ) Vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil Queso Manchego (Rn. 42).

( 46 ) Vgl. Nr. 29 meiner Schlussanträge in der Rechtssache, in der das Urteil Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:11) ergangen ist. Vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 4. März 1999, Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola (C‑87/97, EU:C:1999:115, Rn. 28).

( 47 ) C‑87/97, EU:C:1999:115, Rn. 27.

( 48 ) C‑132/05, EU:C:2008:117, Rn. 48.

( 49 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 65).

( 50 ) Vgl. zur Verordnung Nr. 510/2006 Urteil Queso Manchego (Rn. 25).

( 51 ) Es ist darauf hinzuweisen, dass sich diese abgestufte Aufzählung auf die Art der verbotenen Verhaltensweisen bezieht und nicht auf die Elemente, die bei der Feststellung des Vorliegens solcher Verhaltensweisen zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Queso Manchego, Rn. 27). Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass für die Zwecke der Anwendung von Buchst. b wie auch von Buchst. d dieses Art. 13 die gleichen Elemente berücksichtigt werden können.

( 52 ) Vgl. zur Verordnung Nr. 510/2006 Urteil Queso Manchego (Rn. 25).

( 53 ) Vgl. Urteil vom 4. März 1999, Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola (C‑87/97, EU:C:1999:115, Rn. 26).

( 54 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Viiniverla (C‑75/15, EU:C:2016:35, Rn. 45)

( 55 ) In diesem Zusammenhang hat der Verband darauf hingewiesen, dass der Käse Morbier im Einzelhandel in Scheiben verkauft wird und dass daher der für ihn charakteristische schwarze Streifen für den Verbraucher gut sichtbar ist.

( 56 ) Insbesondere, wenn die konventionellen Erzeugnisse sehr nah bei den mit der eingetragenen Bezeichnung versehenen Erzeugnissen platziert werden.

( 57 ) Vgl. Urteil Scotch Whisky (Rn. 70 und 71).

( 58 ) Vgl. u. a. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Viiniverla (C‑75/15, EU:C:2016:35, Rn. 25 und 28), und Urteil Scotch Whisky (Rn. 47).

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