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Document 62014CJ0143

Urteil des Gerichtshofs (Siebte Kammer) vom 16. April 2015.
TMK Europe GmbH gegen Hauptzollamt Frankfurt (Oder).
Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Dumping – Einfuhren bestimmter Rohre aus Eisen oder Stahl – Verordnung (EG) Nr. 384/96 – Art. 3 Abs. 7 – Schädigung des Wirtschaftszweigs – Bekannte Faktoren – Kausalzusammenhang – Keine Berücksichtigung einer Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken von Gemeinschaftsunternehmen des betroffenen Sektors – Verordnung (EG) Nr. 2320/97 – Gültigkeit.
Rechtssache C-143/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:236

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

16. April 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Dumping — Einfuhren bestimmter Rohre aus Eisen oder Stahl — Verordnung (EG) Nr. 384/96 — Art. 3 Abs. 7 — Schädigung des Wirtschaftszweigs — Bekannte Faktoren — Kausalzusammenhang — Keine Berücksichtigung einer Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken von Gemeinschaftsunternehmen des betroffenen Sektors — Verordnung (EG) Nr. 2320/97 — Gültigkeit“

In der Rechtssache C‑143/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2014, in dem Verfahren

TMK Europe GmbH

gegen

Hauptzollamt Frankfurt (Oder)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) sowie der Richter A. Arabadjiev und C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der TMK Europe GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt N. Meyer,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Collabolletta, avvocato dello Stato,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch B. Driessen als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt R. Bierwagen,

der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche und R. Sauer als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2320/97 des Rates vom 17. November 1997 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter nahtloser Rohre aus Eisen oder nichtlegiertem Stahl mit Ursprung in Ungarn, Polen, Russland, der Tschechischen Republik, Rumänien und der Slowakischen Republik, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1189/93 und zur Einstellung des Verfahrens gegenüber solchen Einfuhren mit Ursprung in der Republik Kroatien (ABl. L 322, S. 1).

2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der TMK Europe GmbH (im Folgenden: TMK Europe) und dem Hauptzollamt Frankfurt (Oder) (im Folgenden: Hauptzollamt) über Antidumpingzölle, die TMK Europe gemäß der Verordnung Nr. 2320/97 wegen Einfuhren auferlegt wurden, die in den Jahren 2001 bis 2003 stattfanden.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 384/96

3

Die Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1) wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. Dezember 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 343, S. 51, berichtigt im ABl. 2010, L 7, S. 22) aufgehoben und ersetzt. In Anbetracht des Zeitpunkts des Erlasses der Verordnung Nr. 2320/97, deren Rechtmäßigkeit vor dem vorlegenden Gericht in Frage gestellt wird, ist der Rechtsstreit jedoch auf der Grundlage der Verordnung Nr. 384/96 (im Folgenden: Grundverordnung) zu prüfen.

4

Art. 1 Abs. 1 der Grundverordnung lautete:

„Ein Antidumpingzoll kann auf jede Ware erhoben werden, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft eine Schädigung verursacht.“

5

Art. 3 („Feststellung der Schädigung“) der Grundverordnung sah in seinen Abs. 1, 2 und 5 bis 7 vor:

„(1)   Sofern nichts anderes bestimmt ist, bedeutet der Begriff ‚Schädigung‘ im Sinne dieser Verordnung, dass ein Wirtschaftszweig der Gemeinschaft bedeutend geschädigt wird oder geschädigt zu werden droht oder dass die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft erheblich verzögert wird; der Begriff ‚Schädigung‘ ist gemäß diesem Artikel auszulegen.

(2)   Die Feststellung einer Schädigung stützt sich auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung

a)

des Volumens der gedumpten Einfuhren und ihrer Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Gemeinschaftsmarkt und

b)

der Auswirkungen dieser Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft.

(5)   Die Prüfung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den betroffenen Wirtschaftszweig der Gemeinschaft umfasst eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsfaktoren und ‑indizes, die die Lage des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft beeinflussen, einschließlich der Tatsache, dass ein Wirtschaftszweig sich noch von den Auswirkungen früherer Dumpingpraktiken oder Subventionen erholen muss, der Höhe der tatsächlichen Dumpingspanne, des tatsächlichen und des potentiellen Rückgangs von Absatz, Gewinn, Produktion, Marktanteil, Produktivität, Rentabilität und Kapazitätsauslastung, der Faktoren, die die Preise der Gemeinschaft beeinflussen, der tatsächlichen und potentiellen negativen Auswirkungen auf Cash-flow, Lagerbestände, Beschäftigung, Löhne, Wachstum, Kapitalbeschaffungs- oder Investitionsmöglichkeiten. Diese Liste ist nicht erschöpfend, und weder eines noch mehrere dieser Kriterien sind notwendigerweise ausschlaggebend.

(6)   Aus allen einschlägigen gemäß Absatz 2 vorgelegten Beweisen muss hervorgehen, dass die gedumpten Einfuhren eine Schädigung im Sinne dieser Verordnung verursachen. Insbesondere gehört dazu der Nachweis, dass das gemäß Absatz 3 ermittelte Volumen und/oder Preisniveau für die in Absatz 5 genannten Auswirkungen auf den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft verantwortlich sind und dass diese Auswirkungen ein solches Ausmaß erreichen, dass sie als bedeutend bezeichnet werden können.

(7)   Andere bekannte Faktoren als die gedumpten Einfuhren, die den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft zur gleichen Zeit schädigen, werden ebenfalls geprüft, um sicherzustellen, dass die durch diese anderen Faktoren verursachte Schädigung nicht nach Absatz 6 den gedumpten Einfuhren zugerechnet wird. In diesem Zusammenhang können unter anderem folgende Faktoren berücksichtigt werden: Volumen und Preise der nicht gedumpten Einfuhren, Nachfragerückgang oder Veränderung der Verbrauchsgewohnheiten, handelsbeschränkende Praktiken der ausländischen Hersteller und der Gemeinschaftshersteller sowie Wettbewerb zwischen ihnen, Entwicklungen in der Technologie und Ausfuhrleistung und Produktivität des Wirtschaftszweiges der Gemeinschaft.“

Verordnung Nr. 2320/97

6

Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2320/97 wurden auf die Einfuhren u. a. von nahtlosen Rohren des Codes 7304 31 99 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) mit Ursprung u. a. in Russland endgültige Antidumpingzölle eingeführt. In Art. 1 Abs. 2 wurden die für diese Einfuhren geltenden Antidumpingzollsätze auf 26,8 % festgesetzt.

Verordnung (EG) Nr. 1322/2004

7

Die Verordnung (EG) Nr. 1322/2004 des Rates vom 16. Juli 2004 zur Änderung der Verordnung Nr. 2320/97 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter nahtloser Rohre aus Eisen oder nicht legiertem Stahl mit Ursprung in unter anderem Russland und Rumänien (ABl. L 246, S. 10) enthält u. a. folgende Erwägungsgründe:

„…

(9)

Mit der [am 8. Dezember 1999 erlassenen Entscheidung 2003/382/EG der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/E‑1/35.860‑B – Nahtlose Stahlrohre) (ABl. L 140, S. 1)] (nachstehend ‚Wettbewerbsentscheidung‘ genannt) wurden gegen einige Gemeinschaftshersteller Geldbußen verhängt, weil sie an zwei Fällen von Verstößen gegen Artikel 81 Absatz 1 des EG-Vertrags beteiligt waren.

(10)

Nach der Annahme der Wettbewerbsentscheidung wurde zunächst davon ausgegangen, dass sie die Verordnung (EG) Nr. 2320/97, wenn überhaupt, nicht in einem solchen Maß berührte, dass eine Überprüfung der Feststellungen jener Verordnung notwendig war. Nach der Veröffentlichung der Wettbewerbsentscheidung machte eine der interessierten Parteien jedoch geltend, dass sich das wettbewerbswidrige Verhalten möglicherweise auf die geltenden Antidumpingmaßnahmen auswirke, und übermittelte zusätzliche Informationen zu Aspekten der Schädigungs- und Schadensursachenfeststellungen der Verordnung (EG) Nr. 2320/97. Im Rahmen dieser Verordnung soll festgestellt werden, ob die Wettbewerbsentscheidung die geltenden Antidumpingmaßnahmen berührt.

(19)

Da die Überschneidungen bei den betroffenen Waren, den beteiligten Unternehmen und den Zeiträumen der beiden Verfahren nur teilweiser Natur sind, wurde der Schluss gezogen, dass dieses wettbewerbswidrige Verhalten nur begrenzte Auswirkungen auf die Antidumpinguntersuchung hatte, auf die sich die 1997 eingeführten endgültigen Zölle stützten. Außerdem führt der Ausschluss der Daten über die Unternehmen, die den Feststellungen zufolge gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag verstießen, zu ähnlichen Ergebnissen wie die Berechnungen anhand der Daten der zehn kooperierenden Gemeinschaftshersteller, darunter jene, die sich an dem vorgenannten wettbewerbswidrigen Verhalten beteiligten, d. h., es würde dennoch schädigendes Dumping vorliegen. Somit ist es äußerst unwahrscheinlich, dass das wettbewerbswidrige Verhalten der Gemeinschaftshersteller nennenswerte Auswirkungen auf die ursprünglichen Feststellungen der Antidumpinguntersuchung hatte. Es kann jedoch nicht mit letzter Sicherheit bestätigt werden, dass ohne dieses wettbewerbswidrige Verhalten insgesamt dieselben Marktbedingungen geherrscht hätten.

(20)

In Anbetracht des Vorstehenden wird es als angemessen erachtet, die mit der Verordnung (EG) Nr. 2320/97 eingeführten Maßnahmen nicht länger anzuwenden. Dies steht im Einklang mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung und guten Verwaltungspraxis …“

8

Die Verordnung Nr. 2320/97 wurde durch Art. 1 der Verordnung 1322/2004 in der Weise geändert, dass ihr ein Art. 8 hinzugefügt wurde, der lautet: „Die Artikel 1 bis 3 werden ab dem 21. Juli 2004 nicht mehr angewendet.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9

TMK Europe führte in den Jahren 2001 bis 2003 Rohre mit Ursprung in Russland ein. Da das Hauptzollamt der Auffassung war, dass diese Einfuhren in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2320/97 fielen, verlangte es von ihr u. a. die Zahlung von Antidumpingzöllen in Höhe von 375178,13 Euro.

10

TMK Europe stellte diese Zollforderung am 18. November 2003 gegenüber dem Hauptzollamt in Frage, wobei sie zunächst geltend machte, dass die eingeführten Rohre nicht in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fielen.

11

Im Anschluss an die Veröffentlichung der Verordnung Nr. 1322/2004, mit der die Anwendung der Verordnung Nr. 2320/97 ab dem 21. Juli 2004 aufgrund der Wettbewerbsentscheidung, mit der gegen einige Gemeinschaftshersteller im betreffenden Wirtschaftszweig Geldbußen verhängt worden waren, ausgesetzt wurde, stellte TMK Europe beim Hauptzollamt unter Berufung auf die Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 2320/97 einen neuen Antrag auf Erstattung der Antidumpingzölle.

12

Nachdem ihr Einspruch am 29. Oktober 2010 zurückgewiesen worden war, erhob TMK Europe beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg Klage auf Erstattung der in Rede stehenden Antidumpingzölle, wobei sie erneut rügte, dass zum einen die eingeführten Rohre nicht unter die Verordnung Nr. 2320/97 fielen und zum anderen diese Verordnung ungültig sei.

13

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann zwar die erste Rüge nicht durchgreifen, doch bestünden Zweifel daran, wie die zweite Rüge zu beurteilen sei.

14

Obwohl das vorlegende Gericht dazu neigt, die Verordnung Nr. 2320/97 für gültig zu erachten, vermag es nicht zweifelsfrei festzustellen, ob sich die Gründe, die den Rat der Europäischen Union bewogen, in der Verordnung Nr. 1322/2004 zu entscheiden, die Art. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 2320/97 ab dem 21. Juli 2004 nicht mehr anzuwenden, auch rückwirkend auf die Gültigkeit dieser Verordnung auswirken sollten.

15

Seiner Auffassung nach stellt sich die Frage, ob der Rat, als er am 17. November 1997 die Verordnung Nr. 2320/97 erließ, nicht die seit dem 25. November 1994 laufende Untersuchung der Europäischen Kommission zum etwaigen Vorliegen wettbewerbswidriger Praktiken des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft hätte berücksichtigen müssen. Nach Art. 3 Abs. 7 Satz 1 der Grundverordnung würden nämlich andere bekannte Faktoren als die gedumpten Einfuhren, die den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft zur gleichen Zeit schädigten, ebenfalls geprüft, um sicherzustellen, dass die durch diese anderen Faktoren verursachte Schädigung nicht den gedumpten Einfuhren zugerechnet werde.

16

Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Verordnung Nr. 2320/97 ungültig, weil der Rat unter Verkennung der sich aus Art. 3 Abs. 7 der Grundverordnung ergebenden Anforderungen an die Feststellung einer Schädigung, eine solche (Schädigung) angenommen hat, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die Kommission aufgrund eines u. a. auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] gefassten, nicht veröffentlichten Beschlusses vom 25. November 1994 (Sache IV/35.304) eine Untersuchung zum etwaigen Vorliegen wettbewerbswidriger, möglicherweise gegen Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) und Art. 81 EG verstoßender Praktiken betreffend unlegierte Stahlrohre aufgenommen hat?

Zur Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit der vor dem nationalen Gericht erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit

17

Die italienische Regierung und die Kommission machen geltend, die Gültigkeit der Verordnung Nr. 2320/97 habe vor dem vorlegenden Gericht nicht mehr im Wege der Einrede in Frage gestellt werden können, weil die Klägerin des Ausgangsverfahrens sie nicht innerhalb der Frist des seinerzeit geltenden Art. 230 EG angefochten habe.

18

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der allgemeine Grundsatz, der gewährleisten soll, dass jedermann die Möglichkeit erhält oder erhalten hat, einen Rechtsakt der Gemeinschaft anzufechten, der für eine ihm entgegengehaltene Entscheidung als Grundlage dient, dem Eintritt der Bestandskraft einer Verordnung gegenüber einem Einzelnen, in Bezug auf den sie als Einzelfallentscheidung anzusehen ist und der zweifellos nach Art. 230 EG ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können, nicht entgegensteht, was den Betreffenden daran hindert, vor dem nationalen Gericht die Rechtswidrigkeit dieser Verordnung geltend zu machen. Dies gilt wegen ihrer Doppelnatur als Handlungen mit normativem Charakter und zugleich Handlungen, die bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar und individuell betreffen können, auch für Verordnungen, mit denen Antidumpingzölle eingeführt werden (Urteil Nachi Europe, C‑239/99, EU:C:2001:101, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19

Die Verordnungen zur Einführung von Antidumpingzöllen können nämlich, obwohl sie ihrer Art und ihrem Geltungsbereich nach normativen Charakter haben, diejenigen Hersteller und Ausführer des betreffenden Erzeugnisses, denen aufgrund von Angaben über ihre geschäftliche Tätigkeit Dumpingpraktiken vorgeworfen werden, unmittelbar und individuell betreffen. Das trifft im Allgemeinen für diejenigen Produktions- und Exportunternehmen zu, die nachweisen können, dass sie in den Rechtsakten der Kommission oder des Rates bezeichnet sind oder von den vorbereitenden Untersuchungen betroffen waren (vgl. Urteile Allied Corporation u. a./Kommission, 239/82 und 275/82, EU:C:1984:68, Rn. 11 und 12, Nachi Europe, C‑239/99, EU:C:2001:101, Rn. 21, und Valimar, C‑374/12, EU:C:2014:2231, Rn. 30).

20

Dasselbe gilt für diejenigen Importeure des betreffenden Erzeugnisses, deren Weiterverkaufspreise bei der rechnerischen Ermittlung der Ausfuhrpreise berücksichtigt wurden und die daher von den Feststellungen über das Vorliegen eines Dumpings betroffen sind (vgl. Urteile Nashua Corporation u. a./Kommission und Rat, C‑133/87 und C‑150/87, EU:C:1990:115, Rn. 15, Gestetner Holdings/Rat und Kommission, C‑156/87, EU:C:1990:116, Rn. 18, und Valimar, C‑374/12, EU:C:2014:2231, Rn. 31).

21

Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass Importeure, die mit Exporteuren aus Drittländern, deren Erzeugnisse mit Antidumpingzöllen belegt wurden, geschäftlich verbunden sind, Verordnungen zur Einführung solcher Zölle anfechten können, vor allem wenn der Ausfuhrpreis auf der Grundlage der Wiederverkaufspreise auf dem Markt der Gemeinschaft berechnet wurde und wenn der Antidumpingzoll selbst anhand dieser Wiederverkaufspreise berechnet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Neotype Techmashexport/Kommission und Rat, C‑305/86, EU:C:1990:295, Rn. 19 und 20, sowie Valimar, C‑374/12, EU:C:2014:2231, Rn. 32).

22

Überdies schließt die Tatsache, dass bestimmten Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern das Recht zuerkannt wird, eine Klage auf Nichtigerklärung einer Antidumpingverordnung zu erheben, nicht aus, dass auch andere Wirtschaftsteilnehmer wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben, von einer solchen Verordnung individuell betroffen sein können (vgl. Urteile Extramet Industrie/Rat, C‑358/89, EU:C:1991:214, Rn. 16, und Valimar, C‑374/12, EU:C:2014:2231, Rn. 33).

23

Im Ausgangsverfahren ist jedoch nicht dargetan worden, dass TMK Europe zu einer dieser Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern gehören könnte.

24

Zunächst ist unstreitig, dass weder TMK Europe noch ihre Rechtsvorgängerin, die Sinara Handel GmbH (im Folgenden: Sinara), in der Verordnung Nr. 2320/97 als Exportunternehmen ausgewiesen sind. Sie gehören auch nicht zu den Importunternehmen, auf die sich die diese Verordnung vorbereitenden Untersuchungen bezogen.

25

Selbst wenn Sinara mit der am Antidumpingverfahren beteiligten Gruppe russischer Exportunternehmen geschäftlich verbunden gewesen sein sollte, geht sodann aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass der zur Ermittlung der Antidumpingzölle herangezogene Ausfuhrpreis auf der Grundlage der Wiederverkaufspreise dieses Importeurs auf dem Markt der Gemeinschaft berechnet wurde oder dass der Antidumpingzoll selbst anhand dieser Wiederverkaufspreise berechnet wurde.

26

Schließlich hat die Kommission, da sie die Unzulässigkeit der vor dem nationalen Gericht erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit rügt, die Beweise für diese Unzulässigkeit zu erbringen. Die von der Kommission insoweit vorgetragenen Argumente lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass eine hinreichende Verbindung zwischen Sinara und den russischen Exportunternehmen bestand oder dass sie sich in einer besonderen Situation befand, die sie aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushob, so dass sie während der durch Art. 230 EG eröffneten Frist für eine Klage auf Nichtigerklärung der am 17. November 1997 erlassenen Verordnung Nr. 2320/97 als unmittelbar und individuell betroffen im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden könnte.

27

Auch wenn man unterstellt, dass alle Rechte und Pflichten von Sinara auf TMK Europe übergegangen sind, reichen unter diesen Umständen die dem Gerichtshof unterbreiteten Beurteilungsgesichtspunkte nicht zum Nachweis dafür aus, dass TMK Europe zweifelsfrei die Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2320/97 hätte beantragen können, soweit darin ein Antidumpingzoll auf die Einfuhren von nahtlosen Rohren mit Ursprung in Russland festgesetzt wird.

28

Diese Beurteilung der Situation des Importunternehmens im Hinblick auf die Verordnung Nr. 2320/97 kann weder dadurch in Frage gestellt werden, dass die Exportunternehmen im Antidumpingverfahren nicht kooperiert hätten, noch dadurch, dass TMK Europe, wie die italienische Regierung geltend macht, die Begründung der Verordnung Nr. 1322/2004 hätte anfechten können.

29

Nach alledem durfte TMK Europe vor dem vorlegenden Gericht die Einrede der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 2320/97 erheben, und das vorlegende Gericht war deshalb nicht an die Bestandskraft des mit dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzolls gebunden.

30

Daher obliegt es dem Gerichtshof, auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten.

Zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 2320/97

31

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Rat, als er am 17. November 1997 die Verordnung Nr. 2320/97 erließ, gegen die Anforderungen der Grundverordnung verstieß, weil er außer Acht ließ, dass die Kommission seit dem 25. November 1994 ein Verfahren zur Ermittlung des etwaigen Vorliegens wettbewerbswidriger Praktiken des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft durchführte.

32

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den betreffenden Wirtschaftszweig der Gemeinschaft nach Art. 3 Abs. 5 der Grundverordnung eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsfaktoren und ‑indizes umfasst, die die Lage dieses Wirtschaftszweigs beeinflussen. Diese Bestimmung enthält eine Liste der verschiedenen Faktoren, die berücksichtigt werden können, und stellt klar, dass diese Liste nicht erschöpfend ist und dass weder eines oder mehrere dieser Kriterien notwendigerweise ausschlaggebend für die Beurteilung sind (vgl. Urteil Transnational Company „Kazchrome“ und ENRC Marketing/Rat, C‑10/12 P, EU:C:2013:865, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Art. 3 Abs. 7 der Grundverordnung sieht vor, dass andere bekannte Faktoren als die gedumpten Einfuhren, die den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft zur gleichen Zeit schädigen, geprüft werden, um sicherzustellen, dass die durch diese anderen Faktoren verursachte Schädigung nicht nach Art. 3 Abs. 6 den gedumpten Einfuhren zugerechnet wird. In Art. 3 Abs. 6 heißt es, dass aus allen einschlägigen Beweisen hervorgehen muss, dass die gedumpten Einfuhren eine bedeutende Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft verursachen (vgl. in diesem Sinne Urteil Transnational Company „Kazchrome“ und ENRC Marketing/Rat, C‑10/12 P, EU:C:2013:865, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Feststellung einer Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte voraus, so dass die gerichtliche Kontrolle einer solchen Beurteilung auf die Prüfung der Frage zu beschränken ist, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Dies gilt insbesondere für die Beurteilung der Faktoren im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung, die eine Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft hervorrufen (vgl. Urteil Transnational Company „Kazchrome“ und ENRC Marketing/Rat, C‑10/12 P, EU:C:2013:865, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Dabei müssen die Unionsorgane prüfen, ob die von ihnen angenommene Schädigung tatsächlich auf die gedumpten Einfuhren zurückgeht, und jede auf andere Faktoren zurückgehende Schädigung, insbesondere eine Schädigung, die durch das eigene Verhalten der Gemeinschaftshersteller verursacht wurde, außer Betracht lassen (vgl. Urteil Transnational Company „Kazchrome“ und ENRC Marketing/Rat, C‑10/12 P, EU:C:2013:865, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Insoweit obliegt es den Unionsorganen, zu prüfen, ob die Auswirkungen dieser anderen Faktoren geeignet waren, den Kausalzusammenhang zwischen den betreffenden Einfuhren und der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft zu unterbrechen. Sie haben sich auch zu vergewissern, dass der auf diese anderen Faktoren zurückzuführende Schaden bei der Bestimmung der Schädigung im Sinne von Art. 3 Abs. 7 der Grundverordnung nicht berücksichtigt wird und dass der verhängte Antidumpingzoll daher nicht die Grenzen dessen überschreitet, was erforderlich ist, um die durch die gedumpten Einfuhren verursachte Schädigung zu beseitigen (vgl. Urteil Transnational Company „Kazchrome“ und ENRC Marketing/Rat, C‑10/12 P, EU:C:2013:865, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Stellen die Unionsorgane jedoch fest, dass ungeachtet solcher Faktoren die durch die gedumpten Einfuhren verursachte Schädigung bedeutend im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Grundverordnung ist, kann der Kausalzusammenhang zwischen diesen Einfuhren und der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft gegeben sein (vgl. Urteil Transnational Company „Kazchrome“ und ENRC Marketing/Rat, C‑10/12 P, EU:C:2013:865, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

In Bezug auf das Ausgangsverfahren ist festzustellen, dass, wie sich sowohl aus den Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 1322/2004 als auch aus der Begründung der Wettbewerbsentscheidung ergibt, am 25. November 1994 durch Entscheidung der Kommission eine Untersuchung zum etwaigen Vorliegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der auf dem Gemeinschaftsmarkt für nahtlose Rohre aus Eisen tätigen Unternehmen eingeleitet wurde. Unstreitig ist auch, dass diese Untersuchung es der Kommission erst am 20. Januar 1999 ermöglichte, das Verfahren gemäß Art. 81 EG mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die betroffenen Unternehmen zu eröffnen.

39

Als am 17. November 1997 die Verordnung Nr. 2320/97 erlassen wurde, war die Wettbewerbsentscheidung somit noch nicht ergangen. Folglich kann diese Entscheidung selbst nicht als „bekannter Faktor“ im Sinne von Art. 3 Abs. 7 der Grundverordnung angesehen werden, den der Rat bei der Bestimmung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft zur Rechtfertigung der sich aus der Verordnung Nr. 2320/97 ergebenden Antidumpingmaßnahme hätte berücksichtigen müssen.

40

Zu der Untersuchung, die von der Kommission am 25. November 1994 eingeleitet wurde, ist festzustellen, dass aufgrund ihres rein vorbereitenden Charakters zumindest bis zu ihrem Abschluss das von ihr erfasste wettbewerbswidrige Verhalten nicht als erwiesen und als Ursache einer Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft angesehen werden kann.

41

Wie in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, müssen die Unionsorgane zwar prüfen, ob die Schädigung, auf die sie den Erlass der Antidumpingmaßnahme stützen wollen, tatsächlich auf die gedumpten Einfuhren zurückgeht, und jede auf andere Faktoren zurückgehende Schädigung, insbesondere eine Schädigung, die durch das eigene Verhalten der Gemeinschaftshersteller verursacht wurde, außer Betracht lassen. Indem sich TMK Europe auf diese Verpflichtung beruft, macht sie im Wesentlichen geltend, da eines der Unionsorgane von einer Untersuchung Kenntnis gehabt habe, die zu dem Ergebnis habe führen können, dass das eigene Verhalten der Gemeinschaftshersteller zumindest teilweise zur Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft beigetragen haben könnte, hätten sie im Antidumpingverfahren eine „ordnungsgemäß festgestellte“ Schädigung nicht berücksichtigt.

42

Es obliegt jedoch jedenfalls den Parteien, die sich auf die Rechtswidrigkeit einer Antidumpingverordnung berufen, Beweise vorzulegen, mit denen dargetan werden kann, dass andere Faktoren als diejenigen, die sich auf die Einfuhren beziehen, eine solche Bedeutung haben konnten, dass sie das Vorliegen des Kausalzusammenhangs zwischen der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft und den gedumpten Einfuhren in Frage stellen konnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Transnational Company „Kazchrome“ und ENRC Marketing/Rat, C‑10/12 P, EU:C:2013:865, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43

TMK Europe hat jedoch keine solchen Beweise erbracht, weder durch ihr bloßes Vorbringen, dass sich die Einleitung der Untersuchung, die zur Wettbewerbsentscheidung geführt habe, durch die Kommission zwangsläufig auf die Antidumpinguntersuchung auswirken müsse, noch indem sie geltend macht, der bloße Umstand, dass das Ergebnis der ersten dieser Untersuchungen den Rat letztlich veranlasst habe, die Verordnung Nr. 2320/97 auszusetzen, genüge als Beleg dafür, dass sie die Antidumpinguntersuchung hätte beeinflussen können.

44

Folglich hat TMK Europe nicht nachgewiesen, dass andere Faktoren als diejenigen, die sich auf die Einfuhren beziehen, eine solche Bedeutung haben konnten, dass sie das Vorliegen des Kausalzusammenhangs zwischen der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft und den gedumpten Einfuhren in Frage stellen konnten.

45

Nach alledem ist festzustellen, dass die Prüfung der Vorlagefrage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 2320/97 berühren könnte.

Kosten

46

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2320/97 des Rates vom 17. November 1997 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter nahtloser Rohre aus Eisen oder nichtlegiertem Stahl mit Ursprung in Ungarn, Polen, Russland, der Tschechischen Republik, Rumänien und der Slowakischen Republik, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1189/93 und zur Einstellung des Verfahrens gegenüber solchen Einfuhren mit Ursprung in der Republik Kroatien berühren könnte.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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