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Document 62008CC0147

Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 15. Juli 2010.
Jürgen Römer gegen Freie und Hansestadt Hamburg.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Arbeitsgericht Hamburg - Deutschland.
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf - Allgemeine Grundsätze des Unionsrechts - Art. 157 AEUV - Richtlinie 2000/78/EG - Geltungsbereich - Begriff ‚Entgelt‘ - Ausschlusstatbestände - Betriebliches Versorgungssystem in Form von Zusatzversorgungsbezügen für ehemalige Angestellte und Arbeiter einer kommunalen Körperschaft und deren Hinterbliebene - Berechnungsmethode für diese Bezüge, die verheiratete Versorgungsempfänger gegenüber Versorgungsempfängern begünstigt, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben - Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung.
Rechtssache C-147/08.

European Court Reports 2011 I-03591

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:425

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 15. Juli 20101(1)

Rechtssache C‑147/08

Jürgen Römer

gegen

Freie und Hansestadt Hamburg

(Vorabentscheidungsersuchen des Arbeitsgerichts Hamburg [Deutschland])

„Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Art. 141 EG – Richtlinie 2000/78/EG – Geltungsbereich – Begriff ‚Entgelt‘ – Ausschlüsse – Berechnung einer zusätzlichen Altersversorgung, die ohne Bestehen einer Ehe ungünstiger ist – Eingetragene Lebenspartnerschaft – Diskriminierung wegen des Geschlechts“






Inhaltsverzeichnis


I – Einführung

II – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

B – Nationales Recht

III – Ausgangsverfahren

IV – Vorabentscheidungsersuchen

V – Untersuchung

A – Einführung

B – Zum sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78

C – Zum Vorliegen einer Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne der Richtlinie 2000/78

D – Zum Verstoß gegen Art. 141 EG oder gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts

E – Zu den zeitlichen Aspekten der Rechtssache

F – Zu dem Zusammenspiel zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung und einem Ziel des nationalen Rechts wie dem besonderen Schutz von Ehe und Familie

VI – Ergebnis

I –    Einführung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der allgemeinen Grundsätze und der Vorschriften des primären und sekundären Unionsrechts bezüglich der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf.

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Römer und der Freien und Hansestadt Hamburg(2) wegen deren Weigerung, Herrn Römer eine zusätzliche Altersversorgung in der von ihm beantragten Höhe zu gewähren, denn die von ihrem ehemaligen Angestellten herangezogene, für verheiratete Versorgungsempfänger geltende Berechnung war günstiger als die für Versorgungsempfänger, die, wie Herr Römer, in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht leben.

3.        Das Vorabentscheidungsersuchen gibt dem Gerichtshof die Möglichkeit, seine Auffassung zu präzisieren bzw. zu ergänzen, die er im Urteil Maruko(3) vertreten hat; dieses von der Großen Kammer am 1. April 2008 erlassene Urteil befasst sich mit der Weigerung, einem Mann, der eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hatte und dessen Partner verstorben war, aus dem berufsständischen Pflichtversorgungssystem, dem sein verstorbener Partner angehört hatte, eine Rente als Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Der Gerichtshof hat ferner die Möglichkeit, sich zur Tragweite seiner Rechtsprechung zum Recht auf Gleichbehandlung zu äußern, die er vor allem in den Urteilen Mangold(4) und Kücükdeveci(5) in einem der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung entsprechenden Bereich, nämlich dem der Diskriminierung wegen des Alters, entwickelt hat.

4.        In der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(6) einzugrenzen, ferner den Tatbestand einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne der genannten Richtlinie oder anderer Vorschriften des Unionsrechts zu spezifizieren und schließlich die zeitlichen Wirkungen der zu gebenden Antworten zu bestimmen. Diese Aufgabe des Gerichtshofs ist im Hinblick vor allem auf das Verständnis des deutschen Rechts leider dadurch erschwert worden, dass die Bundesrepublik Deutschland von der Einreichung von Erklärungen zu den Vorlagefragen abgesehen hat, während das Land Hamburg nur einen sehr kurzen Schriftsatz zu den Akten des Gerichtshofs gereicht hat.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht(7)

1.      Charta der Grundrechte der Europäischen Union

5.        Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(8) lautet wie folgt: „Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.“

2.      EG-Vertrag

6.        Durch den Vertrag von Amsterdam(9) wurde der erste Absatz von Art. 13 des EG-Vertrags wie folgt neu gefasst: „Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“

7.        Art. 141 EG bestimmt:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

(2)      Unter ‚Entgelt‘ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet,

a)      dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird,

b)       dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist. …“

3.      Richtlinie 2000/78

8.        Die Erwägungsgründe 13 und 22 der Richtlinie 2000/78, die aufgrund des Art. 13 EG erlassen wurde, lauten:

„(13)      Diese Richtlinie findet weder Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben. …

(22)      Diese Richtlinie lässt die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt.“

9.        Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

10.      Art. 2 der Richtlinie 2000/78 lautet:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1:

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)      diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …“

11.      Art. 3 der Richtlinie lautet:

„(1)      Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf: 

c)      die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

(3)      Diese Richtlinie gilt nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes. …“

12.      Gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 mussten die Mitgliedstaaten grundsätzlich die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um dieser Richtlinie spätestens zum 2. Dezember 2003 nachzukommen, oder konnten den Sozialpartnern die Durchführung der Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen.

B –    Nationales Recht

1.      Grundgesetz

13.      Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: GG)(10) bestimmt: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“

2.      Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft

14.      § 1 des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16. Februar 2001(11) in der durch das Gesetz vom 15. Dezember 2004(12) geänderten Fassung (im Folgenden: LPartG) sieht hinsichtlich Form und Voraussetzungen der Lebenspartnerschaft vor:

„(1)      Zwei Personen gleichen Geschlechts, die gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen (Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner), begründen eine Lebenspartnerschaft. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden. …“

15.      § 2 LPartG bestimmt:

„Die Lebenspartner sind einander zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet. Sie tragen füreinander Verantwortung.“

16.      § 5 LPartG lautet:

„Die Lebenspartner sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft angemessen zu unterhalten. § 1360 Satz 2, die §§ 1360a, 1360b und 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.“

17.      § 11 Abs. 1 LPartG über die sonstigen Wirkungen der Lebenspartnerschaft sieht vor:

„Ein Lebenspartner gilt als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“

3.      Im Land Hamburg geltende Bestimmungen in versorgungsrechtlicher Hinsicht

18.      Das im Ausgangsverfahren einschlägige innerstaatliche Recht besteht aus zwei Rechtsakten, die das Land Hamburg(13) erlassen hat, nämlich dem Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetz vom 7. März 1995 (im Folgenden: HmbZVG)(14) und dem Ersten Ruhegeldgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: 1. RGG)(15) in der Fassung vom 30. Mai 1995, zuletzt geändert am 2. Juli 2003.

4.      HmbZVG

19.      § 1 HmbZVG bestimmt, dass das Gesetz für bei der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Beschäftigte) sowie für Personen gilt, denen die Freie und Hansestadt Hamburg eine Versorgung im Sinne des § 2 zu gewähren hat (Versorgte). Nach § 2 wird die Versorgung als Ruhegeld (§§ 3 bis 10) oder Hinterbliebenenversorgung (§§ 11 bis 19) gewährt. § 2a bestimmt, dass die Beschäftigten einen Beitrag zu den Versorgungsausgaben leisten, dessen Anfangsbeitragssatz 1,25 vom Hundert beträgt. Nach § 2b beginnt die Beitragspflicht mit dem Tag der Begründung und endet mit dem Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. § 2c bestimmt, dass Grundlage für die Erhebung des Beitrags das als Beschäftigte bzw. Beschäftigter erzielte steuerpflichtige Arbeitsentgelt ist und dass der Beitrag vom Arbeitsentgelt einbehalten wird.

20.      Nach § 6 HmbZVG beträgt der monatliche Betrag des Ruhegelds für jedes volle Jahr der ruhegeldfähigen Beschäftigungszeit 0,5 vom Hundert der ruhegeldfähigen Bezüge(16).

21.      Die ruhegeldfähigen Bezüge werden in § 7 definiert, während die ruhegeldfähige und die nicht berücksichtigte Beschäftigungszeit in § 8 bestimmt wird.

22.      § 29 HmbZVG betrifft die Übergangsvorschriften für Versorgte unter dem 1. RGG im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 HmbZVG. § 29 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 HmbZVG bestimmt, dass Versorgte die Versorgung abweichend u. a. von § 6 Abs. 1 und 2 in derjenigen Höhe weiter erhalten, die ihnen im Monat Juli 2003 zustand bzw. bei § 29 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 im Dezember 2003 zugestanden hätte.

5.      1. RGG

23.      § 10 Abs. 6 1. RGG bestimmt:

„(6)      Das fiktive Nettoarbeitsentgelt ist dadurch zu ermitteln, dass von den ruhegeldfähigen Bezügen (§ 8)

1.      bei einem am Tag des Beginns der Ruhegeldzahlung (§ 12 Absatz 1) nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfänger sowie bei einem Versorgungsempfänger, der an diesem Tag Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung hat, der Betrag, der an diesem Tag als Lohnsteuer (ohne Kirchenlohnsteuer) nach Steuerklasse III/0 zu zahlen wäre,

2.      bei allen übrigen Versorgungsempfängern der Betrag, der am Tag des Beginns der Ruhegeldzahlung als Lohnsteuer (ohne Kirchenlohnsteuer) nach Steuerklasse I zu zahlen wäre, …

abgezogen werden.“

24.      Nach § 8 Abs. 10 letzter Satz 1. RGG ist auf Antrag des Betroffenen vom Anpassungszeitpunkt an die Steuerklasse III/0 zugrunde zu legen, wenn eine der Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG erst nach dem Tag des Beginns der Ruhegeldzahlung eingetreten ist.

25.      Hinzuzufügen ist, dass der nach Steuerklasse III/0 abzuziehende Betrag weit geringer ist als der, der nach Steuerklasse I abzuziehen ist.

III – Ausgangsverfahren

26.      Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten über die Höhe der dem Kläger des Ausgangsverfahrens, Herrn Römer, zustehenden Versorgungsbezüge für den Zeitraum ab November 2001.

27.      Seit 1950 bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit am 31. Mai 1990 war Herr Römer bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der Freien und Hansestadt Hamburg, als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Seit 1969 lebt er ohne Unterbrechung mit Herrn U. zusammen. Am 15. Oktober 2001 begründeten der Kläger des Ausgangsverfahrens und sein Partner miteinander die Eingetragene Lebenspartnerschaft gemäß dem LPartG. Herr Römer unterrichtete seinen Arbeitgeber davon mit Schreiben vom 16. Oktober 2001. Mit weiterem Schreiben vom 28. November 2001 beantragte er die Neuberechnung des ihm laufend gewährten Ruhegelds unter Zugrundelegung des günstigeren Lohnsteuerabzugs nach Steuerklasse III, und zwar, wie das vorlegende Gericht ausführt, ab dem 1. August 2001, wohingegen der Kläger des Ausgangsverfahrens in seinen Erklärungen ausführt, er habe die Ruhegelderhöhung erst ab dem 1. November 2001 beantragt.

28.      Mit Schreiben vom 10. Dezember 2001 teilte die Freie und Hansestadt Hamburg Herrn Römer mit, dass er keinen Anspruch auf die Anwendung der Steuerklasse III statt der Steuerklasse I habe, da nach § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG nur nicht dauernd getrennt lebende verheiratete Versorgungsempfänger sowie Versorgungsempfänger, die Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung hätten, Anspruch auf die Anwendung der Steuerklasse III hätten.

29.      Gemäß der „Versorgungsmitteilung Ruhegeld“ der Freien und Hansestadt Hamburg vom 2. September 2001 betrug das Herrn Römer gewährte monatliche Ruhegeld ab September 2001 unter Zugrundelegung der Steuerklasse I 1 204,55 DM (615,88 Euro). Nach der Berechnung des Betroffenen, die von seinem ehemaligen Arbeitgeber nicht bestritten wird, wäre das monatliche Ruhegeld bei einer Berechnung gemäß der Steuerklasse III im September 2001 590,87 DM (302,11 Euro) höher gewesen.

30.      Die Sache gelangte vor das Arbeitsgericht Hamburg (Deutschland). Herr Römer ist der Auffassung, er habe Anspruch darauf, bei der Berechnung seiner Versorgungsbezüge nach § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG wie ein nicht dauernd getrennt lebender verheirateter Versorgungsempfänger behandelt zu werden. Er macht geltend, das Tatbestandsmerkmal in der genannten Bestimmung „nicht dauernd getrennt lebender verheirateter Versorgungsempfänger“ müsse so ausgelegt werden, dass darunter auch Versorgungsempfänger zu verstehen seien, die mit einer gleichgeschlechtlichen Person eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG eingegangen (im Folgenden: verpartnert) seien.

31.      Herr Römer ist der Ansicht, sein Anspruch auf Gleichstellung mit den nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfängern folge jedenfalls aus der Richtlinie 2000/78. Die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von verheirateten und verpartnerten Versorgungsempfängern mit dem Hinweis auf die Reproduktionsfähigkeit der Ehegatten vermöge nicht zu überzeugen, da auch in Lebenspartnerschaften gleichgeschlechtlicher Personen von einem der Lebenspartner gezeugte Kinder aufwüchsen und diese Kinder auch von dem verpartnerten Paar adoptiert werden könnten. Da die Richtlinie nicht innerhalb der in Art. 18 Abs. 2 gesetzten Frist (2. Dezember 2003) in nationales Recht umgesetzt worden sei, finde sie im Verhältnis zur Beklagten unmittelbare Anwendung.

32.      Die Freie und Hansestadt Hamburg beantragt Klageabweisung. Sie macht geltend, der Begriff „verheiratet“ in § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG sei nicht in dem von Herrn Römer vertretenen Sinn auslegungsfähig. Sie beruft sich im Wesentlichen darauf, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stünden, weil sie seit alters her die kleinsten Einheiten der staatlichen Gemeinschaft bildeten und aus diesem Grund auch die – gewollt oder ungewollt – kinderlose Ehe geschützt sei, weil sie für einen Ausgleich der Geschlechter auf der untersten Stufe der staatlichen Gemeinschaft sorge. Darüber hinaus sei die Ehe regelmäßig Vorstufe zur Familie, indem sie als typische rechtlich gesicherte Gemeinschaft zwischen Frau und Mann die Grundlage für Kinder bilde, so dass sich die Ehe zur Familie fortentwickeln könne.

33.      Zwischen der Frage der gemeinsamen Veranlagung und der Frage, ob fiktiv die Steuerklasse III bei der Berechnung der Versorgungsbezüge nach dem 1. RGG zugrunde zu legen sei, bestehe eine Parallele. Sowohl die gemeinsame Veranlagung während der Zeit der Arbeitstätigkeit als auch die fiktive Zugrundelegung der Steuerklasse III bei der Berechnung der Versorgungsbezüge würden darüber entscheiden, welche finanziellen Mittel zur Lebensführung den Betroffenen monatlich zur Verfügung stünden. Die Begünstigung derjenigen Personen, die eine Familie begründet hätten oder potenziell hätten begründen können, verfolge den Zweck, die damit verbundenen erhöhten finanziellen Belastungen auszugleichen.

IV – Vorabentscheidungsersuchen

34.      Mit am 10. April 2008(17) eingegangenem Beschluss hat das Arbeitsgericht Hamburg das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt(18):

1.      Handelt es sich bei den durch das 1. RGG geregelten Zusatzversorgungsbezügen für ehemalige Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg sowie deren Hinterbliebene im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 um „Leistungen seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes“ mit der Folge, dass die bezeichnete Richtlinie im Regelungsbereich des 1. RGG keine Anwendung findet?

2.      Wenn die vorstehende Frage verneint wird:

a)      Handelt es sich bei den Regelungen des 1. RGG, die für die Bemessung der Versorgungsbezüge hinsichtlich deren Höhe zwischen verheirateten Versorgungsempfängern einerseits und allen übrigen Versorgungsempfängern andererseits unterscheiden, nämlich die verheirateten Versorgungsempfänger – und zwar gerade auch gegenüber Personen, die mit einer gleichgeschlechtlichen Person eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz der Bundesrepublik Deutschland eingegangen (im Folgenden: verpartnert) sind – begünstigen, im Sinne von Ziff. 22 der Gründe der Richtlinie um „Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen“?

b)      Wenn die vorstehende Frage bejaht wird: Hat dies zur Folge, dass die Richtlinie bezüglich der bezeichneten Regelungen des 1. RGG keine Anwendung findet, obwohl die Richtlinie selbst keine der Ziff. 22 der Gründe entsprechende Einschränkung ihres Geltungsbereichs enthält?

3.      Verstößt § 10 Abs. 6 des 1. RGG, wonach die Versorgungsbezüge nicht dauernd getrennt lebender verheirateter Versorgungsempfänger unter fiktiver Zugrundelegung der (für den Steuerpflichtigen günstigeren) Steuerklasse III/0 berechnet werden, die Versorgungsbezüge aller übrigen Versorgungsempfänger dagegen unter fiktiver Zugrundelegung der (für den Steuerpflichtigen ungünstigeren) Steuerklasse I, einem Versorgungsempfänger gegenüber, der mit einer gleichgeschlechtlichen Person verpartnert ist und von dieser Person nicht dauernd getrennt lebt, gegen Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 und mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie?

4.      Wenn die Frage zu 1 oder die Frage zu 2.b bejaht oder die Frage zu 3 verneint wird: Verstößt § 10 Abs. 6 des 1. RGG wegen der unter 3 beschriebenen Regelung bzw. Rechtsfolge gegen Art. 141 EG oder gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts?

5.      Wenn die Frage zu 3 oder zu 4 bejaht wird: Hat dies zur Folge, dass auch, solange § 10 Abs. 6 des 1. RGG nicht im Sinne der Behebung der gerügten Ungleichbehandlung geändert ist, der nicht dauernd getrennt lebende verpartnerte Versorgungsempfänger verlangen kann, bei der Berechnung der Versorgungsbezüge wie ein nicht dauernd getrennt lebender verheirateter Versorgungsempfänger behandelt zu werden? Wenn ja, gilt dies – bei Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78 und bei Bejahung der Frage zu 3 – auch bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78?

6.      Wenn die Frage zu 5 bejaht wird: Gilt dies entsprechend den Entscheidungsgründen des Urteils vom 17. Mai 1990, Barber (C‑262/88, Slg. 1990, I‑1889), mit der Einschränkung, dass die Gleichbehandlung bei der Berechnung der Versorgungsbezüge nur in Bezug auf diejenigen Anteile der Versorgungsbezüge vorzunehmen ist, die der Versorgungsempfänger ab dem 17. Mai 1990 erdient hat?

35.      Mit Beschluss vom 23. Januar 2009 hat das Arbeitsgericht Hamburg sein ursprüngliches Vorabentscheidungsersuchen um folgende Fragen ergänzt:

7.      Soweit der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass eine unmittelbare Diskriminierung vorliegt:

a)      Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem besonderen Umstand zu, dass nach dem Grundgesetz wie nach dem europäischen Recht einerseits der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten ist, andererseits jedoch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland Ehe und Familie kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Anordnung in Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz des Staates stehen?

b)      Kann trotz des Wortlauts der Richtlinie 2000/78 eine unmittelbar diskriminierende gesetzliche Regelung gerechtfertigt sein, weil sie einem anderweitigen Ziel dient, welches Bestandteil der nationalen Rechtsordnung des Mitgliedstaats, aber nicht des europäischen Rechts ist? Geht in einem solchen Fall das von der nationalen Rechtsordnung des Mitgliedstaats verfolgte anderweitige Ziel ohne Weiteres dem Grundsatz der Gleichbehandlung vor?

Wenn die vorstehende Frage verneint wird:

c)      Nach welchem rechtlichen Maßstab entscheidet sich, wie in einem solchen Fall die Abwägung zwischen dem europarechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung und dem anderweitigen Rechtsziel der nationalen Rechtsordnung des Mitgliedstaats vorzunehmen ist? Gilt etwa auch insoweit, wie Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i[(19)] der Richtlinie 2000/78 dies für den Fall der mittelbaren Diskriminierung zum Maßstab ihrer rechtlichen Anerkennung macht, dass die diskriminierende Regelung erstens durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sein muss und zweitens die Mittel zu seiner Erreichung angemessen und erforderlich sein müssen?

d)      Erfüllt eine Regelung wie § 10 Abs. 6 1. RGG die nach Maßgabe der Beantwortung der vorstehenden Fragen geltenden Rechtmäßigkeitsanforderungen des europäischen Rechts? Erfüllt sie diese etwa allein wegen der besonderen Bestimmung des nationalen Rechts, die ohne Entsprechung im europäischen Recht ist, also wegen des Art. 6 Abs. 1 GG?

V –    Untersuchung

A –    Einführung

36.      Trotz ihrer sichtbaren Komplexität, die mit dem detaillierten Wortlaut und der mehrstufigen Begründung zu tun haben, können die verschiedenen Vorlagefragen, die dem Gerichtshof zur Prüfung vorgelegt worden sind, im Wesentlichen auf fünf allgemeine Fragestellungen zurückgeführt werden.

37.      Erstens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das System der von der Freien und Hansestadt Hamburg gewährten Zusatzversorgungsbezüge in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt, und zwar unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten. Es stellt zunächst die Frage nach der Tragweite, die dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschluss der Leistungen der staatlichen Systeme bzw. der damit gleichgestellten Systeme zukommt, und sodann die Frage nach der Trennlinie, die zwischen der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in personenstandsrechtlicher Hinsicht und der Durchführung der Vorschriften des Unionsrechts, die das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung betreffen, zu ziehen ist.

38.      Zweitens ersucht das vorlegende Gericht für den Fall, dass die Richtlinie 2000/78 in Hinblick auf § 10 Abs. 6 1. RGG tatsächlich anwendbar ist, um Hinweise für die Beurteilung der Frage, ob unter Berücksichtigung der Vorschriften der genannten Richtlinie eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung vorliegt.

39.      Drittens bittet das vorlegende Gericht hilfsweise, für den gegenteiligen Fall, um Klärung, welche Auswirkungen Art. 141 EG und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts auf das Ausgangsverfahren haben.

40.      Viertens stellt das vorlegende Gericht die Frage nach den zeitlichen Wirkungen der von ihm bezeichneten Vorschriften des Unionsrechts und des vom Gerichtshof zu erlassenden Urteils.

41.      Fünftens fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach den Kriterien, anhand deren ein Konflikt zwischen den Orientierungen, die eine Verfassungsnorm der nationalen Rechtsordnung bietet, und den Anforderungen, die sich aus dem im Unionsrecht geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich der sexuellen Ausrichtung herleiten, gelöst werden kann.

42.      Da es zu der Frage, ob in dem betreffenden Bereich ein allgemeiner unionsrechtlicher Grundsatz existiert, keine Rechtsprechung gibt, bereitet die dritte Fragestellung zweifellos die meisten Auslegungsschwierigkeiten.

43.      Im Rahmen seiner Schlussanträge in der Rechtssache Maruko hat Generalanwalt Ruiz‑Jarabo Colomer eingehend die rechtlichen Entwicklungen dargelegt, die der Anerkennung des Anspruchs von Personen mit homosexueller Ausrichtung auf Gleichbehandlung nach dem Unionsrecht vorausgegangen waren(20).

44.      In dem Urteil in der genannten Rechtssache hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2000/78 einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegensteht, wonach der überlebende Partner nach Versterben seines Lebenspartners keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend einem überlebenden Ehegatten erhält, obwohl die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht Personen gleichen Geschlechts in eine Situation versetzt, die in Bezug auf diese Hinterbliebenenversorgung mit der Situation von Ehegatten vergleichbar ist, wobei es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob sich ein überlebender Lebenspartner in einer Situation befindet, die mit der eines Ehegatten, der die betreffende Versorgung erhält, vergleichbar ist(21).

45.      Aus den vorliegenden Akten ergibt sich, dass die deutschen Gerichte unterschiedliche Auffassungen zur Anwendung der vom Gerichtshof aufgestellten Vergleichbarkeitskriterien vertreten haben. Insbesondere stellte sich die Frage, ob eine abstrakte Identität der Rechtsinstitute oder eher eine hinreichende Ähnlichkeit der rechtlichen und tatsächlichen Situation, in der sich die betreffenden Personen befinden, vorliegen muss.

46.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Verbot der Diskriminierung wegen des Alters wirft auch die Frage auf, ob dem Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung der Status eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts zukommt. Die Bejahung dieser Frage hätte Auswirkungen auf die zeitlichen Aspekte der vorliegenden Rechtssache. Eine Verneinung würde eine Erklärung nötig machen, weshalb das Verbot der Diskriminierung wegen des genannten Kriteriums rechtlich geringeres Gewicht hat als das Verbot der Diskriminierung aus den sonstigen in Art. 13 EG und der Charta der Grundrechte angeführten Gründen.

B –    Zum sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78

47.      Da die beiden ersten Vorlagefragen den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 betreffen, sind sie gemeinsam zu prüfen. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass ein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78 nur dann vorliegen könne, wenn die Richtlinie auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sei, was aus zwei Gründen zweifelhaft sein könnte, nämlich zum einen wegen Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 und zum anderen wegen des 22. Erwägungsgrundes.

1.      Zu Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78

48.      Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gilt die Richtlinie 2000/78 für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, insbesondere in Bezug auf das Arbeitsentgelt.

49.      Die erste Frage zielt darauf ab, ob die genannte Richtlinie im Regelungsbereich des 1. RGG Anwendung findet, das die Zusatzversorgungsbezüge für ehemalige Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg sowie deren Hinterbliebene regelt, obwohl Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 die „Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes“ ausschließt(22).

50.      Dieser Ausschluss wird mit ähnlichen Worten im 13. Erwägungsgrund dieser Richtlinie angekündigt, wo es heißt, dass die Richtlinie „[keine] Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme [findet], deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde“(23).

51.      Die Beurteilung der Tragweite des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 hat bei der einheitlichen Anwendung in den nationalen Rechtssystemen zu Problemen geführt, da die verwendeten Begriffe in den einzelnen Sprachfassungen variieren. In Deutschland haben die Gerichte zu der mehr oder weniger restriktiven Auslegung dieser Bestimmung unterschiedliche Auffassungen vertreten. Über den eventuellen Ausschluss der Hinterbliebenenrente vom Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 gehen die Meinungen der deutschen Gerichte in besonderem Maße auseinander(24).

52.      Zunächst weise ich darauf hin, dass eine Reihe von Urteilen des Gerichtshofs, insbesondere das Urteil Maruko(25), nützliche Hinweise für die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 liefern, und zwar dahin gehend, dass die bezeichnete Richtlinie im vorliegenden Fall anwendbar ist. Ebenso wenig wie der Kläger des Ausgangsverfahrens und die Kommission habe ich Zweifel, dass die genannte Vorschrift auf das Ruhegeld der ehemaligen Angestellten und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg und ihrer Hinterbliebenen nach dem 1. RGG anwendbar ist.

53.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass sich der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 im Licht ihres Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und 3 in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund weder auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme erstreckt, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung von Art. 141 EG gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben. Kann dagegen eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche einem „Entgelt“ im Sinne des Art. 141 EG gleichgestellt werden, fällt sie unter die Bestimmungen der Richtlinie 2000/78.

54.      Der Begriff „Entgelt“ in Art. 141 Abs. 2 EG wird vom Gerichtshof sehr weit gefasst(26). Der Begriff schließt insbesondere alle Arten von Versorgungsbezügen ein, die einem Berufstätigen gewährt werden, im Gegensatz zu den Bezügen, die sich aus einem allgemeinen System mit gesetzlicher Grundlage herleiten(27). Nach ständiger Rechtsprechung(28) schließt der Umstand, dass bestimmte Leistungen wie die Versorgungsbezüge nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden, nicht aus, dass sie Entgeltcharakter im Sinne von Art. 141 EG haben(29).

55.      Für die Feststellung, ob eine Rente als Entgelt bezeichnet werden kann, kann nach den Feststellungen des Gerichtshofs nur das aus dem Wortlaut des Art. 119 EG-Vertrag (später Art. 141 EG) selbst abgeleitete Kriterium der Beschäftigung entscheidend sein, was die Feststellung voraussetzt, dass die Vergütung dem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird(30).

56.      Es steht jedoch fest, dass auf das Kriterium der Beschäftigung nicht ausschließlich abgestellt werden kann, da die von den gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit gewährten Renten ganz oder teilweise dem Beschäftigungsentgelt Rechnung tragen können(31). Der Gerichtshof hat daher weitere Kriterien aufgestellt, die bei der Qualifizierung einer von einem Betriebsrentensystem vorgesehenen Rente als Entgelt zu berücksichtigen sind. Es ist erstens zu prüfen, ob die Rente nur für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gilt, zweitens ob sie unmittelbar von der abgeleisteten Dienstzeit abhängt und drittens ob ihre Höhe nach den letzten(32) Bezügen berechnet wird.

57.      Im vorliegenden Fall(33) ergibt sich aus § 1 HmbZVG, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Leistungen die erste der drei Voraussetzungen erfüllen, da die von der Freien und Hansestadt Hamburg gewährten Zusatzversorgungsbezüge nur eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern betreffen.

58.      Die genannten Versorgungsbezüge werden nämlich zur Ergänzung der Leistungen des allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherungssystems gewährt, das vom vorlegenden Gericht als die „erste Säule“ des Rentensystems in Deutschland bezeichnet wird; sie unterscheiden sich von den Leistungen aus der privaten Vorsorge, die die „dritte Säule“ bildet.

59.      Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist die „zweite Säule“ die durch den ehemaligen Arbeitgeber bzw. öffentlichen Dienstherrn, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, gewährte betriebliche Altersversorgung. Die gesetzlich geregelte betriebliche Altersversorgung der ehemaligen Angestellten und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg gehört zu dieser Kategorie. Sie ist den Angestellten und Arbeitern vorbehalten, die während ihrer aktiven Beschäftigung dem öffentlichen Dienst angehört haben, jedoch nicht im Rahmen eines Beamtenverhältnisses, sondern auf der Grundlage und nach Maßgabe eines mit der Freien und Hansestadt Hamburg geschlossenen zivilrechtlichen Anstellungs- bzw. Arbeitsvertrags.

60.      Nach den Ausführungen der Kommission wird das genannte System durch die Arbeitnehmer und den Arbeitgeber finanziert, der zwar eine öffentliche Stelle ist, im vorliegenden Fall jedoch nur als privatrechtlicher Arbeitgeber auftritt.

61.      Bezüglich des zweiten maßgeblichen Kriteriums, wonach die Rente unmittelbar von der abgeleisteten Dienstzeit abhängen muss, sieht § 6 HmbZVG vor, dass sich die Berechnung nach der Beschäftigungszeit bestimmt. Die ruhegeldfähige Beschäftigungszeit ist in § 8 HmbZVG geregelt.

62.      Bezüglich des dritten Kriteriums, wonach zu prüfen ist, ob die Höhe der Rente nach den letzten Bezügen des Arbeitnehmers berechnet wird, ergibt sich aus § 6 HmbZVG, dass der monatliche Betrag des Ruhegelds nicht gesetzlich festgelegt ist, sondern für jedes volle Jahr der ruhegeldfähigen Beschäftigungszeit 0,5 vom Hundert der in § 7 HmbZVG näher bestimmten ruhegeldfähigen Bezüge beträgt.

63.      Hieraus folgt, dass die drei das Beschäftigungsverhältnis charakterisierenden Kriterien, die der Gerichtshof für eine Qualifizierung als Entgelt im Sinne des Art. 141 EG als entscheidend angesehen hat, im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren fraglichen Leistungen vorliegen.

64.      Vor allem die Auslegung des Ausdrucks der „staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme“ in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 scheint dem vorlegenden Gericht Schwierigkeiten zu bereiten. Es stellt sich die Frage, ob trotz der Qualifizierung der Versorgungsbezüge des Klägers des Ausgangsverfahrens nach dem 1. RGG als „Arbeitsentgelt“ im weiteren Sinne die Richtlinie 2000/78 gleichwohl keine Anwendung findet, weil es sich bei diesen Bezügen um Leistungen eines staatlichen oder gleichgestellten Systems im Sinne des genannten Artikels handelt. Das vorlegende Gericht betont, dass, wenn der Gerichtshof die Frage bejahen würde, der erste Teil des 13. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 ausgesprochen irreführend und im Grunde genommen funktionslos wäre.

65.      Meines Erachtens kann es sich bei den „staatlichen Systemen oder den damit gleichgestellten Systemen“, die keine staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes sind und außerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie 2000/78 liegen, um besondere staatliche Systeme handeln, die in keinem Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehen, wie die Leistungen des Staates an Personen, bei denen während der Zeit der Wehrdienst- oder Zivildienstpflicht eine Behinderung eingetreten ist, an ehemalige Kriegsteilnehmer oder Kriegsversehrte, an Kriegsopfer oder Opfer von Verfolgung, an bedeutende Künstler usw. Da es derartige staatliche Systeme oder ihnen gleichgestellte Systeme in den Mitgliedstaaten gibt, ist die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 enthaltene integrierende Wendung „einschließlich“ nicht gegenstandslos.

66.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt den Schluss zu, dass die Qualifizierung dieser betrieblichen Altersversorgung weder dadurch in Frage gestellt wird, dass es sich bei der Freien und Hansestadt Hamburg um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, noch durch die Pflichtzugehörigkeit zu dem System, das den Anspruch auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Versorgungsbezüge vermittelt(34). Da das oben geprüfte dreifache Kriterium im vorliegenden Fall erfüllt ist, unterscheidet sich die vom öffentlichen Arbeitgeber gezahlte Rente nicht von der, die ein privater Arbeitgeber seinen ehemaligen Arbeitnehmern zahlen würde.

67.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Feststellung, dass ein Rentensystem vom Gesetz vorgesehen ist, allein nicht genügt, um es den Kategorien „soziale Sicherheit“ und „sozialer Schutz“ zu unterstellen und damit dieses System vom Anwendungsbereich des Art. 119 EG-Vertrag (später Art. 141 EG) auszuschließen(35). Überdies werden die strukturellen Merkmale eines Rentensystems, anders als das Vorhandensein eines Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsverhältnis und der betreffenden Leistung, nicht als entscheidend angesehen(36).

68.      Da die im Ausgangsverfahren fraglichen Zusatzversorgungsbezüge im Wesentlichen von dem Arbeitsverhältnis abhängen, das zwischen Herrn Römer und der Freien und Hansestadt Hamburg bestand, stellen sie ein „Entgelt“ im Sinne von Art. 141 EG dar und fallen nicht unter die Ausnahme des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78.

2.      Zum 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78

69.      Sofern die vorstehende Frage verneint wird, was meines Erachtens geschehen sollte, möchte das Arbeitsgericht Hamburg hilfsweise wissen, ob erstens die Regelungen des 1. RGG, die zur Bestimmung der Höhe des Ruhegelds zwischen verheirateten Versorgungsempfängern einerseits und allen übrigen Versorgungsempfängern andererseits unterscheiden und Erstere begünstigen, unter den Vorbehalt des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 fallen und ob zweitens die genannte Richtlinie in diesem Fall keine Anwendung finden darf, obwohl sie im normativen Teil keine Bestimmung enthält, die eine dem genannten Erwägungsgrund ausdrücklich entsprechende Einschränkung ihres Geltungsbereichs vorsieht.

70.      Wie dargelegt heißt es im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78, dass diese „die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt [lässt]“.

71.      Die Kommission stimmt der Auffassung des vorlegenden Gerichts zu, wonach § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG keine einzelstaatliche Rechtsvorschrift über den Familienstand sei. Beide betonen, dass die genannte Vorschrift keine Regelung in Bezug auf die Ehe als solche treffe, sondern diesen Familienstand mittels des Tatbestandsmerkmals „verheiratet“ beim Versorgungsempfänger voraussetze, d. h. ihn zur Tatbestandsvoraussetzung der dort normierten günstigeren Berechnung der Versorgungsbezüge erhebe. Es könnte sich daher allenfalls um eine Rechtsvorschrift über eine vom Familienstand abhängige Leistung im Sinne des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 handeln.

72.      Das Arbeitsgericht Hamburg führt aus, es stelle diese Frage, da zwei Bundesgerichte der Bundesrepublik Deutschland(37) eine weite Auslegung des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 als selbstverständlich unterstellten und Vorschriften wie § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG, die, anknüpfend an den Familienstand, die Bemessung des Arbeitsentgelts im weiteren Sinn regelten, vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausschlössen.

73.      Ich bin derselben Auffassung wie die Kommission, nach deren Ansicht der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 lediglich die zu Beginn des Abs. 1 des Art. 3 vorgesehene selbstverständliche Einschränkung des Geltungsbereichs wiedergibt, wonach die genannte Richtlinie nur „[i]m Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten“ gilt. Die Union verfügt nämlich nicht über eine Gesetzgebungszuständigkeit im Hinblick auf den „Familienstand und davon abhängige Leistungen“.

74.      Im Urteil Maruko(38) hat der Gerichtshof zu einer ähnlichen Frage Stellung genommen und festgestellt, dass der Familienstand und davon abhängige Leistungen im Sinne des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen und dass das Gemeinschaftsrecht diese Zuständigkeit unberührt lässt. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit das Gemeinschaftsrecht zu beachten haben, insbesondere die Bestimmungen in Bezug auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung.

75.      Diese Feststellung sollte meines Erachtens verdeutlicht werden mit dem Hinweis, dass die den Mitgliedstaaten belassene Zuständigkeit im Bereich des Familienstands bedeutet, dass die Regelung der Ehe und die Regelung jeder anderen rechtlich anerkannten Form von Lebensgemeinschaft zwischen Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts sowie die Rechtsstellung der Kinder und der sonstigen Familienmitglieder im weiteren Sinn den Mitgliedstaaten vorbehalten ist.

76.      Allein die Mitgliedstaaten haben zu entscheiden, ob homosexuelle Paare nach ihrer nationalen Rechtsordnung eine Form rechtlich anerkannter Verbindung eingehen können oder ob das Rechtsinstitut der Ehe allein Paaren unterschiedlichen Geschlechts vorbehalten ist. Lässt ein Mitgliedstaat für Personen gleichen Geschlechts eine rechtlich anerkannte Lebensgemeinschaft, in welcher Form auch immer, nicht zu, könnte dies als Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung angesehen werden, da aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit der Pflicht zur Achtung der Menschenwürde homosexueller Menschen(39) abgeleitet werden kann, dass diesen die Möglichkeit gewährt werden muss, eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft im Rahmen einer rechtlich sanktionierten Verbindung zu führen(40). Diese Problematik, die die Regelung des Familienstands betrifft, liegt jedoch außerhalb des unionsrechtlichen Einflussbereichs.

77.      Dagegen kann ein Mitgliedstaat in den Bereichen, die im Geltungsbereich des Unionsrechts liegen, wie dem der Ausübung der Grundfreiheiten oder dem der Bedingungen für die Behandlung der Arbeitnehmer im Berufsleben, die Verletzung dieses Rechts nicht dadurch rechtfertigen, dass er sich auf einzelstaatliche Vorschriften über den Familienstand beruft.

78.      Wie der Gerichtshof im Rahmen der Rechtssache Maruko entschieden hat, ist festzustellen, dass der 22. Erwägungsgrund der genannten Richtlinie deren Anwendung nicht in Frage stellen kann, sobald eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche als „Entgelt“ im Sinne von Art. 141 EG qualifiziert worden ist und sie aus den bei der Beantwortung der ersten Vorlagefrage genannten Gründen in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt.

79.      Diese Auslegung des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 scheint mir geeignet, die Abweichungen in der nationalen Rechtsprechung zu vermeiden, auf die das vorlegende Gericht hingewiesen hat, und eine einheitliche Anwendung dieser Vorschrift sicherzustellen. Der genannte Erwägungsgrund, der aus den bereits von Generalanwalt Ruiz‑Jarabo Colomer(41) dargelegten Gründen keine selbständige Bindungswirkung hat, darf nicht mehr allein der Grund sein, um die Prüfung der Vereinbarkeit von Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts mit der Richtlinie 2000/78 auszuschließen, die für Ehepaare höhere Leistungen als für registrierte Lebenspartner vorsehen. Tatsächlich verweist der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 nur auf die aus Art. 13 Abs. 1 EG abgeleitete, im Übrigen auf der Hand liegende Beschränkung der Geltung der Richtlinie auf die „auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten“ gemäß Art. 3 Abs. 1 a. A. der genannten Richtlinie.

80.      Jedenfalls erinnere ich daran, dass sich die Mitgliedstaaten, wenn sie in dem ihnen vorbehaltenen Zuständigkeitsbereich tätig werden, nicht der ihnen obliegenden allgemeinen Pflicht zur Wahrung des Unionsrechts entziehen können, was die Wahrung der Vorschriften über das Verbot der Diskriminierung einschließt.

81.      Hieraus folgt, dass entgegen der in der einzelstaatlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 nicht dazu führen kann, dass die Anwendung der Richtlinie auf Vorschriften wie die des 1. RGG in Frage gestellt wird, die sich auf die Bemessung eines Arbeitsentgelts im weiteren Sinn beziehen und als entscheidenden Faktor einen bestimmten Familienstand, nämlich den des Verheirateten, berücksichtigen.

82.      Im Ergebnis sind die erste und die zweite Vorlagefrage dahin zu beantworten, dass die durch das 1. RGG in Verbindung mit dem HmbZVG geregelten Zusatzversorgungsbezüge für ehemalige Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg sowie deren Hinterbliebene in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fallen und dass diese innerstaatlichen Vorschriften somit anhand der in der genannten Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen zu prüfen sind.

C –    Zum Vorliegen einer Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne der Richtlinie 2000/78

83.      Die dritte Frage wird für den Fall gestellt, dass sich aus der Beantwortung der vorhergehenden Fragen ergibt, dass, wie ich meine, die Richtlinie 2000/78 auf § 10 Abs. 6 1. RGG anwendbar ist, wonach im Ergebnis die Versorgungsbezüge verheirateter Versorgungsempfänger günstiger sind als die Versorgungsbezüge eines Versorgungsempfängers, der mit einer gleichgeschlechtlichen Person verpartnert ist. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob diese Vorschrift gegen Art. 1 in Verbindung mit den Art. 2 und 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 verstößt, weil sie den Kläger des Ausgangsverfahrens wegen seiner sexuellen Ausrichtung unmittelbar oder nur mittelbar diskriminiert(42).

1.      Zur unmittelbaren Diskriminierung

84.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass es zu der Auffassung tendiere, dass von § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG eine unmittelbar diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Ehe sei die für heterosexuell orientierte Personen und die eingetragene Lebenspartnerschaft die für gleichgeschlechtlich orientierte Personen typische Form der rechtlich verfestigten Lebensgemeinschaft bzw. der typische Familienstand, auch wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass jemand trotz seiner homosexuellen Ausrichtung mit einer dem anderen Geschlecht zugehörigen Person die Ehe eingehe. Hervorzuheben ist, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts im BGB nicht ausdrücklich normiert ist, dass nur zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts die Ehe miteinander schließen können, dies aber in ständiger allgemeiner Übung vorausgesetzt wird. Dagegen ergibt sich aus § 1 Abs. 1 LPartG, dass nur zwei Personen gleichen Geschlechts eine Lebenspartnerschaft im Sinne des Gesetzes begründen können.

85.      Die Freie und Hansestadt Hamburg macht geltend, die streitige Regelung, die für jeden Lebenspartner einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zusatzversorgungssystem unter Zugrundelegung der Steuerklasse I, nicht aber der Steuerklasse III/0 vorsehe, ziehe keine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung nach sich.

86.      Herr Römer führt aus, der Gerichtshof habe im Urteil Maruko dem vorlegenden Gericht zwar die Prüfung überlassen, ob eine „vergleichbare Situation“ vorliege, hierfür jedoch klare sachliche Kriterien aufgestellt. Gemäß der Richtlinie 2000/78 verlange der Gerichtshof keine Gleichartigkeit im Sinne einer maximalen Gleichstellung, sondern lediglich eine Vergleichbarkeit. Dies sei zu prüfen, indem nicht abstrakt die Rechtsinstitute, sondern konkret die beiden betroffenen Personengruppen im Hinblick auf die in Frage stehende Sozialleistung verglichen würden. Entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung deutscher Gerichte, die die Richtlinie und die Auslegungshinweise im Urteil Maruko verkannt hätten, müssten daher vorliegend ein ehemaliger Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg, der mit seinem Partner nach den Regeln der eingetragenen Lebenspartnerschaft lebe, und ein ehemaliger Arbeitnehmer, der mit seinem Ehegatten oder seiner Ehegattin nach den Regeln der Ehe lebe, miteinander verglichen werden. Herr Römer macht in erster Linie geltend, der Gerichtshof müsse, um den wirksamen Rechtsbehelf gegen die Diskriminierung zu gewährleisten, den die Richtlinie garantieren wolle, die sachlichen Kriterien, die die nationalen Gerichte bei dem Vergleich anzuwenden hätten, deutlicher herausarbeiten.

87.      Die Kommission vertritt ebenso wie das Arbeitsgericht Hamburg die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Lebenspartner bezüglich ihrer Versorgungsbezüge ungünstiger behandelt würden als die Ehegatten, ohne dass es für diese Ungleichbehandlung einen triftigen Grund gebe. Sie macht insbesondere geltend, der Umstand, dass Ehegatten eventuell Belastungen durch Kindererziehung ausgesetzt seien, könne diese Differenzierung nicht rechtfertigen, da § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG alle nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfänger unabhängig von der Existenz von Nachkommen begünstige. Die Kommission teilt auch die Auffassung des vorlegenden Gerichts, wonach dafür, dass verheiratete Versorgungsempfänger unter Berücksichtigung der Versorgungssituation des Partners bzw. der Partnerin einen höheren Versorgungsbedarf hätten als in eingetragener Lebenspartnerschaft lebende Versorgungsempfänger, nicht der geringste empirische Anhaltspunkt bestehe. Jedenfalls sei die Vorschrift zur Erreichung eines solchen Ziels ungeeignet, da sie nicht darauf abstelle, ob der Versorgungsempfänger und sein Ehegatte überhaupt Kinder hervorgebracht hätten, und diesen Umstand nicht einmal zur Voraussetzung erhebe. Es sei hier, anders als im Urteil Maruko, entbehrlich, dem vorlegenden Gericht die Entscheidung zu überlassen, ob sich ein Ehegatte oder ein Lebenspartner bezüglich der betreffenden Leistung in einer vergleichbaren Situation befänden, da das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung die erforderlichen Prüfungen hinsichtlich der Rechtsstellung des Letztgenannten bereits durchgeführt und die erforderlichen Schlüsse insoweit gezogen habe. Die Kommission schlägt eine Entscheidung vor, wonach eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung darstellt.

88.      Aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 ergibt sich, dass das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung im Sinne der Vorschrift davon abhängt, ob die beurteilten Situationen vergleichbar sind. Entscheidend sind somit die Kriterien, anhand deren die Prüfung dieser Vergleichbarkeit zu erfolgen hat. Der Gerichtshof hat eine Antwort zu geben, die mehrere Erfordernisse in Einklang bringt, d. h., er hat nicht nur dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zu geben, die dieses für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens benötigt, ohne dabei jedoch in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Gerichte einzugreifen, sondern er muss auch die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisten und dabei den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten insbesondere im Bereich des Familienstands wahren.

89.      Zunächst weise ich darauf hin, dass in den meisten Mitgliedstaaten die Ehe eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau ist. Die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder einer ähnlichen Form rechtlich anerkannter Verbindung kann auf Paare gleichen Geschlechts beschränkt werden oder aber auch für Paare unterschiedlichen Geschlechts vorgesehen werden, wie der zivile Solidaritätspakt nach französischem Recht. Die Verbindung der Homosexualität mit der Form einer zwischen zwei Personen bestehenden Lebensgemeinschaft ergibt sich nicht automatisch. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine gleichgeschlechtlich orientierte Person für die Ehe mit einer dem anderen Geschlecht zugehörigen Person entscheidet, und umgekehrt ist eine heterosexuell orientierte Person nicht daran gehindert, sich für ein Leben mit einer demselben Geschlecht zugehörigen Person nach den Regeln einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu entscheiden. Eine rechtliche Prüfung darf jedoch nicht bei diesem Sophismus stehen bleiben. Es widerspräche der vorherrschenden Realität, wollte man nicht zugeben, dass in einem Land wie Deutschland, wo die Ehe für gleichgeschlechtliche Personen ausgeschlossen und die eingetragene Lebenspartnerschaft die diesen Personen vorbehaltene Rechtsform einer Lebensgemeinschaft ist, eine unterschiedliche Behandlung zum Nachteil der durch eine solche Lebenspartnerschaft verbundenen Personen zu einer Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung führt(43).

90.      Im Urteil Maruko(44) hat sich der Gerichtshof durch die Aufstellung sehr klarer Kriterien implizit für die Vergleichbarkeit der Situation entschieden, obwohl er die Prüfung der Frage dem nationalen Gericht überlassen hat. Gemäß dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 hat der Gerichtshof nicht gleichartige Situationen in Betracht gezogen, sondern auf das Vorliegen hinreichend vergleichbarer Situationen abgestellt, indem er sich auf die Analyse des deutschen Rechts durch das vorlegende Gericht gestützt hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist genauso vorgegangen(45).

91.      Es ist zu beachten, dass die Ehe, unabhängig von ihrer Bedeutung in moralischer, religiöser oder soziologischer Hinsicht, in rechtlicher Hinsicht ein vielschichtiges Institut ist, dessen Inhalt durch die Rechte und Pflichten der Ehegatten untereinander sowie gegenüber Dritten und der Gesellschaft im Ganzen bestimmt wird. Das Bestehen einer Ehe kann ferner Voraussetzung für verschiedene Rechtswirkungen sein, sei es in sozial-, steuer- oder verwaltungsrechtlicher Hinsicht. Auch eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder jede andere Form einer gesetzlich anerkannten Lebensgemeinschaft ist entweder durch die Rechte und Pflichten der Beteiligten oder durch Rechtsfolgen gekennzeichnet, die die betreffende Rechtsordnung an das Vorliegen dieser Lebenspartnerschaft knüpft.

92.      Der Gerichtshof hat klargestellt, dass die Vergleichbarkeit im Hinblick auf die konkret in Rede stehende Leistung zu prüfen, d. h. auf das rechtlich relevante Merkmal abzustellen ist und dass nicht nur eine pauschale Beurteilung der Rechtslage erfolgen darf. Die Vorabentscheidungsfrage in der Rechtssache Maruko betraf die Gewährung einer Hinterbliebenenrente für den Lebenspartner eines verstorbenen Versorgungsempfängers; der Gerichtshof hat zunächst festgestellt, dass im deutschen Recht „die für die Lebenspartnerschaft geschaffenen Regelungen den für die Ehe geltenden schrittweise [angenähert wurden]“, und sodann ausgeführt, dass „die Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Witwen- oder Witwerrente … der Ehe gleichgestellt wird“(46).

93.      Die Situationen sind daher auf der Grundlage einer Prüfung zu vergleichen, die sich darauf konzentriert, speziell die Rechte und Pflichten verheirateter Personen nach dem Privatrecht sowie die Rechte und Pflichten der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Personen zu bestimmen, die jeweils in Bezug auf die betreffende Leistung relevant sind. Die praktische Wirksamkeit des Verbots der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung wäre nicht gewährleistet, wenn eine völlige Identität der Rechtsinstitute erforderlich wäre oder wenn Rechte und Pflichten zu berücksichtigen wären, die für die spezielle Situation im betreffenden Fall unerheblich sind.

94.      Insbesondere dürfen die Regelungen, die im Fall der Auflösung der zwischen den Lebenspartnern bestehenden Verbindung durch Tod oder aus einem sonstigen Grund gelten, nicht den Vergleich der während der Ehe und während der eingetragenen Lebenspartnerschaft vorliegenden Situation in Bezug auf Leistungen beeinflussen, die davon abhängen, dass der verheiratete Versorgungsempfänger nicht dauernd getrennt lebt. Dagegen könnten diese Regelungen Einfluss auf die Beurteilung der Vergleichbarkeit der Situation haben, die zwischen getrennten Eheleuten oder Lebenspartnern besteht.

95.      Die Wirkungen, die die Bestimmungen des Steuerrechts, des Sozialrechts und des Verwaltungsrechts als Voraussetzung für die Gewährung einer Begünstigung oder eines Anspruchs an die Ehe knüpfen, sollten den Vergleich der Situation von Personen, die durch Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft miteinander verbunden sind, ebenfalls nicht beeinflussen, denn eine unterschiedliche Behandlung durch die genannten Vorschriften gilt eher als ein Hinweis auf das Vorliegen einer Diskriminierung denn als ein Faktor, der die Vergleichbarkeit einer Situation bestimmt.

96.      Da der Gerichtshof die Stationen, die das deutsche Recht bei der Annäherung der für die eingetragene Lebenspartnerschaft geltenden Regelungen an die für die Ehe bestehenden durchlaufen hat, bereits im Urteil Maruko(47) beschrieben hat, scheint es mir nicht notwendig, diese hier nochmals darzulegen.

97.      Was insbesondere die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung betrifft, d. h. die Zusatzversorgungsbezüge der Freien und Hansestadt Hamburg für einen ihrer ehemaligen Arbeitnehmer, so gehört sie in den rechtlichen Bereich der zwischen Ehegatten bestehenden vermögensrechtlichen Verpflichtungen. Nach den Informationen im Vorlagebeschluss sind die Lebenspartner zum einen einander zur Fürsorge und Unterstützung verpflichtet; zum anderen sind sie verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft angemessen zu unterhalten(48), wie dies auch zwischen Ehegatten während des Zusammenlebens der Fall ist(49). Auch wenn das LPartG keine völlige Vereinheitlichung der Rechte der verheirateten Paare und der in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Paare verankert hat, hat es doch weitgehend gleiche Verpflichtungen für diese beiden Lebensgemeinschaften begründet, insbesondere in finanzieller Hinsicht.

98.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts besteht nach den schrittweisen Reformen des LPartG(50) „kein ins Gewicht fallender rechtlicher Unterschied mehr zwischen den beiden von der deutschen Rechtsordnung zur Wahl gestellten Personenständen der Ehe einerseits und der eingetragenen Lebenspartnerschaft andererseits … Der Unterschied ist im Wesentlichen nurmehr ein tatbestandlicher: Die Ehe setzt die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner, die eingetragene Lebenspartnerschaft deren Gleichgeschlechtlichkeit voraus“. Es gibt somit keine unterschiedliche Situation, die ausreichen würde, um eine Ungleichbehandlung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zu rechtfertigen.

99.      Aus den Akten geht hervor, dass die Versorgungsbezüge von Herrn Römer gemäß § 8 Abs. 10 letzter Satz 1. RGG höher gewesen wären, wenn er im Oktober 2001 mit einer Frau die Ehe geschlossen hätte und nicht eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einem Mann begründet hätte. Diese günstigere Behandlung hätte weder in einem Zusammenhang mit den Einkünften der an der Lebensgemeinschaft Beteiligten noch mit der Existenz von Kindern oder mit anderen Faktoren wie die bezüglich des wirtschaftlichen Bedarfs des Ehegatten gestanden. Darüber hinaus hatte der Familienstand des Betroffenen während seines Berufslebens keinerlei Einfluss auf seine Beiträge, da er sich an den Rentenaufwendungen durch Zahlung eines gleich hohen Beitrags wie seine verheirateten Kollegen zu beteiligen hatte. Die festgestellte unterschiedliche Behandlung beruht daher ausschließlich auf einem von der Richtlinie 2000/78 verbotenen Kriterium, nämlich dem der sexuellen Ausrichtung.

100. In Anbetracht der vom vorlegenden Gericht dargestellten Umstände ist im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren streitige Leistung die Situation der Personen, die eine Ehe geschlossen haben, und die Situation der Personen, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften begründet haben, vergleichbar im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78. Unter diesen Umständen stellt die Erhöhung eines Ruhegelds, die allein auf dem Kriterium der Ehe beruht, wie sie in § 10 Abs. 6 1. RGG vorgesehen ist, eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung dar.

2.      Zur mittelbaren Diskriminierung

101. Die Frage nach der Auslegung des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 bezüglich des Begriffs der mittelbaren Diskriminierung stellt sich nur, wenn das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung nicht feststehen sollte, und zwar entweder nach Prüfung der Vergleichbarkeit der Situation, die der Gerichtshof selbst durchführen würde, sofern er sich hierzu in der Lage sehen sollte – wie die Kommission es ihm vorschlägt –, oder am Ende einer solchen Analyse, die dem vorlegenden Gericht überlassen bliebe. Die folgenden Bemerkungen trage ich somit nur hilfsweise und der Vollständigkeit halber vor.

102. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ersucht den Gerichtshof, die Rechtsprechung des Urteils Maruko zu erweitern, indem er auch die Frage zu der mittelbaren Diskriminierung beantwortet. Für seine Behauptung, er sei Opfer einer mittelbaren Diskriminierung wegen seiner sexuellen Ausrichtung, macht Herr Römer geltend, diese mittelbare Diskriminierung sei die Folge davon, dass die Leistungen an eine nur zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts gültige Ehe geknüpft seien, ohne dass dies nach dem Unionsrecht objektiv gerechtfertigt sei. Er trägt vor, dass die Freie und Hansestadt Hamburg nicht begründet habe, weshalb es der Schutz von Ehepaaren erfordere, dass er ein niedrigeres Ruhegeld als seine heterosexuellen Kollegen erhalte, obwohl er 45 Jahre lang dieselben Beiträge wie diese in die betriebliche Altersversorgung eingezahlt habe.

103. Die Kommission stützt sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters(51) und weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten bei der Wahl der Mittel zur Erreichung der Ziele ihrer Sozialpolitik über einen weiten Wertungsspielraum verfügten, dass dieser Wertungsspielraum jedoch nicht dazu führen dürfe, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung ausgehöhlt werde.

104. Sollte nicht feststehen, dass sich die Lebenspartner und die Ehegatten bezüglich der betreffenden Leistung in einer vergleichbaren Situation befinden, was im vorliegenden Fall das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung ausschließen würde, wären die Bestimmungen des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 auszulegen, um dem vorlegenden Gericht bei der Feststellung zu helfen, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Frage stehende zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung führen kann.

105. Meines Wissens gibt es in der Rechtsprechung keine Urteile, die sich mit der Auslegung des Begriffs der mittelbaren Diskriminierung, insbesondere mit der wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne der Richtlinie 2000/78, befassen.

106. Nach dem Wortlaut dieser Richtlinie ist zunächst zu fragen, ob im vorliegenden Fall „dem Anschein nach neutrale Vorschriften [oder] Kriterien [vorliegen, die] Personen … mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können“. Das in § 10 Abs. 6 1. RGG enthaltene Kriterium der Ehe kann grundsätzlich ein neutraler Differenzierungsfaktor sein. Da die Ehe und die damit verbundenen Vorteile ausschließlich Personen unterschiedlichen Geschlechts vorbehalten sind, wie dies insbesondere in Deutschland der Fall ist, ist die differenzierende Wirkung eines solchen Kriteriums jedoch nicht unerheblich. Es erweist sich insbesondere für homosexuelle Personen als nachteilig, da sie über keine anderen rechtlichen Mittel als die eingetragene Lebenspartnerschaft verfügen, um ihre Lebensgemeinschaft förmlich zu regeln, und sie können daher keinen Zugang zu der begünstigten Gruppe erhalten, es sei denn, sie verleugnen ihre sexuelle Ausrichtung.

107. Hier ist ein objektiver und kein subjektiver Ansatz geboten. Es kommt nicht darauf an, ob das Erfordernis einer bestehenden Ehe speziell die gleichgeschlechtlichen Paare ausschließen soll, sobald das Erfordernis für sich genommen diese im Vergleich zu Personen unterschiedlichen Geschlechts eindeutig benachteiligt. Sicherlich schließt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorschrift alle unverheirateten Versorgungsempfänger aus(52), doch sind homosexuelle Versorgungsempfänger tatsächlich stärker benachteiligt als z. B. heterosexuelle, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, denn ihnen ist nicht dauerhaft die Möglichkeit genommen, diesen Vorteil zu erlangen, da ihnen die Eheschließung offensteht, sollten sie eines Tages den Wunsch danach verspüren.

108. Die Feststellung, dass sich aus § 10 Abs. 6 1. RGG eine „besondere Benachteiligung“ ergeben kann, reicht für sich nicht aus, um eine mittelbare Diskriminierung anzunehmen, da nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. 1 der Richtlinie 2000/78 ein „rechtmäßiges Ziel“ diese Benachteiligung „sachlich“ rechtfertigen könnte. Die Begründung der Freien und Hansestadt Hamburg stellt auf steuerliche Bedenken ab, deren Realitätsgehalt und Rechtmäßigkeit jedoch durch keinerlei Beweise untermauert wird, obwohl die Beklagte des Ausgangsverfahrens insoweit die Beweislast trifft. Das vorlegende Gericht seinerseits verweist auf den möglichen Willen des Gesetzgebers, Ehe und Familie zu schützen(53).

109. Zunächst weise ich darauf hin, dass der Ursachenzusammenhang zwischen der in Rede stehenden Ungleichbehandlung und dem Schutz von Ehe und Familie, der als solcher ein „rechtmäßiges Ziel“ sein könnte, zweifelhaft ist.

110. Selbst wenn man unterstellt, dass dieses Ziel als rechtmäßig anerkannt werden kann, könnte die Vorschrift des § 10 Abs. 6 1. RGG jedenfalls nicht die Prüfung der sachlichen Richtigkeit und der Verhältnismäßigkeit bestehen, die die Richtlinie 2000/78 darüber hinaus vorsieht, indem sie verlangt, dass „die Mittel … zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich [sind]“. Um das Institut der Ehe zu fördern, gibt es andere Mittel, als – wenn auch nur mittelbar – den finanziellen Interessen der homosexuellen Paare zu schaden, die ohnehin in Deutschland keinen Zugang zur Ehe haben und sich somit nicht von ihr abwenden könnten, um sich für eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu entscheiden. Das Institut der Ehe kann jedenfalls geschützt werden, ohne dass es angemessen oder unerlässlich wäre, eine Form rechtlich anerkannten ehelichen Zusammenlebens gegenüber einer anderen Form zu begünstigen(54).

111. Aufgrund dieser Überlegungen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das für die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens und die Auslegung der geltenden nationalen Rechtsvorschriften allein zuständig ist, konkret zu bestimmen, ob eine mittelbare Diskriminierung vorliegt. Es wird zu beurteilen haben, inwieweit der Umstand, dass Herr Römer gemäß § 10 Abs. 6 1. RGG niedrigere Versorgungsbezüge als eine verheiratete Person erhält, durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und inwieweit das Vorliegen einer bestehenden Ehe als Voraussetzung für diese Vergütung ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung eines solchen Ziels ist.

3.      Zwischenergebnis

112. Als Ergebnis der Behandlung der dritten Frage in allen ihren Aspekten schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass Art. 1 in Verbindung mit den Art. 2 und 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach ein in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebender Versorgungsempfänger keine Zusatzversorgungsbezüge erhält, die den einem nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfänger gewährten entsprechen, obwohl nach nationalem Recht die eingetragene Lebenspartnerschaft die Personen gleichen Geschlechts in eine Situation versetzt, die in Bezug auf diese Versorgungsbezüge mit der Situation von Ehegatten vergleichbar ist. Die Prüfung der Vergleichbarkeit hat sich auf die unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistung relevanten Rechte und Pflichten der Ehegatten und der Lebenspartner zu konzentrieren, wie sie sich aus den für die Ehe geltenden Vorschriften und den für die eingetragene Lebenspartnerschaft geltenden Vorschriften ergeben. Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob sich ein Lebenspartner in einer rechtlichen und tatsächlichen Situation befindet, die mit der eines Ehegatten, der die Zusatzversorgungsbezüge des berufsständischen Versorgungssystems der Freien und Hansestadt Hamburg erhält, vergleichbar ist.

113. Hilfsweise läge, falls nach der Prüfung der Vergleichbarkeit das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung ausgeschlossen wäre, jedenfalls eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 vor, sofern § 10 Abs. 6 1. RGG, der eine günstigere Berechnung der Zusatzversorgungsbezüge für einen nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfänger vorsieht, einerseits einen bestimmten Nachteil zulasten eines in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Versorgungsempfängers mit sich bringt und andererseits sachlich keinem rechtmäßigen Ziel dient oder kein Mittel darstellt, das sowohl angemessen als auch erforderlich zur Erreichung eines solchen Ziels ist, wobei die Entscheidung hierüber vom vorlegenden Gericht zu treffen ist.

D –    Zum Verstoß gegen Art. 141 EG oder gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts

114. Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob in dem Fall, dass nicht festgestellt wird, dass § 10 Abs. 6 1. RGG gegen die Richtlinie 2000/78 verstößt, die genannte Bestimmung des innerstaatlichen Rechts jedenfalls gegen Art. 141 EG oder gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstößt.

115. Diese Frage besteht aus drei Teilen. Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch sein ergänzendes Vorabentscheidungsersuchen insoweit eine Klärung herbeigeführt.

116. Der erste und der dritte Fall, auf die sich die vierte Frage bezieht, bestehen darin, dass die Frage, ob die Anwendung der Richtlinie 2000/78 eventuell ausgeschlossen ist, bejaht wird. Der dritte Teil der vierten Frage bezieht sich auf den Fall, dass festgestellt wird, dass § 10 Abs. 6 1. RGG das in der Richtlinie 2000/78 verankerte Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung nicht verletzt. Aus den oben genannten Gründen sind die drei Teile dieser Vorlagefrage gegenstandslos. Der Vollständigkeit halber gebe ich jedoch für den Fall, dass der Gerichtshof meinen Vorschlägen nicht folgen sollte, hilfsweise folgende Hinweise für die Beantwortung.

117. Ein Verstoß gegen Art. 141 EG kann im Ausgangsverfahren nicht festgestellt werden. Ich erinnere daran, dass der genannte Artikel den „Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ aufstellt.

118. Der Gesetzesinhalt von § 10 Abs. 6 1. RGG kann gegen den so formulierten Grundsatz nicht verstoßen, da die unterschiedliche Behandlung bei der Berechnung der Versorgungsbezüge, der der Kläger des Ausgangsverfahrens unterliegt, nicht auf einer Unterscheidung zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen verheirateten Arbeitnehmern und „allen übrigen“ beruht. Das vorlegende Gericht stellt dies selbst fest, vertritt aber die Auffassung, dass die genannte Vorschrift, ausgehend von der Tatsache, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens ein Mann sei, gleichwohl eine diskriminierende Regelung darstelle, weil Herr Römer als rechtlich anerkannte Verbindung mit einem anderen Mann nur eine Lebenspartnerschaft, nicht aber eine Ehe habe eingehen können.

119. Wie die Kommission weise jedoch auch ich darauf hin, dass die in Rede stehende innerstaatliche Vorschrift die Versorgungsempfänger desselben Geschlechts unabhängig davon beeinträchtigt, ob die Lebenspartnerschaft zwischen zwei Männern oder zwei Frauen eingegangen wurde. Auch ist der Nachteil, den Herr Römer erleidet, weder an sein Geschlecht noch an das seines Lebenspartners gebunden, sondern hat seine Ursache allein in dem Fehlen einer Ehe. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Vorschrift nicht gegen Art. 141 EG verstoßen kann, der auf die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts, nicht aber auf die wegen der sexuellen Ausrichtung abstellt.

120. Zwar ähnelt die Argumentation des vorlegenden Gerichts der des Gerichtshofs im Urteil K. B.(55), wonach Art. 141 EG grundsätzlich einer Regelung entgegensteht, die es unter Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) einem Paar, bei dem ein Partner eine transsexuelle Person ist, die eine Operation zur Geschlechtsumwandlung vorgenommen hat, aber personenstandsrechtlich gleichen Geschlechts geblieben ist, unmöglich macht, miteinander die Ehe einzugehen und so die Voraussetzung dafür zu erfüllen, dass dem einen von ihnen ein Bestandteil des Entgelts des anderen im Sinne von Art. 141 EG, nämlich eine Witwenrente, gewährt werden kann.

121. Auch wenn Herr Römer und sein Partner sich in einer ähnlichen Situation wie die Betroffenen in der Rechtssache K. B. befinden, weil die Ehe Personen unterschiedlichen Geschlechts vorbehalten ist, kann diese Behinderung im vorliegenden Fall jedoch nicht als eine Diskriminierung wegen des Geschlechts angesehen werden. Der Gerichtshof hat in der genannten Rechtssache die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift des Vereinigten Königreichs mit dem Gemeinschaftsrecht nicht deswegen in Zweifel gezogen, weil die Rechtsvorschrift den gleichgeschlechtlichen Paaren nicht die Eingehung der Ehe ermöglicht, sondern nur deswegen, weil sie eine unterschiedliche Behandlung bewirkt, die sich auf eine für die Gewährung einer Witwenrente notwendige Voraussetzung bezieht, nämlich die Fähigkeit, miteinander die Ehe einzugehen(56). Überdies ist die für Herrn Römer bestehende Unmöglichkeit der Eheschließung eine Folge der von der Bundesrepublik Deutschland in Wahrnehmung ihrer personenstandsrechtlichen Befugnisse getroffenen Entscheidung, das Institut der Ehe Paaren unterschiedlichen Geschlechts vorzubehalten. Da homosexuelle Personen den Folgen dieser gesetzgeberischen Entscheidung unabhängig davon, ob es sich um Frauen oder Männer handelt, in gleicher Weise ausgesetzt sind, kann dieses Erfordernis als solches nicht als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesehen werden.

122. Was den eventuellen Verstoß des § 10 Abs. 6 1. RGG gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts angeht, soweit die genannte Vorschrift den Kläger des Ausgangsverfahrens wegen seiner sexuellen Ausrichtung benachteiligt, stützt das vorlegende Gericht sein Ersuchen auf das Urteil Mangold(57). Es erinnert daran, dass nach diesem Urteil der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nicht in der Richtlinie 2000/78 selbst verankert sei und damit als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen sei. In seinem ergänzenden Ersuchen führt das vorlegende Gericht einen möglichen Verstoß gegen einen „(anderweitigen) allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts“ an, offenbar im Gegensatz zu dem Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, der in Art. 141 EG enthalten ist, erklärt aber nicht, um welchen anderweitigen Grundsatz es sich vorliegend handeln könnte.

123. Sollte der Gerichtshof der Auffassung sein, dass sich die vorliegende Frage im Hinblick auf die Kombination der Hypothesen, die der Frage vorangestellt sind, nicht als gegenstandslos erweist, stelle ich fest, dass die Urteile Mangold und Kücükdeveci(58) mit Bestimmtheit bekräftigen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nicht in der Richtlinie 2000/78 verankert ist und dass dieser, wie sich aus Art. 1 sowie den Erwägungsgründen 1 und 4 der genannten Richtlinie ergibt, seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und in den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten hat.

124. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof anerkannt, dass ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters besteht, das als ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen ist, wobei dieser Grundsatz durch die genannte Richtlinie lediglich konkretisiert wird, indem sie einen allgemeinen Rahmen in dem von ihr erfassten Bereich schafft(59). Der Gerichtshof hat ferner betont, dass nach Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte „Diskriminierungen insbesondere wegen … des Alters … verboten [sind]“ und dass diese Charta und die Verträge nach Art. 6 Abs. 1 EUV rechtlich gleichrangig sind(60).

125. Es bleibt zu prüfen, ob diese Rechtsprechung so übertragen werden kann, dass dem Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung ebenso wie dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters der Status eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts zukommt.

126. Wie bereits dargelegt, hat der am 2. Oktober 1997 unterzeichnete und am 1. Mai 1999 in Kraft getretene Amsterdamer Vertrag eine Änderung des Art. 13 Abs. 1 EG herbeigeführt und der Gemeinschaft im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeiten besondere Befugnisse eingeräumt, um Diskriminierungen aus einer der dort aufgeführten sechs Arten von Gründen zu bekämpfen, zu denen die sexuelle Ausrichtung gehört(61).

127. Zu jener Zeit missbilligten die Mitgliedstaaten Diskriminierungen aufgrund des genannten Kriteriums nicht, und auch die EMRK erwähnte dieses Kriterium nicht. Im Urteil Grant, das am 17. Februar 1998 verkündet wurde(62), hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass beim gegenwärtigen Stand des Rechts innerhalb der Gemeinschaft die festen homosexuellen Beziehungen den Beziehungen zwischen Verheirateten oder den festen nichtehelichen heterosexuellen Beziehungen nicht gleichgestellt sind. Er hat hieraus abgeleitet, dass eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der sexuellen Ausrichtung nicht verboten ist, da keine Gemeinschaftsnorm sie ausdrücklich verbietet, und hinzugefügt, dass nur der Gesetzgeber gegebenenfalls Maßnahmen treffen kann, die einen Einfluss auf diese Lage haben können.

128. Wie Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer ausgeführt hat, stand die vom Gerichtshof gewählte restriktive Betrachtungsweise im Gegensatz beispielsweise zu der Rechtsprechung, die im Bereich der Diskriminierung wegen Mutterschaft ergangen war(63). Auch die spätere Rechtsprechung zeigte eine gewisse Zurückhaltung bei der Umsetzung des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung(64).

129. Streng rechtlich gesehen gibt es keine Rechtfertigung dafür, den Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf Diskriminierungen aus Gründen der sexuellen Ausrichtung weniger entschieden durchzusetzen als in Bezug auf Diskriminierungen aus sonstigen in Art. 13 EG aufgeführten Gründen. Ließe man zu, dass es in diesem Bereich besondere Empfindlichkeiten gibt, denen rechtliche Relevanz zukommt, würde dies bedeuten, dass der Gerichtshof ungerechtfertigten Vorurteilen unabhängig von ihrer Herkunft Bedeutung beimisst und Personen, die nach ihrer sexuellen Ausrichtung eine Minderheit darstellen, den gleichen Rechtsschutz verweigert.

130. Der Europäische Gerichtshof für Menschrechte hat ab 1999 festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der sexuellen Ausrichtung unter Art. 14 EMRK fällt, dessen Regelung nicht erschöpfend ist, und dass eine solche Diskriminierung nach der Konvention nicht geduldet werden darf(65). Die durch die EMRK garantieren Grundrechte gehören zu den Normen, deren Einhaltung als allgemeine Grundsätze die Europäische Union gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV sicherstellt. Das Verbot von „Diskriminierungen insbesondere wegen … der sexuellen Ausrichtung“ wurde daher in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU verankert, die nicht neue Rechte schaffen, sondern die vom Unionsrecht anerkannten Grundrechte bekräftigen sollte(66).

131. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist meines Erachtens nach Maßgabe dessen, was der Gerichtshof bezüglich der Diskriminierung wegen des Alters für Recht erkannt hat, das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung als ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen(67).

132. Sollte, was meines Erachtens wenig wahrscheinlich ist, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fallen, könnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Regelung – konkret der Ausdruck „verheiratet“, durch den ihr Anwendungsbereich eingeschränkt wird – gegen den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung verstößt.

133. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, falls der Gerichtshof die genannte Kontrolle auf diesen allgemeinen Grundsatz und nicht auf die Richtlinie 2000/78 stützt, dies Auswirkungen auf die Beantwortung der fünften Frage des vorlegenden Gerichts haben wird, d. h. bezüglich der zeitlichen Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht.

134. Zusammenfassend bin ich in erster Linie der Auffassung, dass die vierte Vorlagefrage nicht beantwortet werden sollte. Für den gegenteiligen Fall schlage ich dem Gerichtshof dennoch hilfsweise vor, die Frage dahin zu beantworten, dass ein Verstoß des § 10 Abs. 6 1. RGG gegen Art. 141 EG nicht vorliegen kann, dass die genannte Vorschrift aber gegen den zum Unionsrecht gehörenden allgemeinen Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen der sexuellen Ausrichtung verstoßen könnte, was das vorlegende Gericht anhand des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens zu entscheiden hat.

E –    Zu den zeitlichen Aspekten der Rechtssache

135. Die vierte und die fünfte Vorlagefrage sind gemeinsam zu prüfen, da sich beide unter unterschiedlichen Gesichtspunkten auf Probleme der zeitlichen Anwendung beziehen.

1.      Zu den zeitlichen Wirkungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung

136. Das vorlegende Gericht führt aus, die fünfte Frage solle die Rechtsfolgen klären, die sich für die konkrete Entscheidung des vorliegenden Falles durch das vorlegende Gericht aus der Beantwortung der Vorlagefragen 1 bis 4 durch den Gerichtshof ergäben.

137. Es fragt sich erstens, ob, falls der Gerichtshof die Benachteiligung des Klägers des Ausgangsverfahrens als Verstoß gegen das Unionsrecht anerkennen sollte, der Kläger von der Beklagten des Ausgangsverfahrens die Gleichbehandlung mit nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfängern verlangen kann, noch bevor § 10 Abs. 6 1. RGG dahin gehend geändert ist.

138. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Freie und Hansestadt Hamburg kein privatrechtlich organisierter Arbeitgeber sei – auch wenn es sich um einen zivilrechtlichen Arbeitsvertrag handele –, sondern eine staatliche Gebietskörperschaft, die sowohl als Arbeitgeber fungiere als auch die Gesetzgebungshoheit bezüglich der fraglichen Vorschrift innehabe.

139. Sollte das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung bejaht werden, stände dem Kläger des Ausgangsverfahrens der Anspruch auf Gleichbehandlung zu, ohne dass er darauf warten müsste, dass der deutsche Gesetzgeber die fragliche innerstaatlichen Vorschrift geändert hat.

140. Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht im Wesentlichen, ab wann die Wirkung des § 10 Abs. 6 1. RGG entfallen müsste. Es führt aus, dass, sofern der Gerichtshof die genannte Vorschrift nur als gegen die Richtlinie 2000/78 verstoßend ansehen sollte, es naheliegen dürfte, dem Kläger des Ausgangsverfahrens gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens dieselben Zahlungsansprüche, wie sie verheirateten Versorgungsempfängern zuständen, erst bzw. frühestens ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 zuzuerkennen, also ab dem 3. Dezember 2003.

141. Der Beginn könne später liegen, falls der Gerichtshof dem Umstand, dass die Lebenspartnerschaft von Personen desselben Geschlechts nach Maßgabe des nationalen Rechts lediglich in mehreren Etappen an das Institut der Ehe angeglichen worden sei, eine entscheidende Bedeutung beimessen sollte. In diesem Fall könnten die rechtlichen Folgerungen aus der Auslegung des Gerichtshofs für den Kläger des Ausgangsverfahrens z. B. erst mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004, also ab dem 1. Januar 2005, Platz greifen.

142. Während die Kommission der Position des vorlegenden Gerichts folgt, deckt sich die Auffassung des Klägers des Ausgangsverfahrens mit der des vorlegenden Gerichts nur hinsichtlich des von diesem vorgeschlagenen ersten Zeitpunkts(68). Herr Römer räumt ein, der Gerichtshof könne entscheiden, dass die Wirkungen auf die Leistung von Versorgungsbezügen nach dem 2. Dezember 2003 beschränkt seien. Er ist jedoch der Meinung, dass seine Versorgungsbezüge jedenfalls von diesem Zeitpunkt an auf der Grundlage aller von ihm geleisteten Beiträge unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Zahlung zu berechnen seien.

143. Er wendet sich jedoch gegen die Ansicht, der Beginn könne auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, um einer Entwicklung des deutschen Lebenspartnerschaftsrechts Rechnung zu tragen. Bezüglich der unmittelbaren Diskriminierung führt er aus, dass sich die gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen der Lebenspartner seit Schaffung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 mit denen der Ehegatten decken würden(69). Er folgert hieraus, dass sich die ehemaligen Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen seien, im Hinblick auf den Zugang zu den streitigen Leistungen der Zusatzversorgung stets in derselben Situation wie die ehemaligen verheirateten Arbeitnehmer befunden hätten. Hilfsweise macht er bezüglich der mittelbaren Diskriminierung geltend, er sei von Anfang an Opfer einer Diskriminierung aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung gewesen.

144. Es wäre denkbar, für die Beantwortung dieser Frage zwischen verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden. Zum einen könnte, falls der Gerichtshof hier von einer Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 ausgehen sollte, die Auffassung vertreten werden, dass dem Kläger des Ausgangsverfahrens vor Ablauf der den Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Richtlinie gesetzten Frist, also dem 2. Dezember 2003, nicht dieselben Ansprüche auf Zusatzversorgung wie den verheirateten Versorgungsempfängern zustehen. Für diese Auffassung spräche das Argument, dass dieser Richtlinie keine rückwirkende Kraft beigelegt werden kann, indem ihre Anwendung auf die Zeit vor Ablauf der Umsetzungsfrist vorverlegt wird. Zum anderen fragt das vorlegende Gericht für den Fall, dass der Gerichtshof umgekehrt die dritte Frage verneinen sollte, ob § 10 Abs. 6 1. RGG gegen Art. 141 EG oder einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstößt. In diesem Fall wäre der Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78 ohne Auswirkungen auf die Behandlung des Ausgangsverfahrens.

145. Eine solche Unterscheidung ließe jedoch außer Acht, dass, wie dargelegt, der Gerichtshof entschieden hat, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nicht in der Richtlinie 2000/78 selbst verankert ist(70). Der Gerichtshof hat hieraus abgeleitet, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist und dass die Wahrung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung als solche nicht vom Ablauf der Frist abhängen kann, die den Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer Richtlinie eingeräumt worden ist, die die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen dieses Kriteriums bezweckt. Er hat hinzugefügt, dass es dem nationalen Gericht obliegt, die volle Wirksamkeit dieses allgemeinen Grundsatzes zu garantieren, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie wie die nach Art. 18 der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist.

146. Völlig identische Überlegungen müssen meines Erachtens für das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung gelten. Weil die Richtlinie 2000/78 im Wesentlichen die konkrete Anwendung dieses allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts erleichtern soll, berührt sie weder dessen Inhalt noch dessen Tragweite. Da er in der Richtlinie 2000/78 nicht verankert ist, sondern lediglich durch sie gestaltet wird, kann davon ausgegangen werden, dass der Verstoß gegen den genannten Grundsatz ebenso wie die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt zurückgehen können, der vor dem 2. Dezember 2003 liegt. Unter Umständen sind die Konsequenzen, die das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren zu ziehen haben wird, weder an den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 2000/78 noch an den Ablauf der Frist für ihre Umsetzung geknüpft, da der anerkannte allgemeine Grundsatz des Diskriminierungsverbots jenseits einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts angesiedelt ist.

147. Aufgrund der bereits von mir nachgezeichneten Entwicklung hat der Gerichtshof das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in seiner Rechtsprechung der 90er Jahre nicht anerkannt. Ich erinnere jedoch daran, dass der Gerichtshof in Straßburg im Dezember 1999(71) für Recht erkannt hat, dass eine solche Diskriminierung gegen die EMRK verstößt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Europäische Union die durch diese Konvention geschützten Grundrechte als allgemeine Grundsätze garantiert(72), und da die Charta der Grundrechte nur schon in der Europäischen Union garantierte Rechte kodifiziert(73), liegt es auf der Hand, dass der im Hinblick auf die sexuelle Ausrichtung bestehende Anspruch auf Gleichbehandlung bereits ein im Unionsrecht anerkannter allgemeiner Rechtsgrundsatz war, als Herr Römer mit seinem Partner eine eingetragene Lebenspartnerschaft einging, also am 15. Oktober 2001.

148. Sollte der Gerichtshof meinen Überlegungen in diesem Punkt nicht folgen und sich auf die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 beschränken wollen, wäre bezüglich des Zeitpunkts des Inkrafttretens danach zu unterscheiden, wie der Gerichtshof die Diskriminierung würdigt.

149. Im Fall einer unmittelbaren Diskriminierung nämlich läge diese erst ab dem Zeitpunkt vor, zu dem die Situation der in einer Lebenspartnerschaft lebenden Versorgungsempfänger mit der der verheirateten Versorgungsempfänger hinsichtlich der im Ausgangsverfahren fraglichen Zusatzversorgungsbezüge vergleichbar geworden ist.

150. Es könnte sich herausstellen, dass sich in Übereinstimmung mit der Darstellung des vorlegenden Gerichts, jedoch entgegen den Behauptungen des Klägers des Ausgangsverfahrens eine hinreichende Übereinstimmung zwischen den Rechten und Pflichten aufgrund der Ehe und denen aufgrund der Lebenspartnerschaft nur schrittweise, nicht aber schon mit dem Erlass des ersten Gesetzes zur Regelung der Lebenspartnerschaft herstellte und sich auf die für die betreffende Begünstigung einschlägigen Gesichtspunkte beschränkte. Da aber diese Mindestübereinstimmung durch Prüfung und Auslegung des nationalen Rechts festgestellt werden muss, ist für die Feststellung das vorlegende Gericht zuständig.

151. Insoweit heißt es im Vorlagebeschluss, dass die mit dem LPartG verbundenen Rechtsfolgen in der Ursprungsfassung, wie sie sich aus dem Gesetz vom 16. Februar 2001 ergebe, zum Teil den Rechtsfolgen der Ehe nachgebildet gewesen seien, im Übrigen sich aber von diesen unterschieden hätten(74) und dass diese Rechtsfolgen drei Reformen unterlegen hätten, von denen eine mit Wirkung zum 1. Januar 2005 die Ähnlichkeiten zwischen der Lebenspartnerschaft und dem Institut der Ehe(75) in einer Weise verstärkt habe, dass zwischen den beiden von der deutschen Rechtsordnung zur Wahl gestellten Personenständen kein ins Gewicht fallender rechtlicher Unterschied mehr bestehe. Zwar widerspricht der Kläger des Ausgangsverfahrens dieser Feststellung einer schrittweisen Angleichung, doch liegt es auf der Hand, dass das vorlegende Gericht die von ihm beschriebene schrittweise Entwicklung des nationalen Rechts berücksichtigen wird, wobei sich diese Entwicklung im Übrigen mit dem Ansatz trifft, dem zwei deutsche Bundesgerichte im Zusammenhang mit Entscheidungen(76) gefolgt sind, die unmittelbar an das Urteil Maruko anknüpften(77). Gleichwohl wird die Möglichkeit, dass Herr Römer sich zu einem bestimmten Zeitpunkt, nicht aber zu einem anderen, auf die Gleichbehandlung berufen kann, im Wesentlichen von den Kriterien abhängen, von denen der Gerichtshof meint, dass sie das vorlegende Gericht bei dem Vergleich der beiden Arten von Situationen heranziehen muss.

152. Im Fall einer mittelbaren Diskriminierung dagegen ist es nicht erforderlich, das Vorliegen rechtlich vergleichbarer Situationen festzustellen, sondern lediglich das Vorliegen eines besonderen Nachteils, der nicht durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist. Die Verpflichtung des vorlegenden Gerichts, dem Unionsrecht nachzukommen, könnte dann für die Zeit seit der Schaffung der eingetragenen Lebenspartnerschaft durch den deutschen Gesetzgeber wirksam werden, also ab dem 1. August 2001, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des LPartG. Was den Kläger des Ausgangsverfahrens betrifft, könnte er verlangen, für die Berechnung seiner Zusatzversorgungsbezüge ab dem auf die Begründung seiner Lebenspartnerschaft folgenden Monat wie ein verheirateter nicht dauernd getrennt lebender Versorgungsempfänger behandelt zu werden.

153. Ich schlage daher vor, die fünfte Frage dahin zu beantworten, dass es dem nationalen Gericht obliegt, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung zu garantieren, indem es jede Bestimmung des nationalen Rechts wie die des § 10 Abs. 6 1. RGG, die gegen diesen Grundsatz verstößt, unangewendet lässt, und zwar auch ab einem Zeitpunkt, der vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78 liegt.

2.      Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des Urteils des Gerichtshofs

154. Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass die Richtlinie 2000/78, Art. 141 EG oder ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wissen, ob der Vorteil eines Rentenanspruchs in derselben Höhe, wie er einem verheirateten Versorgungsempfänger zusteht, zeitlich einzuschränken ist und ob davon auszugehen ist, dass die Gleichbehandlung bei der Berechnung der Versorgungsbezüge nur in Bezug auf diejenigen Anteile der Versorgungsbezüge vorzunehmen ist, die der Versorgungsempfänger aufgrund von Beitragszeiten nach dem 17. Mai 1990 erdient hat, und zwar entsprechend dem Urteil Barber, das zu diesem Zeitpunkt verkündet wurde(78).

155. Der Kläger des Ausgangsverfahrens und die Kommission sind übereinstimmend der Auffassung, dass es keinen Grund gebe, die Wirkungen des zu erlassenden Urteils zeitlich einzuschränken, wobei die Kommission sich auf das Urteil Maruko bezieht, in dessen Rahmen eine ähnliche Frage geprüft worden sei(79).

156. Nach ständiger Rechtsprechung wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschriften in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschriften betreffenden Streit vorliegen(80).

157. Ausnahmsweise kann der Gerichtshof sich mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Störungen, zu denen sein Urteil im Hinblick auf in der Vergangenheit liegende Vorgänge führen könnte, dazu veranlasst sehen, die Möglichkeit für die Betroffenen zu beschränken, sich auf die Auslegung zu berufen, die er einer Bestimmung im Wege der Vorabentscheidung gegeben hat. Eine solche Beschränkung aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit kann nur der Gerichtshof selbst, und zwar in eben dem Urteil aussprechen, das über die erbetene Auslegung entscheidet(81).

158. Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und außerdem, wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit der Regelung der Union unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Bestimmungen der Union bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte(82).

159. Für den Fall, dass der Gerichtshof bezüglich der Beschränkung der Wirkungen des von ihm zu erlassenden Urteils eine Antwort geben will, obwohl weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Freie und Hansestadt Hamburg ihn darum ersucht haben, möchte ich darauf hinweisen, dass sich im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens aus den Akten nicht ergibt, dass das Ausbleiben einer solchen Beschränkung das finanzielle Gleichgewicht des von der Beklagten des Ausgangsverfahrens verwalteten Zusatzversorgungssystems rückwirkend stören würde.

160. Nach § 8 Abs. 10 letzter Satz 1. RGG ist, wie erinnerlich, auf Antrag des Betroffenen vom Anpassungszeitpunkt an die für die Versorgungsempfänger günstigere Steuerklasse III/0 zugrunde zu legen, wenn eine der Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 Nr. 1 1. RGG, d. h., dass der Versorgungsempfänger verheiratet ist und nicht dauernd getrennt lebt, erst nach dem Tag des Beginns der Ruhegeldzahlung eingetreten ist. In dem hypothetischen Fall, dass Herr Römer im Oktober 2001 eine Ehe statt einer Lebenspartnerschaft begründet hätte, hätte die Freie und Hansestadt Hamburg die ihm gezahlten Zusatzversorgungsbezüge nach den vorstehend genannten Bestimmungen anheben müssen. Die Finanzierung des betreffenden Rentensystems musste daher so ausgelegt sein, dass mögliche Änderungen des Personenstands der Versorgungsempfänger berücksichtigt sind. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es durch Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in das deutsche Recht zu erheblichen Mehrbelastungen gekommen wäre.

161. Im Übrigen trägt die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die sich einer Stellungnahme zu dieser Frage enthält, nicht einmal vor, dass ein finanzielles Risiko bestehen würde. Das vorlegende Gericht führt aus, die Freie und Hansestadt Hamburg habe nicht dargetan, dass ernste Schwierigkeiten zu besorgen seien, sondern habe unterstrichen, dass nur einige wenige Fälle von Rentenberechtigten, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben würden, zur Entscheidung über die Anwendung der neuen Berechnungsregelung der Rentenansprüche anstünden. Der Kläger des Ausgangsverfahrens führt aus, dass es nur weniger als 15 000 eingetragene Lebenspartnerschaften gebe und dass die Anzahl der im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg, die mit einem gleichgeschlechtlichen Partner lebten, keine schwerwiegenden finanziellen Folgen hervorrufen könne. Sollte der Gerichtshof die vorstehend gestellten Fragen bejahen, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Entscheidung somit gering.

162. Für den Fall, dass die sechste Vorlagefrage zu beantworten ist, bin ich der Meinung, dass die Wirkungen des zu erlassenen Urteils zeitlich nicht zu beschränken sind.

F –    Zu dem Zusammenspiel zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung und einem Ziel des nationalen Rechts wie dem besonderen Schutz von Ehe und Familie

163. Mit seinem Ergänzungsbeschluss stellt das Arbeitsgericht eine siebte aus mehreren Teilen bestehende Frage, mit der es im Wesentlichen wissen möchte, ob eine Regel des nationalen Verfassungsrechts wie der in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz des besonderen Schutzes von Ehe und Familie dem gemeinschaftsrechtlichen Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung, wie es sich insbesondere aus der Richtlinie 2000/78 ergibt, Grenzen setzen kann.

1.      Zum Vorrang des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung

164. Der erste Teil der siebten Frage befasst sich mit der Bedeutung, die einer deutschen Verfassungsnorm, d. h. Art. 6 Abs. 1 GG, zukommt, wenn der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass eine unmittelbare Diskriminierung vorliegt.

165. Zu verneinen ist die Frage angesichts des Grundprinzips des Unionsrechts, wonach dessen Vorschriften allen Vorschriften des nationalen Rechts unabhängig von deren Rang vorgehen müssen, und zwar auch dann, wenn sie Verfassungsrang haben(83). Der Grundsatz des Vorrangs gilt somit absolut. Andernfalls wäre die Einheit und sogar die Wirksamkeit des Unionsrechts in Frage gestellt.

166. Folglich könnten Vorschriften wie die des Grundgesetzes, die den Schutz von Ehe und Familie bezwecken, auch wenn sie Verfassungsrang haben, die Geltung und die Anwendung des im Unionsrecht verankerten Diskriminierungsverbots nicht beeinträchtigen. Steht das Unionsrecht Vorschriften des nationalen Rechts entgegen, verpflichtet der Vorrang des Unionsrechts das nationale Gericht, das Unionsrecht anzuwenden und die widersprechenden nationalen Vorschriften unangewendet zu lassen(84).

167. Die Kommission hebt hervor, dass es nicht von der Beurteilung und dem Tätigwerden des nationalen Gesetzgebers abhängen dürfe, ob ein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78 oder gegen einen allgemeinen, die Diskriminierung verbietenden Grundsatz des Unionsrechts vorliege.

168. Alle diese Erwägungen setzen indessen voraus, dass ein Normenkonflikt besteht, was meines Erachtens hier nicht der Fall ist. Die Gefahr eines Widerspruchs zwischen Art. 6 Abs. 1 GG und dem Unionsrecht hat stark abgenommen, seitdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass eine Unterscheidung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft in Bezug auf eine Rechtsfolge des berufsständischen Versorgungssystems nicht gerechtfertigt ist und dass demzufolge eine Person, die in einer Lebenspartnerschaft gelebt hat, bei Versterben des Lebenspartners wie eine verheiratet gewesene Person Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat(85). Es stützte dabei seine Entscheidung auf die deutschen Rechtsvorschriften, insbesondere auf Art. 3 Abs. 1 GG, der den Grundsatz aufstellt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, zog aber auch im Hinblick auf das Vorliegen einer Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung das Urteil Maruko(86) heran. Das Bundesverfassungsgericht hat zu den möglichen Auswirkungen der Vorschriften des Art. 6 Abs. 1 GG in diesem Bereich deutlich Stellung genommen und festgestellt, dass der Verweis auf die Ehe und ihren verfassungsmäßigen Schutz, insbesondere nach Art. 6 Abs. 1 GG, nicht genüge, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

169. Nach alledem kann das aus dem nationalen Verfassungsrecht abgeleitete Ziel, das das vorlegende Gericht ausdrücklich nennt, nämlich der besondere Schutz von Ehe und Familie durch den Staat, dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, wie er im Unionsrecht enthalten ist, nicht entgegenstehen.

2.      Zur möglichen Rechtfertigung einer Diskriminierung durch ein Ziel des nationalen Rechts

170. Der zweite Teil der siebten Frage ist zu beantworten, falls deren erster Teil dahin gehend verneint wird, dass der im Unionsrecht verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz jedem Ziel vorgehen muss, das mit dem genannten Grundsatz unvereinbar ist.

171. Das vorlegende Gericht möchte in diesem Fall wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ziel der nationalen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats wie der Schutz der Ehe gleichwohl mit dem genannten Grundsatz des Unionsrechts in Einklang gebracht werden könnte und eine im Hinblick auf eine Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung annehmbare und qualifizierte Rechtfertigung darstellen könnte.

172. Zunächst stelle ich klar, dass im Rahmen der Richtlinie 2000/78 eine nationale Vorschrift, die als eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der genannten Richtlinie eingestuft worden ist, nicht nachträglich für gültig erklärt werden könnte, weil sie einem Ziel des nationalen Rechts entspräche, selbst wenn dieses Ziel rechtmäßig wäre. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der genannten Richtlinie(87) nimmt nämlich keinen Bezug auf eine objektive Rechtfertigung, die der in ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i vorgesehenen Rechtfertigung bezüglich der mittelbaren Diskriminierung entsprechen würde.

173. Im Umkehrschluss ergibt sich aus den genannten Bestimmungen, dass eine mittelbare Diskriminierung nicht vorliegt, wenn eine dem Anschein nach neutrale Maßnahme zwar Personen mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann, jedoch zum einen die Maßnahme durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und zum anderen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Liegen diese Kriterien vor, kann die Qualifizierung als mittelbar diskriminierende Maßnahme von vornherein zurückgewiesen werden.

174. Der im deutschen Recht in Art. 6 Abs. 1 GG vorgesehene Schutz von Ehe und Familie kann als solcher in der Tat ein rechtmäßiges Ziel darstellen. Dieses Ziel ist dem Unionsrecht auch nicht fremd. Nach Art. 9 der Charta der Grundrechte nämlich „[werden] [d]as Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, … nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln“. Die Vorschrift steht offensichtlich unter dem Einfluss des Art. 12 EMRK(88). Darüber hinaus bestimmt Art. 33 Abs. 1 der Charta: „Der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird gewährleistet.“

175. Es erscheint jedoch selbstverständlich, dass das Ziel des Schutzes von Ehe und Familie eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung nicht rechtfertigen kann. Ein Kausalzusammenhang, der zwischen dieser Art von Diskriminierung, verstanden als Mittel, und dem Schutz der Ehe, verstanden als positive Wirkung der Diskriminierung, bestehen könnte, ist schwer vorstellbar.

176. Damit eine mittelbare Diskriminierung trotz Vorliegens einer „besonderen Benachteiligung“ der im Ruhestand befindlichen Lebenspartner ausgeschlossen ist, wäre es zudem nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 erforderlich, dass die vorliegend zum Schutz von Ehe und Familie angewandten Mittel sowohl angemessen als auch erforderlich sind. Wie in diesen Schlussanträgen bereits dargelegt, scheint mir dies nicht der Fall zu sein, da die in Rede stehende Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels nicht notwendig, geschweige denn verhältnismäßig ist.

177. In seinem Beschluss vom 7. Juli 2009 hat sich auch das Bundesverfassungsgericht in diesem Sinne geäußert und festgestellt, dass die Unterscheidung zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe nicht durch den besonderen Schutz der Ehe gerechtfertigt werden könne und dass das Institut der Ehe geschützt werden könne, ohne dass es notwendig sei, andere Lebensformen zu benachteiligen.

178. Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, sowie für die Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts zuständig ist, festzustellen, ob und inwieweit die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung die Erreichung eines „rechtmäßigen Ziels“ garantieren kann und ob sie nicht über das hinausgeht, was im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 hierfür erforderlich ist(89).

179. Nach alledem darf das in Art. 6 Abs. 1 GG niedergelegte Ziel im Rahmen der Beurteilung, ob § 10 Abs. 6 1. RGG zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung im Sinne des Gemeinschaftsrechts führt, keinen entscheidenden Einfluss haben und vor allem kein gültiger Rechtfertigungsgrund sein. Es ist letztlich Sache des nationalen Gerichts, hierüber zu entscheiden.

VI – Ergebnis

180. Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Arbeitsgericht Hamburg vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Die in einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen vorgesehenen Zusatzversorgungsbezüge fallen in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

2.      Art. 1 in Verbindung mit den Art. 2 und 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 steht einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach ein in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebender Versorgungsempfänger keine Zusatzversorgungsbezüge erhält, die den einem nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfänger gewährten entsprechen, obwohl nach nationalem Recht die eingetragene Lebenspartnerschaft die Personen gleichen Geschlechts in eine Situation versetzt, die in Bezug auf diese Versorgungsbezüge mit der Situation von Ehegatten vergleichbar ist. Die Prüfung der Vergleichbarkeit hat sich auf die unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistung relevanten Rechte und Pflichten der Ehegatten und der Lebenspartner zu konzentrieren, wie sie sich aus den für die Ehe geltenden innerstaatlichen Vorschriften und den für die eingetragene Lebenspartnerschaft geltenden Vorschriften ergeben. Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob sich ein Lebenspartner in einer rechtlichen und tatsächlichen Situation befindet, die mit der eines Ehegatten, der die Zusatzversorgungsbezüge des berufsständischen Versorgungssystems der Freien und Hansestadt Hamburg erhält, vergleichbar ist.

Hilfsweise läge, falls nach der Prüfung der Vergleichbarkeit das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung ausgeschlossen wäre, jedenfalls eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 vor, sofern Bestimmungen wie die der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung, die eine günstigere Berechnung der Zusatzversorgungsbezüge für einen nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsempfänger vorsehen, einerseits einen bestimmten Nachteil zulasten eines in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Versorgungsempfängers mit sich bringen und andererseits sachlich keinem rechtmäßigen Ziel dienen oder kein Mittel darstellen, das sowohl angemessen als auch erforderlich zur Erreichung eines solchen Ziels ist, wobei die Entscheidung hierüber vom vorlegenden Gericht zu treffen ist.

3.      Die vierte Vorlagefrage braucht nicht beantwortet zu werden. Hilfsweise ist die Frage dahin zu beantworten, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht gegen Art. 141 EG verstoßen kann, dass sie aber gegen den zum Unionsrecht gehörenden allgemeinen Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen der sexuellen Ausrichtung verstoßen könnte, was das vorlegende Gericht zu entscheiden hat.

4.      Es obliegt dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung zu garantieren, indem es jede Bestimmung des nationalen Rechts wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die gegen diesen Grundsatz verstößt, unangewendet lässt, und zwar gegebenenfalls auch ab einem Zeitpunkt, der vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78 liegt.

5.      Eine Vorschrift des innerstaatlichen Rechts als solche kann, selbst wenn sie Verfassungsrang hat, eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die mit dem Unionsrecht und vor allem mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung kollidiert, nicht rechtfertigen.


1 – Originalsprache: Französisch


2 – Die Freie und Hansestadt Hamburg ist sowohl eine Stadt als auch eines der 16 Bundesländer, die die Bundesrepublik Deutschland bilden. Nach Art. 4 Abs. 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952 werden staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt.


3 – Urteil vom 1. April 2008 (C‑267/06, Slg. 2008, I‑1757).


4 – Urteil vom 22. November 2005 (C‑144/04, Slg. 2005, I‑9981).


5 – Urteil vom 19. Januar 2010 (C‑555/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


6 – ABl. L 303, S. 16.


7 – Da das Ausgangsverfahren die Anwendung von deutschen Rechtsvorschriften in ihrer vor Inkrafttreten des AEU-Vertrags geltenden Fassung, also vor dem 1. Dezember 2009, betrifft, werden die Bestimmungen des EG-Vertrags entsprechend der vor diesem Zeitpunkt geltenden Nummerierung bezogen.


8 – Proklamiert am 7. Dezember 2000 in Nizza (ABl. C 364, S. 1) und mit Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon rechtlich verbindlich geworden (ABl. 2007, C 303, S. 1) (im Folgenden: Charta der Grundrechte).


9 – ABl. 1997, C 340, S. 1.


10 – Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, BGBl. III 100‑1.


11 – BGBl. 2001 I, S. 266.


12 – BGBl. 2004 I, S. 3396. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts sind dies die hier maßgeblichen Vorschriften.


13 – Die Informationen, die das vorlegende Gericht und die Kommission zur Verfügung gestellt haben, sind bezüglich des genauen Wortlauts der geltenden Bestimmungen nicht vollständig. Sie scheinen mir jedoch ausreichend, um die aufgrund dieser Bestimmungen erbrachten Leistungen im Hinblick auf das Unionsrecht zu prüfen.


14 – HmbGVBl. S. 53.


15 – Gesetz über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Erstes Ruhegeldgesetz – 1. RGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 1995 (GVBl. S. 108).


16 – Die Kommission weist darauf hin, dass eine ähnliche Regelung in den §§ 1, 1a, 1b, 1c, 6, 7 und 8 1. RGG vorgesehen ist.


17 – Also nur wenige Tage nach der Verkündung des Urteils Maruko.


18 – Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich, dass das Arbeitsgericht Hamburg zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 6 1. RGG gleichzeitig sowohl dem Bundesverfassungsgericht als auch dem Hamburgischen Verfassungsgericht eine Frage vorgelegt hat, die in ihrem Wortlaut der dem Gerichtshof vorgelegten dritten Frage entspricht.


19 –      Diese Frage war Gegenstand eines am 11. März 2009 eingegangenen Berichtigungsbeschlusses, nach dem es statt „Art. 2 Abs. 1 lit. a, Ziff. i“ richtig heißen muss: „Art. 2 Abs. 2 lit. b, Ziff. i“.


20 – Nrn. 83 bis 95 der genannten Schlussanträge.


21 – Urteil Maruko (Randnr. 73).


22 – Um nicht in eine Untersuchung eintreten zu müssen, die das vorlegende Gericht aufgrund nur der deutschen Fassung der Vorschrift vornimmt, weise ich darauf hin, dass in der deutschen Fassung des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 der Ausdruck „staatliche Systeme“ für die in der französischen Fassung gewählte Wendung „les régimes publics“ benutzt wird, während in Abs. 1 dieses Artikels die Bezeichnung „öffentlich“ für das Adjektiv „public“ im Französischen verwendet wird.


23 – Ich erinnere daran, dass nach Art. 141 Abs. 2 EG unter „Entgelt“ die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen sind, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.


24 – Zur deutschen Rechtsprechung zu dieser Frage und zu den Auswirkungen des Urteils Maruko vgl. Mahlmann, M., Report on measures to combat discrimination – Directives 2000/43/EC and 2000/78/EC – Country report 2008 – Germany (insbesondere Fn. 211); der Bericht ist abrufbar auf der Internetseite des Europäischen Netzes von Antidiskriminierungsrechtsexperten: http://www.non‑discrimination.net.


25 – Vgl. Randnrn. 41 ff., wobei daran zu erinnern ist, dass es dort um eine ähnliche Frage geht, jedoch in Bezug auf eine Hinterbliebenenrente, die im Rahmen eines berufsständischen Versorgungssystems gewährt wird.


26 – Dieser Begriff ist dahin ausgelegt worden, dass er „alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen umfasst, vorausgesetzt, dass der Arbeitgeber sie dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt, sei es aufgrund eines Arbeitsvertrags, aufgrund von Rechtsvorschriften oder freiwillig“. Vgl. insbesondere Urteile vom 17. Mai 1990, Barber (C‑262/88, Slg. 1990, I‑1889, Randnr. 12), sowie vom 19. November 1998, Høj Pedersen u. a. (C‑66/96, Slg. 1998, I‑7327, Randnr. 32).


27 – Im Urteil vom 17. April 1997, Evrenopoulos (C‑147/95, Slg. 1997, I‑2057), hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Rentensystem einer öffentlichen Einrichtung in den Anwendungsbereich des Art. 119 EG-Vertrag (später Art. 141 EG) fällt, da es nicht darauf ankommt, dass dieses System durch den Gesetzgeber eingeführt worden ist, wenn nur angesichts der angeführten Kriterien die Rente als aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses mit dieser Einrichtung gezahlt angesehen werden kann.


28 – Vgl. insbesondere Urteil Maruko (Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29 – Bezüglich z. B. der Altersrenten, die der finnische Staat den Beamten gewährt, die als Bedienstete bei den finnischen Streitkräften beschäftigt sind, vgl. Urteil vom 12. September 2002, Niemi (C‑351/00, Slg. 2002, I‑7007).


30 – Vgl. insbesondere Urteile vom 28. September 1994, Beune (C‑7/93, Slg. 1994, I‑4471, Randnr. 43), Evrenopoulos (Randnr. 19) sowie Maruko (Randnr. 46).


31 – Urteil Maruko (Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32 – Ebd., Randnr. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung. Meines Erachtens könnte der Gerichtshof das zur Bezeichnung der dritten Voraussetzung verwendete Adjektiv „letzte“ fallen lassen, da dies dem derzeitigen Stand der Rentensysteme, die bei der genannten Berechnung im Allgemeinen mehrere einzelne oder gar sämtliche Bezüge berücksichtigen, statt sich auf die letzten Bezüge zu beschränken, eher entsprechen würde. Dieses Kriterium, das daher seine Bedeutung verloren hat, wird von der Rechtsprechung nicht als absolut verstanden, da Leistungen, die auf der Grundlage mehrerer einzelner Bezüge errechnet worden waren, vom Anwendungsbereich des Begriffs „Entgelt“ nicht ausgeschlossen wurden.


33 – Vgl. die Anwendung der vorstehend genannten Kriterien durch den Gerichtshof in den Randnrn. 49 bis 57 des Urteils Maruko.


34 – Urteil Maruko (Randnr. 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil Niemi (Randnr. 42).


35 – Urteile Evrenopoulos (Randnr. 16) sowie Niemi (Randnr. 41).


36 – Urteil Niemi (Randnr. 45). Der Gerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass der Umstand, dass die Rentenregelung für die Beamten des finnischen Staates zu einem harmonisierten System gehört, so dass die Gesamtrente, die ein Versicherter erhalten kann, die Arbeit widerspiegelt, die er während seiner gesamten beruflichen Laufbahn verrichtet hat, unabhängig davon, um welche Arbeit und welchen Tätigkeitsbereich es sich gehandelt hat, und der Umstand, dass dieses System als unter die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2) fallend angemeldet worden ist, für sich genommen nicht die Anwendung von Art. 119 EG-Vertrag ausschließen können, wenn die Rentenleistung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht und sie daher vom Staat als Dienstherrn oder Arbeitgeber gewährt wird.


37 – Das vorlegende Gericht legt dar (in Randnr. 55 des ersten Vorlagebeschlusses), dass das Bundesverwaltungsgericht diese auf dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 fußenden Erwägungen im Hinblick auf einen „Familienzuschlag Stufe 1“, der Verheirateten vorbehalten sei, angestellt habe und dass der Bundesgerichtshof dieselbe Auffassung vertreten habe in Bezug auf die nach demselben Unterscheidungskriterium gewährte Hinterbliebenenrente eines Zusatzversorgungssystems der betrieblichen Altersversorgung (der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder) sowie in Bezug auf eine begünstigende Berechnungsregelung bezüglich der betreffenden Zusatzversorgung, die exakt der Regelung des § 10 Abs. 6 1. RGG entspricht.


38 – Randnrn. 59 ff. und die dort entsprechend angeführte Rechtsprechung.


39 –      Ich weise darauf hin, dass der ungarische Verfassungsgerichtshof (Alkotmánybíróság), nachdem er mit seiner Entscheidung Nr. 154/2008 vom 17. September 2008 das Gesetz Nr. CLXXXIV von 2007 über die eingetragene Partnerschaft wegen Verstoßes gegen Art. 15 der Verfassung, der die Einrichtung der Ehe schützt, für nichtig erklärt hatte, weil der Gesetzgeber diese andere Form des Zusammenlebens nicht nur für Homosexuelle, sondern auch für Heterosexuelle einzuführen beabsichtigte, unlängst mit seiner Entscheidung Nr. 32/2010 vom 25. März 2010 die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Nr. XXIX von 2009 festgestellt hat, weil es die eingetragene Partnerschaft homosexuellen Paaren vorbehält. In der letztgenannten Entscheidung hat der Alkotmánybíróság hervorgehoben, dass die Anerkennung der Möglichkeit des Eingehens einer eingetragenen Partnerschaft zwischen Personen desselben Geschlechts durch das Recht auf Achtung der Menschenwürde gerechtfertigt sei (Magyar Közlöny 2010/43).


40 – Ich weise insoweit darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) mit Urteil vom 24. Juni 2010 (noch nicht im Receuil des arrêts et décisions veröffentlicht) in der Rechtssache Schalk und Kopf/Österreich entschieden hat, in der österreichische gleichgeschlechtliche Lebensgefährten unter Berufung auf Art. 12 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) rügten, dass die Behörden ihnen die Eheschließung verweigerten – ein Begehren, das vor dem Gerichtshof in Straßburg noch nicht behandelt worden war und einstimmig zurückgewiesen worden ist. Sie hatten auch eine Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Ausrichtung geltend gemacht, weil ihnen das Recht auf Eheschließung verweigert worden sei und sie keine andere Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung ihrer Beziehung hätten, doch hat der EGMR entschieden, dass keine Verletzung von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK vorliege. Schließlich machten die Kläger unter Berufung auf Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur EMRK geltend, dass sie finanziell schlechter gestellt seien als verheiratete Paare, doch ist diese Rüge für offensichtlich unbegründet erklärt worden.


41 – Schlussanträge in der Rechtssache Maruko (Nr. 76). Der Wert eines Erwägungsgrundes wie des hier fraglichen besteht nur darin, Auslegungshilfe zu sein, da er die Begründung für die wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie enthält, nicht aber darin, Rechtsnorm mit Bindungswirkung zu sein.


42 – Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 sieht vor, das eine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung vorliegt, „wenn eine Person wegen [ihrer sexuellen Ausrichtung] in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt“. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie bestimmt dagegen, dass eine mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung vorliegt, „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren [gleichwohl] Personen mit einer … bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn … diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“.


43 – Ich teile daher die Auffassung, die der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 7. Juli 2009 (BVerfG, 1 BvR 1164/07) vertreten hat. Um das Vorliegen einer Diskriminierung zu bejahen, hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Entscheidung für eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft kaum trennbar mit der sexuellen Orientierung verbunden ist (Randnr. 89) und dass der deutsche Gesetzgeber die letztgenannte Form von rechtlicher Verbindung vorgesehen hat, um homosexuellen Personen eine Paarbeziehung zu ermöglichen (Randnr. 90).


44 –      Randnr. 69.


45 –      So hat die Große Kammer dieses Gerichts im Urteil Burden/Vereinigtes Königreich vom 29. April 2008 (noch nicht im Receuil des arrêts et décisions veröffentlicht) festgestellt, dass zwei Schwestern, die seit mehr als dreißig Jahren in einem gemeinsamen Haus leben, nicht rügen können, sie seien unter Verstoß gegen Art. 14 EMRK steuerlich ungleich behandelt worden, da ihre Situation nicht mit der von Eheleuten oder Lebenspartnern vergleichbar ist.


46 – Randnrn. 67 bis 69.


47 – Randnrn. 67 ff.


48 –      §§ 2 und 5 LPartG in der Fassung des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004, in Kraft getreten am 1. Januar 2005.


49 –      § 5 LPartG bezieht sich ausdrücklich auf die entsprechenden Bestimmungen des BGB. Es heißt dort: „§ 1360 Satz 2, die §§ 1360a, 1360b und 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.“


50 – Das Arbeitsgericht Hamburg stellt fest, dass insbesondere das genannte Gesetz vom 15. Dezember 2004 „die Rechtsfolgen der eingetragenen Lebenspartnerschaft in noch weiterem Umfang den Rechtsfolgen der Ehe angeglichen [hat]“.


51 – Vgl. insbesondere Urteil vom 5. März 2009, Age Concern England (C‑388/07, Slg. 2009, I‑1569, Randnrn. 47 ff.). Es ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/78 spezifische Regelungen enthält, die sich mit den Gründen befassen, aus denen eine unmittelbar oder mittelbar an das Alter anknüpfende Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann (vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Kokott vom 6. Mai 2010 in der beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache Andersen, C‑499/08, Nr. 32).


52 – Ich erinnere jedoch daran, dass § 10 Abs. 6 1. RGG die günstigere Berechnung nach Steuerklasse III/0 nicht nur den verheirateten Versorgungsempfängern garantiert, sondern auch den unverheirateten Versorgungsempfängern, die Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung haben.


53 – Ich werde hierauf bei der Beantwortung der letzten Reihe von Fragen zurückkommen, die sich mit den Auswirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG befassen, der diesen Schutzzweck hat.


54 – Vgl. in diesem Sinne Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ebenfalls festgestellt: „In Fällen, in denen den Staaten nur ein enger Ermessensspielraum zukommt, wie bei einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund … der sexuellen Ausrichtung, erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur, dass die ergriffene Maßnahme prinzipiell zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet ist. Es muss auch gezeigt werden, dass es notwendig war, bestimmte Personengruppen – im vorliegenden Fall die in einer homosexuellen Beziehung lebenden Personen – vom Anwendungsbereich [der betreffenden Maßnahme] auszuschließen, um dieses Ziel zu erreichen.“ (Urteil Karner/Österreich vom 24. Juli 2003, Recueil des arrêts et décisions, 2003‑IX, § 41).


55 – Urteil vom 7. Januar 2004 (C‑117/01, Slg. 2004, I‑541).


56 – Ebd., Randnrn. 28, 30 und 33.


57 – Ebd., Randnrn. 74 und 75.


58 –      Urteile Mangold (Randnr. 74) und Kücükdeveci (Randnr. 20).


59 – Urteile Mangold (Randnr. 75) und Kücükdeveci (Randnr. 21).


60 – Urteil Kücükdeveci (Randnr. 22).


61 – Aufgrund dieser Vorschrift wurden die Richtlinie 2000/78 sowie die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22) und die Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373, S. 37) erlassen. Zur Ergänzung dieses Rechtsrahmens legte die Kommission am 2. Juli 2008 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung außerhalb des Arbeitsmarktes (KOM[2008] 426 endg.) vor.


62 – Urteil vom 17. Februar 1998 (C‑249/96, Slg. 1998, I‑621, Randnrn. 35 ff.).


63 – Vgl. Nr. 92 der Schlussanträge in der Rechtssache Maruko sowie die zahlreichen dort angeführten Urteile (Fn. 90).


64 – Insbesondere Urteil vom 31. Mai 2001, D und Schweden/Rat (C‑122/99 P und C‑125/99 P, Slg. 2001, I‑4319), dessen Tenor in Nr. 94 der Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz‑Jarabo Colomer in der Rechtssache Maruko wiedergegeben wurde.


65 – EGMR, Urteil Salgueiro Da Silva Mouta/Portugal vom 21. Dezember 1999, Recueil des arrêts et décisions, 1999‑IX, §§ 28 und 36. Vgl. auch EGMR, Urteil S. L./Österreich vom 9. Januar 2003, Recueil des arrêts et décisions, 2003‑I, § 37 („die Unterschiede aufgrund der sexuellen Ausrichtung müssen durch besonders schwerwiegende Gründe gerechtfertigt sein“) und die insoweit angeführte Rechtsprechung, sowie EGMR, Urteil Kozak/Polen vom 2. März 2010, noch nicht im Receuil des arrêts et décisions veröffentlicht (in den §§ 98 und 99 erkennt der EGMR an, dass der auf der Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau beruhende Schutz der Familie, wie er in der polnischen Verfassung vorgesehen ist, grundsätzlich einen legitimen Grund darstellt, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen kann. Er fügt hinzu, dass der Staat, wenn er das gewollte Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Familie und den Rechten, die die EMRK den sexuellen Minderheiten zuerkennt, beachten wolle, jedoch der Entwicklung der Gesellschaft Rechnung tragen müsse, insbesondere weil es für das Individuum nicht nur eine einzige Art und Weise der persönlichen Lebensführung gebe. Da nicht zu erkennen sei, dass es zum Schutz der Familie erforderlich sei, die Übertragung eines Mietvertrags auf in einem homosexuellen Verhältnis lebende Personen generell zu verweigern, schließt der EGMR einstimmig auf eine Verletzung von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK).


66 – In der Präambel heißt es, dass die Charta „unter Achtung der Zuständigkeiten und Aufgaben der Gemeinschaft und der Union und des Subsidiaritätsprinzips die Rechte [bekräftigt], die sich vor allem aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und den gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, aus dem Vertrag über die Europäische Union und den Gemeinschaftsverträgen, aus der [EMRK], aus den von der Gemeinschaft und dem Europarat beschlossenen Sozialchartas sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergeben.“


67 – Zu Beginn der Randnr. 76 des Urteils Mangold ist von der „Wahrung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung, insbesondere im Hinblick auf das Alter“ (Hervorhebung nur hier) die Rede, was die Annahme erlaubt, dass der Gerichtshof seine Betrachtung nicht nur auf den angeführten Grund beschränken wollte, wobei daran zu erinnern ist, dass die Richtlinie 2000/78 bezweckt, Diskriminierungen wegen „der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ (Art. 1) in Beschäftigung und Beruf zu bekämpfen. Ferner hatte Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache festgestellt, dass „der Gerichtshof schon vor dem Erlass der Richtlinie 2000/78 und der in ihr enthaltenen besonderen Bestimmungen das Vorliegen eines allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes bekräftigt hat“ (Hervorhebung nur hier) (vgl. Nr. 83 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


68 –      Ich weise aber darauf hin, dass die von ihm insoweit benutzte Formulierung missverständlich, wenn nicht gar unzutreffend ist, da er ausführt, dass „die Entscheidung [des Gerichtshofs] den Inhalt der Richtlinie [klarstellen wird], wie sie ab 2. Dezember 2003, dem Tag ihres Inkrafttretens, zu verstehen gewesen wäre“ (Hervorhebung nur hier). Art. 20 der Richtlinie 2000/78 bestimmt aber, dass die Richtlinie am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, also am 2. Dezember 2000, in Kraft getreten ist, wohingegen Art. 18 vorsieht, dass die Mitgliedstaaten bis zum 2. Dezember 2003 Zeit für die Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht hatten.


69 – Der Kläger des Ausgangsverfahrens macht geltend, dass nur der Rang der unter Ehegatten bestehenden Unterhaltsansprüche im Verhältnis zu den sonstigen Unterhaltsansprüchen anfänglich anders geregelt gewesen sei, dass dies aber keine Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit der Unterhaltsverpflichtungen der Ehegatten und der Lebenspartner gegenüber ihren Partnern habe.


70 – Urteile Mangold (Randnr. 74) und Kücükdeveci (Randnr. 20).


71 –      EGMR, Urteil Da Silva Mouta/Portugal.


72 – Art. 6 Abs. 3 EUV.


73 – Präambel der Charta.


74 – In Bezug auf die Versorgungsbezüge führt das vorlegende Gericht aus, dass das LPartDisBG (Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften) keinen Versorgungsausgleich zwischen den Lebenspartnern für den Fall der Aufhebung ihrer Partnerschaft und keine Regelungen über eine Versorgung im Todesfall vorgesehen habe. Die praktische Wirksamkeit des Diskriminierungsverbots im Unionsrecht könnte jedoch meines Erachtens nicht garantiert werden, wenn beim Vergleich der Situationen Faktoren berücksichtigt würden, die im Hinblick auf die besondere Situation der Beteiligten rein hypothetisch wären. Da mit der Lebensgemeinschaft, die Herr Römer 2001 begründete, lediglich eine stabile, weil schon seit 1969 bestehende Beziehung legalisiert wurde und eine Leistung in Frage steht, für die Voraussetzung ist, dass der Versorgungsempfänger verheiratet ist und nicht dauernd getrennt lebt, scheint es mir im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht gerechtfertigt, bei dem genannten Vergleich die Vorschriften über die Aufhebung der Lebensgemeinschaft heranzuziehen.


75 – Vgl. hierzu Urteil Maruko, insbesondere Randnrn. 12 ff.


76 – Vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 2009, insbesondere Randnr. 34; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009, insbesondere Randnrn. 36 ff.


77 – Die beiden oben genannten Entscheidungen beziehen sich ausdrücklich auf das Urteil Maruko des Gerichtshofs vom 1. April 2008.


78 – In diesem Urteil, das das gleiche Entgelt für Männer und Frauen betraf, hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass „sich niemand auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag [Art. 141 EG] berufen kann, um mit Wirkung von einem vor Erlass des vorliegenden Urteils liegenden Zeitpunkt einen Rentenanspruch geltend zu machen; dies gilt nicht für Arbeitnehmer oder deren anspruchsberechtigte Angehörige, die vor diesem Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben“ (Randnr. 45).


79 – Randnrn. 77 ff.


80 –      Vgl. insbesondere das jüngst von der Großen Kammer erlassene Urteil vom 13. April 2010, Bressol u. a. und Chaverot u. a. (C‑73/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 90 ff. und die dort angeführt Rechtsprechung).


81 – Vgl. insbesondere Urteile vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, Slg. 1976, 455), vom 27. März 1980, Denkavit italiana (61/79, Slg. 1980, 1205, Randnr. 17), vom 6. März 2007, Meilicke u. a. (C‑292/04, Slg. 2007, I‑1835, Randnrn. 36 und 37), sowie Barber (Randnrn. 41 und 44).


82 – Vgl. insbesondere Urteile vom 27. April 2006, Richards (C‑423/04, Slg. 2006, I‑3585, Randnr. 42), sowie Bressol u. a. und Chaverot u. a. (Randnr. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).


83 – Zur Anwendung dieses Grundsatzes auf eine diskriminierende Bestimmung des deutschen Grundgesetzes, nämlich der des Art. 12a GG, die Frauen allgemein vom Dienst mit der Waffe ausschloss, vgl. Urteil vom 11. Januar 2000, Kreil (C‑285/98, Slg. 2000, I‑69).


84 – Vgl. jüngst Urteil vom 19. November 2009, Filipiak (C‑314/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


85 – Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der am 7. Juli 2009 erging, also nach der Entscheidung, mit der das Arbeitsgericht Hamburg dem Gerichtshof seine ergänzenden Vorabentscheidungsfragen vorgelegt hat.


86 – In Randnr. 92 des genannten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts genannt.


87 – Zur Erinnerung: „a) … eine unmittelbare Diskriminierung [liegt] vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“.


88 – Art. 12 EMRK („Recht auf Eheschließung“) lautet wie folgt: „Mit Erreichung des heiratsfähigen Alters haben Männer und Frauen gemäß den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“


89 – Für Anwendungen aus jüngster Zeit bezüglich Diskriminierungen aufgrund des Alters vgl. Urteile vom 12. Januar 2010, Wolf (C‑229/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), Petersen und Kücükdeveci sowie die dort angeführte Rechtsprechung.

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