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Document 62006CJ0345

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 10. März 2009.
Gottfried Heinrich.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Unabhängiger Verwaltungssenat im Land Niederösterreich - Österreich.
Art. 254 Abs. 2 EG - Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 - Art. 2 Abs. 3 - Verordnung (EG) Nr. 622/2003 - Luftsicherheit - Anhang - Liste der an Bord von Flugzeugen verbotenen Gegenstände - Fehlende Veröffentlichung - Bindungswirkung.
Rechtssache C-345/06.

European Court Reports 2009 I-01659

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:140

Rechtssache C‑345/06

Gottfried Heinrich

(Vorabentscheidungsersuchen des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich)

„Art. 254 Abs. 2 EG – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Art. 2 Abs. 3 – Verordnung (EG) Nr. 622/2003 – Luftsicherheit – Anhang – Liste der an Bord von Flugzeugen verbotenen Gegenstände – Fehlende Veröffentlichung – Bindungswirkung “

Leitsätze des Urteils

Verkehr – Luftverkehr – Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt – Verordnung Nr. 622/2003 – Anhang

(Art. 254 Abs. 2 EG; Verordnung Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2 und 8; Verordnung Nr. 622/2003 der Kommission, Anhang)

Der Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 zur Festlegung von Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen grundlegenden Normen für die Luftsicherheit in der durch die Verordnung Nr. 68/2004 geänderten Fassung, der nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, hat keine Bindungswirkung, soweit mit ihm den Einzelnen Pflichten auferlegt werden sollen. Insbesondere können Maßnahmen zur Anpassung der Liste der in den Sicherheitszonen und an Bord von Flugzeugen verbotenen Gegenstände, die in der Anlage zur Verordnung Nr. 2320/2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt enthalten ist, den Einzelnen nicht entgegengehalten werden, soweit diese Anpassungsmaßnahmen im Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 enthalten sind.

Insoweit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 254 Abs. 2 EG, dass eine Verordnung der Gemeinschaft nur Rechtswirkungen erzeugen kann, wenn sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist.

Ferner darf ein von einem Gemeinschaftsorgan erlassener Rechtsakt natürlichen und juristischen Personen in einem Mitgliedstaat nicht entgegengehalten werden, bevor diese die Möglichkeit hatten, von dem Rechtsakt durch eine ordnungsgemäße Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union Kenntnis zu nehmen. Insbesondere muss es eine Gemeinschaftsregelung nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit den Betroffenen ermöglichen, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Denn die Einzelnen müssen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können.

Maßnahmen zur Anpassung der in der Anlage zur Verordnung Nr. 2320/2002 enthaltenen Liste verbotener Gegenstände müssen, soweit sie den Einzelnen Pflichten auferlegen sollen, in jedem Fall im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Die Frage, ob diese Maßnahmen und die von ihnen betroffenen Vorschriften den Einzelnen unmittelbar Pflichten auferlegen oder ob sie die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, dies zu tun, ist in dieser Hinsicht unerheblich. In beiden Fällen nämlich ist ihre Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zwingend.

Überdies bietet die Verordnung Nr. 2320/2002, insbesondere ihr Art. 4 Abs. 2, keine Rechtsgrundlage, die es der Kommission gestattete, in Ausübung der ihr in dieser Bestimmung verliehenen Durchführungsbefugnis die Geheimhaltungsregelung des Art. 8 dieser Verordnung auf Maßnahmen zur Anpassung der in der Anlage zu der Verordnung enthaltenen Liste verbotener Gegenstände anzuwenden. Folglich wäre die Verordnung Nr. 622/2003, wenn sie tatsächlich Anpassungen der fraglichen Liste verbotener Gegenstände enthielte, insoweit zwangsläufig ungültig.

(vgl. Randnrn. 42-44, 59-63 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

10. März 2009(*)

„Art. 254 Abs. 2 EG – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Art. 2 Abs. 3 – Verordnung (EG) Nr. 622/2003 – Luftsicherheit – Anhang – Liste der an Bord von Flugzeugen verbotenen Gegenstände – Fehlende Veröffentlichung – Bindungswirkung“

In der Rechtssache C‑345/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 26. Juli 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 10. August 2006, in dem Verfahren

Gottfried Heinrich

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), A. Rosas, K. Lenaerts und M. Ilešič, der Richter A. Tizzano und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter J. Malenovský, J. Klučka und A. Arabadjiev sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boček und M. Smolek als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A’L. Hare als Bevollmächtigte,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka und M. Kapko als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin und J. Heliskoski als Bevollmächtigte,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Gibbs und J. Stratford als Bevollmächtigte,

–        des Europäischen Parlaments, vertreten durch K. Bradley und U. Rösslein als Bevollmächtigte,

–        des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer und E. Karlsson als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Ladenburger und R. Vidal Puig als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. April 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) sowie des Art. 254 Abs. 2 EG in Verbindung mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Sicherheit in der Zivilluftfahrt.

2        Dieses Ersuchen ergeht aus Anlass einer Beschwerde von Herrn Heinrich gegen die österreichischen Behörden, nachdem ihm diese das Besteigen eines Flugzeugs verwehrt hatten, weil er in seinem Handgepäck Tennisschläger mit sich führte, bei denen es sich nach Ansicht dieser Behörden um nach einem nicht veröffentlichten Anhang einer Verordnung über die Sicherheit in der Zivilluftfahrt verbotene Gegenstände handelte.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten

3        Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 hat jeder Unionsbürger vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe.

4        Die Verordnung Nr. 1049/2001 gilt nach ihrem Art. 2 Abs. 3 „für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden“.

5        Der Begriff „Dokument“ wird in Art. 3 Buchst. a dieser Verordnung definiert als „Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material), die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“.

 Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften über die Sicherheit in der Zivilluftfahrt

6        Die Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 legt gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt fest (ABl. L 355, S. 1).

7        Hauptziel dieser Verordnung ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die Festlegung und Durchführung zweckdienlicher Vorschriften auf Gemeinschaftsebene zur Verhinderung unrechtmäßiger Eingriffe in die Zivilluftfahrt.

8        Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2320/2002 lautet:

„(1)      Die gemeinsamen grundlegenden Normen für Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr stützen sich auf die derzeit geltenden Empfehlungen des Dokuments 30 der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz und sind im Anhang niedergelegt.

(2)      Die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung und technischen Anpassung dieser gemeinsamen grundlegenden Normen werden nach dem in Artikel 9 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen, wobei den verschiedenen Betriebsformen und der Sensibilität der Maßnahmen, die sich auf folgende Punkte beziehen, gebührend Rechnung zu tragen ist:

a)      Leistungskriterien und Abnahmeprüfungen für die Ausrüstung;

b)      ausführliche Verfahrensanweisungen mit sensiblen Informationen;

c)      ausführliche Kriterien für die Befreiung von Sicherheitsmaßnahmen.“

9        Art. 6 der Verordnung Nr. 2320/2002 bestimmt:

„Den Mitgliedstaaten steht es frei, Maßnahmen anzuwenden, die unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts strenger sind als die Maßnahmen dieser Verordnung. So bald wie möglich nach deren Anwendung unterrichten die Mitgliedstaaten die Kommission über die Art dieser Maßnahmen.“

10      Art. 8 („Verbreitung von Informationen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 2320/2002 sieht vor:

„Unbeschadet des Rechts der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 … ist Folgendes geheim und wird nicht veröffentlicht:

a)      die Maßnahmen im Zusammenhang mit

i)      Leistungskriterien und Abnahmeprüfungen für die Ausrüstung,

ii)      ausführlichen Verfahrensanweisungen mit sensiblen Informationen,

iii)      ausführlichen Kriterien für die Befreiung von Sicherheitsmaßnahmen

gemäß Artikel 4 Absatz 2;

c)      … Diese werden nur den in Artikel 5 Absatz 2 genannten Behörden zur Verfügung gestellt, die sie gemäß den einschlägigen innerstaatlichen Regeln für die Verbreitung sensibler Informationen nur den interessierten Parteien weitergeben, die diese benötigen.“

11      Die Nrn. 4.1 und 4.3 des Anhangs, auf den Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2320/2002 verweist, enthält gemeinsame grundlegende Normen über die Kontrolle der abfliegenden Fluggäste und ihres Handgepäcks. Mit diesen Vorschriften soll verhindert werden, dass verbotene Gegenstände in einen Sicherheitsbereich oder an Bord eines Luftfahrzeugs gebracht werden.

12      Laut Nr. 4.3.1 des Anhangs ist „[d]as Handgepäck aller abfliegenden Fluggäste … zu kontrollieren, bevor der Zugang zu Sicherheitsbereichen oder das Besteigen eines Luftfahrzeugs gestattet wird. Die Fluggäste müssen alle verbotenen Gegenstände abgeben; anderenfalls wird ihnen der Zugang zu Sicherheitsbereichen bzw. zum Luftfahrzeug verweigert …“.

13      Der Begriff „verbotener Gegenstand“ wird in Nr. 1.18 des Anhangs der Verordnung Nr. 2320/2002 definiert als „[e]in Gegenstand, der für einen unrechtmäßigen Eingriff benutzt werden kann und der nicht ordnungsgemäß angemeldet und entsprechend den geltenden Rechts- und Verfahrensvorschriften behandelt wurde“. Verbotene Gegenstände sind beispielhaft in der Anlage zu diesem Anhang aufgeführt, die Leitlinien für die Einstufung von verbotenen Gegenständen enthält. In Ziff. iii dieser Anlage werden als eine Kategorie solcher Gegenstände „Schlagwaffen: Totschläger, Schlagstöcke, Baseballschläger und ähnliche Gegenstände“ genannt.

14      Die Durchführung der Verordnung Nr. 2320/2002, insbesondere ihres Art. 4 Abs. 2, wird geregelt durch die Verordnung (EG) Nr. 622/2003 der Kommission vom 4. April 2003 zur Festlegung von Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen grundlegenden Normen für die Luftsicherheit (ABl. L 89, S. 9) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 68/2004 der Kommission vom 15. Januar 2004 (ABl. L 10, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 622/2003).

15      Die ersten beiden Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 622/2003 lauten:

„(1) Die Kommission hat Maßnahmen für die Durchführung gemeinsamer grundlegender Normen für die Luftsicherheit in der gesamten Europäischen Union zu erlassen. Eine Verordnung ist das zu diesem Zweck am besten geeignete Mittel.

(2) Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 und zur Verhinderung unrechtmäßiger Eingriffe sollten die im Anhang festgelegten Maßnahmen geheim bleiben und nicht veröffentlicht werden.“

16      Art. 3 („Vertraulichkeit“) der Verordnung Nr. 622/2003 sieht vor, dass die fraglichen Maßnahmen im Anhang dieser Verordnung dargelegt sind, und bestimmt weiter: „Diese Maßnahmen sind geheim zu halten und dürfen nicht veröffentlicht werden. Sie sind nur Personen, die von einem Mitgliedstaat oder der Kommission ordnungsgemäß dazu befugt wurden, zugänglich zu machen.“

17      In Art. 1 der Verordnung Nr. 68/2004 wird die Vertraulichkeit der im Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 dargelegten Maßnahmen bestätigt.

18      Die Erwägungsgründe 2 bis 4 der Verordnung Nr. 68/2004 lauten:

„(2)      Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 und zur Verhinderung unrechtmäßiger Eingriffe sollten die im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 622/2003 festgelegten Maßnahmen geheim bleiben und nicht veröffentlicht werden. Das Gleiche gilt auch für jeden Änderungsrechtsakt.

(3)      Dennoch wird eine öffentlich zugängliche harmonisierte Liste benötigt, in der die Gegenstände aufgeführt sind, die von Fluggästen nicht in die Sicherheitsbereiche und an Bord des Flugzeugs mitgenommen werden dürfen, sowie die Gegenstände, die nicht im aufgegebenen Gepäck mitgeführt werden dürfen.

(4)      Natürlich kann eine solche Liste niemals vollständig sein. Die zuständige Behörde sollte daher die Möglichkeit haben, zusätzlich zu den aufgeführten Gegenständen noch weitere zu verbieten. Die Fluggäste sollten vor und während der Abfertigung genau über alle verbotenen Gegenstände informiert werden.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

19      Am 25. September 2005 unterzog sich der Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens auf dem Flughafen Wien-Schwechat der Sicherheitskontrolle. Dabei wurde festgestellt, dass er in seinem Handgepäck Tennisschläger mit sich führte. Da diese nach Meinung der nationalen Behörden zu den Gegenständen gehörten, die nach den Nrn. 4.1 und 4.3 des Anhangs zur Verordnung Nr. 2320/2002 verboten und im Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 aufgeführt seien, wurde dem Beschwerdeführer das Passieren der Sicherheitskontrolle verwehrt. Als er sich dennoch mit den Tennisschlägern in seinem Handgepäck an Bord des Flugzeugs begab, wurde er aufgefordert, dieses wieder zu verlassen.

20      Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht hervor, dass der Beschwerdeführer vor dem nationalen Gericht mit seiner Beschwerde die Feststellung begehrt, dass die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen rechtswidrig waren.

21      Bei der Prüfung der Beschwerde kam der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich zu dem Schluss, dass der Inhalt der Verordnung Nr. 622/2003 nicht nur an staatliche Organe gerichtet sei, sondern auch an den Einzelnen. Diesem werde es aber unmöglich gemacht, der Verordnung nachzukommen, weil ihr Anhang nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sei.

22      Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass die Geheimhaltung von Verhaltensnormen, deren Einhaltung vom Rechtsunterworfenen gefordert werde, eine derart massive Beeinträchtigung auch von der Europäischen Gemeinschaft zu wahrender elementarster rechtsstaatlicher Grundsätze darstelle, dass Verordnungen oder Teile davon, die – entgegen der Anordnung des Art. 254 Abs. 1 und 2 EG – nicht im Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht worden seien, rechtlich nicht in Existenz träten und sohin auch nicht verbindlich sein könnten.

23      In einem weiteren Schritt führe dies auch dazu, dass die Möglichkeit, das Recht des Unionsbürgers auf „Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane“ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 zu beschränken, von der die Kommission im vorliegenden Fall offenkundig habe Gebrauch machen wollen, nicht solche Akte betreffen könne, die für den Einzelnen rechtlich bindend seien und nicht zuletzt aus diesem Grund im Amtsblatt der Europäischen Union kundzumachen seien.

24      Unter diesen Umständen hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind unter Dokumenten im Sinne des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 auch solche Akte zu verstehen, die nach Art. 254 EG einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union bedürfen?

2.      Kommt Verordnungen bzw. Teilen davon verbindliche Kraft zu, wenn diese – entgegen der Anordnung des Art. 254 Abs. 2 EG – nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit

25      Die deutsche und die französische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs halten das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, weil in der Vorlageentscheidung weder die Umstände, unter denen Herr Heinrich das vorlegende Gericht angerufen habe, noch der Gegenstand des Rechtsstreits dargelegt seien. Da der tatsächliche und rechtliche Kontext der Vorlagefragen nicht hinreichend klar sei, lasse sich nicht feststellen, ob die Vorlage dieser Fragen für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit objektiv erforderlich sei.

26      Zwei dieser Regierungen bezweifeln überdies, dass die gestellten Fragen für die Entscheidung über den Rechtsstreit erheblich seien.

27      Die deutsche Regierung meint, dass sich die Rechtsgrundlage für die streitigen Zwangsmaßnahmen aus dem österreichischen Recht und nicht aus den vom vorlegenden Gericht angeführten Verordnungen ergebe. Das vorlegende Gericht habe nicht erläutert, inwiefern eine etwaige Nichtigkeit dieser Verordnungen auch zu einer Nichtigkeit des österreichischen Luftsicherheitsgesetzes führen könne.

28      Nach Ansicht der französischen Regierung ist die erste Frage auf jeden Fall unzulässig, da die nationalen Gerichte im Zusammenhang mit Anträgen auf Zugang zu Dokumenten, die unter die Verordnung Nr. 1049/2001 fielen, keinerlei Zuständigkeit besäßen. Die zweite Frage sei unzulässig, weil die österreichischen Behörden, selbst wenn die Liste im Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 den Einzelnen nicht entgegengehalten werden könnte, dennoch befugt wären, die Mitnahme bestimmter Gegenstände an Bord eines Flugzeugs zu untersagen.

29      Ohne ausdrücklich die Frage der Zulässigkeit aufzuwerfen, meint die schwedische Regierung, es sei schwer zu beurteilen, ob die Nichtveröffentlichung des Anhangs zur Verordnung Nr. 622/2003 irgendeine unmittelbare Bedeutung für die Möglichkeiten des Beschwerdeführers gehabt habe, seine Pflichten zu erkennen, da sich aus der Vorlageentscheidung nichts über die von ihm geltend gemachten Ansprüche und die möglichen Rechtsfolgen ergebe.

30      Es ist zunächst daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit, zu einer für das nationale Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. u. a. Urteil vom 23. März 2006, Enirisorse, C‑237/04, Slg. 2006, I‑2843, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Die Angaben in der Vorlageentscheidung müssen nicht nur dem Gerichtshof gestatten, sachdienliche Antworten zu geben, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, Erklärungen nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (vgl. u. a. Urteil Enirisorse, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Insoweit lässt sich den Akten des Ausgangsverfahrens entnehmen, dass Herr Heinrich beantragt, festzustellen, dass das Verhalten der nationalen Sicherheitsbeamten, die ihm erst das Durchschreiten der Sicherheitskontrolle verwehrten und anschließend, nachdem er das Flugzeug gleichwohl bestiegen hatte, aufforderten, dieses wieder zu verlassen, rechtswidrig war.

33      In seiner Entscheidung erläutert das vorlegende Gericht außerdem, dass die Entscheidung der zuständigen Behörden, Herrn Heinrich das Passieren der Sicherheitskontrolle mit seinen Tennisschlägern zu verweigern, auf die Verordnungen Nrn. 2320/2002 und 622/2003 gestützt worden sei. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass diese Verordnungen nicht nur an die nationalen Behörden gerichtet seien, sondern auch den Einzelnen Pflichten auferlegten. Die einzelnen Rechtsunterworfenen seien aber nicht in der Lage, diesen Verpflichtungen nachzukommen, da der Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 nicht veröffentlicht worden sei.

34      Folglich hat das vorlegende Gericht sowohl den tatsächlichen als auch den rechtlichen Rahmen, in dem es sein Ersuchen um Auslegung des Gemeinschaftsrechts stellt, hinreichend festgelegt und gegenüber dem Gerichtshof alle notwendigen Angaben gemacht, um diesem eine sachgerechte Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens zu ermöglichen.

35      Überdies geht aus den Erklärungen, die die vorgenannten Regierungen und die anderen Beteiligten gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs abgegeben haben, hervor, dass ihnen die Angaben in der Vorlageentscheidung eine sachgerechte Stellungnahme zu den vorgelegten Fragen ermöglicht haben.

36      Hinsichtlich der Erheblichkeit der gestellten Fragen ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung in einem Verfahren nach Art. 234 EG nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen hat (vgl. u. a. Urteil vom 15. November 2007, International Mail Spain, C‑162/06, Slg. 2007, I‑9911, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (vgl. u. a. Urteil vom 8. November 2007, Amurta, C‑379/05, Slg. 2007, I‑9569, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Die erste Frage des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus seiner Feststellung, dass die Nichtveröffentlichung des Anhangs zur Verordnung Nr. 622/2003 auf Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2320/2002 beruhe, der – unbeschadet des Rechts der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 – aus Gründen des Schutzes der Luftsicherheit bestimmte Kategorien von Maßnahmen und Angaben von der Veröffentlichung ausschließe. Dass diese Frage, mit der das vorlegende Gericht klären will, ob sich die Nichtveröffentlichung von Rechtsakten der Gemeinschaft, die gemäß Art. 254 EG veröffentlicht werden müssen, in Anbetracht der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigen lässt, für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist, lässt sich nicht in Zweifel ziehen.

39      Die zweite Frage betrifft die Bindungswirkung von Verordnungen oder Teilen davon, die nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, und geht somit dahin, ob in solchen Verordnungen vorgesehene Pflichten den Einzelnen entgegengehalten werden können. Da es in den Verantwortungsbereich des vorlegenden Gerichts fällt, den im Ausgangsrechtsstreit anwendbaren rechtlichen Rahmen festzulegen, und da das vorlegende Gericht festgestellt hat, dass sich die österreichischen Behörden auf die in Frage stehenden Verordnungen berufen haben, um ihre Weigerung zu begründen, Herrn Heinrich die Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen Wien-Schwechat passieren zu lassen, kann der Zusammenhang dieser Frage mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits nicht bestritten werden.

40      Unter diesen Umständen ist das Vorabentscheidungsersuchen als zulässig anzusehen.

 Zur Beantwortung der Vorlagefragen

 Zur zweiten Frage

41      Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu behandeln ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Anhang der Verordnung Nr. 622/2003, der nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, Bindungswirkung hat, soweit mit ihm den Einzelnen Pflichten auferlegt werden sollen.

42      Es ist zunächst daran zu erinnern, dass gemäß Art. 254 Abs. 2 EG die Verordnungen des Rates und der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden und zu dem durch sie festgelegten Zeitpunkt oder andernfalls am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass eine Verordnung der Gemeinschaft nur Rechtswirkungen erzeugen kann, wenn sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2007, Skoma-Lux, C‑161/06, Slg. 2007, I‑10841, Randnr. 33).

43      Ein von einem Gemeinschaftsorgan erlassener Rechtsakt darf natürlichen und juristischen Personen in einem Mitgliedstaat nicht entgegengehalten werden, bevor diese die Möglichkeit hatten, von dem Rechtsakt durch eine ordnungsgemäße Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union Kenntnis zu nehmen (Urteil Skoma-Lux, Randnr. 37).

44      Insbesondere muss es eine Gemeinschaftsregelung nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit den Betroffenen ermöglichen, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Denn die Einzelnen müssen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (Urteil vom 21. Juni 2007, ROM-projecten, C‑158/06, Slg. 2007, I‑5103, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Die Beachtung dieser Grundsätze ist mit den gleichen Folgen geboten, wenn eine gemeinschaftsrechtliche Regelung die Mitgliedstaaten verpflichtet, zu ihrer Durchführung Maßnahmen zu erlassen, mit denen den Einzelnen Verpflichtungen auferlegt werden. Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts erlassen, müssen nämlich die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts wahren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Juni 2002, Mulligan u. a., C‑313/99, Slg. 2002, I‑5719, Randnrn. 35 und 36, und vom 11. Januar 2007, Piek, C‑384/05, Slg. 2007, I‑289, Randnr. 34). Nationale Maßnahmen, die in Durchführung einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung den Einzelnen Pflichten auferlegen, müssen daher veröffentlicht werden, damit die Betroffenen davon Kenntnis nehmen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Mulligan u. a., Randnrn. 51 und 52).

46      Ferner müssen sich die Betroffenen in einem solchen Fall auch über die Quelle der ihnen Pflichten auferlegenden nationalen Maßnahmen unterrichten können, da die Mitgliedstaaten diese Maßnahmen in Erfüllung einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung erlassen haben.

47      Dies ist bei Verordnungen der Gemeinschaft umso mehr geboten, als es den Betroffenen gegebenenfalls möglich sein muss, von den nationalen Gerichten überprüfen zu lassen, ob nationale Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung der Gemeinschaft mit dieser Verordnung im Einklang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 1979, Eridania-Zuccherifici nazionali und Società italiana per l’industria degli zuccheri, 230/78, Slg. 1979, 2749, Randnr. 34). In einem solchen Fall ist deshalb nicht nur die fragliche nationale Regelung zu veröffentlichen, sondern auch die Verordnung der Gemeinschaft, die die Mitgliedstaaten zum Erlass von Maßnahmen verpflichtet, mit denen den Einzelnen Pflichten auferlegt werden.

48      Hinsichtlich der Liste verbotener Gegenstände ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren fragliche gemeinschaftsrechtliche Regelung, die nicht veröffentlicht wurde, d. h. der Anhang der Verordnung Nr. 622/2003, den Einzelnen Pflichten auferlegen sollte.

49      Hauptziel der Verordnung Nr. 2320/2002 ist nach ihrem Art. 1 die Festlegung und Durchführung zweckdienlicher Vorschriften auf Gemeinschaftsebene zur Verhinderung unrechtmäßiger Eingriffe in die Zivilluftfahrt. Die Verordnung soll außerdem eine Grundlage für eine gemeinsame Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des am 7. Dezember 1944 in Chicago unterzeichneten Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt schaffen, insbesondere seines Anhangs 17, der Mindestnormen zur Gewährleistung der Sicherheit in der Zivilluftfahrt vorsieht. Diese Ziele sollen erreicht werden durch die Festlegung von gemeinsamen grundlegenden Normen für Maßnahmen im Bereich der Luftsicherheit und durch die Schaffung geeigneter Verfahren, um die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen.

50      Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2320/2002 stützen sich diese gemeinsamen grundlegenden Normen auf die derzeit geltenden Empfehlungen des Dokuments 30 der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz und sind im Anhang dieser Verordnung niedergelegt. Dieser Anhang sieht, abgesehen von einem Begriffsbestimmungen enthaltenden Abschnitt, Maßnahmen der Sicherheit, der Kontrolle und der Durchsuchung insbesondere von Fluggästen und Handgepäck vor.

51      Gemäß den Nrn. 4.1 und 4.3 dieses Anhangs werden alle abfliegenden Fluggäste und ihr Handgepäck kontrolliert, um zu verhindern, dass verbotene Gegenstände in einen Sicherheitsbereich oder an Bord eines Luftfahrzeugs gebracht werden. Alle verbotenen Gegenstände sind abzugeben; andernfalls wird dem Fluggast der Zugang zu dem Sicherheitsbereich oder dem Luftfahrzeug verweigert. Verbotene Gegenstände sind beispielhaft in der Anlage zu dem fraglichen Anhang aufgeführt. Auch wenn diese Vorschriften als in erster Linie an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gerichtet erscheinen, lässt sich nicht bestreiten, dass sie jedenfalls den Einzelnen Pflichten auferlegen sollen.

52      Die Verordnung Nr. 2320/2002 verleiht in ihrem Art. 4 Abs. 2 der Kommission eine Durchführungsbefugnis, um im Verfahren gemäß Art. 9 der Verordnung die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung und technischen Anpassung der gemeinsamen grundlegenden Normen zu erlassen, die in Randnr. 49 des vorliegenden Urteils erwähnt worden sind.

53      In Ausübung dieser Befugnis erließ die Kommission die Verordnung Nr. 622/2003, die die notwendigen Maßnahmen für die Durchführung und technische Anpassung der gemeinsamen Normen für die Luftsicherheit festlegt. Diese Maßnahmen sind im Anhang der Verordnung aufgeführt und wurden nicht veröffentlicht. Dieser Anhang wurde entsprechend dem Anhang der Verordnung Nr. 68/2004 geändert, der ebenfalls nicht veröffentlicht wurde.

54      Demnach lässt sich nicht ausschließen, dass die von der Verordnung Nr. 622/2003 vorgesehenen Maßnahmen auch die Liste verbotener Gegenstände betreffen, die in der Anlage zum Anhang der Verordnung Nr. 2320/2002 enthalten ist.

55      Zumindest ein Anhaltspunkt dafür ist, dass es im dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 68/2004 heißt, es werde eine öffentlich zugängliche harmonisierte Liste benötigt, in der die Gegenstände aufgeführt seien, die von Fluggästen nicht in die Sicherheitsbereiche und an Bord des Flugzeugs mitgenommen werden dürften. Die in diesem Erwägungsgrund der Richtlinie Nr. 68/2004 betonte Notwendigkeit, eine harmonisierte Liste zu erstellen, impliziert nämlich, dass die der Verordnung Nr. 2320/2002 als Anlage beigefügte Liste tatsächlich geändert wurde.

56      Sollte dies der Fall gewesen sein, ist im Übrigen die offenkundige Unstimmigkeit hervorzuheben, die die Durchführungsregelung der Kommission in dieser Hinsicht aufweist, da die Kommission es einerseits für erforderlich hielt, die sich auf die verbotenen Gegenstände beziehenden Maßnahmen geheim zu halten, und andererseits erklärte, es werde eine öffentlich zugängliche harmonisierte Liste dieser Gegenstände benötigt.

57      Jedenfalls wurden diese etwaigen Änderungen der Liste in der Anlage zur Verordnung Nr. 2320/2002 nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

58      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Art. 8 der Verordnung Nr. 2320/2002 die Regelung der Geheimhaltung genau festlegt, indem er die Kategorien der Maßnahmen und Angaben aufführt, die geheim zu halten sind und nicht veröffentlicht werden. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichtshofs selbst eingeräumt hat, gehört die Liste der in den Sicherheitszonen und an Bord des Flugzeugs verbotenen Gegenstände zu keiner dieser Kategorien. Die Liste fällt daher nicht unter die Geheimhaltungsregelung des Art. 8 der Verordnung Nr. 2320/2002, was im Übrigen dadurch bestätigt wird, dass die beispielhafte Liste dieser Gegenstände in der Anlage zum Anhang der Verordnung Nr. 2320/2002 ohne jede Einschränkung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde.

59      Die Verordnung Nr. 2320/2002, insbesondere ihr Art. 4 Abs. 2, bietet deshalb keine Rechtsgrundlage, die es der Kommission gestattete, in Ausübung der ihr in dieser Bestimmung verliehenen Durchführungsbefugnis die Geheimhaltungsregelung des Art. 8 der Verordnung auf Maßnahmen zur Anpassung der in der Anlage zu dieser Verordnung enthaltenen Liste verbotener Gegenstände anzuwenden.

60      Folglich wäre die Verordnung Nr. 622/2003, wenn sie, wovon das vorlegende Gericht als Prämisse ausgegangen ist, tatsächlich Anpassungen der fraglichen Liste verbotener Gegenstände enthielte, insoweit zwangsläufig ungültig.

61      Zudem müssen, ohne dass die Frage beantwortet zu werden braucht, ob es von der in Art. 254 Abs. 1 und 2 EG vorgesehenen Verpflichtung zur Veröffentlichung von Verordnungen Ausnahmen geben kann, solche Anpassungsmaßnahmen, soweit sie den Einzelnen Pflichten auferlegen sollen, in jedem Fall im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Die Frage, ob diese Maßnahmen und die von ihnen betroffenen Vorschriften den Einzelnen unmittelbar Pflichten auferlegen oder ob sie die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, dies zu tun, ist, wie sich aus den Randnrn. 42 bis 47 des vorliegenden Urteils ergibt, in dieser Hinsicht unerheblich. In beiden Fällen nämlich ist ihre Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zwingend.

62      Infolgedessen können, da der Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, Maßnahmen zur Anpassung der Liste verbotener Gegenstände, soweit sie in diesem Anhang enthalten sind, den Einzelnen nicht entgegengehalten werden.

63      Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass der Anhang der Verordnung Nr. 622/2003, der nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, keine Bindungswirkung hat, soweit mit ihm den Einzelnen Verpflichtungen auferlegt werden sollen.

 Zeitliche Begrenzung der Wirkungen

64      Für den Fall, dass der Gerichtshof die Verordnung Nr. 622/2003 für ungültig erklären sollte, beantragen die österreichische und die polnische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs, gemäß Art. 231 Abs. 2 EG alle Maßnahmen, die im Anhang der Verordnung Nr. 622/2003 aufgeführt sind oder die aufgrund dieser Verordnung erlassen wurden, bis zum Erlass neuer Maßnahmen durch die Kommission für bestandskräftig zu erklären.

65      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die Verordnung Nr. 622/2002 mit dem vorliegenden Urteil weder ganz noch teilweise für ungültig erklärt.

66      Hinzuzufügen ist, dass eine Feststellung der fehlenden Bindungswirkung des Anhangs der Verordnung Nr. 622/2003, soweit er den Einzelnen Pflichten auferlegen soll, nicht die Verpflichtungen berührt, die die Verordnung Nr. 2320/2002 den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Sicherheit in der Zivilluftfahrt auferlegt, insbesondere nicht die Verpflichtung, das Verbringen verbotener Gegenstände in die Sicherheitszonen der Flughäfen und an Bord des Flugzeugs zu verhindern.

67      Zudem enthalten die Leitlinien in der Anlage zum Anhang der Verordnung Nr. 2320/2002 in dieser Hinsicht detaillierte Angaben, so dass die nationalen Behörden in der Lage sind, die Sicherheit in der Zivilluftfahrt im Einklang mit den Zielen der Verordnung Nr. 2320/2002 zu gewährleisten.

68      Schließlich widerspräche es den Erfordernissen der Rechtssicherheit, die Wirkungen des Anhangs der Verordnung Nr. 622/2003, soweit er den Einzelnen Pflichten auferlegen soll, aufrechtzuerhalten, bis die Kommission Maßnahmen erlässt, die möglicherweise erforderlich sind, um ihm Bindungswirkung gegenüber den Einzelnen zu verleihen.

69      Unter diesen Umständen sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu begrenzen.

 Zur ersten Frage

70      Angesichts der Antwort auf die zweite Frage ist die erste nicht zu beantworten.

 Kosten

71      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Der Anhang der Verordnung (EG) Nr. 622/2003 der Kommission vom 4. April 2003 zur Festlegung von Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen grundlegenden Normen für die Luftsicherheit in der durch die Verordnung (EG) Nr. 68/2004 der Kommission vom 15. Januar 2004 geänderten Fassung, der nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, hat keine Bindungswirkung, soweit mit ihm den Einzelnen Pflichten auferlegt werden sollen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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