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Document 52021AE6395

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 in Bezug auf die Erhöhung der Marktdatentransparenz, die Beseitigung von Hindernissen für die Entstehung eines konsolidierten Datentickers, die Optimierung der Handelspflichten und das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen“ (COM(2021) 727 final — 2021/0385 (COD))

EESC 2021/06395

OJ C 290, 29.7.2022, p. 68–72 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

29.7.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 290/68


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 in Bezug auf die Erhöhung der Marktdatentransparenz, die Beseitigung von Hindernissen für die Entstehung eines konsolidierten Datentickers, die Optimierung der Handelspflichten und das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen“

(COM(2021) 727 final — 2021/0385 (COD))

(2022/C 290/12)

Berichterstatter:

Jörg Freiherr FRANK VON FÜRSTENWERTH

Befassung

Rat der Europäischen Union, 3.2.2022

Europäisches Parlament, 27.1.2022

Rechtsgrundlage

Artikel 114 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

3.3.2022

Verabschiedung im Plenum

23.3.2022

Plenartagung Nr.

568

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

210/0/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, dass die Europäische Kommission entsprechend ihrer Ankündigung im Aktionsplan von 2020 für die Kapitalmarktunion (1) fristgerecht einen Vorschlag zur Einrichtung konsolidierter Datenticker jeweils für die Anlageklassen Aktien, börsengehandelte Indexfonds, Anleihen und derivative Finanzinstrumente vorgelegt hat. Dies ist ein weiterer Schritt zur Realisierung der Kapitalmarktunion. Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission.

1.2.

Der EWSA bekräftigt erneut, dass die Schaffung der Kapitalmarktunion ein prioritäres Anliegen und eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung eines echten Binnenmarktes, für die Überwindung der Folgen der Covid-19-Pandemie und den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft in Europa ist.

1.3.

Der EWSA begrüßt den Verordnungsvorschlag zur Einführung der konsolidierten europäischen Datenticker und die begleitenden Maßnahmen hierzu. Sie werden bei guter Umsetzung die Transparenz und die Verfügbarkeit von Marktdaten deutlich erhöhen, die regulatorischen Rahmenbedingungen der Ausführungsplätze angleichen und die europäischen Kapitalmärkte stärken. Die konsolidierte Transparenz wird die Folgen der nach wie vor starken Fragmentierung der europäischen Kapitalmärkte deutlich mindern.

1.4.

Dem EWSA ist es ein wichtiges Anliegen, dass für jedermann, insbesondere natürlich auch für kleine und mittlere Unternehmen und generell Kleinanleger, ein diskriminierungsfreier, kostenfreier Zugang zu den Marktdaten geschaffen wird. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, bestehende Informationsasymmetrien abzubauen.

1.5.

Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Kommission, im Rahmen der Schaffung der Kapitalmarktunion weitere Aktivitäten zu unternehmen, um die sehr unterschiedlich ausgeprägte Aktienkultur in Europa weiterzuentwickeln. Dazu gehören neben Vertrauen schaffenden Regeln des vorbeugenden Verbraucherschutzes vor allem auch Maßnahmen zur Verbesserung der Verbraucherbildung. Der EWSA fordert die Europäische Kommission weiterhin auf, bei allen Maßnahmen zur Schaffung der Kapitalmarktunion zugleich den Aspekten des Arbeitsschutzes und der Arbeitsbedingungen eine große Bedeutung zuzumessen. Dies beinhaltet auch die Sicherstellung, dass die Personalkapazitäten der europäischen und nationalen Aufseher den gestiegenen Aufgaben Rechnung tragen.

1.6.

In der strittigen Frage des Verbots der Entgegennahme von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen zum Zwecke der Ausführung (Payment for Orderflow, PFOF) empfiehlt der EWSA den folgenden Grundsatz zu stärken: Finanzmittler dürfen den Handelsplatz oder die Gegenpartei für die Ausführung der Geschäfte ihrer Kunden ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Erzielung der bestmöglichen Ausführung für ihre Kunden auswählen. Der EWSA stützt die Europäische Kommission in ihrer Auffassung, dass materielle oder immaterielle Vergütungen des Handelsplatzes oder der Gegenpartei an den Finanzmittler für die Weiterleitung von Ausführungsaufträgen dem grundsätzlich widersprechen.

2.   Hintergrund der Stellungnahme

2.1.

Die Europäische Kommission hat am 25.11.2021 ein Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kapitalmarktunion vorgelegt (Kapitalmarktpaket). Das Paket besteht aus einer Mitteilung der Europäischen Kommission und vier Rechtsakten (2). Gegenstand dieser Stellungnahme ist — als Teil des Kapitalmarktpakets — die Überarbeitung der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR) (3), die im Wesentlichen die Regelungen für die Finanzmarktinfrastruktur enthält und zusammen mit der europäischen Finanzmarktrichtlinie (4) (MiFID II = Markets in financial instruments directive) den regulatorischen Rahmen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen bildet.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.   Einordnung des Vorschlags

3.1.1.

Den im Kapitalmarktpaket zusammengefassten Vorschlägen ist gemeinsam, dass sie auf mehr Transparenz auf den nach wie vor zersplitterten europäischen Kapitalmärkten abzielen. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt dieses Ziel, da ohne gute Transparenz und verlässliche und schnell verfügbare Daten die Schaffung einer Kapitalmarktunion nicht gelingen wird. Den vorgeschlagenen Änderungen der MiFIR-Verordnung kommt dabei eine große Bedeutung zu. Die Änderungsvorschläge beziehen sich in erster Linie auf die Marktinfrastruktur, nachdem Anlegerschutzvorschriften vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie bereits Anfang 2021 Gegenstand des sog. „MiFID-Quick-Fix“ waren (5).

3.1.2.

Eine möglichst hohe Transparenz der Wertpapiermärkte ist auch deshalb erforderlich, um gerade auch kleinen und mittleren Unternehmen und generell Kleinanlegern einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten zu eröffnen. Zwar sind gegenwärtig schon alle Ausführungsplattformen verpflichtet, Informationen etwa zu Umfang, Zeit und Preis der Transaktionen zu veröffentlichen. Diese Daten aber konsolidiert zu erfassen — und damit einen wirklichen Marktüberblick zu geben –, ist allenfalls großen Wertpapierunternehmen möglich und dies nur unter erheblichem finanziellem Aufwand. Niemand kann daher heute sicher sein, wirklich den besten Preis zu erhalten. Der einfache Zugang zu verlässlichen Marktdaten ist aber ganz entscheidend. Dies gilt insbesondere auch für die nachhaltigkeitsbezogenen Informationen, die zur Schaffung nachhaltiger Finanzmärkte im Rahmen der Realisierung des europäischen Grünen Deals zwingend erforderlich sind und eine zunehmend wichtige Funktion haben. Hier besteht eine wichtige inhaltliche Verknüpfung zum European Single Access Point und zur vereinfachten Bereitstellung von nachhaltigkeitsbezogenen Informationen (Sustainable Development Goals).

3.1.3.

Ein schneller, verlässlicher und einfacher Zugang zu den Marktdaten wird durch die damit gewonnene Transparenz zudem den Wettbewerb zwischen den Handelsplätzen befördern, da unter den Bedingungen einer Transparenz die Wertpapiergeschäfte dort getätigt werden, wo der beste Preis zu erzielen ist und die Liquidität hoch ist. Transparenz ist auch für Privatanleger und institutionelle Anleger ein wesentlicher Aspekt im Hinblick auf Kryptoanlagen im System der konsolidierten europäischen Datenticker.

3.1.4.

Die konsolidierten europäischen Datenticker — je einer für jede Anlageklasse (Aktien, börsengehandelte Indexfonds, Anleihen und derivative Finanzinstrumente) — sind ein wesentliches Instrument, die bestehenden Informationsasymmetrien abzubauen. Sie mögen auch dazu beitragen, die Dominanz des Hochfrequenzhandels zu mindern. Der EWSA begrüßt den Wettbewerb in der Marktinfrastruktur. Wichtig ist dem Ausschuss dabei, dass der Wettbewerb fair ausgestaltet ist und auf demselben regulatorischen Niveau stattfindet. Eine Aufsichtsarbitrage zwischen den Handelsplätzen ist auszuschließen. Wiewohl die EMIR in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt, ist es essenziell, dass die Europäische Kommission begleitende nationale Rechtsakte und deren praktische Umsetzung ebenso wie die nationale Aufsichtspraxis im Hinblick auf gleiche Wettbewerbsbedingungen intensiv beobachtet und die Mitgliedstaaten ggf. zu Anpassungen auffordert und soweit erforderlich Verstöße sanktioniert.

3.1.5.

Die Einführung der konsolidierten Datenticker — also zentralisierter Datenbanken, die allen Investoren (kleine und große Vermögensverwalter, Pensionsfonds, Kleinanleger) sowie allen Finanzintermediären, gleich ob groß oder klein, einen einfachen, diskriminierungsfreien Zugang zu konsolidierten Marktdaten eröffnen, wird den Informationsvorsprung großer Anbieter verringern, den Zugang zu den Finanzmärkten deutlich erleichtern und sie damit prospektiv leistungsfähiger machen.

3.1.6.

Die konsolidierten europäischen Datenticker können durch die Schaffung einer verbesserten Transparenz auch dazu beitragen, einer übersteigerten Volatilität wie etwa sprunghaften Kursentwicklungen und Preisstürzen tendenziell entgegenzuwirken.

3.1.7.

Die durch die konsolidierten Datenticker entstehende Transparenz und der erleichterte Zugang zu Markdaten auch für Kleinanleger ersetzt aus Sicht des EWSA nicht die Notwendigkeit eines weiterhin gut entwickelten Anlegerschutzes. Der erleichterte Zugang von Kleinanlegern zu Daten ruft die Notwendigkeit in Erinnerung, die Bemühungen zu einer hinreichenden finanziellen Verbraucherbildung zu stärken, damit die Verbraucher mit den Chancen und Risiken der Kapitalmärkte verantwortlich umgehen können.

3.1.8.

Die Schaffung der konsolidierten Datenticker ist auch unter dem Aspekt der Datenethik ein großer Schritt, dem in der digitalisierten Welt, in der Daten ein Handelsgut und ein Schlüssel für die Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben sind, eine zunehmende Bedeutung zukommt. Der EWSA setzt sich für einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Marktdaten ein. Der Ausschuss begrüßt es, dass die Einführung der konsolidierten Datenticker insbesondere für kleine Unternehmen und die Verbraucher den Zugang zu für sie wesentliche Daten eröffnet, die ihnen ansonsten wegen mangelnder finanzieller Ressourcen nicht zugänglich wären. Die Einführung der konsolidierten Datenticker entspricht damit zugleich der Notwendigkeit eines ethischen Zugangs zu Informationen auf den Finanzmärkten.

3.1.9.

Der EWSA begrüßt es, dass die Europäische Kommission ihren Vorschlägen intensive Erörterungen über deren Marktauswirkungen sowohl auf die europäischen Handelsplätze als auch auf den internationalen Wettbewerb zugrunde gelegt hat. Der Ausschuss begrüßt weiterhin, dass die Europäische Kommission die spätere Evaluierung der neuen Regeln plant.

3.2.   Konsolidierte europäische Datenticker (consolidated tapes, CT), Artikel 22 und 27 MiFIR-Vorschlag

3.2.1.

Der EWSA unterstützt erneut (6) den Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung der konsolidierten europäischen Datenticker. Er wird es bei technisch guter Umsetzung allen Marktbeteiligten ermöglichen, nahezu in Echtzeit Zugang zu Handelsdaten — zu Aktien, börsengehandelten Indexfonds, Anleihen und derivativen Finanzinstrumenten — von allen EU-Handelsplätzen zu erhalten. Damit dürften die konsolidierten europäischen Datenticker ein wesentlicher Beitrag zum Aufbrechen der fragmentierten Märkte sein. Der Erfolg der konsolidierten europäischen Datenticker wird allerdings maßgeblich davon abhängen, dass die praktische Umsetzung gelingt (Verpflichtung zur Datenlieferung, Datenstandards, Datenzugriff, Qualität der Daten, Datensicherheit, Datenschutz [soweit einschlägig], Beseitigung der Transparenzprobleme bei der Zuordnung einer Internationalen Wertpapierkennnummer [International Securities Identification Numner, ISIN] zu derivativen Finanzinstrumenten über ihre Laufzeit [und nicht auf täglicher Basis], Nutzung neuester Technologien, operative Widerstandsfähigkeit, einfacher und kostengünstiger Zugang).

3.2.2.

Um erfolgreich zu sein, müssen alle Datenlieferanten — diskriminierungsfrei — denselben strengen Qualitätsanforderungen unterliegen, seien es Börsen oder Banken, seien es konventionelle Datenlieferanten oder Fintechs. Daneben sind die Datenqualität und eine taugliche Governance-Struktur weitere wesentliche Voraussetzungen zum Erfolg. Der EWSA hält es für unverzichtbar, dass gerade die Datenqualität und die Governance des CT-Systems fortlaufend kontrolliert und wo nötig nachgesteuert werden.

3.2.3.

Der EWSA stützt den wohlabgewogenen Vorschlag, der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) eine zentrale Rolle in der laufenden Begleitung der konsolidierten europäischen Datenticker zuzuweisen. Der EWSA verbindet dies mit der Erwartung, dass ESMA — und auch den nationalen Aufseher im Bereich der Wertpapieraufsicht — hierzu auch die erforderlichen finanziellen, sachlichen und personellen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

3.2.4.

Den Auswahlverfahren für je einen Betreiber der CT pro Anlageklasse kommt eine große Bedeutung zu. Dem EWSA sind reibungslose und transparente Auswahlverfahren wichtig. Dies vor allem auch deshalb, weil die ersten Betreiber der CT einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung bei einer Neuausschreibung nach fünf Jahren haben werden. Es ist daher wünschenswert, wenn die Ausschreibungen auf ein breites Wettbewerbsumfeld treffen würden. Der Ausschuss begrüßt es, dass die Auswahlkriterien im Einzelnen festgeschrieben und auch die organisatorischen Anforderungen an die Bereitsteller konsolidierter Datenticker definiert sind. Der EWSA hält es für einen guten Ansatz, dass die Bereitsteller der CT am Ende eines jeden Quartals Leistungsstatistiken und Berichte über Vorkommnisse bezüglich der Datenqualität auf ihrer kostenlos zugänglichen Website zu veröffentlichen haben.

3.2.5.

Die konsolidierten europäischen Datenticker werden auch ein wesentlicher Schritt und ein wesentliches Werkzeug sein, damit Wertpapierdienstleister ihre Pflicht zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen (Best Execution, Artikel 27 Absatz 2 MiFID II) fundierter, auf einer breiteren Grundlage basierend und einfacher erfüllen können. Insbesondere für Kleinanleger wird die Erzielung des besten Preises das wesentliche Kriterium sein. Der EWSA weist aber vorsorglich darauf hin, dass die konsolidierten europäischen Datenticker nicht den Grundsatz der Best Execution ersetzen dürfen.

3.2.6.

Die konsolidierten europäischen Datenticker können nur dann ihre volle Wirksamkeit entfalten, wenn für die verschiedenen im Markt bestehenden Ausführungsplattformen die gleichen Wettbewerbsbedingungen gelten. Der EWSA unterstützt daher die Vorschläge der Europäischen Kommission, die auf eine vollständige Transparenz der Handelsplattformen zielen, insbesondere auch das Verbot sogenannter Dark Pools, bei denen die Händler keinerlei Transparenzanforderungen unterliegen.

3.3.   Handelsplatzpflicht für derivative Finanzinstrumente, Artikel 28 MiFIR-Vorschlag

3.3.1.

Der EWSA begrüßt, dass durch den Vorschlag der europäischen Kommission ein systematischer Fehler, der bei der Veröffentlichung des „EMIR-refits“ entstanden war, korrigiert wird. Kleine finanzielle Gegenparteien werden künftig rechtssicher von der Handelsplatzpflicht und — wie bisher schon — der Clearingpflicht befreit sein.

3.4.   Handelsplatz für Aktien, Artikel 23 MiFIR-Vorschlag

3.4.1.

Die Handelsplatzpflicht für Aktien wird in dem Vorschlag auf Werte mit einer Internationalen Wertpapier-Identifikationsnummer (International Securities Identification Number — ISIN) aus der Europäischen Union beschränkt. Und selbst diese werden von der Handelsplatzpflicht befreit, wenn deren Handel außerhalb der Europäischen Union in der Landeswährung stattfindet. Der Vorschlag ist aus Anlegersicht vorteilhaft, denn bei Werten mit einem Handelsplatz außerhalb der Europäischen Union dürften auch dort die besten Preise zu erzielen sein. Das gilt insbesondere auch für Werte, die eine EU-ISIN tragen, aber hauptsächlich in GBP an der Londoner Börse gehandelt werden. Der EWSA stimmt dem Vorschlag daher ausdrücklich zu.

3.5.   Payment for Orderflow (PFOF), Artikel 39 Buchstabe a MiFIR-Vorschlag

3.5.1.

Der Vorschlag untersagt das als PFOF bezeichnete Vergütungsmodell, in dem Finanzintermediäre von ihren Handelspartnern Gebühren dafür entgegennehmen, dass sie Geschäfte ihrer Kunden an diesen Handelspartner leiten. PFOF ist vor allem ein Finanzierungsmodell bei Online-Brokern, die oft gerade für Kleinanleger eine kostengünstige Alternative zum traditionellen Börsenhandel darstellen. Insbesondere bei sog. Zero-Commission-Brokern besteht die Praxis, den Kunden nur ein geringes Entgelt für die Order zu berechnen und die Einnahmen (des Brokers) aus „Rückvergütungen“ am Handelsplatz zu erzielen. Oftmals werden alle Handelsaufträge auf einen Handelspartner konzentriert. Diese „Rückvergütungen“ werden den Kunden nicht offengelegt. Der EWSA teilt die Auffassung von ESMA (7), dass diese Praxis im Hinblick auf die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung und der gebotenen Preistransparenz nicht vereinbar ist. Andererseits stellen diese Online-Broker gerade für Kleinanleger einen kostengünstigen und niedrigschwelligen Zugang zu Wertpapierdienstleistungen dar. Der Ausschuss hält es für zwingend, eine gleiche Kostentransparenz und gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Fintechs und konventionellen Anbietern sicherzustellen. Der EWSA empfiehlt, diesem Punkt im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

3.5.2.

Dabei wird nach Auffassung des EWSA auch zu erörtern sein, ob PFOF ungeachtet der juristischen Bedenken (bestmögliche Ausführung) nicht schon deshalb aus Marktstrukturgründen unerwünscht sein dürften, weil sie in zu großem Maße Handelsvolumen von den Börsen abziehen und damit die Funktionsfähigkeit der Börsen insgesamt gefährden. Eine Verminderung der Marktliquidität wäre nämlich völlig konträr zu den Zielen der Kapitalmarktunion. Sie würden vor allem der notwendigen Markttransparenz (insbesondere der Vorhandelstransparenz) einen großen Schaden zuführen und sich zu Lasten der Kunden auswirken.

3.6.   Bestmögliche Ausführung (Best Execution)

3.6.1.

Die EU-Kommission schlägt vor, auf die in Artikel 27 Absatz 1 MiFID II enthaltene Pflicht der Ausführungsplätze zur Veröffentlichung von Informationen über die Qualität der Ausführung von Aufträgen zu verzichten. Dieser Vorschlag der Europäischen Kommission ist sinnvoll, da die Berichte unstreitig in der Praxis nicht als hilfreiche Informationsquelle von den Anlegern genutzt worden sind und künftig über die konsolidierten europäischen Datenticker auch nachbörsliche Informationen über Transaktionen zur Verfügung stehen werden. Der EWSA kann dies nachvollziehen und unterstützen.

3.6.2.

Dann aber hat es keinen Sinn, dass die ESMA zurzeit Konsultationen zu einer Anpassung gerade der technischen Regulierungsstandards (RTS 27 und RTS 28) durchführt, die die Vorschrift konkretisieren, die die Europäische Kommission durch den vorgelegten Vorschlag zur Streichung vorschlägt (Artikel 27 Absatz 2 MiFID II). Und es hat nicht nur keinen Sinn, es belastet die Betroffenen auch unnötig mit einem im Ergebnis völlig nutzlosen Verwaltungsaufwand. Im Sinne einer guten und nachhaltigen Regulierungspraxis müssen aus Sicht des EWSA derartige Vorgehensweisen vermieden werden.

Brüssel, den 23. März 2022

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  COM(2020) 590 final.

(2)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Kapitalmarktunion — Umsetzung ein Jahr nach dem Aktionsplan; Vorschlag für einen einheitlichen europäischen Zugangspunkt (European Single Access Point — ESAP); Überarbeitung der Verordnung über europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF); Überarbeitung der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) und die Überarbeitung der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR).

(3)  Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84).

(4)  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinie 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349).

(5)  Richtlinie (EU) 2021/338 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2021 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/878 im Hinblick auf ihre Anwendung auf Wertpapierfirmen, zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Krise (ABl. L 68 vom 26.2.2021, S. 14).

(6)  ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 20 f.

(7)  ESMA Public Statement, Document ESMA35-43-2749, dated 13.7.2021: „ESMA warns firms and investors about risks arising from Payment of Orderflow“ [nur in Englisch verfügbar].


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