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Document 52008DC0329

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss - Eine europäische Strategie für die e-Justiz SEC(2008)1947 SEC(2008)1944

/* KOM/2008/0329 endg. */

52008DC0329

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss - Eine europäische Strategie für die e-Justiz SEC(2008)1947 SEC(2008)1944 /* KOM/2008/0329 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 30.5.2008

KOM(2008)329 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

Eine europäische Strategie für die e-Justiz

SEC(2008)1947SEC(2008)1944

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

Eine europäische Strategie für die e-Justiz

EINLEITUNG

Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam ist der europäische Rechtsraum zu einer unbestreitbaren Realität geworden, die sich auf eine Reihe von Rechtsakten gründet, welche die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsentscheiden sicherstellen, eine Kultur der Zusammenarbeit zwischen einzelstaatlichen Justizbehörden schaffen und die Freizügigkeit der Bürger in einem europäischen Raum ohne Grenzen begleiten sollen.

Gleichzeitig wird in Europa der Ruf nach der Justiz immer lauter, was die Arbeitslast der Gerichte erhöht und eine dauerhafte Anpassung der Arbeitsmethoden unter oftmals schwierigen budgetären Bedingungen erforderlich macht.

Die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in der Justizverwaltung eröffnet hier insofern Lösungsmöglichkeiten, als sie zu einem besseren Funktionieren der Justiz beiträgt und rationellere Verfahren und Kosteneinsparungen ermöglicht.

Hinter dem hierfür geschaffenen Begriff „e-Justiz“ verbirgt sich ein erster Versuch, den drei Erfordernissen, den Zugang zum Recht zu verbessern, die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden zu verbessern und die Justiz als Ganzes effizienter zu machen, gerecht zu werden. Die Einführung der IKT in der Justiz ist allerdings nicht nur wünschenswert und unabdingbar, sondern sie weckt auch bestimmte Erwartungen und wirft Fragen auf.

In dieser Mitteilung wird eine Gesamtstrategie vorgeschlagen, die die europäische Dimension auf effiziente Weise mit den auf nationaler Ebene ergriffenen Maßnahmen zu verbinden versucht und den Vorteil besitzt, dass sie Skaleneffekte ermöglicht.

Die Kommission möchte, dass bei allen Arbeiten auf dem Gebiet der „e-Justiz“

- operative Projekte vorrangig behandelt werden,

- dezentrale Architekturen privilegiert werden, ohne dass die nötige europäische Koordinierung vernachlässigt wird,

- vorzugsweise auf den geltenden Rechtsrahmen zurückgegriffen wird und zu diesem Zweck geeignete IT-Werkzeuge zur Verbesserung der Wirksamkeit erlassener Rechtsvorschriften eingesetzt werden.

Einer wiederholten Forderung des Europäischen Rates[1] und des Europäischen Parlaments entsprechend, wird in dieser Mitteilung eine „e-Justiz“-Strategie vorgeschlagen, die das Vertrauen der Bürger in den europäischen Rechtsraum stärken soll; letzterer ist eine wichtige Legitimitätsquelle der Europäischen Union, in der der Rechtsstaat einen hohen Identitätswert besitzt.

WAS IST „E-JUSTIZ“?

Der Begriff „e-Justiz“ lässt sich definieren als „Rückgriff auf Informations- und Kommunikationstechnologien für einen besseren Zugang der Bürger zur Justiz und für ein effizienteres Vorgehen der Justiz bei der Streitbeilegung und der strafrechtlichen Ahndung“.

Die Einführung der „e-Justiz“ ist ein zentraler Aspekt der Modernisierung der Justizsysteme, und die Nutzung von IKT in der Justizzusammenarbeit wird von der Kommission seit langem vorangetrieben.

Die Kommission entwickelt seit dem Jahr 2003 das Internetportal des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen[2] und hat die Einführung der Europäischen Gerichtsatlanten für Straf- und Zivilsachen gefördert, die die Ermittlung der zuständigen Gerichte ermöglichen. Sie hat des Weiteren den Rückgriff auf Videokonferenzen und die elektronische Übermittlung von Schriftstücken zwischen Justizbehörden angeregt und arbeitet aktiv bei der geplanten Strafregistervernetzung mit.

Die „e-Justiz“ ist ein spezifischer Bereich der allgemeinen Anwendung der IKT auf sämtliche Verwaltungsverfahren („e-Government“). Bei den Projekten in den Bereichen sichere Infrastrukturen und Dokumentenauthentifizierung sind gesicherte Erkenntnisse gewonnen worden, die es nunmehr zu nutzen gilt. Die Kommission möchte im Rahmen des Programms IDABC[3] einen europäischen Interoperabilitätsrahmen entwickeln. Die europäischen Arbeiten an den Projekten „ e-Signature“ (elektronische Signatur) und „ e-Identity“ [4] sind besonderes weit gediehen im Justizbereich, wo der Authentifizierung von Schriftstücken wesentliche Bedeutung zukommt.

Der potenzielle Umfang des Bereichs der „e-Justiz“ ist äußerst groß und wird mit fortschreitender Weiterentwicklung des europäischen Rechtsraums und auch mit der technologischen Weiterentwicklung zunehmen müssen. Gleichwohl gilt es alsbald konkrete Projekte zu entwickeln. Um zu vermeiden, dass ein zu großer Umfang der Effizienz und der Glaubwürdigkeit des Vorgehens der Europäischen Union abträglich sein könnte, müssen die Grenzen des weiteren Vorgehens abgesteckt werden.

Bestimmte Projekte fallen nicht in den Bereich der Justiz, sondern vielmehr in den Bereich „e-Government“. So gibt es bestimmte Tätigkeiten, die zwar mitunter justizielle Stellen einbeziehen, aber eher administrativer Art sind (z.B. die Grundbuchregister oder das Europäische Unternehmensregister)[5]. Umgekehrt gibt es Tätigkeiten wie die Schiedsgerichtsbarkeit oder generell alternative Streitschlichtungsverfahren, die von nicht justiziellen Stellen wahrgenommen werden, aber durchaus von der „e-Justiz“ betroffen sein könnten.

Wichtigstes Ziel der „e-Justiz“ ist es, die Effizienz der Justiz in ganz Europa zum Wohle der Bürger zu steigern. Die vorrangigen Projekte müssen folglich eine positive Wirkung auf die Effizienz der Arbeit der Justiz aufweisen und den Zugang der Bürger zur Justiz vereinfachen. Sie müssen zudem zur Umsetzung der geltenden EU-Vorschriften zum Justizbereich beitragen und möglichst alle Mitgliedstaaten oder zumindest einen Großteil dieser Länder mit einbeziehen.

SCHAFFUNG VON SYNERGIEEFFEKTEN AUF NATIONALER UND AUF EUROPÄISCHER EBENE

Verstärkter Austausch bewährter Praktiken auf nationaler Ebene

Die weitere Entwicklung der „e-Justiz“ hängt vor allem vom Willen der Mitgliedstaaten ab. Eine unlängst durchgeführte Studie der deutschen „e-Justiz“-Akademie[6] hat ergeben, dass in den Justizverwaltungen der EU-Länder zunehmend IKT verwendet werden. Die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) hat vor kurzem einen Bericht[7] zu diesem Thema veröffentlicht, der zu dem gleichen Ergebnis gelangt.

Auf nationaler Ebene bestehen bereits zahlreiche Projekte zur Verbesserung der Information der Bürger. So werden Online-Informationen über die Rechtssysteme, Rechtsvorschriften und Gerichtsurteile bereitgestellt, Systeme für die elektronische Kommunikation zwischen Streitparteien und Gerichten entwickelt und bestimmte Verfahren bereits vollständig elektronisch abgewickelt. Auch nimmt der Rückgriff auf elektronische Mittel für die Gerichtsprotokollierung zu.

Auf europäischer Ebene entwickeln zurzeit mehrere Berufsverbände besonders interessante Vorhaben für den Informationsaustausch oder Verbundprojekte (siehe beispielsweise die Webseite der Vereinigung der Staatsräte und der obersten Verwaltungsgerichte der Europäischen Union[8], das gemeinsame Rechtsprechungsportal der Verfassungsgerichte der EU[9] oder das europäische Testamentsregister[10]).

Diese Projekte sollten gefördert werden, und erfolgreiche Vorhaben sollten weiter verbreitet und reproduziert werden. Die Schaffung des Rechtsforums[11] bietet hier interessante Möglichkeiten. Innerhalb des Forums wird eine Untergruppe „e-Justiz“ eingesetzt werden, die einen privilegierten Rahmen für den Austausch bewährter Praktiken zwischen einzelstaatlichen Justizsystemen und zwischen Angehörigen der Rechtsberufe bilden soll.

Verstärkte Absprache auf europäischer Ebene und Nutzung der „e-Justiz“ für den Ausbau des europäischen Rechtsraums

Gegenwärtig laufen zahlreiche Projekte auf dem Gebiet der „e-Justiz“. Neben bereits genannten Vorhaben sind hier insbesondere die Projekte auf dem Gebiet der Rechtsdokumentation zu nennen, die von der Europäischen Union[12] oder von institutionellen oder privaten Stellen[13] durchgeführt werden.

Die Kommission unterstützt diese Projekte, hält es jedoch für erforderlich, die Arbeiten, die die Europäische Union im Rechtsbereich durchführt, sichtbarer, leichter zugänglich und effizienter zu machen und den Schwerpunkt bei jenen Projekten zu setzen, die einen konkreten Nutzen für den europäischen Rechtsraum bewirken können. Zwar hat die Zahl der Rechtsvorschriften zum Justizbereich beträchtlich zugenommen, doch die Auswirkungen dieser Rechtsvorschriften sind oftmals begrenzt, weil sich die Umsetzung (insbesondere von Strafrechtsvorschriften) schwierig gestaltet und diese Vorschriften den Juristen häufig nicht bekannt sind. Eine der größten Herausforderungen beim Aufbau einer europäischen Justiz ist daher die Schaffung geeigneter Werkzeuge für eine Verbesserung der praktischen Wirksamkeit von Rechtsvorschriften. Die „e-Justiz“ eröffnet hier erstaunliche Möglichkeiten.

Aus diesem Grund möchte die Europäische Kommission in enger Absprache mit den Mitgliedstaaten und ihren beteiligten Partnern (vor allem Eurojust sowie die Europäischen Netze für Zivil- und Strafsachen) zur Verstärkung und zur Weiterentwicklung der „e-Justiz“-Werkzeuge auf europäischer Ebene beitragen. Dabei möchte sie sowohl die Anstrengungen der Mitgliedstaaten unterstützen als auch eigene IT-Werkzeuge entwickeln. Letztere sollen die Interoperabilität der verschiedenen Systeme verbessern[14], den Zugang der Öffentlichkeit zum Recht und die Kommunikation zwischen Justizbehörden erleichtern sowie beträchtliche Skalenerträge auf europäischer Ebene ermöglichen.

PRIORITÄRE MAßNAHMEN IM ZEITRAUM 2008-2013

Die von der Europäischen Union auf dem Gebiet der „e-Justiz“ ergriffenen Maßnahmen sollen den Bürgern (und insbesondere den Opfern von Straftaten) ermöglichen, auf sachdienliche Informationen zuzugreifen, ohne durch sprachliche, kulturelle oder rechtliche Barrieren, die durch die Vielzahl verschiedener Systeme entstehen können, behindert zu werden. Sie dienen zudem zur Unterstützung von Mechanismen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden.

Ein europäisches „e-Justiz“-Portal für einen besseren Zugang der europäischen Bürger und Unternehmen zur Justiz

Durch die Einrichtung eines „e-Justiz“-Portals für die Öffentlichkeit und die Unternehmen sollen die Sichtbarkeit der EU-Maßnahmen und der Zugang zur Justiz in Europa verbessert werden. Das Portal soll ein fester Bestandteil einer allgemeinen Politik für die Kommunikation über das Internet[15] werden und für den Bürger langfristig den Einstiegspunkt in den europäischen Rechtsraum bilden.

Das Portal soll mindestens drei Funktionen erfüllen:

a) Zugang zu Informationen

Das Portal soll den EU-Bürgern Informationen in ihrer Sprache über die Justizsysteme und -verfahren bieten: Es ist vor allem die Unkenntnis der geltenden Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten, die den EU-Bürger daran hindert, in einem anderen Mitgliedstaat sein Recht einzufordern.

Auf dem Portal werden insbesondere folgende Informationen angeboten werden:

- europäische und nationale Informationen über die Rechte von Opfern in Strafverfahren und ihre Entschädigungsansprüche,

- Informationen über die Grundrechte der Bürger in allen Mitgliedstaaten (Rechte von Beschuldigten in Strafverfahren),

- Informationen über die Grundsätze, die für die Befassung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats oder für die Verteidigung vor einem solchen Gericht gelten.

Darüber hinaus wird das Portal praktische Informationen über zuständige Behörden und die Kontaktaufnahme mit diesen Behörden, die (obligatorische oder fakultative) Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, die Beantragung von Rechtshilfe usw. anbieten.

Einige dieser Informationen sind bereits auf der Homepage des Europäischen Netzes für Zivilsachen abrufbar. Sie werden in das Portal übernommen und durch Informationen über den strafrechtlichen Bereich und die Rechte von Opfern ergänzt werden.

b) Orientierung

Das Portal soll einen Orientierungspunkt für den Zugang zu bestehenden Webseiten der Kommission (Eur-lex, Pre-lex, SCADPlus, Eurovoc und IATE) und der europäischen Justizbehörden sowie zu den verschiedenen justiziellen Netzen und den von diesen geschaffenen Werkzeugen darstellen.

Durch Verlinkung mit den zuständigen Stellen wird das Portal seine Besucher außerdem zu bestimmten, auf europäischer Ebene miteinander verbundenen Registern[16] leiten können.

c) Direkter Zugang zu bestimmten europäischen Verfahren

Auf kurz oder lang wird es möglich werden, vollständig elektronische europäische Verfahren einzuführen. Entsprechende Rechtsgrundlagen gibt es bereits (z.B. die Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen[17] oder die Verordnung zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens[18].

Ebenso sollte die Möglichkeit geprüft werden, bei bestimmten Vorgängen wie der Entrichtung von Verfahrenskosten die Zahlungsabwicklung über das Portal zu ermöglichen oder auf kurz oder lang dem Bürger die Möglichkeit zu bieten, online Einblick in sein Strafregister zu beantragen und diesen in der Sprache seiner Wahl zu erhalten.

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Die „e-Justiz“ im Dienste einer effizienteren justiziellen Zusammenarbeit

Zur Umsetzung der Instrumente für die justizielle Zusammenarbeit müssen geeignete elektronische Werkzeuge geschaffen werden. Die Kommission möchte sich bei der Entwicklung dieser Werkzeuge auf die beiden bestehenden justiziellen Netze und auf Eurojust stützen. Die Schaffung der Werkzeuge muss mit entsprechenden Informations- und Schulungsmaßnahmen einhergehen. Zu diesem Zweck wird die Kommission an die zuständigen nationalen und europäischen Aus- und Fortbildungsstrukturen herantreten und sich insbesondere an das Europäische Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten wenden, um die Schulung von Angehörigen der Rechtsberufe im Umgang mit den neuen „e-Justiz“-Werkzeugen zu intensivieren.

Fortführung der Strafregistervernetzung

Am weitesten vorangeschritten sind die „e-Justiz“-Arbeiten bei der Vernetzung der einzelstaatlichen Strafregister. Hier zeigt sich, wie ein von wenigen Mitgliedstaaten in Angriff genommenes Projekt nach und nach EU-weite Bedeutung erlangen kann.

Die Kommission arbeitet daran, allen Mitgliedstaaten eine rasche Vernetzung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck hat sie mehrere Legislativvorschläge[19] eingebracht, durch die der einschlägige Rechtsrahmen festgelegt und die elektronische Vernetzung ermöglicht werden soll. Mit Blick auf das Inkrafttreten des Rahmenbeschlusses über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister wird die Kommission ferner zwei Machbarkeitsstudien in die Wege leiten, um die weitere Entwicklung des Projekts zu steuern und den Informationsaustausch auf strafrechtlich verurteilte Drittstaatsangehörige auszuweiten.

Dieses Projekt veranschaulicht auf zweierlei Weise den Nutzen des Vorgehens auf europäischer Ebene:

- Der Informationsaustausch kann nur funktionieren, wenn die Homogenität und das gegenseitige Verständnis der ausgetauschten Informationen sichergestellt sind. Wichtige Arbeiten zur Erreichung dieses Ziels sind im Rahmen des einschlägigen Pilotprojekts[20] durchgeführt und im unlängst vorgelegten Vorschlag der Kommission aufgegriffen worden.

- Im Jahr 2009 wird die Kommission den Mitgliedstaaten Software zur Verfügung stellen, mit der sämtliche Strafregister alsbald am Informationsaustausch werden teilnehmen können[21]. Dieses Referenzsystem wird zusammen mit dem für den Informationsaustausch verwendeten System „s-TESTA“ Skaleneffekte ermöglichen, weil den Mitgliedstaaten eigene Entwicklungsarbeiten erspart werden, und die technische Durchführung des Projekts vereinfachen.

Die Kommission misst diesen Arbeiten vorrangige Priorität auf dem Gebiet der „e-Justiz“ bei, weil sie alle Mitgliedstaaten betreffen, die justizielle Zusammenarbeit konkret verbessern und das gegenseitige Vertrauen stärken. Wichtig ist dabei allerdings auch, dass der Informationsaustausch über die justizielle Zusammenarbeit hinausgeht und auch andere Ziele wie den Zugang zu bestimmten Stellen mit einbezieht.

Einrichtung eines Netzes für den sicheren Informationsaustausch zwischen Justizbehörden

Justizbehörden müssen vertrauliche Daten sicher austauschen können. Auf strafrechtlichem Gebiet gibt es bereits verschiedene einschlägige Rechtsakte der EU[22], und nunmehr kommt es darauf an, auf der Grundlage der bisherigen Arbeiten und insbesondere des von Eurojust entwickelten Projekts „EPOC III“ voranzuschreiten. Ein solcher Mechanismus könnte bestimmte Funktionen des Gerichtsatlasses und des Europäischen Kompendiums[23] in sich vereinen und so ein perfektes Hilfsmittel für die Rechtshilfe zwischen Justizbehörden darstellen. Ergänzend könnte langfristig ein virtueller Raum für den Informationsaustausch geschaffen werden, der automatische Übersetzungssysteme einschließen und es somit möglich machen könnte, ein und dieselbe Akte verschiedenen einzelstaatlichen Behörden in ihrer Sprache zur Verfügung zu stellen. Bei dem Projekt werden auch die Arbeiten für den sicheren Austausch von personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen[24] berücksichtigt.

Einfachere Nutzung von Videokonferenzen

Mehrere auf europäischer Ebene angenommene Rechtsvorschriften sehen die Möglichkeit des Rückgriffs auf Videokonferenzen in Gerichtsverfahren[25] vor. Von dieser Möglichkeit wird allerdings aus kulturellen, sprachlichen oder technischen Gründen[26] nur wenig Gebrauch gemacht. Eine unlängst vom Rat durchgeführte Studie[27] hat ergeben, dass der Rückgriff auf Videokonferenzen zwar in den meisten Mitgliedstaaten laut Gesetz möglich ist und dass grenzübergreifende Videokonferenzen ebenfalls erlaubt sind, aber nur selten stattfinden. Dabei spricht vieles dafür, doch häufiger auf diese Möglichkeit zurückzugreifen: Zeit- und Kostenersparnis, weniger Dienstreisen, größere Flexibilität usw.

Aus diesem Grund gilt es, den Justizbehörden die Vorzüge, die der Rückgriff auf diese neuen Technologien bei grenzübergreifenden Zivil- und Strafverfahren bietet, näher zu bringen.

Die Kommission wird die auf einzelstaatlicher Ebene unternommenen Anstrengungen unterstützen und dafür Sorge tragen, dass die gewählten technischen Lösungen eine europaweite Vernetzung ermöglichen. Sie wird in Verbindung mit den Europäischen Netzen für Zivil- und Strafsachen ein Benutzerhandbuch online verfügbar machen, das einen allgemeinen Teil und einen nationalen Teil, in dem die rechtlichen und technischen Nutzungsbedingungen erläutert werden, umfassen wird. Die beiden Gerichtsatlanten werden die Ermittlung der mit der notwendigen Hardware ausgestatteten Gerichte ermöglichen.

Übersetzungshilfe

Die Sprachenvielfalt ist eine große Herausforderung bei der Entwicklung eines europäischen Rechtsraums. Nahezu sämtliche Gerichtsverfahren werden nur in der jeweiligen Landessprache abgewickelt, und die Verwendung einer Fremdsprache wird nur selten zugelassen. Die Kommission plant daher eine Reihe gezielter Maßnahmen für das Übersetzen und das Dolmetschen im Justizbereich.

- Entwicklung automatischer Übersetzungswerkzeuge

Die automatische Übersetzung ermöglicht es, sich rasch – wenngleich nur oberflächlich – mit dem Inhalt eines in einer anderen Sprache verfassten Schriftstücks vertraut zu machen. Ihre Vorteile für den Justizbereich sind erwiesen: Einer umfangreichen Akte können so in aller Kürze sachdienliche Informationen für ein anderes Verfahren entnommen werden, wobei diese Informationen dann allerdings noch einer professionellen Übersetzung zugeführt werden müssen. Auch lassen sich so in wenigen Minuten grundlegende Informationen über den Inhalt eines ausländischen Gerichtsurteils oder eines wichtigen, für ein Gerichtsverfahren benötigten Dokuments gewinnen.

Derartige Werkzeuge sind bereits vorhanden und auch verfügbar, doch sie müssen noch verbessert und auf den Justizbereich zugeschnitten werden. Dazu wird es erforderlich sein, die Kosten der Bereitstellung dieser Werkzeuge für Angehörige der Rechtsberufe und die breite Öffentlichkeit sowie die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen.

- Datenbank der Gerichtsübersetzer und -dolmetscher

Vor allem bei bestimmten selten gesprochenen Sprachen lässt sich nicht immer sofort ein Übersetzer oder Dolmetscher ausfindig machen, wenn ein solcher für ein Gerichtsverfahren benötigt wird. Eine europäische Datenbank der Gerichtsübersetzer und -dolmetscher könnte dies insofern vereinfachen, als die Suche auf die gesamte EU ausgedehnt würde. Zudem könnte so generell die Qualität der Übersetzungen auf dem Gebiet der Justiz verbessert werden, weil es möglich wäre, Übersetzer und Dolmetscher mit besonderer Qualifikation für den Justizbereich ausfindig zu machen. Hierzu müssten ergänzende Studien und nach Möglichkeit ein entsprechendes Pilotprojekt durchgeführt werden, wobei auch die Möglichkeit der Hinzuziehung eines in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen Gerichtsdolmetschers per Videokonferenz geprüft werden sollte.

- Online-Formulare für automatische Übersetzungen

Die meisten Instrumente der Union werden von standardisierten Formularen begleitet, die das gegenseitige Verständnis erleichtern sollen. Um die justizielle Zusammenarbeit effizienter zu machen, müssten diese Formulare vollständig (d.h. einschließlich der auf ihnen gemachten Angaben) automatisch übersetzt werden können. Die Kommission wird sich auf die Europäischen Netze für Zivil- und Strafsachen und auf Eurojust stützen, damit es zu einer systematischen Verwendung von dynamischen Formularen mit vorher festgelegten Textsegmenten und terminologischen Begriffen kommt und Anträge, Ersuchen und Informationen somit rasch in allen Sprachen der EU übermittelt werden können.

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EIN EUROPÄISCHER AKTIONSPLAN FÜR DEN BEREICH DER „E-JUSTIZ“

Dieser Mitteilung liegt ein Vorschlag für einen Aktions- und Zeitplan für die verschiedenen Projekte bei.

Aus Effizienzgründen bedarf es einer klaren Aufgabenverteilung auf die Kommission, die Mitgliedstaaten und die sonstigen Akteure der justiziellen Zusammenarbeit. Die Finanzierung des „e-Justiz“-Vorhabens wird im Rahmen der bestehenden Finanzprogramme „Ziviljustiz“[28] und „Strafjustiz“[29] erfolgen.

Die Kommission wird die allgemeine Koordinierung vornehmen und dabei den Austausch bewährter Praktiken fördern. Nach Maßgabe der geltenden Verfahrensvorschriften werden von den Mitgliedstaaten oder von den zuständigen Berufsverbänden vorgeschlagene Projekte mit Finanzhilfen unterstützt werden können. Auf strafrechtlichem Gebiet wird eine Finanzierung nationaler Projekte für eine stärkere Nutzung von IKT in gewissem Umfang möglich sein. Die beiden Rechtsgrundlagen sehen zudem vor, dass länderübergreifende Projekte auf dem Gebiet der „e-Justiz“, die von den Mitgliedstaaten oder von den zuständigen Stellen getragen werden, finanziert werden können.

Die Kommission wird das „e-Justiz“-Portal konzipieren, einrichten und in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten pflegen. Letztere werden dafür Sorge zu tragen haben, dass die dort angebotenen Informationen über ihre Rechtssysteme stets aktuell sind. Die Kommission wird ferner die Informationen auf den verschiedenen bestehenden Webseiten zum Thema „e-Justiz“ koordinieren und eine geeignete Verlinkung vornehmen. Nach Maßgabe der Ergebnisse der Machbarkeitsstudien werden die erforderlichen IT-Werkzeuge für die europäischen Onlineverfahren von der Kommission entwickelt werden. Das Portal müsste im Rahmen der einschlägigen Programme aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden.

Die Kommission möchte die Vernetzung der Strafregister vorantreiben und zu diesem Zweck die Modernisierungsarbeiten der Mitgliedstaaten unterstützen, ein Referenzsystem entwickeln, das die Mitwirkung aller Beteiligten am Informationsaustausch ermöglicht, und die nötigen Studien, Entwicklungsarbeiten und Legislativarbeiten durchführen, damit das System entwickelt und ein Index von in der Europäischen Union verurteilten Drittstaatsangehörigen erstellt werden kann, dessen Schaffung seit Jahren geprüft wird[30]. Dafür wird weiterhin das Finanzprogramm „Strafjustiz“ herangezogen werden[31].

Die Kommission wird selbstredend auch weiterhin unmittelbar für das Ziviljustiznetz verantwortlich bleiben und das Strafjustiznetz weiterhin unterstützen. Sie wird zudem weiterhin eng mit den Europäischen Netzen für Zivil- und Strafsachen und mit Eurojust zusammenarbeiten, um die erforderlichen Werkzeuge für eine effizientere justizielle Zusammenarbeit (insbesondere die Werkzeuge für die automatische Übersetzung und das System für den sicheren Informationsaustausch) zu entwickeln.

Bei der Halbzeitbewertung der Finanzprogramme wird die Entwicklung des „e-Justiz“-Vorhabens berücksichtigt und seine Finanzierung gegebenenfalls neu evaluiert werden müssen[32]. Mittelfristig könnte in Erwägung gezogen werden, ein horizontales Programm aufzulegen, das sowohl den zivil- als auch den strafrechtlichen Bereich abdeckt.

Anhänge

Anhang 1:

Themenbereich | Projekte | Erforderliche Maßnahmen | Zeitraum |

„e-Justiz“-Portal |

Entwicklung der „e-Justiz“-Webseiten | - Machbarkeitsstudie und Entwicklung des Portals - Einführung von Methoden für die Webseitenpflege - Bereitstellung von Online-Informationen in allen EU-Sprachen | 2008-2011 |

Vernetzung der Strafregister |

Vernetzung der einzelstaatlichen Strafregister | - Unterstützung des Pilotprojekts - Entwicklung eines Referenzsystems durch die Kommission - Machbarkeitsstudie über die technischen Aspekte der Umsetzung des Rahmenbeschlusses - Verstärkung des Systems zwecks Sicherstellung der Qualität der ausgetauschten Daten und des Informationsaustausches zu administrativen Zwecken | 2008-2011 |

Erstellung eines Index von in der Europäischen Union verurteilten Drittstaatsangehörigen | - Machbarkeitsstudie - Vorlage eines Legislativvorschlags | 2009-2010 |

Vernetzung der einzelstaatlichen Datenbanken | (ausschließlich Projekte auf dem Gebiet der „e-Justiz“) |

Vernetzung der Insolvenzregister | Begleitung der von den Mitgliedstaaten durchgeführten Arbeiten | 2009 |

Elektronischer Datenaustausch zwischen Justizbehörden |

elektronische Signatur | - Bestandsaufnahme - Studie über die Verwendung der elektronischen Signatur im justiziellen Bereich | 2009-2011 |

sicheres Netz | Machbarkeitsstudie | 2010-2012 |

Plattform für den virtuellen Informationsaustausch | Machbarkeitsstudie | 2012-2013 |

Übersetzungshilfe |

schrittweise Einführung eines mehrsprachigen Rechtsvokabulars | - Pilotprojekt | 2009-2013 |

Finanzierung von auf den Rechtsbereich zugeschnittenen Übersetzungsprogrammen für alle europäischen Sprachenpaare | - Bestandsaufnahme - technische und rechtliche Machbarkeitsstudie - Pilotprojekt | 2009-2013 |

Schaffung einer Datenbank der Gerichtsübersetzer und –dolmet-scher | Machbarkeitsstudie Pilotprojekt Verbreitung über die Webseiten der europäischen justiziellen Netze | 2009 |

Einführung dynamischer Formulare zu einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften | - Machbarkeitsstudien - Entwicklung von Onlineformularen | 2008-2011 |

Übersetzung der Formulare des Europäischen justiziellen Netzes für Strafsachen und Umwandlung in dynamische Formulare | Verbreitung über das „“e-Justiz“-Portal oder über die Webseiten der Netze | 2009-2011 |

Erstellung dynamischer Formulare für Zivilverfahren | 2010-2012 |

insbesondere für die Onlinebezahlung (europäischer Zahlungsbefehl) | Machbarkeitsstudie über die Gewährleistung der Plattformsicherheit und die sichere Zahlungsabwicklung | 2010 |

Videokonferenzen |

Ausarbeitung von praktischen Hinweisen und Benutzerhandbüchern | - Ausarbeitung der Handbücher durch die Mitgliedstaaten und die Kommission mit Unterstützung von Seiten der Netze - Bereitstellung auf den Webseiten der Netze | 2008-2009 |

Schulung in der technischen und organisatorischen Verwendung durch Experten | keine | 2008-2010 |

Austausch bewährter Praktiken | im „e-Justiz“-Forum | jährliche Sitzungen zu „e-Justiz-Themen“ | 2008-2013 |

Schulung von Juristen in der justiziellen Zusammenarbeit | * Nutzung von Videokonferenzen * Fragen zum Bereich Übersetzen und Dolmetschen einschließlich Schulung in der Rechtsterminologie | Zusammenarbeit mit dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten und den Mitgliedstaaten | 2008-2013 |

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[1] Schlussfolgerungen der Tagungen des Europäischen Rates vom 21./22. Juni und 14. Dezember 2007.

[2] http://ec.europa.eu/civiljustice/

[3] http://ec.europa.eu/idabc/ „Preliminary Study on mutual recognition of e-Signatures for e-Government applications“ (2007) und „eID Interoperability for PEGS“ (2007).

[4] Standardisierungsaspekte von „e-Signature“ (2007).

http://ec.europa.eu/information_society/eeurope/i2010/docs/esignatures/e_signatures_standardisation.pdf

[5] KOM (2007) 807, Abschnitt 4.2; www.ebr.org; www.briteprojet.net.

[6] Dok. 9573/07 JURINFO 17.

[7] „Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien in den EU-Ländern“ (CEPEJ(2007)22Prov).

[8] http://www.juradmin.eu/

[9] http://www.network-presidents.eu/

[10] Vgl. www.cnue.be.

[11] KOM (2008) 38.

[12] EUR-Lex (http://eur-lex.europa.eu), N-Lex (http://eur-lex.europa.eu/n-lex) und die Datenbank JURE.

[13] www.caselex.com.

[14] Die Kommission wird einen Aktionsplan zur Interoperabilität der Projekte „e-Signature“ (elektronische Signatur) und „e-Identity“ vorlegen.

[15] SEK(2007)1742.

[16] Handelsregister - Europäisches Unternehmensregister und Grundbuchregister – EULIS. Der geplante Zugang zum Netz der Insolvenzregister wird entweder direkt über das Portal oder indirekt im Rahmen der hierfür vorgesehenen Möglichkeiten erfolgen.

[17] Verordnung (EG) Nr. 861/2007 (ABl. L 199 vom 31.7.2007).

[18] Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 (ABl. L 399 vom 30.12.2006).

[19] Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten (KOM 2005 (690) endg.) sowie Vorlage für den ECRIS-Beschluss.

[20] Im April 2008 nahmen 13 Mitgliedstaaten an dem Projekt teil.

[21] Den praktischen Nutzen der Vernetzung zeigt schon die Tatsache, dass Frankreich und Deutschland allein im ersten Monat nach Inbetriebnahme des elektronischen Netzes mehr Informationen ausgetauscht haben als in den zehn Jahren zuvor.

[22] Rahmenbeschluss 2002/584/JI vom 13. Juni 2002 und gemeinsame Maßnahme vom 29. Juni 1998 (ABl. L 191 vom 7.7.1998, S. 4).

[23] Das Kompendium ermöglicht die Erstellung standardisierter und einheitlicher Rechtshilfeersuchen.

[24] Siehe http://cordis.europa.eu/ist/trust-security/index.html.

[25] Artikel 10 des Übereinkommens vom 29. Mai 2000, Rahmenbeschluss 2001/220/JI vom 15. März 2001, Artikel 10 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001, Artikel 9 der Richtlinie 2004/80/EG und Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007.

[26] Dok.14602/07, JURINFO 60.

[27] Duropäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007.

[28] Dok.14602/07, JURINFO 60.

[29] Dok. 6355/08, JURINFO 11.

[30] Beschluss 1149/2007/EG (ABl. L 257 vom 3.10.2007).

[31] Beschluss 2007/126/JI (ABl. L 58 vom 24. 2.2007).

[32] KOM(2006) 359 endg.

[33] Für 2008 wurden Haushaltsmittel in Höhe von 15 Mio. € für das Strafregister vorgesehen.

[34] Im Jahr 2008 werden sich die potenziell verfügbaren Mittel aus den beiden Programmen auf insgesamt fast 26 Mio. € belaufen.

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