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Document 52016XE0987

    Entschließung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — Plädoyer für das Schengener Übereinkommen — Ja zu Freizügigkeit — Ja zu Schengen

    ABl. C 133 vom 14.4.2016, p. 1–2 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    14.4.2016   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 133/1


    Entschließung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — Plädoyer für das Schengener Übereinkommen

    Ja zu Freizügigkeit — Ja zu Schengen

    (2016/C 133/01)

    Die Freizügigkeit ist der greifbarste Erfolg der europäischen Integration. Das Schengener Übereinkommen, dank dem sich die Menschen zwecks Arbeit, Studium und Freizeit frei zwischen den Ländern bewegen können und die physischen Hemmnisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr beseitigt werden, ist ein Eckpfeiler des Binnenmarkts, der ein Handelsvolumen von 2,8 Billionen EUR mit 1,7 Mio. Grenzgängern sowie jährlich 57 Mio. grenzüberschreitenden Straßenverkehrsbewegungen umfasst. Die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen hat erheblich dazu beigetragen, Hindernisse abzubauen, die Menschen einander näher zu bringen und die europäische Wirtschaft anzukurbeln. Mehrere Generationen von Europäern sind mit den Vorteilen von Schengen aufgewachsen, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Durch die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen würden geschätzte Kosten in Höhe von 100 Mrd. EUR entstehen, was 0,8 % des BIP entspricht; wir alle würden dabei kulturell, sozial und wirtschaftlich verlieren.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss billigt vorbehaltlos die Grundsätze, die die Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens von 1985 dazu bewogen haben, „in dem Bewusstsein, dass die immer engere Union zwischen den Völkern der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ihren Ausdruck im freien Überschreiten der Binnengrenzen durch alle Angehörigen der Mitgliedstaaten und im freien Waren- und Dienstleistungsverkehr finden muss“ und „in dem Bestreben, die Solidarität zwischen ihren Völkern dadurch zu bekräftigen, dass die Hindernisse für den freien Verkehr über die gemeinsamen Grenzen zwischen den Staaten […] aufgehoben werden“ mit diesem Übereinkommen die Einung der Völker und die Solidarität zwischen den Völkern anzustreben. Dies nun wieder in Frage zu stellen könnte daher — abgesehen von den erschreckenden wirtschaftlichen Folgen — auch der Solidarität und der Union selbst einen möglicherweise verhängnisvollen Schlag versetzen.

    Der Ausschuss billigt außerdem vorbehaltlos den Grundsatz, der die Unterzeichnerstaaten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dazu bewogen hat, die Absicht zum Ausdruck zu bringen, dass „die Union […] eine Politik [entwickelt], mit der sichergestellt werden soll, dass Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit beim Überschreiten der Binnengrenzen nicht kontrolliert werden“, wobei die wirksame Überwachung des Grenzübertritts an den Außengrenzen sichergestellt werden soll (Artikel 77 Absatz 1).

    Die Mitglieder des EWSA als Vertreter der europäischen Zivilgesellschaft sehen den Druck auf das Schengener Übereinkommen deshalb mit wachsender Sorge. Der EWSA appelliert an die europäischen Regierungen, dem populistischen Druck und den Ängsten nicht nachzugeben, sondern die Rechte zu verteidigen, für die wir gekämpft haben. Der Ausschuss räumt ein, dass die jüngsten Ereignisse ernste Fragen in Bezug auf Lücken im europäischen Grenzsystem wie auch hinsichtlich unserer Fähigkeit aufgeworfen haben, die Bewegungen derjenigen, die Schaden anrichten wollen, wirksam zu überwachen. Diese Sorgen müssen ernst genommen werden, aber Schengen ist nicht das Problem und sollte nicht zum Sündenbock gemacht werden. Die EU-Organe müssen eine schrittweise Aushebelung des Schengen-Besitzstands und damit des Binnenmarktes, die letztendlich uns allen schaden würde, um jeden Preis verhindern.

    Es darf nicht sein, dass der Schengen-Raum nur so stark ist wie sein schwächstes Glied. Der Schutz der Grenzen der Europäischen Union sollte als gemeinsame Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung aller Mitgliedstaaten wahrgenommen werden. Die von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen zur Errichtung und Verstärkung einer leistungs- und einsatzfähigen Frontex müssen eingehalten werden. Ohne effiziente Kontrollen an den Außengrenzen wird die Union nicht in der Lage sein, denjenigen Flüchtlingen Zugang zu gewähren, die Hilfe brauchen. Wirksame Kontrollen an den Außengrenzen sind letztendlich eine Vorbedingung für die Beibehaltung des Schengen-Systems. Die Sicherung der Grenzen darf jedoch nicht zur Errichtung von Schranken gegen diejenigen führen, die im Einklang mit der Genfer Konvention aus humanitären Gründen des Schutzes bedürfen.

    Wir müssen zu kühnen Lösungen bereit sein, die die Wahrung unserer Rechte und den Schutz unserer Union ohne Binnengrenzen sicherstellen, damit die Menschen frei und ungehindert arbeiten, Handel treiben, studieren und Gedanken, Waren und Dienstleistungen austauschen können. Es geht hier um unser Europa, unser Schengen und unsere Sozial- und Grundrechte.

    Deshalb ruft der Ausschuss die europäischen und nationalen Organisationen der Zivilgesellschaft auf, ihre Unterstützung nicht nur für die Erhaltung, sondern auch für die Konsolidierung des Schengen-Raums und seine Erweiterung zu bekunden. Er für seinen Teil verpflichtet sich, bei den Organen der Europäischen Union und insbesondere dem Rat darauf hinzuwirken, dass die Mitgliedstaaten den Grundsätzen der Verträge und Übereinkommen treu bleiben, die den unverbrüchlichen Besitzstand der Union der Völker Europas ausmachen.

    Brüssel, den 17. Februar 2016

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Georges DASSIS


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