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Document 52010IE1622

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie der EU“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 54 vom 19.2.2011, p. 20–23 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    19.2.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 54/20


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie der EU“

    (Initiativstellungnahme)

    (2011/C 54/04)

    Berichterstatter: Armands KRAUZE

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 18. Februar 2010 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    „Die Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie der Europäischen Union“

    (Initiativstellungnahme).

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 17. November 2010 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 467. Plenartagung am 8./9. Dezember (Sitzung vom 9. Dezember) mit 133 gegen 3 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln sollte auch weiterhin ein Hauptziel der EU-Agrarpolitik sein. Angesichts der großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten hinsichtlich der globalen Ernährungssicherheit muss die Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 weiterhin gewährleistet werden.

    1.2   Eine nachhaltige landwirtschaftliche Erzeugung und gut funktionierende Agrarmärkte bilden die Grundlage für die Ernährungssicherheit in der EU. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Zukunft benötigt wirkungsvolle Marktlenkungsmechanismen, um das Funktionieren der landwirtschaftlichen Märkte und die Preisstabilität sicherzustellen. Die Regeln für den Handel mit Agrarerzeugnissen sollen die Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft in allen Ländern und Situationen sicherstellen.

    1.3   Um sämtlichen künftigen Herausforderungen begegnen und die Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie in allen Mitgliedstaaten gewährleisten zu können, braucht die EU eine starke GAP. Die GAP sollte auch in Zukunft eine Schlüsselpolitik der EU bleiben und benötigt dafür eine angemessene Mittelausstattung.

    1.4   Der Schlüssel zur Ernährungssicherheit ist die nachhaltige örtliche Lebensmittelerzeugung weltweit. In der Europäischen Union sollte die diversifizierte landwirtschaftliche Erzeugung beibehalten und EU-weit gefördert werden. Entlegene Regionen und besonders benachteiligte Gebiete sollten stärker berücksichtigt werden.

    1.5   Die Europäische Union muss stärker als bisher auf systematische Vorbereitungsmaßnahmen für die Ernährungssicherheit setzen, um die landwirtschaftliche Erzeugung und die Funktionsfähigkeit der gesamten Lebensmittelindustrie, auch in verschiedenen Not- und Ausnahmesituationen, gewährleisten zu können. Praktische Maßnahmen (Lagerhaltung, landwirtschaftliche Infrastruktur, Schulung usw.) sollten jedoch Aufgabe der Mitgliedstaaten bleiben. Die Schaffung neuer EU-Rechtsvorschriften zur Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie ist derzeit nicht erforderlich.

    1.6   Die Mitgliedstaaten können die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums als Instrument zur Förderung von Maßnahmen zur Unterstützung und Verbesserung der Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie einsetzen. Die Mitgliedstaaten sollten diese Möglichkeit im Rahmen ihrer Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums nutzen.

    1.7   Die Landwirtschaft könnte wesentlich zu einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung in der EU beitragen und die Abhängigkeit der EU von importierten fossilen Brennstoffen reduzieren. Auf Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe kann Energie aus eigener Erzeugung einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Um die Nutzung von Bioenergie in landwirtschaftlichen Betrieben zu fördern, sollten Bioenergietechnologien weiter entwickelt werden. Bioenergie sollte nachhaltig gewonnen werden und es sollte stärker darauf geachtet werden, dass die Nebenprodukte der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung besser genutzt werden, um Umweltverschmutzung und CO2-Emissionen zu reduzieren.

    2.   Einleitung

    2.1   Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie bedeutet, dass für die Verfügbarkeit erschwinglicher Nahrungsmittel gesorgt und der Hunger beseitigt wird. In der EU werden dank der GAP die meisten landwirtschaftlichen Erzeugnisse in ausreichender Menge erzeugt, um die Bürger in der EU zu versorgen. Ernährungssicherheit als öffentliches Gut wird nicht über den Markt honoriert, jedoch durch die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie als Leistung zum Wohl der Gesellschaft erbracht. Sie wird ein Kernziel der GAP nach 2013 (1) sein.

    2.2   Die Ernährungssicherheit wird die zentrale Herausforderung der kommenden Jahrzehnte für die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie sein. Infolge von Lebensmittel- und Wirtschaftskrisen leiden weltweit mehr als eine Milliarde Menschen Hunger.

    2.3   Zur Ernährungssicherheit gehört zum einen die für ein gesundes Leben ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und zum anderen deren Unbedenklichkeit und Sicherheit. Es handelt sich um ein kompliziertes Thema, in das zahlreiche andere Faktoren wie Ölproduktion, Logistik usw. hineinspielen. Kommt es in wichtigen Anbaugebieten aufgrund unerwarteter Krisen zu logistischen oder produktionstechnischen Problemen, erschwert sich für Millionen Menschen, insbesondere für die Stadtbevölkerung, die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Das Fundament der globalen Ernährungssicherheit ist eine nachhaltige örtliche Lebensmittelerzeugung (2).

    3.   Eine Herausforderung für die globale Nahrungsmittelproduktion

    3.1   Laut Prognosen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO wird die Weltbevölkerung bis 2050 auf beinahe 9,5 Mrd. Menschen anwachsen, für deren Ernährung die derzeitige weltweite Nahrungsmittelerzeugung verdoppelt werden muss. Besonders in den Städten der Entwicklungsländer findet ein rasantes Bevölkerungswachstum statt. Die Landwirte werden großen Erwartungen und einem hohen Druck ausgesetzt sein, intensiver Landwirtschaft zu betreiben. Die Produktivität der Landwirtschaft muss gesteigert werden, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Der stärkeren Erschließung von Anbauflächen stehen aber andere Verwendungszwecke im Wege, und ohnehin herrscht Mangel an geeigneten Anbauflächen.

    3.2   Überall muss stärker in die Landwirtschaft investiert werden, vor allem aber in den Entwicklungsländern, wo das Potenzial für Produktionssteigerungen bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Außerdem müssen die Entwicklungsländer ihre ländlichen Infrastrukturen, den Zugang zu einem modernen Produktionsumfeld, die nachhaltige Bodenbewirtschaftung und insbesondere den Zugang zu Wasser, ihre Bildungssysteme sowie das Funktionieren ihrer Agrarmärkte verbessern. Die langfristig zentrale Frage für die Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern ist jedoch die Verfügbarkeit und der Zugang zu Nahrungsmitteln. Die allgemeine Entwicklung und die Anhebung der Einkommensniveaus in den ärmsten Ländern sind das wirkungsvollste Mittel zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit. Der Landwirtschaft kommt eine besonders wichtige Rolle bei der Gewährleistung der Ernährungssicherheit zu - allerdings kann sie diese nicht alleine sichern (3).

    3.3   In der Abschlusserklärung des FAO-Ernährungsgipfels 2009 wird die Verantwortung für die Nahrungsmittelerzeugung den einzelnen Ländern zugewiesen.

    3.4   Nahrungsmittel- und Wirtschaftskrisen sowie die wechselnde Weltlage haben heute zu der Erkenntnis geführt, dass alle Länder und Gebiete, darunter auch die weniger begünstigten, das Recht und sogar die Pflicht zu einer eigenen Nahrungsmittelerzeugung haben. Es müssen mehr Nahrungsmittel erzeugt werden als heute, und zwar auf eine nachhaltigere Weise.

    3.5   Neben der wachsenden Weltbevölkerung sind der Klimawandel und die begrenzten natürlichen Ressourcen eine zentrale Herausforderung für die Ernährungssicherheit. Der Klimawandel könnte insbesondere in den Entwicklungsländern, von denen einige besonders schlecht für die Anpassung an seine Auswirkungen gerüstet sind, einen entscheidenden Einfluss auf das Nahrungsmittelangebot haben. Die Landwirtschaft muss danach streben, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern. Gleichzeitig kann die Landwirtschaft aber in Bezug auf die Emissionen ein Teil der Lösung sein, da über sie auch Kohlenstoff im Erdreich gebunden wird. Die Landwirtschaft wird effizienter und zugleich mit weniger Emissionen produzieren müssen. Sie muss das Ihrige zur Verbesserung der Luft- und Wasserqualität, zur Bewahrung der Artenvielfalt sowie zur Verhinderung der Erosion beitragen. Weitere zentrale Herausforderungen für die Ernährungssicherheit sind das ausreichende Vorhandensein von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und Süßwasser.

    3.6   Innovationen in der Landwirtschaft sind ausschlaggebend für Antworten auf die Fragen Ernährungssicherheit und Klimawandel. Von zentraler Bedeutung sind Innovationen in der Tier- und Pflanzenzucht, in der Bewässerungstechnik, im Umgang mit Überflutungen sowie hinsichtlich der Resistenz gegenüber Hitze und Kälte, Diversifizierung der traditionellen Anbaumethoden usw. Eine Lösung für die Probleme der Zukunft könnten effizientere Pflanzenzuchtverfahren sein, mit deren Hilfe die landwirtschaftliche Produktivität erheblich gesteigert werden könnte.

    4.   Der Begriff der Versorgungssicherheit

    4.1   Die Ernährungssicherheit ist für alle Völker auf der Welt in höchstem Maße eine strategische Frage. Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln ist Teil eines weiter gefassten Sicherheitskonzepts. Probleme im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln führen schnell zu gesellschaftlicher Instabilität und zum Chaos. Die Gewährleistung der Nahrungsmittelversorgung, auch in Krisen- und Ausnahmesituationen, ist die Pflicht der Gesellschaft.

    4.2   In einer modernen, vernetzten Wirtschaft hängt die Ernährungssicherheit von vielen Faktoren ab. Ernährungssicherheit erfordert eine stabile Energieversorgung (Öl und Elektrizität), IT, effiziente Logistik, gute Hygiene und ein funktionierendes Frühwarnsystem, um die Gesellschaft vor schädlichen Nahrungsmitteln zu schützen. Der Schutz von Schlüsselinfrastrukturen in der Landwirtschaft und im Nahrungsmittelsektor und konkrete Maßnahmen vor Ort sind Aufgabe der Mitgliedstaaten.

    4.3   Die Gesellschaft hat allen Grund, sich auf Notsituationen in der Nahrungsmittelversorgung einzustellen. Es sind diese Vorbereitungsmaßnahmen, auf die der Begriff Versorgungssicherheit abzielt. Zumeist wird darunter die Sicherstellung des Materialflusses (z.B. durch Anlegen von Sicherheitsvorräten) verstanden, während im weiteren Sinne mit Versorgungssicherheit die Fähigkeit gemeint ist, wirtschaftliche Kernfunktionen der Gesellschaft, die für das Überleben der Bevölkerung sowie für die Funktionsfähigkeit und die Sicherheit der Gesellschaft unerlässlich sind, aufrechtzuerhalten. Die Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Lebensmitteln ist demnach die Fähigkeit, die Lebensmittelerzeugung und das Funktionieren der gesamten Lebensmittelbranche auch in Not- und Ausnahmesituationen zu gewährleisten.

    5.   EU-Agrarpolitik und Versorgungssicherheit

    5.1   Die Europäische Union bereitet sich derzeit auf eine abermalige Reform ihrer GAP vor, die ab 2013 gelten soll. Die Kommission legte im November 2010 eine Mitteilung zur künftigen Agrarpolitik vor. Die einschlägigen Rechtsetzungsinitiativen dürfte die Kommission in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres vorlegen. Ein Beschluss des Rat und des Europäischen Parlaments in dieser Angelegenheit wird für 2012 erwartet. In der EU wird eine ausreichende Nahrungsmittelerzeugung auch in Zukunft durch die Maßnahmen im Rahmen der GAP sichergestellt werden.

    5.2   Die bereits im Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaft verankerten Ziele der EU-Landwirtschaftspolitik wurden letztes Jahr im Vertrag von Lissabon erneut bekräftigt:

    Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft

    Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung

    Stabilisierung der Märkte

    Sicherstellung der Versorgung

    Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen.

    5.3   Klar ist, dass sich der globale Wandel und die sich daraus ergebenden Herausforderungen auch in einer Neuausrichtung der europäischen Landwirtschaftspolitik niederschlagen müssen, wenngleich die oben genannten Grundziele nichts von ihrer Notwendigkeit und Aktualität eingebüßt haben. Die europäische Agrarpolitik stand im Laufe der Jahre oft im Kreuzfeuer der Kritik, so auch bei den Handelsverhandlungen. In der Praxis konnten aber die Ziele der GAP in mehr als zufrieden stellendem Umfang erreicht werden. Durch die Gemeinsame Agrarpolitik wurde die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in der EU trotz Preisschwankungen auf den Weltmärkten und sonstigen Krisen gewährleistet. Mithilfe der GAP konnte die Versorgungssicherheit in der EU erreicht werden, wenngleich die EU nicht in allen landwirtschaftlichen Bereichen und Aspekten Selbstversorger ist. Hierbei muss die Europäische Union außerdem berücksichtigen, dass die Versorgungssicherheit in Ländern am Rande der EU in Zeiten heftiger Preisschwankungen oft Probleme bereitet.

    5.4   Die Weltmärkte werden in Zukunft immer offener sein. Wahrscheinlich werden künftige Handelsabkommen Produkten aus Drittländern leichteren Zugang zum Gemeinschaftsmarkt gewähren (sofern die Kriterien der Lebensmittelsicherheit erfüllt sind), während die europäischen Landwirte im Gegenzug Zugangsmöglichkeiten zu anderen Märkten erhalten werden. Weltweit sorgen die demografische Entwicklung und die Märkte für eine Verlagerung der landwirtschaftlichen Produktionsschwerpunkte und der Nahrungsmittelnachfrage. Die gegenseitige Abhängigkeit der Gesellschaften und Volkswirtschaften nimmt zu. Durch den Klimawandel kommt es zunehmend zu extremen Wetterverhältnissen. Da die Zunahme des internationalen Handels an sich noch keine Garantie für die sichere Nahrungsmittelversorgung ist, dürften die Preisschwankungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen sowie die Unsicherheit auf den Märkten in der Zukunft noch zunehmen. In der künftigen Agrarpolitik der Europäischen Union sind daher Mechanismen gefragt, die die Märkte stabilisieren. Die Europäische Union darf keine Quelle der Unsicherheit auf den globalen Nahrungsmittelmärkten sein, sondern muss im Gegenteil aktiv zur ihrer Beseitigung beitragen.

    5.5   Die EU ist der weltweit größte Importeur und Exporteur von Nahrungsmitteln. Dadurch, dass sie ihre Agrarmärkte im Gleichgewicht hält und deren Funktionieren sichert, kann die EU am besten zur Stabilität der globalen Nahrungsmittelmärkte und zur Verhinderung von Nahrungsmittelkrisen beitragen. Die EU sollte zudem einen deutlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung der globalen Nahrungsmittelsicherheit leisten.

    5.6   Auch in Zukunft werden bei den europäischen Verbrauchern hochwertige, nahrhafte und sichere Lebensmittel gefragt sein. Ein Anliegen der künftigen Landwirtschaftspolitik muss es sein, dass die gesamte Erzeugung auf die Bewahrung der Umwelt (Luft, Boden, Wasser) sowie das Wohlergehen von Nutztieren ausgerichtet wird. Die Standards in der EU liegen über den globalen Standards und schlagen deshalb beim europäischen Verbraucher mit höheren Kosten zu Buche. Durch die europäische Landwirtschaftspolitik müssen Ausgleichsmechanismen in der Landwirtschaft und im Handel für europäische und Importprodukte geschaffen werden. Die Herausforderung für die EU besteht darin, existierende Instrumente (z.B. Handelsabkommen) anzuwenden und neue Instrumente zu entwickeln, durch die andere Nahrungsmittel erzeugende Länder dazu bewegt werden, dieselben Normen einzuhalten, die für europäische Erzeuger gelten.

    5.7   Die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums (Pfeiler 2 der GAP) wird auch weiterhin von großer Bedeutung für eine ausgeglichene Entwicklung der ländlichen Gebiete sein. Die ländlichen Gebiete sind ein wichtiger Teil Europas. Mehr als 60 % der Bevölkerung der jetzigen EU-27 lebt in den ländlichen Gebieten, die 90 % des Gesamtterritoriums der EU ausmachen. Eine Politik der Entwicklung des ländlichen Raums, die die verschiedenen Situationen in den Mitgliedstaaten stärker berücksichtigt, könnte in der Zukunft sogar noch bedeutungsvoller werden. Diese Politik wird für die Beschäftigung in ländlichen Gebieten immer wichtiger und wird auch stärker zur Diversifizierung der sich bietenden wirtschaftlichen Möglichkeiten beitragen. Die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums könnte als Werkzeug der EU genutzt werden, um die Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie zu fördern.

    5.8   Angesichts der großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten bezüglich der globalen Ernährungssicherheit muss den Belangen der Versorgungssicherheit in der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik auch weiterhin Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung gehört zu den Grundzielen der europäischen Landwirtschaftspolitik. Die Europäische Union muss stärker als bisher auf systematische Vorbereitungsmaßnahmen setzen, um die landwirtschaftliche Erzeugung und die Funktionsfähigkeit der gesamten Lebensmittelindustrie, auch in verschiedenen Not- und Ausnahmesituationen, gewährleisten zu können. Zu diesem Zweck müssen einschlägige Mechanismen vorhanden sein. Ein zentrales Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik sollte die Bewahrung einer vielfältigen landwirtschaftlichen Erzeugung und deren Förderung im gesamten Unionsgebiet sein. Die Bewahrung der großen Vielfalt hochwertiger Nahrungsmittel aus den verschiedenen ländlichen Gebieten der EU, die den EU-Bürgern zur Auswahl stehen, ist die richtige strategische Lösung für die EU-Nahrungsmittelpolitik. Dadurch würde auch die Versorgungssicherheit gewährleistet.

    5.9   Langfristig erfordert die Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie eine nachhaltige landwirtschaftliche Erzeugung. Neben der Umweltnachhaltigkeit sind auch die wirtschaftliche und die soziale Dimension von Bedeutung. Der Rolle der Landwirtschaft bei der Anpassung an den Klimawandel und dessen Abschwächung sollte mehr Beachtung geschenkt werden. Auch für die Erzeugung von Bioenergie sind Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie von Belang. Die Ziele der EU-2020-Strategie sollten sich überall in der Agrarpolitik reflektieren.

    5.10   Durch die Erzeugung von Bioenergie ist die Landwirtschaft in der EU zu einem wichtigen Akteur bei der Einführung von Technologien im Bereich erneuerbare Energien geworden. Die nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie kann einen großen Beitrag zur Reduzierung der Abhängigkeit der EU von importierten fossilen Brennstoffen und zur Gewährleistung einer sicheren Energieversorgung für die Verbraucher in der EU leisten. Die Umwandlung von landwirtschaftlichen Abfällen und Nebenprodukten, (Dung und Jauche, Abfälle der Lebensmittelindustrie usw.) in Bioenergie wird dazu beitragen, die Umweltverschmutzung und die CO2-Emissionen zu reduzieren.

    Brüssel, den 9. Dezember 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


    (1)  Am 31. Mai 2010 fand in Helsinki im Zusammenhang mit der Erarbeitung dieser Stellungnahme ein Seminar zu der Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie der EU statt.

    (2)  Definition laut FAO-Ernährungsgipfel.

    (3)  ABl. C 100 vom 30.4.2009, S. 44.


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