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Document 52010AE0632

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „25. Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2007)“ KOM(2008) 777 endg.

    ABl. C 18 vom 19.1.2011, p. 95–99 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    19.1.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 18/95


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „25. Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2007)“

    KOM(2008) 777 endg.

    2011/C 18/17

    Berichterstatter: Christoph LECHNER

    Die Europäische Kommission beschloss am 18. November 2008 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „25. Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2007)“

    KOM(2008) 777 endg.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. März 2010 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 462. Plenartagung am 28./29. April 2010 (Sitzung vom 29. April) mit 120 gegen 4 Stimmen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Einige Mitgliedstaaten haben immer noch Schwierigkeiten, Regeln zur Umsetzung der Bestimmungen von Richtlinien zu konzipieren. Diese bieten in der Umsetzung verschiedene Möglichkeiten von fakultativen Bestimmungen, die den Mitgliedstaaten bei der Wahl der nationalen Umsetzungsmaßnahmen einen relativ großen Spielraum lassen, bis zu verfügenden bzw. unbedingten Bestimmungen. Dabei muss ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einer unbesehenen Übernahme und einer allzu freien Umsetzung gefunden werden.

    1.2   Der Ausschuss unterstützt die Prioritäten der Kommission,

    das Problem der stark verspäteten Umsetzung von Richtlinien anzugehen;

    verstärkt Präventivmaßnahmen zu ergreifen, einschließlich der Auswertung von Durchführungs- und Konformitätsproblemen im Zuge der Folgenabschätzungen;

    das Informations- und informelle Problemlösungsangebot für Bürger und Unternehmen zu verbessern, und

    vorrangig die wichtigsten Fälle zu bearbeiten und in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten darauf hinzuwirken, dass Verstöße schneller abgestellt werden.

    1.3   Der Ausschuss begrüßt die Versicherungen der Kommission, wonach Problemen mit weitreichenden Auswirkungen auf die Grundrechte und den freien Personenverkehr weiterhin Priorität eingeräumt wird und dass Verstößen, bei denen Bürger in großem Umfang oder wiederholt geschädigt oder in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt werden, Priorität beigemessen wird.

    1.4   Der Ausschuss regt einen initiativeren Ansatz an, u.a.:

    auf Gemeinschaftsebene Rechtsvorschriften auszuarbeiten, die leichter umsetzbar sind;

    von Beginn an eine präzise und ständig aktualisierte Korrelationstabelle zu erstellen;

    die durch gezielte Verweisung auf die verfügenden bzw. unbedingten Bestimmungen der Richtlinie erfolgende Umsetzung zulassen.

    1.5   Der Ausschuss verweist aber auch auf jene Bereiche, in denen die Planung, Konzipierung und Umsetzung von Rechtsvorschriften nach dem proaktiven Ansatz erfolgen sollte; vor diesem Hintergrund räumt der EWSA ein, dass Vorschriften und Regelungen nicht immer der einzige, geschweige denn stets der beste Weg zur Erreichung der gewünschten Ziele sind.

    1.6   Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Kommission die Abwicklung von Vertragsverletzungsverfahren verbessern sollte, insbesondere was die Anwendung des beschleunigten Verfahrens im Falle einer verspäteten Umsetzung betrifft.

    1.7   Der Ausschuss sieht weitere Mechanismen zur Problemlösung wie SOLVIT, IMI, das empfohlene Informationsaustauschsystem bei der Entsendung von Arbeitnehmern und EU PILOT als gute Möglichkeiten an, die Arbeitsbelastung der Kommission bei der Behandlung von Verstoßverfahren zu verringern.

    1.8   Der Ausschuss hält es für erforderlich, die Art und Weise, in der der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit über das „Europa-Portal“ Informationen über die unterschiedlichen Beschwerdeverfahren zur Verfügung gestellt werden, zu verbessern, wobei die Ausnahmeregelung zu berücksichtigen ist, die auf dem Schutz des öffentlichen Interesses beruht, so wie dies in Gerichtsurteilen definiert wurde.

    1.8.1   Weiters schlägt der Ausschuss vor, das Informationsangebot auf der entsprechenden Website weiter auszubauen und die von der Kommission im Zusammenhang mit Verstößen getroffenen Entscheidungen von der Registrierung der Beschwerde bis zum Abschluss des Verletzungsverfahrens dort zu veröffentlichen.

    1.9   Weiters sollten unionsweite kollektive Rechtsbehelfe geprüft werden, um die das Verbraucher- und Wettbewerbsrecht betreffenden derzeit in Vorbereitung befindlichen Initiativen zur Stärkung der Selbstregulierungsmechanismen in den Mitgliedstaaten zu ergänzen.

    1.10   Der Ausschuss schlägt vor, dass die Kommission in Zukunft regelmäßig den Ausschuss zu einer Stellungnahme zum Jahresbericht einlädt, um die Sicht der organisierten Zivilgesellschaft und dadurch die Rechtsanwendung in der EU zu unterstützen.

    2.   Bericht der Kommission  (1)

    2.1   Als Hüterin der Verträge wacht die Kommission über die Einhaltung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union und vergewissert sich, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen des Vertrags und das Sekundärrecht beachten. Die Bestimmungen des Vertrags ergeben zusammen mit 10 000 Verordnungen und mehr als 1 700 Richtlinien ein umfangreiches Rechtskorpus, das in inzwischen 27 Mitgliedstaaten Geltungskraft hat. Mannigfache und vielfältige Probleme und Herausforderungen bei der Anwendung des Rechts sind somit unvermeidbar. In bestimmten Bereichen ist die Umsetzung mit besonderen Herausforderungen verbunden.

    2.2   Im September 2007 nahm die Kommission die Mitteilung „Ein Europa der Ergebnisse – Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ (2) an, in dem sie ankündigte, „in ihrem Jahresbericht die schwerpunktmäßige Behandlung strategischer Probleme, die Bewertung der Rechtsanwendung in verschiedenen Sektoren, die Prioritäten und Programmierung künftiger Arbeiten einschließlich der Überprüfung von Rechtsbereichen, in denen es häufig zu Verstößen kommt, aus(zu)weiten“, um „den strategischen interinstitutionellen Dialog darüber, wie das Gemeinschaftsrecht seine Ziele erreicht, über die auftretenden Probleme und möglichen Lösungsansätze (zu) unterstützen“.

    2.3   In diesem Bericht wird herausgestellt, welche die Herausforderungen bei der Rechtsanwendung sind und in welchen Bereichen, nämlich 1) Prävention, 2) Information und Problemlösung für Bürger und 3) Setzung von Prioritäten bei der Bearbeitung von Beschwerden und Verstößen vorrangig gehandelt werden muss. Zudem werden die Bedeutung einer festen Partnerschaft zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten hervorgehoben, die in Expertengremien zusammenarbeiten, um die Rechtsinstrumente zu steuern und vorausgreifende Lösungsansätze zu entwickeln.

    2.4   Analyse nach Sektoren: Sehr umfangreich sind die Beschwerden und Vertragsverletzungsverfahren in den Bereichen Umwelt, Binnenmarkt, Steuern und Zollunion, Energie, Verkehr, Beschäftigung, Soziales und Gleichberechtigung, Gesundheit und Verbraucherfragen sowie Recht, Freiheit und Sicherheit. In einigen anderen Bereichen wie Landwirtschaft, Bildung und Kultur gibt es kaum Verzögerungen bei der Umsetzung der Richtlinien (3).

    2.4.1   Wegen verspäteter Umsetzung von Richtlinien gab es 2007 in den folgenden Bereichen neue Vertragsverletzungsverfahren:

    206 im Bereich Binnenmarkt und Dienstleistungen,

    227 im Bereich der Gemeinschaftsvorschriften über den freien Warenverkehr,

    mehr als 330 auf dem Gebiet der Gesundheit und des Verbraucherschutzes,

    125 im gemeinschaftlichen Umweltrecht.

    2.5   Folgende Beispiele illustrieren das unterschiedliche Ausmaß der Umsetzungsschwierigkeiten und die Folgen für die Bürger.

    Öffentliches Beschaffungswesen:

    2007 wurden 344 Fälle von Vertragsverletzungen im öffentlichen Beschaffungswesen behandelt. Davon konnten 142 (41 %) abgeschlossen werden; nur 12 (ca. 3,5 %) wurden an den Gerichtshof verwiesen. Bei rund 200 dieser 344 Fälle handelte es sich tatsächlich um Vertragsverletzungen, 25 % davon waren vorrangige Fälle.

    Hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinien über das öffentliche Beschaffungswesen (4) im Jahr 2007 konnten die offenen Verletzungsverfahren gegen sieben der zehn Mitgliedstaaten, die die nationalen Umsetzungsmaßnahmen nicht fristgerecht mitgeteilt hatten, abgeschlossen werden. Ende 2007 hatten nur drei Mitgliedstaaten - Belgien, Luxemburg und Portugal - ihre Umsetzungsmaßnahmen immer noch nicht mitgeteilt. Seitdem ist Luxemburg der einzige Mitgliedstaat, gegen den weiterhin ein Verletzungsverfahren läuft (5).

    Verbraucherfragen:

    Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (6) endete am 12. Juni 2007. Zu diesem Zeitpunkt hatten 22 Mitgliedstaaten die Kommission nicht über Umsetzungsmaßnahmen unterrichtet. Deshalb übermittelte ihnen die Kommission ein offizielles Mahnschreiben; daraufhin informierten sechs Mitgliedstaaten vor Ende des Jahres 2007 über Umsetzungsmaßnahmen.

    2007 überprüfte die Kommission auch die Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in den zehn Staaten, die der EU im Mai 2004 beigetreten sind. Sie stellte unterschiedlich große Umsetzungsprobleme in neun der zehn Mitgliedstaaten fest und versandte Schreiben vor Einleitung eines Verletzungsverfahrens.

    In Bezug auf die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (7) wurde eine Reihe potenzieller Umsetzungsprobleme ermittelt; allerdings kam es 2007 hinsichtlich dieser Richtlinie zu keinen Beschwerden, in denen Bürger, ihre Unzufriedenheit mit der Umsetzung geäußert hätten.

    2.6   Die dem Bericht als Anhänge beigefügten Arbeitspapiere der Kommissionsdienststellen enthalten weitere Einzelheiten zur Lage in den diversen Bereichen des Gemeinschaftsrechts sowie die Listen und Statistiken zu den Vertragsverletzungsfällen (8).

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1   In dem Bericht sowie den im Anhang enthaltenen, teilweise schwer verständlichen Arbeitsdokumenten wird deutlich, dass einige Mitgliedstaaten immer noch Schwierigkeiten haben, Regeln zur Umsetzung der Bestimmungen von Richtlinien zu konzipieren. In der Theorie mag die Übertragung einfach erscheinen; in der Praxis kommt es jedoch vor, dass gemeinschaftsrechtliche Begriffe in der innerstaatlichen Rechtsterminologie keine Entsprechung haben (9) oder dass für die Ermittlung des Sinnes und der Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird (10).

    3.2   In Bezug auf die Umsetzung bieten Richtlinien verschiedene Möglichkeiten von fakultativen Bestimmungen, die den Mitgliedstaaten bei der Wahl der nationalen Umsetzungsmaßnahmen einen relativ großen Spielraum lassen, bis zu verfügenden bzw. unbedingten Bestimmungen, beispielsweise Begriffsbestimmungen, Verzeichnisse oder Tabellen mit Stoffen, Gegenständen und Produkten, die den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegen, „einfache Umsetzungsmaßnahmen“ zu ergreifen, um den Bestimmungen der Richtlinie gerecht zu werden.

    3.3   Neue Bestimmungen müssen Rechtssicherheit garantieren, d.h. es ist zu vermeiden, dass redundante bzw. widersprüchliche Aussagen in nationalen Rechtsvorschriften weiter bestehen. Es muss daher ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einer unbesehenen Übernahme und einer allzu freien Umsetzung gefunden werden.

    3.4   Bei der Umsetzung geht es jedoch nicht nur darum, gemeinschaftliche Rechtsbegriffe in nationales Recht zu integrieren; es handelt sich auch um einen konkreten Prozess. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten den Prozess der Umsetzung schon ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union beschleunigen, indem die mit der Umsetzung beauftragten nationalen Behörden - die über eine zu diesem Zweck eingerichtete aktualisierte Datenbank verfügen könnten und sollten - gehalten sind, mit den Behörden anderer Mitgliedstaaten über ein Netzwerk zusammenzuarbeiten, über das sie Erfahrungen austauschen und ihre Schwierigkeiten bei der Umsetzung bestimmter Bestimmungen darlegen könnten.

    3.5   Die Kommission weist auf die Notwendigkeit hin,

    das Problem der stark verspäteten Umsetzung von Richtlinien anzugehen;

    verstärkt Präventivmaßnahmen zu ergreifen, einschließlich der Auswertung von Durchführungs- und Konformitätsproblemen im Zuge der Folgenabschätzungen;

    das Informations- und informelle Problemlösungsangebot für Bürger und Unternehmen zu verbessern, und

    vorrangig die wichtigsten Fälle zu bearbeiten und in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten darauf hinzuwirken, dass Verstöße schneller abgestellt werden.

    3.5.1   Der Ausschuss würde die unter dem letzten Punkt angeführte vorrangige Bearbeitung von Verstoßverfahren begrüßen. Zudem nimmt er zur Kenntnis, dass hierbei politische und nicht nur rein technische Entscheidungen ohne externe Prüfung, Kontrolle oder Transparenz zum Tragen kommen. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission die Zivilgesellschaft zu Entscheidungen zur vorrangigen Behandlung von Verstößen in entsprechender Form konsultieren. Dennoch ist der Ausschuss zufrieden darüber, dass einige seiner früheren Empfehlungen, insbesondere zur Konsultierung von Organisationen der Zivilgesellschaft, Sozialpartnern, Sachverständigen und Fachleuten bei der Vorbereitung des Umsetzungsprozesses (11), berücksichtigt wurden.

    3.5.2   Zudem begrüßt der Ausschuss die Versicherungen der Kommission, wonach Problemen mit weitreichenden Auswirkungen auf die Grundrechte und den freien Personenverkehr weiterhin Priorität eingeräumt wird. Ferner begrüßt er, dass Verstößen, bei denen Bürger in großem Umfang oder wiederholt geschädigt oder in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt werden, Priorität beigemessen wird.

    3.6   Der Ausschuss möchte die Gelegenheit nutzen, einen initiativeren Ansatz anzuregen: Um die korrekte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu erleichtern, schlägt er vor, verschiedene Regeln einzuhalten, u.a.:

    auf Gemeinschaftsebene Rechtsvorschriften auszuarbeiten, die leichter umsetzbar sind, da sie die für die Rechtssicherheit unerlässliche konzeptuelle Kohärenz und relative Stabilität aufweisen; 2007 ersuchten in 265 Fällen nationale Gerichtshöfe der Mitgliedstaaten nach Artikel 234 EG-Vertrag um eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (12);

    von Beginn der Diskussionen über den Richtlinienvorschlag an eine präzise und ständig aktualisierte Korrelationstabelle zu erstellen (was in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits der Fall ist und auf alle ausgedehnt werden sollte);

    die durch gezielte Verweisung auf die verfügenden bzw. unbedingten Bestimmungen der Richtlinie erfolgende Umsetzung zulassen, wie im Anhang zur Richtlinie enthaltene Tabellen.

    3.7   Der Ausschuss verweist aber auch auf jene Bereiche, in denen die Planung, Konzipierung und Umsetzung von Rechtsvorschriften nach dem proaktiven Ansatz (13) erfolgen sollte; vor diesem Hintergrund räumt der EWSA ein, dass Vorschriften und Regelungen nicht immer der einzige, geschweige denn stets der beste Weg zur Erreichung der gewünschten Ziele sind; zuweilen kann die Regelungsinstanz wertvolle Zielsetzungen am besten unterstützen, indem sie eben nicht regulierend eingreift und gegebenenfalls zur Selbstregulierung und Koregulierung anregt. Wenn dies der Fall ist, erlangen die zentralen Grundsätze der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit, der Vorsorge und der Nachhaltigkeit eine neue Bedeutung und Tragweite.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   2007 betrafen 1 196 neue Verstöße die fehlende oder verspätete Mitteilung nationaler Maßnahmen zur Umsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien. 12 Monate beträgt der von der Kommission (14) genannte allgemeine maximale Bezugszeitraum für die Anrufung des Gerichtshofs, innerhalb dessen ein Urteil gefällt oder ein Fall abgeschlossen sein muss, auch wenn dazu eine eingehende Untersuchung erforderlich ist. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass in derartigen Fällen, die weder eine besondere Untersuchung noch eine spezielle Beurteilung erfordern, schneller gehandelt werden sollte. Die Kommission sollte die Abwicklung von Vertragsverletzungsverfahren verbessern, insbesondere was die Anwendung des beschleunigten Verfahrens im Falle einer verspäteten Umsetzung betrifft.

    4.1.1   Es ist aber auch festzuhalten, dass bei 99,4 % aller angenommenen Richtlinien (September 2009) die Bekanntgabe der nationalen Umsetzungsmaßnahmen bereits erfolgt ist (15).

    4.2   Der Ausschuss unterstützt den Gedanken, für Netzwerke und den Austausch von Informationen zwischen mit der Umsetzung beauftragten nationalen Behörden zu sorgen, solange dieses System keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand oder größere Undurchsichtigkeit als bisher nach sich zieht.

    4.3   Der Ausschuss sieht weitere Mechanismen zur Problemlösung wie SOLVIT, Binnenmarktinformationssystem (IMI (16), weiters das von der Kommission empfohlene Informationsaustauschsystem bei der Entsendung von Arbeitnehmern (17) und EU PILOT als gute Möglichkeiten an, die Arbeitsbelastung der Kommission bei der Behandlung von Verstoßverfahren zu verringern, vorausgesetzt die Kommission führt weiterhin systematische Konformitätsprüfungen der Umsetzungsbestimmungen durch, die sich nach den möglichen Umsetzungsrisiken richten.

    4.4   Der Ausschuss stimmt zu, dass es „einer aktiven und kontinuierlichen partnerschaftlichen Zusammenarbeit der Kommission und der Mitgliedstaaten bedarf“, wie im Kommissionsbericht hervorgehoben. Diese Zusammenarbeit wäre noch effizienter, wenn sie in einem früheren Stadium und in Form von Schulungen zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts für nationale Beamte stattfinden würde. Die Kommission könnte zur Feststellung des Schulungsbedarfs beitragen.

    4.5   Der Ausschuss hält es für erforderlich, die Art und Weise, in der der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit über das „Europa-Portal“ Informationen über die unterschiedlichen Beschwerdeverfahren zur Verfügung gestellt werden, zu verbessern. Für einen „Normalbürger“ ist es derzeit eine Herausforderung, zu verstehen, unter welchen Umständen er bei der Kommission eine Beschwerde einreichen kann oder ob andere Rechtsmittel, wie die Nutzung nationaler Streitbeilegungsverfahren oder die Anrufung des nationalen Ombudsmannes, vorzuziehen sind (18).

    4.6   Der Ausschuss begrüßt die neue Arbeitsmethode der Kommission (EU PILOT), nach der bei der Kommission eingegangene Informationsersuchen und Beschwerden direkt an den betreffenden Mitgliedstaat weitergeleitet werden, wenn eine Angelegenheit der schnellen Klärung der faktischen oder rechtlichen Position in dem Mitgliedstaat bedarf.

    4.7   Es sollten unionsweite kollektive Rechtsbehelfe geprüft werden, um die das Verbraucher- und Wettbewerbsrecht (19) betreffenden derzeit in Vorbereitung befindlichen Initiativen zur Stärkung der Selbstregulierungsmechanismen in den Mitgliedstaaten zu ergänzen.

    4.8   Die Kommission hat eine Website „Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ (20) eingerichtet, auf der bereits jetzt wichtige Informationen über die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts geboten werden - unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung, die auf dem Schutz des öffentlichen Interesses beruht, so wie dies in Gerichtsurteilen definiert wurde.

    4.8.1   Der Schutz des öffentlichen Interesses rechtfertigt die Verweigerung des Zugangs zu offiziellen Mahnschreiben und begründeten Stellungnahmen, die im Zusammenhang mit Vertragsverletzungsverfahren erarbeitet wurden und sich auf Inspektionen, Nachforschungen und Gerichtsverfahren beziehen (21). Es ist jedoch zu betonen, dass sich die Kommission nicht lediglich auf die etwaige Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens berufen kann, wenn sie im Hinblick auf den Schutz des öffentlichen Interesses die Verweigerung des Zugangs zu sämtlichen Dokumenten rechtfertigen will, auf die sich der Antrag eines Bürgers bezieht (22).

    4.9   Da eine effiziente Politik auf einem effizienten Informations- und Kommunikationssystem beruht, schlägt der Ausschuss darüber hinaus vor, die verfügbaren Informationen auf entsprechenden Internetseiten zusammenzustellen und so die von der Kommission im Zusammenhang mit Verstößen getroffenen Entscheidungen – von der Registrierung der Beschwerde bis zum Abschluss des Verletzungsverfahrens – immer unter Beachtung des Schutzes des öffentlichen Interesses, so wie dieser in der Rechtsprechung definiert wird – zu veröffentlichen.

    4.10   Auf Initiative des EWSA hat die Kommission den Ausschuss erstmalig zum „Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ konsultiert. Der Ausschuss schlägt vor, dass die Kommission den Ausschuss in Zukunft regelmäßig um eine diesbezügliche Stellungnahme ersucht, um die Sicht der organisierten Zivilgesellschaft einzubringen und dadurch die Rechtsanwendung in der EU zu unterstützen.

    Brüssel, den 29. April 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  KOM(2008) 777 endg.; SEK(2008) 2855; Ziffern 1 und 2.

    (2)  KOM(2007) 502 endg. vom 5.9.2007, dazu Stellungnahme des EWSA im ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 9.

    (3)  http://ec.europa.eu/community_law/docs/docs_directives/mne_sector_na_20091124_en.pdf.

    (4)  ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 1 und ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114.

    (5)  KOM(2008) 777 endg., SEK(2008) 2854, 18.11.2009, S. 206.

    (6)  ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22.

    (7)  ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16.

    (8)  KOM(2008) 777 endg., SEK(2008) 2854 und SEK(2008) 2855.

    (9)  Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juni 2003, Kommission gegen Frankreich, C-233/00, Slg. S. I-66.

    (10)  Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. September 2000, Linster, C-287/98, Slg. S. I-69.

    (11)  ABl. C 24 vom 31.1.2006, S. 39 und ABl. C 24 vom 31.1.2006, S. 52.

    (12)  KOM(2008) 777 endg., SEK(2008) 2855 Anhang VI, S. 1.

    (13)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 26.

    (14)  Zwischenzeitlich hat die Kommission die Evaluierung der Umsetzungserfordernisse durch Folgenabschätzungen u.a. in den 2009 angenommenen überarbeiteten Leitlinien der Kommission für Folgenabschätzungen verbessert

    (http://ec.europa.eu/governance/better_regulation/impact_en.htm#_guidelines). Sie plant eine politische Stellungnahme zur Anwendung von Artikel 260 AEUV über die Verhängung finanzieller Sanktionen durch den EuGH.

    (15)  Siehe: http://ec.europa.eu/community_law/directives/directives_communication_de.htm.

    (16)  CESE 1694/2009, 5.11.2009„Die Vorteile des Binnenmarkts durch engere Verwaltungszusammenarbeit erschließen“.

    (17)  ABl. C 85 vom 4.4.2008, S. 1.

    (18)  Siehe: http://ec.europa.eu/community_law/your_rights/your_rights_de.htm.

    (19)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 97.

    (20)  Siehe: http://ec.europa.eu/community_law/index_de.htm.

    (21)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 5. März 1997: WWF UK (World Wide Fund for Nature) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften; Rechtssache T-105/95, Ziffer 63 ff.

    (22)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 11. Dezember 2001 in der Rechtssache T-191/99, David PETRIE u.a. gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.


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