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Document 52010AE0631

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2004/39/EG und 2009/…/EG“ KOM(2009) 207 endg. — 2009/0064 (COD)

    ABl. C 18 vom 19.1.2011, p. 90–94 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    19.1.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 18/90


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2004/39/EG und 2009/…/EG“

    KOM(2009) 207 endg. — 2009/0064 (COD)

    2011/C 18/16

    Hauptberichterstatter: Angelo GRASSO

    Der Rat beschloss am 3. Juni 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 47 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2004/39/EG und 2009/…/EG“

    KOM(2009) 207 endg. - 2009/0064 (COD).

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. Februar 2010 an. Das Präsidium des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses hat die Stellungnahme am 16. Februar 2010 zur erneuten Behandlung an die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch zurückverwiesen.

    Der Ausschuss bestellte auf seiner 462. Plenartagung am 28./29. April 2010 (Sitzung vom 29. April) Angelo GRASSO gemäß Artikel 20 und Artikel 57 Absatz 1 der Geschäftsordnung zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 136 gegen 2 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Richtlinienvorschlag. Einige Arten von alternativen Investmentfonds (AIF) haben sicherlich zur Verstärkung der Hebelfinanzierung und Risikoanfälligkeit des Finanzsystems beigetragen, die AIF waren aber nicht der Sektor, von dem die größten Risiken für die Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems ausgingen, als die Turbulenzen auf dem Subprime-Kreditmarkt die Krise auslösten. Diese Einschätzung wurde erst unlängst von der britischen Finanzaufsichtsbehörde Financial Services Authority (FSA) bestätigt, die in ihrem Bericht vom Februar 2010 zur Beurteilung der von Hedge-Fonds ausgehenden potenziellen Systemrisiken (Assessing the possible sources of systemic risk from hedge funds) zu dem Schluss kommt, dass „größere Hedge-Fonds kein destabilisierendes Kredit- oder Ausfallrisiko darstellen“. Der EWSA nimmt die Diskussionen zum Richtlinienvorschlag und insbesondere die diesbezüglichen Vorschläge des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments (Berichterstatter: Jean-Paul GAUZÈS) zur Kenntnis. Der Ausschuss bringt seinerseits eine Reihe von Bemerkungen und Hinweisen im Hinblick auf eine Korrektur bestimmter Optionen und Ausrichtungen des Vorschlags vor, die keinen nennenswerten Nutzen für den Anlegerschutz und die Marktintegrität bringen und nicht nur zulasten der alternativen Investmentfonds, sondern des gesamten Wirtschaftssystems gehen würden. Der EWSA stützt sich bei diesen Bemerkungen auf seine 2009 verabschiedete Stellungnahme (1) zur Thematik der Beteiligungsfonds und Hedge-Fonds, in der er feststellte, dass im ökonomischen Kontext der europäischen Marktwirtschaft die Auswirkungen dieser Fonds auf die Beschäftigung und auf soziale Aspekte erheblicher sind als die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen.

    1.2   Die Griechenlandkrise hat die Frage der Staatsverschuldung in den unmittelbaren Blickpunkt gerückt. Der EWSA nimmt die verschiedenen Standpunkte hinsichtlich der potenziellen Verantwortung der Hedge-Fonds für die Verschärfung der Krise zur Kenntnis. Er vertritt die Ansicht, dass diese Frage dringend untersucht und vertieft werden sollte.

    1.3   Mit der Richtlinie wird ein harmonisierter Rechtsrahmen für den Sektor der alternativen Investmentfonds eingeführt und damit auch der Forderung nach einer angemessenen Überwachung der Systemrisiken im europäischen Finanzsystem Rechnung getragen. Die Richtlinie enthält darüber hinaus Einzelbestimmungen, die nach Ansicht des EWSA kaum wirksam an die große Vielfalt von Produkten in diesem Sektor angepasst werden können. Der EWSA spricht sich daher für einen stärker praxisorientierten Ansatz aus, um so der großen Vielfalt von Produkten gerecht zu werden, die unter den Begriff alternative Investmentfonds fallen.

    1.4   Nach Ansicht des Ausschusses sollten unbedingt und unverzüglich Diskussionsrunden mit den Behörden der wichtigsten nichteuropäischen Staaten eingeleitet werden, um - nach dem Vorbild des Baseler Ausschusses im Bankwesen - auf internationaler Ebene gemeinsame Standards für die Finanzaufsicht über alternative Investmentfonds festzulegen. Geschieht dies nicht, sind die Vorschriften leicht dadurch umgehbar, dass bestimmte Aktivitäten aus dem Geltungsbereich der europäischen Vorschriften hinaus verlagert werden. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit von wichtigen Teilbranchen der europäischen Finanzwirtschaft beeinträchtigen und sich negativ auf die Beschäftigung sowie den Wohlstand und die Wertschöpfung auswirken. Die Einrichtung der künftigen Europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (ESMA) wird vor allem die grenzüberschreitende Durchsetzung der Vorschriften erleichtern.

    1.5   Mit der Richtlinie wird u.a. die Möglichkeit eingeführt, die Fremdfinanzierung von Fonds zu begrenzen. Der EWSA spricht sich nicht dagegen aus, fordert jedoch genaue Angaben darüber, nach welchen Kriterien diese Begrenzungen für die einzelnen Produktkategorien festgelegt werden können und welche Strukturen die prozyklische Wirkung dieser Begrenzungen eindämmen sollen.

    1.6   Nach Ansicht des Ausschusses sollte die Pflicht zur Registrierung und Übermittlung von bestimmten Basisinformationen im Sinne der Markttransparenz und des Anlegerschutzes auf alle Gesellschaften ausgedehnt werden. Die Informationspflichten sollten je nach Produkt und Schwellenwert abgestuft sein. Zu dieser Frage hält der EWSA jedoch eine empirische Untersuchung für erforderlich, die gründlicher ist als die bisherige Analyse der Kommission.

    1.7   Bezüglich der Verwaltern von Beteiligungsfonds (Private Equity) auferlegten Berichtspflichten würdigt der EWSA das Streben nach mehr Transparenz und vor allem nach dem Schutz der Betroffenen, wie z.B. von Minderheitsgesellschaftern und Beschäftigten. Seiner Ansicht nach dürfen zudem die Beteiligungsfonds durch die Vorschriften nicht zu stark zugunsten anderer Anlageinstrumente privater oder institutioneller Anleger benachteiligt werden. Im Richtlinienvorschlag ist die Freistellung aller ausschließlich in KMU investierenden Fonds von diesen Anforderungen vorgesehen. Der Ausschuss betont jedoch, dass der Schutz der Anleger und die Integrität des Marktes unveräußerliche Grundsätze sind und für alle Verwalter alternativer Investmentfonds gelten müssen.

    2.   Einleitung

    2.1   Der Begriff alternative Investmentfonds bezieht sich hier auf sämtliche Fonds, die nicht unter die Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) fallen, wie z.B. Hedge- und Private-Equity-Fonds, Risikokapitalfonds, Immobilienfonds, Infrastrukturfonds und Rohstofffonds, und deckt u.a. den Bereich ab, der im De-Larosière-Bericht als „Parallelbankensystem“ bezeichnet wird.

    2.2   2009 legte der EWSA eine Stellungnahme zu Hedge-Fonds und Beteiligungsfonds vor. In dieser Stellungnahme wurde nicht die Richtlinie über Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) behandelt, sondern es ging darin fast ausschließlich um die Auswirkungen dieser Fonds auf die Beschäftigung und auf soziale Aspekte. Der Ausschuss stellt fest, dass die AIFM-Richtlinie eine breite Debatte hautsächlich über Beschäftigungs- und soziale Fragen angestoßen hat. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der genannten Stellungnahme könnten daher nach Ansicht des EWSA eine gute Grundlage für die Diskussionen über die Richtlinie bilden.

    2.3   Die Finanzkrise wurde bekanntlich durch einen Liquiditätsüberschuss sowie durch erhebliche Ungleichgewichte auf den Finanz- und Rohstoffmärkten und andere makroökonomische Faktoren begünstigt, wie auch im De-Larosière-Bericht unterstrichen wird. Dieses Liquiditätsüberangebot verleitete dazu, das mit der Liquidität selbst verbundene Risiko zu vernachlässigen, auf das bei der Kontrolle und beim Risikomanagement durch die Marktakteure selbst und auch in den Aufsichtsvorschriften weniger Augenmerk gelegt wurde als auf die Kredit- und Marktrisiken.

    2.4   Heute können wir es uns nicht leisten, so zu tun, als wäre nichts geschehen, und nicht aus diesen Fehlern zu lernen, die der Weltwirtschaft teuer zu stehen gekommen sind und sie an den Rand des Zusammenbruchs gebracht haben. Liquidität erfordert möglichst transparente Finanzmärkte und -systeme.

    2.5   Mit der Richtlinie muss ein echter Schritt hin zu mehr Transparenz bei den alternativen Investmentfonds vollzogen werden, denen es offenbar daran mangelt.

    2.6   Der EWSA hält dies nicht aufgrund eines Verschuldens, von Mängeln oder Risiken dieses Sektors für notwendig, sondern ganz einfach deshalb für unabdingbar, weil die Fragen der Transparenz und Liquidität ganz oben auf der Agenda stehen müssen.

    2.7   Die derzeit in der EU diskutierten Vorschläge über eine europäische Finanzaufsicht sowohl auf Makro- als auch auf Mikroebene sind unerlässlich, um das Überleben des Binnenmarkts zu sichern (2).

    2.8   In den USA hat Präsident Obama eine radikale Umgestaltung und Erneuerung des Regulierungs- und Aufsichtssystems auf den Weg gebracht. Es ist jedoch noch zu früh, um abzusehen, welche Ergebnisse die Initiativen in den USA bringen werden.

    2.9   In diesem Sinne muss die EU tätig werden, damit auf internationaler Ebene unverzüglich Bemühungen um mehr Markttransparenz und -integrität eingeleitet werden. Der Ausschuss betont jedoch, dass Regulierung allein nicht die Lösung sein kann für Probleme, die häufig auch auf die Unbesonnenheit der professionellen Anleger zurückgehen.

    2.10   Der EWSA befürwortet die sechs übergreifenden Grundsätze für die Regulierung von Hedge-Fonds, die die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) im Juni 2009 vorgeschlagen hat. Die IOSCO hat mittlerweile (am 25. Februar 2010) Systemrisiko-relevante Datenanforderungen an Hedge-Fonds veröffentlicht. Diese erstrecken sich auf elf verschiedene Kategorien von Daten. Der EWSA empfiehlt der Kommission, sich auf diese Grundsätze zu stützen und sie zur Regelung der AIFM in der vorgeschlagenen Richtlinie umzusetzen.

    2.11   Die IOSCO hat zwar ihre Analyse der Risiken, die sich für das Finanzsystem aus Beteiligungsfonds ergeben, abgeschlossen, es wurden jedoch noch keine konkreten Regulierungsmaßnahmen vorgeschlagen. Der EWSA empfiehlt der Kommission, die von der IOSCO aufgestellten Grundsätze für Hedge-Fonds zu übernehmen und an die Merkmale von Beteiligungsfonds anzupassen.

    3.   Der Richtlinienvorschlag

    3.1   Mit der vorgeschlagenen Richtlinie sollen die Aktivitäten der Fondsverwalter und nicht die Produkte geregelt werden. Der Verzicht auf eine direkte Regelung der Produkte liegt darin begründet, dass alternative Investmentfonds sich nur nach dem Ausschlussprinzip definieren lassen, da sie nicht nach der OGAW-Richtlinie harmonisiert sind, und die Kommission davon ausgeht, dass jeder Versuch einer direkten Produktregelung schon bald hinfällig und überholt wäre.

    3.2   Viele Aspekte der Regelung für die Fondsmanager haben aber natürlich auch deutliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und die Merkmale der Fonds selbst.

    3.3   Mit dem Richtlinienvorschlag werden zwei Hauptziele verfolgt:

    Gewährleistung einer wirksameren Mikro- und Makroaufsicht, wofür ein gründliches und nicht auf die nationalen Grenzen beschränktes Verständnis der Abläufe in diesem Sektor erforderlich ist;

    Förderung der Marktintegration und der Entwicklung des Binnenmarktes, wobei die Fondsverwalter von einer Art europäischem Pass für ihre Produkte profitieren könnten, was sich in Form von größenbedingten Kosteneinsparungen und mehr Wahlmöglichkeiten für die Anleger positiv auswirken dürfte.

    3.4   Diese Ziele können durch ein strukturiertes Bündel von Einzelmaßnahmen verfolgt werden, wobei sich folgende Hauptlinien des Vorschlags abzeichnen:

    3.4.1   Sämtliche Verwalter von alternativen Investmentfonds (AIFM), deren Fondsvermögen eine bestimmte Schwelle übersteigt, bedürfen einer Zulassung. Für Fondsverwalter, deren Fondsvermögen insgesamt unter 100 Mio. EUR liegt, ist eine Freistellung von der Richtlinie vorgesehen. Für Fonds, die nicht hebelfinanziert sind und deren Anleger in den ersten fünf Jahren nach Konstituierung keine Kündigungsrechte ausüben können, gilt eine höhere Schwelle von 500 Mio. EUR.

    3.4.1.1   Die Zulassung wird von den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats erteilt. Für die Erteilung müssen eine Reihe von sehr genau festgelegten Anforderungen an die Organisation und Transparenz erfüllt sein.

    3.4.1.2   Die Fondsverwalter müssen ihren Sitz in der EU haben. Sie können die administrativen Aufgaben des Fonds an extraterritoriale Gesellschaften übertragen, wobei die Verwahrstellen jedoch Kreditinstitute mit Sitz in der EU sein müssen. Die Delegierung von Aufgaben wird ausdrücklich verboten, mit Ausnahme der Verwahrung, die - allerdings nur unter strengen Auflagen - übertragen werden kann.

    3.4.1.3   In der Richtlinie wird die Kommission beauftragt, Begrenzungen der zulässigen Hebelfinanzierung festzulegen, um die Stabilität und Integrität des Finanzsystems zu gewährleisten.

    3.4.2   Erfüllt ein Fondsverwalter die Anforderungen der Richtlinie, wäre er damit für den Vertrieb seiner Produkte an professionelle Anleger (im Sinne der MiFID-Richtlinie) in allen Mitgliedstaaten zugelassen. Die Verwalter können auch Fonds mit Sitz in Drittländern vertreiben, allerdings unter bestimmten Auflagen, um zusätzliche Marktrisiken und Verzerrungen steuerlicher Art zu vermeiden.

    4.   Bewertung des Vorschlags durch den EWSA

    4.1   Der EWSA hat sich bereits in einer entsprechenden Stellungnahme (3) zu den Empfehlungen der De-Larosière-Gruppe geäußert und schließt sich uneingeschränkt dem Standpunkt an, dass die Einführung einer supranationalen Aufsicht notwendig ist, was allerdings die Schaffung eines ausreichend einheitlichen rechtlichen Rahmens erfordert. Da mit Einrichtung der neuen europäischen Aufsichtsbehörden die Zuständigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden nicht wegfallen, sollten die europäischen Aufsichtsbehörden einen gemeinsamen Leitfaden für die Auslegung der Aufsichtsvorschriften erstellen. Eine bessere Kenntnis und Transparenz des Sektors der alternativen Investmentfonds könnte ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Marktintegrität und des Anlegerschutzes und zur Einführung einer wirksamen Systemaufsicht auf Makroebene sein. Die Richtlinie ist geeignet, dieses wichtige Ziel zu verfolgen, vorausgesetzt, dass dabei unnötig nachteilige Restriktionen vermieden werden. Aus diesem Grund rät der Ausschuss zu besonderer Vorsicht und Sorgfalt bei rechtlichen Anforderungen, die über das für eine Mikroaufsicht notwendige Maß an Informationspflichten hinausgehen.

    4.2   Der EWSA hält die Festlegung eines Rechtsrahmens, der qualitativ bessere Managementstandards für AIFM fördert, für dringend erforderlich. Diese Bedingung ist wichtiger als viele der anderen Einzelvorschriften, die letztendlich nur die Kosten für die Gesellschaften in die Höhe treiben, ohne unbedingt das Ziel stärkerer Marktgarantien zu erreichen, wie im Bericht der De-Larosière-Gruppe nachdrücklich betont wird.

    4.3   Der EWSA verweist auf zwei weitere in diesem Bericht enthaltene Überlegungen, die unter Bezugnahme auf die Überprüfung der Basel-II-Vorschriften zwei wichtige Lehren der Finanzkrise herausstellen:

    die Krise hat gezeigt, dass die Finanzwirtschaft eine höhere Eigenkapitalausstattung benötigt;

    die Krise hat die starke prozyklische Wirkung des geltenden Rechtsrahmens deutlich gemacht: dieser hat die Auf- und Abwärtstendenzen des Marktes nicht abgeschwächt, sondern letztendlich noch verstärkt.

    4.3.1   Der Vorschlag, den Einsatz von Fremdmitteln und die Hebelfinanzierung der Fonds zu begrenzen (sogenannter leverage cap), geht in die gewünschte Richtung einer höheren Eigenkapitalausstattung. Die Sorge, dass eine übermäßige Hebelfinanzierung Risiken für das Finanzsystem mit sich bringt, ist nämlich durchaus berechtigt. Bei der Frage der zu hohen Fremdfinanzierung müssen jedoch auch andere Merkmale der Fonds herangezogen werden, wie z.B. die Größe des Fonds. Der EWSA schlägt vor, die Möglichkeit einer festen Obergrenze für die Hebelfinanzierung zu evaluieren.

    4.3.2   Um das Systemrisiko unter Kontrolle zu halten, sollte berücksichtigt werden, dass die Großbanken häufig auch Händler am Primärmarkt (Primary Broker) und damit Kreditgeber für Hedge-Fonds sind. Die Beaufsichtigung dieser Händler ist ebenso wichtig wie die Kontrolle der Mittelakquisitoren. Bei der Überprüfung der Richtlinien über die Eigenkapitalanforderungen von Banken sollten die zuständigen Behörden sicherstellen, dass solchen Krediten entsprechende Rückstellungen gegenüberstehen.

    4.3.3   Überdies gilt es zu berücksichtigen, dass der leverage cap selbst prozyklisch wirken kann. Es ist sogar wahrscheinlich, dass der leverage cap überschritten wird, wenn der Wert der Anlagen sinkt, wodurch der Fondsmanager möglicherweise gezwungen sein könnte, eigene Anlagen zu veräußern, um den Grenzwert wieder zu erfüllen, womit der Marktwert weiter gedrückt wird. Zur Frage der prozyklischen Wirkung des Rechtsrahmens hat sich der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zum De-Laroisière-Bericht geäußert. Darin räumt er zwar ein, dass es möglicherweise schwierig ist festzulegen, wann die Restriktionen gelockert und wann sie verschärft werden müssen, vertritt jedoch den Standpunkt, dass eine gewisse Flexibilität bei einigen Restriktionen die prozyklische Wirkung der Vorschriften begrenzen könnte.

    4.4   Bedenken hegt der EWSA hinsichtlich der Schwellenwerte, unterhalb derer die Fondsgesellschaften nicht mehr unter die Vorschriften der Richtlinie fallen. Grundsätzlich vertritt der Ausschuss den Standpunkt, dass alle Gesellschaften der Pflicht zur Registrierung und Übermittlung von bestimmten Basisinformationen unterliegen sollten, um die für eine effektive Markttransparenz im Sinne des Anlegerschutzes notwendigen Mindestbedingungen zu gewährleisten.

    4.4.1   Im Hinblick auf die Transparenz und den Anlegerschutz sollten detaillierte Informationen verlangt werden, wobei diese je nach Produkt und Schwellenwert abgestuft werden könnten. Zu dieser Frage hält der EWSA jedoch eine empirische Untersuchung für erforderlich, die noch mehr in die Tiefe geht als die bisherige Analyse der Kommission, um ein angemessenes Kriterium für die Festlegung der genannten Schwellenwerte zu finden.

    4.4.2   Der EWSA vertritt die Ansicht, dass die unlängst von der IOSCO veröffentlichten Systemrisiko-Datenanforderungen für Hegde-Fonds (die für andere alternative Investmentfonds angepasst werden können) den Weg weisen. Es handelt sich um elf verschiedene Kategorien von Daten; sie reichen von Informationen über die Verwaltung und die Berater (die von Fonds aller Art verlangt werden sollten) bis zu Informationen über Kredite, Risiken und das Gegenparteiausfallrisiko (die vor allem für große hebelfinanzierte Fonds sinnvoll wären). Diese Leitlinien werden international unterstützt, gehen auf Initiativen der G20-Gruppe und des Rates für Finanzmarktstabilität (FSB) zurück und werden im September 2010 in Kraft treten.

    4.5   Im Zusammenhang mit dieser Argumentation steht die Feststellung, dass der Bereich der alternativen Investmentfonds zu differenziert ist, als dass für alle dazugehörenden Produkte ein absolut einheitlicher Rechtsrahmen vorgeschrieben werden kann. Die Verwaltungsgesellschaften sind nämlich auf bestimmte Teilbereiche spezialisiert (z.B. Immobilienfonds, Hedgefonds, Private-Equity-Fonds). Im Richtlinienvorschlag wird jedoch nur den hebelfinanzierten und den Private-Equity-Fonds größere Beachtung geschenkt. Wie der EWSA bereits in seiner Initiativstellungnahme zu den Auswirkungen von Investmentfonds auf den industriellen Wandel (Berichterstatter: Peter MORGAN) festgestellt hat, sind die Unterschiede zwischen den einzelnen alternativen Investmentfonds so groß, dass ein differenzierterer Ansatz nötig ist.

    4.6   Der EWSA hofft, dass die Initiative von EU-Kommissar Barnier zur Einführung eines einheitlichen europäischen „Passes“, der auch für Fondsmanager und Fonds mit Sitz in einem Drittland gilt, der Ansatz für gemeinsame internationale Lösungen sein kann.

    4.6.1   Der EWSA unterstützt den Vorschlag, die Fonds mit Sitz in Drittländern denen mit Sitz in der EU gleichzustellen. Nach Ansicht des Ausschusses sollte die Kommission sicherstellen, dass die Qualitäts- und Transparenzstandards nichtgemeinschaftlicher Fondsmanager und Fonds tatsächlich den in der EU geltenden Standards entsprechen.

    4.6.2   Da der Richtlinienvorschlag auch zur Anhebung des Niveaus der Sicherheiten von Fonds aus Drittländern dienen und nicht zur Benachteiligung und zum faktischen Ausschluss dieser Fonds aus dem Binnenmarkt führen sollte, fordert der EWSA dringend mehr Klarheit über die Anforderungen, die diese Fonds erfüllen müssen, um im Binnenmarkt frei vertrieben werden zu können.

    4.7   Nach Auffassung des EWSA muss die Annahme der Richtlinie mit ähnlichen Maßnahmen in den wichtigsten nichteuropäischen Ländern einhergehen, sonst könnten die Bestimmungen leicht dadurch umgangen werden, dass bestimmte Aktivitäten aus dem Geltungsbereich der europäischen Vorschriften hinaus verlagert werden. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit von wichtigen Teilbranchen der europäischen Finanzwirtschaft beeinträchtigen und sich negativ auf die Beschäftigung sowie den Wohlstand und die Wertschöpfung auswirken.

    4.8   Der EWSA wirft die Frage auf, warum die Verwahrstelle laut Richtlinie ein Kreditinstitut sein muss. Unabhängige Verwahrstellen sind wichtige Garanten für die Verhinderung von betrügerischen und anlegerschädlichen Verhaltensweisen. Die Einführung strengerer diesbezüglicher Vorschriften ist sicherlich ein sinnvoller Vorschlag. Der EWSA fordert jedoch eine Klärung der Frage, warum die Aufgabe der Verwahrung allein Kreditinstituten vorbehalten bleiben soll, zumal gemäß der Richtlinie für Märkte über Finanzinstrumente (MiFID) auch anderen Finanzmittlern die Vermögensverwahrung für die Kunden gestattet.

    4.9   Zu den alternativen Investmentfonds gehören auch die sogenannten Private-Equity-Fonds, deren Anlagen in Kapitalbeteiligungen an nicht börsennotierten Gesellschaften bestehen.

    4.9.1   Diese Beteiligungsgesellschaften sind wichtige Risikokapitalgeber für Unternehmensgründer und innovative Unternehmen sowie für die Expansion oder Neuausrichtung von Unternehmen. Der EWSA hat sich bereits mit den potenziellen Auswirkungen von Privat-Equity-Fonds auf das Wirtschaftssystem und den industriellen Wandel beschäftigt (4).

    4.9.2   Mehrere Artikel des Richtlinienvorschlags (Kapitel V Abschnitt 2) beschäftigen sich mit Fonds, die beherrschende Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen (konkret mindestens 30 % der Stimmrechte) erwerben.

    4.9.3   Hier müssen recht detaillierte Informationen übermittelt werden, die in vielerlei Hinsicht mit den bei öffentlichen Übernahmeangeboten für börsennotierte Unternehmen geltenden Informationspflichten vergleichbar sind. Ebenso wie für börsennotierte Gesellschaften muss zudem ein Unternehmensführungskodex aufgestellt werden. All diese Angaben müssen dem Unternehmen, den jeweiligen Anteilseignern und den Arbeitnehmervertretern bzw. den Arbeitnehmern selbst vorgelegt werden.

    4.9.4   Der EWSA begrüßt die vorgesehenen weitreichenden und umfassenden Management-, Informations- und Berichtspflichten, insbesondere soweit sie der Wahrung der Interessen von Betroffenen wie Minderheitsgesellschaftern und Beschäftigten dienen. Seiner Ansicht nach sollten die Vorschriften zudem die Beteiligungsfonds nicht zu stark zugunsten anderer Anlageinstrumente privater oder institutioneller Anleger benachteiligen.

    4.9.5   Der EWSA plädiert für die Anwendung dieser Regeln von einer Beteiligung in Höhe von 25 % der Stimmrechte an und hofft, dass im Unternehmensführungskodex die geltenden Tarifverträge ausdrücklich gewahrt bleiben. Die potenziellen Konsequenzen für die Beschäftigten müssen offen gelegt und korrekt und ohne Verzug übermittelt werden. Die Verletzung dieser Informations- und Konsultationspflichten führt zur Rechtsunwirksamkeit jeder vom Fondsmanager oder der Zielgesellschaft getroffenen Entscheidung.

    4.9.6   Der EWSA empfiehlt, in der Richtlinie auch Mindest-Solvabilitäts- und Liquiditätsanforderungen für die Zielgesellschaft festzulegen. Die Ausschüttung von Dividenden sollte auf eine Zahlung pro Jahr begrenzt werden und sollte die Einnahmen nicht übersteigen dürfen. Eine Dividendenausschüttung sollte ausgeschlossen sein, wenn die Zielgesellschaft die Mindestanforderungen nicht erfüllt.

    4.10   Der Erwerb von Beteiligungen an KMU ist von den vorgenannten Informationspflichten ausgenommen. Der EWSA beanstandet diesen Punkt der Richtlinie, da der Schutz der Anleger und die Integrität des Marktes unveräußerliche Grundsätze sind, die für alle Verwalter alternativer Investmentfonds gelten müssen.

    Brüssel, den 29. April 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 56.

    (2)  Stellungnahme zum Thema „Makro- und Mikroaufsicht“.

    (3)  ABl. C 318/2009, S. 57.

    (4)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 56.


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