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Document 52007IE1255

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema Integration des Welthandels und Outsourcing: Der Umgang mit den neuen Herausforderungen

    ABl. C 10 vom 15.1.2008, p. 59–66 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.1.2008   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 10/59


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Integration des Welthandels und Outsourcing: Der Umgang mit den neuen Herausforderungen“

    (2008/C 10/17)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 16. Februar 2007, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu erarbeiten: „Integration des Welthandels und Outsourcing: Der Umgang mit den neuen Herausforderungen“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 12. September 2007 an. Berichterstatter war Herr ZÖHRER, Mitberichterstatter Herr LAGERHOLM.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 438. Plenartagung am 26./27. September 2007 (Sitzung vom 26. September) mit 151 Stimmen gegen 1 Stimme bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung

    1.1

    Die Veränderungen im Bereich des Handels und die zunehmende Integration der Volkswirtschaften in das Welthandelssystem werden von einer breiten Palette von Faktoren vorangetrieben. Einer der wichtigsten Faktoren ist dabei die Entwicklung einer internationalen Produktionsteilung, die dazu führte, dass in den verschiedenen Phasen des Produktionsprozesses eine steigende Zahl von Zwischenprodukten (Güter und Dienstleistungen) gehandelt wird. Der Handel mit Zwischenprodukten ist eine der wichtigsten Triebfedern für den industriellen Wandel und stellt eine besondere Form der internationalen Arbeitsteilung dar.

    1.2

    Outsourcing wird hier an den externen Handelsströmen mit Zwischenprodukten gemessen, was von der üblichen Definition abweicht und gewisse Überschneidungen mit dem so genannten „Offshoring“ hat, daher könnte man zur Unterscheidung auch von „Offshore-Outsourcing“ sprechen.

    1.3

    Für dieses „Offshore-Outsourcing“ gibt es eine Reihe von Gründen. Niedrige Arbeitskosten (geringere Löhne und/oder Sozialschutz) sind wohl die prominentesten in der Diskussion. Darüber hinaus spielen aber auch die Preise von Rohmaterialen oder die Nähe zu neuen Wachstumsmärkten eine wesentliche Rolle. Aber auch Kostenvorteile durch weniger strikte Umweltgesetzgebungen oder Steuervorteile können Antriebskräfte für Offshore-Outsourcing sein.

    1.3.1

    Das Phänomen des Offshore-Outsourcing ist keine neue Entwicklung, sondern ein Synonym für die arbeitsteilige Organisation der Produktion, in der sich Unternehmen auf das spezialisieren, was sie am besten und kosteneffizientesten können. Die Informationstechnologie und billige Kommunikation beschleunigen diese Entwicklung und ermöglichen den Handel über die Grenzen hinweg in vielen neuen Bereichen — vor allem im Dienstleistungssektor.

    1.3.2

    Ein kostengünstiges und effizientes Verkehrssystem ist eine Grundvoraussetzung für das Offshore-Outsourcing.

    1.4

    Das Volumen der Waren, das heute weltweit gehandelt wird, ist 15mal größer als 1950 und der Anteil am weltweiten BIP hat sich verdreifacht. Der weltweite Handel mit Dienstleistungen erreicht mittlerweile ähnliche Wachstumsraten wie der von Waren und wächst schneller als das BIP. Der Anteil der Dienstleistungen am internationalen Handel beträgt knapp 20 %.

    1.5

    In der Periode zwischen 1992 und 2003 gibt es einen Anstieg des Anteils der Zwischenprodukte (von 52,9 auf 54,1 %) und Kapitalgüter (von 14,9 auf 16,6 %) an den Gesamtimporten, während der Anteil der Konsumgüter leicht gesunken ist. Innerhalb der Zwischenprodukte gibt es eine deutliche Verschiebung zu der Kategorie Teile und Komponenten.

    1.6

    Auch regional gibt es eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Während der Anteil von Zwischenprodukten an den Importen der EU (15), Japan und den USA gesunken ist, ist er in China, Südostasien und den neuen EU-Mitgliedstaaten (EU10) gestiegen.

    1.7

    Das rasche Wachstum beim Handel mit Dienstleistungen ist vor allem auf die Kategorie „Sonstige Dienstleistungen“ entfallen. In dieser Kategorie sind die wirtschaftsnahen Dienstleistungen enthalten. Hier wiederum haben die Finanz-, Computer- und Informationsdienstleistungen besondere Dynamik. Die Gewinner des Outsourcing der Dienstleistungen sind die USA, die EU15 und Indien, wobei Indien relativ am meisten profitiert hat.

    1.8

    Insgesamt hat die EU ihre führende Position im Welthandel erfolgreich gehalten, sowohl im Waren- als auch im Dienstleistungssektor. Die europäische Wirtschaft ist Marktführer in einem weiten Bereich von Industrien mit mittlerem Technologieniveau und bei kapitalintensiven Gütern. Anlass zur Sorge geben das wachsende Handelsbilanzdefizit mit Asien und eine eher schwache Performance der EU im Bereich der IKT.

    1.9

    Durch Offshore-Outsourcing steigt der Handel, was insgesamt den Wohlstand steigert. Der Ausschuss ist sich aber auch bewusst, dass es dabei nicht nur Gewinner sondern auch Verlierer gibt, wobei die Verlierer zumeist leichter zu identifizieren sind, weil die Betroffenheit unmittelbar eintritt (zum Beispiel jene Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren).

    1.10

    Unter dem Gesichtspunkt der in Summe für die EU positiven Entwicklung bezüglich des Handels mit Zwischenprodukten ist eine positive und aktive Haltung der EU zu einem freien, aber fairen Welthandel und eine aktive Globalisierungsstrategie zu befürworten. Wobei innerhalb der EU der Verteilung der daraus erzielten Vorteile größtes Augenmerk geschenkt werden muss.

    1.11

    Die EU muss sich für faire Bedingungen und eine nachhaltige Entwicklung (wirtschaftlich, sozial und ökologisch) im Welthandel einsetzen.

    1.12

    Die EU sollte sich ihrer Stärken bewusst sein und sie ausbauen. Gerade die oben erwähnten Bereiche mit mittlerem Technologieniveau sind oft von hoher Innovationsfähigkeit geprägt. Darüber hinaus müssen allerdings auch materielle wie ideelle Investitionen in neue Bereiche getätigt werden.

    1.13

    Angesichts der Entwicklung des Offshore-Outsourcing sind mehr und differenzierte Analysen dringend erforderlich. Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, solche Analysen, die auch mögliche Szenarien in mittlerer und naher Zukunft beinhalten sollten, in die Wege zu leiten und dabei auch die betroffenen Akteure mit einzubeziehen. Solche Analysen können auch Teil der Sektoruntersuchungen im Rahmen der neuen Industriepolitik sein und könnten als Grundlage für die Diskussionen im sektoralen sozialen Dialog dienen.

    1.14

    Die wesentlichen Antworten auf die Herausforderungen für Europa durch die Integration des Welthandels und das zunehmende Offshoring europäischer Produktion liegen in der Lissabon-Strategie. Der Ausschuss unterstreicht dabei die folgenden Punkte als entscheidend für ein anpassungs- und wettbewerbsfähiges Europa im Prozess der Globalisierung:

    Vollendung und Stärkung des Binnenmarktes

    Forcierung von Innovation

    Stimulierung von Beschäftigung.

    2.   Begründung und Hintergrund der Stellungnahme

    2.1

    Die Veränderungen im Bereich des Handels und die zunehmende Integration der Volkswirtschaften in das Welthandelssystem werden von einer breiten Palette von Faktoren vorangetrieben (Handelsliberalisierung, sinkende Transport- und Kommunikationskosten, steigende Einkommen, zunehmende internationale Arbeitsteilung usw.). Einer der wichtigsten Faktoren ist dabei die Entwicklung einer internationalen Produktionsteilung, die dazu führte, dass in den verschiedenen Phasen des Produktionsprozesses eine steigende Zahl von Zwischenprodukten (Güter und Dienstleistungen) gehandelt wird. Diese Zunahme des Zwischenhandels, die hier als „Outsourcing“ bezeichnet wird, macht die Umstrukturierung zahlreicher Produktionsprozesse auf globaler und regionaler Ebene deutlich und ist auch in vielen Bereichen des Dienstleistungssektors festzustellen.

    2.2

    Die traditionellen komparativen Vorteile der Industrieländer in der fachlichen Qualifikation der Arbeitnehmer und dem technischen Know-how im Bezug auf ihre Produkte bzw. den Produktionsprozessen sind einem steigenden Druck aus verschiedenen Richtungen ausgesetzt. Die EU sieht sich konfrontiert mit diesem sich rasch wandelnden Umfeld mit neuen Konkurrenten, die in einer großen Zahl von Wirtschaftszweigen und in einem Dienstleistungssektor mit hohem Mehrwert entstanden sind. Somit wachsen die Herausforderungen für die Unternehmen der EU in rasantem Tempo an.

    2.3

    Der Handel mit Zwischenprodukten ist eine der wichtigsten Triebfedern für den industriellen Wandel und stellt eine besondere Form der internationalen Arbeitsteilung dar, die rasch die traditionelleren Formen der Internationalisierung verdrängt. Es liegt auf der Hand, dass die Globalisierung der Märkte, verbunden mit dem technischen Fortschritt, die Zersplitterung des Herstellungsprozesses eines bestimmten Produkts in zahlreiche aufeinander folgende vor- und nachgelagerte Phasen ermöglicht, die gewöhnlich über mehrere Länder verteilt sind.

    2.4

    In dieser Stellungnahme soll einerseits untersucht werden, auf welche Weise das weltweite Phänomen des Outsourcing von Gütern und Dienstleistungen vor allem durch die Entwicklung in den asiatischen Staaten (insbesondere China und Indien) sowie durch die Integration der neuen EU-Mitgliedstaaten vorangetrieben wird. Auf der anderen Seite gilt es herauszufinden, ob und wie verletzlich die EU angesichts des Auftretens neuer, global agierender Handelsmächte und der damit verbundenen weltweiten Veränderungen der komparativen Vorteile ist, insbesondere im Hinblick auf die Märkte, in denen die EU derzeit eine Führungsposition innehat. Dabei in erster Linie jene, die durch ein mittleres Technologieniveau und kapitalintensive Güter charakterisiert sind, wie beispielsweise die Automobil- und Pharmaindustrie sowie die Herstellung von Spezialausrüstungen.

    2.5

    Das Phänomen der Standortverlagerungen wird in dieser Stellungnahme nicht behandelt, da es schon Gegenstand anderer Stellungnahmen des Ausschusses war.

    2.6

    Zusammenfassend bedeutet dies, dass wir es hier mit einem interessanten Phänomen in der Industrie zu tun haben, das die Unternehmen in der EU dazu zwingen wird, ihre komparativen Vorteile auszubauen, von denen sie bislang profitiert haben, die jedoch nicht länger garantiert sind, nicht einmal in ganz neuen Wirtschaftszweigen wie der Dienstleistungswirtschaft. Durch eine Untersuchung dieses Entwicklungsprozesses wäre es möglich, derzeitige und künftige schwache Branchen zu ermitteln und die Wirtschaftszweige in der EU darauf hinzuweisen, im Vorfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen.

    3.   Entwicklung des Welthandels

    3.1

    Ausgangsbasis für die weitere Analyse ist eine Untersuchung, welche in den „Economic Papers“ Nummer 259 im Oktober 2006 der Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde (1).

    3.1.1

    In dieser Untersuchung wird der Zeitraum zwischen 1990 und 2003 herangezogen. Dies ist deshalb von Interesse, als zu Beginn der 1990er Jahre für Europa entscheidende Veränderungen im Welthandel eingetreten sind. Die VR China ist verstärkt in den internationalen Handel eingestiegen, was schließlich zum Beitritt zur Welthandelsorganisation geführt hat. Die weitere Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes hat zu einer Vertiefung der Integration innerhalb der EU geführt. Die politische und wirtschaftliche Öffnung der Länder in Mittel- und Osteuropa und ihre Integration in die EU hat zu einer Ausdehnung des Binnenmarktes geführt. Zu Beginn dieses Zeitraums umfasst die EU 12 Mitgliedstaaten, heute so sind es 27.

    3.1.2

    Gleichzeitig haben auch in Indien, Russland und Lateinamerika (vor allem Brasilien) wesentliche Veränderungen stattgefunden, die zu einer stärkeren Position im Welthandel geführt haben.

    3.1.3

    Da für den Zeitraum nach 2003 bei Abschluss dieser Untersuchung noch keine verlässlichen Daten zur Verfügung standen, können über die Entwicklung danach noch keine fundierten Aussagen gemacht werden. Es ist aber davon auszugehen, dass da, wo in der Studie auf die EU-10 Bezug genommen wird, ähnliche Trends auch für Bulgarien und Rumänien angenommen werden können. Dazu zeigt das Beispiel der Textilindustrie, dass das Tempo der aufgezeigten Entwicklung eher zunimmt.

    3.2

    Das Volumen der Waren, das heute weltweit gehandelt wird, ist 15mal größer als 1950 und der Anteil am weltweiten BIP hat sich verdreifacht. Der weltweite Handel mit Dienstleistungen erreicht mittlerweile ähnliche Wachstumsraten wie der von Waren (seit 1990 um zirka 6 % im Durchschnitt pro Jahr) und wächst schneller als das BIP. Der Anteil der Dienstleistungen am internationalen Handel beträgt knapp 20 %.

    3.2.1

    Während sich die Entwicklung in der Summe eher stabil zeigt, kann man deutliche Unterschiede der Wachstumsraten in den verschiedenen Produkt- und Dienstleistungskategorien feststellen.

    3.2.2

    Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist die internationale Arbeitsteilung eine der wichtigsten Triebfedern zur Entwicklung des Welthandels. Diese Arbeitsteilung führt zu stets steigendem Wachstum des Zwischenhandels (bei Waren und Dienstleistungen). Dieser wachsende Zwischenhandel (z. B. mit Halbfertigerzeugnissen, Teilen und Komponenten) oder auch „Outsourcing“ reflektiert die Neuorganisation vieler Produktionsprozesse auf globaler/regionaler im Gegensatz zur nationalen Basis und ist ein Spiegelbild der enormen Steigerung der Ströme direkter Fremdinvestitionen von weniger als 5 % des Welt-BIP 1980 auf mehr als 15 % Ende der 1990er Jahre. Wobei nicht jede direkte Fremdinvestition automatisch mit Outsourcing verbunden ist.

    3.2.3

    Globale Produktionssysteme in Verbindung mit der Entwicklung wirksamer Informations- und Kommunikationstechnologien, die zu Outsourcing oder man kann auch sagen zu vertikaler Spezialisierung führen, strahlen auch auf viele Bereiche des Dienstleistungssektors aus.

    3.2.4

    Die Internationalisierung der Produktionsprozesse auf regionaler bzw. globaler Ebene führt zu steigendem Handel innerhalb der Industrie und Unternehmen. Der Export von einer bestimmten Industrie eines Landes ist zunehmend vom Import von Zwischenprodukten abhängig, die von der gleichen Industrie oder einem Tochterunternehmen eines multinationalen Unternehmens produziert wurden.

    3.3   Überblick über den Handel nach Produktionsstufen

    3.3.1

    Verwendet man die „Broad Economic Categories Classification“ der UN, kann man Güter nach ihrer letzten Verwendung unterscheiden (z. B. Zwischenprodukte, Konsumgüter oder Kapitalgüter)

    3.3.2

    In der Periode zwischen 1992 und 2003 gibt es einen Anstieg des Anteils der Zwischenprodukte (von 52,9 auf 54,1 %) und Kapitalgüter (von 14,9 auf 16,6 %) an den Gesamtimporten, während der Anteil der Konsumgüter leicht gesunken ist. Innerhalb der Zwischenprodukte gibt es eine deutliche Verschiebung zu der Kategorie Teile und Komponenten. Was vor allem für die IKT- und der Automobilindustrie symptomatisch ist.

    3.3.3

    Auch regional gibt es eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Während der Anteil von Zwischenprodukten an den Importen der EU (15), Japan und den USA gesunken ist, ist er in China, Südostasien und den neuen EU-Mitgliedstaaten (EU10) gestiegen.

    3.4

    Diese Betrachtungen lassen den Handel und die Entwicklungen innerhalb der EU(15) außer Acht. Es muss aber angemerkt werden, dass dies der weitaus größere Teil des Handels der einzelnen EU-Mitgliedstaaten (zwei Drittel bis zu 80 %) ist. Outsourcing wird hier also lediglich an den externen Handelsströmen mit Zwischenprodukten gemessen, was von der üblichen Definition abweicht und gewisse Überschneidungen mit dem so genannten „Offshoring“ hat, daher könnte man zur Unterscheidung auch von „Offshore-Outsourcing“ sprechen.

    4.   Gründe für zunehmendes Offshore-Outsourcing

    4.1

    Unternehmen entscheiden sich aus den unterschiedlichsten Gründen für die Verlagerung von Geschäftsvorgängen oder Teilen dieser ins Ausland. Der gegenwärtig bedeutendste Grund scheinen die niedrigeren Arbeitskosten zu sein. Darüber hinaus spielen aber auch Faktoren wie niedrigere Preise von Rohmaterialien und die Nähe zu den Wachstumsmärkten eine wichtige Rolle. Niedrige Produktivität, unsichere Rechtssysteme, Mängel in der Infrastruktur, ungünstige Handelsbedingungen (z. B. Zölle, Normen) und die mangelnde Möglichkeit der Kontrolle und der Reaktion beim Auftreten von Problemen können eine solche Entscheidung negativ beeinflussen.

    4.2

    Die Verlagerung von Produktionsanlagen und noch weniger die Beschaffung von Produkten, die Firmen ursprünglich selbst produziert hatten, sind keine neuen Entwicklungen. Das Ersetzen inländischer Arbeitskräfte durch ausländische ist seit vielen Jahren in allen Industrieländern eine gängige Praxis. Das Phänomen des Outsourcing ist praktisch ein Synonym für die Arbeitsteilung und für Unternehmen, die wettbewerbsfähig und kostenbewusst bleiben, während sie sich auf das spezialisieren, was sie am besten können. Neu ist hingegen, dass durch die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in den letzten Jahren die Auslagerung ganzer neuer Kategorien von Dienstleistungen (bzw. der Produktherstellung) möglich geworden ist. So ermöglichen IT und billige Kommunikation den Unternehmen heute die Auslagerung der meisten Vorgänge, die in digitaler Form wiedergegeben/ausgeführt werden können, wie etwa IT-Unterstützung, Back-Office-Arbeiten, Call-Zentren, Software-Programmierung sowie bestimmte FuE-Funktionen.

    4.2.1

    Ebenso haben IKT zusätzliches Outsourcing bei der Herstellung von Produkten ermöglicht, da Zwischenprodukte nunmehr nahtlos von mehreren Lieferanten bezogen werden können. Produktionstechniken mit Just-in-time-Lieferungen sind in hohem Maße auf IKT angewiesen, um die Fertigung und Anlieferung einzelner Teile und Komponenten verschiedener Hersteller über mehr oder weniger große Distanzen zeitgleich zu koordinieren.

    4.3

    Outsourcing kann normalerweise auch mit Offshoring verbunden werden. Offshoring kann in Form der Übertragung einzelner Aufgaben innerhalb einer Organisation an einen ausländischen Standort oder an einen unabhängigen Lieferanten erfolgen.

    Wie bereits erwähnt, ist dies kein völlig neues Phänomen. Vielmehr haben es die rasante Entwicklung der IKT sowie die damit verbundene Senkung der Kommunikationskosten ermöglicht, zahlreiche neue Teilleistungen in den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr einzubeziehen. Heute können Aufträge wie Anfertigung technischer Zeichnungen im Bereich Architektur, Auswertung von Röntgenbildern durch Radiologen oder bestimmte Rechtsdienstleistungen ins Ausland vergeben werden. Somit hat die IKT-Entwicklung den internationalen Handel ausgedehnt, da Transaktionskosten gesenkt wurden und völlig neue Dinge in den Handel einbezogen werden konnten. Es handelt sich um ähnliche Auswirkungen wie die der Einführung des internationalen Containersystems in den 50er Jahren, das auch zu einem Aufschwung des internationalen Handels führte (2).

    4.4

    Im Mittelpunkt dieser Stellungnahme steht das Offshore-Outsourcing. In allgemeinen politischen Debatten wird dies jedoch oft mit Ausländischen Direktinvestitionen (ADI) verwechselt. Zum Beispiel sind Tendenzen zu verzeichnen, die sehr oft als Formen des Outsourcing/Offshoring dargestellt werden, tatsächlich Teil einer Expansion von Unternehmen ins Ausland zur Bedienung des betreffenden ausländischen Markts vor Ort sind. Um bestimmen zu können, ob eine teilweise Verlagerung einer Produktionsanlage ein Beispiel für Offshoring ist, muss festgestellt werden, welcher Markt versorgt werden soll. Die Expansion von Unternehmen ins Ausland für den alleinigen Zweck der Bedienung ausländischer Märkte (horizontale ADI) muss nicht unbedingt — auch nicht kurzfristig — negative Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation im eigenen Land haben. Im Gegenteil, sie kann sich sogar äußerst positiv auf die Rentabilität und die Beschäftigung in der Firmenzentrale des betreffenden Unternehmens auswirken.

    4.5

    Natürlich sind es nicht nur die niedrigeren Arbeitskosten (niedrige Löhne und/oder geringere soziale Sicherheit) und das Erfordernis der Marktnähe, die Unternehmen zur Produktionsverlagerung veranlassen. Beweggründe können auch niedrigere Kosten beispielsweise durch weniger strikte Umweltgesetzgebungen und Steuervorteile sein. Diesbezüglich sind die Vorgänge in der europäischen Zementindustrie ein anschauliches und interessantes aktuelles Beispiel des Offshoring. So haben einige europäische Zementhersteller aufgrund des starken Anstiegs der Energiepreise in Europa, der teilweise durch das Emissionshandelsystem der EU hervorgerufen wurde, und der unmittelbaren Beschränkungen für die Industrie bezüglich des CO2-Ausstoßes die Klinkerproduktion nach China ausgelagert.

    4.6

    Schließlich ist ein kostengünstiges und effizientes Verkehrssystem eine Grundvoraussetzung für das Offshore-Outsourcing.

    5.   Outsourcing in der Warenproduktion

    5.1

    Outsourcing, in der Studie als das Auslagern von Teilen der Produktion zu externen Zulieferern oder zu eigens außerhalb der EU gegründeten Niederlassungen definiert, spiegelt sich in folgenden Faktoren wieder:

    Die weltweiten Handelsströme werden von der Internationalisierung der Produktionsstrukturen und den steigenden globalen ausländischen Direktinvestitionen vorangetrieben.

    Der Anteil von Zwischenprodukten (vor allem von Teilen und Komponenten) und Kapitalgütern an den weltweiten Importen steigt. Damit wächst auch der Intra-Industrie- und Intra-Unternehmenshandel.

    Es gibt einen deutlichen Anstieg der sich ergänzenden gegenseitigen Handelsströme zwischen den Industrieländern und den Entwicklungs- bzw. Schwellenländern. Der Anteil der Zwischenprodukte an den Importen in die EU15, USA und Japan sinkt, während dieser gleichzeitig bei ihren weniger entwickelten regionalen Partnern steigt.

    Outsourcing von Produktionsteilen ist ein besonderes Merkmal der IKT- und der Automobilindustrie mit ihren global agierenden Unternehmen.

    6.   Outsourcing von Dienstleistungen

    6.1

    Der weltweite Handel mit Dienstleistungen ist seit Mitte der 1990er Jahre rapide gewachsen. Er erreichte ähnliche Wachstumsraten wie der Handel mit Waren und wächst damit weit rascher als das BIP. Der Anteil der Dienstleistungen am gesamten BIP stieg von 3,8 % 1992 auf 5,7 % im Jahr 2003.

    6.2

    Während die Branchen Verkehr und Tourismus Wachstumsraten in der Höhe des BIP-Wachstums erreichten, ist das rasche Wachstum beim Handel mit Dienstleistungen auf die Kategorie „Sonstige Dienstleistungen“ entfallen. In dieser Kategorie sind die wirtschaftsnahen Dienstleistungen enthalten. Hier wiederum haben die Finanz-, Computer- und Informationsdienstleistungen besondere Dynamik.

    6.3

    Vergleicht man die Nettoergebnisse (Exporte abzüglich der Importe), sind die Gewinner des Outsourcing der Dienstleistungen die USA, die EU15 und Indien, wobei Indien relativ am meisten profitiert hat.

    7.   Stärken und Schwächen der EU

    7.1

    Die EU hat in dem Zeitraum seit 1990 insgesamt ihre führende Position im Welthandel erfolgreich gehalten, sowohl im Waren- als auch im Dienstleistungssektor. Dies resultiert zum Teil daraus, dass die investitionsintensive Phase des globalen Aufholprozesses Anfang der 1990er Jahre jene Industrien bevorzugt hat, die kapitalintensive Güter erzeugen, wo die EU eine relativ starke Position innehat. Die EU ist Marktführer in einer Vielzahl von Industriezweigen mit mittlerem Technologieniveau und bei kapitalintensiven Gütern. Die besonderen Stärken liegen in der weltweiten Automobilproduktion, in der pharmazeutischen Industrie, Spezialausrüstungen sowie im Bereich der Finanz- und Wirtschaftsdienstleistungen.

    7.1.1

    Der Außenhandelsüberschuss der EU ist im Zeitraum von 1992 bis 2003 von 0,5 auf 1,5 % des BIP gestiegen und trägt auch erheblich zu dessen Wachstum bei.

    7.1.2

    Eine wesentliche Stärke der EU liegt zweifellos auch im eigenen Binnenmarkt als Hintergrund, der nicht nur einen stabilen Rechtsrahmen bietet, sondern auch einen entsprechend großen Heimmarkt darstellt. Durch die Erweiterung ist ein Teil des Outsourcing in den neuen Mitgliedstaaten erfolgt.

    7.1.3

    Die Untersuchung zeigt, dass bei den Trends zu Offshore-Outsourcing in einigen Produktionsbereichen, wie zum Beispiel der Automobilindustrie, eine regionale Konzentration des Prozesses festzustellen ist (EU15 zu den neuen Mitgliedstaaten; USA zu Mexiko und Brasilien; Japan zu Südostasien und China). Dies erklärt sich vor allem durch die Kosten der geografischen Entfernung (z. B. Transportkosten). In den Bereichen der neuen Technologien und der Dienstleistungen spielen diese Kosten allerdings eine geringere Rolle.

    7.2

    Gleichzeitig zeigt die Studie auch einige Bereiche auf, die Anlass zur Sorge geben. Geografisch ist das ein wachsendes Handelsdefizit mit Asien generell und technologisch ist es eine eher schwache Performance der EU im Bereich IKT. Was besonders unter dem Blickwinkel zu betrachten ist, dass einige Entwicklungsländer danach trachten, in der Wertschöpfungskette rasch nach oben zu kommen und daher viel in F&E und Ausbildung investieren.

    7.2.1

    Der bisherige Erfolg Asiens im Welthandel lag vorwiegend in Produktbereichen wie der IKT, die aus europäischer Sicht vergleichsweise weniger wichtig waren als beispielsweise Automobile, Pharmazeutika oder Chemie. In den letzten 15 Jahren haben sich viele asiatische Länder auf den Export von Produkten im IKT-Bereich spezialisiert (3). Es ist anzunehmen, dass diese Länder sich bei ihrer zukünftigen Entwicklung auch jenen Industrien zuwenden, die bisher von der EU dominiert waren (wie das Beispiel der Textilindustrie zeigt).

    7.2.2

    Die EU und China sind in ihren Handelsstrukturen sehr komplementär zueinander: die EU spezialisiert sich auf Bereiche mit mittlerem bis hohem Technologieniveau und auf Kapitalgüter, während Chinas Stärke in wenig technologieintensiven, arbeitsintensiven und IKT-bezogenen Produktbereichen liegt. Dieses Komplementaritätsmuster führt unmittelbar zu tendenziell günstigen Handelsbedingungen für die EU, so dass viele EU-Mitgliedstaaten gegenwärtig deutliche Zugewinne in ihrer Preisgestaltungsmacht gegenüber Schwellenländern wie China zu verzeichnen haben. Diese Resultate zeigen, dass der Aufholprozess großer Schwellenwirtschaften wie z. B. China für beide Seiten sein Gutes haben kann, mit einem starken Anstieg der Pro-Kopf-Einkommen sowohl in den Industrie- als auch den Entwicklungsländern.

    7.2.3

    Die Auslagerung von Dienstleistungen nach Indien ist derzeit (noch) makroökonomisch wenig relevant.

    7.3

    Mittel- bis langfristig ergeben sich folgende potenzielle Außenhandelsprobleme der EU:

    7.3.1

    Die gute Performance der EU in den 1990er Jahren resultiert zu einem guten Teil aus den Gewinnen der initialen, investitionsintensiven Phase der Liberalisierung im Welthandel, was nicht ewig fortgeschrieben wird.

    7.3.2

    Die EU hat Schwächen in einem weiten Bereich der Hochtechnologie, besonders in der IKT-Industrie.

    7.3.3

    Asien entwickelt sich zu einem potentiellen Mitwettbewerber in einigen der Hauptwirtschaftszweige der EU. Chinas Niedrigkosten-Produzenten werden wahrscheinlich einen weiten Teil der arbeitsintensiven Industrien mit geringem Technologieniveau beherrschen. Die Auswirkungen auf die EU werden größer sein als für die USA oder Japan.

    8.   Gewinner und Verlierer des Offshore-Outsourcing

    8.1

    Durch Offshore-Outsourcing steigt der Handel, häufig mit neuen Typen von Produkten und in neuen Wirtschaftszweigen. Aus der Theorie und empirischen Studien ist bekannt, dass Handel Wohlstand produziert, weshalb das Offshore-Outsourcing vermutlich auch zu einer weltweiten Steigerung des Wohlstands führen dürfte. Diese Einschätzung wird jedoch komplexer, berücksichtigt man die Tatsache, dass die dem Offshoring bestimmter Produkte zugrunde liegenden Kostenvorteile auf weniger strikte Umweltgesetzgebungen zurückzuführen sein können, was wiederum globale Umweltauswirkungen zur Folge haben kann. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, können wir davon ausgehen, dass Offshoring den Wohlstand in der Welt steigert. Es ist jedoch auch bekannt, dass Handel häufig sowohl Gewinner als auch Verlierer hervorbringt und sich in diesem Zusammenhang die Frage stellt, wer in Europa die Gewinner und wer die Verlierer des zunehmenden Offshoring sein werden.

    8.1.1

    Die Entscheidung eines Unternehmens, eine bestimmte Aufgabe auszulagern, kann sich natürlich aus dessen Sicht auch als schlechte Entscheidung erweisen. Dies kann zahlreiche Gründe haben. So gefällt es den Kunden möglicherweise nicht, von Call-Zentren im Ausland bedient zu werden, so erhalten Unternehmen unter Umständen die Zwischenprodukte nicht in der erforderlichen Qualität und der festgelegten Zeit, zudem können kulturelle Missverständnisse zwischen Unternehmen und Kunden bzw. über die Grenzen hinweg auftreten oder es können vertrauliche Informationen zu Konkurrenten gelangen.

    8.1.2

    Zunächst müssen wir jedoch davon ausgehen, dass die Entscheidung eines Unternehmens (oder einer Behörde) für das Offshoring oder Offshore-Outsourcing eines Aufgabenbereichs erfolgreich umgesetzt wird. Wer sind in diesem Fall die Gewinner und wer die Verlierer?

    8.2   Gewinner

    8.2.1

    Europäische Unternehmen, die Offshoring und Offshore-Outsourcing anwenden

    Diese haben die Möglichkeit großer Kosteneinsparungen überwiegend aufgrund niedrigerer Arbeitskosten. Längerfristig gesehen wird diesen Unternehmen auch ein neues Potenzial an Facharbeitskräften zur Verfügung stehen, und zwar sowohl direkt über ihre eigenen ausgelagerten Einrichtungen als auch indirekt über Offshore-Outsourcing seitens der lokalen Zulieferer. Außerdem werden Unternehmen in europäischen Ländern mit gut geregelten Arbeitsmärkten irgendwann in der Lage sein, durch ihre Offshore-Standorte das eigene Arbeitskräfteniveau flexibler zu verwalten. Zudem ist es auch möglich, dass von den Offshore-Standorten aus sehr gut neue Märkte erschlossen werden können. Durch solche Produktionsstandorte vor Ort können europäische Unternehmen Waren und Leistungen zu Preisen herstellen bzw. erbringen, die den Verkauf in Niedriglohnländern ermöglichen.

    8.2.2

    Europäische Länder, die im Rahmen des Offshoring und Offshore-Outsourcing Produkte und Dienstleistungen zuliefern

    Mit dem Beitritt der 12 neuen Mitgliedstaaten 2004 und 2007 gibt es in der Europäischen Union nun mehrere große Lieferanten, die Produkte und Dienstleistungen im Rahmen des Offshoring und Offshore-Outsourcing zuliefern. Aber auch einige Länder der EU-15, insbesondere Irland, profitieren als „Offshore-Produktionsstandorte“. Die Vorteile für die Zuliefererländer liegen auf der Hand: Kurzfristige Vorteile sind die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Mobilisierung von Investitionen, während als längerfristige Vorteile der Technologietransfer und die Vermittlung von Fähigkeiten an die örtliche Bevölkerung zu nennen sind, die mit der Entscheidung der Unternehmen für das Offshoring und Offshore-Outsourcing erfolgen.

    8.2.3

    Die Verbraucher der unter Anwendung des Offshoring und Offshore-Outsourcing gelieferten Produkte und Dienstleistungen

    Die Endverbraucher der ausgelagerten Produkte und Dienstleistungen können von den niedrigeren Preisen der Produkte profitieren. Beispielsweise sind Schätzungen zufolge 10 bis 30 % des Preisrückgangs bei Halbleitern und Speicherchips in den 90er Jahren auf die Globalisierung der IT-Hardwareindustrie zurückzuführen. Die Verbraucher können außerdem von längeren Geschäftszeiten in vielen Dienstleistungsbranchen profitieren, wie etwa von der Möglichkeit, das Call-Zentrum eines Unternehmens in Bangalore nach 17.00 Uhr MEZ anzurufen. Preissenkungen werden je nach Anteil der Ausweitung des Offshoring und Offshore-Outsourcing am Gesamtvolumen die Inflation senken und dadurch zu höherer Kaufkraft führen.

    8.3   Verlierer

    8.3.1

    Europäische Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsplätze aufgrund von Offshoring und Offshore-Outsourcing verlieren

    Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsplätze aufgrund von Offshoring- und Offshore-Outsourcing-Maßnahmen verlieren, sind die offenkundigen und unmittelbaren Verlierer. Dabei handelt es sich bei den Personen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, um eine stark betroffene, jedoch verhältnismäßig kleine und konzentrierte Gruppe. Dagegen sind die Gewinner des Offshoring und Offshore-Outsourcing eine bedeutend größere und vielschichtigere Gruppe, bei der wiederum der individuelle Vorteil für den Einzelnen (außer eventuell für die Unternehmen) relativ gering ist. Diese Asymmetrie zwischen Gewinnern und Verlierern hat die politische Ökonomie des Offshoring mit den meisten anderen Diskussionen in Bezug auf Freihandel und Konkurrenz durch Einfuhren gemeinsam. Mit dem vom Rat auf Drängen der Kommission geschaffenen „Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung“ hat die EU ein Instrument in der Hand, dieser Gruppe — wenn auch mit begrenzten Mitteln — unter die Arme zu greifen.

    8.3.2

    Europäische Unternehmen, die nicht in der Lage sind, „bewährte Verfahren“ des Offshoring und Offshore-Outsourcing zu übernehmen

    Das grundlegende Problem, unter dem Europa gegenwärtig leidet, ist das geringe Produktivitätswachstum. Aufgrund der beschleunigten Globalisierung werden den Unternehmen in immer mehr Branchen Strategien des Offshoring und Offshore-Outsourcing durch den Wettbewerb diktiert. Unternehmen, die unfähig sind, ihre Geschäftstätigkeit unter Anwendung des Offshoring und Offshore-Outsourcing für einzelne Zwischenprodukte oder Teilbereiche umzustrukturieren, werden im Wettbewerb mit ihren Konkurrenten aus Drittländern und aus der EU, die dazu in der Lage sind, benachteiligt sein. Dies bedeutet, dass sie das Risiko eines geringeren Wachstums eingehen und letztendlich entweder vollständig aus ihrem Markt gedrückt werden oder ihre gesamte Produktion ins Ausland verlagern müssen, was in beiden Fällen wahrscheinlich zu größeren Arbeitsplatzverlusten führt als möglicherweise bei einem Offshoring oder Offshore-Outsourcing zu einem früheren Zeitpunkt.

    9.   Handlungsbedarf und Empfehlungen

    9.1

    Der Ausschuss hat sich in der Vergangenheit mehrfach zu den Themen Welthandel und Globalisierung generell geäußert (4) Zuletzt in der Stellungnahme „Herausforderungen und Möglichkeiten für die EU im Zuge der Globalisierung“ (REX/228 — Berichterstatter: Herr Malosse). Darin spricht sich der Ausschuss unter anderem für eine gemeinsame Globalisierungsstrategie, einen globalen Rechtsstaat, eine ausgewogene und verantwortungsbewusste Öffnung des Handels, ein forciertes Integrationstempo sowie eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz aus.

    9.1.1

    Auch unter dem Gesichtspunkt der in Summe für die EU positiven Entwicklung bezüglich des Handels mit Zwischenprodukten ist eine positive und aktive Haltung der EU zu einem freien Welthandel und eine aktive Globalisierungsstrategie zu befürworten. Wobei sowohl der Verteilung der daraus erzielten Vorteile als auch der politischen Diskussion größtes Augenmerk geschenkt werden muss. Die EU muss sich dabei für faire Bedingungen und eine nachhaltige Entwicklung (wirtschaftlich, sozial und ökologisch) im Welthandel einsetzen.

    9.1.2

    Die EU-Handelspolitik muss verstärkt darauf ausgerichtet werden, Sozial- und Umweltstandards weltweit zu verbessern und einen politischen Ansatz zu finden, der Solidarität mit Eigeninteressen kombiniert und von dem alle profitieren können. Nichttarifäre Handelsbarrieren sind weiter abzubauen, vor allem da, wo europäische Unternehmen diskriminiert werden. Im Zusammenhang mit Offshore-Outsourcing unterstreicht der Ausschuss seine Forderung nach besserem Schutz des geistigen Eigentums.

    9.1.3

    Die gegenwärtige Debatte über Klimawandel, Treibhausgasemissionen und nachhaltige Entwicklung wird immer mehr zu einer neuen Sicht auf viele Aspekte der Globalisierung führen, auch im Handel. Die Entwicklungsländer lassen bereits erkennen, dass sie mehr Hilfe oder „Kapazitätsaufbau“ bei der Nutzung sauberer Technologien brauchen. Die Nutzung saubererer, sparsamerer Verkehrsmittel wird stärker ins Blickfeld rücken, insbesondere der Transport per Schiff (sofern möglich). Umweltüberlegungen werden bei Entscheidungen über den künftigen Standort von Produktionsstätten und den anschließenden Absatz der Waren eine größere Rolle spielen. Der Ausschuss ersucht daher die Kommission, soweit sie es nicht bereits tut, den handelsbezogenen Aspekten der allgemeinen Klimawandel-Debatte eigene Analysen zu widmen.

    9.2

    Die EU sollte sich zunächst ihrer Stärken bewusst sein und sie ausbauen. Gerade die oben erwähnten Bereiche mit mittlerem Technologieniveau sind oft von hoher Innovationsfähigkeit geprägt. Darüber hinaus müssen allerdings auch Investitionen (materielle wie ideelle) in neue Bereiche getätigt werden. Das 7. Rahmenprogramm (2007-2012) zeigt dabei einige dieser Möglichkeiten auf. Dieser Weg soll fortgesetzt und intensiviert werden (5).

    9.3

    Angesichts der rasanten Entwicklung, insbesondere im Bereich des Offshore-Outsourcing sind mehr und differenzierte (nach Sektoren, regional) Analysen dringend erforderlich. Zumal die in dieser Stellungnahme erwähnte Studie nur ein sehr globales Bild abgibt und jüngste Entwicklungen nicht berücksichtigt sind.

    9.3.1

    Durch die jüngsten Erweiterungen der EU sind neue Möglichkeiten für ein Outsourcing in die neuen Mitgliedstaaten entstanden. Dieses Phänomen erfordert eine eingehende Untersuchung, da sowohl die Gewinner, als auch die Verlierer der EU angehören. Wenn wir annehmen, dass das Offshore-Outsourcing in die neuen und künftigen Mitgliedstaaten positive Auswirkungen auf die Kohäsionsstrategie haben soll, ist es logisch, die Auswirkungen auf die künftige Ausrichtung der einschlägigen Finanzierungsinstrumente der EU zu untersuchen.

    9.3.2

    Es gibt auch keine detaillierten Untersuchungen über die weiteren Auswirkungen des Outsourcing auf die Beschäftigung und die Qualifikationen.

    9.3.3

    Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, solche Analysen, die auch mögliche Szenarien in mittlerer und naher Zukunft beinhalten sollten, in die Wege zu leiten und dabei auch die betroffenen Akteure mit einzubeziehen. Umfragen unter Entscheidungsträgern in Unternehmen ergeben zum Teil ein anderes Bild, als es sich aus den Handelsstatistiken ablesen lässt.

    9.3.4

    Solche Analysen können auch Teil der Sektoruntersuchungen im Rahmen der neuen Industriepolitik sein. Sie könnten als Grundlage für die Diskussionen im sektoralen sozialen Dialog dienen, dem damit ein weiteres Instrument für die Bewältigung und Antizipierung des Wandels gegeben sein kann (siehe dazu diverse Stellungnahmen der BKIW bzw. des EWSA).

    9.4

    Die wesentlichen Antworten auf die Herausforderungen für Europa durch die Integration des Welthandels und das zunehmende Offshoring europäischer Produktion liegen in der Lissabon-Strategie. Die BKIW unterstreicht dabei die folgenden Punkte als entscheidend für ein anpassungs- und wettbewerbsfähiges Europa im Prozess der Globalisierung:

    Vollendung und Stärkung des Binnenmarktes

    Forcierung von Innovation

    Stimulierung von Beschäftigung.

    9.4.1

    Die Weiterentwicklung und Erweiterung des Binnenmarktes mit dem Ziel der Optimierung des freien Verkehrs von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital wird einen signifikanten Beitrag zur Stärkung des Wettbewerbs leisten und so Unternehmen, Innovation und Wachstum antreiben.

    9.4.2

    Der Binnenmarkt kann erst vollständig realisiert werden, wenn die Gesetzgebung auch tatsächlich und richtig umgesetzt und in Kraft getreten ist. Die Kommission und der Rat müssen sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten dies nicht verzögern.

    9.4.3

    Technologieentwicklung und Begünstigung von Innovationen in der Europäischen Union sind entscheidend, damit Europa auf dem Weltmarkt bestehen kann. Auf diese Weise wird die Zahl der hochqualifizierten Arbeitsplätze in Europa steigen, und so wird die EU ein attraktiverer Standort für Unternehmen und Investitionen.

    9.4.4

    Zur Förderung von Innovationen ist ein kosteneffizientes und einfaches Patentverfahren erforderlich. Gegenwärtig ist der Erwerb eines EU-weit geschützten Patents für Erfindungen erheblich teurer und komplizierter als der eines US-Patents. Ein kosteneffizientes Gemeinschaftspatent muss eingeführt werden.

    9.4.5

    Es sind koordinierte Anstrengungen erforderlich, damit das Ziel der Lissabon-Strategie, nationale Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in Höhe von 3 % des BIP zu erreichen, in einer möglichst kurzen Zeit umgesetzt werden kann. Wie die von der Kommission am 11. Juni 2007 veröffentlichen Schlüsselzahlen zu Wissenschaft, Technologien und Innovation zeigen, sind 85 % der Rückstände für das Erreichen dieses Zieles auf geringe Investitionen der Unternehmen zurückzuführen. Gleichzeitig kann aber eine hohe FuE-Intensität erreicht werden, wenn ein hohes Engagement des privaten Sektors mit hohen öffentlichen Investitionen einhergeht. Die öffentliche Hand in der EU (die Mitgliedstaaten) muss also weiter in F&E investieren, damit sich die F&E-Aktivitäten der Privatwirtschaft weiterentwickeln. Die Regierungen sollten außerdem eine innovative Finanzierungspolitik zur Förderung von Investitionen in Forschung und Entwicklung einführen.

    9.4.6

    Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologien würden die Effizienz bei der Verwaltung und schnelle Verbindungen zwischen den Verbrauchern und Märkten innerhalb Europas fördern. Der Entwicklung eines umfassenden Netzes von Breitbandinternetverbindungen ist Priorität einzuräumen.

    9.5

    Der Beschäftigungspolitik kommt in diesem Prozess besondere Bedeutung zu. Es geht zum einen darum, für jene, die durch Offshore-Outsourcing ihren Arbeitsplatz verlieren, eine neue Beschäftigungsmöglichkeit zu finden, und andererseits müssen die Anforderungen an die Qualifikation und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhalten bleiben. Gerade Arbeitnehmer, die durch Auslagerungen ihren Job verlieren, finden immer schwerer einen neuen Arbeitsplatz. Noch vor wenigen Jahren war es in der Regel möglich, innerhalb von 3 bis 4 Monaten eine neue Stelle zu finden. Heute kann sich dieser Prozess über mehrere Jahre erstrecken, da immer mehr arbeitsintensive Produktion ausgelagert wird und kaum adäquater Ersatz angeboten wird. Flexible, gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte sind der Schlüssel zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Europas.

    9.5.1

    Der Ausschuss unterstreicht daher auch in diesem Zusammenhang die Schlussfolgerungen des Wim-Kok-Berichtes (6) in Bezug auf

    Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Unternehmen, was ihre Chancen, den Wandel zu antizipieren, erhöht;

    Einbeziehung von mehr Menschen in den Arbeitsmarkt;

    mehr und effektivere Investitionen in das Humankapital.

    9.5.2

    In einer Welt des raschen Wandels kommen neue Technologien zum Einsatz, die jedoch schnell veralten. Die Regierungen der europäischen Länder müssen gewährleisten, dass sich ihre Bürgerinnen und Bürger diesen neuen Verhältnissen anpassen können, damit alle eine Chance bekommen. Es ist dringend eine moderne Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik erforderlich, die auf die Förderung von Chancen und Beschäftigungsfähigkeit durch Vermittlung von Fähigkeiten sowie durch Maßnahmen zur Erhöhung der Anpassungs- und Umschulungsfähigkeit sowie der räumlichen Mobilität von Arbeitskräften ausgerichtet ist. Entscheidend für die Umsetzung dieser anspruchsvollen Aufgabe ist, dass die Mitgliedstaaten eine nationale Politik der allgemeinen und beruflichen Bildung erarbeiten und umsetzen, die auf Investitionen in Bildung und lebensbegleitendes Lernen beruht, damit die Menschen in die Lage versetzt werden, sich an den Wandel und an neue Bereiche mit einem komparativen Vorteil anzupassen. Wie in der Lissabon-Agenda betont wird, sollte dies die „neuen Grundfertigkeiten, wie IT-Kenntnisse, Fremdsprachen, Technologiekultur, Unternehmergeist und soziale Kompetenzen“ einschließen.

    9.6

    Neben der Qualifikation der Arbeitnehmer ist es von hoher Bedeutung, dass es mit dem Offshore-Outsourcing nicht zu einem zusätzlichen Abfluss von Know-how kommt. Es gilt ein Umfeld zu erhalten, das Europa zu einem attraktiven Standort für Forschung und Entwicklung macht. Dazu müssen die Rolle der Universitäten (vor allem der naturwissenschaftlichen und technischen Richtungen), ihre europäische Vernetzung sowie ihre Zusammenarbeit mit der Wirtschaft neu überdacht werden.

    9.7

    Europas Wettbewerbsfähigkeit wird sich in erster Linie in einer wissensbasierten innovativen Wirtschaft und einem solidarischen Gesellschaftsmodell mit einem soliden Zusammenhalt begründen. Einen Wettbewerb mit niedrigen Sozial- oder Umweltstandards kann Europa nicht gewinnen.

    Brüssel, den 26. September 2007

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Economic Papers Nummer 259: „Global trade integration and outsourcing: How well is the EU coping with the new challenges“ von Karel Havik und Kierian Mc Morrow.

    (2)  Der Containerverkehr ist ein intermodales System zum Transport von Stückgut und in Lose aufteilbaren Produkten in ISO-genormten Transportbehältern. Die Waren können darin leicht mit verschiedenen Transportmitteln (Containerschiffe, Lkw, Eisenbahn, Flugzeuge) von einem Ort zum anderen verfrachtet werden. Der Containerverkehr gilt als bedeutsamste Neuerung im Bereich der Logistik, die den Warenumschlag im 20. Jahrhundert revolutioniert und die Frachtkosten drastisch reduziert hat.

    (3)  Billige Produktionsstandorte, in denen oft auch teure hochtechnologische Produkte und Know-how aus den USA oder Europa verarbeitet werden, haben dazu geführt, dass Produkte wie Computer oder Mobiltelefone zu einem erschwinglichen Preis auf den Markt kommen und somit einer breiten Konsumentenschicht zur Verfügung stehen.

    (4)  

    REX/182 - „Soziale Dimension der Globalisierung“, vom März 2005

    REX/198 - „Vorbereitung der 6. WTO-Ministerkonferenz“, vom Oktober 2005

    SOC/232 - „Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung im Kontext von Globalisierung und demografischem Wandel“, vom September 2006

    REX/228 - „Herausforderungen und Möglichkeiten für die EU im Zuge der Globalisierung“, vom Mai 2007.

    (5)  Siehe dazu die Stellungnahme des EWSA: INT/269 — „7. FTE-Rahmenprogramm“, vom Dezember 2005.

    (6)  Bericht der Taskforce Beschäftigung unter Vorsitz von Wim Kok/November 2003.

    Die Taskforce begann ihre Tätigkeit im April 2003 und überreichte ihren Bericht der Kommission am 26. November 2003. Die Kommission und der Rat übernahmen die Schlussfolgerungen des Berichts in ihrem Gemeinsamen Beschäftigungsbericht für den Frühjahrsrat 2004, der die Notwendigkeit einer entscheidenden Aktion durch die Mitgliedstaaten gemäß den von der Taskforce vorgeschlagenen Leitlinien bestätigte.


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