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Document 52001AE1310

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission über die Neufassung ihrer Bekanntmachung von 1997 betreffend Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 81 Absatz 1 des Vertrages fallen"

    ABl. C 36 vom 8.2.2002, p. 7–9 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001AE1310

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission über die Neufassung ihrer Bekanntmachung von 1997 betreffend Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 81 Absatz 1 des Vertrages fallen"

    Amtsblatt Nr. C 036 vom 08/02/2002 S. 0007 - 0009


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission über die Neufassung ihrer Bekanntmachung von 1997 betreffend Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 81 Absatz 1 des Vertrages fallen"

    (2002/C 36/02)

    Die Kommission beschloss am 16. März 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu erarbeiten.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 26. September 2001 an. Berichterstatter war Herr Pezzini.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 385. Plenartagung am 17. und 18. Oktober 2001 (Sitzung vom 17. Oktober) einstimmig folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Der Prozess der Aktualisierung der Wettbewerbsbestimmungen und die Dezentralisierung der Entscheidungskompetenzen, ausgelöst durch die Debatte im Gefolge des Grünbuchs, werden von der Kommission konsequent weiterverfolgt. Auch die hier erörterte Mitteilung ist davon gekennzeichnet. Die Kommission berücksichtigt bei diesen neuen Vorschlägen zu den Vereinbarungen von geringer Bedeutung die Rechtsprechung des Gerichtshofes in den letzten Jahren. Außerdem trägt sie der - vom Ausschuss bereits verdeutlichten - Notwendigkeit Rechnung, den einzelstaatlichen Gerichten und Behörden (nicht bindende) Informationen zukommen zu lassen.

    1.2. Im übrigen betrifft diese Bekanntmachung zwar "Vereinbarungen von geringer Bedeutung", ist jedoch deshalb von erheblicher Bedeutung, da sie eine Vielzahl von Fällen erfasst und sich die Vereinbarungen auf komplexe Sachverhalte beziehen.

    2. Besondere Bemerkungen

    2.1. Die neue Kommissionsmitteilung über die Neufassung der Bekanntmachung von 1997 betreffend Vereinbarungen von geringer Bedeutung ist zu begrüßen. Sie enthält einige signifikante Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Text. Der Ausschuss möchte indes einige Punkte von besonderem Interesse hervorheben.

    2.2. Marktanteilsobergrenzen

    2.2.1. Mit der Bekanntmachung von 1997 führte die Kommission eine Unterscheidung zwischen "horizontalen" und "vertikalen" Vereinbarungen ein. Gleichzeitig erklärte sie, dass vertikale Vereinbarungen eine geringere Bedrohung und Gefahr für den Wettbewerb im Binnenmarkt darstellten und somit nachsichtiger als horizontale Vereinbarungen behandelt werden könnten. In der Bekanntmachung von 1997 wurden "vertikale" Vereinbarungen als Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf verschiedenen Produktions- oder Vertriebsebenen definiert, und es wurde eine Marktanteilsobergrenze von 10 % festgelegt, wobei die unterhalb dieser Schwelle liegenden Vereinbarungen auch dann nicht als unter Artikel 1 Absatz 1 fallend betrachtet wurden, wenn sie sich auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirkten. Als "horizontale" Vereinbarungen definiert wurden Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf der gleichen Produktions- und Vertriebsebene. Für diese Vereinbarungen sah die Bekanntmachung eine Marktanteilsobergrenze von 5 % vor.

    2.2.2. In der nun vorliegenden Neufassung wird unter Ziffer 8 der Begriff "vertikale Vereinbarungen" durch den weitreichenderen Begriff "Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern" ersetzt, der als "Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die keine tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerber auf einem der betroffenen relevanten Märkte sind" definiert wird. Diese neue Definition ist weiter gefasst, da sie sich beispielsweise auch auf Fälle erstreckt, in denen zwei Hersteller, die in zwei unterschiedlichen Produktionszweigen tätig sind, eine Vertriebsvereinbarung eingehen, solange die Maschinen beider Hersteller nicht für die Herstellung der Vertragsgüter verwendet werden können.

    2.2.3. Diese neue und zugleich weitreichendere Kategorie von Vereinbarungen wird im Normalfall als keine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 betrachtet, wenn der Marktanteil jeder Vertragspartei 15 % nicht überschreitet.

    2.2.4. Der Ausschuss begrüßt sowohl die weiter gefasste Definition der "Niedrigrisiko"-Vereinbarungen zwischen Unternehmen als auch die höheren Marktanteilsobergrenzen rückhaltlos, weil sie der wirtschaftlichen Realität Rechnung tragen, dass derartige Vereinbarungen keine spürbare Gefahr für den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 darstellen. Der Ausschuss begrüßt außerdem die Entscheidung, auch in diesem Fall keine Obergrenze für den Umsatz festzulegen, weil das Verhältnis Unternehmen/relevanter Markt und nicht so sehr die Größe das entscheidende wettbewerbspolitische Kriterium gemäß Artikel 81 EGV darstellt.

    2.2.5. Aus ähnlichen Gründen begrüßt der Ausschuss die in der neuen Bekanntmachung vorgeschlagene enger gefasste Kategorie von "Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern", die als "Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber auf einem der betroffenen relevanten Märkte sind", definiert werden. Ebenso begrüßt er die in der Bekanntmachung vorgesehene höhere Marktanteilsobergrenze von 10 % des Marktanteils aller Vertragsparteien, weil bei einem solchen Marktanteil auch Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern keine spürbare Bedrohung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 darstellen können.

    2.2.6. Der Ausschuss begrüßt auch den unter Ziffer 8 der Bekanntmachung enthaltenen Vorschlag, die Marktanteilsobergrenze für Vereinbarungen, deren Einstufung Schwierigkeiten bereitet, von 5 auf 10 % anzuheben, weil diese Maßnahme eine logische Folge der bereits angesprochenen Änderungen darstellt.

    2.3. Parallelvereinbarungen und Abschottungseffekte

    2.3.1. Der Ausschuss begrüßt auch die Einführung einer neuen quantitativen Marktanteilsprüfung in Form einer Fünf-Prozent-Schwelle (unter Ziffer 9) für die Vereinbarungen eines einzelnen Lieferanten oder Händlers, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Wettbewerb auf einem Markt durch die gleichzeitige Wirkung von Parallelvereinbarungen für den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen beschränkt wird. Beispiele für derartige Parallelvereinbarungen sind die brauereigebundenen Gaststätten in Belgien oder im Vereinigten Königreich oder Vereinbarungen über Speiseeisbereiter zwischen Lieferanten und Einzelhändlern in Deutschland und Irland. Dies stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber den in der Bekanntmachung von 1997 vorgesehenen komplizierten Prüfungen dar, die auf qualitativen Kriterien basierten, die der Gerichtshof in verschiedenen Urteilen aufgestellt hatte. Der nun vorgeschlagene quantitative Test wird Lieferanten und Händlern mehr Rechtssicherheit bieten.

    2.3.2. Der Ausschuss begrüßt die von der Kommission unter Ziffer 10 vorgeschlagene Bestimmung, der zufolge es zulässig sein soll, dass die Marktanteile in allen vorstehenden Fällen während zweier aufeinander folgender Kalenderjahre um einen Prozentpunkt überschritten werden. Er fragt sich allerdings, warum bei der zulässigen Zuwachsspanne von den mit der Bekanntmachung von 1997 eingeräumten 10 % abgewichen wurde, denn die neue Regelung begünstigt Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern (1 Prozentpunkt mehr als 15 % ergibt 16 %); eine 10 %ige Erhöhung von 15 % ergibt 16,5 %).

    2.4. Relevanter Markt

    2.4.1. Der Ausschuss stellt fest, dass die einzige Information, die die Bekanntmachung zu der entscheidenden Frage der Berechnung der Marktanteile (Ziffer 11) bietet, darin besteht, die Vertragsparteien (und die einzelstaatlichen Gerichte und Wettbewerbsbehörden) auf die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts(1) zu verweisen. Die Kommission nimmt nicht Bezug auf die Mitteilung "Leitlinien für vertikale Beschränkungen"(2) oder die Bekanntmachung "Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit"(3), obwohl beide Leitlinien an anderer Stelle des Dokuments angeführt werden.

    2.4.2. Im Interesse der Klarheit sollte die Kommission nach Ansicht des Ausschusses angeben, ob die Leitlinien für diese beiden Gruppenfreistellungen relevant sind.

    2.5. Kernbeschränkungen und Definitionen von Vereinbarungen

    2.5.1. Der erste Punkt, der den Ausschuss hinsichtlich der Behandlung von Kernbeschränkungen durch die Kommission (Ziffer 12 der Bekanntmachung) bedenklich stimmt, ist die plötzliche Einführung von drei neuen Kategorien von Vereinbarungen, und zwar "horizontalen Vereinbarungen", "vertikalen Vereinbarungen" und "vertikalen Vereinbarungen zwischen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerben" in der Mitte des Texts. Der Ausschuss meint, dass die in der Bekanntmachung verwendeten Begriffe "relevanter Markt", "Marktanteilsschwellen" usw. ausreichend komplex sind, so dass es nicht erforderlich ist, in der gleichen Bekanntmachung verschiedene Definitionen von Vereinbarungen zu verwenden.

    2.5.2. Der Ausschuss bittet die Kommission eindringlich, ihren Ansatz zu überdenken und in der Bekanntmachung durchgängig die gleichen Definitionen für Vereinbarungskategorien zu verwenden.

    2.6. Kleine und mittlere Unternehmen

    2.6.1. Der Ausschuss stimmt der Behandlung zu, welche die Kommission in ihrer neuen Bekanntmachung für die KMU vorgesehen hat. Er würdigt die anhaltende Aufmerksamkeit der Kommission für die KMU im Rahmen der Wettbewerbspolitik aufgrund der Bedeutung dieses Sektors in der europäischen Wirtschaft. Auch stimmt er dem unter Ziffer 12 der neuen Bekanntmachung ausgedrückten Grundsatz zu, dass hinsichtlich schwerwiegender Beschränkungen (Kernbeschränkungen) "Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen, wie sie im Anhang zu der Empfehlung der Kommission 96/280/EG definiert sind, selten geeignet (sind), den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen." Sollten Vereinbarungen zwischen KMU ausnahmsweise den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen, bestuende immer noch die Möglichkeit, dass - sollten diese Vereinbarungen auch eine Überschreitung der in der Mitteilung festgelegten Marktanteilsschwellen beinhalten - Artikel 81 EGV auf sie Anwendung fände. Der Ausschuss merkt jedoch an, dass die meisten Vereinbarungen zwischen KMU den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen und viele von denen, bei denen dies der Fall ist, doch nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 81 fallen, weil die Bekanntmachung eine Anhebung der Marktanteilsschwellen vorsieht. Die Kommission selbst hat im Übrigen in der "Europäischen Charta der Kleinunternehmen" die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Netzen und Vereinbarungen zwischen den kleinen Unternehmen mit Blick auf eine bessere Produktion und Vermarktung der Erzeugnisse hervorgehoben.

    2.7. Die Bekanntmachung und die einzelstaatlichen Wettbewerbsvorschriften

    2.7.1. Der Ausschuss verweist auf die Erklärung der Kommission unter Ziffer 7, "Die Bekanntmachung lässt die Anwendung der nationalen Wettbewerbsvorschriften unberührt." Der Ausschuss hebt hervor, dass diese Erklärung in der Bekanntmachung revidiert werden muss, sobald die Rechtsreformen zur Aktualisierung umgesetzt sind.

    3. Schlussbemerkungen

    3.1. Diese Mitteilung fügt sich in das Verfahren zur Aktualisierung der Wettbewerbsvorschriften ein. Der Ausschuss hebt die Bedeutung der vorgenommenen Verbesserungen im Vergleich zur vorhergehenden Mitteilung hervor: Einführung von "Kategorien", Anhebung der Schwellen, Einführung einer neuen Schwelle, größere Rechtssicherheit.

    3.2. Der Ausschuss fordert weitere Überlegungen in Bezug auf folgende Punkte anzustellen: Definition des "relevanten Marktes", stärkere Vereinfachung der Kategorien von Vereinbarungen, die gravierende Wettbewerbsbeeinträchtigungen verursachen, sowie eine größere Einheitlichkeit hinsichtlich der zulässigen Steigerungsrate bei Überschreiten der vorgesehenen Marktanteile.

    Brüssel, den 17. Oktober 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) ABl. C 372 vom 9.12.1997.

    (2) ABl. C 291 vom 13.10.2000.

    (3) ABl. C 3 vom 6.1.2001.

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