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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62018CJ0628

    Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 13. Januar 2021.
    Europäische Kommission gegen Republik Slowenien.
    Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Märkte für Finanzinstrumente – Richtlinien 2014/65/EU und (EU) 2016/1034 – Unterbliebene Umsetzung und/oder unterbliebene Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen – Art. 260 Abs. 3 AEUV – Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags.
    Rechtssache C-628/18.

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2021:1

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    13. Januar 2021 ( *1 )

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Märkte für Finanzinstrumente – Richtlinien 2014/65/EU und (EU) 2016/1034 – Unterbliebene Umsetzung und/oder unterbliebene Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen – Art. 260 Abs. 3 AEUV – Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags“

    In der Rechtssache C‑628/18

    betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 und Art. 260 Abs. 3 AEUV, eingereicht am 5. Oktober 2018,

    Europäische Kommission, vertreten durch T. Scharf, G. von Rintelen und B. Rous Demiri als Bevollmächtigte,

    Klägerin,

    gegen

    Republik Slowenien, vertreten durch T. Mihelič Žitko, A. Dežman Mušič und N. Pintar Gosenca als Bevollmächtigte,

    Beklagte,

    unterstützt durch

    Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch S. Eisenberg als Bevollmächtigte,

    Republik Estland, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

    Republik Österreich, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,

    Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

    Streithelferinnen,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer sowie der Richter A. Kumin, N. Wahl und F. Biltgen (Berichterstatter),

    Generalanwalt: P. Pikamäe,

    Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2020,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

    festzustellen, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 93 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. 2014, L 173, S. 349) in der durch Art. 1 der Richtlinie (EU) 2016/1034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2016 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (ABl. 2016, L 175, S. 8) geänderten Fassung verstoßen hat, dass sie nicht bis spätestens 3. Juli 2017 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich waren, um den Richtlinien 2014/65 und 2016/1034 nachzukommen, oder der Kommission diese Maßnahmen jedenfalls nicht mitgeteilt hat;

    gegen die Republik Slowenien nach Art. 260 Abs. 3 AEUV die Zahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von 1028560 Euro auf ein Konto, das ihr von der Kommission mitgeteilt wird, mit Wirkung ab dem Tag der Verkündung des Urteils im vorliegenden Fall zu verhängen;

    der Republik Slowenien die Kosten aufzuerlegen.

    Rechtlicher Rahmen

    2

    Art. 1 der Richtlinie 2014/65 lautet:

    „(1)   Diese Richtlinie gilt für Wertpapierfirmen, Marktbetreiber, Datenbereitstellungsdienste und Drittlandfirmen, die in der Union durch die Einrichtung einer Zweigniederlassung Wertpapierdienstleistungen erbringen oder Anlagetätigkeiten ausüben.

    (2)   Diese Richtlinie legt Anforderungen in den folgenden Bereichen fest:

    a)

    Bedingungen für die Zulassung und Tätigkeit von Wertpapierfirmen,

    b)

    Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Ausübung von Anlagetätigkeiten durch Drittlandfirmen durch die Errichtung einer Zweigniederlassung,

    c)

    Zulassung und Betrieb geregelter Märkte,

    d)

    Zulassung und Betrieb von Datenbereitstellungsdiensten und

    e)

    Überwachung, Zusammenarbeit und Durchsetzung durch die zuständigen Behörden.

    (3)   Folgende Bestimmungen gelten auch für Kreditinstitute, die gemäß der Richtlinie [2013/36/EU] zugelassen sind, wenn sie eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen erbringen und/oder Anlagetätigkeiten ausüben:

    a)

    Artikel 2 Absatz 2, Artikel 9 Absatz 3, Artikel 14, Artikel 16 bis Artikel 20

    b)

    Titel II Kapitel II, ausgenommen Artikel 29 Absatz 2 Unterabsatz 2

    c)

    Titel II Kapitel III, ausgenommen Artikel 34 Absätze 2 und 3 sowie Artikel 35 Absätze 2 bis 6 und 9

    d)

    die Artikel 67 bis 75 und die Artikel 80, 85 und 86.

    (4)   Folgende Bestimmungen gelten auch für Wertpapierfirmen und Kreditinstitute, die gemäß der Richtlinie [2013/36/EU] zugelassen sind, wenn sie strukturierte Einlagen an Kunden verkaufen oder sie über diese beraten:

    a)

    Artikel 9 Absatz 3, Artikel 14 und Artikel 16 Absätze 2, 3 und 6;

    b)

    Artikel 23 bis Artikel 26, Artikel 28 und Artikel 29, ausgenommen Artikel 29 Absatz 2 Unterabsatz 2 und Artikel 30 und

    c)

    Artikel 67 bis 75.

    (5)   [Artikel] 17 Absätze 1 bis 6 gelten auch für Mitglieder oder Teilnehmer von geregelten Märkten und MTF [(Multilateral Trading Facilities), multilaterale Handelssysteme], die gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, e, i und j keine Zulassung gemäß dieser Richtlinie benötigen.

    (6)   Artikel 57 und 58 gelten auch für Personen, die gemäß Artikel 2 dieser Richtlinie vom Anwendungsbereich ausgenommen sind.

    (7)   Alle multilateralen Systeme für Finanzinstrumente sind entweder im Einklang mit den Bestimmungen des Titels II für MTF bzw. OTF [(Organised Trading Facilities), organisierte Handelssysteme] oder gemäß den Bestimmungen des Titels III für geregelte Märkte zu betreiben.

    Jede Wertpapierfirma, die in organisierter und systematischer Weise häufig Handel für eigene Rechnung treibt, wenn sie Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes, eines MTF oder eines OTF ausführt, ist gemäß Titel III der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2014, L 173, S. 84)] zu betreiben.

    Unbeschadet der Artikel 23 und 28 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 haben alle in den Unterabsätzen 1 und 2 genannten Geschäfte mit Finanzinstrumenten, die nicht über multilaterale Systeme oder systematische Internalisierer abgeschlossen werden, den einschlägigen Bestimmungen des Titels III der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 zu genügen.“

    3

    Art. 93 („Umsetzung“) der Richtlinie 2014/65 sah vor:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 3. Juli 2016 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Maßnahmen mit.

    Die Mitgliedstaaten wenden diese Maßnahmen ab dem 3. Januar 2017 an, mit Ausnahme der Bestimmungen zur Umsetzung des Artikels 65 Absatz 2, die ab dem 3. September 2018 angewandt werden.

    Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch die vorliegende Richtlinie geänderten Richtlinien als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.

    (3)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission und der ESMA den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.“

    4

    Art. 1 der Richtlinie 2016/1034 sieht Folgendes vor:

    „Die Richtlinie 2014/65/EU wird wie folgt geändert:

    7.

    In Artikel 93 Absatz 1 wird das Datum ‚3. Juli 2016‘ durch das Datum ‚3. Juli 2017‘, das Datum ‚3. Januar 2017‘ durch das Datum ‚3. Januar 2018‘ und das Datum ‚3. September 2018‘ durch das Datum ‚3. September 2019‘ ersetzt.“

    Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

    5

    Bei Ablauf der Frist (3. Juli 2017), die in Art. 93 der Richtlinie 2014/65 in der durch die Richtlinie 2016/1034 geänderten Fassung (im Folgenden: MiFID‑II-Richtlinie) vorgesehen war, hatte die Kommission von der Republik Slowenien keine Informationen über den Erlass und die Veröffentlichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich waren, um dieser Richtlinie nachzukommen, erhalten; daher richtete sie am 26. September 2017 ein Aufforderungsschreiben an diesen Mitgliedstaat.

    6

    Aus der Antwort der Republik Slowenien vom 23. November 2017 ging hervor, dass die Umsetzungsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt in Vorbereitung seien und im April 2018 erlassen werden sollten. Die Kommission richtete daher am 26. Januar 2018 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat. Darin forderte sie ihn auf, innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt dieser Stellungnahme die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Anforderungen der MiFID‑II-Richtlinie zu genügen.

    7

    Nachdem die Kommission den Antrag der Republik Slowenien auf Verlängerung der Frist für die Beantwortung dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme abgelehnt hatte, antwortete der genannte Mitgliedstaat auf diese Stellungnahme mit Schreiben vom 21. März 2018, dass das Verfahren zur Verabschiedung der Gesetzesentwürfe mit den Maßnahmen zur Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie im Gange sei und im April 2018 abgeschlossen werden solle. Die Gesetzesentwürfe waren dieser Antwort beigefügt.

    8

    Am 1. August 2018 informierte die Republik Slowenien die Kommission über die Durchführung vorgezogener Wahlen und das Zusammentreten der neuen Nationalversammlung und ersuchte die Kommission um Nachsicht in Bezug auf den Erlass der Umsetzungsmaßnahmen. In demselben Schreiben wies sie außerdem darauf hin, dass sie alle Verfahren betreffend den Erlass des neuen Gesetzes über Märkte für Finanzinstrumente, das die Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie sicherstellen werde, bis Ende September 2018 abschließen werde.

    9

    Da die Kommission der Auffassung war, dass die Republik Slowenien die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie nicht mitgeteilt habe, hat sie am 5. Oktober 2018 die vorliegende Klage erhoben und beantragt, die gerügte Vertragsverletzung festzustellen und gegen diesen Mitgliedstaat nicht nur einen Pauschalbetrag, sondern auch ein Zwangsgeld in Form eines Tagessatzes zu verhängen.

    10

    In ihrem Erwiderungsschriftsatz hat die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, dass sie ihre Klage teilweise zurücknehme, nämlich insofern, als sie nicht mehr die Verhängung eines Zwangsgelds in Form eines Tagessatzes beantrage, da dieser Antrag nach der vollständigen Umsetzung der Richtlinien 2014/65 und 2016/1034 in slowenisches Recht mit Wirkung vom 6. Dezember 2018 gegenstandslos geworden sei. Ebenso hat sie darauf hingewiesen, dass sich der Pauschalbetrag, dessen Verhängung sie im vorliegenden Fall beantrage, auf 1028560 Euro belaufe und sich auf den Zeitraum vom 4. Juli 2017 bis zum 6. Dezember 2018, also 520 Tage zu einem Satz von 1978 Euro pro Tag, beziehe.

    11

    Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 9. Januar, vom 4. Februar, vom 7. Februar sowie vom 14. Mai 2019 sind die Republik Polen, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland und die Republik Österreich jeweils als Streithelfer zur Unterstützung der Republik Sloweniens zugelassen worden.

    Zur Klage

    Zur Vertragsverletzung nach Art. 258 AEUV

    Vorbringen der Parteien

    12

    Die Kommission trägt vor, die Republik Slowenien habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 93 der MiFID‑II-Richtlinie verstoßen, dass sie nicht bis zum 3. Juli 2017 alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die erforderlich seien, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder ihr diese Vorschriften jedenfalls nicht mitgeteilt habe.

    13

    Im vorliegenden Fall ist die Kommission der Ansicht, dass die vollständige Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie erst mit dem Erlass des der Kommission am 6. Dezember 2018 übermittelten Zakon o trgu finančnih instrumentov (Gesetz über den Markt für Finanzinstrumente, Uradni list RS [Amtsblatt der Republik Slowenien], Nr. 77/18) erfolgt sei. Die am 3. Dezember 2018 übermittelten nationalen Maßnahmen, namentlich drei Gesetzestexte, zwei Beschlüsse und Bestimmungen zur Änderung und Ergänzung des Gesetzbuchs über die Börse Ljubljana (Uradni list RS, Nr. 76/17), stellten bestenfalls nur eine teilweise Umsetzung der Richtlinie 2014/65 dar.

    14

    Die Kommission führt insoweit aus, dass die Republik Slowenien selbst eingeräumt habe, dass diese Maßnahmen die MiFID‑II-Richtlinie nur teilweise umgesetzt hätten, da einige Bestimmungen nicht, andere wiederum nur teilweise umgesetzt worden seien. Dies gelte insbesondere für die Bestimmungen, die sowohl auf die multilateralen Handelssysteme (MTF) als auch auf die organisierten Handelssysteme (OTF) zur Anwendung kämen.

    15

    Außerdem macht die Kommission geltend, dass mit der MiFID‑II-Richtlinie im Vergleich zu den Bestimmungen der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1), deren Umsetzung die am 3. Dezember 2018 mitgeteilten Maßnahmen gewährleisteten, neue Bestimmungen eingeführt worden seien, um neue Handelsplätze und ‑tätigkeiten zu reglementieren, die sich entwickelt hätten, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/39 fielen und somit noch keiner Regelung unterlägen. Der Unionsgesetzgeber habe mit der MiFID‑II-Richtlinie und der Verordnung Nr. 600/2014 einen neuen, zuverlässigeren Rechtsrahmen geschaffen, der es ermögliche, der zunehmenden Komplexität des Marktes zu begegnen, die durch eine zunehmende Vielfalt der Finanzinstrumente und neuer Handelsmethoden gekennzeichnet sei.

    16

    Die wesentlichen Beiträge der MiFID‑II-Richtlinie zur Einführung eines sichereren, stabileren, transparenteren und verantwortungsbewussteren Finanzsystems im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft lägen insbesondere, wie ihrem Art. 27 Abs. 3 zu entnehmen sei, in der Schaffung eines Rahmens für eine Marktstruktur, mit dem die Lücken geschlossen würden und sichergestellt werde, dass Geschäfte gegebenenfalls auf reglementierten Handelsplätzen abgewickelt würden. Die Art. 20 und 27 dieser Richtlinie stellten Regeln auf, die für geregelte Märkte und für MTF faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisteten. Die Bestimmungen in Titel II Kapitel II Abschnitt 3 der Richtlinie zielten auf die Stärkung der Transparenz der Börsenmärkte und die Einführung des Transparenzgrundsatzes für Nichteigenkapitalinstrumente ab. Harmonisierte Vorschriften für Positionslimits und Positionsmanagementkontrollen bei Warenderivaten würden festgelegt. Die Art. 64 und 66 der MiFID‑II-Richtlinie verbesserten die Effizienz der Konsolidierung und Veröffentlichung von Handelsdaten. Die Art. 57 und 58 der Richtlinie verstärkten auch die Aufsichtsbefugnisse und schüfen ein harmonisiertes System für Positionslimits bei Warenderivaten, um die Transparenz zu verbessern, eine ordnungsgemäße Kursbildung zu fördern und Marktmissbrauch zu verhindern. Die Wettbewerbsbedingungen für den Handel mit Finanzinstrumenten und deren Clearing würden verbessert. So stärke Art. 25 der MiFID‑II-Richtlinie den Anlegerschutz, und Art. 70 ändere das bestehende Sanktionssystem, um wirksame und harmonisierte verwaltungsrechtliche Sanktionen festzulegen. Unter Titel V dieser Richtlinie werde eine neue Art von der Zulassung und Aufsicht unterliegenden Dienstleistungen, nämlich die „Datenbereitstellungsdienstleistungen“, eingeführt. Zudem schüfen die Art. 39 bis 43 dieser Richtlinie für Drittlandfirmen ein harmonisiertes Zulassungssystem für den Zugang zu den Märkten der Union, wenn diese Firmen bestimmte Dienstleistungen in der Union erbrächten oder bestimmte Tätigkeiten in der Union für Rechnung professioneller Kunden und geeignete Gegenparteien ausübten.

    17

    Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn eine Richtlinie wie Art. 93 der MiFID‑II-Richtlinie ausdrücklich vorsehe, dass in den Vorschriften zu ihrer Umsetzung selbst oder durch einen Hinweis bei ihrer amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug genommen werde, in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie mit einer solchen Bezugnahme erlassen werden müsse (Urteil vom 11. Juni 2015, Kommission/Polen, C‑29/14, EU:C:2015:379, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall nehme jedoch keine der von der Republik Slowenien am 3. Dezember 2018 mitgeteilten Maßnahmen auf die MiFID‑II-Richtlinie Bezug.

    18

    Nach alledem hat die Republik Slowenien nach Ansicht der Kommission die zur Umsetzung dieser Richtlinie erforderlichen Vorschriften nicht erlassen und sie jedenfalls nicht innerhalb der vorgesehenen Frist mitgeteilt.

    19

    Die Republik Slowenien bestreitet zwar nicht, die Kommission nicht rechtzeitig über die teilweise Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie informiert zu haben, macht aber geltend, dass bei Ablauf der Frist, die ihr gesetzt worden sei, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen, der Großteil der Bestimmungen dieser Richtlinie durch die am 3. Dezember 2018 mitgeteilten nationalen Maßnahmen, die in Rn. 13 des vorliegenden Urteils aufgezählt seien, in die slowenische Rechtsordnung umgesetzt worden sei. Diese Maßnahmen hätten die Richtlinie 2004/39 in die slowenische Rechtsordnung umgesetzt, so dass sie auch eine teilweise Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie, die auf der Grundlage der Richtlinie 2004/39 ausgearbeitet worden sei, bewirkten. Die Republik Slowenien führt aus, sie habe der Kommission diese Maßnahmen nicht vor dem 3. Dezember 2018 als Rechtsakte, die die Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie gewährleisteten, mitgeteilt, weil die Gesetzesentwürfe, hinsichtlich deren sie der Kommission mitgeteilt habe, dass sie gerade verabschiedet würden, und deren Zweck darin bestanden habe, den Rechtsrahmen des Markts für Finanzinstrumente zu reformieren, von der Nationalversammlung spätestens im April 2018 hätten erlassen werden sollen. Aufgrund eines Regierungswechsels und vorgezogener Wahlen seien diese Gesetzesentwürfe aber erst mehr als acht Monate nach ihrer Einbringung, die im Februar und März 2018 erfolgt sei, verabschiedet worden.

    20

    Außerdem habe die Kommission am 19. Juli 2018 beschlossen, nicht nur gegen die Republik Slowenien, sondern auch gegen das Königreich Spanien Klage zu erheben. Nachdem der Kommission vom Königreich Spanien die teilweise Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie und der Abschluss der Phase der vollständigen Umsetzung vor Ende November 2018 mitgeteilt worden seien, habe die Kommission vorläufig entschieden, das Verfahren gegen diesen Mitgliedstaat auszusetzen. Die Republik Slowenien trägt vor, ihr sei bewusst gewesen, dass sie die Kommission nicht über die teilweise Umsetzung informiert habe, bevor diese die in Rede stehende Klage erhoben habe, aber es sei ihr gelungen, die Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie im November 2018 sicherzustellen und somit ihren Verpflichtungen aus Art. 93 dieser Richtlinie innerhalb der dem Königreich Spanien von der Kommission gesetzten Frist nachzukommen. Die Republik Slowenien weist darauf hin, dass es in Ziff. 7 der Mitteilung des Präsidenten der Kommission vom 9. Dezember 2005 („Neufassung der Mitteilung zur Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag“ [SEK(2005) 1658]) heiße, dass die Sanktionen, die die Kommission dem Gerichtshof für Vertragsverletzungen vorschlage, nach einem Verfahren berechnet werden müssten, bei dem die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten gewahrt würden. Vor diesem Hintergrund ist die Republik Slowenien der Ansicht, dass die Kommission die gegen sie erhobene Vertragsverletzungsklage zurückzunehmen habe.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    21

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung aufgrund der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und können spätere Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteile vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 23, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 19, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 30).

    22

    Darüber hinaus hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten, wenn eine Richtlinie sie ausdrücklich dazu verpflichtet, zu gewährleisten, dass auf diese Richtlinie in den zu ihrer Umsetzung erforderlichen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei deren amtlicher Veröffentlichung Bezug genommen wird, in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie erlassen müssen, die eine solche Bezugnahme enthält (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. November 1997, Kommission/Deutschland, C‑137/96, EU:C:1997:566, Rn. 8, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 20, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 31).

    23

    Da die Kommission ihre mit Gründen versehene Stellungnahme am 26. Januar 2018 an die Republik Slowenien übermittelt hatte, lief im vorliegenden Fall die zweimonatige Frist, die ihr gesetzt worden war, um ihren Verpflichtungen nachzukommen, am 26. März 2018 ab. Ob die geltend gemachte Vertragsverletzung vorgelegen hat, ist deshalb anhand der zu diesem Zeitpunkt geltenden nationalen Rechtsvorschriften zu beurteilen (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 21, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 32).

    24

    Insoweit ist zum einen unstreitig, dass die nationalen Maßnahmen, die nach dem Vorbringen der Republik Slowenien eine teilweise Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie gewährleisten, am 3. Dezember 2018 als Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie mitgeteilt wurden, also nach Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war.

    25

    Zum anderen steht, wie der Antwort der Republik Slowenien auf eine Frage des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist, jedenfalls fest, dass diese Maßnahmen entgegen den Vorgaben in Art. 93 der MiFID‑II-Richtlinie keine Bezugnahme auf diese Richtlinie enthalten.

    26

    Daraus folgt, dass die fraglichen Maßnahmen nicht die Voraussetzungen erfüllen, denen positive Umsetzungsmaßnahmen im Sinne der in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung genügen müssen.

    27

    Daraus ist zu schließen, dass die Republik Slowenien mit Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, nicht die zur Gewährleistung der Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie erforderlichen Maßnahmen erlassen und somit diese Maßnahmen der Kommission auch nicht mitgeteilt hat.

    28

    Daher ist festzustellen, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 93 der MiFID‑II-Richtlinie verstoßen hat, dass sie mit Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, nicht sämtliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich waren, um dieser Richtlinie nachzukommen, und der Kommission somit diese Vorschriften nicht mitgeteilt hat.

    Zur Vertragsverletzung nach Art. 260 Abs. 3 AEUV

    Zur Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV

    – Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    29

    Die Kommission trägt vor, Art. 260 Abs. 3 AEUV sei durch den Vertrag von Lissabon eingeführt worden, um die zuvor durch den Vertrag von Maastricht geschaffene Sanktionsregelung zu stärken. Angesichts der Neuartigkeit dieser Bestimmung und der Notwendigkeit, Transparenz und Rechtssicherheit zu wahren, habe sie die am 15. Januar 2011 veröffentlichte Mitteilung „Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV“ (ABl. 2011, C 12, S. 1) angenommen.

    30

    Diese Bestimmung ziele darauf ab, die Mitgliedstaaten stärker dazu anzuhalten, die Richtlinien innerhalb der vom Unionsgesetzgeber festgelegten Fristen umzusetzen und die Anwendung der Rechtsvorschriften der Union zu gewährleisten.

    31

    Art. 260 Abs. 3 AEUV gelte sowohl dann, wenn gar keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitgeteilt würden, als auch dann, wenn dies nur teilweise geschehe.

    32

    In Art. 260 Abs. 3 AEUV sei im Übrigen zwar davon die Rede, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen, diese Bestimmung finde aber nicht nur dann Anwendung, wenn keine nationalen Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitgeteilt würden, sondern auch dann, wenn keine solchen Maßnahmen erlassen worden seien. Eine rein formalistische Auslegung der Bestimmung, wonach sie nur die tatsächliche Mitteilung nationaler Maßnahmen sicherstellen solle, gewährleiste keine sachgerechte Umsetzung aller Bestimmungen der betreffenden Richtlinie und nehme der Pflicht zur Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht jede praktische Wirksamkeit.

    33

    Im vorliegenden Fall gehe es gerade darum, das Verhalten der Republik Slowenien zu ahnden, das neben der unterbliebenen Mitteilung an die Kommission darin bestehe, dass sie nicht alle Rechtsvorschriften, die erforderlich seien, um die Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie in nationales Recht sicherzustellen, erlassen und veröffentlicht habe.

    34

    Dem Vorbringen der Republik Slowenien, mit dem diese die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV auf den vorliegenden Fall in Abrede stellt, entgegnet die Kommission, dass die vorliegende Rechtssache dadurch gekennzeichnet sei, dass die Republik Slowenien bis zum 3. Dezember 2018 überhaupt keine Maßnahme zur Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie notifiziert habe. Die Kommission räumt ein, dass der Stand der Umsetzung zwischen dem 3. und dem 6. Dezember 2018 nach Mitteilung der nationalen Umsetzungsmaßnahmen einer teilweisen Umsetzung entsprochen habe. Des ungeachtet sei zu dem Zeitpunkt, als die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist abgelaufen sei, noch keine Maßnahme zur Umsetzung mitgeteilt worden. Mit der vorgeschlagenen Verhängung eines Pauschalbetrags wolle die Kommission den Zeitraum zwischen dem Tag nach Ablauf der Umsetzungsfrist, d. h. dem 4. Juli 2017, und dem 3. Dezember 2018 ahnden, in dem jegliche Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen unterblieben sei. Zudem sei unbestreitbar, dass die Republik Slowenien zum Zeitpunkt der Klageerhebung ihrer Verpflichtung zur Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen noch nicht entsprochen habe. Folglich sei nicht auf die Frage einzugehen, ob Art. 260 Abs. 3 AEUV im Fall einer teilweisen Umsetzung zur Anwendung komme. Überdies verlöre Art. 260 Abs. 3 AEUV jegliche praktische Wirksamkeit, folgte man dem Vorbringen der Republik Slowenien, wonach Art. 260 Abs. 3 AEUV nicht mehr anwendbar sei, sobald ein Mitgliedstaat Maßnahmen zur teilweisen Umsetzung mitgeteilt habe, auch wenn diese Mitteilung erst zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem das gerichtliche Verfahren bereits anhängig sei.

    35

    Zum Vorbringen der Republik Slowenien, die Kommission hätte sie in gleicher Weise wie das Königreich Spanien behandeln und mithin das gegen sie eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren vorläufig aussetzen müssen, führt die Kommission aus, das Königreich Spanien habe ihr innerhalb der von ihm in Aussicht gestellten Frist Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt. Die Republik Slowenien habe der Kommission jedoch entgegen ihrer Versprechen bis Ende September 2018 keine Umsetzungsmaßnahme mitgeteilt. Die Kommission habe mithin keinen Grund gehabt, die Erhebung der vorliegenden Klage noch weiter aufzuschieben.

    36

    Die Republik Slowenien stellt die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV auf den vorliegenden Fall in Abrede.

    37

    Sie stützt ihren Standpunkt zunächst darauf, dass diese Bestimmung im Fall einer teilweisen Umsetzung einer Richtlinie keine Anwendung finde. Im vorliegenden Fall sei die MiFID‑II-Richtlinie vor Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden sei, bereits teilweise in slowenisches Recht umgesetzt worden. Dass ein Mitgliedstaat der Kommission keine Mitteilung hinsichtlich der von ihm erlassenen Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie zukommen lasse, sei nicht einer unterbliebenen Umsetzung gleichzusetzen, auch wenn es sich um eine nicht ordnungsgemäße oder unvollständige Umsetzung dieser Richtlinie handele. Aus dem Wortlaut von Art. 260 Abs. 3 AEUV ergebe sich, dass diese Bestimmung nur dann anwendbar sei, wenn ein Mitgliedstaat keine Maßnahme zur Umsetzung einer Richtlinie in seine nationale Rechtsordnung erlasse und der Kommission somit keine Mitteilung hierzu zukommen lasse.

    38

    Sodann macht die Republik Slowenien geltend, dass jede andere als die von ihr befürwortete Auslegung die Vorhersehbarkeit des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtige, da anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs und der Praxis der Kommission nicht klar zwischen einer unvollständigen und einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung unterschieden werden könne. Dies wirke sich negativ auf den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen aus. Außerdem laufe die von der Kommission befürwortete Lesart der restriktiven Auslegung von Art. 260 Abs. 3 AEUV zuwider, der eine Ausnahme darstelle, und werde durch die teleologische Auslegung dieser Bestimmung nicht gestützt.

    39

    Schließlich dürfe der Begriff „praktische Wirksamkeit“, selbst wenn die von der Kommission befürwortete Auslegung dieser Bestimmung eine unzweifelhafte praktische Wirksamkeit verleihe, nicht als Mittel dazu herangezogen werden, der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts eine derart hohe Bedeutung beizumessen, dass Art. 260 Abs. 3 AEUV in einem der klaren Intention der Verfasser des Vertrags zuwiderlaufenden Sinne ausgelegt würde. Im Übrigen verstoße die von der Kommission vorgeschlagene Auslegung auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie ein System von Sanktionen vorsehe, die in Bezug auf die negativen Auswirkungen einer geringfügigen Vertragsverletzung, nämlich der unterbliebenen Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen an die Kommission, unverhältnismäßig seien.

    40

    Nach Ansicht der Republik Slowenien entbehrt der Pauschalbetrag in Anbetracht der teilweisen Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie im Hinblick darauf, dass die unterbliebene Umsetzung minimale Auswirkungen auf die Finanzmärkte Sloweniens und der Union gehabt habe, und angesichts dessen, dass vorab keine Entscheidung ergangen sei, mit der die Vertragsverletzung festgestellt worden sei, jeglicher Grundlage, und er sei zu hoch. Insoweit weist sie darauf hin, dass sie die MiFID‑II-Richtlinie ein Jahr und vier Monate nach Verstreichen der in Art. 93 dieser Richtlinie gesetzten Frist vollständig umgesetzt habe. Der Gerichtshof habe ferner in Rn. 81 des Urteils vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich (C‑304/02, EU:C:2005:444), entschieden, dass die Verhängung eines Pauschalbetrags mehr auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen beruhe, insbesondere wenn die Vertragsverletzung seit dem Urteil, mit dem sie ursprünglich festgestellt worden sei, lange Zeit fortbestanden habe. Schließlich habe der Gerichtshof bislang Mitgliedstaaten lediglich wegen länger als im vorliegenden Fall fortbestehenden Vertragsverletzungen zur Zahlung eines Pauschalbetrags verurteilt und überdies nur nach einer vorangegangenen Entscheidung, mit der die Vertragsverletzung festgestellt worden sei. Folglich sei die Verhängung eines Pauschalbetrags unverhältnismäßig und entspreche weder dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten noch dem vom Gerichtshof definierten Zweck der Pauschalbeträge.

    41

    Die Republik Estland und die Republik Polen machen im Wesentlichen geltend, dass Art. 260 Abs. 3 AEUV nur dann Anwendung finde, wenn es ein Mitgliedstaat versäumt habe, innerhalb der gesetzten Frist überhaupt irgendeine Umsetzungsmaßnahme zu ergreifen und sie der Kommission mitzuteilen. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfasse nicht eine Konstellation, in der ein Mitgliedstaat der Kommission Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt habe, die Kommission diese aber in der Folge als nicht ordnungsgemäße oder unvollständige Umsetzung der in Rede stehenden Richtlinie ansehe.

    42

    Hinzu kommt nach Ansicht dieser Mitgliedstaaten, dass Art. 260 Abs. 3 AEUV nur dann Anwendung finden könne, wenn die Kommission ihre Entscheidung, die Verhängung finanzieller Sanktionen zu beantragen, substantiiert begründet habe. Eine solche Entscheidung müsse nämlich in Bezug auf die besonderen Umstände der jeweiligen Rechtssache besonders gerechtfertigt werden, da die Verhängung eines Pauschalbetrags nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht automatisch erfolgen könne. Außerdem könne die Kommission nur aufgrund einer Untersuchung der besonderen Umstände der jeweiligen Rechtssache ermitteln, welche Art von finanzieller Sanktion gegen den betreffenden Mitgliedstaat zu verhängen sei, um ihn zu einer Beendigung der betreffenden Vertragsverletzung zu veranlassen, und nur anhand einer solchen Untersuchung könne sie im Einklang mit der Rechtsprechung die Höhe dieser Sanktion festlegen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission aber zum einen ihre Entscheidung, die Verhängung eines Pauschalbetrags zu beantragen, nicht begründet. Zum anderen sei es jedenfalls unverhältnismäßig, die Zahlung eines Pauschalbetrags zu verhängen, obwohl die Republik Slowenien die MiFID‑II-Richtlinie umgesetzt habe.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    43

    Nach Art. 260 Abs. 3 Unterabs. 1 AEUV kann die Kommission, wenn sie beim Gerichtshof Klage nach Art. 258 AEUV erhebt, weil sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, die von ihr den Umständen nach für angemessen erachtete Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds benennen, sofern sie dies für zweckmäßig hält. Nach Art. 260 Abs. 3 Unterabs. 2 AEUV kann der Gerichtshof, wenn er einen Verstoß feststellt, gegen den betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags verhängen, wobei die Zahlungsverpflichtung ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt gilt.

    44

    Zur Tragweite von Art. 260 Abs. 3 AEUV hat der Gerichtshof entschieden, dass einer Auslegung dieser Bestimmung zu folgen ist, die es zum einen ermöglicht, sowohl die Befugnisse zu gewährleisten, über die die Kommission verfügt, um die wirksame Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, als auch die Verteidigungsrechte und die Verfahrensstellung zu schützen, die den Mitgliedstaaten nach Art. 258 AEUV in Verbindung mit Art. 260 Abs. 2 AEUV zustehen, und zum anderen den Gerichtshof in die Lage versetzt, seine Rechtsprechungsfunktion ausüben zu können, die darin besteht, im Rahmen nur eines Verfahrens zu beurteilen, ob der betreffende Mitgliedstaat seinen Pflichten hinsichtlich der Mitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie nachgekommen ist, und gegebenenfalls die Schwere der dabei festgestellten Pflichtverletzung zu bewerten und die ihm unter den Umständen des Einzelfalls am geeignetsten erscheinende finanzielle Sanktion zu verhängen (Urteile vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 58, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 45, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 55).

    45

    In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof die Wortfolge „Verpflichtung, Maßnahmen zur Umsetzung mitzuteilen“ in Art. 260 Abs. 3 AEUV dahin ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, hinreichend klare und genaue Informationen über die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen. Um den Erfordernissen der Rechtssicherheit zu genügen und zu gewährleisten, dass alle Bestimmungen der Richtlinie im gesamten betreffenden Hoheitsgebiet umgesetzt werden, müssen die Mitgliedstaaten für jede Bestimmung dieser Richtlinie angeben, welche nationale Vorschrift oder nationalen Vorschriften ihre Umsetzung sicherstellen. Sobald diese Mitteilung, gegebenenfalls unter Beifügung einer Entsprechungstabelle, erfolgt ist, obliegt es der Kommission, im Hinblick auf einen Antrag, gegen den betreffenden Mitgliedstaat die in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene finanzielle Sanktion zu verhängen, nachzuweisen, dass bestimmte Umsetzungsmaßnahmen offensichtlich unterblieben sind oder sich nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erstrecken; es ist nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens zu prüfen, ob die der Kommission mitgeteilten nationalen Maßnahmen eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen der fraglichen Richtlinie gewährleisten (Urteile vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 59, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 46, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 56).

    46

    Da, wie sich aus den Rn. 27 und 28 des vorliegenden Urteils ergibt, feststeht, dass die Republik Slowenien der Kommission mit Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, keinerlei Maßnahme zur Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV mitgeteilt hatte, fällt die so festgestellte Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.

    47

    Zur Frage, ob die Kommission, wie die Republik Estland und die Republik Polen geltend machen, ihre Entscheidung, eine finanzielle Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, in jedem Einzelfall begründen muss oder ob sie dies in allen Fällen, die im Anwendungsbereich dieser Bestimmung liegen, ohne Begründung tun kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission als Hüterin der Verträge nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EUV über einen Ermessensspielraum verfügt, um eine solche Entscheidung zu treffen.

    48

    Die Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV kann nämlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV in Verbindung stehen. Da der Antrag auf Verurteilung zu einer finanziellen Sanktion gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV nur ein Nebenverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren ist, dessen Wirksamkeit es gewährleisten soll, und die Kommission hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens über ein Ermessen verfügt, über das der Gerichtshof keine gerichtliche Kontrolle ausüben kann (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 49, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 59), können die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung nicht strenger sein als diejenigen, die für Art. 258 AEUV gelten.

    49

    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 260 Abs. 3 AEUV nur der Gerichtshof befugt ist, gegen einen Mitgliedstaat eine finanzielle Sanktion zu verhängen. Erlässt der Gerichtshof eine solche Entscheidung nach einer kontradiktorischen Erörterung, muss er diese begründen. Dass die Kommission ihre Entscheidung, beim Gerichtshof die Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht begründet, lässt daher die Verfahrensgarantien des betreffenden Mitgliedstaats unberührt (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 50, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 60).

    50

    Zudem entbindet der Umstand, dass die Kommission ihre Entscheidung, eine finanzielle Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht in jedem Einzelfall begründen muss, dieses Organ nicht von der Pflicht, die Art und Höhe der beantragten finanziellen Sanktion zu begründen und dabei die von ihr erlassenen Leitlinien, wie sie in ihren Mitteilungen enthalten sind, zu berücksichtigen; diese binden zwar den Gerichtshof nicht, tragen jedoch dazu bei, Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 51, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 61).

    51

    Das Erfordernis der Begründung von Art und Höhe der beantragten finanziellen Sanktion ist umso wichtiger, als Art. 260 Abs. 3 AEUV im Unterschied zu Art. 260 Abs. 2 AEUV vorsieht, dass der Gerichtshof im Rahmen eines nach dieser Bestimmung eingeleiteten Verfahrens nur über ein begrenztes Ermessen verfügt, da im Fall der Feststellung einer Vertragsverletzung durch den Gerichtshof dieser hinsichtlich der Art und des Höchstbetrags der Sanktion, die er verhängen kann, an die Vorschläge der Kommission gebunden ist (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 52, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 62).

    52

    Aus Art. 260 Abs. 3 AEUV ergibt sich nämlich, dass es Sache der Kommission ist, „die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds“ zu benennen, aber dass der Gerichtshof eine finanzielle Sanktion nur „bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags“ verhängen kann. Somit haben die Verfasser des AEU-Vertrags eine unmittelbare Korrelation zwischen der von der Kommission geforderten Sanktion und der Sanktion hergestellt, die vom Gerichtshof nach dieser Bestimmung verhängt werden kann (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 53, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 63).

    53

    Zum Vorbringen der Republik Slowenien, dass sie im Vergleich zum Königreich Spanien in Bezug auf die Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie oder die Dauer des Vorverfahrens im vorliegenden Fall anders als das Königreich Spanien behandelt worden sei, ist zum einen festzustellen, dass sich dieses Vorbringen nicht auf die Frage bezieht, ob Art. 260 Abs. 3 AEUV auf eine Vertragsverletzung wie die vorliegende anwendbar ist, sondern auf die Begründetheit der im vorliegenden Fall auf Zahlung eines Pauschalbetrags gerichteten Klage, auf deren Beurteilung in diesem Urteil später eingegangen werden wird. Da es zum anderen jedenfalls im Ermessen der Kommission liegt, eine Vertragsverletzungsklage gegen einen Mitgliedstaat zu erheben, kann der Umstand, dass sie gegen das Königreich Spanien keine Vertragsverletzungsklage eingereicht hat, die Möglichkeit der Kommission, gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV die Verurteilung der Republik Slowenien zur Zahlung einer finanziellen Sanktion zu beantragen, nicht in Frage stellen.

    54

    Daher ist festzustellen, dass Art. 260 Abs. 3 AEUV auf eine Situation wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende anwendbar ist.

    Zur Verhängung eines Pauschalbetrags im vorliegenden Fall

    – Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    55

    Zur Höhe der zu verhängenden finanziellen Sanktionen vertritt die Kommission im Einklang mit dem in Ziff. 23 der am 15. Januar 2011 veröffentlichten Mitteilung wiedergegebenen Standpunkt die Auffassung, dass die in Art. 260 Abs. 3 AEUV genannten Modalitäten für die Berechnung der finanziellen Sanktionen die gleichen sein müssten wie diejenigen, die im Rahmen des in Art. 260 Abs. 2 AEUV festgelegten Verfahrens angewandt würden, da ein Verstoß gegen die Verpflichtung, Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen, nicht weniger schwerwiegend sei als ein Verstoß, der Gegenstand der in Art. 260 Abs. 2 AEUV genannten Sanktionen sein könne.

    56

    Im vorliegenden Fall beantragt die Kommission die Verhängung eines Pauschalbetrags, dessen Höhe nach den Leitlinien berechnet wird, die in der Mitteilung des Präsidenten der Kommission vom 9. Dezember 2005 in der durch die Mitteilung vom 13. Dezember 2017 („Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ [C(2017) 8720]) aktualisierten Fassung enthalten sind; für die Republik Slowenien beträgt der Mindestpauschalbetrag 496000 Euro. Dieser Mindestpauschalbetrag findet jedoch im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kommission keine Anwendung, sofern er niedriger ausfalle als der Betrag, der sich aus der Berechnung des Pauschalbetrags gemäß diesen Mitteilungen ergebe. Um den Tagessatz festzusetzen, auf dessen Grundlage diese Berechnung erfolge, sei der einheitliche Grundbetrag, nämlich 230 Euro, mit dem Schwerekoeffizienten, der im vorliegenden Fall auf einer Skala von 1 bis 20 einen Wert von 10 habe, und mit dem Faktor „n“ zu multiplizieren, der für die Republik Slowenien 0,86 betrage. Der Tagessatz belaufe sich somit auf 1978 Euro pro Tag und müsse mit der Anzahl der Tage multipliziert werden, die zwischen dem 4. Juli 2017, dem Folgetag des in der MiFID‑II-Richtlinie vorgesehenen Datums für die Umsetzung, und dem 5. Dezember 2018 verstrichen seien, dem Vortag des Tages, an dem die Republik Slowenien die Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung dieser Richtlinie mitgeteilt habe; insgesamt handele es sich also um 520 Tage. Demnach belaufe sich der zu verhängende Pauschalbetrag auf 1028560 Euro.

    57

    Im Hinblick darauf, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland (C‑93/17, EU:C:2018:903), entschieden habe, dass es für die Berechnung der Höhe der zu verhängenden finanziellen Sanktionen nicht mehr erforderlich sei, auf das Kriterium der Zahl der Stimmen, über die ein Mitgliedstaat im Rat verfüge, abzustellen, so dass der von der Kommission verwendete Faktor „n“ nicht mehr zweckmäßig sei, weist die Kommission darauf hin, dass ihre Dienststellen eine neue Berechnungsmethode ausgearbeitet hätten, die sowohl auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als auch auf das politische Gewicht jedes Mitgliedstaats abstelle, dass aber diese neue Methode, die nach Erhebung der vorliegenden Klage veröffentlicht worden sei, auf den vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen könne. Jedenfalls bleibe der Vorschlag der Kommission ein nützlicher Anhaltspunkt für die Sanktionen, die der Gerichtshof verhängen könne.

    58

    Zum Vorbringen der Republik Slowenien hinsichtlich der unzutreffenden Beurteilung der Schwere des Verstoßes und hinsichtlich der Unverhältnismäßigkeit der Höhe der beantragten Sanktionen, obwohl sie am 3. Dezember 2018 Maßnahmen zur teilweisen Umsetzung mitgeteilt habe, weist die Kommission darauf hin, dass nach Art. 260 Abs. 3 AEUV die unterbliebene Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen für sich genommen mit Sanktionen geahndet werden könne. Durch diese Bestimmung würden daher nicht nur für das Unterbleiben der Umsetzung einer Richtlinie Sanktionen vorgesehen, sondern auch für die Nichteinhaltung der förmlichen Verpflichtung, die Umsetzungsmaßnahmen mitzuteilen.

    59

    Was die Argumente zur Situation des slowenischen Finanzmarkts betrifft, mit dem das Vorbringen der Republik Slowenien untermauert werden soll, dass der Schwerekoeffizient herabgesetzt werden müsse, weil die Auswirkungen der unterbliebenen Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie in diesem Mitgliedstaat geringfügiger seien als von der Kommission eingeschätzt, weist die Kommission darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung die verbindliche Wirkung der Richtlinien sämtliche Mitgliedstaaten zur Einhaltung der darin gesetzten Fristen verpflichte, damit deren einheitlicher Vollzug innerhalb der gesamten Union gewährleistet sei (Urteil vom 22. September 1976, Kommission/Italien, 10/76, EU:C:1976:125, Rn. 12). Im Übrigen führt die Kommission aus, dass der Gerichtshof in den Rn. 39 und 42 des Urteils vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik (C‑343/08, EU:C:2010:14), entschieden habe, dass der Umstand, dass es eine bestimmte Tätigkeit, auf die sich eine Richtlinie beziehe, in einem Mitgliedstaat nicht gebe, diesen Mitgliedstaat nicht von seiner Verpflichtung entbinden könne, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um eine angemessene Umsetzung sämtlicher Bestimmungen dieser Richtlinie zu gewährleisten, und dass die Umsetzung einer Richtlinie nur dann keine Verpflichtung entstehen lasse, wenn sie aus geografischen Gründen gegenstandslos sei.

    60

    Die Kommission stellt im Übrigen in Abrede, dass die Verhängung eines Pauschalbetrags eine Ausnahme darstelle und nur unter außergewöhnlichen Umständen geboten sei. Die verspätete Umsetzung von Richtlinien beeinträchtige nämlich nicht nur die Wahrung der mit dem Unionsrecht verfolgten allgemeinen Interessen, für die keine Verzögerung hinnehmbar sei, sondern auch und vor allem den Schutz der europäischen Bürger, die aus diesen Rechtsvorschriften subjektive Rechte herleiteten.

    61

    Schließlich macht die Kommission geltend, sie habe in einem Fall wie dem vorliegenden, der dadurch gekennzeichnet sei, dass die Republik Slowenien bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine einzige Maßnahme zur Umsetzung in nationales Recht mitgeteilt habe, nicht das „tatsächliche Risiko“ des Verstoßes zu berechnen. Sie stellt klar, dass sie die Vollständigkeit der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht allein auf der Grundlage der vom betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilten Maßnahmen überprüfe, ohne insoweit das etwaige Vorliegen von bereits zuvor bestehenden, nicht mitgeteilten Details der nationalen Rechtsordnung berücksichtigen zu können, die möglicherweise Lücken schließen könnten, die sich aus den mitgeteilten Umsetzungsmaßnahmen ergäben. Daher könne ein Mitgliedstaat der Kommission nicht vorwerfen, dass sie die Höhe der vorgeschlagenen Sanktion nur im Hinblick auf die Umsetzungsmaßnahmen, die ihr mitgeteilt worden seien, und nicht im Hinblick auf alle anderen Maßnahmen, die in den nationalen Rechtsvorschriften vorhanden sein könnten, ermittelt habe.

    62

    Die Republik Slowenien stellt die Höhe des von der Kommission vorgeschlagenen Pauschalbetrags in Frage und macht geltend, dass er jeglicher Grundlage entbehre und zu hoch sei. Insbesondere zur Berechnung der Höhe des Pauschalbetrags weist dieser Mitgliedstaat darauf hin, dass die Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 260 Abs. 3 AEUV nicht dieselbe Berechnungsmethode anwenden könne wie in den auf der Grundlage von Art. 260 Abs. 2 AEUV eingeleiteten Verfahren. Es sei im Übrigen nicht mehr angebracht, auf den Faktor „n“ Bezug zu nehmen, wie es die Kommission getan habe, da ja der Gerichtshof das Kriterium der Zahl der Stimmen, über die ein Mitgliedstaat im Rat verfüge, aufgegeben habe und sich nur mehr auf das BIP des betreffenden Mitgliedstaats als entscheidenden Faktor stütze (Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland, C‑93/17, EU:C:2018:903, Rn. 141). Der Gerichtshof könne den Faktor „n“, wie er von der Kommission in ihrer am 25. Februar 2019 veröffentlichten Mitteilung „Änderung der Berechnungsmethode für Pauschalbeträge und Tagessät[z]e für das Zwangsgeld, die von der Kommission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeschlagen werden“ (ABl. 2019, C 70, S. 1) auf der Grundlage des BIP und der Anzahl der Sitze des Mitgliedstaats im Europäischen Parlament festgelegt worden sei, höchstens als Referenzwert heranziehen, wenn er der Ansicht sei, dass dies für die Ermittlung des Pauschalbetrags eine angemessenere Methode als die alleinige Bezugnahme auf das BIP darstelle.

    63

    Im Übrigen könne die Kommission, wenn sie beim Gerichtshof die Verhängung von finanziellen Sanktionen auf der Grundlage von Art. 260 Abs. 3 AEUV beantrage, nicht dieselbe Schwereskala von 1 bis 20 anwenden wie bei Verfahren nach Art. 260 Abs. 2 AEUV. Diese Skala müsse in einem Fall wie dem hier in Rede stehenden angesichts des Zwecks von Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeschränkt werden. Außerdem habe sich die Kommission allgemein auf die Bedeutung der verletzten Unionsvorschriften und die Schwere der Auswirkungen der unterbliebenen Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie auf die Interessen der Allgemeinheit und der Einzelpersonen bezogen, wobei sie von einer vollständigen Nichtumsetzung dieser Richtlinie ausgegangen sei. Mit diesem Vorgehen habe die Kommission aber mehrere mildernde Umstände, die für die vorliegende Rechtssache spezifisch seien, nicht berücksichtigt. Im vorliegenden Fall habe nämlich die teilweise Umsetzung dieser Richtlinie in die slowenische Rechtsordnung keine negativen Auswirkungen auf den Handel auf Handelsplätzen, auf das Funktionieren des Marktes für Finanzinstrumente in Slowenien oder auf das Funktionieren des Binnenmarkts, auf die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen für die verschiedenen Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten, auf die Rechtssicherheit oder auf den europäischen Finanzmarkt oder auch auf die Unternehmen und die anderen Marktteilnehmer gehabt. Unter diesen Umständen müsse der Koeffizient für die Schwere des Verstoßes unter 10 liegen, damit die Höhe des Pauschalbetrags den Umständen angepasst sei und einem angemessenen Verhältnis zu dem Verstoß stehe.

    64

    Die Republik Slowenien fügt insoweit hinzu, dass sie zwei Monate nach Erhebung der vorliegenden Klage, am 6. Dezember 2018, ihren Verpflichtungen hinsichtlich der Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie vollständig nachgekommen sei und die Kommission darüber informiert habe, Letztere jedoch die Höhe des beantragten Pauschalbetrags nicht herabgesetzt habe. Wenn aber die Zahlung eines Pauschalbetrags tatsächlich dazu dienen solle, die Mitgliedstaaten zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu bewegen, dürfe einem Mitgliedstaat, der bereits in der ersten Phase des gerichtlichen Vertragsverletzungsverfahrens Umsetzungsmaßnahmen erlassen und sie der Kommission mitgeteilt habe, nicht die Zahlung des gesamten als Pauschalbetrag beantragten Betrags auferlegt werden.

    65

    Die Republik Estland und die Republik Polen machen insbesondere geltend, dass die Rechtsprechung zu Art. 260 Abs. 2 AEUV nicht automatisch auf Art. 260 Abs. 3 AEUV übertragen werden könne, da dieser Abs. 3 die Ahndung eines weniger schwerwiegenden Verstoßes als des in Abs. 2 genannten Verstoßes bezwecke, der darin bestehe, dass einem ersten Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt worden sei, nicht nachgekommen worden sei. Außerdem habe die Republik Slowenien mit der Kommission loyal zusammengearbeitet, und die Verzögerung bei der Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie sei ihr nicht anzulasten. Daher sei der von der Kommission vorgeschlagene Schwerekoeffizient unverhältnismäßig und müsse herabgesetzt werden.

    – Würdigung durch den Gerichtshof

    66

    Was als Erstes das Vorbringen betrifft, wonach es unverhältnismäßig sei, einen Pauschalbetrag zu verhängen, da die Republik Slowenien die in Rede stehende Vertragsverletzung während des Verfahrens beendet habe, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Verletzung der Verpflichtung zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie durch einen Mitgliedstaat – sei es, dass Informationen ganz oder teilweise fehlen, sei es, dass eine Information nicht hinreichend klar und genau ist – als solche die Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Vertragsverletzung nach Art. 258 AEUV rechtfertigen kann (Urteile vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 51, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 64, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 74).

    67

    Zum anderen wurde mit der Einführung des in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Mechanismus nicht nur das Ziel verfolgt, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, innerhalb kürzester Zeit eine Vertragsverletzung zu beenden, die ohne eine solche Maßnahme tendenziell fortbestanden hätte, sondern auch das Ziel, das Verfahren zur Verhängung finanzieller Sanktionen bei Verletzungen der Pflicht, eine nationale Maßnahme zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, zu vereinfachen und zu beschleunigen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass vor der Einführung dieses Mechanismus eine finanzielle Sanktion gegen Mitgliedstaaten, die einem früheren Urteil des Gerichtshofs nicht fristgerecht nachgekommen waren und ihre Umsetzungspflicht missachtet hatten, womöglich erst mehrere Jahre nach dem genannten Urteil verhängt wurde (Urteile vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 52, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 64, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 74).

    68

    Es ist aber festzustellen, dass zur Erfüllung des von Art. 260 Abs. 3 AEUV verfolgten Zwecks zwei Arten von finanziellen Sanktionen, nämlich Pauschalbetrag und Zwangsgeld, vorgesehen sind.

    69

    Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Frage, ob die eine oder die andere dieser beiden Maßnahmen angewandt wird, von ihrer Eignung zur Erfüllung des verfolgten Zweckes nach Maßgabe der Umstände des konkreten Falles abhängt. Während die Verhängung eines Zwangsgelds besonders geeignet erscheint, um einen Mitgliedstaat dazu anzuhalten, eine Vertragsverletzung, die ohne eine solche Maßnahme die Tendenz hätte, fortzubestehen, innerhalb kürzester Zeit zu beenden, beruht die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags eher auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung lange Zeit fortbestanden hat (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 66, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 76).

    70

    Vor diesem Hintergrund kann eine Klage, mit der die Kommission wie im vorliegenden Fall die Verhängung eines Pauschalbetrags beantragt, nicht allein deshalb als unverhältnismäßig abgewiesen werden, weil sie eine Vertragsverletzung zum Gegenstand hat, die zwar zeitlich fortbestanden hat, aber zum Zeitpunkt der Prüfung des streitigen Sachverhalts durch den Gerichtshof beendet war.

    71

    Als Zweites ist hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Verhängung einer finanziellen Sanktion im vorliegenden Fall festzustellen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteile vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 78, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 68, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 78).

    72

    Im vorliegenden Fall deuten trotz des Umstands, dass die Republik Slowenien während des gesamten Vorverfahrens mit den Dienststellen der Kommission kooperiert hat, diese über den Fortschritt des Verfahrens für den Erlass der Maßnahmen zur Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie auf dem Laufenden gehalten und Anstrengungen unternommen hat, die es ihr ermöglichten, die gerügte Vertragsverletzung im Lauf des Verfahrens abzustellen, alle rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte der festgestellten Vertragsverletzung, nämlich das gänzliche Fehlen einer Mitteilung der zur Umsetzung dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, und sogar noch zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage, darauf hin, dass die wirksame Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung entsprechender Verstöße gegen das Unionsrecht den Erlass einer abschreckenden Maßnahme wie der Verhängung eines Pauschalbetrags erfordern kann (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 69, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 79).

    73

    Diese Beurteilung wird durch das in Rn. 53 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Vorbringen nicht in Frage gestellt. Zunächst ist es nämlich, worauf in dieser Randnummer hingewiesen worden ist, Sache der Kommission, u. a. zu beurteilen, ob ein Einschreiten gegen einen Mitgliedstaat zweckmäßig ist, und den Zeitpunkt für die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen diesen zu wählen. Sodann ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass das Königreich Spanien im Gegensatz zur Republik Slowenien der Kommission innerhalb der ihm dafür gesetzten Frist Maßnahmen zur Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie mitgeteilt hatte. Schließlich wird nicht vorgetragen, dass die Beantwortungsfristen, die im Aufforderungsschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden waren, besonders kurz oder vernunftwidrig und dergestalt gewesen wären, dass sie die Ziele des Vorverfahrens, nämlich dem betreffenden Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sich gegen die Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen, in Frage gestellt hätten (Urteil vom 19. September 2017, Kommission/Irland [Zulassungssteuer], C‑552/15, EU:C:2017:698, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie sich aus dem in den Rn. 5 und 6 des vorliegenden Urteils dargestellten Sachverhalt ergibt, war der Republik Slowenien überdies zumindest ab dem 4. Juli 2017 voll bewusst, dass sie gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 93 der MiFID‑II-Richtlinie verstoßen hatte.

    74

    Als Drittes ist zur Berechnung des Pauschalbetrags, dessen Verhängung im vorliegenden Fall angemessen ist, darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in Ausübung seines diesbezüglichen Ermessens innerhalb des Rahmens der Vorschläge der Kommission, wie in Rn. 51 des vorliegenden Urteils dargelegt, den Pauschalbetrag, zu dessen Zahlung ein Mitgliedstaat gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV verurteilt werden kann, so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere der festgestellten Vertragsverletzung, der Zeitraum, in dem sie fortbestanden hat, und die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 72, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 81).

    75

    Was erstens die Schwere des Verstoßes betrifft, ist festzustellen, dass die Pflicht, nationale Maßnahmen zu erlassen, um die vollständige Umsetzung einer Richtlinie sicherzustellen, und die Pflicht, diese Maßnahmen der Kommission mitzuteilen, wesentliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts sind und dass die Verletzung dieser Pflichten mit Sicherheit als gewichtig zu erachten ist (Urteile vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 85, vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 73, sowie vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 82).

    76

    Hinzu kommt, dass die MiFID‑II-Richtlinie ein wichtiges Instrument der für die Finanzmärkte geltenden Unionsvorschriften ist, da sie die Wettbewerbsfähigkeit der Finanzmärkte der Union verbessern soll, indem sie einen Binnenmarkt für Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten schafft und gleichzeitig ein hohes und harmonisiertes Niveau des Anlegerschutzes im Sektor für Finanzinstrumente sicherstellt. Fehlen auf nationaler Ebene Vorschriften, die das reibungslose Funktionieren der Finanzmärkte und den Anlegerschutz gewährleisten, oder sind diese Vorschriften unzureichend, ist dieser Umstand angesichts seiner Folgen für die öffentlichen und privaten Interessen innerhalb der Union als besonders schwerwiegend anzusehen.

    77

    Die Republik Slowenien hat die ihr wegen unterbliebener Mitteilung vorgeworfene Vertragsverletzung zwar im Laufe des Verfahrens abgestellt, aber dennoch lag diese Vertragsverletzung mit Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, d. h. am 26. März 2018, noch vor, so dass die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht zu jeder Zeit gewährleistet war.

    78

    Die Schwere dieser Vertragsverletzung wird im Übrigen dadurch verschärft, dass die Republik Slowenien zum letztgenannten Zeitpunkt noch keine Maßnahme zur Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie mitgeteilt hatte.

    79

    Das Vorbringen der Republik Slowenien zur Rechtfertigung der Verzögerung bei der Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie, nämlich die Unterbrechung des bereits eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens aufgrund der Durchführung von vorgezogenen Parlamentswahlen, kann auf die Schwere des in Rede stehenden Verstoßes keinen Einfluss haben. Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich Übungen oder Umstände der internen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats nicht die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen, die sich aus den Unionsrichtlinien ergeben, und somit auch nicht die verspätete oder unvollständige Umsetzung einer Richtlinie rechtfertigen (Urteil vom 13. Juli 2017, Kommission/Spanien, C‑388/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:548, Rn. 41).

    80

    Dagegen ist bei der konkreten Beurteilung der Schwere des Verstoßes zu berücksichtigen, dass, wie die Republik Slowenien geltend gemacht hat, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, die praktischen Auswirkungen der verspäteten Umsetzung der MiFID‑II-Richtlinie in slowenisches Recht auf den slowenischen Finanzmarkt und die anderen Finanzmärkte der Union sowie auf den Anlegerschutz in Anbetracht der Größe des slowenischen Finanzmarkts verhältnismäßig gering geblieben sind.

    81

    Was zweitens die Dauer des Verstoßes betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass diese grundsätzlich unter Berücksichtigung des Zeitpunkts zu bemessen ist, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt prüft, und nicht anhand des Zeitpunkts, zu dem die Kommission ihn damit befasst. Es ist davon auszugehen, dass diese Sachverhaltswürdigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens erfolgt (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 77, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 86).

    82

    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die in Rede stehende Vertragsverletzung am 6. Dezember 2018, also zu einem Zeitpunkt vor Abschluss dieses Verfahrens, abgestellt wurde.

    83

    Hinsichtlich des Beginns des Zeitraums, der bei der Festsetzung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags zu berücksichtigen ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass im Unterschied zum Zwangsgeld für die Bemessung der Dauer der betreffenden Vertragsverletzung nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der fraglichen Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist abzustellen ist (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 79, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 90).

    84

    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Republik Slowenien mit Ablauf der in Art. 93 der MiFID‑II-Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist, d. h. am 3. Juli 2017, nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich waren, um die Umsetzung dieser Richtlinie sicherzustellen, und somit auch nicht die Maßnahmen zu deren Umsetzung der Kommission mitgeteilt hat. Daraus folgt, dass die in Rede stehende Vertragsverletzung, die erst am 6. Dezember 2018 endete, ungefähr 17 Monate angedauert hat.

    85

    Was drittens die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die jüngste Entwicklung des BIP dieses Mitgliedstaats zu berücksichtigen ist, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof darstellt (Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 85, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 97).

    86

    In Anbetracht aller Umstände der vorliegenden Rechtssache und im Hinblick auf das Ermessen, das dem Gerichtshof in Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeräumt wird, wonach er bei der Verhängung des Pauschalbetrags über den von der Kommission angegebenen Betrag nicht hinausgehen darf, ist davon auszugehen, dass die wirksame Verhinderung einer künftigen Wiederholung von Verstößen, die dem Verstoß gegen Art. 93 der MiFID‑II-Richtlinie entsprechen und die die volle Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen, die Verhängung eines Pauschalbetrags erfordert, dessen Höhe auf 750000 Euro festzusetzen ist.

    87

    Folglich ist die Republik Slowenien zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag von 750000 Euro zu zahlen.

    Kosten

    88

    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Slowenien mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

    89

    Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, tragen die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Republik Österreich und die Republik Polen ihre eigenen Kosten.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Die Republik Slowenien hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 93 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU in der durch die Richtlinie (EU) 2016/1034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2016 geänderten Fassung verstoßen, dass sie mit Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich waren, um der Richtlinie 2014/65 in der durch die Richtlinie 2016/1034 geänderten Fassung nachzukommen, oder der Europäischen Kommission diese Vorschriften jedenfalls nicht mitgeteilt hat.

     

    2.

    Die Republik Slowenien wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag von 750000 Euro zu zahlen.

     

    3.

    Die Republik Slowenien wird verurteilt, neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten zu tragen.

     

    4.

    Die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Republik Österreich und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Slowenisch.

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