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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62016CJ0089

    Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 13. Juli 2017.
    Radosław Szoja gegen Sociálna poisťovňa und WEBUNG, s.r.o.
    Vorabentscheidungsersuchen des Najvyšší súd Slovenskej republiky.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit – Wandererwerbstätige – Person, die eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten ausübt – Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 13 Abs. 3 – Verordnung (EG) Nr. 987/2009 – Art. 14 Abs. 5b – Art. 16 – Wirkungen der Entscheidungen der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – Unzulässigkeit.
    Rechtssache C-89/16.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2017:538

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    13. Juli 2017 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit – Wandererwerbstätige – Person, die eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten ausübt – Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 13 Abs. 3 – Verordnung (EG) Nr. 987/2009 – Art. 14 Abs. 5b – Art. 16 – Wirkungen der Entscheidungen der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – Unzulässigkeit“

    In der Rechtssache C‑89/16

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) mit Entscheidung vom 28. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 2016, in dem Verfahren

    Radosław Szoja

    gegen

    Sociálna poisťovňa,

    Beteiligte:

    WEBUNG, s.r.o.,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,

    Generalanwalt: M. Szpunar,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

    der tschechischen Regierung, vertreten durch J. Vláčil und M. Smolek als Bevollmächtigte,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch C. S. Schillemans, M. Noort und M. Bulterman als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und A. Tokár als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 3 und von Art. 72 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, und – Berichtigung – ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (ABl. 2012, L 149, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Grundverordnung), der Art. 14 und 16 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. 2009, L 284, S. 1) in der durch die Verordnung Nr. 465/2012 geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) sowie von Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Radosław Szoja, einem polnischen Staatsangehörigen, der eine selbständige Erwerbstätigkeit im Staatsgebiet der Republik Polen und eine Beschäftigung im Staatsgebiet der Slowakischen Republik ausübt, und der Sociálna poisťovňa (Sozialversicherungsanstalt, Slowakei) (im Folgenden: slowakische Sozialversicherungsanstalt) wegen seines fehlenden Anschlusses an das slowakische Kranken-, Renten‑ und Arbeitslosenversicherungssystem.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Grundverordnung

    3

    Die Erwägungsgründe 1, 15, 17 und 45 der Grundverordnung lauten wie folgt:

    „(1)

    Die Vorschriften zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit sind Teil des freien Personenverkehrs und sollten zur Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen beitragen.

    (15)

    Es ist erforderlich, Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats zu unterwerfen, um eine Kumulierung anzuwendender nationaler Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen zu vermeiden.

    (17)

    Um die Gleichbehandlung aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Personen am besten zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, als allgemeine Regel die Anwendung der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorzusehen, in dem die betreffende Person eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt.

    (45)

    Da das Ziel der beabsichtigten Maßnahme, nämlich Koordinierungsmaßnahmen zur Sicherstellung, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. …“

    4

    In Art. 1 der Grundverordnung heißt es:

    „Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

    a)

    ‚Beschäftigung‘ jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

    b)

    ‚selbstständige Erwerbstätigkeit‘ jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

    l)

    ‚Rechtsvorschriften‘ für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit.

    n)

    ‚Verwaltungskommission‘ die in Artikel 71 genannte Kommission;

    …“

    5

    Art. 11 Abs. 1 der Grundverordnung sieht vor:

    „Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.“

    6

    In Art. 13 Abs. 1 und 3 der Grundverordnung heißt es:

    „(1)   Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, unterliegt:

    (3)   Eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung ausübt, oder, wenn sie eine solche Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den nach Absatz 1 bestimmten Rechtsvorschriften.“

    7

    Art. 16 („Ausnahmen von den Artikeln 11 bis 15“) der Grundverordnung bestimmt:

    „(1)   Zwei oder mehr Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten oder die von diesen Behörden bezeichneten Einrichtungen können im gemeinsamen Einvernehmen Ausnahmen von den Artikeln 11 bis 15 im Interesse bestimmter Personen oder Personengruppen vorsehen.

    (2)   Wohnt eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält, in einem anderen Mitgliedstaat, so kann sie auf Antrag von der Anwendung der Rechtsvorschriften des letzteren Staates freigestellt werden, sofern sie diesen Rechtsvorschriften nicht aufgrund der Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit unterliegt.“

    8

    In Art. 72 der Grundverordnung heißt es:

    „Die Verwaltungskommission hat folgende Aufgaben:

    a)

    Sie behandelt alle Verwaltungs- und Auslegungsfragen, die sich aus dieser Verordnung oder der Durchführungsverordnung oder in deren Rahmen geschlossenen Abkommen oder getroffenen Vereinbarungen ergeben; jedoch bleibt das Recht der betreffenden Behörden, Träger und Personen, die Verfahren und Gerichte in Anspruch zu nehmen, die nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, nach dieser Verordnung sowie nach dem Vertrag vorgesehen sind, unberührt.

    …“

    Durchführungsverordnung

    9

    Art. 14 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 987/2009 in der ursprünglichen Fassung sah vor:

    „Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung beziehen sich die Worte ‚eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt‘ insbesondere auf eine Person,

    b)

    die kontinuierlich Tätigkeiten alternierend in zwei oder mehr Mitgliedstaaten nachgeht, mit der Ausnahme von unbedeutenden Tätigkeiten, und zwar unabhängig von der Häufigkeit oder der Regelmäßigkeit des Alternierens.“

    10

    Art. 14 Abs. 5, 5b und 8 der Durchführungsverordnung sieht vor:

    „(5)   Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung beziehen sich die Worte ‚eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt‘ auf eine Person, die gleichzeitig oder abwechselnd für dasselbe Unternehmen oder denselben Arbeitgeber oder für verschiedene Unternehmen oder Arbeitgeber eine oder mehrere gesonderte Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt.

    (5b)   Für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach Artikel 13 der Grundverordnung werden marginale Tätigkeiten nicht berücksichtigt. Artikel 16 der Durchführungsverordnung gilt für alle Fälle gemäß diesem Artikel.

    (8)   Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung ‚eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit‘ in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.

    …“

    11

    In Art. 16 der Durchführungsverordnung heißt es:

    „(1)   Eine Person, die in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten eine Tätigkeit ausübt, teilt dies dem von der zuständigen Behörde ihres Wohnmitgliedstaats bezeichneten Träger mit.

    (2)   Der bezeichnete Träger des Wohnorts legt unter Berücksichtigung von Artikel 13 der Grundverordnung und von Artikel 14 der Durchführungsverordnung unverzüglich fest, welchen Rechtsvorschriften die betreffende Person unterliegt. Diese erste Festlegung erfolgt vorläufig. Der Träger unterrichtet die bezeichneten Träger jedes Mitgliedstaats, in dem die Person eine Tätigkeit ausübt, über seine vorläufige Festlegung.

    (3)   Die vorläufige Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach Absatz 2 erhält binnen zwei Monaten, nachdem die von den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats bezeichneten Träger davon in Kenntnis gesetzt wurden, endgültigen Charakter, es sei denn, die anzuwendenden Rechtsvorschriften wurden bereits auf der Grundlage von Absatz 4 endgültig festgelegt, oder mindestens einer der betreffenden Träger setzt den von der zuständigen Behörde des Wohnmitgliedstaats bezeichneten Träger vor Ablauf dieser zweimonatigen Frist davon in Kenntnis, dass er die Festlegung noch nicht akzeptieren kann oder diesbezüglich eine andere Auffassung vertritt.

    (4)   Ist aufgrund bestehender Unsicherheit bezüglich der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften eine Kontaktaufnahme zwischen den Trägern oder Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten erforderlich, so werden auf Ersuchen eines oder mehrerer der von den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten bezeichneten Träger oder auf Ersuchen der zuständigen Behörden selbst die geltenden Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung von Artikel 13 der Grundverordnung und der einschlägigen Bestimmungen von Artikel 14 der Durchführungsverordnung einvernehmlich festgelegt.

    (5)   Der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften entweder vorläufig oder endgültig als anwendbar bestimmt werden, teilt dies unverzüglich der betreffenden Person mit.

    (6)   Unterlässt eine Person die Mitteilung nach Absatz 1, so erfolgt die Anwendung dieses Artikels auf Initiative des Trägers, der von der zuständigen Behörde des Wohnmitgliedstaats bezeichnet wurde, sobald er – möglicherweise durch einen anderen betroffenen Träger – über die Situation der Person unterrichtet wurde.“

    Slowakisches Recht

    12

    § 3 Abs. 1 Buchst. a des Zákon č. 461/2003 Z. z. o sociálnom poistení (Gesetz Nr. 461/2003 über die Sozialversicherung) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Sozialversicherungsgesetz) sieht vor:

    „Als Erwerbstätigkeit im Sinne des vorliegenden Gesetzes gilt, soweit nicht in einer besonderen Bestimmung oder in einem internationalen Übereinkommen, das den Gesetzen der Slowakischen Republik vorgeht, etwas anderes bestimmt wird, die Tätigkeit, die sich aus einem Rechtsverhältnis ergibt, das Grundlage ist für

    a)

    einen Anspruch auf Einkünfte aus abhängiger Tätigkeit gemäß einer besonderen Bestimmung, mit Ausnahme von nicht in Geld bestehenden, aus den Mitteln eines Sozialfonds gewährten Einkünften aus einem früheren Rechtsverhältnis, das Grundlage war für einen Anspruch auf Einkünfte aus einer abhängigen Tätigkeit gemäß einer besonderen Bestimmung,

    …“

    13

    In § 4 Abs. 1 des Sozialversicherungsgesetzes heißt es:

    „Als Arbeitnehmer gilt für die Zwecke der Kranken‑, Renten‑ und Arbeitslosenversicherung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, eine natürliche Person im Rahmen eines Rechtsverhältnisses, das Grundlage ist für einen Anspruch dieser Person auf regelmäßige monatliche Einkünfte im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. a sowie Abs. 2 und 3 …“

    14

    § 7 Abs. 1 Buchst. c des Sozialversicherungsgesetzes sieht vor:

    „Als Arbeitgeber im Sinne des vorliegenden Gesetzes gilt

    c)

    für eine natürliche Person, die eine Erwerbstätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. a sowie Abs. 2 und 3 ausübt,

    1.   die natürliche Person, die verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die in § 3 Abs. 1 Buchst. a sowie Abs. 2 und 3 genannten Einkünfte zu gewähren, und die in einem anderem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum als der Slowakischen Republik oder im Staatsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder in einem Staat, mit dem die Slowakische Republik ein den Gesetzen der Slowakischen Republik vorgehendes internationales Übereinkommen geschlossen hat, ansässig ist, oder

    2.   die juristische Person, die verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die in § 3 Abs. 1 Buchst. a sowie Abs. 2 und 3 genannten Einkünfte zu gewähren, und die ihren Sitz oder deren Niederlassung ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder im Staatsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder in einem Staat hat, mit dem die Slowakische Republik ein den Gesetzen der Slowakischen Republik vorgehendes internationales Übereinkommen geschlossen hat.“

    15

    In § 14 Abs. 1 Buchst. a des Sozialversicherungsgesetzes heißt es:

    „In der Krankenversicherung ist obligatorisch versichert

    a)

    der Arbeitnehmer im Sinne von § 4 Abs. 1 …“

    16

    In § 15 Abs. 1 Buchst. a des Sozialversicherungsgesetzes heißt es:

    „In der Rentenversicherung ist obligatorisch versichert

    a)

    der Arbeitnehmer im Sinne von § 4 Abs. 1 und 2 …“

    17

    § 19 Abs. 1 des Sozialversicherungsgesetzes bestimmt:

    „Der Arbeitnehmer, der der Pflichtkrankenversicherung angeschlossen ist, ist obligatorisch gegen Arbeitslosigkeit versichert, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    18

    Herr Szoja ist ein polnischer Staatsangehöriger, der, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, eine selbständige Erwerbstätigkeit in Polen und eine Beschäftigung in der Slowakei ausübt, wo er seit dem 1. Februar 2013 im nationalen Versichertenregister eingetragen ist.

    19

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass aus einem Schriftverkehr zwischen dem Zakład Ubezpieczeń Społecznych (Sozialversicherungsanstalt, Polen, im Folgenden: polnische Sozialversicherungsanstalt) und der slowakischen Sozialversicherungsanstalt hervorgehe, dass die polnische Sozialversicherungsanstalt, da der Kläger des Ausgangsverfahrens einen Wohnsitz in Polen habe, wo er auch unternehmerisch tätig sei, entschieden habe, dass dieser ab dem 1. Juli 2012 gemäß Art. 13 Abs. 3 der Grundverordnung in Verbindung mit Art. 14 Abs. 5 Buchst. b der Durchführungsverordnung den polnischen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften unterliege.

    20

    Diese Entscheidung der polnischen Sozialversicherungsanstalt wurde damit begründet, dass die von Herrn Szoja in der Slowakei ausgeübte Tätigkeit unbedeutend sei.

    21

    Am 22. April 2013 teilte die polnische Sozialversicherungsanstalt daher der slowakischen Sozialversicherungsanstalt gemäß Art. 16 Abs. 3 der Durchführungsverordnung mit, dass auf Herrn Szoja ab dem 1. Februar 2013 die polnischen Rechtsvorschriften angewandt würden.

    22

    Die slowakische Sozialversicherungsanstalt ging gegen diese vorläufige Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nicht vor, so dass diese nach Art. 16 Abs. 3 der Durchführungsverordnung endgültigen Charakter erhielt.

    23

    Diese Sozialversicherungsanstalt entschied daraufhin, dass Herr Szoja ab dem 1. Februar 2013 über keine obligatorische Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bei seinem slowakischen Arbeitgeber verfügte.

    24

    Diese Entscheidung wurde von der Widerspruchsstelle der slowakischen Sozialversicherungsanstalt bestätigt.

    25

    Zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt legte Herr Szoja bei dem vorlegenden Gericht gegen ein Urteil des Krajský súd v Žiline (Regionalgericht Žilina, Slowakei) vom 3. Dezember 2014 Berufung ein.

    26

    Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat die polnische Sozialversicherungsanstalt die Situation von Herrn Szoja auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 5 Buchst. b der Durchführungsverordnung geprüft, so dass sie im Hinblick auf ihre die Situation von Herrn Szoja betreffende Entscheidung Art. 13 Abs. 1 der Grundverordnung angewandt hat.

    27

    Dieses Gericht ist aber der Ansicht, dass sich Art. 13 Abs. 1 der Grundverordnung nur auf Beschäftigungen als Arbeitnehmer beziehe, wohingegen es sich im vorliegenden Fall um einen Staatsangehörigen handele, der eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit in verschiedenen Mitgliedstaaten ausübe, so dass das für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts maßgebliche Anknüpfungskriterium gemäß Art. 14 Abs. 8 der Durchführungsverordnung der Ort sei, an dem die betreffende Person einen erheblichen Teil ihrer Tätigkeit ausübe.

    28

    Im Übrigen geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die slowakische Sozialversicherungsanstalt keine auf Art. 16 der Grundverordnung gestützte besondere Vereinbarung geltend gemacht hat, mit der von Art. 13 dieser Verordnung abgewichen würde.

    29

    Unter diesen Umständen hat der Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    30

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 3 der Grundverordnung im Licht von Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta ausgelegt werden kann, ohne die Art. 14 und 16 der Durchführungsverordnung zu berücksichtigen.

    31

    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingerichteten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Letzteren ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits dienliche Antwort zu geben, und er hierzu die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren hat (Urteil vom 18. Mai 2017, Lahorgue, C‑99/16, EU:C:2017:391, Rn. 21).

    32

    Somit ist festzustellen, dass im Hinblick auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, wie er sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, nicht auf Art. 14 Abs. 5 Buchst. b der Durchführungsverordnung in der ursprünglichen Fassung Bezug zu nehmen ist, sondern auf Art. 14 Abs. 5b dieser Verordnung.

    33

    Die erste Frage ist daher so zu verstehen, dass in Erfahrung gebracht werden soll, ob Art. 13 Abs. 3 der Grundverordnung dahin auszulegen ist, dass für die Bestimmung der nationalen Rechtsvorschriften, die nach dieser Vorschrift auf eine Person wie den Kläger des Ausgangsverfahrens anzuwenden sind, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, die in Art. 14 Abs. 5b und Art. 16 der Durchführungsverordnung aufgestellten Anforderungen zu berücksichtigen sind.

    34

    Wie aus den Erwägungsgründen 1 und 45 der Grundverordnung hervorgeht, soll diese eine Koordinierung zwischen den nationalen Systemen der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten gewährleisten, um sicherzustellen, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann, und um so zur Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen der Personen beizutragen, die innerhalb der Union zu- und abwandern.

    35

    Art. 11 Abs. 1 der Grundverordnung legt den Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften fest, wonach Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Mit diesem Grundsatz sollen die Komplikationen, die sich aus der gleichzeitigen Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten ergeben können, vermieden und die Ungleichbehandlungen ausgeschlossen werden, die für innerhalb der Union zu- und abwandernde Personen aus einer teilweisen oder vollständigen Kumulierung der anwendbaren Rechtsvorschriften folgen würden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2006, Piatkowski,C‑493/04, EU:C:2006:167, Rn. 21).

    36

    Nach dem ersten in Art. 13 Abs. 3 der Grundverordnung genannten Fall, der die Bestimmung der nationalen Rechtsvorschriften betrifft, die auf eine Person anwendbar sind, die gewöhnlich eine Beschäftigung in einem Mitgliedstaat und eine selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, unterliegt diese Person den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung ausübt.

    37

    In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der feststeht, dass Herr Szoja gleichzeitig eine Beschäftigung in der Slowakei und eine selbständige Tätigkeit in Polen ausübt, ist davon auszugehen, dass er unter diesen ersten Fall von Art. 13 Abs. 3 der Grundverordnung fällt.

    38

    Allerdings sieht die Durchführungsverordnung, deren Zweck die Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Grundverordnung ist, in ihrem Art. 14 Abs. 5b vor, dass marginale Tätigkeiten für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach Art. 13 der Grundverordnung nicht berücksichtigt werden.

    39

    Wie in den Rn. 20 und 22 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geht in diesem Zusammenhang aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die von Herrn Szoja im slowakischen Staatsgebiet ausübte Tätigkeit nach der Entscheidung der polnischen Sozialversicherungsanstalt unbedeutend ist und dass die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften gemäß Art. 16 Abs. 3 der Durchführungsverordnung endgültigen Charakter erhalten hat.

    40

    Daher sind die anzuwendenden Rechtsvorschriften, denen eine Person wie Herr Szoja, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, gemäß Art. 13 Abs. 3 der Grundverordnung unterliegt, unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 5b der Durchführungsverordnung zu bestimmen, der die Berücksichtigung marginaler Tätigkeiten ausschließt.

    41

    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass aus Art. 14 Abs. 5b der Durchführungsverordnung hervorgeht, dass Art. 16 dieser Verordnung für alle Fälle gemäß Art. 14 gilt. Daher ist in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens auch Art. 16 dieser Verordnung zu berücksichtigen, der das Verfahren für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften gemäß Art. 13 der Grundverordnung regelt.

    42

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kollisionsnormen der Grundverordnung für die Mitgliedstaaten zwingend sind. Es kann nicht zugelassen werden, dass die Sozialversicherten, die vom Geltungsbereich dieser Normen erfasst werden, deren Wirkungen aushebeln können, indem es ihnen freisteht, sich ihnen zu entziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, van Delft u. a., C‑345/09, EU:C:2010:610, Rn. 52).

    43

    Was die Fragen des vorlegenden Gerichts zu Art. 34 der Charta betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Artikel auf die vorstehenden Erwägungen keinen Einfluss hat, da dieser Artikel keine Bestimmung enthält, die dazu führt, dass die Art. 14 und 16 der Durchführungsverordnung im Ausgangsverfahren nicht anzuwenden wären.

    44

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 3 der Grundverordnung dahin auszulegen ist, dass für die Bestimmung der nationalen Rechtsvorschriften, die nach dieser Vorschrift auf eine Person wie den Kläger des Ausgangsverfahrens anzuwenden sind, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, die in Art. 14 Abs. 5b und Art. 16 der Durchführungsverordnung aufgestellten Anforderungen zu berücksichtigen sind.

    Zur zweiten Frage

    45

    In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

    Zur dritten Frage

    46

    Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 72 der Grundverordnung dahin auszulegen ist, dass die Entscheidungen der Verwaltungskommission verbindlich sind.

    47

    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 267 AEUV vorgesehene Verfahren nach ständiger Rechtsprechung ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (Beschluss vom 20. Juli 2016, Stanleybet Malta und Stoppani, C‑141/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:596, Rn. 6 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    48

    Es ist ebenfalls ständige Rechtsprechung, dass eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Unionsrechts nur möglich ist, wenn dieses die Sach- und Rechtslage, in der sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen, auf denen diese Fragen beruhen, erläutert. Außerdem muss die Vorlageentscheidung die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Unionsrechts fraglich und die Vorlage einer Vorabentscheidungsfrage an den Gerichtshof erforderlich erscheint (Beschluss vom 20. Juli 2016, Stanleybet Malta und Stoppani, C‑141/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:596, Rn. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    49

    Insoweit ist es von Bedeutung, hervorzuheben, dass die in den Vorabentscheidungsersuchen enthaltenen Informationen nicht nur dazu dienen, den Gerichtshof in die Lage zu versetzen, sachdienliche Antworten zu geben, sondern auch dazu, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, Erklärungen gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt bleibt, und zwar in Anbetracht der Tatsache, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (Beschluss vom 20. Juli 2016, Stanleybet Malta und Stoppani, C‑141/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:596, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    50

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die dritte Frage diesen Anforderungen nicht genügt, da die Vorlageentscheidung keine ausreichenden Sachverhaltselemente zum Vorliegen einer bestimmten Entscheidung der Verwaltungskommission und zu den etwaigen Auswirkungen dieser Entscheidung auf das Ausgangsverfahren enthält. Der Gerichtshof verfügt daher über keine Anhaltspunkte, aus welchen Gründen die beantragte Auslegung des Unionsrechts zur Beantwortung dieser Frage erforderlich ist. Unter diesen Umständen konnten die Mitgliedstaaten und die anderen Beteiligten im Sinne von Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union keine – oder aber nur sehr kurze – sachdienlichen Erklärungen zu dieser Frage abgeben.

    51

    Nach alledem ist die dritte Frage als unzulässig anzusehen.

    Kosten

    52

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass für die Bestimmung der nationalen Rechtsvorschriften, die nach dieser Vorschrift auf eine Person wie den Kläger des Ausgangsverfahrens anzuwenden sind, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, die in Art. 14 Abs. 5b und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 465/2012 geänderten Fassung aufgestellten Anforderungen zu berücksichtigen sind.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Slowakisch.

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