EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 14.6.2019
JOIN(2019) 12 final
GEMEINSAME MITTEILUNG AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DES AUSSCHUSS DER REGIONEN
Bericht über die Umsetzung des Aktionsplans gegen Desinformation
A.Einführung
Der Schutz unserer demokratischen Prozesse und Institutionen vor Desinformation
ist eine große Herausforderung für unsere Gesellschaften. Um dieser Herausforderung zu begegnen, hat die EU einen soliden Rahmen für ein koordiniertes Vorgehen geschaffen, das voll und ganz mit unseren europäischen Werten und Grundrechten im Einklang steht.
Die europäische Demokratie ist nur so stark wie die aktive Mitwirkung ihrer Bürger. Dass die Wahlbeteiligung bei den vor Kurzem abgehaltenen Wahlen zum Europäischen Parlament ein Rekordhoch erreichte, zeigt, wie sehr die Menschen in Europa die Zukunft ihrer Union mitgestalten wollen.
Zwar ist es für ein Fazit über Vorkommen und Wirkung von Desinformation während dieser Wahlen noch zu früh, doch Maßnahmen aus dem Gemeinsamen Aktionsplan gegen Desinformation sowie dem gesonderten Paket zu den Wahlen haben eindeutig einen Beitrag dazu geleistet, Angriffe zu verhindern und Desinformation aufzudecken. Zahlreiche Journalisten, Faktenprüfer, Plattformen, nationale Behörden, Wissenschaftler sowie die Zivilgesellschaft haben, ermutigt durch diese Maßnahmen, zur Schärfung des Bewusstseins darüber beigetragen, wie der Bedrohung begegnet werden kann. Stärkeres Bewusstsein der Öffentlichkeit hat böswilligen Akteuren die Manipulation der öffentlichen Debatte erschwert.
Jetzt ist jedoch keine Zeit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, denn Desinformation muss weiter bekämpft werden. Sie stellt eine langfristige Herausforderung dar, die unsere gesamte Gesellschaft betrifft und permanent Einsatz und Bemühungen erfordert. Es muss noch mehr getan werden, um die demokratischen Prozesse und Institutionen unserer Union vor Manipulation und Desinformation zu schützen.
Der heute von der Kommission und der Hohen Vertreterin vorgelegte Bericht enthält eine erste Bewertung der bisher erzielten Fortschritte und beschreibt die wichtigsten Lehren für die Zukunft. Ausführlich erläutert wird darin, welchen Anteil der Aktionsplan und das Paket zu den Wahlen an der Bekämpfung von Desinformation während der Europawahlen hatten. Ferner stellt der Bericht auch den Beitrag der Kommission und der Hohen Vertreterin zur Tagung des Europäischen Rates am 20./21. Juni 2019 dar.
B.Der Weg zu einem koordinierten Vorgehen gegen Desinformation
Mit der Annahme des Aktionsplans gegen Desinformation haben die Kommission und die Hohe Vertreterin einen soliden Rahmen für die Abwehr von Bedrohungen von innerhalb und außerhalb der EU geschaffen. Alle Beteiligten, einschließlich der EU-Organe, der Mitgliedstaaten, der Industrie und der Zivilgesellschaft, spielten in vier Aktionsbereichen ihre Rolle:
1.Die EU hat ihre Fähigkeit, Desinformation zu erkennen und zu bekämpfen, ausgebaut, und zwar mit den Task Forces für strategische Kommunikation und der EU-Analyseeinheit für hybride Bedrohungen im Europäischen Auswärtigen Dienst. Sie hat auch die koordinierte Reaktionsfähigkeit durch die Einrichtung eines Frühwarnsystems verbessert, das den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Organen erleichtert.
2.Die EU hat mithilfe eines freiwilligen Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation mit Online-Plattformen und der Industrie zusammengearbeitet, um für mehr Transparenz in der politischen Kommunikation zu sorgen und die manipulative Nutzung der Dienste zu verhindern. Nutzer erlangen so Kenntnis darüber, warum ihnen bestimmte politische Inhalte und Werbeanzeigen gezeigt werden, und sehen, woher diese stammen und von wem sie ausgehen.
3.Die Kommission und die Hohe Vertreterin haben in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament dazu beigetragen, das Bewusstsein über und die Widerstandsfähigkeit gegen Desinformation in der Gesellschaft zu stärken, insbesondere durch mehr auf Fakten gestützte Nachrichten und intensiveren Einsatz für die Förderung der Medienkompetenz.
4.Die Kommission hat die Bemühungen der Mitgliedstaaten um die Integrität der Wahlen und die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der demokratischen Systeme der Union unterstützt, indem sie die Zusammenarbeit gefördert, Empfehlungen gegeben und Hilfestellung geboten und legislative Maßnahmen ergriffen hat.
1.Ausbau der Fähigkeiten und Stärkung der koordinierten Reaktionen
Die Kommission und die Hohe Vertreterin haben die Fähigkeiten der Union zur Erkennung, Analyse und Aufdeckung von Desinformation gestärkt, sowie auch die Fähigkeit zur koordinierten Reaktion, insbesondere mithilfe des Frühwarnsystems. Dies erfolgte vor allem durch den Ausbau einschlägiger Arbeitsbereiche in der Generaldirektion Kommunikation und durch die Aufstockung der finanziellen und personellen Mittel der Task Forces für strategische Kommunikation des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Die Aufstockung der Haushaltsmittel ermöglichte beispielsweise der East StratCom Task Force, ihren Tätigkeitsbereich auszuweiten und die professionelle Überwachung weiterzuentwickeln.
Das Frühwarnsystem erleichterte den täglichen Austausch und das Teilen von Informationen über zahlreiche Fälle und über Tendenzen im Zusammenhang mit Desinformation zwischen den EU-Behörden und den Mitgliedstaaten.
Auf Grundlage der vorliegenden Beweismittel kann bislang keine grenzübergreifende, speziell auf die Europawahlen ausgerichtete Desinformationskampagne aus externen Quellen klar ausgemacht werden. Die zusammengetragenen Belege zeigten jedoch anhaltende und ausgeprägte Desinformationsaktivität aus russischen Quellen, deren Zielsetzung in der Senkung der Wahlbeteiligung sowie der Einflussnahme auf den Wählerwillen bestand. Dabei wurden verschiedenste Themen angeschnitten, von der Infragestellung der demokratischen Legitimität der Union bis hin zur Ausnutzung kontroverser öffentlicher Debatten, etwa über Migration oder Souveränität. Damit bestätigt sich, dass die von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren durchgeführten Desinformationskampagnen eine hybride Bedrohung für die EU darstellen.
Böswillige Akteure tendierten stets dazu, Desinformation zu nutzen, um extreme Ansichten zu begünstigen und in örtlichen Debatten für Polarisierung zu sorgen, unter anderem durch unbegründete Angriffe auf die EU. Politische Akteure vor Ort übernahmen dann häufig die Taktiken und Darstellungen russischer Quellen für Offensiven gegen die EU und ihre Werte. Auch andere Akteure von außerhalb waren beteiligt.
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Böswillige Akteure haben sich den Brand von Notre Dame zunutze gemacht, um den angeblichen Verfall westlicher und christlicher Werte in der EU herauszustreichen. Auch haben sie die politische Krise und den anschließenden Zerfall der Regierung in Österreich rasch dem „europäischen tiefen Staat“, also dem Staat im Staate, und den „deutschen und spanischen Sicherheitsdiensten“ sowie Einzelpersonen zugeschrieben. Um die Menschen vom Wählen abzubringen, wurden Behauptungen verbreitet, das Europäische Parlament verfüge über keine nennenswerte gesetzgebende Gewalt und werde von Lobbyisten kontrolliert.
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Die Taktik solcher Akteure entwickelt sich ebenso schnell wie die Gegenmaßnahmen von Staaten und Online-Plattformen. Anstelle umfangreicher Operationen auf digitalen Plattformen setzten solche Akteure, die insbesondere mit russischen Quellen in Verbindung stehen, nun offenbar auf kleinere, lokal begrenzte Aktionen, die schwerer zu erkennen und aufzudecken sind.
Da Desinformationsaktivitäten immer ausgefeilter werden und unabhängige Forscher nur schwer auf einschlägige Daten der Plattformen zugreifen können, wird eine abschließende Bewertung des Umfangs und der Auswirkungen von Desinformationskampagnen einige Zeit in Anspruch nehmen und aufeinander abgestimmte Bemühungen von Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Akteuren des öffentlichen Lebens und Online-Plattformen erfordern.
Das Frühwarnsystem sorgt für eine engere Koordinierung der EU-Organe und der nationalen Behörden und hat sich somit bewährt. Es gibt immer mehr Interaktionen zwischen den Behörden, und das System ist zu einem Bezugsrahmen bei der Bekämpfung von Desinformation geworden. Zudem hat es die Zusammenarbeit mit Online-Plattformen gestärkt, auch wenn die Plattformen noch stärker den Hinweisen auf fragwürdiges Verhalten und böswillige Inhalte nachgehen müssen, die von außen an sie herangetragen werden. Das Frühwarnsystem hat außerdem die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern wie G7 und NATO gefördert, und dieser Effekt soll künftig noch verstärkt werden.
2.Umsetzung des Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation
Online-Plattformen sind inzwischen für viele EU-Bürger zum entscheidenden Zugang zu Informationen geworden. Sie können daher auch bei der Verbreitung von Desinformation eine zentrale Rolle spielen. Aus diesem Grund hat die Kommission die Plattformen dazu aufgerufen, größere Anstrengungen zur Bekämpfung von Desinformation zu unternehmen. Daraufhin haben die größten Plattformen, darunter Facebook, Google und Twitter, sowie Softwareunternehmen und Gremien, die die Werbebranche vertreten, im Oktober 2018 im Rahmen der Selbstregulierung einen Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation angenommen. Damit haben sie sich freiwillig zur Verbesserung der Transparenz, Rechenschaftspflicht und Vertrauenswürdigkeit ihrer Dienste verpflichtet.
Mit Blick auf die Europawahlen 2019 haben die Kommission und die Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) eine gezielte Beobachtung der von Facebook, Google und Twitter ergriffenen Maßnahmen auf der Grundlage monatlicher Berichte durchgeführt, die diese Plattformen von Januar bis Mai 2019 einreichten. Bei dieser Beobachtung wurden folgende Ergebnisse festgestellt:
·Die Online-Plattformen verbesserten ihre Kontrolle von Werbeplatzierungen‚ um böswillige Praktiken zur Erhöhung der Klickzahlen einzudämmen und die Werbeeinnahmen von Nutzern zu verringern, die Desinformation verbreiteten. Die monatlichen Berichte der Plattformen enthielten – aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaaten – die genaue Anzahl der Werbeanzeigen und Konten, die infolge täuschenden oder irreführenden Verhaltens gelöscht bzw. geschlossen wurden.
·Alle drei Online-Plattformen verstärkten ihre Bemühungen um Erhöhung der Transparenz politischer Anzeigen, insbesondere durch deren Kennzeichnung und Veröffentlichung in Anzeigenbibliotheken mit Suchfunktion.
·Die Plattformen gaben an, Maßnahmen ergriffen zu haben, um die Integrität ihrer Dienste zu stärken. Sie berichteten, dass ein besonderes Augenmerk auf manipulatives Verhalten gelegt wurde, mit dem Inhalte durch koordiniertes Vorgehen mehr Sichtbarkeit verschafft werden sollte, und auf missbräuchlichen Einsatz von Bots und Scheinkonten.
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Von Januar bis Mai haben Online-Plattformen Maßnahmen gegen fragwürdiges Verhalten ergriffen, um das Ausmaß von Spam und Desinformation insgesamt zu begrenzen. Google hat laut den Berichten über 3,39 Millionen YouTube-Kanäle und 8 600 Kanäle aufgrund von Verstößen gegen die Richtlinien bezüglich Spam und Identitätsbetrug entfernt. Im ersten Quartal 2019 hat Facebook 2,19 Milliarden Scheinkonten gesperrt und ist im Einzelnen gegen 1 574 nicht in der EU ansässige sowie 168 in der EU ansässige Seiten, Gruppen und Konten vorgegangen, die an auf EU-Mitgliedstaaten abzielendem fragwürdigem Handeln beteiligt waren. Twitter beanstandete weltweit fast 77 Millionen Konten, die an Spam erinnerten oder Scheinkonten waren.
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In den Tagen vor den Wahlen identifizierten und löschten Online-Plattformen nach Warnungen von unabhängigen Prüfern und Journalisten weitere Konten, über die Desinformation und Hetze verbreitet wurden. Mehr als 600 in Frankreich, Deutschland, Italien, dem Vereinigten Königreich, Polen und Spanien aktive Gruppen und Facebook-Seiten hatten Berichten zufolge Desinformation und Hetze verbreitet oder falsche Profile verwendet, um Inhalten der von ihnen unterstützten Parteien oder Seiten künstlich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Solche Seiten wurden 763 Mio. Mal von Nutzern aufgerufen. Wissenschaftler, Faktenprüfer und die Zivilgesellschaft wiesen zudem auf weitere Fälle hin, in denen über groß angelegte Operationen versucht wurde, das Wahlverhalten in mindestens neun Mitgliedstaaten zu manipulieren.
Über das bereits Geleistete hinaus müssen die Plattformen weiter daran arbeiten, Desinformation wirksam zu bekämpfen. Facebook hat die Transparenz zwar, im Gegensatz zu Google und Twitter, auf themenbezogene Werbung ausgeweitet, doch es bestehen weiterhin Zweifel an der Wirksamkeit der von allen Unterzeichnern ergriffenen Maßnahmen. Darüber hinaus haben die Plattformen nicht genügend Fortschritte erzielt, was die Erhöhung der Transparenz von Websites, die Werbung anzeigen, betrifft, was zum Teil auf mangelndes Engagement der Werbebranche zurückzuführen ist.
Sämtliche Plattformen sollten auch eine aktive und funktionsfähige Zusammenarbeit mit Faktenprüfern in allen Mitgliedstaaten sicherstellen und die Nutzer befähigen, Desinformation besser zu erkennen. Dies kann etwa mithilfe der Entwicklung von Indikatoren für die Vertrauenswürdigkeit von Informationsquellen in Zusammenarbeit mit Medienorganisationen geschehen.
Die Plattformen sollten zudem der Forschungsgemeinschaft im Einklang mit den Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten einen zweckdienlichen Zugang zu Daten gewähren. Die Zusammenarbeit mit Forschern wird die Erkennung und Analyse von Desinformationskampagnen verbessern sowie eine solide Überwachung der Umsetzung des Verhaltenskodex und eine unabhängige Beobachtung der Funktionsweise von Algorithmen ermöglichen. Die Kommission wird sich weiterhin für eine umfassende Anwendung des Kodex durch alle Beteiligten einsetzen.
Vor Jahresende wird die Kommission die Wirksamkeit des Kodex nach dem ersten Zwölfmonatszeitraum bewerten. Sollten die Ergebnisse dieser Bewertung nicht zufriedenstellend ausfallen, kann die Kommission weitere Maßnahmen vorschlagen, einschließlich Maßnahmen rechtlicher Natur.
3.Sensibilisierung der Gesellschaft und Ausbau ihrer Widerstandsfähigkeit
Nur mit vereinten Kräften kann der Desinformation entgegengewirkt und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gesteigert werden. Dazu ist es sinnvoll, einerseits die Bürger und die Zivilgesellschaft zu stärken, und andererseits für eine sachliche Kommunikation über die EU zu sorgen. Im Vorfeld der Europawahlen haben die EU-Organe auf folgenden Gebieten eng zusammengearbeitet:
·Sensibilisierung für Desinformation: Die EU-Organe ergriffen mehrere Initiativen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Problem der Desinformation in den EU-Mitgliedstaaten und führten u. a. Seminare, Konferenzen und Medienbriefings durch. Daran nahmen insgesamt Hunderte Journalisten teil, was zu einem besseren Problemverständnis beigetragen und zu einer vermehrten Berichterstattung über Bedrohungen durch Desinformation geführt hat. Zu Informationsveranstaltungen für Besuchergruppen, die u. a. während der Europäischen Jugendwoche in Brüssel stattfanden, kamen etwa 200 Teilnehmer aus der Zivilgesellschaft sowie von Universitäten und Jugendverbänden.
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Infolge der neuen EU-Datenschutzvorschriften war in Deutschland ein Gerücht im Umlauf, wonach die Kinder künftig am Weihnachtsbaum ihrer Stadt keine Wunschzettel mehr befestigen dürften, wie es Brauch ist. Die EU-Datenschutzvorschriften sollen zwar die personenbezogenen Daten der Menschen schützen, damit diese nicht ohne deren Genehmigung verwendet werden. Es steht aber nirgends, dass es den Kindern verboten wäre, öffentlich zu machen, was sie sich zu Weihnachten wünschen, wenn ihre Eltern damit einverstanden sind.
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·Bessere Kommunikation zur EU-Politik: Die EU-Organe haben sich mit einer proaktiven und mehrsprachigen Öffentlichkeitsarbeit über die sozialen Medien und mit Kommunikationskampagnen an Millionen von EU-Bürgern gewandt, um für mehr Bewusstsein darüber und Verständnis dafür zu sorgen, wie sich die Tätigkeiten der EU auf ihren Lebensalltag auswirken. Das Europäische Parlament führte eine Werbekampagne unter dem Motto „Diesmal wähle ich“ durch, und mehrere nationale Behörden ergriffen ähnliche Maßnahmen. Die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst haben ihre positive Kommunikation durch gezielte Kampagnen erheblich ausgeweitet und erreichen damit Millionen von Bürgern.
·Steigerung der Reaktionsfähigkeit der EU auf Desinformation: Gemeinsam mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und dem Europäischen Parlament arbeitete die Kommission daran, Material zur Widerlegung von Mythen sowie Sensibilisierungsmaterial herzustellen und zu verbreiten, wobei sie sich sowohl auf akademische als auch auf institutionelle Sachkenntnis stützte. Das interne Netz der Kommission zur Bekämpfung von Desinformation, war regelmäßig tätig und bündelte in Zusammenarbeit mit anderen EU-Organen politisches Fachwissen und Kommunikations-Know-how. Mehrere Vertretungen der Kommission legten auf ihren Websites spezielle Seiten an, auf denen sie langjährige Mythen über die EU widerlegten, und gingen Partnerschaften mit Faktenprüfern, Redaktionsteams und anderen Initiativen aus der Zivilgesellschaft ein, um der Desinformation entgegenzutreten.
·Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft durch Medienkompetenz: Ausgeprägte Medienkompetenz ist wichtig, damit die Bürgerinnen und Bürger in der Lage sind, im digitalen Zeitalter fundierte Entscheidungen zu treffen. Medienkompetenz ist eine Voraussetzung für eine lebendige, moderne Demokratie. Um Initiativen zur Steigerung der Medienkompetenz in der gesamten EU auszuweiten und bewährte Verfahren – insbesondere auf regionaler und nationaler Ebene – herauszustellen, organisierte die Kommission die erste Europäische Woche der Medienkompetenz mit EU-weit mehr als 320 Veranstaltungen. Im Einklang mit der neuen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste werden die Mitgliedstaaten in enger Zusammenarbeit mit den Regulierungsbehörden und anderen Interessenträgern besondere Maßnahmen zur Medienkompetenz in ihre nationalen Rahmen aufnehmen müssen.
·Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft: Das International Fact-Checking Network richtete einen europäischen Zweig mit unabhängigen Faktenprüfern, die 14 Mitgliedstaaten abdecken, sowie einer Website in 11 EU-Sprachen ein. Die Kommission wird die Schaffung einer multidisziplinären europäischen Gemeinschaft unabhängiger Faktenprüfer und Wissenschaftler auch weiterhin fördern. Im Rahmen des Programms Horizont 2020 förderte die Kommission Investitionen in neue Technologien zur Überprüfung von Inhalten und für deren Verbreitung über soziale Medien. In der Nachbarschaft der Union bemühte sich die Kommission verstärkt darum, Verbindungen zwischen den Zivilgesellschaften der EU und der Partnerländer aufzubauen. Dadurch konnten von den Gemeinschaften getragene Lösungen zur Bekämpfung von Desinformation ausfindig gemacht und getestet werden.
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Die Kommission gab den Anstoß für die Einrichtung der Sozialbeobachtungsstelle für Desinformation und Analyse der sozialen Medien (Social Observatory for Disinformation and Social Media Analysis – SOMA), die den Auftrag hat, die Vernetzung, den Wissensaustausch und die Entwicklung bewährter Verfahren unter den unabhängigen Faktenprüfern zu erleichtern. Eine erste Gruppe von 14 europäischen Faktenprüforganisationen hat nun Zugang zur SOMA, die auch multidisziplinäre Zentren für die Forschung im Bereich Desinformation aufbaut. Die Fazilität „Connecting Europe“ wird ebenfalls Mittel (in Höhe von 2,5 Mio. EUR) für eine neue digitale Dienstinfrastruktur bereitstellen, die der Vernetzung der Faktenprüfer und Forscher dienen soll.
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4.Schutz der Integrität der Wahlen
Seit dem Fall Facebook/Cambridge Analytica und den Enthüllungen über Wahleinmischungen weltweit hat die Kommission entschlossen gehandelt, um die Integrität von Wahlen zu schützen und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft zu steigern, insbesondere mit ihrem Paket zu den Wahlen. Mithilfe dieser Maßnahmen konnten konkrete Ergebnisse in folgenden Bereichen erzielt werden:
·Bessere Koordinierung der Wahlbehörden: Die in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eingerichteten Wahlkooperationsnetze, die aus den für Wahlbelange zuständigen Behörden bestehen, haben zu einer besseren Abwehrbereitschaft gegenüber möglichen Bedrohungen und zu einer besseren Koordinierung der Tätigkeiten auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene im Vorfeld von Wahlen geführt. Die Netze beschäftigten sich u. a. mit der Ermittlung von Bedrohungen und Lücken, der Krisenvorsorge, Sensibilisierungskampagnen, Bemühungen zur Bekämpfung von Desinformation, der Überwachung und Durchsetzung der geltenden Vorschriften sowie Analysen der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren. Die bestehende Zusammenarbeit hat die Vorbereitung der Wahlen in den Mitgliedstaaten wirksam unterstützt und dazu beigetragen, einige der Unterschiede in diesem komplexen Bereich anzugehen.
·Besserer Schutz vor Cyberbedrohungen: Praktische Übungen, die mit Unterstützung der Agentur der Europäischen Union für Netz- und Informationssicherheit (ENISA), der Kommission und des Europäischen Parlaments organisiert wurden, haben dazu beigetragen, die Abwehrbereitschaft und Widerstandsfähigkeit gegenüber Cyberbedrohungen zu stärken. Die EU-Organe trafen Vorkehrungen, um die Konten der EU-Organe und ihrer wichtigsten Vertreter in den sozialen Medien zu schützen. Mit der Annahme eines neuen Rechtsrahmens kann die EU nun auch Sanktionen verhängen (z. B. Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbote), um vor Cyberangriffen, die eine externe Bedrohung für die Union oder ihre Mitgliedstaaten darstellen, abzuschrecken und darauf zu reagieren.
·Missbrauch personenbezogener Daten: Zur Präzisierung der Datenschutzpflichten gab die Kommission einen Leitfaden für die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung im Zusammenhang mit Wahlen heraus. Daneben gab der Europäische Datenschutzausschuss eine Erklärung zur Verwendung personenbezogener Daten in politischen Kampagnen ab, in der er sich dazu verpflichte, mit anderen zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten, um das Vertrauen in die Sicherheit und Integrität der Wahlen zu bewahren. Darüber hinaus traten neue Vorschriften in Kraft, die Sanktionen bei Verstößen gegen Datenschutzvorschriften durch europäische politische Parteien ermöglichen. Die Kommission empfahl den Mitgliedstaaten, auf nationaler Ebene denselben Ansatz zu verfolgen.
·Erhöhung der Transparenz: Mitgliedstaaten, politische Parteien, Stiftungen und Wahlkampforganisationen wurden aufgefordert, Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz in ihrer politischen Kommunikation und Werbung zu ergreifen. Dadurch sollten die Bürgerinnen und Bürger der EU in die Lage versetzt werden, gegen Bezahlung geschaltete politische Werbung und Kommunikation im Internet als solche auszumachen und zu erkennen, wer dahinter steht. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass sie auf ihren Websites Angaben über ihre Ausgaben für Online-Aktivitäten und über ihre Zielauswahlkriterien für die politische Werbung machen.
Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wird die Kommission im Oktober 2019 einen umfassenden Bericht über die Wahlen und die Umsetzung ihres Pakets zu den Wahlen vorlegen.
C.Schlussfolgerungen
Im Vorfeld der Europawahlen half das koordinierte Vorgehen der EU, eine größere Abwehrbereitschaft und Koordinierung bei der Bekämpfung von Desinformation zu gewährleisten. Wie die vorläufige Analyse ergeben hat, trug dies dazu bei, Desinformationsversuche aufzudecken, die Integrität der Wahlen zu bewahren und gleichzeitig die Meinungsfreiheit zu schützen. Die höchste Wahlbeteiligung der letzten zwanzig Jahre (50,97 %) spiegelt das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Union und deren Bedeutung für ihr Leben wider.
Es besteht jedoch kein Anlass, sich zufrieden zurückzulehnen. Desinformation ist eine wachsende Bedrohung, die kontinuierlich weiter erforscht werden muss, damit wir in der Lage sind, unser politisches Instrumentarium entsprechend den neuen Trends und Praktiken laufend anzupassen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU gibt es böswillige Quellen, die ständig neue Taktiken verfolgen und zunehmend kleinere, lokal begrenzte Operationen durchführen, bei denen es weniger wahrscheinlich ist, dass sie erkannt und aufgedeckt werden. Das Ziel bleibt jedoch dasselbe: das Teilen unserer Gesellschaft und das Untergraben des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in demokratische Prozesse und Institutionen.
Der Schutz unserer demokratischen Prozesse und Institutionen vor Desinformation und Manipulation stellt eine langfristige Herausforderung dar, die einen langen Atem erfordert. Dabei müssen EU-Organe und Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen. Zudem werden angemessene personelle und finanzielle Mittel benötigt, um Desinformationskampagnen besser erkennen, analysieren und aufdecken zu können und um die Abwehrbereitschaft gegen Desinformationskampagnen auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene zu verbessern. Dem Privatsektor, insbesondere den Online-Plattformen, kommt bei der Bekämpfung von Desinformation eine besondere Verantwortung zu.
In ihrem Beitrag zum informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU-27 in Sibiu am 9. Mai 2019 machte die Kommission deutlich, dass die Zunahme gezielter Desinformationskampagnen auch künftig eine große Herausforderung bleiben wird, und forderte ein gemeinsames Vorgehen der EU-Organe und der Mitgliedstaaten, um der Bedrohung zu begegnen.
Der Europäische Auswärtige Dienst und die Kommission werden gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit im Rahmen des Frühwarnsystems weiter intensivieren, eine gemeinsame Methodik für die Analyse und Aufdeckung von Desinformationskampagnen entwickeln und sich für verstärkte Partnerschaften mit internationalen Partnern wie G7 und NATO einsetzen.
Noch in diesem Jahr wird die Kommission über die Umsetzung des Pakets zu den Wahlen berichten und die Wirksamkeit des Verhaltenskodex bewerten. Ausgehend davon können dann weitere Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um unsere langfristige Reaktionsfähigkeit auf diese Bedrohung zu sichern und zu verbessern.
Die Kommission und die Hohe Vertreterin sind entschlossen, ihre gemeinsamen Anstrengungen zum Schutz unserer europäischen Demokratie vor Desinformation und Manipulation fortzusetzen. Es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, das Recht der Bürgerinnen und Bürger der EU auf sachliche, objektive und zuverlässige Informationen zu wahren.