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Document EESC-2022-03561-AC

Stellungnahme - Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss - Ausarbeitung von Post-Euro-6/VI-Emissionsstandards für Pkw, Kleinlastwagen, Lastkraftwagen und Busse

EESC-2022-03561-AC

STELLUNGNAHME

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Ausarbeitung von Post‑Euro‑6/VI‑Emissionsstandards für Pkw, Kleinlastwagen, Lastkraftwagen und Busse

_____________

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Motoren sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer Emissionen und der Dauerhaltbarkeit von Batterien (Euro 7) und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009
[COM(2022) 586 final – 2022/0365(COD)]

CCMI/199

Berichterstatter: Bruno CHOIX

Ko-Berichterstatter: Guido NELISSEN

DE

Befassung

Europäisches Parlament, 15/12/2022

Rat der Europäischen Union, 21/12/2022

Rechtsgrundlage

Artikel 114 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständiges Arbeitsorgan

Beratende Kommission für den industriellen Wandel

Annahme in der CCMI

27/03/2023

Verabschiedung auf der Plenartagung

27/04/2023

Plenartagung Nr.

578

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

140/1/3

1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Die Automobilindustrie durchläuft derzeit den größten Wandel ihrer Geschichte: die Dekarbonisierung und die Digitalisierung des Straßenverkehrs. Dieser Paradigmenwechsel wird tiefgreifende Auswirkungen auf die Struktur der Branche sowie auf die Zahl und die Qualität der Arbeitsplätze haben. Angesichts des Ausmaßes dieses Wandels fordert der EWSA eine umfassende Industriepolitik, die allen drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung Rechnung trägt: der wirtschaftlichen, der ökologischen und der sozialen. Die Beschäftigungsdimension muss durch verstärkte Anstrengungen in den Bereichen Berufsbildung und Weiterbildung/Umschulung der Arbeitskräfte sowie regionale/lokale Programme zur Umstellung der Wirtschaft und beruflichen Neueinstufung angegangen werden. Dies muss durch einen gut etablierten sozialen Dialog und das Bestreben gefördert werden, die Erhaltung/Schaffung guter Arbeitsplätze in der Branche sicherzustellen.

1.2Der EWSA unterstützt die Einführung der Euro-7-Emissionsnormen als wichtigen Beitrag zur Erreichung der Luftqualitätsziele der EU. Gleichzeitig wird die EU hierdurch ihre industrielle Führungsrolle auf dem Gebiet der sauberen Fahrzeugtechnologien aufrechterhalten können.

1.3Der EWSA begrüßt die zahlreichen mit diesem Verordnungsvorschlag erzielten Verbesserungen: Schutz vor unbefugten Eingriffen, Einsatz digitaler Technologien, Verringerung der Komplexität sowie Berücksichtigung von Elektrofahrzeugen und von Nicht-Abgasemissionen.

1.4Aus mehreren Gründen plädiert der EWSA bei der Festlegung der neuen Emissionsnormen für einen „realistischen“ und „kosteneffizienten“ Ansatz:

1.4.1zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit: Da Verbrennungsmotoren ab 2035 wahrscheinlich als veraltete Technik gelten werden, werden die für die Einhaltung der neuen Normen erforderlichen Mittel nicht länger für direkte Investitionen in saubere Antriebsstränge verfügbar sein;

1.4.2die individuelle Pkw-Mobilität muss erschwinglich bleiben, um „Mobilitätsarmut“ zu vermeiden (da außerhalb städtischer Ballungsräume nicht genügend alternative Verkehrsmittel zur Verfügung stehen);

1.4.3wenn die Euro-7-Emissionsnormen zu hohe Kosten mit sich bringen, könnte sich dies als kontraproduktiv erweisen, denn die Verbraucher würden den Fahrzeugwechsel aufschieben und ihr umweltschädlicheres Auto behalten, wodurch die potenziellen Vorteile der Euro‑7‑Emissionsnormen für die Gesundheit beschnitten würden.

1.5Alle Elemente der neuen Verordnung sollten also einer wissenschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden. In diesem Zusammenhang müssen alle Interessenträger bei der Berechnung der durch die neuen Normen entstehenden Kosten die gleiche Methode anwenden.

1.6Nach Auffassung des EWSA würde die Schaffung von Anreizen für die Verbraucher zu einer rascheren Erneuerung des Fahrzeugbestands beitragen. Dies käme sehr der Gesundheit zugute, da die Ersetzung der Fahrzeuge der Normen Euro 1/I bis 5/V durch Euro-6/VI-Fahrzeuge einen Rückgang der NOx-Emissionen um 80 % bewirken würde.

1.7Der EWSA fordert eine rasche Annahme der Verordnung und eine Mindestfrist von zwei Jahren für Pkw/leichte Nutzfahrzeuge und von drei Jahren für Busse und schwere Nutzfahrzeuge, um die technische und wirtschaftliche Tragfähigkeit der vorgeschlagenen Verordnung zu gewährleisten.

2.Hintergrund des Vorschlags

2.1Auf die Automobilindustrie entfallen in der EU rund 10 % der industriellen Wertschöpfung und 13 Millionen Arbeitsplätze, was fast 7 % der dortigen Erwerbsbevölkerung entspricht.

2.2Nachdem sie über mehr als ein Jahrhundert lang stetig gewachsen war, hat die Branche seit 2018 mit einer Rezession und einer Krise ihres Geschäftsmodells zu kämpfen. Anhaltende Krisen haben die Aussichten für einen Wiederaufschwung der weltweiten Automobilproduktion, insbesondere in Europa, zusätzlich verdüstert.

2.3Gleichzeitig müssen die in der Automobilindustrie tätigen Akteure allerdings auch die größten Transformationen in der Geschichte des Automobils bewältigen, nämlich die Elektrifizierung des Antriebsstrangs und die Digitalisierung des Fahrzeugs.

2.4Angesichts dieser strukturellen Veränderungen muss die Automobilindustrie derzeit erhebliche Investitionen stemmen, was zulasten ihres Geschäftsmodells geht. Finanziert wird dies durch Einsparungen bei den Investitionen in traditionelle Technologien (einschließlich Verbrennungsmotoren) und die Senkung der Produktionskosten.

2.5Darüber hinaus führt die Einführung von Leistungselektronik und Digitaltechnik dazu, dass die Karten neu gemischt werden und Chancen für neue Wettbewerber entstehen, wodurch die Stellung etablierter Zulieferer geschwächt wird. Dieser Wandel wird sich auch stark auf die Entwicklung der Beschäftigungslage auswirken.

2.6Quantitativ gesehen ist in der Branche diesbezüglich ein Rückgang zu verzeichnen, was auf den Abbau von Kapazitäten und die Vereinfachung neuer Antriebssysteme zurückzuführen ist. In qualitativer Hinsicht hingegen ist in puncto Beschäftigung eine deutliche Fortentwicklung zu beobachten. So erfordern die Elektrifizierungs- und Digitalisierungsprozesse den Ausbau der Kompetenzen in neuen Fachgebieten innerhalb der Automobilbranche.

2.7Eine solche Beschäftigungsdynamik ist auch in der Automobildienstleistungsbranche zu verzeichnen, da die neuen Antriebssysteme einen geringeren Wartungsbedarf haben und gleichzeitig eine Weiterentwicklung der Kompetenzen voraussetzen.

2.8Nach wiederholten Verzögerungen legte die Europäische Kommission vor diesem Hintergrund am 10. November 2022 einen Vorschlag für neue Emissionsnormen (Euro 7) für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge, Lkw und Busse vor.

2.9Dieser Vorschlag ist Teil eines viel umfassenderen Maßnahmenpakets der EU zur Bekämpfung der verkehrsbedingten Luftverschmutzung. Die EU-Vorschriften in den Bereichen Luftqualität, regelmäßige technische Überwachung, CO2-Emissionen, Kraftstoffqualität, Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, saubere Fahrzeuge und Eurovignette zeigen allesamt auf, dass der erhebliche Beitrag des Verkehrs zur Luftverschmutzung verringert werden muss. Sie ergänzen einander und tragen dazu bei, die Ziele des europäischen Grünen Deals hinsichtlich Klimaschutz und Vermeidung von Umweltverschmutzung zu erreichen und den Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität zu bewerkstelligen.

2.10Bei den neuen Euro-7-Normen wird es sich wahrscheinlich um die letzten Normen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor handeln, da 2021 im Rahmen des Pakets „Fit für 55“ beschlossen wurde, die Dekarbonisierung der Automobilindustrie zu beschleunigen. In der Folge erzielten das Europäische Parlament und der Rat eine Einigung (27. Oktober 2022) über eine Verringerung der CO2-Emissionen von Pkw um 55 % bis 2030 und ein Verkaufsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor (einschließlich Hybridfahrzeugen) ab 2035.

3.Inhalt des Vorschlags

In der Verordnung werden im Wesentlichen folgende Änderungen vorgeschlagen:

-strengere Emissionsgrenzwerte für Pkw und Lkw, sowohl bei Diesel- als auch bei Benzinfahrzeugen (wobei die NOx-Grenzwerte für Pkw allerdings unverändert bleiben);

-eine Erweiterung der Fahrbedingungen für Prüfungen im praktischen Fahrbetrieb sowie die Abschaffung der Übereinstimmungsfaktoren;

-ein größerer Schwerpunkt auf kürzeren Strecken: Die Entfernung, für die das Emissionsbudget nach Kaltstart berechnet wird, wird von 16 auf 10 km reduziert;

-die Messung und Regulierung der Nicht-Abgasemissionen in Form von Bremspartikeln und von den Reifen stammendem Mikroplastik;

-strengere Anforderungen in Bezug auf die Dauerhaltbarkeit: 200 000 km bzw. 10 Jahre für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge und 875 000 km ohne zeitliche Begrenzung für Lkw und Busse;

-eine kontinuierliche Emissionsüberwachung durch ein On-Bord-Überwachungssystem: Mittels Sensoren werden die tatsächlichen Emissionen von Fahrzeugen über deren gesamten Lebenszyklus hinweg gemessen;

-eine Bewertung der Lebensdauer der Batterien durch Prüfung, wie sich ihre Kapazität mit steigender Kilometerleistung entwickelt;

-strengere Vorschriften zur Verhinderung unbefugter Eingriffe an Fahrzeugen;

-die Festlegung von Emissionsgrenzwerten für bislang nicht regulierte Schadstoffe (Ammoniak bei Pkw, Formaldehyd bei Lkw). Erstmals werden Grenzwerte für die Emissionen festgelegt, die durch Verdunstung beim Betanken eines Fahrzeugs freigesetzt werden.

4.Allgemeine Bemerkungen

4.1Obwohl die vorzeitigen Todesfälle aufgrund der Exposition gegenüber Luftschadstoffen im Jahr 2019 in der EU-27 im Vergleich zu 2005 um 33 % zurückgegangen waren, sind nach wie vor ehrgeizigere Grenzwerte erforderlich. In diesem Zusammenhang entfallen 37 % der gesamten NOx-Emissionen auf den Straßenverkehr. Schätzungen zufolge sind in der EU-27 jedes Jahr mehr als 70 000 der vorzeitigen Todesfälle auf Feinstaub und Stickoxide aus dem Straßenverkehr zurückzuführen.

4.2Die Kommission ist bei der Ausarbeitung neuer Vorschriften nach einem realistischen Ansatz verfahren. Wenngleich die Verschärfung der Emissionsnormen für Dieselfahrzeuge den Rückgang des Angebots an solchen Fahrzeugen beschleunigen dürfte, werden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor weiterhin erschwinglich bleiben. Zudem darf nicht vergessen werden, dass sich die neuen CO2-Normen auch auf den Kaufpreis der Fahrzeuge auswirken werden.

4.3Zwar fällt die Euro-7-Norm im Hinblick auf die darin festgelegten Emissionsgrenzwerte weniger streng aus als von vielen erwartet, doch ist sie dennoch das Ergebnis einer umfassenden Überarbeitung, mit der eine Reihe von Schwachstellen der Euro-6-Norm, etwa in Bezug auf die Gefahr unbefugter Eingriffe, die Komplexität der Vorschriften, die Fahrzeugalterung und die Emissionen im praktischen Fahrbetrieb, behoben werden. Mit der neuen Norm wird zudem ein viel breiterer Ansatz verfolgt, da auch Elektrofahrzeuge und Nicht-Abgasemissionen behandelt werden.

4.4Der von den verschiedenen Euro-Emissionsnormen ausgegangene Regulierungsdruck hat zu Innovationen bei der Entwicklung von Emissionsüberwachungssystemen und Antriebssträngen geführt und zur führenden Rolle der EU in der Branche beigetragen. Deshalb ist es wichtig, dass die EU-Normen den Normen, die derzeit auf wichtigen Märkten ausgearbeitet werden, einen Schritt voraus bleiben. Eine Vorreiterrolle bei der Integration digitaler und sauberer Technologien ist ein wichtiger Vorteil beim Zugang zu den internationalen Märkten. In diesem Zusammenhang sollten auch ehrgeizigere Normen in Betracht gezogen werden, wie sie etwa in den USA in puncto Dauerhaltbarkeit vorgeschrieben sind (240 000 km bzw. 15 Jahre).

4.5Nach Auffassung des EWSA würde die Schaffung von Anreizen für die Verbraucher die Erneuerung des Fahrzeugbestands beschleunigen. Dies hätte deutliche Auswirkungen auf die Luftqualität und würde einen klaren Rückgang der Emissionen bewirken. Durch die Ersetzung der aktuell in Umlauf befindlichen älteren Fahrzeuge durch neuere, Euro-6-konforme Fahrzeuge und die fortschreitende Elektrifizierung könnten die straßenverkehrsbedingten NOx-Emissionen bis 2035 deutlich (um 80 %) verringert werden.

4.6Der EWSA fordert, dass für alle neu zu regulierenden Aspekte eine solide und wissenschaftlich fundierte Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt wird. Auf diese Weise soll ermittelt werden, inwieweit entsprechende Vorschriften jeweils zu einer kosteneffizienten Verringerung der Emissionen beitragen könnten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass bei der Analyse der durch die Umsetzung der Euro-7-Norm entstehenden Mehrkosten von allen Interessenträgern die gleiche Methode angewandt wird.

4.7Der EWSA ist davon überzeugt, dass die individuelle Pkw-Mobilität für alle zugänglich und erschwinglich bleiben muss, insbesondere für diejenigen, die keinen Zugang zu guten öffentlichen Verkehrsmitteln (oder anderen Mobilitätslösungen) haben. Daher fordert der Ausschuss die Automobilindustrie auf, auch weiterhin für alle erschwingliche Fahrzeuge im Einstiegssegment anzubieten. Da die Fahrzeugpreise deutlich schneller steigen als die Kaufkraft und da gemeinsam genutzte Mobilitätsdienste noch keine belastbare Alternative darstellen, ist es nach Auffassung des EWSA höchste Zeit, das Problem der Mobilitätsarmut ernsthaft anzugehen.

4.8Im Großen und Ganzen sollte nach Auffassung des EWSA ein Gleichgewicht zwischen den drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung erreicht werden. Sowohl in den Übergang zu Elektrofahrzeugen als auch in die Neukonzipierung von Verbrennungsmotoren investieren zu müssen, könnte für europäische Automobilhersteller gegenüber Herstellern, die ausschließlich Elektrofahrzeuge herstellen oder die in Drittstaaten ansässig sind und folglich nicht denselben Verpflichtungen unterliegen, zu Wettbewerbsnachteilen führen. Außerdem ist zu vermeiden, dass die Verbraucher aufgrund zu teurer Euro-7-Fahrzeuge den Umstieg auf ein umweltfreundlicheres Fahrzeug aufschieben. Hierdurch würden die potenziellen Vorteile der Euro-7-Emissionsnormen erheblich beschnitten. Außerdem würde es zu industriellen Umstrukturierungen infolge eines Einbruchs der Verkaufszahlen führen.

4.9Angesichts des Ausmaßes des Wandels fordert der EWSA eine kohärente Industriepolitik, mit der die dreifache Herausforderung für die Automobilindustrie bewältigt werden kann:

-Umwelt: Beitrag zur Verwirklichung der Ziele des Grünen Deals und zu den neuen Emissionsnormen der Luftqualitätsrichtlinie;

-Wirtschaft: Wahrung der führenden Rolle der Industrie, Erhalt der Automobillieferkette in der EU, Entwicklung eines soliden Ökosystems für Elektrofahrzeuge;

-sozialer Aspekt: Rahmen für einen gerechten Übergang, vorherige Unterrichtung und Anhörung bzw. sozialer Dialog zur Antizipierung und Bewältigung des Übergangs, regionale Umschulungspläne, Umschulungen und Erhalt hochwertiger Arbeitsplätze.

5.Besondere Bemerkungen

5.1Die Kommission fasst in ihrem Vorschlag für den Beginn der Anwendung der Verordnung zwei unterschiedliche Zeitpunkte ins Auge, und zwar Juli 2025 für leichte und Juli 2027 für schwere Fahrzeuge. In beiden Fällen handelt es sich um den Zeitpunkt, ab dem die Mitgliedstaaten die Zulassung von Fahrzeugen, die den Euro-7-Normen nicht entsprechen, verweigern müssen.

Die Wahl dieser Zeitpunkte, insbesondere jenes für leichte Fahrzeuge, wirft Fragen auf.

5.1.1Die Wahl des Juli 2025 erscheint eher unrealistisch. So müssen die Hersteller ihre Produktion bereits mehrere Monate vor diesem Zeitpunkt umstellen, um nicht Bestände an Euro‑6‑Fahrzeugen zu produzieren, die nicht mehr zugelassen werden können. In der Regel dauert es über ein Jahr, bis ein gesamter Lagerbestand an Fahrzeugen genehmigt ist. Die Typgenehmigungen sollten daher ab Anfang 2024 beginnen, d. h. unmittelbar nach der Annahme der Euro-7-Verordnung und möglicherweise vor der Veröffentlichung entsprechender Durchführungsbestimmungen.

Der für schwerere Fahrzeuge angestrebte Zeitpunkt (Juli 2027) erscheint angemessener. Allerdings sollte berücksichtigt werden, wie viel Zeit die Entwicklung innovativer technischer Lösungen wie etwa eines elektrisch beheizten Katalysators in Anspruch nimmt, die zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte erforderlich sind. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass eine rasche Annahme der Verordnung und eine Mindestfrist (nach ihrer Annahme) von zwei Jahren für Pkw/leichte Nutzfahrzeuge und von drei Jahren für Busse/schwere Nutzfahrzeuge erforderlich sind, um die technische und wirtschaftliche Tragfähigkeit der vorgeschlagenen Verordnung zu gewährleisten.

5.2In Bezug auf leichte Nutzfahrzeuge ist in dem Verordnungsvorschlag vorgesehen, die unterschiedlichen, von ihrer Masse abhängigen Emissionsgrenzwerte für Nutzfahrzeuge durch einheitliche Werte zu ersetzen, die für alle Nutzfahrzeuge gelten, deren spezifisches Leistungs‑Masse-Verhältnis 35 kW/t nicht übersteigt. Diese Vereinfachungsbestrebungen sind zwar lobenswert, könnten jedoch die Tätigkeiten des Sektors der leichten Nutzfahrzeuge, und insbesondere jenen der umgerüsteten Fahrzeuge, erheblich beeinträchtigen, zumal für den Beginn der Anwendung der Verordnung auf leichte bzw. schwere Fahrzeuge jeweils ein anderer Zeitpunkt vorgesehen ist. In diesem Zusammenhang spricht sich der EWSA für Ausnahmeregelungen und eine flexible Anwendung aus, z. B. im Falle der Umrüstung eines leichten Nutzfahrzeugs der Klasse N1 (Masse unter 3 500 kg) auf einen Kleinbus der Klasse M2 (Masse unter 5 000 kg).

5.3Mit Blick auf die Digitalisierungsziele im Rahmen des Grünen Deals schlägt die Kommission vor, sowohl in leichten als auch in schweren Fahrzeugen künftig ein innovatives bordseitiges Überwachungssystem („On-Board Monitoring“, OBM) zu verbauen, über das die Schadstoffemissionen kontinuierlich fahrzeugseitig erfasst werden. Auf diese Weise sollen

-vom On-Board-Diagnosesystem (OBD-System) nicht erkannte Überschreitungen der Emissionsgrenzwerte festgestellt werden und

-die Emissionswerte zwecks Erleichterung der Marktüberwachung, der Überwachung der Übereinstimmung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge und der technischen Überwachung regelmäßig an Server übermittelt werden.

Zwar kann ein solches System tatsächlich zur Vereinfachung der Überwachungsprozesse beitragen, doch erfordert seine Konzipierung die rasche Ausarbeitung technischer Vorschriften, aus denen hervorgeht, welche Elemente benötigt werden (Sensoren, Software usw.). Allein diese Neuerung, die mit erheblichen Auswirkungen auf die Nutzer verbunden sein könnte, erfordert, dass für die Einführung eine Frist von drei Jahren ab Veröffentlichung der technischen Vorschriften eingeräumt wird.

5.4Die von der Kommission vorgeschlagenen Grenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge erscheinen nicht besonders streng, da sie grundsätzlich den harmonisierten niedrigsten Grenzwerten entsprechen, die die Euro-6-Verordnung für Benzin- und Dieselfahrzeuge vorsieht. Allerdings ist Folgendes festzustellen:

-in den Anhängen des Verordnungsvorschlags soll eine Neudefinierung der Bedingungen vorgenommen werden, mit denen derzeit gewährleistet wird, dass Prüfungen im praktischen Fahrbetrieb repräsentativ für die übliche Fahrzeugnutzung sind. Dadurch würden die Hersteller verpflichtet, Systeme für die Abgasnachbehandlung anzupassen;

-die Vereinheitlichung der Grenzwerte auf den günstigsten Wert führt zu stärkeren Einschränkungen für Benzin- (Verringerung des Kohlenstoffmonoxid-Grenzwerts für Benzin-Pkw um 50 %) und Dieselfahrzeuge (Verringerung des NOx-Grenzwerts für schwere Dieselnutzfahrzeuge um 40 %);

-der Vorschlag für eine Euro-7-Verordnung stützt sich auf Prüfungen im praktischen Fahrbetrieb und sieht – anders als die Euro-6-Verordnung – keinerlei Toleranz vor.

5.5Da aus den Reifen stammendes Mikroplastik zu den Hauptursachen der Meeresverschmutzung gehört und mangels eines Verfahrens auf UNO-Ebene noch keine Grenzwerte festgelegt wurden, ist es dringend erforderlich, so bald wie möglich ein solches Verfahren zu entwickeln.

5.6Die Kommission wirft die Frage auf, ob Normen für Ammoniakemissionen von Kraftfahrzeugen eingeführt werden sollen. Da auf den Verkehrssektor weniger als 1 % der europäischen Ammoniakemissionen entfällt, dürften die Kosten dieser Maßnahme in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Zudem wirft der EWSA die Frage auf, ob es sinnvoll ist, für Fahrzeuge ein System zur Begrenzung der Verdunstungsemissionen beim Betanken vorzuschreiben, obwohl bereits EU-weit an den Zapfsäulen eine Absaugvorrichtung eingeführt wurde.

5.7In Bezug auf schwere Nutzfahrzeuge hingegen weichen die von der Kommission vorgeschlagenen Grenzwerte deutlich von den in der Euro-6-Verordnung vorgesehenen Werten ab. So sollen die Grenzwerte für NOx-Emissionen und Partikelzahl um 80 % und der Kohlenstoffmonoxid-Grenzwert um bis zu 95 % verringert werden. Ferner schlägt die Kommission vor, die Grenzwerte für CH4 (Methan) und N2O (Distickstoffmonoxid) angesichts des damit verbundenen Treibhauseffekts separat zu regulieren, wobei für letzteren Schadstoff ein besonders niedriger Grenzwert vorgesehen ist. Es liegt auf der Hand, dass diese Veränderungen erhebliche Investitionen erfordern werden. Dies gilt es bei den künftigen Diskussionen über den CO2-Zielpfad schwerer Nutzfahrzeuge zu berücksichtigen. 1

Brüssel, den 27. April 2023

Oliver RÖPKE

Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

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(1)    COM(2023) 88 final.
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