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Document 52020DC0534

BERICHT DER KOMMISSION Belgien Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

COM/2020/534 final

Brüssel, den 20.5.2020

COM(2020) 534 final

BERICHT DER KOMMISSION

Belgien

Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union


BERICHT DER KOMMISSION

Belgien

Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

1.    Einführung

Am 20. März 2020 hat die Kommission eine Mitteilung über die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts angenommen. Die in Artikel 5 Absatz 1, Artikel 6 Absatz 3, Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 sowie in Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 enthaltene Klausel erleichtert die Koordinierung der Haushaltspolitik in Zeiten eines schweren Konjunkturabschwungs. In ihrer Mitteilung legte die Kommission dem Rat dar, dass die Bedingungen für die Aktivierung der Klausel angesichts des schweren Konjunkturabschwungs, der infolge des Ausbruchs von COVID-19 zu erwarten ist, ihrer Auffassung nach erfüllt seien. Am 23. März 2020 schlossen sich die Finanzminister der Mitgliedstaaten dieser Einschätzung der Kommission an. Die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel ermöglicht eine vorübergehende Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel unter der Voraussetzung, dass die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dadurch nicht gefährdet wird. Für Mitgliedstaaten, die der korrektiven Komponente unterliegen, kann der Rat auf Empfehlung der Kommission zudem einen überarbeiteten haushaltspolitischen Kurs festlegen. Die Verfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts werden durch die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel nicht ausgesetzt. Die Klausel gestattet es den Mitgliedstaaten, von den normalerweise geltenden Haushaltsvorgaben abzuweichen, ermöglicht der Kommission und dem Rat aber zugleich die erforderlichen Koordinierungsmaßnahmen im Rahmen des Pakts.

Nach den von den belgischen Behörden am 31. März 2020 gemeldeten und anschließend von Eurostat 1 validierten Daten belief sich das gesamtstaatliche Defizit Belgiens 2019 auf 1,9 % des BIP, während der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand 98,6 % des BIP betrug. Dem Stabilitätsprogramm 2020 zufolge plant Belgien für 2020 ein Defizit von 7,5 % des BIP, während die Schuldenquote bei voraussichtlich 115 % des BIP liegen soll.

Angesichts des für 2020 geplanten Defizits ist davon auszugehen, dass allem Anschein nach ein übermäßiges Defizit im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts besteht.

Darüber hinaus deuten die Daten für 2019 auf unzureichende Fortschritte bei der Erreichung des Richtwerts für den Schuldenabbau hin, was allem Anschein nach ebenfalls belegt, dass ein übermäßiges Defizit im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts besteht.

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission daher diesen Bericht erstellt, in dem untersucht wird, ob Belgien die Defizit- und Schuldenstandskriterien des Vertrags erfüllt. Darin wird allen einschlägigen Faktoren Rechnung getragen und der durch die COVID-19-Pandemie verursachte schwere wirtschaftliche Schock gebührend berücksichtigt.

Tabelle 1. Defizit und Schuldenstand des Gesamtstaats (% des BIP)

2016

2017

2018

2019

2020

KOM

2021

KOM

Defizitkriterium

Gesamtstaatlicher Haushaltssaldo

-2,4

-0,7

-0,8

-1,9

-8,9

-4,2

Schuldenstandskriterium

Gesamtstaatlicher Bruttoschuldenstand

104,9

101,7

99,8

98,6

113,8

110,0

Abstand zum Richtwert für den Schuldenabbau

0,4

0,2

0,7

5,7

1,8

Quelle: Eurostat, Frühjahrsprognose 2020 der Kommission.

2.Defizitkriterium

Laut Stabilitätsprogramm 2020 wird das gesamtstaatliche Defizit von Belgien für 2020 voraussichtlich 7,5 % des BIP betragen, was über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP und nicht in dessen Nähe liegt.

Die geplante Überschreitung des Referenzwerts entsteht im Jahr 2020 ausnahmsweise, da sie auf einen schwerwiegenden Wirtschaftsabschwung zurückzuführen ist. Insbesondere sollen die automatischen Stabilisatoren 5 BIP-Prozentpunkte zum geplanten Defizit beitragen, während sich die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beschlossenen Maßnahmen auf 1,2 % des BIP belaufen. Mit Blick auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geht die Kommission in ihrer Frühjahrsprognose 2020 von einem Rückgang des realen BIP um 7,2 % im Jahr 2020 aus.

Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2020 der Kommission, der zufolge das Defizit im Jahr 2021 weiterhin über 3 % des BIP liegen wird, würde der im Vertrag vorgesehene Referenzwert nicht nur vorübergehend überschritten.

Im Ergebnis liegt das für 2020 geplante Defizit über dem im Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 3 % des BIP und nicht in dessen Nähe. Die geplante Überschreitung des Referenzwerts wird als Ausnahme aber nicht als vorübergehend im Sinne des Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts betrachtet. Die Analyse legt damit nahe, dass das Defizitkriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 allem Anschein nach nicht erfüllt ist.

3.Schuldenstandskriterium

Die gesamtstaatliche Schuldenquote ging von 99,8 % im Jahr 2018 auf 98,6 % im Jahr 2019 zurück. Die schuldenquotenmindernde Wirkung, die auf einen geringfügigen Primärüberschuss, schuldenquotenmindernde Bestandsanpassungen, ein reales BIP-Wachstum und einen Preisanstieg (Inflationseffekt) zurückzuführen ist, wurde zum Teil durch die – wenn auch rückläufigen – Zinsausgaben aufgewogen.

Den übermittelten Daten zufolge hat Belgien 2019 den Richtwert für den Schuldenabbau mit einem Abstand von 0,7 % des BIP verfehlt (siehe Tabelle 1).

Die Analyse lässt somit darauf schließen, dass ausgehend von den Ist-Daten für 2019 das Schuldenstandskriterium allem Anschein nach nicht erfüllt ist.

4.    Einschlägige Faktoren

Nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags erstellt die Kommission einen Bericht, falls ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien erfüllt. In diesem Bericht wird auch „berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats“.

Diese Faktoren werden in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 näher erläutert. Zudem heißt es darin, dass „allen sonstigen Faktoren gebührende … Beachtung [zu schenken ist], die aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaats von Bedeutung sind, um die Einhaltung der Defizit- und Schuldenkriterien in umfassender Weise zu beurteilen, und die der Mitgliedstaat dem Rat und der Kommission vorgelegt hat.“

Bei einer offensichtlichen Nichteinhaltung des Schuldenstandskriteriums ist eine Analyse der einschlägigen Faktoren in besonderem Maße angezeigt, da die Schuldendynamik stärker als das Defizit durch Faktoren beeinflusst wird, die sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaates entziehen. Dies wird in Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates anerkannt, wonach bei der Bewertung der Einhaltung des Schuldenstandskriteriums die einschlägigen Faktoren ungeachtet des Umfangs der Nichteinhaltung zu berücksichtigen sind. Aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Dynamik und die Tragfähigkeit der Verschuldung sind bei der Bewertung der Einhaltung des Schuldenstandskriteriums zumindest die folgenden drei zentralen Faktoren zu berücksichtigen: i) die Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels oder des Anpassungspfads in Richtung auf dieses Ziel, ii) die Durchführung von Strukturreformen und iii) die vorherrschenden wirtschaftlichen Bedingungen.

Was die Einhaltung des Defizitkriteriums im Jahr 2020 anbelangt, so können nach Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 die einschlägigen Faktoren in den Verfahrensschritten, die zur Feststellung eines übermäßigen Defizits auf der Grundlage des Defizitkriteriums bei Belgien führen, jedoch nicht berücksichtigt werden, da die gesamtstaatliche Schuldenquote den Referenzwert von 60 % des BIP überschreitet und die doppelte Bedingung, dass das Defizit in der Nähe des Referenzwerts bleibt und der Referenzwert nur vorübergehend überschritten wird, nicht erfüllt ist.

Angesichts der gegenwärtigen Situation sollten für das Jahr 2020 die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie als wichtiger zusätzlicher Faktor berücksichtigt werden, da die Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die Haushaltslage hat und zu äußerst ungewissen Aussichten führt. Zudem hat sie zur Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel geführt.

4.1        Die COVID-19-Pandemie

Die COVID-19-Pandemie hat einen schweren wirtschaftlichen Schock verursacht, dessen Folgen überall in der Europäischen Union stark spürbar sind. Die Folgen für das BIP-Wachstum werden von der Dauer sowohl der Pandemie als auch der Maßnahmen abhängen, die von den nationalen Behörden sowie auf europäischer und globaler Ebene ergriffen werden, um die Ausbreitung der Pandemie zu verlangsamen, die Produktionskapazitäten zu bewahren und die Gesamtnachfrage zu stützen. Die Mitgliedstaaten haben bereits Haushaltsmaßnahmen beschlossen oder auf den Weg gebracht, um die Kapazitäten ihrer Gesundheitssysteme auszubauen und die am stärksten betroffenen Menschen und Wirtschaftszweige zu entlasten. Ferner wurden umfangreiche Liquiditätsstützungsmaßnahmen und sonstige Garantien beschlossen. Vorbehaltlich detaillierterer Informationen prüfen die zuständigen Statistikbehörden, ob diese Maßnahmen unmittelbare Auswirkungen auf den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo haben werden. In Kombination mit dem Einbruch der Wirtschaftstätigkeit werden diese Maßnahmen zu erheblich höheren gesamtstaatlichen Defiziten und Schuldenständen beitragen.

4.2    Mittelfristige Wirtschaftsentwicklung einschließlich Strukturreformen

Seit 2016 ist das reale BIP-Wachstum durch dynamische Investitionen und den privaten Verbrauch über das Wachstumspotenzial hinaus gestiegen, während der Beitrag der Nettoausfuhren verhalten blieb. Das nominale Wachstum erholte sich 2017 und ging 2018 und 2019 aufgrund der Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit und eines niedrigeren BIP-Deflators etwas zurück. Daher können die makroökonomischen Bedingungen nicht als mildernder Faktor dafür herangezogen werden, dass Belgien 2019 keine ausreichenden Fortschritte im Hinblick auf die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau erzielt hat.

Die Wirtschaftstätigkeit dürfte durch den COVID-19-Ausbruch und die damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen stark beeinträchtigt werden. In ihrer Frühjahrsprognose 2020 geht die Kommission aufgrund eines rückläufigen privaten Verbrauchs und abnehmender Investitionen von einem Rückgang des BIP um 7,2 % im Jahr 2020 aus, während der Nettobeitrag des Handels zum Wachstum angesichts des Einbruchs des Handelsvolumens negativ bleiben dürfte. Die makroökonomischen Aussichten sind mit außergewöhnlich hoher Unsicherheit hinsichtlich der Dauer der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen behaftet. Dies ist ein mildernder Faktor bei der Bewertung der Einhaltung des Defizitkriteriums durch Belgien im Jahr 2020.

In ihrem Länderbericht 2020 2 stellt die Kommission fest‚ dass Belgien den länderspezifischen Empfehlungen von 2019 nur in begrenztem Umfang nachgekommen ist, was zum Teil auf das Fehlen einer Regierung mit uneingeschränkten Befugnissen auf föderaler Ebene zurückzuführen ist. Belgien hat zwar bei der Förderung von Investitionen in eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur einige Fortschritte erzielt, keine jedoch bei der Koordinierung der Haushaltspolitik auf allen Regierungsebenen. Im Jahr 2019 setzte die föderale Übergangsregierung Belgiens die Umsetzung zuvor erlassener Maßnahmen fort, insbesondere ihrer Körperschaftsteuerreform, der „Steuerabwälzung“, der Rentenreform und der Arbeitsmarktreform („Jobs Deal“).

4.3        Mittelfristige Entwicklung der Haushaltslage einschließlich öffentlicher Investitionen

Das Gesamtdefizit erhöhte sich von 0,8 % des BIP im Jahr 2018 auf 1,9 % im Jahr 2019, was insbesondere auf einen deutlichen Rückgang der laufenden Einkommen- und Vermögensteuern zurückzuführen ist. Im Einzelnen gingen die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer nach einem vorübergehenden Anstieg in den Jahren 2017 und 2018 aufgrund einer Änderung des Zeitpunkts der Steuererhebung zurück. Die öffentlichen Investitionen blieben in beiden Jahren stabil bei rund 2,6 % des BIP und lagen somit über dem gesamtstaatlichen Defizit.

Am 9. Juli 2019 wurde Belgien empfohlen, sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Primärausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger sowie einmaliger Maßnahmen im Jahr 2019 2,8 % nicht überschreitet (im Folgenden „Ausgabenrichtwert“), was unter Berücksichtigung der Strukturreformklausel einer strukturellen Anpassung von 0,1 % des BIP entspricht. 3 Ausgehend von Ist-Daten und der Prognose der Kommission überschritt der Ausgabenanstieg den Richtwert mit einer Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel von 0,7 % des BIP im Jahr 2019‚ was auf eine erhebliche Abweichung hindeutet. Der strukturelle Saldo verschlechterte sich 2019 um 0,6 BIP-Prozentpunkte, was ebenfalls auf eine erhebliche Abweichung um 0,7 % des BIP schließen lässt. Eine ähnliche Bewertung ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung der Jahre 2018 und 2019. Die Nichteinhaltung der Anforderungen der präventiven Komponente ist ein erschwerender Faktor bei der Bewertung des von Belgien im Jahr 2019 allen Anschein nach nicht eingehaltenen Schuldenstandskriteriums.

Das Stabilitätsprogramm enthält Angaben zu wesentlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und zur Unterstützung der Wirtschaft. Die Auswirkungen dieser direkten Unterstützungsmaßnahmen auf den Haushalt werden sich demnach 2020 auf schätzungsweise 2,3 % des BIP belaufen. Die mittelfristigen Haushaltsaussichten sind nach wie vor mit großer Unsicherheit behaftet.

4.4    Mittelfristige Entwicklung der Schuldenstandsquote

Der gesamtstaatliche Schuldenstand ging zwischen 2016 und 2018 kontinuierlich von 104,9 % auf 99,8 % des BIP zurück, was durch steigende Primärüberschüsse und sinkende Zinszahlungen bedingt ist. Im Jahr 2019 sank die Schuldenquote weiter auf 98,6 %, was die schuldenquotenmindernde Wirkung widerspiegelt, die sich aus einem geringfügigen Primärüberschuss, Bestandsanpassungen nach unten und einem nach unten wirkenden Schneeballeffekt von 0,9 % des BIP infolge des realen BIP-Wachstums und des Preisanstiegs (Inflationseffekt) ergibt. Dies wurde zum Teil durch – wenn auch rückläufige – Zinsausgaben aufgewogen.

Die Kommission erwartet in ihrer Frühjahrsprognose 2020 einen Anstieg des gesamtstaatlichen Schuldenstands von 98,6 % des BIP im Jahr 2019 auf 113,8 % des BIP im Jahr 2020.

Abbildung 1: Gesamtstaatliche Schuldenquote, Belgien, in % des BIP

Quelle: Kommissionsdienststellen.

Die Schuldentragfähigkeitsanalyse wurde mit der Frühjahrsprognose 2020 der Kommission aktualisiert. Insgesamt ergibt sich aus der Bewertung der Schuldentragfähigkeit, dass der Schuldenstand trotz der Risiken auch aufgrund wichtiger erleichternder Faktoren (einschließlich des Schuldenprofils und der historisch niedrigen Zinssätze) mittelfristig tragfähig bleibt. Während sich der Schuldenstand infolge der COVID-19-Krise verschlechtert, dürfte sich insbesondere die Schuldenquote im Basisszenario mittelfristig 4 auf einem nachhaltigen (rückläufigen) Pfad befinden.

4.5    Sonstige Faktoren, die aus Sicht des Mitgliedstaats von Bedeutung sind

Am 11. Mai 2020 übermittelten die belgischen Behörden ein Schreiben, in dem sie einschlägige Faktoren im Sinne des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 anführten. Den wichtigsten davon wurden bei der Analyse in den vorstehenden Abschnitten bereits weitgehend Rechnung getragen. Ein weiterer Faktor, der oben noch nicht erwähnt wurde, ist der begrenzte Spielraum der Übergangsregierung, defizitsenkende Maßnahmen auf föderaler Ebene zu ergreifen.

5.    Schlussfolgerungen

Laut Stabilitätsprogramm wird sich das gesamtstaatliche Defizit Belgiens 2020 auf 7,5 % des BIP erhöhen und damit über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP und nicht in dessen Nähe liegen. Die geplante Überschreitung des Referenzwerts wird als Ausnahme, jedoch nicht als vorübergehend angesehen.

Der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand lag mit 98,6 % des BIP Ende 2019 über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 60 % des BIP. Belgien hat im Jahr 2019 den Richtwert für den Schuldenabbau nicht eingehalten.

Gemäß dem Vertrag und dem Stabilitäts- und Wachstumspakt wurden in diesem Bericht auch einschlägige Faktoren geprüft. Was die Einhaltung des Defizitkriteriums im Jahr 2020 anbelangt, so können nach Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 die einschlägigen Faktoren in den Verfahrensschritten, die zur Feststellung eines übermäßigen Defizits auf der Grundlage des Defizitkriteriums bei Belgien führen, jedoch nicht berücksichtigt werden, da die gesamtstaatliche Schuldenquote den Referenzwert von 60 % des BIP überschreitet und die doppelte Bedingung, dass das Defizit in der Nähe des Referenzwerts bleibt und der Referenzwert nur vorübergehend überschritten wird, nicht erfüllt ist.

In Bezug auf die Einhaltung des Schuldenstandskriteriums im Jahr 2019 führen die einschlägigen Faktoren, insbesondere i) die beobachteten makroökonomischen Bedingungen, ii) die Umsetzung wachstumsfördernder Strukturreformen in den letzten Jahren und iii) die erhebliche Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel, zu dem Schluss, dass das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 nicht erfüllt wird.

Insgesamt legt die Analyse nahe, dass das Defizit- und das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 nicht erfüllt sind.

(1)   https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10294648/2-22042020-AP-EN.pdf/6c8f0ef4-6221-1094-fef7-a07764b0369f
(2) Siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2020) 500 final vom 26.2.2020 „Country Report Belgium 2020. Including an In-Depth Review on the prevention and correction of macroeconomic imbalances“ (Länderbericht Belgien 2020 mit eingehender Überprüfung der Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte).
(3)  Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Belgiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Belgiens 2019 (ABl. C 301 vom 5.9.2019, S. 1).
(4) Das Basisszenario beruht auf der Frühjahrsprognose 2020 der Kommission. Für die Zeit nach 2021 wird von einer schrittweisen Anpassung der Haushaltspolitik ausgegangen, die mit den wirtschafts- und haushaltspolitischen Koordinierungs- und Überwachungsrahmen der EU in Einklang steht. Das reale BIP-Wachstum wird nach der sogenannten T+10-Methode des Ausschusses für Wirtschaftspolitik/Arbeitsgruppe „Produktionslücken“ (EPC/OGWG T+10 methodology) projiziert. Insbesondere wird das (reale) tatsächliche BIP-Wachstum durch sein Potenzialwachstum angetrieben und von etwaigen zusätzlich in Betracht gezogenen Haushaltsanpassungen (durch den Fiskalmultiplikator) beeinflusst. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Inflation allmählich der Marke von 2 % nähert. Die Annahmen für Zinssätze werden im Einklang mit den Erwartungen der Finanzmärkte festgesetzt. Beim adversen Szenario wird von (um 500 Basispunkte) höheren Zinssätzen und einem (um -0,5 Prozentpunkte) geringeren BIP-Wachstum im Vergleich zum Basisszenario ausgegangen (während des gesamten Prognosezeitraums).
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