EUROPÄISCHE KOMMISSION
Straßburg, den 19.10.2021
COM(2021) 645 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Arbeitsprogramm der Kommission für 2022
Europa gemeinsam stärker machen
1.Europa gemeinsam stärker machen
„Ich bin mir sicher: Erst wenn man getestet wird, zeigen sich Geist und Seele wahrhaftig.“ – Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, Rede zur Lage der Union, 15. September 2021
Unsere Union hat eine Zeit beispielloser Krisen hinter sich. Inmitten einer Vielzahl weltumspannender destabilisierender Ereignisse haben wir gezeigt, dass wir gemeinsam, geeint und mit großem Ehrgeiz die größten Herausforderungen bewältigen und für die europäischen Bürgerinnen und Bürger Ergebnisse erbringen können.
Die Europäische Kommission hat auf alle Herausforderungen prompt reagiert: Sie hat der COVID-19-Pandemie Einhalt geboten, ist gegen die Auswirkungen der Klima- und Umweltkrise vorgegangen, sorgt dafür, dass die Menschen mit der zunehmend digitalen Welt gut zurechtkommen, und stellt sich der neuen geopolitischen Realität. Damit haben wir nicht nur die notwendigen Bausteine für eine bessere Zukunft geschaffen, sondern auch im Sinne unserer ehrgeizigen Transformationsagenda für die sechs übergreifenden Ziele gehandelt.
Mit dem diesjährigen Arbeitsprogramm wollen wir diese Dynamik aufrechterhalten und den Prozess weiter voranbringen. Besondere Aufmerksamkeit wollen wir dabei der jungen Generation schenken – daher der Vorschlag für das Europäische Jahr der Jugend 2022.
Im vergangenen Jahr stellte die Kommission ihr Pionierpaket „Fit for 55“ vor, das dafür sorgen soll, dass wir die in unserem wegweisenden Klimagesetz vereinbarten Ziele auf wirtschaftlich nachhaltige und sozial gerechte Weise erreichen. Der jüngste Erderwärmungsbericht des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC) liefert weitere Belege dafür, dass die Zeit drängt: Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise sind eng miteinander verknüpft und die bevorstehende COP26 in Glasgow und die COP15 in Kunming werden entscheidende Etappen für unsere Arbeit sein. Auch die jüngsten Energiepreissteigerungen führen uns vor Augen, dass wir auf saubere Energie umstellen müssen und die EU ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren muss.
Darüber hinaus haben wir unsere ehrgeizige Vision für ein auf den Menschen ausgerichtetes, digital fittes Europa bis 2030 dargelegt und einen „Digitalen Kompass“ konzipiert, um dieses Ziel Wirklichkeit werden zu lassen. Dazu gehört auch der Vorschlag über Vorschriften für ein sicheres und geschütztes Internet und eine gemeinsame digitale Identität in Europa. Wir haben den Aktionsplan für die europäische Säule sozialer Rechte angenommen und eine Reihe sozialer Ziele für 2030 vorgeschlagen, die von den Staats- und Regierungschefs der EU auf dem Sozialgipfel in Porto gebilligt wurden. Um die Gleichstellung innerhalb der Europäischen Union weiter zu verbessern, haben wir Maßnahmen vorgeschlagen, in deren Rahmen Rassismus und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung vehementer bekämpft werden sollen, und uns noch stärker dafür eingesetzt, dass Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen uneingeschränkt an der Gesellschaft teilhaben können. Ferner haben wir entschlossen gehandelt, um gemäß unserem Aktionsplan für Demokratie in Europe die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und zu stärken, die Grundwerte unserer Union zu schützen und die Widerstandsfähigkeit der Demokratie auszubauen.
All dies war überschattet von der Pandemie, die Maßnahmen in beispiellosem Ausmaß erforderte, um einerseits die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und andererseits die weitreichenden sozioökonomischen Auswirkungen im Zaum zu halten. Insgesamt hat die Kommission über 2 326 Sofortmaßnahmen ergriffen. Unsere erfolgreiche Impfstrategie hat es der Union ermöglicht, 4,6 Milliarden COVID-19-Impfstoffdosen zu sichern und das anvisierte Impfziel – 70 % der erwachsenen Bevölkerung der EU mit vollständigem Impfschutz am Ende des Sommers – zu erreichen. Die EU war zudem die treibende Kraft bei der globalen Reaktion auf COVID-19 und ist eine Hauptgeberin im Rahmen der COVAX-Fazilität.
Um sicherzustellen, dass wir besser auf künftige Pandemien vorbereitet sind, haben wir die Bemühungen zur Errichtung einer echten Europäischen Gesundheitsunion beschleunigt. Wir haben Maßnahmen ergriffen, um die sichere Wiedereröffnung Europas zu unterstützen, darunter die Schaffung des digitalen COVID-Zertifikats der EU, das in Rekordzeit angenommen wurde und jetzt von Millionen Menschen genutzt wird.
Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten haben wir eine Reihe ehrgeiziger und weitreichender Programme und Instrumente aufgelegt, um den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu begegnen. Mit dem langfristigen Haushalt der Union und dem Instrument NextGenerationEU verfügen wir über eine große finanzielle Schlagkraft in Höhe von 2 018 Mrd. EUR, um unsere Wirtschaft anzukurbeln und nach Überwindung der COVID-19-Krise ein grüneres, gerechteres, digital besser aufgestelltes und resilienteres Europa aufzubauen. Die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der befristete Rahmen für staatliche Beihilfen ermöglichten es den Mitgliedstaaten, die Wirtschaft im Umfang von ungefähr 6,6 % des BIP im Jahr 2020 und 7,1 % des BIP im Jahr 2021 zu stützen. Dies hat zur Wahrung der Stabilität beigetragen und eine kräftige wirtschaftliche Erholung ermöglicht. Wir werden sicherstellen, dass der Unionshaushalt im Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und unter uneingeschränkter Wahrung der finanziellen Interessen der EU ausgeführt werden muss. Ferner haben wir bislang 21 Mrd. EUR an kohäsionspolitischen Mitteln mobilisiert, um Soforthilfe für den Gesundheitssektor bereitzustellen und Arbeitsplätze zu schützen, und im Rahmen von REACT-EU 50 Mrd. EUR als Überbrückung im Hinblick auf die Aufbauinstrumente bereitgestellt.
Unser Engagement für den Aufschwung in Europa zahlt sich bereits aus. Die Aufbau- und Resilienzfazilität, die im Mittelpunkt des mit über 800 Mrd. EUR dotierten Instruments NextGenerationEU steht, eröffnet die Chance, den Weg für eine nachhaltige und inklusive Erholung zu ebnen. Die transformative Wirkung der Fazilität wird sich in den kommenden Jahren, wenn die Reformen und Investitionen unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und -werte der EU durchgeführt werden, noch ausweiten und verstärken.
Eine der zahlreichen Lehren, die wir aus den vergangenen anderthalb Jahren ziehen konnten, ist, dass es nicht ausreicht, wenn wir uns von einer Krise dieser Größenordnung lediglich erholen. Vielmehr müssen wir stärker und resilienter werden und unsere Volkswirtschaften in Richtung eines nachhaltigen Wachstums lenken. Die Maßnahmen, die wir im vergangenen Jahr vereinbart haben, müssen wir jetzt umsetzen. Wenn wir den ökologischen und digitalen Wandel erfolgreich vollziehen wollen, müssen wir in den kommenden Jahren zusätzliche öffentliche und private Investitionen in der gesamten Union sowie Reformen fördern.
Die Kommission ist ihrer Verpflichtung nachgekommen, die weltweite Führungsrolle der Union in Bereichen wie der Pandemiebewältigung, dem Schutz von Klima und biologischer Vielfalt, der Förderung einer starken, offenen und fairen Handelspolitik und der Wahrung einer auf Regeln basierenden internationalen Ordnung zu stärken. Wir haben das Engagement der EU im westlichen Balkan intensiviert, im Rahmen der Partnerschaften mit unseren östlichen und südlichen Nachbarn ehrgeizige Wirtschafts- und Investitionspläne entworfen und unsere Partnerschaft mit Afrika ausgebaut.
Ferner haben wir eine neue EU-US-Agenda für den globalen Wandel festgelegt, weiterhin eine differenzierte, solide Politik gegenüber China verfolgt, unseren Ansatz gegenüber Russland konsolidiert, eine konstruktive und realistische Agenda mit der Türkei ausgearbeitet und Strategien vorgelegt, um die multilaterale Zusammenarbeit und die humanitäre Zusammenarbeit noch effektiver zu machen.
Das Arbeitsprogramm für 2022, das wir heute vorlegen, steht unter diesem Vorzeichen. Es ist Ausdruck unserer Entschlossenheit, gestärkt aus der Pandemie hervorzugehen und im Einklang mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und dem Übereinkommen von Paris den grünen und digitalen Wandel zu beschleunigen und eine gerechtere, resilientere und kohäsivere Gesellschaft zu schaffen. Wir fordern das Europäische Parlament und den Rat auf, rasch eine Einigung über die zentralen Legislativvorschläge zu erzielen. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Interessenträger die Vorteile unserer vereinten Anstrengungen nutzen können. Parallel dazu werden wir die unseren Zusagen entsprechenden Vorschläge wie in den folgenden Abschnitten und Anhängen dieses Arbeitsprogramms dargelegt vorlegen.
2.Umsetzung der sechs übergreifenden Ziele
2.1.Europäischer Grüner Deal
Die Kommission wird weiter daran arbeiten, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen. Wir werden einen Rechtsrahmen für die Zertifizierung der CO2-Entfernung vorschlagen, um die nachhaltige Entfernung von CO2 zu fördern und ein neues Geschäftsmodell zu schaffen, das solche Praktiken für Landbewirtschafter lohnend macht. Um den Übergang zu emissionsfreier Mobilität zu unterstützen, werden wir die CO2-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge überprüfen und einen Rechtsrahmen für die harmonisierte Messung der im Bereich Verkehr und Logistik entstehenden Treibhausgasemissionen schaffen. Außerdem werden wir die EU-Vorschriften über fluorierte Treibhausgase überprüfen, um deren Emission weiter zu verringern und die Einhaltung internationaler Verpflichtungen sicherzustellen.
Grüne Anleihen werden im Rahmen des Investitionsplans für ein zukunftsfähiges Europa eine immer wichtigere Rolle bei der Finanzierung spielen, die für die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft benötigt wird.
Wir werden den Null-Schadstoff-Aktionsplan voranbringen – auch im Bereich der integrierten Bewirtschaftung der Wasserressourcen –, um gegen Schadstoffe in Oberflächengewässern und im Grundwasser vorzugehen, die Luftqualität zu verbessern und unsere Normen an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation anzupassen. Darüber hinaus werden wir Maßnahmen vorschlagen, um die Verwendung von Mikroplastik in Produkten einzuschränken und dessen Freisetzung in die Umwelt zu verringern. Wir werden uns mit der Nachhaltigkeit biologisch abbaubarer und kompostierbarer Kunststoffe befassen und ermitteln, wo sie für die Umwelt von Nutzen sein könnten. Um die menschliche Gesundheit und die Natur besser zu schützen, werden wir zudem die Rechtsvorschriften über Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung überarbeiten und uns weiter für eine gezielte Überarbeitung der REACH-Verordnung einsetzen.
Zusätzlich zu unseren Initiativen im Bereich der nachhaltigen Produktpolitik werden wir das Recht der Verbraucher stärken, Produkte zu fairen Preisen reparieren zu lassen. Dadurch kann die Nutzungsdauer von Gütern verlängert werden, was die Ziele der Kreislaufwirtschaft unterstützt.
Die Umstellung auf saubere Energie ist die beste Absicherung gegen Preisschocks wie wir sie in der Union derzeit erleben. Die hohen Energiepreise haben noch deutlicher gemacht, dass der Einsatz erneuerbarer Energien beschleunigt werden muss. Zur Unterstützung der im Juli 2021 festgelegten Zielvorgaben für erneuerbare Energien wird die Kommission bewährte Verfahren für die Erteilung von Genehmigungen in diesem Bereich ermitteln und eine Mitteilung über Solarenergie veröffentlichen, in der auf spezifische Anwendungen und bestehende Hindernisse eingegangen wird.
Wir werden Ressourcen mobilisieren, um sicherzustellen, dass der ökologische Wandel sozial und international fair und gerecht vollzogen wird: Neben dem Fonds für einen gerechten Übergang und dem vorgeschlagenen Klima-Sozialfonds im Zusammenhang mit der Ausweitung des Emissionshandels auf den Verkehr und den Wohnungsbau werden wir die externen Finanzierungen für biologische Vielfalt verdoppeln und in weniger entwickelten Ländern und Ländern, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, erheblich zur Finanzierung des Klimaschutzes beitragen.
Wir werden uns weiterhin für eine umweltfreundlichere und nachhaltigere Landwirtschaft einsetzen und die Maßnahmen der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ umsetzen. Im Jahr 2022 wird die Kommission mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um ehrgeizige nationale Strategiepläne zu vereinbaren, mit denen die Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik und des Grünen Deals erreicht werden, und sie wird unter anderem neue Vorschriften für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden vorschlagen, um das in der EU-Biodiversitätsstrategie und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ erklärte Ziel einer Verringerung um 50 % zu erreichen, und die Vermarktungsnormen überarbeiten. Parallel dazu wird die Kommission sich für den Übergang zu nachhaltigen landwirtschaftlichen Methoden einsetzen, indem sie die klimaeffiziente Landwirtschaft fördert, die nachhaltige Nutzung von landwirtschaftliche Flächen und die nachhaltige Fisch- und Meerestierzucht neu definiert und die Überwachung der Nachhaltigkeitsindikatoren auf Ebene der Betriebe verbessert.
2.2.Ein Europa für das digitale Zeitalter
Die Pandemie wirkte als Katalysator für die Digitalisierung in Europa und der Welt. Die Kommission wird ihren Weg in die digitale Dekade weiterverfolgen, damit der digitale Wandel in der EU bis 2030 vollzogen wird. Wir sind entschlossen, im weltweiten Wettlauf um vertrauenswürdige, sichere und auf den Menschen ausgerichtete Technologien eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Und wir werden uns dafür einsetzen, eine Einigung über unsere Vorschläge für ein sicheres und geschütztes Internet, eine europäische digitale Identität und eine vertrauenswürdige künstliche Intelligenz zu erzielen und diese umzusetzen.
Der Binnenmarkt bleibt das Kernstück einer innovativen, florierenden und zukunftsorientierten europäischen Wirtschaft. Eine stabile Erholung sowie der grüne und der digitale Wandel erfordern eine starke und wirksame Wettbewerbspolitik und eine ebensolche Durchsetzung. Daher hat die Kommission eine Überprüfung der wettbewerbspolitischen Strategien eingeleitet, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Instrumente ihren Zweck erfüllen. Wir werden zudem ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt vorschlagen, um künftige Störungen zu verhindern.
Trotz der zahlreichen Herausforderungen und Störungen hat Europa die Krise zu einem großen Teil dank seiner Innovationsfähigkeit, seiner starken industriellen Basis und seiner diversifizierten und wettbewerbsfähigen Lieferketten überwunden. In einigen wenigen strategischen Sektoren war es jedoch aufgrund seiner hohen Abhängigkeit von einer sehr begrenzten Zahl von Lieferanten aus Drittländern anfällig, insbesondere in Bezug auf Rohstoffe. Besonders offenkundig war dies bei Halbleitern. Die Lieferung dieser in Europas digitalen Lösungen verwendeten Chips ist für die europäische Industrie zu einem ernsten Problem geworden und hat die Produktion teilweise verlangsamt. Vor diesem Hintergrund werden wir ein europäisches Computerchip-Gesetz vorlegen, um ein hochmodernes europäisches Chip-Ökosystem zu fördern, das unsere Innovationsfähigkeit und Versorgungssicherheit stärkt und neue Märkte für bahnbrechende europäische Technologien eröffnet.
Da sich sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft immer stärker auf digitale Lösungen stützen, müssen wir dafür sorgen, dass wir uns in einer Welt, die zunehmend für Hackerangriffe auf vernetzte Produkte und damit verbundene Dienstleistungen anfällig ist, verteidigen können. Zu diesem Zweck werden wir ein europäisches Gesetz über Cyberresilienz vorschlagen, das gemeinsame Cybersicherheitsnormen für Produkte festlegt. Wir werden auch die Errichtung eines sicheren weltraumgestützten globalen EU-Kommunikationssystems in Angriff nehmen, das den Mitgliedstaaten überall dort, wo diese derzeit noch fehlte, eine Breitbandanbindung bietet und ihnen eine sichere und unabhängige Kommunikation ermöglicht.
Da der Energiesektor den größten Beitrag zur Verwirklichung des Klimaziels der EU – Senkung der Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent – leisten wird, wird die Kommission einen Aktionsplan für einen beschleunigten digitalen Wandel dieses Sektors vorschlagen, der den Übergang zu erneuerbaren Energien und zu einer vernetzten Mobilität, intelligenten Gebäuden und einem stärker integrierten Energiesystem, bei denen die Verbraucher im Mittelpunkt stehen, ermöglichen soll. Die umfassenden Energieversorgungsstörungen in den Vereinigten Staaten und in der EU im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass eine resiliente und cybersichere Energieversorgung vonnöten ist.
Damit die europäischen Bürgerinnen und Bürger die digitale Technologie in vollem Umfang nutzen können, müssen ihre digitalen Kompetenzen durch entsprechende Bildungsangebote gestärkt werden. Dies wurde deutlich, als Fernunterricht während der COVID-19-Pandemie zur Regel wurde, und ist im digitalen Kompass als zentrales Ziel aufgeführt. Um die Kompetenz- und Wissenslücken zu schließen, werden wir Maßnahmen vorschlagen, in deren Rahmen digitale Kompetenzen in Schulen und Hochschulen gefördert und entwickelt werden.
Forschung und Innovation werden bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen eine bedeutende Rolle spielen. Sie werden dazu beitragen, dass die Erholung in Europa auf der Grundlage eines Wirtschaftswachstums erfolgt, das gleichzeitig den ökologischen und den digitalen Wandel voranbringt. Dies wird für ein gerechtes Wirtschaftswachstum, das allen Menschen und Regionen, einschließlich der ländlichen Gebiete, zugutekommt, von entscheidender Bedeutung sein. Wir müssen sicherstellen, dass Europa in der Wissenschaft weiterhin eine Spitzenposition einnimmt und bei neuen Innovationswellen Vorreiter bleibt.
Digitale Lösungen können auch zu einer stärker integrierten und nachhaltigen Mobilität beitragen. Wir werden eine Initiative zu multimodalen digitalen Mobilitätsdiensten vorschlagen, um Marktlücken beim kombinierten Verkehr, einschließlich der Bahn, zu schließen.
2.3.Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen
Nun, da sich die Wirtschaftstätigkeit wieder dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau annähert, muss analysiert werden, wie sich die Krise auf unsere Wirtschaft ausgewirkt hat. Aus diesem Grund belebt die Kommission derzeit die öffentliche Debatte über Fiskalregeln und den Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung neu und wird dabei alle geäußerten Ansichten berücksichtigen. Sie wird im ersten Quartal 2022 Leitlinien für die Fiskalpolitik in der nahen Zukunft vorlegen, um die Koordinierung der fiskalpolitischen Maßnahmen und die Ausarbeitung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten zu erleichtern. Die Leitlinien werden der globalen Wirtschaftslage, den spezifischen Umständen der einzelnen Mitgliedstaaten sowie der Debatte über den Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung Rechnung tragen. Mit dem Ziel, rechtzeitig bis 2023 einen breiten Konsens über das weitere Vorgehen zu erreichen, wird die Kommission eine Orientierungshilfe zu möglichen Änderungen am Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vorlegen. Das Europäische Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) erwies sich als äußerst wirkungsvolle Maßnahme, und die Kommission wird die gewonnenen Erkenntnisse sorgfältig prüfen.
Um sicherzustellen, dass die Europäerinnen und Europäer Zugang zu hochwertigen Arbeitsplätzen haben und von fairen Arbeitsbedingungen, einem umfangreichen Sozialschutz und einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben profitieren können, wird die Kommission sich weiter für die Umsetzung des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte einsetzen.
Der Schock der Pandemie hat deutlich gemacht, dass starke Netze der sozialen Sicherheit von entscheidender Bedeutung sind. Wir werden eine Empfehlung zum Mindesteinkommen vorschlagen, um die entsprechenden politischen Strategien der Mitgliedstaaten zu unterstützen.
Die Kommission wird ferner eine Mitteilung zur Stärkung des sozialen Dialogs auf EU- und nationaler Ebene vorlegen, um die wichtige Rolle der Sozialpartner bei der Förderung einer gerechten, sozialen und kohäsiven wirtschaftlichen Erholung, des ökologischen und digitalen Wandels und der Übergänge auf dem Arbeitsmarkt weiter zu stärken.
Darüber hinaus werden wir einen Vorschlag zur Verbesserung des Schutzes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen die Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz vorlegen, der den Ergebnissen der Konsultation der Sozialpartner Rechnung trägt. Wir stimmen dem Europäischen Parlament und dessen kürzlich angenommenem Bericht nach Artikel 225 AEUV in dem Punkt zu, dass das Thema Asbest Anlass zu großer Sorge gibt.
Der Finanzsektor spielt bei der wirtschaftlichen Erholung eine entscheidende Rolle. Während der Pandemie wurde eine Zunahme digitaler Transaktionen verzeichnet, woraufhin die Kommission eine Initiative zu Sofortzahlungen vorlegen wird, in deren Rahmen eine umfangreiche Nutzung solcher Zahlungen in der EU gefördert werden soll.
Des Weiteren hat die Gesundheitskrise erneut die Notwendigkeit vollständig entwickelter europäischer Kapitalmärkte offenbart. Die Erholung erfordert massive Investitionen, die durch öffentliche Mittel und herkömmliche Bankkredite allein nicht finanziert werden können. Die Kommission wird Maßnahmen im Hinblick auf Insolvenzverfahren ergreifen und in diesem Zusammenhang für eine bessere Konvergenz und weniger Diskrepanzen sorgen. So sollen die Effizienz gesteigert, grenzüberschreitende Investitionen erleichtert und Belastungen abgebaut werden. Ferner werden die Anforderungen in Bezug auf Börsennotierungen vereinfacht, um die öffentlichen Kapitalmärkte für EU-Unternehmen attraktiver zu machen und kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu Kapital zu erleichtern.
Am 8. Oktober erzielten 136 Länder und Gebiete auf der ganzen Welt, darunter alle EU-Mitgliedstaaten, G20-Mitglieder und OECD-Mitglieder, eine historische Einigung über eine globale Steuerreform, die eine weltweite effektive Mindestbesteuerung (Säule 2) sowie eine Neuzuweisung von Besteuerungsrechten (Säule 1) vorsieht. Die Kommission unterstützt die internationalen Bemühungen in dieser Angelegenheit seit Beginn des Prozesses im Jahr 2016 entschieden und wird sich nun gleichermaßen dafür einsetzen, eine rasche und einheitliche Umsetzung in der gesamten EU sicherzustellen und auf diese Weise die Führungsrolle der EU in Sachen weltweite Steuergerechtigkeit zu unterstreichen.
2.4.Ein stärkeres Europa in der Welt
Die fortlaufenden geopolitischen Veränderungen haben erneut die Notwendigkeit offenbart, den Einfluss Europas in einer sich rasch wandelnden Welt zu stärken und seine Werte und Interessen zu schützen.
Im Zuge unserer neuen Strategie „Global Gateway“, die eng mit der Initiative „Build Back Better World“ (B3W) abgestimmt wird, werden wir die Bemühungen der Europäischen Union um den Aufbau von Konnektivitätspartnerschaften verstärken, in deren Rahmen eine vertrauenswürdige digitale und ökologische Konnektivität mit Partnern auf der ganzen Welt gefördert werden soll.
Die verschiedenen humanitären Krisen auf der Welt haben die Diskrepanz zwischen dem Bedarf und der Verfügbarkeit von Ressourcen deutlich gemacht. Die globalen Krisen zeigen ferner, dass wir die Partnerschaften mit unseren Verbündeten vertiefen müssen. In diesem Sinne werden wir eine neue Gemeinsame Erklärung der EU und der NATO vorlegen und versuchen, die Arbeiten zur Schaffung einer echten europäischen Verteidigungsunion zu beschleunigen.
Die Kommission wird ein Verteidigungspaket ausarbeiten, das unter anderem einen Fahrplan für Sicherheits- und Verteidigungstechnologien umfassen wird, mit dem Forschung, technologische Entwicklung und Innovation gefördert und die strategischen Abhängigkeiten der EU bei kritischen Technologien und Wertschöpfungsketten im Sicherheits- und Verteidigungssektor verringert werden sollen.
Im kommenden Jahr werden wir eine Reihe neuer Initiativen auf den Weg bringen, gleichzeitig aber auch auf die Umsetzung früherer Maßnahmen hinarbeiten. Um in der EU ansässige Wirtschaftsbeteiligte, sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen, besser zu schützen, werden wir eine solidere Blocking-Verordnung vorschlagen und in diesem Zuge Drittländer stärker vor der extraterritorialen Anwendung von Sanktionen abhalten und solchen Sanktionen entgegenwirken. Auf diesem Wege werden die Resilienz und die offene strategische Autonomie der EU weiter gestärkt.
Wir werden die globale Energiewende voranbringen und die Versorgungssicherheit, saubere Technologien und offene Märkte fördern. Dies wird Teil der neuen Strategie für das Handeln im internationalen Energiebereich sein, in deren Rahmen neue Möglichkeiten für die Einführung eines sauberen Energiesystems und für die Förderung der Energieeffizienz sowie sicherer und nachhaltiger Technologien geprüft werden sollen, wobei gleichzeitig schrittweise von der Nutzung fossiler Brennstoffe zu umweltfreundlichen Energielösungen übergegangen und ein gerechter Übergang gefördert werden soll.
Wir werden die Agenda für die internationale Meerespolitik von 2016 überarbeiten und in diesem Zusammenhang eine gemeinsame Mitteilung über einen Aktionsplan für die internationale Meerespolitik vorlegen, mit dem den wichtigsten Bedrohungen, etwa durch Umweltverschmutzung, Auswirkungen des Klimawandels und den Verlust der biologischen Vielfalt, begegnet werden soll. Damit werden wir deutlich signalisieren, dass die EU bei der Erfüllung der in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dargelegten globalen Verpflichtungen eine führende Rolle einnimmt.
Die Golfregion ist ein wichtiger Partner für die EU. Mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zu konsolidieren und einen Rahmen für den politischen Dialog zu schaffen, werden wir eine gemeinsame Mitteilung über eine strategische Partnerschaft mit den Golfstaaten vorlegen.
2.5.Förderung unserer europäischen Lebensweise
Junge Menschen müssen in die Lage versetzt werden, die Zukunft mitzugestalten – sie prägen die Debatten im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas. Unsere Union muss eine Seele und eine Vision haben, von denen sie sich angesprochen fühlen. In diesem Sinne werden wir die Initiative ALMA (Aim, Learn, Master, Achieve – Anvisieren, Lernen, Meistern, Ankommen) ins Leben rufen, mit der benachteiligte junge Menschen in Europa unterstützt werden sollen, die weder eine Arbeit haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren. Diese Initiative wird dazu beitragen, dass junge Menschen Berufserfahrung im Ausland sammeln können und dabei die notwendige soziale Unterstützung erfahren. Das übergeordnete Ziel besteht darin, diesen Menschen den Einstieg in die allgemeine oder berufliche Bildung oder in hochwertige Beschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, eine gemeinsame europäische Grundlage für das Migrations- und Asylmanagement zu finden, damit wir auf neue und bereits bestehende Herausforderungen reagieren, den demografischen Missverhältnissen und dem Arbeitskräftemangel begegnen und unserer globalen Verantwortung gerecht werden können. Die jüngsten Entwicklungen, etwa in Belarus und in Afghanistan, machen deutlich, dass dringend eine Einigung über die anhängigen Legislativvorschläge im Rahmen des neuen Migrations- und Asylpakets erzielt werden muss. Dieses Paket, das vor einem Jahr von der Kommission vorgestellt wurde, enthält alle erforderlichen Elemente für ein ausgewogenes und humanes System, das für alle Mitgliedstaaten funktioniert. Wir werden weiterhin mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um weiter Vertrauen aufzubauen und eine nachhaltige europäische Migrationspolitik umzusetzen.
Die Kommission wird im Hinblick auf die Schaffung einer echten Sicherheitsunion weiter Ergebnisse liefern und regelmäßig über die Fortschritte im Sicherheitsbereich Bericht erstatten, einschließlich über die laufenden Verhandlungen über wichtige Gesetzgebungsdossiers. Dabei geht es insbesondere um die vier strategischen Prioritäten: ein zukunftsfähiges Sicherheitsumfeld, die Bewältigung sich wandelnder Bedrohungen, der Schutz der Europäerinnen und Europäer vor Terrorismus und organisiertem Verbrechen und eine starke europäische Sicherheitsgemeinschaft. Die fortlaufenden Arbeiten im Bereich der Cybersicherheit stellen nach wie vor einen wesentlichen Baustein der Sicherheitsunion dar. Gleichzeitig werden wir die Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels fortsetzen und neue Schritte unternehmen, um den gesicherten Austausch wichtiger Informationen mit Drittländern und denjenigen, die für die Gewährleistung der Sicherheit an vorderster Front zuständig sind, zu verbessern, und zudem die Vorschriften über vorab übermittelte Fluggastdaten überarbeiten.
Bei der Bewältigung der Pandemie wurde erneut deutlich, dass Wissenschaft und Bildung nicht nur für die Förderung unserer Lebensweise, sondern auch für den Schutz unserer Gesundheit von unschätzbarem Wert sind. Zwar passen sich unsere Schulen und Universitäten schrittweise an die digitale Revolution an, doch hat die Krise die Herausforderungen im Hinblick auf die Chancengleichheit in der Bildung aufgezeigt und einige Schülerinnen und Schüler stärker beeinträchtigt als andere. Wir wollen der nächsten Generation europäischer Wissenschaftler und Akademiker eine sichere Zukunft bieten und die globale Führungsrolle der europäischen Universitäten bewahren und deren Zusammenarbeit fördern. In diesem Sinne werden wir die europäische Hochschulstrategie vorstellen und Möglichkeiten für eine vertiefte und nachhaltige transnationale Zusammenarbeit im Hochschulbereich vorschlagen; zur Gewährleistung der Kohärenz wird diese Strategie parallel zu den Initiativen zur Verbesserung der Digitalisierung im Schul- und Hochschulbereich ausgearbeitet.
Auf der Grundlage der Lehren aus der COVID-19-Krise werden wir eine neue europäische Strategie für Pflege und Betreuung vorlegen, die sich sowohl an Pflegepersonen als auch an Pflegebedürftige richten und das gesamte Spektrum von der Kinderbetreuung bis zur Langzeitpflege abdecken wird. Mit dieser Strategie wird ein Rahmen für politische Reformen geschaffen, der als Richtschnur für die Entwicklung einer nachhaltigen Langzeitpflege dienen wird, wodurch allen Menschen ein besserer und erschwinglicherer Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen gewährleistet werden soll. Die Strategie wird außerdem auf die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern ausgerichtet sein, wobei besonderes Augenmerk auf Kindern mit Behinderung und Kindern aus benachteiligten Gruppen liegen wird. Schließlich wird sie dazu beitragen, das geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle zu verringern, die gesellschaftliche Teilhabe der Frauen steigern und die Geschlechtergleichstellung fördern, unter anderem im Rahmen einer Überarbeitung der Barcelona-Ziele.
Wir werden unsere Arbeiten an einer starken Europäischen Gesundheitsunion fortführen und einen neuen Rahmen für einen dynamischen Arzneimittelsektor in der EU vorschlagen, um allen Bürgerinnen und Bürgern in der EU den Zugang zu erschwinglichen und hochwertigen Arzneimitteln zu ermöglichen, Innovationen zu fördern und die Versorgungssicherheit zu verbessern. Im Wege innovativer Digitalisierungsmaßnahmen wird dadurch ein vereinfachtes und effizientes Regulierungsumfeld und somit die Grundlage für die Verringerung des Verwaltungsaufwands geschaffen. Wir werden außerdem eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten vorschlagen, um auf diesem Wege bestehende Mängel zu beheben und sicherzustellen, dass innovative Arzneimittel und Behandlungen leicht verfügbar sind. In Anknüpfung an die Arzneimittelstrategie für Europa werden beide Initiativen zur offenen strategischen Autonomie im medizinischen Bereich beitragen und dabei auf den während der Pandemie gesammelten Erfahrungen aufbauen; auf diesem Wege soll ein zukunftsfähiges und krisenresistentes Arzneimittelsystem gefördert werden. Diese Initiativen werden durch den Vorschlag zur Schaffung eines echten europäischen Raums für Gesundheitsdaten ergänzt, der eine vertrauenswürdige Governance zur Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes von Daten vorsieht. Dadurch soll die Forschung zu bahnbrechenden Arzneimitteln angekurbelt und Bürgerinnen und Bürger mehr Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten gegeben werden.
Schließlich soll mit einer auf den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Empfehlung zur Krebsfrüherkennung im Rahmen des Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung die lebensrettende Krebsvorsorge und -früherkennung weiter gefördert werden.
2.6.Neuer Schwung für die Demokratie in Europa
Im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas, die mittlerweile in vollem Gang ist, sind alle Europäerinnen und Europäer aufgerufen, ihre Ideen für die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft zu äußern. Bei dieser Konferenz, die auf einer mehrsprachigen digitalen Plattform stattfindet, handelt es sich um ein beispielloses, offenes und inklusives Demokratieprojekt. Wir werden den Ideen und Beiträgen aufmerksam Gehör schenken und sind bereit, das auf der Konferenz Vereinbarte weiterzuverfolgen. Um sicherzustellen, dass wir diese Chance bestmöglich nutzen, führen wir neue und innovative Instrumente ein, die die Art und Weise, wie wir mit unseren Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt treten, verändern. Dies wird dazu beitragen, dass junge Menschen in der Debatte eine Führungsrolle übernehmen können.
Über die Europäische Bürgerinitiative können Bürgerinnen und Bürger bereits an der Gestaltung unserer Union mitwirken, indem sie die Kommission auffordern, neue Rechtsvorschriften vorzuschlagen. Derzeit gibt es elf solcher Initiativen, die um Unterstützung werben, und drei weitere werden in Kürze anlaufen.
Die Wahrung der Freiheit und des Pluralismus der Medien ist eine Grundlage unserer demokratischen Systeme. Wir werden weitere Schritte unternehmen, um die Transparenz, Rechenschaftspflicht und Unabhängigkeit bei Maßnahmen, die sich auf Medienfreiheit und -pluralismus auswirken, zu erhöhen, und in diesem Sinne einen Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit vorlegen.
Die Rechtsstaatlichkeit ist für unsere Identität und unsere Werte als Europäerinnen und Europäer von zentraler Bedeutung. Zudem ist sie eine Voraussetzung für ein reibungsloses Funktionieren der EU auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens. Im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 wurden positive Entwicklungen in den Mitgliedstaaten aufgezeigt, aber auch einzelne Rückschritte und neu aufgetretene Besorgnisse. Die Kommission wird ihre Arbeit als Hüterin der Verträge fortsetzen, indem sie unter anderem im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 spezifische Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richtet und so dafür sorgt, dass Herausforderungen für die Rechtsstaatlichkeit ermittelt und bewältigt werden. Ferner wird sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Vorrang des Unionsrechts zu erhalten. Um eine kohärente und wirksame Vorgehensweise – auch im Hinblick auf den Schutz des Geldes der europäischen Steuerzahler – zu gewährleisten, wird sie das gesamte Spektrum der Instrumente nutzen.
Die Kommission wird weiter an einem gemeinsamen Rechtsrahmen für die effiziente Übertragung von Strafverfahren zwischen den Mitgliedstaaten arbeiten, um stärker gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorzugehen. Ferner werden wir prüfen, wie im Rahmen der Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Strafsachen eine Annäherung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf Untersuchungshaft und Haftbedingungen erreicht werden kann.
Die Kommission wird weiter darauf hinarbeiten, dass die Union der Gleichheit für alle Menschen Wirklichkeit wird. Alle Bürgerinnen und Bürger sollten sich sicher fühlen und ohne Angst vor Diskriminierung oder Gewalt aus Gründen der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, der geschlechtlichen Ausdrucksform, der Geschlechtsmerkmale, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder des Alters leben können. Gleichstellungsstellen spielen bei der Gewährleistung dieser Rechte eine wichtige Rolle, und wir werden Maßnahmen vorschlagen, um ihre Rolle und ihre Unabhängigkeit zu stärken. Ebenso werden wir Maßnahmen vorschlagen, um die Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern und die justizielle Zusammenarbeit beim Schutz schutzbedürftiger Erwachsener in grenzüberschreitenden Situationen zu verstärken. Die Maßnahmen, die wir zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vorschlagen werden, werden im nächsten Jahr durch eine Initiative ergänzt, mit der die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Prävention schädlicher Praktiken gegen Frauen und Mädchen sowie beim Ergreifen von Unterstützungsmaßnahmen zur Bekämpfung solcher Praktiken unterstützt werden sollen.
Wir werden uns um weitere Fortschritte bei der Gestaltung des neuen interinstitutionellen Ethikgremiums der EU bemühen, unter anderem indem wir weiterhin eng mit den anderen Organen zusammenarbeiten, um die notwendige gemeinsame Grundlage für den Aufgabenbereich, die Rolle und die Zuständigkeiten des künftigen Gremiums zu finden. Dabei ist den Besonderheiten jedes Organs sowie den unterschiedlichen institutionellen und demokratischen Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen gemäß den Verträgen Rechnung zu tragen. Der Initiativbericht des Europäischen Parlaments ist ein wichtiger Beitrag zu den laufenden Gesprächen.
Außerdem wird die Kommission eine Initiative zur Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte und zur Abfederung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Bevölkerungsrückgang vorlegen. Darin sollen die verschiedenen Ursachen, die langfristigen Folgen und mögliche Lösungen zur Eindämmung oder sogar Umkehr der Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte untersucht werden.
3.Bessere Rechtsetzung sowie Umsetzung und Durchsetzung des EU-Rechts
3.1.Bessere Rechtsetzung
Unsere Agenda für bessere Rechtsetzung stellt sicher, dass politische Entscheidungen auf der Grundlage der besten verfügbaren Erkenntnisse getroffen werden und dass ihre möglichen Auswirkungen vor Ort sowie die Ansichten der voraussichtlich betroffenen Menschen und Unternehmen berücksichtigt werden. Dieser Ansatz trägt dazu bei, dass Vorschriften zielgerichtet und leicht zu befolgen sind, ohne eine unnötige Regulierungslast zu verursachen. In der Mitteilung „Bessere Rechtsetzung: Mit vereinten Kräften für bessere Rechtsvorschriften“ aus dem Jahr 2021 wurden die wichtigsten Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Rechtsvorschriften und zur Maximierung ihres Nutzens dargelegt.
Um den Aufwand im Zusammenhang mit der Verwirklichung der politischen Ziele der EU so gering wie möglich zu halten, wird sich die Kommission mit dem vorliegenden Arbeitsprogramm vollumfänglich an den „One-in-one-out“-Grundsatz halten. Dadurch wird sichergestellt, dass wir bei der Einführung neuer Belastungen systematisch und proaktiv versuchen, die durch bestehende Rechtsvorschriften verursachten Belastungen zu verringern. Die voraussichtlichen Kosten für die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften werden, soweit machbar und verhältnismäßig, transparenter quantifiziert und systematisch in Folgenabschätzungen dargelegt. Verwaltungskosten werden ausgeglichen. So weit wie möglich werden weitere Maßnahmen ergriffen, um die Anpassungskosten auszugleichen. Der „One-in-one-out“-Grundsatz wird das Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT) ergänzen, mit dem systematisch bürokratischer Aufwand und unnötige Kosten ermittelt und beseitigt werden.
Eine bessere Rechtsetzung ist auch für die Förderung der Nachhaltigkeit und des digitalen Wandels von grundlegender Bedeutung. Die ökologischen und digitalen Ambitionen der Kommission, die auf soziale Verbesserungen und Fairness abzielende Dimension dieser Ambitionen sowie der Fokus, den die Kommission auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Grundsätze „Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“ und „standardmäßig digital“ legt, werden in unseren Bewertungen, Folgenabschätzungen und Konsultationen eine wichtigere Rolle spielen. Die Gleichstellung aller Menschen, einschließlich der Gleichstellung der Geschlechter, sowie die externen Auswirkungen interner politischer Maßnahmen werden in allen Phasen der Politikgestaltung berücksichtigt. Territoriale Folgenabschätzungen und Prüfungen der Auswirkungen auf den ländlichen Raum werden verstärkt, damit den Bedürfnissen und Besonderheiten der verschiedenen Gebiete der EU besser Rechnung getragen wird. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Auswirkungen auf die junge Generation. Die Einbeziehung der Vorausschau in die Politikgestaltung wird auch die Zukunftssicherheit unserer Rechtsvorschriften erhöhen.
3.2.Umsetzung und Durchsetzung des EU-Rechts
Mit der Verabschiedung ehrgeiziger und innovativer Rechtsvorschriften ist die Arbeit nicht getan: Für den Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen in der Union ist eine ordnungsgemäße Umsetzung unerlässlich. Die Kommission wird weiterhin mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und sie weiter dabei unterstützen, die rasche und vollständige Umsetzung der neuen und bestehenden EU-Vorschriften sicherzustellen, und sie wird nicht zögern, das EU-Recht bei Bedarf im Wege von Vertragsverletzungsverfahren durchzusetzen. Dies zu erreichen ist eine Voraussetzung für die Verwirklichung unserer politischen Ziele in Bereichen wie dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts, der Weichenstellung für den Übergang Europas in das digitale Zeitalter sowie der Umsetzung des europäischen Grünen Deals und der europäischen Säule sozialer Rechte. Vertragsverletzungsverfahren sind auch ein wesentlicher Bestandteil des Instrumentariums, das die Kommission zur Verteidigung der Grundrechte und -werte der Union nutzen kann.
4.Fazit
In den letzten anderthalb Jahren haben unsere Union und ihre Bürgerinnen und Bürger angesichts einer beispiellosen Vielzahl von Herausforderungen ihre Stärke, Entschlossenheit und Einigkeit unter Beweis gestellt. Die Welt von heute ist nach wie vor durch Unsicherheit, destabilisierende Ereignisse und zunehmende geopolitische Spannungen geprägt und darüber hinaus mit dem Klimawandel und einer Krise der Natur konfrontiert. Indem wir aber die Chancen nutzen, die sich aus diesen Herausforderungen ergeben, und auf den Grundlagen, die wir geschaffen haben, aufbauen, können wir den gesellschaftlichen Wandel bewirken, den Europa braucht und den die Bürgerinnen und Bürger verdienen.
Das vorliegende Arbeitsprogramm enthält gezielte Maßnahmen zur weiteren Verwirklichung der Ziele, die die Kommission zu Beginn ihres Mandats festgelegt hat, und zur weiteren Steuerung der Union in Richtung einer nachhaltigen Erholung. Ferner werden in dem Programm die wichtigsten Legislativvorschläge aufgeführt, denen im Gesetzgebungsverfahren Vorrang eingeräumt werden sollte, um ihre rasche Umsetzung vor Ort zu gewährleisten. Diese Liste bildet die Grundlage unseres Dialogs mit dem Europäischen Parlament und dem Rat mit dem Ziel, uns entsprechend der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung bis Ende des Jahres auf eine gemeinsame Erklärung über die gesetzgeberischen Prioritäten zu verständigen.
Wir haben gezeigt, dass wir die Herausforderungen unserer Zeit besser bewältigen und Menschenleben und Existenzgrundlagen besser schützen können, indem wir gemeinsam handeln.
Diese Einigkeit ist heute dringender notwendig als je zuvor, doch sollte sie nicht auf Kosten unserer Ambitionen gehen. Wir werden beides brauchen, wenn wir auf Kurs bleiben und eine widerstandsfähige Union für eine florierende Zukunft aufbauen wollen.