EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 20.9.2021
COM(2021) 578 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
32. Jahresbericht über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union und die Betrugsbekämpfung 2020
{SWD(2021) 257 final} - {SWD(2021) 258 final} - {SWD(2021) 259 final} - {SWD(2021) 262 final} - {SWD(2021) 263 final} - {SWD(2021) 264 final}
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
32. Jahresbericht über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union und die Betrugsbekämpfung 2020
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ZUSAMMENFASSUNG
1.Einleitung
2.Die finanziellen Interessen der EU im Jahr 2020
3.Mit dem Schutz der finanziellen Interessen der EU betraute Akteure und wichtige Entwicklungen im Jahr 2020
3.1.Der EU-Rechtsrahmen
3.2.Der Kontrollrahmen für die finanziellen Interessen der EU
3.2.1.Auf EU-Ebene
3.2.2.Auf der Ebene der Mitgliedstaaten
4.Zusammenarbeit bei der Betrugsbekämpfung
4.1.Interinstitutionelle Zusammenarbeit auf EU-Ebene
4.1.1.Zusammenarbeit zwischen der Kommission (OLAF), dem Europäischen Parlament und dem Rat
4.1.2.Zusammenarbeit zwischen dem OLAF und dem Europäischen Rechnungshof
4.1.3.Arbeitsvereinbarungen zwischen dem OLAF und der EUStA
4.1.4.Zusammenarbeit zwischen dem OLAF und Europol
4.2.Zusammenarbeit zwischen der EU und den Behörden der Mitgliedstaaten
4.2.1.Tätigkeiten des Beratenden Ausschusses für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung (COCOLAF)
4.2.2.Zusammenarbeit im Zollwesen
4.2.3.Gemeinsame Zollaktionen
4.3.Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
4.4.Zusammenarbeit mit Drittländern
5.Im Jahr 2020 beschlossene, umgesetzte oder laufende Initiativen
5.1.Die Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission
5.2.Programm „Hercule“: Unterstützung der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der EU-Mitgliedstaaten
5.3.Einnahmen auf EU-Ebene
5.3.1.Das Mehrwertsteuer-Paket für den elektronischen Handel
5.3.2.Bekämpfung von Zollbetrug
5.3.3.Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen
5.4.Einnahmen auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten
5.5.Ausgaben auf EU-Ebene
5.5.1.Rechtsstaatlichkeit – Konditionalität
5.5.2.Der EU-Haushalt 2021–2027
5.5.3.Aufbau- und Resilienzfazilität
5.5.4.Technische Unterstützung über das Programm zur Unterstützung von Strukturreformen
5.6.Ausgaben auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten
6.Unregelmäßigkeiten, Betrugsfälle und Risiken
6.1.Von der Aufdeckung bis zum Risiko
6.1.1.Mehrwertsteuerbetrug – „Study and Reports on the VAT Gap in the EU-28 Member States“ (Studie und Berichte zur MwSt-Lücke in den 28 EU-Mitgliedstaaten, veröffentlicht 2020)
6.1.2.Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle bei den Einnahmen
6.1.3.Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle bei den Ausgaben
6.2.Zusätzliche Risiken für Unregelmäßigkeiten und Betrug im Jahr 2021 und darüber hinaus
6.2.1.COVID-19-Risiken auf der Einnahmenseite
6.2.2.COVID-19-Risiken auf der Ausgabenseite
6.2.3.Risiken im Zusammenhang mit der Aufbau- und Resilienzfazilität
7.Instrumente zur Stärkung der Betrugsbekämpfung
7.1.ARACHNE
7.2.Das Früherkennungs- und Ausschlusssystem (EDES)
7.3.Das Projekt GetI
7.4.Nationale IT-Instrumente zum Schutz der finanziellen Interessen der EU
8.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AEUV
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Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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AFCOS
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Koordinierungsstellen für die Betrugsbekämpfung
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CAFS
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Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission
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EDES
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Früherkennungs- und Ausschlusssystem
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EFRE
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Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
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ELER
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Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums
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ESF
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Europäischer Sozialfonds
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ESI-Fonds
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Europäische Struktur- und Investitionsfonds
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EU
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Europäische Union
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EuRH
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Europäischer Rechnungshof
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EUStA
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Europäische Staatsanwaltschaft
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IMS
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Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten (Irregularity Management System)
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MFR
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Mehrjähriger Finanzrahmen
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MwSt
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Mehrwertsteuer
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NGEU
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NextGenerationEU
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OLAF
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Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung
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PIF
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Schutz der finanziellen Interessen
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RRF
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Aufbau- und Resilienzfazilität
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TEM
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Traditionelle Eigenmittel
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ZUSAMMENFASSUNG
Der Schutz der finanziellen Interessen der EU fällt in die gemeinsame Verantwortung der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Zur Überwindung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Krise und zur Unterstützung des Übergangs zu einem moderneren und nachhaltigeren Europa haben die EU-Mitgliedstaaten ein Finanzpaket genehmigt. Dieses besteht aus dem mehrjährigen Finanzrahmen für 2021–2027 („EU-Haushalt“) in Höhe von 1,074 Billionen EUR und dem zeitlich befristeten Aufbauinstrument NextGenerationEU in Höhe von 750 Mrd. EUR, das in ein grünes, digitales und widerstandsfähigeres Europa mit neuen EU-Einnahmequellen investiert wird. Insgesamt beläuft sich das Paket auf mehr als 1,8 Billionen EUR.
In den letzten Jahren wurde die Betrugsbekämpfungsarchitektur der EU zum Schutz der Gelder der EU-Steuerzahler modernisiert. Sie stützt sich auf ein reformiertes Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbefugnisse der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), die koordinierende Funktion von Eurojust, die Analysekapazitäten von Europol, ein reformiertes Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung und eine enge Zusammenarbeit mit nationalen Behörden.
Diese Zusammenarbeit wurde 2020 über Arbeitsvereinbarungen, gemeinsame Initiativen und Aktionen und den Austausch bewährter Verfahren und Schulungen weiter ausgebaut.
2020 sowie in der ersten Jahreshälfte 2021 erhielten die EU und die nationalen Behörden durch mehrere wichtige Ereignisse und Maßnahmen das passende Werkzeug an die Hand, um die finanziellen Interessen der EU noch besser zu schützen. Um nur einige zu nennen:
·Die EUStA hat ihre Arbeit aufgenommen.
·Die OLAF-Verordnung wurde überarbeitet, sodass das OLAF nun für die Zusammenarbeit mit der EUStA bereit ist. Außerdem wurden die Untersuchungsbefugnisse des OLAF gestärkt.
·Es wurde eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit eingeführt, die auch den Schutz der finanziellen Interessen der EU berühren.
·Bei der Umsetzung der Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission wurden gute Fortschritte erzielt. Zwei Drittel der geplanten Maßnahmen wurden durchgeführt, das verbleibende Drittel ist noch nicht abgeschlossen.
Die Zahl der von den zuständigen Behörden auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene gemeldeten Betrugsfälle und Unregelmäßigkeiten ist 2020 im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Während sich der Rückgang an betrügerischen Unregelmäßigkeiten durch bestimmte konjunkturelle Effekte erklären lässt, können die rückläufigen Zahlen bei der Aufdeckung und Meldung nicht betrügerischer Unregelmäßigkeiten in bestimmten Ausgabenbereichen nicht so einfach erklärt werden und sind daher Anlass zur Sorge. Neben den bereits bekannten Risiken tauchen neue Herausforderungen auf. Diese stehen im Zusammenhang mit neuen Möglichkeiten der Verwaltung und Ausgabe von EU-Mitteln, die an Leistungen und das Erreichen bestimmter Ziele geknüpft sind, sowie mit Bereichen mit höheren Ausgaben zum Beispiel in Verbindung mit dem grünen und dem digitalen Wandel und dem Gesundheitswesen.
Um diese Risiken effektiv beherrschen zu können, braucht es neue Ansätze und Instrumente sowie eine erneuerte und gemeinsame europäische Vision für die Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der EU gerichteten rechtswidrigen Handlungen. Diese Vision wird auf die Errungenschaften der letzten Jahre aufbauen und eine effizientere Erhebung und Nutzung von Daten, verbesserte Transparenz, besser aufeinander abgestimmte, kohärente Bemühungen in der Betrugsbekämpfung durch die Mitgliedstaaten im Zuge nationaler Betrugsbekämpfungsstrategien, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden und zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der EU umfassen.
1.Einleitung
Die EU und ihre Mitgliedstaaten teilen sich die Verantwortung für den Schutz der finanziellen Interessen der EU und die Betrugsbekämpfung. Die Behörden der EU-Mitgliedstaaten verwalten den größten Teil der EU-Ausgaben und ziehen die traditionellen Eigenmittel (TEM) ein. Die Kommission beaufsichtigt diese beiden Bereiche, legt Standards fest und überprüft die Einhaltung der Rechtsvorschriften. Nach Artikel 325 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat in Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten einen jährlichen Bericht über die Maßnahmen vor, die zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der EU gerichteten rechtswidrigen Handlungen ergriffen wurden (der „Bericht über den Schutz der finanziellen Interessen“). Diese Verpflichtung wird 2020 mit dem vorliegenden Bericht und den ihn begleitenden Dokumenten erfüllt.
Das Jahr 2020 war durch die COVID-19-Pandemie und ihre Auswirkungen geprägt. Die Organe der EU haben darauf mit beispiellosen finanziellen und wirtschaftlichen Entscheidungen reagiert. Die Verhandlungen über den EU-Haushalt 2021–2027 sowie über NextGenerationEU (NGEU) und dessen Vorzeigeprogramm, die Aufbau- und Resilienzfazilität, wurden abgeschlossen und der Haushalt genehmigt. Mit Hilfe des Haushalts in Höhe von 1,8 Billionen EUR kann Europa grüner, digitaler, widerstandsfähiger und fitter für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gemacht werden. Der Schutz der finanziellen Interessen der EU wird bei der Erreichung der ehrgeizigen Ziele dieses historischen Haushalts eine wesentliche Rolle spielen.
Im Bericht über den Schutz der finanziellen Interessen 2020 werden folgende Themen behandelt:
I)Überblick über die finanziellen Interessen der EU im Einklang mit den im Jahr 2020 getroffenen strategischen Entscheidungen
II)Hauptakteure auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene
III)Zusammenarbeit zwischen diesen Akteuren
IV)Die wichtigsten Initiativen, die ergriffen wurden
V)Risiken, denen die finanziellen Interessen der EU ausgesetzt sind und in Zukunft ausgesetzt sein werden, basierend auf den von den EU-Einrichtungen und nationalen Behörden aufgedeckten Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen
VI)Instrumente zur Betrugsbekämpfung
2.Die finanziellen Interessen der EU im Jahr 2020
Zu den finanziellen Interessen der EU zählen die Einnahmen, Ausgaben und Vermögenswerte, die im EU-Haushaltsplan oder in den Haushaltsplänen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU oder in den von diesen verwalteten und überwachten Haushaltsplänen erfasst sind.
Die Einnahmenseite des Haushalts setzt sich aus Zöllen, Mehrwertsteuer und einem Teil der Bruttonationaleinkommen der EU-Mitgliedstaaten zusammen.
In
Abbildung 1
sind die Mittel abgebildet, die der EU im Jahr 2020 zur Verfügung standen.
Abbildung 1 – EU-Einnahmen 2020
Die EU finanziert ihre Politik aus diesen Mitteln (siehe
Abbildung 2
).
Abbildung 2 – EU-Ausgaben 2020
Für den Haushalt gibt es zwar ein jährliches Genehmigungsverfahren; gleichzeitig ist er aber Teil der langfristigen Haushaltsplanung der Union, des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR), der über einen Zeitraum von sieben Jahren Grenzen für die Ausgaben setzt. 2020 war nicht nur das letzte Jahr des MFR 2014–2020, sondern auch das Jahr, in dem der rechtliche Rahmen für die nächste langfristige Haushaltsplanung gesetzt wurde.
Die EU-Mittel werden über drei Arten der Mittelverwaltung ausgegeben (siehe
Abbildung 3
).
Abbildung 3 – Arten der Mittelverwaltung in der EU
Zur Überwindung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Krise und zur Unterstützung des Übergangs zu einem moderneren und nachhaltigeren Europa haben die EU-Mitgliedstaaten den langfristigen EU-Haushalt für 2021–2027 in Höhe von 1,074 Billionen EUR und das zeitlich befristete Aufbauinstrument NextGenerationEU in Höhe von 750 Mrd. EUR genehmigt. Insgesamt beläuft sich das Paket auf mehr als 1,8 Billionen EUR (siehe
Abbildung 4
).
Abbildung 4 – EU-Ausgaben 2021–2027
Im Mittelpunkt von NGEU steht die Aufbau- und Resilienzfazilität mit 672,5 Mrd. EUR in Form von Darlehen und nicht rückzahlbaren Hilfen, die zwischen 2021 und 2026 zur Verfügung stehen.
3.Mit dem Schutz der finanziellen Interessen der EU betraute Akteure und wichtige Entwicklungen im Jahr 2020
Um die finanziellen Interessen der EU kümmern sich viele Akteure, die fortlaufend durch die Gestaltung des Rechtsrahmens sowie durch die Umsetzung der zugrundeliegenden Maßnahmen an der Verbesserung des Schutzes arbeiten.
3.1.Der EU-Rechtsrahmen
Die Kommission legt Vorschläge zu Betrugsbekämpfungsvorschriften vor, über die dann das Europäische Parlament und der Rat (die „Mitgesetzgeber“) entscheiden.
Abbildung 5 – Die Rolle der EU-Organe im Gesetzgebungsverfahren
In
Tabelle 1
sind die wichtigsten im Jahr 2020 und Anfang 2021 erlassenen Rechtsvorschriften zusammengefasst.
Tabelle 1 – Wichtige Rechtsvorschriften
Titel
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Beschreibung des Mechanismus zum Schutz der finanziellen Interessen der EU
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Verordnung (EU, Euratom) 2020/2093 des Rates vom 17. Dezember 2020 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027
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Die „MFR-Verordnung“. Für alle sektoralen Rechtsakte des MFR wurden aufeinander abgestimmte Betrugsbekämpfungsbestimmungen vereinbart.
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Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union
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Die „Konditionalitätsverordnung“. Der Konditionalitätsmechanismus dient dem Schutz des EU-Haushalts vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit durch EU-Mitgliedstaaten, die die wirtschaftliche Führung des Haushalts oder die finanziellen Interessen der EU hinreichend unmittelbar beeinträchtigen oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen.
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Verordnung (EU, Euratom) 2020/2223 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Dezember 2020 zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft und die Wirksamkeit der Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung
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Die „OLAF-Verordnung“. In der geänderten Verordnung werden die Beziehungen des OLAF zur Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) für eine umfassende Komplementarität zwischen den zwei Stellen festgelegt sowie die Untersuchungskapazitäten des OLAF gestärkt.
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Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität
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Die „RRF-Verordnung“. Artikel 22 dieser Verordnung enthält Bestimmungen zum Schutz der finanziellen Interessen der EU.
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Der Gerichtshof der Europäischen Union („der Gerichtshof“) stellt eine einheitliche Anwendung und Auslegung des EU-Rechts sicher. Im Jahr 2020 erließ der Gerichtshof drei Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Schutz der finanziellen Interessen der EU.
Rechtssache und Beschreibung
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C-603/19, Úrad špeciálnej prokuratúry.
In dieser Rechtssache bestätigte der Gerichtshof, dass Artikel 325 AEUV nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, wonach der Staat im Rahmen eines Strafverfahrens nicht den Ersatz des Schadens geltend machen kann, der ihm durch ein betrügerisches Verhalten der beschuldigten Person entstanden ist, das eine Veruntreuung von Mitteln aus dem Unionshaushalt zur Folge hat, und er im Rahmen dieses Verfahrens über keinen anderen Rechtsbehelf verfügt, mit dem er einen Anspruch gegen die beschuldigte Person geltend machen könnte. Der Gerichtshof stellte klar, dass die EU-Mitgliedstaaten nach Artikel 325 AEUV zwar verpflichtet sind, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Beträge wiedereinzuziehen, die dem Empfänger einer EU-Subvention zu Unrecht gezahlt worden sind, jedoch im Hinblick auf das Einziehungsverfahren keinerlei Zwang auferlegt wird. Das nationale Gericht hat lediglich zu würdigen, ob ein wirksamer Rechtsbehelf zur Wiedergutmachung von Beeinträchtigungen der finanziellen Interessen der Union besteht, sei es im Rahmen eines Straf‑, Verwaltungs- oder Zivilverfahrens.
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C-743/18, Elme Messer Metalurgs.
In dieser Rechtssache hatte der Gerichtshof die Gelegenheit zur Auslegung von Artikel 2 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds, in dem das Konzept der „Unregelmäßigkeit“ festgelegt wird. Der Gerichtshof legte die Bestimmung dahingehend aus, dass die Situation, in der der Empfänger eines Zuschusses aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung es im relevanten Zeitraum wegen der Insolvenz oder der Unterbrechung der Tätigkeiten seines einzigen Geschäftspartners unterlässt, die Umsatzhöhe zu erreichen, die im Rahmen des zuschussfähigen Vorhabens vorgesehen ist, als „Unregelmäßigkeit“ angesehen werden kann. In seinem Urteil hob der Gerichtshof hervor, dass der Nachweis einer konkreten finanziellen Auswirkung auf den EU-Haushalt nicht erforderlich ist und es genügt, dass die Möglichkeit einer solchen Auswirkung nicht ausgeschlossen ist.
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C-496/18 und C-497/18, HUNGEOD u. a.
Gemäß den Vergaberichtlinien dürfen EU-Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften erlassen, auf deren Grundlage eine Überwachungsbehörde ein Nachprüfungsverfahren von Amts wegen aus Gründen des Schutzes der finanziellen Interessen der EU veranlassen kann, um Verstöße gegen das Vergaberecht zu kontrollieren. Dazu stellte der Gerichtshof fest, dass ein solches Verfahren, sofern es vorgesehen ist, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, da öffentliche Aufträge, die Gegenstand eines solchen Nachprüfungsverfahrens sind, in den sachlichen Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fallen. Diese Nachprüfungsverfahren müssen daher, so der Gerichtshof, die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit beachten.
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Momentaufnahme 1: Aktueller Stand der Rechtssache zu Unterbewertungen
3.2.Der Kontrollrahmen für die finanziellen Interessen der EU
In
Abbildung 6
ist die Komplexität des EU-Kontrollrahmens mit seinen zahlreichen Akteuren auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene abgebildet.
Abbildung 6 – Der Kontrollrahmen: Ein Überblick
3.2.1.Auf EU-Ebene
Die Organe und Einrichtungen der EU bearbeiten sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben der EU.
Die Kommission legt die Strategien fest und übersetzt die gemeinsam von den EU-Organen aufgestellten übergeordneten politischen Ziele in politische Maßnahmen und Initiativen um. Die Dienststellen der Kommission verwalten bestimmte Politikbereiche und die damit verbundenen Ausgabenprogramme. Die Finanzmittel können dabei auf eine der in
Abbildung 3
dargelegten Arten der Mittelverwaltung verwaltet werden. Die Kommission ist für die Ausführung des Gemeinschaftshaushalts zuständig.
Das Europäische Parlament übt die demokratische Kontrolle aus und stellt sicher, dass die Kommission und die anderen Organe die EU-Mittel richtig einsetzen. Das Europäische Parlament entscheidet auf Empfehlung des Rates, ob es für den Haushalt eines bestimmten Jahres die Entlastung erteilt, d. h. ihn endgültig genehmigt. Das Europäische Parlament trifft seine Entscheidung dabei nach genauer Prüfung der Finanzierungskonten der Kommission durch seinen Haushaltskontrollausschuss (CONT).
Momentaufnahme 2 – Entschließung des Europäischen Parlaments zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union
Die Entschließung des Europäischen Parlaments zum Bericht über den Schutz der finanziellen Interessen 2018 wurde in der Plenarsitzung vom 10. Juli 2020 angenommen, nachdem sie am 7. Mai 2020 die Zustimmung des Haushaltskontrollausschusses erhalten hatte.
Die Entschließung des Europäischen Parlaments ist ein wichtiges politisches Dokument, in dem mehrere Punkte im Zusammenhang mit dem Schutz der finanziellen Interessen der EU angesprochen und Bereiche für Verbesserungen hervorgehoben werden. So forderte das Europäische Parlament die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten zum Beispiel dazu auf, die Nutzung neuer Technologien bei der Mittelverwaltung zu fördern, zur Verbesserung der Betrugsrisikobewertung und des Betrugsrisikomanagements ihre Analysekompetenz auszubauen, die Meldung vergleichbarer Informationen und die Nutzung von IT-Analyseinstrumenten zu verbessern und einen Legislativvorschlag über die gegenseitige Amtshilfe in den Bereichen der Verwendung von EU-Mitteln vorzulegen.
Der Europäische Rechnungshof prüft die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit, Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der EU-Maßnahmen mit dem Ziel, Rechenschaftspflicht, Transparenz und Mittelverwaltung zu verbessern.
Momentaufnahme 3 – Der Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs
Der Europäische Rechnungshof prüft jedes Jahr die Einnahmen und Ausgaben des EU-Haushalts und gibt sein Prüfungsurteil zur Zuverlässigkeit des Jahresabschlusses und zur Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften bei den Einnahmen- und Ausgabenvorgängen ab. Der Jahresbericht zum Haushaltsjahr 2019 wurde am 10. November 2020 veröffentlicht.
Der Europäische Rechnungshof kam zu dem Schluss, dass die Jahresrechnung keine wesentlichen Falschangaben enthielt. Hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge gelangte der Hof zu der Schlussfolgerung, dass die Einnahmen keine wesentliche Fehlerquote aufwiesen. Für die Ausgaben zeigten die Prüfungsergebnisse, dass die geschätzte Fehlerquote im Vergleich zu 2018 angestiegen ist. Mit einem hohen Risiko verbundene (hauptsächlich erstattungsbasierte) Ausgaben, die oft komplexen Vorschriften unterliegen, wiesen eine wesentliche Fehlerquote auf.
Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) führt unabhängige Untersuchungen zu Betrugs- und Korruptionsfällen im Zusammenhang mit EU-Mitteln durch und entwickelt die Betrugsbekämpfungspolitik der EU zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Union gerichteten rechtswidrigen Handlungen.
Momentaufnahme 4: Was brachte das Jahr 2020 für das OLAF?
Sowohl das OLAF als auch die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) schützen den EU-Haushalt. Sie tun dies im Rahmen ihres jeweiligen Mandats. Darüber hinaus wird durch die OLAF- und die EUStA-Verordnung eine enge Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen sichergestellt. Diese Zusammenarbeit stützt sich auf drei Aspekte:
i) die EUStA kann sich auf die Unterstützung und die Expertise des OLAF verlassen, ii) das OLAF kann auf Verlangen von oder in Absprache mit der EUStA Untersuchungen einleiten, die die Untersuchungen der EUStA ergänzen und dem Zweck dienen, die Einziehung zu erleichtern bzw. administrative Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, iii) OLAF und EUStA tauschen über Mechanismen der gegenseitigen Berichterstattung vor und während der Untersuchungen Informationen aus.
Die überarbeitete OLAF-Verordnung stattet das OLAF mit schlagkräftigeren Instrumenten zur Untersuchung von Betrug zulasten des EU-Haushalts aus. So gibt es nun klarerer Regeln für die Durchführung von Kontrollen vor Ort durch das OLAF, und die Zusammenarbeit mit nationalen Behörden wurde verbessert. Das OLAF erhält nun außerdem zu denselben Bedingungen Zugang zu Bankkontodaten wie die zuständigen nationalen Behörden. Neben diesen Instrumenten gibt es verstärkte Verfahrensgarantien für durch Untersuchungen des OLAF betroffene Personen und Kontrollmechanismen für ihre Durchsetzung, z. B. in der Person des Beauftragten für die Kontrolle der Verfahrensgarantien.
Die operativen Ergebnisse des OLAF für das Jahr 2020 sind in seinem Jahresbericht beschrieben.
Im Juni 2020 fand eine Neuorganisation des OLAF statt, um seine Untersuchungskapazitäten, die internen Kontrollen und die Mittelverwaltung zu stärken sowie das Potenzial der umfassenden Fähigkeiten und Erfahrungen seines Personals zu steigern.
Die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) hat die Befugnis, in den 22 teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten Straftaten, die die finanziellen Interessen der EU berühren, zu ermitteln und strafrechtlich zu verfolgen. Sie nahm am 1. Juni 2021 ihre Tätigkeit auf.
Momentaufnahme 5: Was brachte das Jahr 2020 für die EUStA?
Die EUStA wurde durch die Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates errichtet, die am 20. November 2017 in Kraft trat. Nach der Ernennung von Laura Codruța Kövesi zur Europäischen Generalstaatsanwältin im Jahr 2019 erfolgte im September 2020 die Bildung des Kollegiums der Europäischen Staatsanwaltschaft. Es erließ eine Reihe interner Vorschriften, die für seine effektive Arbeit erforderlich sind, darunter die Geschäftsordnung, die Beschäftigungsbedingungen der Delegierten Europäischen Staatsanwälte und die Bestimmungen zum Datenschutz sowie über die Ständigen Kammern.
Auf dezentraler Ebene, die aus den Delegierten Europäischen Staatsanwälten besteht, die in den an der EUStA beteiligten EU-Mitgliedstaaten angesiedelt sind, sind die Nominierungen durch die Mitgliedstaaten vorangeschritten und die formellen Ernennungen durch das Kollegium sind im Gange.
Die zentrale Dienststelle der EUStA hat Anfang 2021 ihre Räume in Luxemburg bezogen. Das Fallbearbeitungssystem, ein wichtiges Instrument für die Arbeit der EUStA, ist einsatzbereit.
In der Phase der Einrichtung wurden die teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten zu wichtigen Themen konsultiert, zum Beispiel zu den erforderlichen Änderungen zur Einbettung der EUStA in die nationalen Systeme.
Kroatien, Tschechien und Frankreich verwiesen auf die Annahme organisatorischer Maßnahmen und Gesetzesänderungen im Jahr 2020 zum Abschluss der Vorbereitungen auf nationaler Ebene, damit die EUStA ihre Arbeit aufnehmen konnte. Schweden setzte eine Untersuchungskommission ein, um die erforderlichen Gesetzesänderungen und andere Maßnahmen, die zur Teilnahme Schwedens an der EUStA notwendig sind, zu analysieren und vorzuschlagen.
Eurojust, die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, koordiniert die Arbeit nationaler Behörden sowohl aus EU-Mitgliedstaaten als auch aus Ländern außerhalb der EU bei der Ermittlung und Strafverfolgung grenzüberschreitender Straftaten.
Momentaufnahme 6 – Höhepunkte bei Eurojust im Jahr 2020
Im Jahr 2020 setzte Eurojust in enger Zusammenarbeit mit dem OLAF seine operative Arbeit zur Bekämpfung von Betrug zulasten des EU-Haushalts und anderer Straftaten, die die finanziellen Interessen berühren, fort. Eurojust und OLAF waren an mehreren gemeinsamen Ermittlungsgruppen beteiligt. Außerdem nahm das OLAF an von Eurojust organisierten Koordinierungssitzungen teil. Eurojust organisierte darüber hinaus einen Schulungskurs, um zu demonstrieren, welchen Mehrwert Eurojust für die Verwaltungsuntersuchungen des OLAF leisten kann. Eurojust veröffentlichte eine Mitteilung für Rechtspraktiker zur neuen Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, die den EU-Rechtsrahmen im Bereich der Vermögensabschöpfung erheblich stärkt. Mit der Aushandlung einer Arbeitsvereinbarung, in der die praktischen Fragen der Zusammenarbeit geregelt sind, schaffte Eurojust außerdem die Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme der EUStA.
Europol, die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung, fungiert als zentrale Stelle für die Unterstützung bei Strafverfolgungsoperationen, als Drehscheibe für kriminalitätsbezogene Informationen und als Fachkompetenzzentrum im Bereich der Strafverfolgung.
Momentaufnahme 7 – Was brachte das Jahr 2020 für Europol?
Im Juni 2020 startete Europol das Europäische Zentrum für Finanz- und Wirtschaftskriminalität (EFECC), um die operative Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten und EU-Stellen im Bereich der Finanz- und Wirtschaftskriminalität zu verbessern, einschließlich derjenigen, die unter die Richtlinie (EU) 2017/1371 („PIF-Richtlinie“) fallen.
Das EFECC fördert auch den systematischen Einsatz von Finanzermittlungen und den Aufbau von Allianzen mit öffentlichen und privaten Einrichtungen zur Aufspürung, Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen aus Straftaten innerhalb und außerhalb der EU.
Die Kommission legte 2020 einen Legislativvorschlag zur Stärkung des Mandats von Europol vor. Im Hinblick auf den Schutz der finanziellen Interessen der EU zielt der Vorschlag auf eine stärkere Zusammenarbeit und einen verbesserten Informationsaustausch zwischen Europol und der EUStA und dem OLAF an. Europol hat eine Arbeitsvereinbarung mit der EUStA zur Festlegung ihrer zukünftigen Zusammenarbeit ausgehandelt.
3.2.2.Auf der Ebene der Mitgliedstaaten
In Bezug auf die Einnahmen sind die EU-Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Zollvorschriften, die Durchführung von Zollkontrollen und die Erhebung der bei der Einfuhr zu zahlenden Zölle, Verbrauchssteuern und Mehrwertsteuer zuständig.
Die Zollbehörden der Mitgliedstaaten verfolgen mehrere Ziele, darunter die Umsetzung nichtsteuerlicher Maßnahmen zur Verbesserung der inneren Sicherheit in der EU, zum Schutz der EU vor unlauteren und unerlaubten Handelspraktiken sowie zum Schutz der Umwelt.
Die Zollbehörden der Mitgliedstaaten spielen eine wichtige Rolle dabei, die Notwendigkeit, den Handel dank schneller und reibungsloser Einfuhrverfahren zu erleichtern, und die Notwendigkeit zu Zollkontrollen mit Unterstützung der EU im Gleichgewicht zu halten.
Momentaufnahme 8 – Die Antwort der Kommission und der EU-Mitgliedstaaten auf die COVID-19-Krise
Die Kommission reagierte schnell auf die COVID-19-Krise. Sie erließ Rechtsvorschriften, gab Leitlinien heraus und unterstützte aktiv die EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen, um einen flexibleren Umgang mit Zollschulden und eine zügige Zollabfertigung medizinischer Ausrüstung und Schutzausrüstung sicherzustellen und die Einfuhr gefälschter oder unsicherer Ausrüstung in die EU zu verhindern. Die Mitgliedstaaten leisteten 2020 ebenfalls einen großen Beitrag zur Antwort der EU auf die Pandemie. Die Zollbehörden passten ihre Zollkontrollstrategien an. Betrugsbekämpfungsdienste deckten in mehreren EU-Mitgliedstaaten erfolgreich Betrugsversuche im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise auf. Auf diese Weise konnte der Schutz der finanziellen Interessen der EU im Jahr 2020 insgesamt auf dem gleichen Niveau wie im Jahr zuvor gewahrt und gleichzeitig reibungslose Handelsströme für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Unternehmen der EU sichergestellt werden.
Die EU-Mitgliedstaaten verwalten etwa drei Viertel der Ausgaben des EU-Haushalts, und zwar über eine Reihe von Einrichtungen (Verwaltungsbehörden, Zahlstellen, Prüfbehörden, bescheinigende Stellen), deren Anzahl je nach Größe des Landes, Höhe der zu verwaltenden EU-Mittel und Grad der Dezentralisierung variiert. Bei der Überwachung der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Tätigkeiten der nationalen öffentlichen Einrichtungen spielen die obersten Rechnungskontrollbehörden eine zentrale Rolle. Da Betrug und Korruption Straftaten sind, kommt neben den Facheinrichtungen, wie Ämter für Betrugs- und Korruptionsbekämpfung, den nationalen Rechtsdurchsetzungs-, Strafverfolgungs- und Justizbehörden eine bedeutende Rolle beim Schutz der finanziellen Interessen der EU zu.
Durch dieses komplexe System entstehen mehrere Kontrollebenen (siehe
Abbildung 7
).
Abbildung 7 – Rahmen zum Schutz der in geteilter Mittelverwaltung ausgezahlten EU-Mittel
Koordinierungsstellen für die Betrugsbekämpfung (AFCOS): Die auf der Grundlage der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 („OLAF-Verordnung“) eingerichteten AFCOS unterstützen die effektive Zusammenarbeit und den Informationsaustausch (inklusive operativer Informationen) mit dem OLAF. In mehreren EU-Mitgliedstaaten übernehmen sie die Koordinierung und Steuerung der Bekämpfung von Betrug, der sich gegen die finanziellen Interessen der EU richtet.
Momentaufnahme 9 – Was brachte das Jahr 2020 für die EU-Mitgliedstaaten?
Frankreich und Griechenland haben ihre AFCOS neu organisiert.
Angesichts der Komplexität des nationalen Rahmens zum Schutz der finanziellen Interessen der EU hat die Kommission in den letzten Jahren bei den Mitgliedstaaten dafür geworben, nationale Betrugsbekämpfungsstrategien anzunehmen.
Bis Ende 2020 haben 14 Mitgliedstaaten die Verabschiedung derartiger Strategien gemeldet. Diese Strategien können sich jedoch nach Anwendungsbereich und -tiefe unterscheiden. Einige müssen aktualisiert werden. Von den EU-Mitgliedstaaten, die meldeten, dass sie noch keine nationale Betrugsbekämpfungsstrategie haben, gaben fünf an, dass sie ein Verfahren zur Einführung einer solchen Strategie eingeleitet haben (siehe
Abbildung 8
).
Die Situation hat sich im Vergleich zu 2019 verbessert, als 10 EU-Mitgliedstaaten angaben, eine Strategie verabschiedet zu haben. Die Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne bietet allen anderen EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Betrugsbekämpfungsstrategien anhand der von der Kommission in Zusammenarbeit mit den Experten aus den Mitgliedstaaten erarbeiteten Leitlinien aufzustellen. Mitgliedstaaten, die bereits über eine solche Strategie verfügen, könnten einen Schritt weitergehen und die Strategie unter Berücksichtigung der Risiken im Zusammenhang mit der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität und der COVID-19-Krise aktualisieren.
Abbildung 8 – Nationale Betrugsbekämpfungsstrategien: Aktueller Stand
Zu den im Jahr 2020 zum Schutz der finanziellen Interessen der EU ergriffenen Maßnahmen gehören die von Griechenland, Italien und Rumänien gemeldeten Rechtsakte, mit denen die PIF-Richtlinie in nationales Recht überführt wurde. Irland hat dies im Jahr 2021 vorgenommen. Rumänien gab an, dass darüber hinaus weitere EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden.
Momentaufnahme 10 – Stand bei der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Bericht über den Schutz der finanziellen Interessen 2019 durch die EU-Mitgliedstaaten
Im Bericht aus dem Jahr 2019 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union hatte die Kommission den Mitgliedstaaten eine Reihe von Empfehlungen zur Auftragsvergabe im Notfall und die Meldung von Unregelmäßigkeiten ausgesprochen. Zur Auftragsvergabe im Notfall gab sie folgende Empfehlungen:
•Maßnahmen zur Überprüfung und Überwachung auf hohem Niveau: 22 Mitgliedstaaten antworteten, dass sie diesen Punkt vollständig umgesetzt haben. Malta und die Slowakei meldeten eine teilweise Umsetzung, während Österreich und Dänemark der Ansicht waren, dass ihre Systeme diesen Anforderungen bereits entsprechen.
•Sorgfältige Prüfung des Einsatzes einer Auftragsvergabe im Notfall: 23 Mitgliedstaaten meldeten die vollständige Umsetzung. Die Slowakei meldete eine teilweise Umsetzung, während Österreich und Dänemark der Ansicht waren, dass ihre Systeme diesen Anforderungen bereits entsprechen.
•Abschluss des Übergangs zu elektronischen Vergabeverfahren: 18 Mitgliedstaaten meldeten den Abschluss des Übergangs zu elektronischen Vergabeverfahren. Sechs meldeten eine teilweise Umsetzung. Österreich hat den Übergang noch nicht abgeschlossen. Irland antwortete nicht auf diese Frage.
•Auf die Frage nach einer weiteren Erhöhung der Transparenz bei der Verwendung von EU-Mitteln, insbesondere bei der Auftragsvergabe im Notfall, antworteten 17 Mitgliedstaaten, dass sie die Transparenz erhöht hätten, und 8, dass sie dies nicht getan hätten. Dänemark gab an, dass die Empfehlung für Dänemark nicht zutreffend sei.
Zur Empfehlung, Unregelmäßigkeiten zu melden und engmaschig zu überwachen, meldeten 22 Mitgliedstaaten die vollständige Umsetzung und 4 eine teilweise Umsetzung.
4.Zusammenarbeit bei der Betrugsbekämpfung
Die bestehende komplexe Betrugsbekämpfungsarchitektur erfordert eine enge Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure.
4.1.Interinstitutionelle Zusammenarbeit auf EU-Ebene
4.1.1.Zusammenarbeit zwischen der Kommission (OLAF), dem Europäischen Parlament und dem Rat
In mehreren Sitzungen des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments im Jahr 2020 ging es um die Aktivitäten des OLAF und das Amt konnte seine Ergebnisse vorstellen. Das OLAF vertrat die Kommission in mehreren Arbeitsgruppen des Rates, insbesondere die Ratsarbeitsgruppe „Betrugsbekämpfung“.
Am 1. Dezember 2020 nahm das OLAF neben der Kommission, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Europäischen Generalstaatsanwältin und dem OLAF-Überwachungsausschuss am interinstitutionellen Meinungsaustausch über das OLAF teil, auf dem die neue Betrugsbekämpfungsarchitektur der EU, einschließlich der Neuorganisation des OLAF und der Zusammenarbeit mit der EUStA, besprochen wurde. Dieses hochrangige Treffen zeichnete sich durch zielgerichtete und positive Debatten aus, die den Weg für eine verbesserte Zusammenarbeit von OLAF, EUStA, Eurojust und Europol ebneten.
4.1.2.Zusammenarbeit zwischen dem OLAF und dem Europäischen Rechnungshof
Der Europäische Rechnungshof (EuRH) und das OLAF haben zwar unterschiedliche Mandate, haben jedoch einen gemeinsamen Auftrag: den Schutz der finanziellen Interessen der EU und die Gewährleistung einer wirtschaftlichen Haushaltsführung des EU-Haushalts. Der EuRH informiert das OLAF über jeden Betrugsverdacht und jeden Verdacht über andere rechtswidrige Handlungen, den er im Rahmen seiner Prüfungen aufspürt oder der ihm gemeldet wird. 2020 gingen beim OLAF sechs solcher Benachrichtigungen des EuRH ein, die alle zur Einleitung von Untersuchungen führten.
Infolge der im Mai 2019 geschlossenen Verwaltungsvereinbarung haben das OLAF und der EuRH ihre Zusammenarbeit ausgebaut und um einen jährlichen Workshop ergänzt, in dem sie ihre Schulungsprogramme, ihr Fachwissen und ihre Risikoanalysen teilen. Der für 2020 geplante Workshop musste aufgrund der COVID-19-Pandemie auf 2021 verschoben werden.
4.1.3.Arbeitsvereinbarungen zwischen dem OLAF und der EUStA
Der für die EUStA und das OLAF geltende rechtliche Rahmen lässt Raum für Arbeitsvereinbarungen zwischen den beiden Einrichtungen, in denen sie die praktischen Aspekte ihrer Beziehung festlegen können. Die Arbeitsvereinbarungen wurden im November 2020 geschlossen und am 5. Juli 2021 unterzeichnet.
In den Vereinbarungen werden die notwendigen Mechanismen für eine effiziente Berichterstattung, die Vermeidung von Überschneidungen und die Komplementarität der Untersuchungstätigkeiten der beiden Einrichtungen festgelegt. Sie legen den Grundstein für eine enge Zusammenarbeit, indem sie praktische Möglichkeiten für den Informationsaustausch und die technischen Aspekte für den gegenseitigen indirekten Zugang zu ihren Fallbearbeitungssystemen schaffen.
4.1.4.Zusammenarbeit zwischen dem OLAF und Europol
Im Herbst 2020 schlossen das OLAF und Europol Arbeitsvereinbarungen, die zur Einrichtung eines sicheren Kommunikationskanals (SIENA) und der Ernennung eines Verbindungsbeamten des OLAF bei Europol führten.
4.2.Zusammenarbeit zwischen der EU und den Behörden der Mitgliedstaaten
4.2.1.Tätigkeiten des Beratenden Ausschusses für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung (COCOLAF)
Im Beratenden Ausschuss für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung („COCOLAF“) kommen Sachverständige der Kommission (vertreten durch das OLAF) und der Mitgliedstaaten zusammen. Die Sitzungen des Ausschusses bieten ein Forum für die Erörterung der wichtigsten Entwicklungen bei der Betrugsbekämpfung und für die Abfassung des vorliegenden Berichts. Die Arbeit des Ausschusses findet in vier Arbeitsgruppen und einer Plenarversammlung statt. 2020 fanden Sitzungen virtuell zu folgenden Themen statt:
•Untersuchungen des OLAF in den EU-Mitgliedstaaten
•Betrugsrisiken und risikomindernde Maßnahmen vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise
•Mögliche Einsätze des Früherkennungs- und Ausschlusssystems (EDES) zum Schutz der finanziellen Interessen der EU im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung
•Maßnahmen zum Kompetenzaufbau im Hinblick auf die Erkennung und Verhinderung von Betrug und Korruption innerhalb des Europäischen Struktur- und Investitionsfonds
•Die wichtigsten Trends und Muster bei Betrug und Unregelmäßigkeiten
•Das neue Betrugsbekämpfungsdreieck aus AFCOS, OLAF und EUStA
4.2.2.Zusammenarbeit im Zollwesen
Angesichts des grenzüberschreitenden Charakters des Zollbetrugs ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Agrarregelungen zu verhüten, aufzudecken und strafrechtlich zu verfolgen. Der Informationsaustausch kann auf EU-Ebene zwischen den EU-Mitgliedstaaten oder zwischen ihnen und der Kommission sowie auf internationaler Ebene mit Ländern außerhalb der EU stattfinden. Der Informationsaustausch auf EU-Ebene erfolgt entweder nach der Verordnung über gegenseitige Amtshilfe oder im Rahmen des Zollrisikomanagementsystems in Bezug auf risikobezogene Informationen, während der Informationsaustausch mit Ländern außerhalb der EU auf bestimmten Vereinbarungen beruht (siehe 4.4).
Momentaufnahme 11 – Evaluierung der Verordnung Nr. 515/97
2019 wurde eine Evaluierung der Verordnung Nr. 515/97 eingeleitet, die mittlerweile nahezu abgeschlossen ist. Die einschlägigen Interessenträger in den EU-Mitgliedstaaten, den Kommissionsdienststellen und Agenturen sowie in anderen Organisationen teilten ihre Ansichten zur Umsetzung der Verordnung und ihrer Bedeutung für die Bekämpfung von Betrug im Zollwesen und im Agrarbereich mit. Die Interessenträger, und insbesondere die EU-Mitgliedstaaten, sind im Allgemeinen mit der Verordnung in ihrer jetzigen Form zufrieden und vertreten die Auffassung, dass diese ihre Zwecke erfüllt und eine gute Antwort auf die neuen Herausforderungen in der Betrugsbekämpfung ist.
Darüber hinaus können Zollbehörden im Zuge gemeinsamer Maßnahmen, Seminare, Schulungen, Projektgruppen, Arbeitsbesuche und grenzüberschreitender Operationen, finanziert über die EU-Aktionsprogramme Zoll 2020 und Hercule III zusammenarbeiten und Informationen austauschen.
4.2.3.Gemeinsame Zollaktionen
Gemeinsame Zollaktionen („GZA“) sind zielgerichtete Maßnahmen von begrenzter Dauer zur Bekämpfung von Betrug und Schmuggel sensibler Waren in bestimmten Risikogebieten und/oder entlang bestimmter Handelswege.
Zusätzlich zu seinen Untersuchungen zu Fällen von Einnahmenbetrug und Fälschung koordiniert das OLAF umfangreiche GZA unter Beteiligung der EU und internationaler operativer Partner. Die Unterstützung des OLAF ist auf jede einzelne GZA angepasst und kann die Nutzung der dauerhaft installierten technischen Infrastruktur, der IT- und Kommunikationswerkzeuge, insbesondere der virtuellen Einheit zur Echtzeitkoordinierung von Aktionen (VOCU) für den sicheren Informationsaustausch, sowie spezielle strategische Analysen und administrative und finanzielle Unterstützung umfassen. In
Tabelle 2
sind die GZA aufgeführt, an denen das OLAF 2020 beteiligt war.
Tabelle 2 – Gemeinsame Zollaktionen im Jahr 2020
Name
|
Beschreibung
|
SILVER AXE V
|
Koordiniert von Europol, richtet sich gegen die illegale Einfuhr verbotener Pestizide, eines der einträglichsten Geschäfte für internationale Betrüger (hat Schätzungen zufolge einen Anteil von bis zu 13,8 % an allen in der EU verkauften Pestiziden). Die Aktion „Silver Axe“ läuft seit mittlerweile fünf Jahren. Bislang wurden 2 568 Tonnen illegaler Pestizide beschlagnahmt.
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OPSON IX
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Eine von Interpol und Europol geleitete weltweite Aktion gegen nachgeahmte und minderwertige Lebensmittel und Getränke, Lebensmittelbetrug und wirtschaftlich motivierte Fälschungen. Das OLAF leitete eine gezielte Aktion gegen den illegalen Handel mit Wein und alkoholischen Getränken. Es wurden 1 158 199 Liter Wein, hauptsächlich Champagner, und 109 267 Liter unterschiedlicher alkoholischer Getränke beschlagnahmt, die gegen Rechte des geistigen Eigentums verstießen.
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SHIELD
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Organisiert von Europol mit Schwerpunkt auf gefälschten und minderwertigen Krebsmedikamenten und Hormonen, einschließlich einer gezielten Aktion gegen gefälschte/illegale/missbräuchlich verwendete Medikamente, Dopingmittel, Nahrungsergänzungsmittel, und allen medizinischen Versorgungsgütern, die im Kampf gegen COVID-19 eingesetzt werden. Koordiniert vom OLAF mit Beteiligung von 13 EU-Mitgliedstaaten. Aufdeckung von 58 Fällen von Unregelmäßigkeiten unterschiedlicher Art im Zusammenhang mit illegalen und minderwertigen Medikamenten, Hormonen und Nahrungsergänzungsmitteln.
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DEMETER VI
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Globale Aktion (73 teilnehmende Länder) zur Überwachung und Kontrolle illegaler grenzüberschreitender Abfallbewegungen und des illegalen Handels mit ozonabbauenden Stoffen und Kühlgasen (FKW), koordiniert von der Weltzollorganisation (WZO). Das OLAF leistete einen Beitrag in Form von risikobezogenen Informationen und Erkenntnissen zur Identifizierung und Überwachung verdächtiger Sendungen mit dem Ziel EU. 98 682,95 Tonnen ozonabbauende Stoffe und 41,97 Tonnen FKW wurden aufgespürt und abgefangen.
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STOP
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Die Aktion wurde von der WZO koordiniert und unter Beteiligung von 99 Zollbehörden weltweit mit Unterstützung durch das OLAF durchgeführt. Sie richtete sich gegen den Handel mit illegalen Produkten im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. 307 215 524 Einheiten an illegalen Medikamenten und 47 891 628 Einheiten an medizinischer Ausrüstung (Masken, Handschuhe, Testsets, Thermometer) sowie 2 762 386 Liter Desinfektionsmittel wurden beschlagnahmt.
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ARKTOS
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Koordiniert von FRONTEX zusammen mit den finnischen und lettischen Behörden, gerichtet gegen den Betrug bei Verbrauchssteuern, insbesondere den Schmuggel von Tabakwaren, Dokumentenbetrug und illegale Einwanderung, durchgeführt an ausgewählten Grenzübergangsstellen an den östlichen Landesgrenzen der EU. Es beteiligten sich OLAF, Interpol, Eurojust, Europol, Polen, Estland, Litauen und die Slowakei. 37 Millionen illegale Zigaretten und über 1,8 Tonnen Tabak wurden beschlagnahmt.
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LUDUS
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Koordiniert vom OLAF im Rahmen der von Europol und der spanischen Guardia Civil (nationale Polizei und Zoll) geleiteten gemeinsamen Zoll- und Polizeioperation. Die Aktion richtete sich gegen gefälschte und gefährliche Spielzeuge, die für den europäischen Markt bestimmt waren. Die Evaluierung läuft noch.
|
4.3.Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
Die Mitgliedstaaten arbeiten in der Betrugsbekämpfung zusammen, manchmal finanziert über das Hercule-Programm (siehe Abschnitt 5.2). Einige dieser Projekte werden in
Tabelle 3
kurz beschrieben.
Tabelle 3 – Über das Hercule-Programm finanzierte und 2020 abgeschlossene Kooperationsprojekte
Organisierendes Land
|
Projektbezeichnung
|
Sonstige teilnehmende Länder
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Verweis
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Bulgarien
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Verbesserung der Zusammenarbeit und der Kontrollmodelle zur Vorbeugung gegen Betrug in Verbindung mit den Zollverfahren 4200 und 4000, die das Eigenmittelsystem der EU betreffen.
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Rumänien, Griechenland, Türkei
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S. 14
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Lettland
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Fortbildung zur Auswertung von Röntgenbildern.
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Estland, Litauen
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S. 23
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Slowakei
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Schulung von Zollbeamten in der Auswertung von Bildern von Röntgenscannern und Zollkontrollverfahren.
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Bulgarien, Estland, Finnland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Ungarn
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S. 15
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4.4.Zusammenarbeit mit Drittländern
Die Zusammenarbeit mit Drittländern zur Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung von Verstößen gegen die Zollvorschriften beruht auf Abkommen über gegenseitige Amtshilfe. Derzeit bestehen derartige Abkommen mit über 80 Ländern, darunter wichtige EU-Handelspartner wie die Vereinigten Staaten, China und Japan. Im Jahr 2020 wurden Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich und Usbekistan abgeschlossen, während die Verhandlungen mit Australien, Indonesien und den Ländern des östlichen und südlichen Afrikas weiterliefen.
Freihandelsabkommen enthalten normalerweise eine Betrugsbekämpfungsklausel, die in Fällen von schwerwiegendem Zollbetrug und einer anhaltend mangelhaften Zusammenarbeit bei der Bekämpfung dieser Betrugsfälle die Möglichkeit vorsieht, die Zollpräferenzen für ein Erzeugnis vorübergehend zurückzunehmen. Im Jahr 2020 wurden die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich abgeschlossen, während die Verhandlungen mit Australien, Chile, Neuseeland und Indonesien andauerten.
5.Im Jahr 2020 beschlossene, umgesetzte oder laufende Initiativen
5.1.Die Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission
Die im April 2019 angenommene Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission und der begleitende Aktionsplan mit 63 Maßnahmen spielen bei der Verhinderung eines möglichen Missbrauchs von EU-Geldern eine entscheidende Rolle. Im Jahr 2020 wurden gute Fortschritte bei der Umsetzung der Maßnahmen erzielt. Bis Juni 2021 waren zwei Drittel der Maßnahmen umgesetzt, bei den übrigen läuft die Umsetzung noch.
Die Strategie verfolgt zwei vorrangige Ziele: (i) die Verbesserung der Datenerhebung und -analyse und (ii) verbesserte Koordinierung, Zusammenarbeit und Verfahren.
Im Einklang mit dem ersten Ziel baute das OLAF seine Analysetätigkeiten aus, zum Beispiel bei der Bewertung der Betrugsrisiken im Zusammenhang mit COVID-19 (siehe Abschnitt 6.2.2.) zusammen mit den Kommissionsdienststellen und bei Unregelmäßigkeiten und Betrug bei EU-Mitteln für die Gesundheitsinfrastruktur (siehe
Momentaufnahme 13
).
Im Einklang mit dem zweiten Ziel der Betrugsbekämpfungsstrategie wurden im Hinblick auf einige Maßnahmen zur Erhöhung der Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Kommissionsdienststellen und zur Ausstattung der Kommission mit einem wirksameren System für den Überblick über die Betrugsbekämpfung gute Fortschritte erzielt. So wurden vor allem die Kontakte und die Zusammenarbeit zwischen den Kommissionsdienststellen ausgebaut, insbesondere durch die Einrichtung von Gruppen von Vertretern der Kommission innerhalb des Betrugsverhütungs und aufdeckungsnetzes (FPDNet) unter Leitung des OLAF. Diese Gruppen werden nach Art der Mittelverwaltung oder nach Thema eingerichtet, zum Beispiel die Gruppe zu internen Fällen oder die Gruppe zum Betrugsrisikomanagement, die beide im Frühjahr 2021 ins Leben gerufen wurden.
In ihrer Betrugsbekämpfungsstrategie verpflichtete sich die Kommission des Weiteren zu einer verbesserten Überwachung der Folgemaßnahmen zu den Empfehlungen des OLAF, die wesentlich sind, um die Gelder zurück in den EU-Haushalt zu bringen und die Betrüger vor Gericht zu stellen. Die Kommission und das OLAF unternahmen 2020 daher beträchtliche Anstrengungen, um diese Überwachung so effizient wie möglich zu gestalten, und erfassten rund 1400 finanzielle Empfehlungen, die zwischen Januar 2012 und Juni 2019 ausgesprochen wurden. Die Summe der für 2012–2020 empfohlenen Nacherhebungen beläuft sich auf mehr als 6 Mrd. EUR, mehr als die Hälfte davon betrifft den Zoll.
5.2.Programm „Hercule“: Unterstützung der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen der EU-Mitgliedstaaten
Im Rahmen des Programms „Hercule III“ für den Zeitraum 2014–2020 wurden Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Union gerichteten rechtswidrigen Handlungen gefördert. Im Jahr 2020, dem letzten Durchführungsjahr des Programms, wurden Mittel in Gesamthöhe von 16,44 Mio. EUR für folgende Zwecke bereitgestellt:
·Maßnahmen zur Stärkung der operativen und technischen Kapazitäten der nationalen und regionalen Behörden in den Mitgliedstaaten sowie von IT-Unterstützung (diese Finanzierungen machen mindestens 74 % des Programmbudgets aus)
·Schulungen, Konferenzen, Seminare und Personalaustausch hauptsächlich für Bedienstete von Strafverfolgungsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten und Partnerländern sowie vergleichende Forschung und wissenschaftliche Veröffentlichungen (diese Finanzierungen machen etwa 26 % des Programmbudgets aus)
Die COVID-19-Pandemie hatte im Allgemeinen erhebliche Auswirkungen auf die Durchführung des Programms. Die meisten für 2020 geplanten Schulungen wurden entweder auf 2021 verschoben oder fanden, soweit dies möglich war, online statt. Die meisten Finanzierungsverträge wurden verlängert, sodass die Empfänger ihre Projekte durchführen können.
Die Empfänger der im Rahmen des Programms „Hercule III“ in den Jahren 2017–2019 gewährten Finanzhilfen haben große Erfolge vermeldet, die auch dank der im Rahmen des Programms finanzierten Ausrüstung und Schulungen zustande kamen.
5.3.Einnahmen auf EU-Ebene
5.3.1.Das Mehrwertsteuer-Paket für den elektronischen Handel
Aufgrund der COVID-19-Krise hatten Mitgliedstaaten und Unternehmen Schwierigkeiten, die Anpassung ihrer IT voranzubringen, die für die Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr ab dem 1. Januar 2021 notwendig ist. Die Einführung des Mehrwertsteuer-Pakets für den elektronischen Handel wurde daher um sechs Monate verschoben. Die für den elektronischen Handel geltenden Zollregelungen wurden ebenfalls angepasst, um eine reibungslose Einführung der Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr zu ermöglichen.
Die Kommission nahm im September 2020 den Aktionsplan für den Ausbau der Zollunion an, in dem sie Maßnahmen in Antwort auf die Herausforderungen des elektronischen Handels und zur Intensivierung der Bekämpfung von Mehrwertsteuer- und Zollbetrug, z. B. Unterbewertung, falsche Bezeichnung von Waren und falsche Ursprungserklärungen, vorschlägt.
Am 18. Februar 2020 nahm der Rat ein Legislativpaket an, wodurch Zahlungsdienstleister verpflichtet werden, Informationen zu grenzüberschreitenden Zahlungen mit Ursprung in den EU-Mitgliedstaaten und zum Zahlungsempfänger dieser grenzüberschreitenden Zahlungen zu übermitteln. Nach diesem Paket müssen Zahlungsdienstleister, die Zahlungsdienste in der EU anbieten, die Zahlungsempfänger von grenzüberschreitenden Zahlungen überwachen und über Empfänger die mehr als 25 grenzüberschreitende Zahlungen im Vierteiljahr erhalten, Informationen an die Behörden der EU-Mitgliedstaaten übermitteln.
Diese Informationen werden dann in einer europäischen Datenbank, dem zentralen elektronischen Zahlungsinformationssystem (CESOP), gebündelt und den Betrugsbekämpfungsexperten in den EU-Mitgliedstaaten über das Eurofisc-Netzwerk zur Verfügung gestellt. Mit dieser neuen Maßnahme soll den Steuerbehörden der EU-Mitgliedstaaten das richtige Instrument zum Aufspüren möglichen Mehrwertsteuerbetrugs im elektronischen Handel durch Verkäufer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder außerhalb der EU an die Hand gegeben werden.
Die Übermittlung von Informationen ist ab 1. Januar 2024 vorgesehen.
5.3.2.Bekämpfung von Zollbetrug
Die COVID-19-Pandemie hat starke Auswirkungen auf den Zoll, der seine Kernaufgaben trotz der schwierigen Situation erfüllen musste. Anfang Februar 2020 eröffnete die Kommission im Zollrisikomanagementsystem eine Krisenwarnung, um den Austausch risikobezogener Informationen im Zusammenhang mit COVID-19 zu straffen und zu bündeln. Die EU-Mitgliedstaaten waren sehr aktiv und der Informationsaustausch erreichte ein außergewöhnliches Niveau.
Im Mai 2020 gab die Kommission Leitlinien zur Priorisierung von Risiken für Zollkontrollen heraus, die vorläufige Maßnahmen zur Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten vorsahen. In den Leitlinien werden die größten Risiken beschrieben, die je nach Auswirkung der Krise auf die betroffenen Länder vorrangig zu bearbeiten sind.
Die Kommission führt vor Ort oder aus der Ferne Überwachungs- und Kontrollbesuche durch, um die korrekte Anwendung der Zoll- und TEM-Vorschriften sicherzustellen. Werden die Zusammenarbeit und der Fortschritt bei der Beseitigung noch bestehender Probleme für unzureichend befunden, kommen Abhilfemaßnahmen zur Anwendung.
Wie bereits im Bericht über den Schutz der finanziellen Interessen 2019 dargelegt, wurden solche Abhilfemaßnahmen von der Kommission bereits gegenüber dem Vereinigten Königreich im Hinblick auf unterbewertete Textilien und Schuhwaren aus China angewandt (siehe
Momentaufnahme 1
). Die Kommission ergriff 2020 weitere Schritte, um ähnliche in allen EU-Mitgliedstaaten aufgetretene TEM-Verluste zu beziffern. Sie versandte an die Mitgliedstaaten vorläufige Berechnungen zu den potenziellen TEM-Verlusten im Zusammenhang mit der Einfuhr möglicherweise unterbewerteter Textilien und Schuhwaren aus China in ihr Hoheitsgebiet. Außerdem bezifferte die Kommission potenzielle TEM-Verluste im Hinblick auf die Umgehung von Antidumpingzöllen auf Solarmodule und informierte die betroffenen EU-Mitgliedstaaten.
5.3.3.Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen
Die Bekämpfung des illegalen Tabakhandels ist ein wichtiger Bestandteil der EU-Politik zum Schutz der finanziellen Interessen der EU. Im Jahr 2020 führte die Kommission die Umsetzung des zweiten Aktionsplans zur Bekämpfung des illegalen Tabakhandels fort. Die meisten wichtigen Maßnahmen waren bis Ende des Jahres entweder eingeleitet oder abgeschlossen. Innerhalb der Union unterstützte die Kommission die EU-Mitgliedstaaten bei der Einführung des neuen Rückverfolgbarkeitssystems für Tabak, das 2019 eingeführt wurde. Im Bereich Analyse und Informationsbeschaffung und auswertung wurden beträchtliche Fortschritte erzielt. So bearbeitete das unabhängige Tabaklabor im Jahr 2020 über 150 Anfragen. Eine Studie zur Ermittlung einer Methodik zur Messung des illegalen Tabakmarktes wurde 2020 abgeschlossen und Anfang 2021 veröffentlicht.
Seit dem Inkrafttreten des Protokolls zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Tabakerzeugnissen (FCTC-Protokoll) 2018 ist das OLAF in enger Zusammenarbeit mit den Kommissionsdienststellen und den EU-Mitgliedstaaten ein aktiver Akteur auf multilateraler Ebene. Die Internationale Zusammenarbeit konzentrierte sich auf die Sicherung der Lieferkette für Tabakerzeugnisse. Das OLAF agiert im Hinblick auf das für November 2021 geplante zweite Treffen der Vertragsparteien als treibende Kraft für die Arbeitsgruppe „Verfolgung und Rückverfolgung“. Außerdem stellt das OLAF sein Fachwissen als aktives Mitglied der Arbeitsgruppe „Unterstützung und Zusammenarbeit“ zur Verfügung.
5.4.Einnahmen auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten
Einige EU-Mitgliedstaaten haben für einen besseren Schutz der EU-Einnahmen bestimmte Maßnahmen ergriffen, die in
Tabelle 4
aufgeführt sind.
Tabelle 4 – Von den EU-Mitgliedstaaten 2020 im Hinblick auf die Einnahmen ergriffene Maßnahmen
Mitgliedstaat
|
Beschreibung
|
Einnahmenbereich
|
Belgien
|
Nationaler Einsatzplan 2020
|
Zoll- und Steuerbetrug
|
Estland
|
Betrugsbekämpfung im Bereich Treibstoffe
|
Zölle
|
Griechenland
|
Maßnahmen zur Verringerung des Schmuggels
|
Zoll- und Steuerbetrug
|
Italien
|
Umsetzung von Kontrollregelungen in Anwendung des Beschlusses (EU) 2020/491
|
Zölle
|
Kroatien
|
Verstärkte Kontrollen am Hafen von Rijeka
|
Zölle
|
|
Umsetzung des allgemeinen Systems zur Prüfungsunterstützung in der kroatischen Steuerverwaltung
|
Steuerbetrug
|
Lettland
|
Registrierung von Webseiten und mobilen Anwendungen im gewerblichen Personenverkehr
|
Steuerbetrug
|
|
Lotteriekontrollen
|
Steuerbetrug
|
|
Segmentierung der Steuerzahler
|
Zoll- und Steuerbetrug
|
Litauen
|
Gemeinsame Aktion JAD HANSA
|
Zoll- und Steuerbetrug
|
Niederlande
|
Verhinderung von Zollbetrug im Zusammenhang mit COVID-19
|
Zölle
|
Portugal
|
Umsetzung der gemeinsamen finanziellen Risikokriterien und -standards (FRC)
|
Zölle
|
|
Verbindung des automatischen Auswahlsystems und des Systems für die Einfuhr geringwertiger Waren (elektronischer Handel)
|
Zölle
|
Slowenien
|
Aktualisierung der slowenischen Risikoanalyse
|
Zoll- und Steuerbetrug
|
Tschechien
|
Beschleunigung des Verfahrens zur Festlegung einer Zollschuld
|
Zölle
|
Ungarn
|
Plan 2021 für nachträgliche Kontrollen
|
Zoll- und Steuerbetrug
|
5.5.Ausgaben auf EU-Ebene
Die Annahme des Ausgabenpakets für den EU-Haushalt 2021–2027 und für NGEU geht mit den notwendigen Bestimmungen für die Sicherstellung eines ausreichenden Schutzes der finanziellen Interessen der EU einher.
5.5.1.Rechtsstaatlichkeit – Konditionalität
Mit der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates wurde eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der EU eingeführt.
Ziel dieser Verordnung ist der Schutz des EU-Haushalts vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, die die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union oder den Schutz ihrer finanziellen Interessen hinreichend unmittelbar beeinträchtigen (oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen). Sie ist daher für den EU-Haushalt relevant. Auf der Grundlage dieser Verordnung kann die Kommission dem Rat angemessene Maßnahmen zum Schutz des EU-Haushalts oder der finanziellen Interessen der EU vorschlagen, wie zum Beispiel die Aussetzung oder Einstellung von Zahlungen, das Verbot neuer rechtlicher Verpflichtungen und Finanzkorrekturen. Die Verordnung ergänzt andere durch das EU-Recht eingeführte Verfahren zum Schutz des EU-Haushalts wie die Ermittlungen des OLAF und der EUStA. Die Kommission wird weiterhin alle zur Verfügung stehenden Instrumente für den wirksamen Schutz des EU-Haushalts nutzen, darunter z. B. das Früherkennungs- und Ausschlusssystem, Kontrollen und Prüfungen oder Finanzkorrekturen. Ab 2021 setzt die Kommission den Konditionalitätsmechanismus ein, wenn sie der Ansicht ist, dass andere Instrumente nicht mehr reichen, um den EU-Haushalt wirksam zu schützen.
Im Juli 2021 veröffentlichte die Kommission ihren zweiten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit, in dem die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der EU insgesamt zusammengefasst und eine Bewertung der Lage in jedem einzelnen EU-Mitgliedstaat gegeben wird. Im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit werden sowohl positive als auch negative Entwicklungen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Mitgliedstaaten beobachtet. Der Bericht deckt vier Themenbereiche ab: (i) das Justizsystem, (ii) den Rahmen für die Korruptionsbekämpfung, (iii) Medienpluralismus und (iv) Medienfreiheit sowie sonstige institutionelle Aspekte in Zusammenhang mit dem System von Kontrolle und Gegenkontrolle. Er ist ein von der Verordnung über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union unabhängiges Instrument und eine wichtige Informationsquelle für die Kommission.
5.5.2.Der EU-Haushalt 2021–2027
Der Rechtsrahmen, der derzeit im Hinblick auf den EU-Haushalt 2021–2027 entwickelt wird, bringt einige wesentliche Änderungen und Vereinfachungen in der Verwaltung der EU-Mittel. Dies gilt insbesondere für die ESI-Fonds mit:
·einer Erhöhung der Zahlungen, die an Leistung statt an Kosten geknüpft sind,
·einer verstärkten Nutzung vereinfachter Kostenoptionen und Pauschalfinanzierungen.
Mit der Genehmigung des EU-Haushalts 2021–2027 ist auch die Festlegung bestimmter Regelungen für jedes Ausgabenprogramm erforderlich. Es wurden genaue Bestimmungen zur Betrugsbekämpfung vereinbart, um sicherzustellen, dass die erforderlichen Rechte und Zugänge für den zuständigen Anweisungsbefugten gewährt werden, das OLAF und der Rechnungshof ihre jeweiligen Aufgaben umfassend erfüllen können und an der Ausführung von EU-Mitteln beteiligte Dritte gleichwertige Rechte gewähren. Im Falle des OLAF müssen diese Rechte das Recht zur Durchführung von Untersuchungen einschließlich Kontrollen und Überprüfungen vor Ort gemäß der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 umfassen.
Diese Bestimmungen gelten auch für Länder außerhalb der EU, die sich an EU-Programmen beteiligen.
5.5.3.Aufbau- und Resilienzfazilität
Nach dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität vom Mai 2020 veröffentlichte die Kommission im September 2020 für die Mitgliedstaaten Leitlinien für die Ausarbeitung der Aufbau- und Resilienzpläne, die nach einer politischen Einigung zwischen dem Parlament und dem Rat im Dezember 2020 aktualisiert wurden.
Im Juli und im Dezember 2020 unterstreicht der Europäische Rat die Bedeutung, die der wirtschaftlichen Haushaltsführung und dem Schutz der finanziellen Interessen der Union für dieses neue Instrument zukommt.
Im Einklang mit der Aufbau- und Resilienzfazilitäts-Verordnung überprüft die Kommission im Rahmen der Bewertung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne, ob die EU-Mitgliedstaaten über interne Kontrollsysteme für die Verwaltung der Fazilität verfügen, mit denen sichergestellt wird, dass die erhaltenen Mittel im Einklang mit EU-Recht und nationalem Recht verwendet werden, und die insbesondere die Verhinderung, Feststellung und Berichtigung von Interessenkonflikten, Betrug, Korruption und Doppelfinanzierung ermöglichen.
Bei der Durchführung der Aufbau- und Resilienzfazilität haben die EU-Mitgliedstaaten eine wirtschaftliche Verwaltung dieser Mittel sicherzustellen und zu Unrecht gezahlte Beträge wieder einzuziehen. Die EU-Mitgliedstaaten haben insbesondere Daten über Endempfänger von Mitteln, Auftragnehmer, Unterauftragnehmer und wirtschaftliche Eigentümer nach standardisierten Datenkategorien zu Prüfungs- und Kontrollzwecken zu erheben und der Kommission, dem OLAF, dem EuRH und der EUStA gegebenenfalls den Zugang zu diesen Daten zu gewähren.
Die Kommission stellt den EU-Mitgliedstaaten ein Informations- und Überwachungssystem zur Verfügung, das auch ein gemeinsames Verfahren zur Datenauswertung und Risikobeurteilung für den Zugang zu den einschlägigen Daten und deren Analyse umfasst.
Den Zahlungsanträgen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität haben die EU-Mitgliedstaaten eine Verwaltungserklärung und eine Zusammenfassung der durchgeführten Prüfungen beizufügen, die unter anderem die dabei aufgedeckten Schwachstellen sowie die Abhilfemaßnahmen, die ergriffen wurden, enthält.
Nach der Auszahlung führt die Kommission risikobasierte Kontrollen durch.
Alles in allem wurde ein umfassendes Maßnahmenpaket für einen stärkeren Schutz der finanziellen Interessen der EU geschnürt, und in den ersten Monaten des Jahres 2021 haben die EU-Mitgliedstaaten eng mit der Kommission zusammengearbeitet, damit sich dies auch in den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen widerspiegelt, die im zweiten Quartal 2021 vorgelegt wurden. Die Kommission wird die Umsetzung dieser Pläne genau überwachen.
5.5.4.Technische Unterstützung über das Programm zur Unterstützung von Strukturreformen
Im Jahr 2020 wurde für eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Betrug über das Programm zur Unterstützung von Strukturreformen technische Unterstützung geleistet. Es wurden mit Behörden aus mehreren EU-Mitgliedstaaten Projekte eingeleitet, um
·für Bestechung bei internationalen Geschäftsabschlüssen zu sensibilisieren und Standards für ihre Bekämpfung zu setzen,
·einen Rahmen für die Risikobewertung und Verhaltenseinsichten für einen besseren Umgang mit Korruptionsrisiken zu entwickeln,
·die Koordinierung von Korruptionsverhütung und -aufdeckung zu verbessern,
·die Aufdeckung von Betrugsrisiken in Verbindung mit Finanzhilfen zu verbessern,
·die Umsetzung und Überwachung von Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in ihrer Wirksamkeit zu erhöhen.
5.6.Ausgaben auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten
Im Jahr 2020 ergriffen mehrere EU-Mitgliedstaaten Maßnahmen für einen besseren Schutz der Mittel aus dem EU-Haushalt, die in geteilter Mittelverwaltung ausgezahlt werden. Diese decken eine große Bandbreite an Initiativen ab und umfassen zum Beispiel Sektorstrategien, eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Stellen, eine verstärkte Bekämpfung von Korruption oder die Verhinderung von Interessenkonflikten. In
Tabelle 5
werden einige dieser Initiativen aufgeführt. Weitere Maßnahmen zu IT-Instrumenten zur Betrugsbekämpfung werden in Abschnitt 6.5 beschrieben.
Tabelle 5 – Von den EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2020 im Hinblick auf die Ausgaben ergriffene Maßnahmen
Mitgliedstaat
|
Maßnahme
|
Haushaltsbereich
|
Belgien
|
Maßnahmen zur Stärkung der Kontrollen
|
Kohäsionspolitik
|
|
Maßnahmen zur Stärkung der Integrität und Vermeidung von Interessenkonflikten
|
Landwirtschaft, Fischerei und Kohäsionspolitik
|
Bulgarien
|
Verordnung zur Festlegung von Unregelmäßigkeiten, die Finanzkorrekturen und den entsprechenden Prozentsatz der Korrekturen gemäß der Mittelverwaltung aus den ESI-Fonds rechtfertigen
|
Alle Ausgabenbereiche
|
Dänemark
|
Aktionsplan zur gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
|
Landwirtschaft
|
Deutschland
|
Betrugsbekämpfungsmaßnahmen (EFRE Nordrhein-Westfalen)
|
Kohäsionspolitik
|
Finnland
|
Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden bei der Betrugsbekämpfung im Rahmen der ESI-Fonds
|
Alle Ausgabenbereiche
|
Kroatien
|
Umsetzung einer Betrugsbekämpfungspolitik für operationelle Programme
|
Kohäsionspolitik
|
|
Betrugsbekämpfungsstrategie der dänischen Fischereibehörde
|
Fischerei
|
Luxemburg
|
Verwaltungsmaßnahmen zur Bekämpfung von Betrug
|
Kohäsionspolitik
|
Österreich
|
Prüfstrategie
|
Landwirtschaft, Fischerei, Kohäsionspolitik und Hilfsfonds für besonders Bedürftige
|
|
Verhinderung von Unregelmäßigkeiten durch eine hohe Dichte an Kontrollen
|
Kohäsionspolitik
|
Polen
|
Stärkung der Kontrollmechanismen und Mittel zur Überwachung von aus EU-Mitteln finanzierten öffentlichen Aufträgen durch Änderung der Vorschriften zur Kontrolle des öffentlichen Beschaffungswesens
|
Alle Ausgabenbereiche
|
|
Korruptionsbekämpfungspolitik im Amt für den Umbau und die Modernisierung der Landwirtschaft
|
Landwirtschaft
|
Portugal
|
Prüfung der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen, die im Rahmen der operationellen Programme für den Programmplanungszeitraum 2014–2020 verabschiedet wurden
|
Kohäsionspolitik
|
Slowakei
|
Einrichtung eines Betrugsbekämpfungsreferats im Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
|
Landwirtschaft
|
|
ISO-37001-Zertifikat – Managementsystem und Verhaltenskodex im Bereich Betrugsbekämpfung
|
Kohäsionspolitik
|
Slowenien
|
Zusammenarbeit in Verfahren vor nationalen Gerichten
|
Kohäsionspolitik
|
|
Maßnahmen des Amts für Agrarmärkte und ländliche Entwicklung
|
Landwirtschaft
|
Spanien
|
Kooperationsvereinbarungen zwischen den spanischen AFCOS und der Guardia Civil
|
Alle Ausgabenbereiche
|
|
Konsolidierung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen, regionalen und lokalen Betrugsbekämpfungsbehörden
|
Alle Ausgabenbereiche
|
Tschechien
|
Aktualisierung der Verfahren zur Prüfung von Eigentümerstrukturen und Interessenkonflikten
|
Kohäsionspolitik
|
Ungarn
|
Korruptionsbekämpfungspaket
|
Alle Ausgabenbereiche
|
6.Unregelmäßigkeiten, Betrugsfälle und Risiken
6.1.Von der Aufdeckung bis zum Risiko
Die finanziellen Interessen der EU werden beeinträchtigt durch:
·eine Verminderung der Mittel aus dem EU-Haushalt, die sich negativ auf die Möglichkeiten zur Finanzierung ihrer Politik auswirken,
·einen Anstieg der Kosten in Verbindung mit einer Ausgabe,
·eine Verschwendung von Ressourcen durch die Finanzierung von minderwertigen Projekten oder das Nichteintreten der erwarteten Ergebnisse,
·eine falsche Verwendung der Mittel zu anderen Zwecken als den ursprünglich vorgesehenen (der Empfänger oder das Projekt haben keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung).
Sind die negativen Auswirkungen auf den EU-Haushalt das Ergebnis eines Verstoßes gegen Bestimmungen, so handelt es sich um eine „Unregelmäßigkeit“. Bei vorsätzlichem Verhalten ist jede Handlung oder Unterlassung betreffend die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen oder das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht ein „Betrug“. Eine Unregelmäßigkeit kann also das Ergebnis einer fehlerhaften Auslegung einer Vorschrift sein, während Betrug das Ergebnis eines vorsätzlichen Verstoßes gegen eine Vorschrift ist.
Andere rechtswidrige Verhaltensweisen wie Bestechung oder Bestechlichkeit sowie die missbräuchliche Verwendung von EU-Mitteln oder Vermögenswerten durch einen unmittelbar oder mittelbar mit ihrer Verwaltung betrauten öffentlichen Bediensteten können ebenfalls den finanziellen Interessen der EU schaden.
Ein Betrug zulasten des EU-Haushalts kann ebenfalls durch die Begehung anderer Straftaten im Kontext einer Vortat begangen werden. Auch wenn er nicht im direkten Zusammenhang mit dem Schutz des EU-Haushalts steht, spielt der EU-Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hier eine Rolle.
Momentaufnahme 12 – Organisierte Kriminalität und Korruption
Die organisierte Kriminalität stellt eine Bedrohung der Europäischen Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und staatlichen Einrichtungen sowie der Wirtschaft als Ganzes dar. Kriminelle Vereinigungen sind in allen EU-Mitgliedstaaten präsent und nutzen ihre großen illegalen Gewinne, um die legale Wirtschaft und die öffentlichen Einrichtungen – unter anderem durch Korruption – zu unterwandern und so die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte zu schwächen und das Recht der Menschen auf Sicherheit sowie ihr Vertrauen in die staatlichen Behörden zu untergraben. Betrug wird für die organisierte Kriminalität zunehmend attraktiv.
Korruption ist ein zentraler Bestandteil der Arbeitsweise krimineller Vereinigungen. Nach den derzeitigen EU-Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, sowohl die Bestechung als auch die Bestechlichkeit von Amtsträgern unter Strafe zu stellen, angemessene Sanktionen einzuführen und sicherzustellen, dass Personen, die Beamte bestechen, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Im Jahr 2019 hat die EU neue Rechtsvorschriften zum Schutz von Hinweisgebern und zur Schaffung sicherer Kanäle für die Meldung korrupter Praktiken eingeführt. Im jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit wird die Lage in den EU-Mitgliedstaaten auch im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung untersucht.
Der auf EU-Ebene und auf nationale Ebene errichtete Kontrollrahmen (siehe Abschnitt 3.2.) soll dazu beitragen, diese Risiken zu verhindern, aufzudecken und abzumildern. Für die Verwaltung von etwa 80 % der Haushaltsausgaben und für die Erhebung nahezu aller Einnahmen tragen in erster Linie die Mitgliedstaaten Verantwortung. Die EU-Mitgliedstaaten sollen der Kommission Unregelmäßigkeiten (einschließlich möglicher Fälle von Betrug) melden, die sie aufgedeckt haben. Anhand dieser Meldungen („gemeldete Betrugsfälle“ bzw. „gemeldete Unregelmäßigkeiten“) kann die Kommission die häufigsten Betrugsrisiken und -muster ermitteln.
In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Trends bei der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen in der Vergangenheit, wie sie von den EU-Mitgliedstaaten gemeldet wurden, kurz vorgestellt. Diese Trends weisen auf Risiken hin, die für künftige Maßnahmen von Bedeutung sein könnten. In der Vergangenheit aufgedeckte Fälle geben Hinweise auf inhärente Risiken und Schwachstellen in den Verwaltungssystemen, die von Betrügern ausgenutzt wurden. Ohne Verbesserungen in der Prävention besteht die Gefahr, dass ähnliche Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle auch in Zukunft auftreten werden.
Momentaufnahme 13 – Aufdeckung von Betrugsfällen
Die Aufdeckung von Betrugsfällen gestaltet sich schwieriger als die Aufdeckung einer „einfachen“ Unregelmäßigkeit, bei der kein vorsätzlicher Betrugsversuch unternommen wird. Während letztere in der Regel auf eine Schwachstelle in der ersten Kontrollebene zurückzuführen ist, ist Betrug, selbst wenn er bestehende Schwächen ausnutzt, das Ergebnis einer besonderen Aktion, die Personen und/oder Organisationen in böswilliger Absicht und mit Methoden ausführen, deren Spannweite von sehr schlicht bis äußert komplex reicht.
Die Aufdeckung und Meldung von Betrugsfällen zeigen, dass das Kontrollsystem als Ganzes auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene funktioniert.
6.1.1.Mehrwertsteuerbetrug – „Study and Reports on the VAT Gap in the EU-28 Member States“ (Studie und Berichte zur MwSt-Lücke in den 28 EU-Mitgliedstaaten, veröffentlicht 2020)
Aufgrund von Steuerbetrug und unzureichender Steuersysteme entgehen den EU-Mitgliedstaaten Milliarden Euro an MwSt-Einnahmen. Die „MwSt-Lücke“ (die Differenz zwischen den erwarteten und den tatsächlichen MwSt.-Einnahmen) schadet den finanziellen Interessen der EU.
Im Jahr 2018 belief sich die MwSt-Lücke in den EU-Mitgliedstaaten auf insgesamt etwa 140 Mrd. EUR. Nach den Berechnungen der Kommission hat sich die MwSt-Lücke im Jahr 2019 wahrscheinlich verkleinert und könnte unter 130 Mrd. EUR bzw. 10 % der Mehrwertsteuergesamtschuld gefallen sein.
Im Einzelnen weichen die Ergebnisse der EU-Mitgliedstaaten noch immer sehr stark vom Medianwert aus dem Jahr 2018 ab, der bei 9,2 % liegt. In 21 Mitgliedstaaten verkleinerte sich die MwSt-Lücke; am stärksten in Ungarn (-5,1 %), gefolgt von Lettland (-4,4 %) und Polen (-4,3 %). Den größten Anstieg verzeichnete Luxemburg (+2,5 %), gefolgt von geringen Anstiegen in Litauen (+0,8 %) und Österreich (+0,5 %).
6.1.2.Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle bei den Einnahmen
Die Zahl der gemeldeten Fälle ist sowohl bei den betrügerischen als auch bei den nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die EU-Einnahmen im Vergleich zum Fünfjahresdurchschnitt zurückgegangen. Die Summe ist bei betrügerischen Unregelmäßigkeiten gestiegen und bei nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten gesunken.
Tabelle 6 – Einnahmen: von den nationalen Behörden aufgedeckte Unregelmäßigkeiten – traditionelle Eigenmittel
Haushalts-bereich
|
Betrügerische Unregelmäßig-keiten
|
Nicht betrügerische Unregelmäßig-
keiten
|
Aufdeckungs-quote bei Betrug
|
Aufdeckungs-quote bei Unregelmäßig-keiten
|
|
Anzahl
|
Mio.
EUR
|
Anzahl
|
Mio. EUR
|
%
|
%
|
Traditionelle Eigenmittel
|
451
|
108
|
4 003
|
382
|
0,43 %
|
1,54 %
|
Insgesamt scheint die Lage im Jahr 2020 weniger durch die COVID-19-Pandemie beeinträchtigt worden zu sein, als man hätte erwarten können. Die Veränderungen bei der Anzahl der gemeldeten Fälle betrügerischer und nicht betrügerischer Unregelmäßigkeiten sowie den damit verbundenen Summen liegt innerhalb des Rahmens der jährlichen Schwankungen (siehe Kasten rechts). Einige EU-Mitgliedstaaten waren jedoch stärker betroffen als andere (siehe Abschnitt 5.3.1).
Kontrollen durch Betrugsbekämpfungsdienste waren im Jahr 2020 die erfolgreichste Methode zur Aufdeckung von Betrugsfällen und der zugehörigen Schadensbeträge. Nachträgliche Kontrollen und Kontrollen zum Zeitpunkt der Überlassung waren fast genauso wichtig bei der Aufdeckung organisierter Zollumgehungen und neuer Betrugsmuster.
Die nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten sind hauptsächlich bei nachträglichen Zollkontrollen aufgedeckt worden. Etwa 43 % des geschätzten und festgestellten Schadensvolumens wurden während einer nachträglichen Kontrolle und 29 % im Rahmen einer Steuerprüfung aufgedeckt. Letztere hat 2020 als Methode zur Aufdeckung betrügerischer und nicht betrügerischer Unregelmäßigkeiten an Bedeutung gewonnen.
Momentaufnahme 14 – Die häufigsten Unregelmäßigkeiten und betroffenen Waren
Die meisten im Jahr 2020 gemeldeten betrügerischen und nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten zulasten der EU-Einnahmen beziehen sich auf Unterbewertung, falsche Zuordnung/Bezeichnung von Waren und Schmuggel. Die am meisten von Betrug und Unregelmäßigkeiten betroffenen Waren, sowohl in Bezug auf die Anzahl als auch auf das Schadensvolumen, waren Schuhwaren, Textilien, Fahrzeuge, elektrische Maschinen und Apparate.
6.1.3.Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle bei den Ausgaben
Über die letzten fünf Jahre ist die Zahl der gemeldeten (betrügerischen und nicht betrügerischen) Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die EU-Ausgaben für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 gesunken, während sie bei den Fällen in Bezug auf den EU-Haushalt 2014–2020 entsprechend den Durchführungszyklen gestiegen ist. Die in Bezug auf jährliche Ausgaben (Direktzahlungen an Landwirte und Marktunterstützungsmaßnahmen) gemeldeten Unregelmäßigkeiten sind stabil geblieben.
Tabelle 7 – Ausgaben: Im Jahr 2020 aufgedeckte Unregelmäßigkeiten nach Haushaltsbereich
Haushaltsbereich
|
Betrügerische Unregelmäßig-keiten
|
Nicht betrügerische Unregelmäßig-keiten
|
Aufdeckungs-quote bei Betrug
|
Aufdeckungs-quote bei Unregelmäßig-keiten
|
|
Anzahl
|
Mio. EUR
|
Anzahl
|
Mio.
EUR
|
%
|
%
|
Landwirtschaft
|
255
|
28,4
|
3 016
|
162,4
|
0,02 %
|
0,11 %
|
Entwicklung des ländlichen Raums
|
127
|
19,2
|
2 086
|
96,9
|
0,14 %
|
0,70 %
|
Unterstützung der Landwirtschaft
|
117
|
6,5
|
903
|
62,1
|
0,02 %
|
0,15 %
|
Beides/unklar
|
11
|
2,7
|
27
|
3,4
|
-
|
-
|
ESI-Fonds
|
281
|
225,1
|
2 297
|
490,2
|
0,40 %
|
0,88 %
|
Kohäsionsfond und EFRE
|
221
|
213,7
|
1 685
|
432,1
|
0,52 %
|
1,05 %
|
Sozialfonds
|
56
|
8,7
|
554
|
51,8
|
0,07 %
|
0,40 %
|
Fischereifonds
|
4
|
2,7
|
54
|
6,2
|
0,36 %
|
0,82 %
|
Sonstige
|
0
|
0
|
4
|
0,2
|
0,00 %
|
0,02 %
|
Heranführungs-hilfe
|
28
|
3,4
|
98
|
4,8
|
0,18 %
|
0,25 %
|
IPA I
|
17
|
2,9
|
49
|
3,7
|
entfällt
|
entfällt
|
IPA II
|
11
|
0,5
|
49
|
1,1
|
0,03 %
|
0,06 %
|
Direkte Ausgaben
|
41
|
9,1
|
1 285
|
53,2
|
0,03 %
|
0,28 %
|
INSGESAMT
|
605
|
266,0
|
6 696
|
710,6
|
0,19 %
|
0,51 %
|
Landwirtschaft – In den letzten fünf Jahren (siehe Kasten unten) lief die Meldung betrügerischer Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung des ländlichen Raums für den Zeitraum 2014–2020 zunächst nur schleppend an. Dies könnte ein Hinweis auf unzureichende Aufdeckungsbemühungen in den EU-Mitgliedstaaten sein. Im Programmplanungszeitraum 2007–2013 nahmen die gemeldeten Fälle wie erwartet ab. Bei der Unterstützung der Landwirtschaft (einschließlich Direktzahlungen an Landwirte und Marktstützungsmaßnahmen) lagen die gemeldeten Betrugsfälle auf einem stabilen Niveau.
Im Verhältnis zu den Zahlungen an die EU-Mitgliedstaaten scheint der Bereich Entwicklung des ländlichen Raums stärker von Betrug betroffen zu sein als die Direktzahlungen an Landwirte. Letztere sind anspruchsbasiert, und bestehende Systeme unterstützen die Verhinderung von Betrug.
Marktstützungsmaßnahmen umfassen zwar weniger Finanzmittel, jedoch sind die gemeldeten Betrugsfälle im Verhältnis zu den Zahlungen sogar noch höher als bei der Entwicklung des ländlichen Raums (siehe
Abbildung 14
). Die gemeldeten Fälle betreffen insbesondere nationale Stützungsprogramme im Weinsektor (Investitionsmaßnahmen, Absatzförderung vor allem auf Märkten außerhalb der EU, Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen) sowie den Obst- und Gemüsesektor (Beihilfen für Erzeugergruppierungen zur vorläufigen Anerkennung, insbesondere Investitionsmaßnahmen). Auch im Bereich „Absatzförderung“ scheint es ein erhöhtes Aufkommen von Betrug sowohl auf EU-Märkten als auch auf Märkten außerhalb der EU zu geben.
Abbildung 14 – Anteil der einzelnen Bereiche der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an den Zahlungen und den Schadensbeträgen durch Unregelmäßigkeiten (EU-27, 2020)
Momentaufnahme 15 – Landwirtschaft: am häufigsten aufgedeckte Unregelmäßigkeiten
Bei den Agrarausgaben besteht, wie in vielen anderen Ausgabenbereichen, das Risiko gefälschter Dokumente. Im Bereich Entwicklung des ländlichen Raums können Fälschungen zum Beispiel bei Rechnungen, Erklärungen zu angeblich neuen Betriebsmitteln (die aber in Wahrheit gebraucht sind), Angeboten im Rahmen der Beschaffung oder Angaben zur Einhaltung der Bedingungen für den Erhalt von Zahlungen auftreten. Bei den anderen Formen der Unterstützung der Landwirtschaft können Fälschungen zum Beispiel Rechnungen oder Pachtverträge oder Beihilfeanträge, z. B. mit falschen Angaben zur beihilfefähigen Fläche, Erfüllung der Voraussetzungen für die Hilfe usw., betreffen. Außerdem besteht das Risiko künstlich geschaffener Voraussetzungen. Beihilfeempfänger können zum Beispiel landwirtschaftliche Betriebe künstlich aufteilen und über mehrere, miteinander verbundene Unternehmen Beihilfe beantragen, um degressive Beihilfesätze oder Einschränkungen in Bezug auf Flächen oder Tiere zu umgehen. Im Bereich der Entwicklung des ländlichen Raums betrifft eine erhebliche Zahl an betrügerischen Unregelmäßigkeiten die unvollständige Umsetzung der Maßnahme. Dies ist ein Indikator für große Risiken in diesem Bereich. Im Bereich der Marktstützungsmaßnahmen wurden in mehreren Fällen hohe Schadensbeträge im Zusammenhang mit Interessenkonflikten in Verbindung mit anderen Verstößen gemeldet, die die Absatzförderung betreffen und vom OLAF untersucht werden.
Kohäsions- und Fischereipolitik – In den letzten fünf Jahren sank die Zahl der aufgedeckten und gemeldeten betrügerischen und nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds: Kohäsionsfonds, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Europäischer Sozialfonds und Europäischer Fischereifonds) für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 entsprechend dem Durchführungszyklus (siehe Kasten rechts). Die für den Zeitraum 2014–2020 gemeldeten Unregelmäßigkeiten verzeichneten einen Anstieg. Bei den nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten fiel der Anstieg jedoch gering aus, und im Vergleich zum vorangegangenen Programmplanungszeitraum kam es sogar zu einem außergewöhnlichen Rückgang der aufgedeckten Unregelmäßigkeiten (und der damit verbundenen Schadensbeträge). Bei allen Fonds ist ein erheblicher Unterschied festzustellen, insbesondere jedoch beim Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
Momentaufnahme 16 – Kohäsions- und Fischereipolitik: am häufigsten aufgedeckte Unregelmäßigkeiten und betroffene Themenbereiche
Die meisten gemeldeten betrügerischen und nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten gibt es bei über die ESI-Fonds geförderten Projekten zu Forschung und technologischer Entwicklung, Innovation und Unternehmergeist. Die EU-Mitgliedstaaten melden eine steigende Zahl an betrügerischen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit. Auch im Hinblick auf Infrastrukturen für die Erbringung von Basisdienstleistungen für die europäischen Bürgerinnen und Bürger (zum Beispiel Energie, Umwelt, Verkehr und IKT) und auf soziale Infrastruktur, Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur werden mehr betrügerische Unregelmäßigkeiten gemeldet. Die höchsten Schadensbeträge im Zusammenhang mit nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten gibt es bei Infrastrukturprojekten, insbesondere bei TEN-V-Autobahnen und -Straßen.
Im Verhältnis zu den Zahlungen scheint die Fischereipolitik besonders von Betrugsfällen und Unregelmäßigkeiten betroffen zu sein. Maßnahmen für produktive Investitionen in der Aquakultur und Investitionen in Verarbeitung und Marketing gehören zu den Vorgängen mit den höchsten Risiken. Auch technische Hilfe und die Entwicklung neuer Märkte und Absatzförderungskampagnen scheinen anfällig zu sein.
In
Abbildung 15
werden die am häufigsten aufgedeckten Unregelmäßigkeiten bei im Programmplanungszeitraum 2014–2020 finanzierten Projekten aufgeführt. Dabei handelte es sich um folgende Arten von Unregelmäßigkeiten: fehlerhafte, fehlende, falsche oder gefälschte Nachweise, Verstoß gegen Vertragsbedingungen, Förderfähigkeit und Verstoß gegen das Vergaberecht. In 5 % der aufgedeckten Fälle kam es zu Verstößen in Bezug auf Ethik und Integrität und in 1 % der Fälle zu Verstößen in Bezug auf eine Doppelfinanzierung. Mit der verstärkten Nutzung vereinfachter Kostenoptionen verlagern sich die Risiken zur tatsächlichen und richtigen Umsetzung der Maßnahme. Dies gilt es in Kontrollstrategien mit zu bedenken.
Bei den nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten haben die Verstöße gegen das Vergaberecht den größten Anteil (siehe
Momentaufnahme 18
zu Risiken im Zusammenhang mit der öffentlichen Auftragsvergabe).
Abbildung 15 – Arten von Unregelmäßigkeiten, die im Programmplanungszeitraum 2014–2020 aufgedeckt wurden (betrügerische und nicht betrügerische Unregelmäßigkeiten)
Direkte Ausgaben – Die im Zusammenhang mit direkten Ausgaben der Kommission aufgedeckten betrügerischen Unregelmäßigkeiten haben seit 2016 abgenommen und waren in den letzten drei Jahren eher stabil. Bei den nicht betrügerischen Unregelmäßigkeiten wurden im Jahr 2020 die niedrigsten Zahlen gemeldet, sowohl im Hinblick auf die Anzahl der Fälle als auch auf die Schadensbeträge.
Momentaufnahme 17 – Direkte Ausgaben: am häufigsten aufgedeckte Unregelmäßigkeiten und betroffene Politikbereiche
Am häufigsten treten Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Förderfähigkeit von Ausgaben und der Untererfüllung/Nichterfüllung auf. Insbesondere bei betrügerischen Unregelmäßigkeiten treten Probleme mit den Nachweisen nach der Förderfähigkeit am zweithäufigsten auf.
Die im Jahr 2020 am meisten von Unregelmäßigkeiten betroffenen Politikbereiche waren Forschung und Innovation, Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien sowie internationale Zusammenarbeit und Entwicklung.
6.2.Zusätzliche Risiken für Unregelmäßigkeiten und Betrug im Jahr 2021 und darüber hinaus
Das Jahr 2020 war aufgrund der COVID-19-Pandemie ein außergewöhnliches Jahr in der der jüngeren Vergangenheit. Die Aufbau- und Resilienzfazilität verändert vor diesem Hintergrund auch die Risikolage. Neue Zielsetzungen und erhebliche Veränderungen in der Umwelt müssen rasche Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten und der Kommission zur Ermittlung und Bewertung zusätzlicher Risiken für Unregelmäßigkeiten und Betrug nach sich ziehen.
6.2.1.COVID-19-Risiken auf der Einnahmenseite
Das Jahr 2020 war durch die COVID-19-Pandemie und der starken Verringerung der Einfuhrströme geprägt. Der Handel innerhalb der EU-27 wurde schwer getroffen. Im Vergleich zu 2019 fielen die Einfuhren stark (-11,6 %). Der Rückgang der Einfuhrmenge und eine starke Verlagerung zum elektronischen Handel, verursacht durch die COVID-19-Pandemie, führten nicht nur zu weniger Zollanmeldungen und Abfertigungen, sondern auch zu Veränderungen beim Arbeitsvolumen und den Arbeitsmustern beim Zoll. Die Reaktionen der nationalen Behörden auf diese Herausforderungen und die Geschwindigkeit, mit der sich die Zollbehörden an die neuen Umstände anpassten, sind nur zum Teil vergleichbar, da sich die Lockdown-Regeln im Laufe des Jahres innerhalb der EU-Mitgliedstaaten und innerhalb bestimmter Regionen in einigen EU-Mitgliedstaaten sehr verändert haben.
Auf Grundlage der Gesamtzahlen scheint sich die Veränderung der insgesamt gemeldeten (betrügerischen und nicht betrügerischen) Unregelmäßigkeiten und der damit verbundenen Schadensbeträge jedoch innerhalb des Rahmens der jährlichen Schwankungen zu bewegen
und daher weniger durch die COVID-19-Pandemie beeinflusst zu sein. Dennoch scheinen die EU-Mitgliedstaaten während der COVID-19-Pandemies unterschiedlich stark von Zollbetrug betroffen gewesen zu sein. Die Aufdeckungsquoten
von Belgien, Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Ungarn, Polen, Slowenien und Schweden waren 2020 im Vergleich zu den vorangegangenen fünf Jahren am höchsten, während sie in Italien, den Niederlanden, Österreich, Portugal und der Slowakei am niedrigsten waren.
Bei Waren, die mit COVID-19 im Zusammenhang standen, wurde im Jahr 2020 ein leichter Anstieg der in Bezug auf Unregelmäßigkeiten gemeldeten Schadensbeträge festgestellt. Das gilt insbesondere für Waren wie Schutzkleidung. Die Analyse ergibt jedoch, dass die Auswirkungen von Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Waren im Zusammenhang mit COVID-19 im Jahr 2020 relativ niedrig sind (6 % aller im Jahr 2020 gemeldeten Unregelmäßigkeiten und 3 % der zugehörigen Schadensbeträge).
6.2.2.COVID-19-Risiken auf der Ausgabenseite
Durch die COVID-19-Pandemie mussten die EU-Organe und die EU-Mitgliedstaaten rasch Unterstützung aus dem EU-Haushalt als Reaktion auf die Krise bereitstellen und die erforderlichen Ressourcen und Flexibilität ermöglichen. Die EU hat strenge Vorschriften zum Schutz ihrer Haushaltsmittel vor Betrug. Betrüger passen ihre Tätigkeiten jedoch schnell an. Durch mehrere mit dem Ausbruch von COVID-19 verbundene potenzielle Risiken könnten neue Betrugsmöglichkeiten entstehen.
Zunächst bestehen Risiken im Hinblick auf das Notfallmanagement, das vereinfachte Verfahren erforderlich macht. Der Missbrauch vereinfachter Verfahren kann zu einer weniger wettbewerbsgerechten öffentlichen Auftragsvergabe und zur direkten Vergabe von Aufträgen führen, wodurch sich das Risiko von Interessenkonflikten und Korruption erhöht und Kontrollen erschwert werden. Notfallverfahren können zu einer geringeren Qualität der Ausschreibungsbedingungen führen und es Betrügern damit leichter machen, während der Durchführung die Kosten zu erhöhen oder die Qualität zu verringern. Für dringende Maßnahmen können nach ihrem Abschluss EU-Mittel außerhalb des Verwaltungs- und Kontrollrahmens für EU-Mittel bereitgestellt werden (rückwirkende Finanzierung). Die Dienste von Beratungsunternehmen können zwar eine große Hilfe sein, eine zu große Abhängigkeit von ihnen birgt jedoch auch Betrugsrisiken. Eine gestiegene Nachfrage sowie Unterbrechungen in Lieferketten in Krisenzeiten können zu Vertragsbeziehungen mit unzuverlässigen Vertragspartnern führen.
Weitere Risiken bestehen im Zusammenhang mit dem Druck auf die Behörden, die für die Verwaltung der EU-Mittel zuständig sind. Durch die COVID-19-Pandemie verursachte Verzögerungen in den laufenden operationellen Programmen, neue Anforderungen in Bezug auf die Auftragsvergabe im Notfall und der Beginn des nächsten Programmplanungszeitraums können Stressfaktoren darstellen, von denen Betrüger profitieren, die Netze von (Briefkasten-)Firmen nutzen, um dieselben Dienstleistungen in mehreren Projekten innerhalb unterschiedlicher Programme anzubieten (Risiko des Interessenkonflikts, der Doppelfinanzierung usw.), oder Kosten durch falsche Transaktionen innerhalb ihres Netzes in die Höhe treiben. Dieser Druck kann die Herausforderungen, die es bei der Beurteilung der Erklärungen von Antragstellern gibt, noch erhöhen und die Risiken überhöhter Kosten und die Gewährung von Mitteln für Unternehmen ohne finanzielle und operative Leistungsfähigkeit ansteigen lassen. Außerdem kann er zu einem geringeren Einsatz von Garantien oder einer Verringerung von Kontrollen und ihrer Qualität führen, die durch Reisebeschränkungen zusätzlich erschwert werden.
Ein weiteres Risiko kann darin bestehen, dass Empfänger sich zu Unrecht auf höhere Gewalt berufen, um die Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen bei der Umsetzung von Programmen zu rechtfertigen. Dies kann sogar betrügerische Insolvenzen erleichtern, wenn zu Unrecht vorgegeben wird, dass die Krise sie verursacht habe.
Diese Risiken beziehen sich auf das Jahr 2020 und erfordern eine Anpassung der Kontrollstrategien hinsichtlich der auf dem Höhepunkt der Gesundheitskrise durchgeführten Tätigkeiten. Aber sie bestehen auch im Jahr 2021 und darüber hinaus und erfordern Prävention durch spezielle risikomindernde Maßnahmen und gezielte Aktionen zur Aufdeckung zukünftiger Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle.
6.2.3.Risiken im Zusammenhang mit der Aufbau- und Resilienzfazilität
In der Verordnung (EU) 2021/241 werden insbesondere vier spezifische Risiken für die Aufbau- und Resilienzfazilität genannt, gegen die die EU-Mitgliedstaaten entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen: i) Betrug, ii) Korruption, iii) Interessenkonflikte und iv) Doppelfinanzierung.
Diese Risiken werden in der Verordnung als „gravierende Unregelmäßigkeiten“ bezeichnet.
Über die Aufbau- und Resilienzfazilität werden große Summen an Geld in einige EU-Mitgliedstaaten fließen, die bereits im Hinblick auf die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds über eine schwache Absorptionskapazität verfügen. Dies wird den Druck auf das Verwaltungs- und Kontrollsystem weiter erhöhen.
Die meisten EU-Mitgliedstaaten müssen neue IT-Instrumente zur Erhebung und Verwaltung von Informationen entwickeln, um die Aufbau- und Resilienzfazilität umsetzen zu können. Die Interoperabilität zwischen den unterschiedlichen Systemen der Mitgliedstaaten ist nicht garantiert.
Für die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität müssen die EU-Mitgliedstaaten ein wirksames und effizientes internes Kontrollsystem einsetzen und eine zuverlässige IT-Infrastruktur zur Erhebung folgender Daten bereitstellen:
a) Informationen über das Erreichen von Etappenzielen und Zielwerten
b) Standardisierte Kategorien von Daten (zu Endempfängern, Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und wirtschaftlichen Eigentümern)
Die Kommission stellt ein Informations- und Überwachungssystem zur Verfügung, das auch ein gemeinsames Verfahren zur Datenauswertung und Risikobeurteilung für den Zugang zu diesen Daten und Angaben und deren Analyse umfasst und das für die allgemeine Anwendung durch die EU-Mitgliedstaaten gedacht ist.
Die Kommission, das OLAF, der Rechnungshof und gegebenenfalls die EUStA können das Informations- und Überwachungssystem im Rahmen ihrer Mandate nutzen.
Momentaufnahme 18 – Schwerpunkt Gesundheitswesen
Nach dem Ausbruch von COVID-19 wurden die EU-Mittel zur Stärkung der nationalen Gesundheitssysteme erhöht und werden im nächsten Programmplanungszeitraum weiter aufgestockt, unter anderen im Rahmen der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne. Damit nehmen auch die Risiken zu. Schwachstellen gilt es zu ermitteln und Risiken abzuschwächen.
Projekte zur Verbesserung der Gesundheitsinfrastruktur sind komplex und erfordern die Beschaffung von Dienstleistungen, Arbeiten sowie medizinischer und anderer Ausrüstung. Die Risiken im Hinblick auf Unregelmäßigkeiten und Betrug beziehen sich generell auf (i) Wettbewerbsbeschränkung (durch die Einschränkung von Informationen, den Ausschluss oder die Abschreckung potenzieller Bieter, eine intransparente Auswahl oder Evaluierung, Absprachen), (ii) Änderungen an Verträgen nach der Auftragsvergabe, (iii) Defizite bei der Ausführung, (iv) in die Höhe schießende Kosten.
Im Hinblick auf Wettbewerbsbeschränkungen kann ein offenes Verfahren durch Unregelmäßigkeiten bei der Art, dem Inhalt und dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung, durch die alle potenziellen Bieter informiert werden sollen, untergraben werden. Dies kann das Ergebnis einer Unterbewertung des geschätzten Auftragswerts oder der künstlichen Aufspaltung von Aufträgen sein. Die Anzahl der potenziellen Bieter kann durch übermäßige oder diskriminierende Anforderungen an den Bieter unzulässig verkleinert werden. Des Weiteren können öffentliche Auftraggeber Arbeiten, Lieferungen oder Dienstleistungen in einem Auftrag zusammenfassen, die in der Regel von unterschiedlichen Wirtschaftsteilnehmern angeboten werden (künstliche Zusammenlegung). Eine andere missbräuchliche Praxis sind zu eng gefasste oder sich sogar auf eine bestimmte Marke beziehende technische Spezifikationen. Unklare oder sich ändernde Bedingungen können eine Teilnahme erschweren. Eine unzureichende Dokumentation des Bewertungsprozesses sowie vage oder nicht ordnungsgemäße Vergabekriterien können die Bewertung intransparent machen. Aufträge können an Wirtschaftsteilnehmer vergeben werden, die die Kriterien nicht erfüllen. Auf der anderen Seite kann der Ausschluss bestimmter Wirtschaftsteilnehmer ungerechtfertigt sein. Der Wettbewerb kann durch Absprachen, z. B. zwischen den Bietern oder zwischen Bietern und dem öffentlichen Auftraggeber, unterlaufen werden.
Verträge können nach der Auftragsvergabe geändert werden. Der Vertrag kann bereits bei der ersten Unterzeichnung von den Ausschreibungsbedingungen abweichen oder während der Ausführung geändert werden. Wären die Änderungen bereits in den Ausschreibungsbedingungen enthalten gewesen, hätten andere Wirtschaftsteilnehmer bessere Angebote machen und gewinnen können. Außerdem können diese Änderungen dem Wirtschaftsteilnehmer zusätzliche Gewinne bescheren, und zwar aufgrund günstigerer/weniger Materialien oder weniger Arbeiten zum selben Preis oder aufgrund zusätzlicher Lieferungen oder Arbeiten zu einem höheren Preis. Bestehende Verträge können ergänzt werden, oder an den aktuellen Auftragnehmer können unrechtmäßig zusätzliche Aufträge direkt oder nach einem Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Vergabebekanntmachung vergeben werden.
Defizite bei der Ausführung können unterschiedliche Formen annehmen, mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheitseinrichtungen. Sie können mit Dokumenten einhergehen, die der tatsächlichen Ausführung vor Ort nicht entsprechen. Unregelmäßigkeiten können auch auftreten, wenn die Ausgaben nicht zu den erwarteten Verbesserungen bei der Erbringung von Gesundheitsdiensten führen. So kann es passieren, dass der Empfänger die durch das Projekt finanzierte medizinische Ausrüstung nicht oder selten nutzt oder dass Ausrüstung entgegen den Zielen der Förderung zu gewerblichen Zwecken genutzt wird.
Für medizinische Ausrüstung können überhöhte Preise gezahlt werden. Erstattungsanträge können Kosten für nicht förderfähige Lieferungen oder Tätigkeiten enthalten. Das Projekt kann nur neue medizinische Ausrüstung umfassen, während in Wirklichkeit nicht förderfähige gebrauchte Ausrüstung (zu einem erhöhten Preis, der eigentlich für Neuwaren üblich ist) erworben wird. Ein weiteres potenzielles Risiko ist die Doppelfinanzierung.
7.Instrumente zur Stärkung der Betrugsbekämpfung
Die Kommission setzt bei der Bewältigung der Herausforderungen der COVID-19-Pandemie und den neuen Möglichkeiten zur EU-Mittelverwaltung auf ihre bestehenden Instrumente und entwickelt neue Instrumente.
7.1.ARACHNE
Die Kommission fördert die Nutzung von ARACHNE, einem integrierten IT-Instrument zur Datenauswertung und Datenanreicherung. Es wurde von der Kommission zur Unterstützung der Verwaltungsbehörden bei ihren administrativen Kontrollen und Prüfungen im Bereich der Strukturfonds (Europäischer Sozialfonds und Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) entwickelt. Es wird mittlerweile auch für Projekte im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) verwendet und wird nach der GAP-Reform bei allen Agrarfonds zum Einsatz kommen.
ARACHNE erstellt eine umfassende Datenbank von EU-Projekten, die im Rahmen von Fonds durchgeführt werden und zu denen die Verwaltungsbehörden und Zahlstellen Informationen übermitteln, und reichert die Daten um öffentlich zugängliche Informationen mit dem Ziel an, anhand von Risikoindikatoren Projekte, Begünstigte, Verträge und Auftragnehmer zu ermitteln, bei denen Risiken wie Betrug, Interessenkonflikte und Unregelmäßigkeiten vorliegen könnten.
Das Instrument liefert wertvolle Risikowarnungen für eine zielgerichtetere Durchführung von Verwaltungsprüfungen, jedoch keinerlei Nachweis von Fehlern, Unregelmäßigkeiten oder Betrug. ARACHNE kann die Effizienz der Projektauswahl sowie von Verwaltungsprüfungen steigern und die Ermittlung, Verhütung und Aufdeckung von Betrugsfällen erleichtern.
Im Hinblick auf die in Abschnitt 6 dargelegten Risiken kann eine allgemeine und systematische Nutzung von Instrumenten wie ARACHNE die Bekämpfung von Betrug, Unregelmäßigen, Interessenkonflikten und Doppelfinanzierung beschleunigen.
7.2.Das Früherkennungs- und Ausschlusssystem (EDES)
Die Europäische Kommission verwaltet das Früherkennungs- und Ausschlusssystem (EDES). Auf das EDES wird in den Artikeln 135 bis 145 der für den EU-Haushalt geltenden Haushaltsordnung Bezug genommen. Es ist ein Instrument zur Stärkung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU vor unzuverlässigen Einrichtungen und Personen durch den Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern von Vergabeverfahren für EU-Mittel in der direkten oder indirekten Mittelverwaltung. Zu den verbotenen Praktiken gehören zahlreiche, die professionelle Integrität beeinträchtigende Verhaltensweisen (z. B. Betrug, Korruption und schwere Verfehlungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit) sowie schlechte Leistungserfüllung (wie erhebliche Defizite bei der Umsetzung von Verträgen).
Das EDES ermöglicht insbesondere:
·die frühzeitige Ermittlung von Einrichtungen oder Personen, die eine Gefahr für die finanziellen Interessen der EU darstellen,
·den Ausschluss solcher Wirtschaftsteilnehmer von der Gewährung von EU-Mitteln in der direkten oder indirekten Mittelverwaltung sowie die Verhängung von finanziellen Sanktionen,
·die Eintragung der vorstehend aufgeführten Informationen in die EDES-Datenbank, auf die die mit der Ausführung der Unionsmittel betrauten Finanzakteure Zugriff erhalten,
·in den schwerwiegendsten Fällen, die mit einem Ausschluss belegt wurden, die Veröffentlichung der Namen der betroffenen Einrichtungen oder Personen auf der Internetseite der Kommission.
Das EDES ermöglicht eine zentralisierte Bewertung von Ausschlusssituationen und schützt dabei gleichzeitig die Grundrechte der betroffenen Personen und Einrichtungen, insbesondere deren Anspruch auf rechtliches Gehör.
Die Einzigartigkeit und Stärke des EDES liegt in der Befugnis, die den Organen und Einrichtungen der EU gegeben wird, „in Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- bzw. bestandskräftige Verwaltungsentscheidung“ tätig zu werden. Die Verhängung von Sanktionen kann sich auf festgestellte „Fakten und Erkenntnisse“ aus in der Verantwortung des zuständigen Anweisungsbefugten durchgeführten Prüfungen oder Kontrollen, auf Ergebnisse von OLAF-Untersuchungen oder auf nicht endgültige verwaltungsrechtliche Entscheidungen nationaler Behörden oder internationaler Organisationen gründen.
Die Entscheidung zur Verhängung einer Sanktion gegen unzuverlässige Wirtschaftsteilnehmer kann vom zuständigen Anweisungsbefugten nur nach Erhalt einer förmlichen Empfehlung des zentralen interinstitutionellen Gremiums getroffen werden.
7.3.Das Projekt GetI
Ziel des Projekts GetI ist eine Stärkung der Analysekapazität des Personals des OLAF, das an operationellen und an strategischen Aufgaben arbeitet, indem die Zugänglichkeit und Visualisierung von Informationen sowie die Schnelligkeit und Flexibilität bei der Abfrage von Daten verbessert werden.
In den letzten Jahren hat sich aufgrund unterschiedlicher Datenformate und der Menge an unstrukturierten Daten ein Bedarf an einer Umgebung sowie Instrumenten und Funktionen, die die analytische Arbeit erleichtern, entwickelt. Mit GetI sollen dank einer Sammlung von quelloffener und kommerzieller Software viele zeitaufwendige Aufgaben automatisiert werden. Dabei sollen moderne Technologien wie zum Beispiel künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen.
7.4.Nationale IT-Instrumente zum Schutz der finanziellen Interessen der EU
Die EU-Mitgliedstaaten teilten im Jahr 2020 die Entwicklung mehrerer IT-Tools (siehe
Tabelle 8
) zur Stärkung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU mit, die insbesondere im Hinblick auf die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und den neuen Möglichkeiten der EU-Mittelverwaltung wichtig sind.
Tabelle 8 – Von den EU-Mitgliedstaaten 2020 eingesetzte IT-Instrumente
Mitgliedstaat
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Instrument
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Haushaltsbereich
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Bulgarien
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Nutzung einer zentralen elektronischen Plattform für die öffentliche Auftragsvergabe
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Alle Ausgabenbereiche
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Dänemark
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Zusammenführen von Daten zur Ermittlung von Fällen der Doppelfinanzierung
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Kohäsionspolitik
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Deutschland
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Selbstbewertung des Betrugsrisikos im Rahmen der ESF- und EFRE-Programme des Bundes
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Kohäsionspolitik
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Estland
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Start einer Webseite mit Informationen und Meldungen zur Cyberkriminalität
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Horizontale Maßnahme
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Verbesserung des Registers für das öffentliche Beschaffungswesen
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Alle Ausgabenbereiche
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Litauen
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Erwerb von Analysesoftware und Hardware zur Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
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Horizontale Maßnahme
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IT-Werkzeuge und Regulierungsmaßnahmen
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Landwirtschaft
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Niederlande
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Verbesserte digitale Anwendung für Subventionen
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Landwirtschaft
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Instrument zur Risikobeurteilung: Auswahl von betrugsanfälligen Losen
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Landwirtschaft
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Rumänien
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Digitalisierte Kontrollen der für die ESI-Fonds zuständigen Stellen für effizientere Kontrollen im öffentlichen Beschaffungswesen
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Kohäsionspolitik
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Schweden
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Verbesserte Statistiken zum Beschaffungswesen
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Alle Ausgabenbereiche
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Spanien
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Direkter Zugriff von AFCOS auf die Datenbanken der spanischen Sozialversicherung
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Alle Ausgabenbereiche
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Tschechien
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Aktualisierung der Verfahren zur Prüfung von Eigentümerstrukturen und Interessenkonflikten
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Kohäsionspolitik
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Ungarn
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Einsatz von ARACHNE und EDES
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Kohäsionspolitik und Hilfsfonds für besonders Bedürftige
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8.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Die durch COVID-19 verursachte Gesundheitskrise hatte große wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf unser Leben und wird sie weiterhin haben. Die Antwort der EU in Form der im nächsten EU-Haushalt und im Rahmen von NextGenerationEU bereitgestellten Mittel ist der größte Aufbauplan für Europa seit dem Marshallplan.
Die Betrugsbekämpfungsarchitektur der EU zum Schutz des Geldes der EU-Steuerzahler wurde modernisiert und stützt sich auf:
·die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbefugnisse der EUStA,
·die Koordinierung durch Eurojust,
·die Analysekapazitäten von Europol,
·ein reformiertes und für die Zusammenarbeit mit der EUStA und die Durchführung noch effektiverer Untersuchungen mit neuen Instrumenten ausgestattetes OLAF.
Eine enge und effektive Zusammenarbeit mit nationalen Behörden ist erforderlich, während sich diese auf die neuen Risiken und neuen Möglichkeiten der Verwaltung von EU-Mitteln einstellen. Die Verwaltung der Aufbau- und Resilienzfazilität und eines großen Teils der Ausgabenprogramme für den Zeitraum 2021–2027 erfolgt leistungsbasiert, und die EU-Mitgliedstaaten werden mehr Verantwortung tragen.
Diese außerordentlichen Veränderungen sprechen nicht für ein „Weiter so wie bisher“. Damit sich Europa von der Krise erholen kann, braucht es verstärkte Anstrengungen und Maßnahmen und eine erneuerte und gemeinsame europäische Vision für die Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der EU gerichteten rechtswidrigen Handlungen.
Diese Vision könnte auf folgenden Elementen aufbauen:
·effizientere Erhebung und Nutzung von Daten, unter voller Ausnutzung der Möglichkeiten, die IT-Interkonnektivität und Instrumente zur Datenauswertung und Risikobewertung bieten, Einsatz europaweiter Instrumente – dies würde die Effizienz noch weiter erhöhen und Risikobereiche wirksamer ins Visier nehmen,
·mehr Transparenz für Empfänger (einschließlich Auftragnehmer, Unterauftragnehmer und wirtschaftlicher Eigentümer) im Hinblick auf öffentliche (europäische und nationale) Finanzmittel,
·besser koordinierte, ganzheitliche Bemühungen zur Betrugsbekämpfung auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten, gestützt auf die Ausarbeitung und Umsetzung nationaler Betrugsbekämpfungsstrategien,
·mehr Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden sowie zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den EU-Einrichtungen.
Die EU-Mitgliedstaaten, die sich noch nicht an der EUStA beteiligen, sollten dies in Erwägung ziehen.
Die EU-Mitgliedstaaten, die noch keine nationale Betrugsbekämpfungsstrategie aufgestellt haben, sollten dies in Erwägung ziehen. Bereits aufgestellte nationale Strategien, die noch nicht an die neuen großen Risiken angepasst sind, sollten rasch aktualisiert werden.
Einnahmen
Die Zollpolitik der EU und der Mitgliedstaaten trug im Jahr 2020 wesentlich zur Antwort der EU auf COVID-19 bei, mit der reibungslose Handelsströme für die europäischen Bürgerinnen und Bürger sichergestellt und die finanziellen Interessen der EU geschützt werden konnten. Einige EU-Mitgliedstaaten waren bei der Anpassung ihrer Kontrollmaßnahmen schneller und flexibler. Die Unterschiede auf nationaler Ebene, die unterschiedliche Dauer der Ausgangsbeschränkungen sowie länderspezifische Herausforderungen wirkten sich auf die Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten zur Anpassung an die harte Realität des Jahres 2020 aus.
Damit die Zollunion und die Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten optimal arbeiten können, in Krisenzeiten flexibel und belastbar bleiben und Probleme besser antizipiert werden, müssen jetzt alle Möglichkeiten ausgelotet werden, mit denen sich dies sicherstellen lässt. Dazu gehört in erster Linie auch eine größere Verfügbarkeit und Nutzung von Daten und Datenanalysen zu Zollzwecken sowie die Entwicklung geeigneter Instrumente für Prognosen und ein gemeinsames Krisenmanagement. Daher bedarf es weiterer Schritte hin zu einer Risikobewertung, standardisierten Kontrollen und einer EU-weiten sowie internationalen Koordination und Zusammenarbeit bei der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten, da Betrug und die Ausbreitung bestimmter Betrugsmechanismen nicht an nationalen Grenzen Halt machen.
Empfehlungen
Die EU-Mitgliedstaaten sollten die Risiken und Defizite der nationalen Zollkontrollstrategien, die sich in der COVID-19-Pandemie gezeigt haben, auswerten und gewonnene Erkenntnisse sowie ergriffene Abhilfemaßnahmen berichten, um:
- die Flexibilität bei Zollkontrollen zu erhöhen,
- die möglichen Folgen zukünftiger unerwarteter Ereignisse abzumildern,
- einheitliche Kontrollen innerhalb der EU durchzuführen.
Des Weiteren sollten die Mitgliedstaaten die finanziellen Risiken auswerten, die 2020 möglicherweise nicht ausreichend angegangen wurden, und Pläne zur Durchführung angemessener Zollkontrollen an den Stellen aufstellen, wo Zollkontrollen aufgrund von Ausgangsbeschränkungen gestrichen oder verschoben werden mussten, z. B. Kontrollen vor Ort bei Wirtschaftsteilnehmern oder Warenkontrollen vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr.
Ausgaben
Risiken können nur dann eingedämmt werden, wenn sie zuvor festgestellt wurden. Werden Möglichkeiten zur Risikoerkennung nicht genutzt, schwächt dies die EU-Mitgliedstaaten und setzt sie ungeschützt den Risiken aus, sowohl im Hinblick auf deren Auswirkungen als auch im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens. Es ist daher unter den aktuellen Umständen von entscheidender Bedeutung, dass die EU-Mitgliedstaaten eingehende und gezielte Risikobewertungen vornehmen. Dies trägt zur Stärkung der Regeln für interne Kontrollrahmen bei.
Empfehlung
Sofern sie es noch nicht getan haben, sollten die EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Auswirkungen von COVID-19 und die bevorstehende Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität ein gezieltes Risikomanagement einführen.
Dabei spielt Transparenz eine entscheidende Rolle, wenn es um die Verwendung öffentlicher Ressourcen geht. Sie dient nicht nur der Abschreckung, sondern bezieht auch die Zivilgesellschaft mit ein und trägt somit zum Vertrauen der Steuerzahler in die Verwaltung öffentlicher Gelder durch die Behörden bei.
Ein wesentlicher Bestandteil der Betrugsbekämpfung ist die Datenanalyse zur Ermittlung verdächtiger Transaktionen. Die Datenanalyse wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.
Empfehlung
Die Art und Weise, wie zugrunde liegende Daten sowie Daten zu aufgedeckten Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen erhoben und verwendet werden, muss weiter verbessert werden. Die Kommission wird das Berichterstattungssystem für Unregelmäßigkeiten weiterentwickeln. Nationale Behörden müssen belastbare Qualitätsdaten bereitstellen.
Im Bereich Datenauswertung und Risikobeurteilung würde ein europaweites IT-Instrument:
·die Erhebung und Überwachung von Daten für die Kommission erleichtern und der Ermittlungsarbeit des OLAF, der EUStA und den nationalen Strafverfolgungsbehörden insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen enorm zugutekommen,
·der Kommission, dem OLAF und den EU-Mitgliedstaaten mehr Möglichkeiten i) zur Analyse von Risikomustern und -trends, ii) zur Identifizierung risikobehafteter Empfänger und iii) zum Ausschluss unzuverlässiger Empfänger von EU-Finanzmitteln einräumen.
Empfehlung
Alle EU-Mitgliedstaaten sollten das integrierte und interoperable Informations- und Überwachungssystem nutzen, dass die Kommission für die Aufbau- und Resilienzfazilität und den EU-Haushalt zur Verfügung stellt.