EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 30.11.2020
COM(2020) 766 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
über die erste kurzfristige Überprüfung der Geoblocking-Verordnung
{SWD(2020) 294 final}
Zusammenfassung
·Die Geoblocking-Verordnung verbietet die ungerechtfertigte Diskriminierung von Kunden, die Waren oder Dienstleistungen erwerben. Sie stellt sicher, dass die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz oder der Ort der Niederlassung der Kunden nicht als Grund dafür verwendet werden dürfen, den Zugang zu einem Online-Geschäft (z. B. für Elektronik oder Bekleidung) oder zu einer Dienstleistung zu verweigern, die online angeboten und außerhalb des Internets genutzt wird (z. B. Autovermietung), auch wenn diese Diskriminierung mit Zahlungsmitteln zusammenhängt.
·Diese Vorschriften gelten seit dem 3. Dezember 2018. Die Verordnung war Teil des Maßnahmenpakets für den digitalen Binnenmarkt, das für den elektronischen Handel vereinbart wurde. Weitere damit verbundene Maßnahmen zur Erleichterung des grenzüberschreitenden elektronischen Handels umfassten neue Vorschriften für grenzüberschreitende Paketzustelldienste (die seit Mai 2018 gelten), überarbeitete Verbraucherschutzvorschriften und neue Mehrwertsteuervorschriften für Online-Verkäufe von Waren und Dienstleistungen. Im Laufe des Jahres 2022 wird eine Reihe neuer Verbraucherschutzvorschriften in Kraft treten, wogegen die Mehrwertsteuervorschriften bereits im Juli 2021 in Kraft treten werden.
·In diesem Bericht zieht die Kommission eine Bilanz der ersten Phase der Umsetzung der Geoblocking-Verordnung. Eine solche frühzeitige Überprüfung wurde in den Verhandlungen vereinbart, unter anderem um die Möglichkeit einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf andere Dienstleistungen wie urheberrechtlich geschützte Inhalte zu prüfen. Die Überprüfung wurde allerdings mitten im Ausbruch der COVID-19-Krise abgeschlossen, sodass die möglichen Auswirkungen der Pandemie bei den Daten und der Analyse der Überprüfung nicht berücksichtigt werden konnten.
·Was die bisherige Umsetzung anbelangt, so hat die Kommission ein gutes Verbraucherbewusstsein und einige anfängliche positive Auswirkungen festgestellt. So ist beispielsweise die Sperrung des Zugangs zu Websites/der Registrierung auf Websites – sowie die Weiterleitung von Verbrauchern auf andere Websites – zurückgegangen. Andererseits gab es erhebliche Verzögerungen bei der Ermächtigung von Durchsetzungsstellen seitens der meisten Mitgliedstaaten. Darüber hinaus zögern Anbieter nach wie vor, grenzüberschreitende Lieferoptionen anzubieten, was nicht Teil der derzeit durch die Verordnung auferlegten Verpflichtungen ist. In dieser Hinsicht sind in naher Zukunft Verbesserungen zu erwarten, insbesondere wenn alle Maßnahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt im elektronischen Handel in Kraft treten und die Berechenbarkeit der Rechtslage verbessert wird.
·Was die Möglichkeit betrifft, den Anwendungsbereich der Verordnung, insbesondere für urheberrechtlich geschützte Online-Inhalte, jetzt auszudehnen, so deuten die in dem Bericht vorgelegten Daten darauf hin, dass die Auswirkungen je nach Art der Inhalte, in Abhängigkeit von der Nachfrage der Verbraucher und der Verfügbarkeit der Inhalte in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU variieren würden. So könnte die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf Musik-Streaming sogar negative Auswirkungen auf das Wohl der Verbraucher haben, da die Preise in bestimmten Mitgliedstaaten, in denen diese Dienste derzeit kostengünstiger sind, steigen könnten. In dem Bericht werden potenzielle Vorteile aufgezeigt, insbesondere für audiovisuelle Inhalte, deren Verfügbarkeit häufig auf nationale Hoheitsgebiete begrenzt ist und deren Zugang häufig dem Geoblocking unterliegt. In dem Bericht werden jedoch auch mögliche Herausforderungen für Investitionen in die Produktion von Inhalten, die Auswirkungen auf das Ökosystem und das Wohlergehen des Sektors insgesamt aufgezeigt, die noch eingehender bewertet werden müssen. Insgesamt würden die Auswirkungen einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung weitgehend von der Praxis der Lizenzierung von Urheberrechten und von urheberrechtlichen Erwägungen abhängen.
·Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Kommission der Auffassung, dass die vollen Auswirkungen der Verordnung erst mit der Zeit sichtbar werden, wenn die Durchsetzung verstärkt wird, andere einschlägige Maßnahmen (im Zusammenhang mit dem elektronischen Handel) in Kraft treten und die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die verschiedenen betroffenen Sektoren in vollem Umfang bewertet werden können. In der Zwischenzeit sollte der Schwerpunkt der Folgemaßnahmen auf einer weiteren Überwachung und Sensibilisierung liegen, während gleichzeitig die Maßnahmen in den Bereichen Durchsetzung und Orientierungshilfen verstärkt werden.
·Insbesondere in Bezug auf audiovisuelle Inhalte wird die Kommission einen Dialog mit den Interessenträgern aufnehmen, um die Verbreitung hochwertiger Inhalte in der gesamten EU zu fördern. Dies könnte im Rahmen der europäischen Branchen- und Wiederaufbaupolitik für die Medien und die Kreativwirtschaft erfolgen, die im kommenden Aktionsplan für audiovisuelle und andere Medien näher erläutert wird.
·Dementsprechend sollte für 2022 eine weitere Bestandsaufnahme geplant werden. Das Ergebnis dieser Beobachtung wird ausschlaggebend dafür sein, ob die Kommission dann in Erwägung ziehen wird, Änderungen der Verordnung oder andere Folgemaßnahmen vorzuschlagen, einschließlich geeigneter gesetzgeberischer Maßnahmen.
1.Einführung
In einem wirklich vernetzten digitalen Binnenmarkt erwarten die Verbraucher einen nahtlosen grenzüberschreitenden Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Seit dem 3. Dezember 2018 verbietet die Geoblocking-Verordnung (im Folgenden: „die Verordnung“) eine ungerechtfertigte Diskriminierung von Kunden (Verbraucher und Unternehmen, die als Endnutzer einkaufen) bei Online-Käufen ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder des Ortes ihrer Niederlassung. Dazu gehören Fälle, in denen ein Kunde, der grenzüberschreitend einkauft, daran gehindert wird, den Kaufvorgang abzuschließen, oder aufgefordert wird, mit einer Debit- oder Kreditkarte aus einem bestimmten Land zu zahlen. Ziel der Verordnung war es, die Möglichkeiten für Verbraucher und Unternehmen, grenzüberschreitend einzukaufen, zu verbessern: Die Verbraucher sollten in der Lage sein, überall in der EU wie ein Ortsansässiger einzukaufen.
Die Verordnung sah eine kurzfristige Überprüfung nach Ablauf von 18 Monaten nach ihrem Inkrafttreten vor; diese Überprüfung sollte eine Bewertung der Durchführbarkeit einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung umfassen, insbesondere für Online-Dienste für die Bereitstellung des Zugangs zu urheberrechtlich geschützten Inhalten wie Musik, Videospielen, Filmen oder E-Books.
Der vorliegende Bericht enthält die wichtigsten Feststellungen der Kommission für die erste Phase der Umsetzung der Verordnung. Er ist in drei Hauptabschnitte gegliedert. In Abschnitt 2 werden die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten und Anbieter sowie die sich ändernden Verbrauchererwartungen erörtert. In Abschnitt 3 werden die Chancen und Herausforderungen einer Änderung des Anwendungsbereichs der Verordnung erörtert. In Abschnitt 4 wird abschließend eine Reihe von Folgemaßnahmen aufgeführt.
Die beigefügte Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen enthält detailliertere Belege und Analysen zur Untermauerung dieser Feststellungen.
2.Umsetzung der Verordnung
Dieser Abschnitt enthält: i) erste Erkenntnisse über die Umsetzung der Verordnung durch die Mitgliedstaaten; ii) einige allgemeine Trends hinsichtlich Bewusstsein und Erwartungen der Verbraucher; und iii) Einzelheiten zur Umsetzung der Verordnung durch Anbieter. Ferner werden die Synergien mit anderen einschlägigen Gesetzesinitiativen zusammengefasst, die bereits in Kraft getreten sind oder demnächst in Kraft treten.
2.1.Umsetzung durch die Mitgliedstaaten
Für die Fälle, in denen es zu Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter kommt, waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis zum 3. Dezember 2018 eine oder mehrere Stellen zu benennen, die für die praktische Unterstützung der Verbraucher zuständig sind. Außerdem sollten sie die Verfügbarkeit von Unterlassungsklagen und die Zusammenarbeit im Rahmen des CPC-Netzes für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz sichergestellt haben. Im CPC-Netz kommen Behörden zusammen, die für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze in der EU zuständig sind. Die Mitgliedstaaten waren ferner verpflichtet, die zuständigen Stellen zu ermächtigen und Maßnahmen zu treffen, um eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung zu gewährleisten, damit gegen Anbieter vorgegangen werden kann, die gegen die Vorschriften verstoßen.
Der Umsetzungsprozess durch die Mitgliedstaaten wurde generell durch Verzögerungen gebremst. Bis Dezember 2018 hatten nur sechs Mitgliedstaaten die für die Durchsetzung der Verordnung benannten Maßnahmen und Stellen erlassen und gemeldet. Nach sorgfältiger Überwachung und Kontrolle durch die Kommission haben die meisten Mitgliedstaaten diese Maßnahmen im Frühjahr 2019 angenommen. Bis Juli 2019 hatten sechs Mitgliedstaaten die bei einem Verstoß der Verordnung anzuwendenden Durchsetzungsmaßnahmen immer noch nur unvollständig oder nur teilweise mitgeteilt. Die Kommission hat in diesen Fällen Verletzungsverfahren eingeleitet.
Die Rechte und Pflichten aus der Verordnung gelten unmittelbar und wurden von diesen Verzögerungen nicht berührt. Im ersten Quartal 2019 gab es jedoch in den meisten Mitgliedstaaten keine behördliche Durchsetzung oder Aufsicht.
Unter den Mitgliedstaaten, die die zuständigen Stellen benannt haben, entschieden sich die meisten dafür, Verbraucherschutzbehörden als Durchsetzungsstellen und europäische Verbraucherzentren als Unterstützungsstellen zu ermächtigen. Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen jedoch große Unterschiede bei den einschlägigen Geldbußen und häufig gibt es innerhalb eines Mitgliedstaats eine große Bandbreite zwischen Mindest- und Höchststrafen. In Bezug auf Fälle von Geoblocking zwischen Unternehmen verteilen sich die Mitgliedstaaten fast gleichmäßig auf zwei verschiedene Ansätze: entweder ausschließlich private Rechtsdurchsetzung durch Gerichte; oder eine Kombination aus privater und öffentlicher Rechtsdurchsetzung. Die Wirksamkeit der Sanktionierungs- und Durchsetzungssysteme, insbesondere in Fällen zwischen Unternehmen, muss daher eingehender geprüft werden, auch um die praktische Anwendung und Wirksamkeit der gerichtlichen Rechtsbehelfe zu bewerten.
2.2.Verbraucherbewusstsein und Verbrauchererwartungen
Als eine der wichtigsten Initiativen im Bereich des elektronischen Handels im Rahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt erhielt die Verordnung von den Verbrauchern und ihren Vertretungsorganisationen große Aufmerksamkeit. Einer der Gründe dafür ist, dass die Verordnung den Verbrauchern unmittelbar spezifische Rechte gegenüber grenzüberschreitend tätigen Anbietern einräumt.
Außerdem führte die Kommission lange bevor die Verordnung in Kraft trat auf verschiedenen Wegen Sensibilisierungsmaßnahmen durch. Eine dieser Maßnahmen war die Erstellung von Frage- und Antwortdokumenten, um Fragen sowohl für Verbraucher als auch für Anbieter zu klären.
Dies führte dazu, dass im Februar 2019, nur wenige Monate nach Inkrafttreten der Verordnung, etwa 50 % der Verbraucher in der EU bereits Kenntnis von der Verordnung hatten. Etwa die Hälfte der Personen, die Kenntnis von der Verordnung hatten, war zudem der Ansicht, dass sie hinreichend über ihre Bedeutung informiert war.
Dennoch haben die ersten Monate der Umsetzung durch die nationalen Durchsetzungs- und Unterstützungsstellen gezeigt, dass die Verbraucher bei Streitigkeiten und Problemen häufig höhere Erwartungen an die jeweiligen Rechte und Pflichten haben. Besonders hoch waren diese Erwartungen in Bezug auf die Verweigerung der grenzüberschreitenden Lieferung oder das Fehlen von Lieferoptionen für bestimmte Länder, insbesondere bei multinationalen Anbietern. Verpflichtungen in diesen Bereichen waren in der Verordnung nicht vorgesehen. Die Kommission schlägt vor, die Sensibilisierung für die Verordnung fortzuführen und gleichzeitig die generelle Vertriebspraxis der Anbieter und die Auswirkungen dieser Praxis auf die Wahlmöglichkeiten, die der Öffentlichkeit in der gesamten EU zur Verfügung stehen, weiter zu überwachen.
2.3.Anwendung durch die Anbieter
In den ersten Monaten der Anwendung der Verordnung hat die Kommission die Vertriebspraktiken der Anbieter durch eine Testkauferhebung und durch Rückmeldungen von Durchsetzungs- und Unterstützungsstellen überwacht.
In einer Testkauferhebung werden zahlreiche Versuche unternommen, Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend zu kaufen, um Daten über praktische Beschränkungen zu sammeln. In einer typischen Erhebung werden die Erfahrungen der Kunden beim grenzüberschreitenden Einkauf in verschiedenen Phasen des Einkaufsprozesses untersucht. Eine Grundlagenerhebung im Jahr 2015 bildete die Basis für die Folgenabschätzung des ursprünglichen Verordnungsvorschlags.
Die Erhebung aus dem Jahr 2019, die etwa 9000 Websites umfasste, zeigte erste positive Auswirkungen der Verordnung hinsichtlich der Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zu Händler-Websites. Im Vergleich zu 2015 waren die Umleitung und die Verweigerung des Zugangs zu Websites des elektronischen Handels zurückgegangen, während Beschränkungen, die die Registrierung auf Websites vollständig verhindern, um die Hälfte verringert wurden. Automatische Preisänderungen nach der Registrierung sind ebenfalls zurückgegangen. Insgesamt ist die Erfolgsquote für den Abschluss eines grenzüberschreitenden Kaufs im Vergleich zu 2015 leicht gestiegen.
Allerdings scheiterten mehr als einer von zehn grenzüberschreitenden Testkaufversuchen in der Registrierungsphase, und ein vergleichbarer Anteil scheiterte in der Zahlungsphase. Dies war in der Regel auf Anforderungen an den Wohnsitz oder an den Zahlungsort zurückzuführen (z. B. Annahme ausschließlich lokal ausgestellter Debitkarten). Es besteht nach wie vor die Notwendigkeit, diese Hindernisse zu beseitigen, die: i) diskriminierend sein können; ii) zu verzerrten Ergebnissen führen können; und/oder iii) den Zugang zu und den Vergleich von Angeboten verhindern können. Diese Beseitigung muss durch voll funktionsfähige Durchsetzungs- und Unterstützungsstellen in allen Mitgliedstaaten angegangen werden.
Die ersten Erfahrungen von Stellen, die zur Lösung von Geoblocking-Problemen befugt sind, bestätigen diese Daten. Häufig können die aufgetretenen Probleme durch „gütliche“ Interventionen nationaler Behörden und/oder Unterstützungsstellen bei dem Anbieter gelöst werden. Das zeigt, dass einige Anbieter ihre Verpflichtungen nicht unbedingt kennen oder sich nicht ausreichend darauf vorbereitet haben, ihre Vertriebsstrategie bis zum Inkrafttreten der Verordnung für grenzüberschreitende Kunden anzupassen, dass sie aber bereit waren, sich anzupassen, nachdem sie darauf hingewiesen worden waren.
Diese Ergebnisse untermauern auch die Notwendigkeit weiterer Orientierungshilfen für die Umsetzung und zusätzlicher Sensibilisierungskampagnen, um die Einhaltung der Vorschriften durch die Anbieter zu fördern. Erste Informationen, die von den nationalen Stellen eingeholt wurden, zeigen auch den Nutzen der Zusammenarbeit zwischen den Behörden innerhalb des CPC-Netzes. Diese Zusammenarbeit erleichtert die grenzüberschreitende Durchsetzung, gewährleistet aber auch eine einheitliche Auslegung der Vorschriften mit Unterstützung der Kommission.
Die Verordnung verpflichtet die Anbieter nicht zu grenzüberschreitenden Lieferungen, wenn dies in den geltenden Geschäftsbedingungen nicht vorgesehen ist. Der Einkaufsprozess wird jedoch häufig in einer der letzten Phasen gestoppt, weil der Anbieter nicht in das Land des Käufers liefert, sodass beim Wunsch einer grenzüberschreitenden Lieferung nur einer von drei grenzüberschreitenden Einkaufsversuchen bei den kürzlich durchgeführten Testkäufen erfolgreich war.
Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass beim grenzüberschreitenden Einkauf nach wie vor Lieferbeschränkungen bestehen. Solche Beschränkungen gelten immer noch für mehr als 50 % der Einkaufsversuche, selbst bei multinationalen Anbietern, die verschiedene nationale Versionen ihrer Websites anbieten.
Obwohl diese Probleme derzeit nicht direkt in der Verordnung behandelt werden, können sie die Erwartungen der Verbraucher enttäuschen, dass Angebote im gesamten europäischen Binnenmarkt zugänglich sind. Andererseits stoßen Online-Anbieter nach wie vor auf administrative Hindernisse (z. B. Anforderungen an die Umsatzsteuerregistrierung) und sind sich über die Anforderungen an den Verbraucherschutz bei grenzüberschreitenden Verkäufen im Unklaren. Diese Probleme können Anbieter daher von einer aktiveren grenzüberschreitenden Verkaufstätigkeit abhalten.
Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich ist, um die angestrebte Wirkung der Verordnung in vollem Umfang zu erzielen. Ein solcher Ansatz würde einen besseren grenzüberschreitenden Zugang für Verbraucher fördern und gleichzeitig die grenzüberschreitende Verkaufstätigkeit von Anbietern erleichtern. Diese Aspekte werden im nächsten Abschnitt näher erläutert.
2.4.Synergien mit dem weiter gefassten Rahmen des digitalen Binnenmarkts
Die Maßnahmen für den digitalen Binnenmarkt erleichtern es Anbietern, Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend zu verkaufen, indem sie die Komplexität und die Kosten, insbesondere für KMU, verringern.
Hierzu gehören Maßnahmen, die auf Folgendes abzielen: i) die Senkung der Verwaltungskosten für die Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften für grenzüberschreitende Verkäufe von Waren, insbesondere die Aufhebung der Registrierungspflicht für Unternehmen, die Fernverkäufe von Waren oder Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige in Mitgliedstaaten erbringen, in denen sie nicht ansässig sind (gilt ab Juli 2021); ii) die weitere Harmonisierung der Verbraucherschutzvorschriften, einschließlich der Abhilfemöglichkeiten für fehlerhafte Waren (ab 2022); iii) die Stärkung der Zusammenarbeit bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts (ab Januar 2020); und iv) die Verbesserung der Regulierungsaufsicht über grenzüberschreitende Paketzustelldienste wie auch der Transparenz der Tarife für die Paketzustellung (ab Mai 2018). Die Kommission ist entschlossen, weitere grenzüberschreitende Hindernisse zu ermitteln und zu beseitigen.
Die vollständige und wirksame Durchführung der oben genannten Maßnahmen wird die Wirkung der Verordnung beeinflussen, da sie den Anbietern eine größere Rechtssicherheit bieten und einige der Hindernisse beseitigen, die dazu führen, dass die Anbieter zögern, grenzüberschreitend an Verbraucher zu verkaufen. Folglich wird es leichter sein, die Wirksamkeit der Verordnung und die Notwendigkeit etwaiger Anpassungen vor dem Hintergrund der allgemeinen Marktgegebenheiten zu beurteilen, sobald andere Maßnahmen, die im Rahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt angenommen wurden, vollständig umgesetzt sind und Wirkung zeigen.
In der Zwischenzeit können auch innerhalb des sich entwickelnden Rechtsrahmens die potenziellen diskriminierenden Auswirkungen von Praktiken bestimmter Anbieter, die nicht unmittelbar in der Verordnung behandelt werden, einer Einzelfallprüfung gemäß der allgemeinen Nichtdiskriminierungsklausel der Dienstleistungsrichtlinie unterzogen werden, wie etwa die absichtliche Beschränkung von Lieferoptionen für bestimmte Produkte oder Websites in Ländern, die der Anbieter anderweitig bedient, ohne dass eine objektive Begründung vorliegt. Daher können weitere Orientierungshilfen zu dieser Klausel und ihren Verbindungen mit der Verordnung erforderlich sein.
3.Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung
3.1.Elektronisch erbrachte Dienstleistungen, die Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten ermöglichen
Für Dienstleistungen, die den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken ermöglichen (z. B. Dienstleistungen, die Zugang zu Musik, Videos, Spielen oder Filmen geben), wurden in der Überprüfungsklausel der Verordnung einige besondere Aspekte festgelegt, die zu berücksichtigen sind. Insbesondere sieht die Verordnung vor, dass die Bewertung einer etwaigen Ausdehnung des Anwendungsbereichs voraussetzt, dass ein Anbieter, der solche Werke grenzüberschreitend zugänglich macht, über die „erforderlichen Rechte für die betreffenden Hoheitsgebiete“ verfügt. Dies bedeutet, dass Verbraucher nur dann auf Dienste für Online-Inhalte in anderen Mitgliedstaaten zugreifen dürfen, wenn der Diensteanbieter über die Rechte für ihr Hoheitsgebiet verfügt. Dieser Ansatz entspricht weitgehend der Interventionslogik der Verordnung und lässt das Urheberrecht unberührt. Er geht jedoch nicht auf die Frage ein, was unter den „erforderlichen Rechten“ zu verstehen ist, insbesondere dann, wenn ein Anbieter auf unaufgeforderte Ersuchen von Kunden in anderen Mitgliedstaaten reagiert (sogenannte „passive Verkäufe“). Dies ist ein wichtiges Thema, da die konkreten Auswirkungen einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Geoblocking-Verordnung von den Lizenzierungspraktiken und den möglichen Auslegungen der „erforderlichen Rechte“ abhängen würden.
In diesem Bericht werden einige Trends, Chancen und Herausforderungen aufgezeigt, die sich aus einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf diese Dienste (einschließlich audiovisueller und nicht audiovisueller Inhalte) ergeben würden; diese Trends, Chancen und Herausforderungen wurden anhand der Hinweise in der Überprüfungsklausel, einschließlich der Bedingung der „erforderlichen Rechte“, bewertet. Der Bericht stützt sich auf verschiedene analytische Studien und Datenquellen, die in der begleitenden Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen weitergehend analysiert wurden. Folgende Aspekte werden analysiert: i) die Erwartungen/Forderungen der Verbraucher; ii) mögliche Auswirkungen auf Vielfalt und Preise für die Verbraucher; und iii) Auswirkungen auf verschiedene Sektoren. Außerdem werden Regulierungs- und Lizenzierungsrahmen sowie dynamische Effekte berücksichtigt, die allesamt für komplexe und sich rasch entwickelnde Kreativindustrien von besonderer Bedeutung sind. Da sich die verfügbaren Daten auf den Zeitraum vor dem Ausbruch der COVID-19-Krise beziehen, konnten die Auswirkungen dieser Krise auf die Branche der urheberrechtlich geschützten Inhalte in der Analyse nicht berücksichtigt werden.
Musik
Die Daten zeigen, dass die Erwartungen und das Interesse der Verbraucher an grenzüberschreitenden Musikinhalten gestiegen sind, obwohl die inländische Nutzung in der EU nach wie vor überwiegend dominiert. Auf abonnementbasierte Geschäftsmodelle entfallen inzwischen 85 % der Einnahmen im Musiksektor. Eine Reihe EU-weiter Anbieter sowie einige wenige nationale Anbieter sind in allen Mitgliedstaaten aktiv und bieten umfangreiche Kataloge an. Insbesondere EU-weite Anbieter haben umfangreiche Kataloge mit Überschneidungen des Angebots zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten von mehr als 90 %. Anders ausgedrückt gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Vielfalt der Auswahl. Die bestehenden Geoblocking-Praktiken in der Branche dienen daher hauptsächlich der Umsetzung von Preisdifferenzierungsstrategien zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und folgen einem einheitlichen Muster auf der Grundlage von Faktoren wie unterschiedlicher Nachfrage und Kaufkraft.
Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass der Preis die Hauptmotivation für den Wechsel von Verbrauchern zwischen verschiedenen Diensten ist. Wenn der Anwendungsbereich der Verordnung ausgedehnt würde, wären die bestehenden Preisdifferenzierungsstrategien daher weniger haltbar, und eine Abwanderung in großem Maßstab hin zu kostengünstigeren Versionen derselben Dienstleistung, die in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wird, könnte potenziell erhebliche Auswirkungen auf die Einnahmen aus Musik-Streamingdiensten haben. Die Anbieter würden wahrscheinlich mit einer Harmonisierung der Preise und möglicherweise mit einer Differenzierung der in verschiedenen Ländern angebotenen Dienste reagieren.
Auf der Grundlage der verfügbaren Daten erscheinen die Gesamtauswirkungen einer stärkeren Harmonisierung der Preise auf die Dynamik und das Wohlergehen (von Unternehmen wie auch Verbrauchern) zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar. Ein möglicher Preisrückgang in Ländern mit hoher Nachfrage (und ein Anstieg der Nutzung in diesen Ländern) kann durch Preiserhöhungen und Nutzungsrückgänge in Ländern mit geringer Nachfrage mehr als ausgeglichen werden. Diese Auswirkungen scheinen durch zusätzliche Belege für strukturelle Unterschiede zwischen den Ländern in der Union in Bezug auf die Entwicklung des Sektors untermauert zu werden, und diese strukturellen Unterschiede haben Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Export und die grenzüberschreitende Nutzung von Musik.
E-Books
Die Nachfrage nach dem grenzüberschreitenden Zugang zu E-Books scheint im Vergleich zu anderen Inhaltediensten gering zu sein. Die Marktstruktur weist eine Mischung aus wenigen EU-weiten Plattformen sowie vielen kleineren nationalen und regionalen Buchhändlern/Vertriebshändlern auf, die E-Books trotz geringerer Nachfrage und geringerer Gewinnspannen häufig als Ergänzung zu ihren physischen Verkäufen anbieten.
Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf E-Books könnte möglicherweise zu einer erheblichen Zunahme der über Grenzen hinweg zugänglichen Artikel einzelner Kataloge für bestimmte Anbieter in spezifischen Ländern (z. B. zu einer Steigerung von bis zu 40 % in wenigen Ländern für den iTunes-Katalog) und zu einem besseren Zugang zu kleineren/nationalen Buchhändlern führen. Es ist jedoch nicht klar, ob dies tatsächlich die effektive Vielfalt einzelner Titel vergrößern würde, die bereits über verschiedene Anbieter/Versionen von EU-weiten und nationalen Buchhandlungen zur Verfügung stehen.
Die Nachfrage der Verbraucher in diesem Sektor ist durch eine relativ hohe Sensibilität gegenüber der Sprache und eine relativ geringe Preissensibilität gegenüber ausländischen Dienstleistungen gekennzeichnet. Zusammen mit den begrenzteren Auswirkungen der Preisunterschiede in diesem Sektor und der Nichtausschließlichkeit von Katalogen (die bereits auf nationaler Ebene über verschiedene Anbieter verfügbar sind) untermauert dies die Feststellung, dass eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung positive, wenn auch wahrscheinlich begrenzte Auswirkungen auf die Verbraucher haben könnte, hauptsächlich aufgrund begrenzter Preissenkungen. Darüber hinaus verfügen einige nationale Märkte über Rechtsvorschriften zur Festsetzung von Buchpreisen, was diese Auswirkungen weiter begrenzen und gleichzeitig die Befolgungskosten erhöhen könnte.
Angesichts der Struktur der Branche dürften sich die negativen Auswirkungen (durch einen stärkeren Preiswettbewerb, vor allem aber durch höhere Befolgungskosten) jedoch besonders nachteilig auf kleinere Buchhändler auswirken. Dies wäre durch wesentlich geringere Marktanteile und Gewinnspannen aus dem Verkauf von E-Books, aber höhere relative Betriebs- und Befolgungskosten bei grenzüberschreitenden Verkäufen spürbar.
Spiele/Software
Die Nachfrage nach dem grenzüberschreitenden Zugang zu Spielen und vor allem zu Software scheint nach aktuellen Daten gering zu sein, insbesondere im Vergleich zu anderen Inhaltediensten.
Die grenzüberschreitende Verfügbarkeit von Videospielen (d. h. Spielen für PCs, Mobiltelefone und Konsolen) ist für verschiedene Online-Spielökosysteme unterschiedlich, zumindest über große EU-weite Anbieter wie App-Stores oder PC-/Konsolen-Plattformen. Wie bei E-Books unterscheiden sich die nationalen Spielkataloge in der EU nur leicht, insbesondere bei Konsolenspielen und in einigen Mitgliedstaaten. Wie bei der Musik basieren die Vertriebspraktiken für Videospiele im Gegensatz zu anderen Inhaltediensten weitgehend auf einer nicht-territorialen und nicht ausschließlichen Lizenzierung. Die Abschaffung von Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Zugang birgt das Potenzial, die Vielfalt der zugänglichen Artikel in den einzelnen Katalogen zu erhöhen (bis zu etwa 17 % bei Playstation, gewichtet nach der Rangfolge der Artikel). Auf allen Plattformen betreffen die Verfügbarkeitslücken jedoch in erster Linie Titel mit relativ geringer Nachfrage/Bewertung.
Obwohl die Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im Durchschnitt gering erscheinen, deutet die Datenlage darauf hin, dass eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf Videospiele einige positive Auswirkungen für die Verbraucher haben könnte, insbesondere durch niedrigere Preise und mehr Verkäufe. Für die Anbieter scheint jedoch der mögliche Anstieg der Nutzung die Preissenkungen nicht vollständig auszugleichen. Daher ist mit einer möglichen Verringerung der Einnahmen für Entwickler/Verleger zu rechnen. Die positiven Gesamtauswirkungen einer solchen Ausdehnung (in der Kombination von Auswirkungen für das Wohl der Verbraucher und Anbieter) könnten zumindest kurzfristig leicht positiv sein.
Die möglichen negativen Auswirkungen könnten jedoch für kleinere und/oder nationale Vertriebshändler von PC-Spielen (bei denen EU-weite Plattformen neben Direktverkäufen durch Verleger tätig sind) gravierender sein, da diese eine geringere Marktposition, aber höhere relative Betriebskosten für grenzüberschreitende Verkäufe haben. Auch die möglichen Auswirkungen auf einige spielespezifische nationale Transparenzanforderungen (z. B. Alterseinstufungen) müssten berücksichtigt werden.
Audiovisuelle Dienste
Die Inlandsnutzung ist bei audiovisuellen Diensten nach wie vor vorherrschend, aber die Nachfrage nach einem grenzüberschreitenden Zugang zu audiovisuellen Diensten scheint bei Diensten zur Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Inhalte am höchsten zu sein. Die Datenlage deutet auch darauf hin, dass diese Nachfrage steigt, selbst wenn sie noch recht begrenzt ist: 9 % aller Internetnutzer haben bereits versucht, einen grenzüberschreitenden Zugang zu audiovisuellen Inhalten zu erhalten, und 31 % sind an einem solchen Zugang interessiert.
Trotz dieser potenziellen grenzüberschreitenden Nachfrage ist die Verfügbarkeit audiovisueller Online-Inhalte (insbesondere Filme und Serien) in der gesamten EU jedoch nach wie vor sehr begrenzt (im Durchschnitt 14,1 % in der EU-27). Die Kataloge sind in Bezug auf die verfügbaren Titel und häufig auch in Bezug auf Sprachversionen fragmentiert, wobei Verbraucher in kleineren Ländern im Allgemeinen Zugang zu weniger Inhalten haben. Diese Situation ergibt sich zum Teil aus Vertriebspraktiken, die weitgehend auf Gebiets- und Exklusivlizenzen im audiovisuellen Sektor beruhen, um die Produktionsfinanzierung aufzubringen. Sie kann jedoch auch auf Geschäftspraktiken zurückzuführen sein, die den Binnenmarkt entlang der nationalen Grenzen segmentieren. Die grenzüberschreitende Verfügbarkeit audiovisueller Inhalte, die in anderen Mitgliedstaaten nach wie vor weitgehend nicht verfügbar sind, ist bei Katalogen nationaler Diensteanbieter sehr gering. Selbst große, überwiegend US-amerikanische Anbieter, die in der gesamten EU tätig sind, bieten unterschiedliche Kataloge in verschiedenen Mitgliedstaaten an, obwohl ihre eigenen Produktionen in den verschiedenen Mitgliedstaaten leichter erhältlich sind.
In den letzten Jahren hat die EU den grenzüberschreitenden Zugang zu audiovisuellen Inhalten erleichtert, indem sie bestimmte urheberrechtliche Hindernisse für die Verbreitung von Inhalten beseitigt hat. So ermöglicht beispielsweise die Portabilitätsverordnung den Verbrauchern, auf Reisen in der EU weiterhin auf ihren kostenpflichtigen Abonnementdienst zuzugreifen. Die Richtlinie über Online-Fernseh- und Hörfunkprogramme wird die grenzüberschreitende Zugänglichkeit bestimmter Fernsehprogramme über Online-Dienste von Rundfunkveranstaltern erleichtern. Da die Geoblocking-Verordnung andererseits das Urheberrecht an sich nicht berührt, können die Auswirkungen der Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs auf den audiovisuellen Sektor von den Lizenzvergabepraktiken abhängen.
Insbesondere geht die Praxis der Industrie bei der Lizenzierung im Allgemeinen davon aus, dass das „Verfügen über die erforderlichen Rechte“ impliziert, dass die Anbieter von Inhalten die Rechte für die verschiedenen Länder haben müssen, in denen die Inhalte zur Verfügung gestellt werden, und dass dies auch für den „passiven Verkauf“ gilt (d. h. wenn der Dienst im Gebiet des Verbrauchers nicht aktiv beworben wird). Daher hätte eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung in dieser Situation nur sehr begrenzte Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Zugänglichkeit neuer audiovisueller Online-Dienste. Dies liegt daran, dass die Hersteller den Umfang der lizenzierten Rechte weiterhin einschränken und sogar Anreize dafür haben könnten, zu verhindern, dass die Verordnung auf die lizenzierten Händler angewandt wird. In diesem Zusammenhang bedeutet die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf den audiovisuellen Sektor, dass Verbraucher hauptsächlich aus Preisgründen wechseln würden (d. h. kostengünstigere Angebote für Inhalte/Dienste suchen würden, zu denen sie bereits Zugang haben) und zwar zumeist innerhalb verschiedener Versionen EU-weit tätiger Anbieter. Kurzfristig könnte dies zu leicht positiven allgemeinen Auswirkungen auf das Wohlergehen führen, wobei jedoch eine gewissen Harmonisierung der Preise durch die Anbieter als mögliche Minderungsstrategie nicht auszuschließen ist. Gleichzeitig könnte der mögliche Einnahmenverlust der Branche mittel- bis langfristig zu einer potenziell negativen Dynamik auf den Märkten für Kreativität, Finanzierung, Produktion und Vertrieb sowie damit verbundene Beeinträchtigungen des Wohlergehens auch im Bereich der kulturellen Vielfalt führen.
Die derzeitige Rechtsprechung zu dieser Auslegung des Urheberrechts ist jedoch nicht schlüssig, und einige Probleme sind noch vor dem EuGH anhängig. Wenn die Anbieter keine zusätzlichen Lizenzen benötigten, um auf unaufgeforderte Ersuchen von einzelnen Verbrauchern außerhalb der Gebiete zu reagieren, in denen sie den Dienst aktiv anbieten, so hätte dies Auswirkungen auf die Folgenabschätzung. In diesem Fall würde die durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung ausgelöste grenzüberschreitende Nachfrage auch von Verbrauchern getragen werden, die nach neuen Inhalten oder Sprachfassungen suchen, die in ihrem Mitgliedstaat nicht verfügbar sind, und nicht unbedingt zu einem günstigeren Preis. In diesem Szenario wäre es unter den Annahmen der Studie möglich, dass die Gesamteinnahmen der Anbieter von Online-Diensten (zumindest der größten) sogar steigen könnten, da lokale Inhalte über Grenzen hinweg neue Zielgruppen finden würden. Während diese Marktausweitung potenziell positive Gesamtauswirkungen auf das Wohlergehen haben könnte, sind die Auswirkungen einer solchen Ausweitung auf die Struktur der Branche, auf die verschiedenen Marktteilnehmer und auf die einzelnen Mitgliedstaaten erheblich schwieriger zu prognostizieren, und eine weitere Bewertung ist erforderlich. So besteht beispielsweise nach wie vor Ungewissheit über die Auswirkungen der Merkmale der Lizenzen. Einerseits könnte die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung zu einer Zunahme der EU-weiten Exklusivlizenzen führen, was sich möglicherweise auf die Struktur der betreffenden Märkte auswirken würde. Andererseits könnte sie aber auch Anreize für Lizenzvergabepraktiken schaffen, die sich auf die sprachlichen und kulturellen Unterschiede der Nachfrage konzentrieren, und gleichzeitig eine Ausweitung in andere Hoheitsgebiete ermöglichen.
Insgesamt muss bei einer umfassenderen Analyse des Sektors berücksichtigt werden, dass sich die Branche rasch verändert. Wirtschaftlich gesehen bedeutet dies, dass sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen berücksichtigt werden müssen, z. B. bei der Bewertung von Investitionsanreizen, wobei unterschiedliche Geschäftsmodelle und Vertriebswertschöpfungsketten eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung und Verbreitung von Inhalten spielen. So wird beispielsweise davon ausgegangen, dass die Abonnements für Streaming-Dienste auch in Zukunft stetig zunehmen werden, und zwar mit einer wachsenden Zahl globaler und nationaler Plattformen, die massiv in lokale Inhalte investieren und diese über Grenzen hinweg verbreiten, auch im Rahmen von Partnerschaftsvereinbarungen.
Sonstige Sektoren
Die Kommission hat weitere Sektoren, die nicht unter die Verordnung fallen, geprüft, um mögliche ungerechtfertigte Beschränkungen (durch Anbieter) zu bewerten, die durch die Verordnung beseitigt werden könnten.
Im Bereich Verkehr ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung bereits in die bestehenden sektorspezifischen EU-Rechtsvorschriften oder in die derzeit verhandelten Rechtsvorschriften über Fahrgastrechte im Schienenverkehr eingebettet. Die Ergebnisse der Testkauferhebung aus dem Jahr 2019 deuten darauf hin, dass Geoblocking-Praktiken in verschiedenen Verkehrssektoren (Luft-, Bus-, Schienen- und Seeverkehr) zumeist selten sind, obwohl sie im Schienen- und Seeverkehr etwas häufiger auftreten. Das lässt darauf schließen, dass sichergestellt werden sollte, dass die in der Neufassung der Verordnung über die Rechte der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr vorgeschlagene Nichtdiskriminierungsklausel von den Mitgesetzgebern rasch gebilligt werden. Generell scheint es jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erforderlich zu sein, Verkehrsdienstleistungen in die Verordnung aufzunehmen. Das hat folgende Gründe: i) die allgemeine Seltenheit des Geoblockings im Verkehrssektor; ii) das Vorhandensein spezifischer Nichtdiskriminierungsklauseln in anderen sektorspezifischen Verkehrsinstrumenten (Luft-, See-, Bus- und Reisebusverkehr); iii) eine bevorstehende Gesetzesinitiative für den Schienenverkehr; und iv) die möglichen Auswirkungen der in den Mitgliedstaaten geltenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen.
Finanz-, Telekommunikations- und Gesundheitsdienstleistungen weisen allesamt besondere Merkmale auf, die berücksichtigt werden müssen, wenn es darum geht, mögliche ungerechtfertigte Hindernisse für den grenzüberschreitenden Zugang zu diesen Dienstleistungen zu beseitigen. So könnte die grenzüberschreitende Bereitstellung solcher Dienstleistungen sektorspezifische Aufsichtsanforderungen auslösen oder bestimmten Garantien und zusätzlichen Kontrollen unterliegen, die nach sektorspezifischen Rechtsvorschriften vorgeschrieben oder zulässig sind, sodass eine pauschale Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines horizontalen Instruments wie der Verordnung nicht gerechtfertigt erscheint.
4.Folgemaßnahmen der Kommission
Nach vorläufiger Ansicht der Kommission ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zu früh, um alle direkten und indirekten Auswirkungen der Anwendung der derzeitigen Verordnung zu beurteilen und daraus etwaige Änderungsvorschläge abzuleiten. Trotz der langsamen Umsetzung deuten die hier berichteten anfänglichen positiven Auswirkungen darauf hin, dass auf kurze Sicht das Potenzial besteht, im Laufe der Zeit – insbesondere durch eine bessere Durchsetzung in den Mitgliedstaaten – bessere Ergebnisse zu erzielen. Darüber hinaus sollten etwaige Synergien mit anderen Maßnahmen des digitalen Binnenmarkts bezüglich der Verbesserung des Kundenzugangs zu Angeboten in den nächsten 12–18 Monaten beobachtet werden.
Eine etwaige Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen, die den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten ermöglichen, muss ebenfalls weiter bewertet und geprüft werden. Die Analyse zeigt, dass Geoblocking in diesen Sektoren durch unterschiedliche Faktoren und Marktdynamik-Effekte bestimmt wird und dass die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung möglicherweise unterschiedliche Auswirkungen in verschiedenen Bereichen haben könnte. Etwaige positive Auswirkungen, insbesondere für die Verbraucher, hängen weitgehend von den Praktiken und Konzepten der Lizenzierung von Urheberrechten ab, die einer eingehenderen Analyse bedürfen. Dies gilt insbesondere für den audiovisuellen Sektor, in dem tatsächlich relevante Verbesserungen in Bezug auf die Verfügbarkeit von Inhalten möglich sind. Dies spricht dafür, dass die Frage des Zugangs der Verbraucher zu Inhalten, insbesondere audiovisuellen Inhalten, im breiteren Kontext der Begleitung der Wirtschaft bei ihrer Erholung und ihrem Wandel im Rahmen des künftigen Aktionsplans der Kommission für audiovisuelle und andere Medien geprüft werden muss. Die Kommission wird in einen Dialog mit den Interessenträgern treten, um zu ermitteln, wie eine bessere Verbreitung hochwertiger Inhalte in der gesamten EU gefördert werden kann, und gleichzeitig Maßnahmen zur Unterstützung der Erholung der Branche vorschlagen. Außerdem wird sich die Kommission weiterhin darum bemühen, die Nachhaltigkeit anderer Sektoren wie der Musikbranche im Rahmen der besonderen Initiative „Music Moves Europe“ (Musik bewegt Europa) auf der Grundlage eines integrierten europäischen Förderkonzepts für diese Branche zu unterstützen.
In der Zwischenzeit bleibt die Beseitigung bestehender Hindernisse und das Vorgehen gegen jegliche Diskriminierung von Kunden eine Priorität für die Kommission. Folgende unmittelbare Folgemaßnahmen werden vorgeschlagen:
·Erstens ist es wichtig, sicherzustellen, dass das Potenzial der derzeitigen Verordnung voll ausgeschöpft wird. Dazu ist Folgendes erforderlich: i) die vollständige Anwendung durch die Mitgliedstaaten; ii) eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und der Kommission im Rahmen des neuen CPC-Netzes; iii) weitere Orientierungshilfen zur Anwendung der Verordnung und zu ihrem Verhältnis zum allgemeineren Nichtdiskriminierungsrahmen der Dienstleistungsrichtlinie.
·Zweitens müssen Anbieter und Verbraucher weiterhin für ihre Pflichten und Rechte sensibilisiert werden. Die Kommission sollte zusammen mit den Interessenträgern und den zuständigen Behörden in diese Tätigkeiten einbezogen werden.
·Drittens wird die Kommission die Marktentwicklungen in Bezug auf den Zugang der Kunden zu Angeboten im Binnenmarkt weiter beobachten, auch im Hinblick auf die bevorstehende Einführung anderer Maßnahmen im Bereich des elektronischen Handels im Rahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt.
·Schließlich wird die Kommission Rückmeldungen von Interessenträgern zu den Schlussfolgerungen dieses ersten kurzfristigen Berichts sowie zu den zugrunde liegenden Feststellungen und Fakten (einschließlich der Verfügbarkeit urheberrechtlich geschützter Inhalte) einholen. Die Interessenträger könnten auch einschlägige Rückmeldungen zu den kurz- und mittelfristigen Auswirkungen der COVID-19-Krise geben, die in diesem Bericht nicht berücksichtigt werden konnten.
Die Kommission wird die Auswirkungen der Verordnung weiterhin auf der Grundlage der gesammelten Erkenntnisse und der Rückmeldungen der Interessenträger sowie der Durchführung der Maßnahmen für den digitalen Binnenmarkt beobachten, und beabsichtigt, bis Ende 2022 eine Bestandsaufnahme der Fortschritte beim weiteren Abbau grenzüberschreitender Hindernisse vorzunehmen. Dabei wird sie besonders auf die infolge des Dialogs mit der Branche erzielten Fortschritte bei der Verfügbarkeit von Inhalten eingehen. Das Ergebnis dieser Beobachtung wird ausschlaggebend dafür sein, ob die Kommission dann in Erwägung ziehen wird, Änderungen der Verordnung oder andere Folgemaßnahmen vorzuschlagen, einschließlich geeigneter gesetzgeberischer Maßnahmen.