EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 9.7.2020
COM(2020) 302 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Bericht über die Wettbewerbspolitik 2019
{SWD(2020) 126 final}
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Bericht über die Wettbewerbspolitik 2019
1. Einleitung
Im Jahr 2019 begann eine neue Amtszeit für die Europäische Union. Nach den Wahlen im Mai mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 1994 (50,66 %) gab das Europäische Parlament auf der Grundlage der in den politischen Leitlinien der gewählten Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen gesetzten Prioritäten grünes Licht für die neue Europäische Kommission.In dem Mandatsschreiben an Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin für ein Europa für das digitale Zeitalter, wird darauf hingewiesen, dass sichergestellt werden müsse, dass unsere Wettbewerbspolitik und Wettbewerbsvorschriften für die moderne Wirtschaft geeignet sind, dass sie energisch durchgesetzt werden und zu einer starken europäischen Industrie sowohl intern als auch auf der internationalen Bühne beitragen.
Die Grundlagen des EU-Wettbewerbsrechts sind heute noch ebenso relevant wie bei der Unterzeichnung der Römischen Verträge vor mehr als 60 Jahren. Die europäischen Wettbewerbsregeln geben Unternehmen jeder Größe eine faire Chance, im Wettbewerb zu bestehen, und sie verhelfen den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einem fairen Angebot im Binnenmarkt. Die Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften trägt zur Schaffung offener und wettbewerbsorientierter Märkte bei, die europäische Unternehmen effizienter, innovativer und weltweit wettbewerbsfähig machen. Auch 2019 richteten sich die wettbewerbspolitischen Maßnahmen und Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission wieder gegen wettbewerbswidriges Verhalten auf Märkten, die für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen in der EU von Bedeutung sind, wie Telekommunikation und digitale Wirtschaft, Energie und Umwelt, verarbeitendes Gewerbe, Finanzdienstleistungen, Besteuerung, Landwirtschaft und Lebensmittel sowie Verkehr.
Wichtig ist aber auch, dass der EU-Wettbewerbsrahmen mit einer sich rasch wandelnden Welt durch kontinuierliche Anpassung an die moderne, d. h. eine grüne und digitale Wirtschaft mithält. Die europäische Wettbewerbspolitik muss sich insbesondere neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Daten, Algorithmen und sich schnell entwickelnden Märkten in einem zunehmend digitalen Umfeld stellen und Kooperationsnetze zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und der Kommission zur Unterstützung eines fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt stärken. Gleichzeitig werden Bewertungen der einschlägigen Beihilfevorschriften einschließlich der Umweltschutz- und Energieleitlinien vorgenommen, die überarbeitet werden sollen, damit auch sie die politischen Ziele des europäischen Grünen Deals widerspiegeln.
Im April 2019 veröffentlichte die Kommission den von drei unabhängigen Sonderberatern vorgelegten Bericht „Competition policy for the digital era“ (Wettbewerbspolitik für das digitale Zeitalter), der die Kommission in ihren Überlegungen, wie die Wettbewerbspolitik den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern in einer digitalen, sich rasch wandelnden Welt am besten dienen kann, unterstützen soll. In dem Bericht werden die Hauptmerkmale der digitalen Wirtschaft – extreme Größenvorteile digitaler Dienste, Netzexternalitäten und die Rolle von Daten – analysiert, die zur Entstehung großer digitaler Akteure geführt haben.
Um sicherzustellen, dass das Wettbewerbsrecht weiter seinen Zweck erfüllt, führte die Kommission im Jahr 2019 umfassende Bewertungen durch, um die Funktionsweise der Wettbewerbsregeln zu beurteilen und auf dieser Grundlage entscheiden zu können, ob sie noch mehr tun muss, um die Herausforderungen zu bewältigen und die Regeln wirksamer durchzusetzen. Gegenstand der Überprüfung sind die mit dem neuen Mandat auslaufenden Kartellverordnungen und die entsprechenden Leitlinien, eine Reihe von Vorschriften und Leitlinien für staatliche Beihilfen sowie die laufende Bewertung bestimmter Fusionskontrollvorschriften. Ende des Jahres kündigte die Exekutiv-Vizepräsidentin Vestager zudem die Einleitung der Überprüfung der Bekanntmachung über die Marktdefinition an.
Die Wettbewerbspolitik spielt auch in der modernen Industriepolitik der EU eine wichtige Rolle im Hinblick auf das Ziel, die europäischen Unternehmen innovativer und damit international wettbewerbsfähig zu machen. Die EU-Beihilfevorschriften unterstützen dieses Ziel, wenn ein Marktversagen auftritt und Wertschöpfungsketten gestärkt werden müssen. Im Dezember 2018 und im Dezember 2019 stellte die Kommission fest, dass zwei von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam angemeldete Vorhaben in den europäischen Schwerpunktbereichen Mikroelektronik und Batterien mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang stehen und im gemeinsamen europäischen Interesse liegen. Die beteiligten Mitgliedstaaten werden für diese beiden Projekte insgesamt bis zu 5 Mrd. EUR bereitstellen, mit denen weitere 11 Mrd. EUR an privaten Investitionen mobilisiert werden sollen.
Die EU-Wettbewerbspolitik basiert auf der Durchsetzung von Bestimmungen des EU-Vertrags, unterstützt durch genaue Wirtschaftsanalysen und ein sorgfältiges Verfahren. Daher sind Nichtdiskriminierung, transparente und vorhersehbare Durchsetzung, das Recht auf Anhörung sowie der Schutz der Vertraulichkeit zentrale Grundsätze und Standards, die die Kommission in ihrer Durchsetzungspraxis einhält und die sie auch weltweit fördert.
Die Kommission arbeitet mit den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und mit nationalen Gerichten zusammen, um die europäischen Wettbewerbsregeln durchzusetzen. Außerdem kooperiert sie aktiv mit maßgeblichen internationalen Foren und mit Wettbewerbsbehörden weltweit, um überall gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Im Rahmen der Welthandelsorganisation hat sich die Kommission an Verhandlungen über den elektronischen Geschäftsverkehr und Telekommunikationsdienste und über eine Verbesserung der internationalen Subventionsregeln beteiligt.
Die EU-Wettbewerbsregeln unterstützen das Wachstum und die Entwicklung starker europäischer Unternehmen, und zwar sowohl großer als auch kleiner und mittlerer Unternehmen. Wenn es um gleiche Bedingungen auf globaler Ebene geht, sehen sich europäische Unternehmen jedoch vor einige Herausforderungen gestellt. Zu deren Überwindung gibt es besser geeignete Instrumente als das Wettbewerbsrecht. Die Kommission befasst sich weiter mit der Frage, inwieweit Verzerrungen durch ausländische Subventionen und staatliche Beteiligungen mit dem vorhandenen EU-Instrumentarium angegangen werden können und welche zusätzlichen Instrumente (in welcher Kombination) möglicherweise benötigt werden.
Bei diesem Bericht handelt es sich um eine nicht erschöpfende Zusammenfassung der von der Kommission im Jahr 2019 ergriffenen wettbewerbspolitischen Maßnahmen (Teil I). Daher wird beispielsweise auf die Maßnahmen der Kommission zur Unterstützung der europäischen Wirtschaft im Zusammenhang mit COVID-19 nicht eingegangen. Weitere und ausführlichere Informationen finden sich in der beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (Teil II) und auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb
.
2. Wirkungsvollere Durchsetzung der Wettbewerbspolitik der EU
Im Jahr 2019 leitete die Kommission eine umfassende Bewertung und Überprüfung ihrer Wettbewerbsregeln und -leitlinien ein, um festzustellen, inwieweit sie noch zweckmäßig sind.
Kommission leitet „Eignungsprüfung“ der Beihilfevorschriften ein
Im Mai 2012 legte die Kommission ein umfangreiches Reformpaket zur Modernisierung des Beihilferechts auf, auf dessen Grundlage seit 2013 zahlreiche Beihilfevorschriften überarbeitet worden sind. Dank dieses umfassenden Reformpakets konnten die Mitgliedstaaten Beihilfemaßnahmen zur Förderung von Investitionen, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zügig durchführen.
Im Januar 2019 hat die Kommission damit begonnen, die im Paket zur Modernisierung des Beihilferechts enthaltenen Regeln anhand der Leitlinien der Kommission für eine bessere Rechtsetzung zu bewerten, um in der Folge die Geltungsdauer der Beihilferegeln zu verlängern, die andernfalls Ende 2020 auslaufen würden. Durch die Bewertung in Form einer „Eignungsprüfung“ wird eine Überarbeitung der maßgeblichen Leitlinien im Hinblick auf die politischen Ziele des europäischen Grünen Deals vorbereitet.
Eignungsprüfung des Pakets zur Modernisierung der staatlichen Beihilfen, der Eisenbahnleitlinien und der Mitteilung zu kurzfristigen Ausfuhrkreditversicherungen
Ziel der Eignungsprüfung ist es, die Relevanz, die Wirksamkeit, die Effizienz, die Kohärenz und den Mehrwert der Beihilferegeln für die EU zu analysieren und gleichzeitig eine Grundlage für Entscheidungen der Kommission über eine mögliche weitere Verlängerung oder Aktualisierung der Regeln zu schaffen.
Die Eignungsprüfung betrifft zwei Verordnungen und neun Leitlinien:
– die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung und die De-minimis-Verordnung,
– die Regionalbeihilfeleitlinien,
– den Rahmen für Forschung und Entwicklung,
– die IPCEI-Mitteilung,
– die Leitlinien zu Risikofinanzierungen,
– die Leitlinien zu Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften,
– die Leitlinien zu Umweltschutz und Energie,
– die Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung.
Auch die Eisenbahnleitlinien und die Mitteilung zu kurzfristigen Ausfuhrkreditversicherungen, die nicht Teil des Pakets zur Modernisierung des Beihilferechts von 2012 waren, werden in die laufende Eignungsprüfung einbezogen.
Die Mitgliedstaaten und andere Interessenträger konnten sich im Rahmen einer öffentlichen Konsultation mittels verschiedener Fragebögen mit Beiträgen und Anmerkungen zur Eignungsprüfung beteiligen. Die Konsultation endete im Juli 2019 bis auf den IPCEI-Fragebogen, der bis Ende Oktober beantwortet werden konnte. Verschiedene Studien werden ebenfalls durchgeführt.
Im Februar 2019 leitete die Kommission öffentliche Konsultationen ein, um die Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2012 („EHS-Leitlinien“) zu bewerten und ihre Überarbeitung vorzubereiten. In den EHS-Leitlinien von 2012, die sich auf das EU-System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten aus dem Jahr 2005 beziehen, ist geregelt, unter welchen Bedingungen die Mitgliedstaaten Unternehmen in bestimmten Sektoren mit einem hohen Stromverbrauch für die infolge des EU-Emissionshandelssystems (EU-EHS) 2013-2020 gestiegenen Stromkosten teilentschädigen können. Die EHS-Leitlinien von 2012, die am 31. Dezember 2020 auslaufen, werden aktualisiert und auf das neue Emissionshandelssystem der EU für den Zeitraum 2021-2030 abgestimmt.
Im Juni 2019 leitete die Kommission eine Bewertung der Beihilfevorschriften für Gesundheits- und Sozialdienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) und der DAWI-De-minimis-Verordnung ein, die im Dezember 2020 auslaufen. Im Rahmen dieser Bewertung wurden zwischen Juli und Dezember 2019 eine öffentliche und eine gezielte Konsultation durchgeführt, die bei der Bewertung entsprechend berücksichtigt werden.
Kommission untersucht neue Markttrends in Bezug auf vertikale Liefervereinbarungen und horizontale Kooperationsvereinbarungen
Im Jahr 2019 begann die Kommission mit der Bewertung der Regeln, nach denen bestimmte horizontale Vereinbarungen
vom allgemeinen Wettbewerbsrecht der EU ausgenommen sind. Die EU-Wettbewerbsvorschriften für horizontale Vereinbarungen umfassen zwei Gruppenfreistellungsverordnungen für Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, die bestimmte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie Spezialisierungsvereinbarungen von den Bestimmungen des Artikels 101 AEUV ausnehmen. Die flankierenden Leitlinien für Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Horizontal-Leitlinien) bieten weitere Orientierungshilfen, um Unternehmen in ihren Bemühungen um wettbewerbsrechtskonforme Kooperationsvereinbarungen zu unterstützen, und sie enthalten detaillierte Empfehlungen zu Themen wie wettbewerbliche Bewertung des Informationsaustauschs, gemeinsamer Einkauf, gemeinsame Vermarktung und Standardisierung. Die beiden horizontalen Gruppenfreistellungsverordnungen (Horizontal-GVO) laufen am 31. Dezember 2022 aus. Für die Horizontal-Leitlinien ist zwar kein Ablaufdatum vorgesehen, doch sie werden zusammen mit den Horizontal-GVO bewertet.
Die Kommission hat bei der Bewertung der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO)
und der flankierenden Leitlinien zu vertikalen Beschränkungen erhebliche Fortschritte erzielt. Die Kommission leitete die Bewertung im Oktober 2018 im Hinblick darauf ein, dass die Vertikal-GVO am 31. Mai 2022 auslaufen wird. Im Februar 2019 startete die Kommission eine dreimonatige öffentliche Konsultation der Interessenträger, gefolgt von einer Studie im August 2019 über Markttrends bei Vertriebsmodellen und -strategien. Im November 2019 veranstaltete die Kommission einen Bewertungsworkshop mit aktiver Beteiligung der Interessenträger, auf dem eingehender über Bereiche gesprochen wurde, die für die Bewertung der Vertikal-GVO von besonderem Interesse sind; schwerpunktmäßig ging es dabei um den Nutzen der Vorschriften für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Im Februar 2019 veröffentlichte die Kommission den Zeitplan für die Bewertung der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung (Kfz-GVO). Daraufhin wurde eine vierwöchige Online-Konsultation der Interessenträger durchgeführt. Außerdem wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die aufzeigen soll, wie sich die Marktbedingungen im Kraftfahrzeugsektor in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben. Die Kfz-GVO läuft im Mai 2023 aus.
Diese Bewertungen helfen der Kommission bei der Entscheidung, ob sie die Vorschriften auslaufen lassen, ihre Geltungsdauer verlängern oder sie überarbeiten soll.
Verbesserung des Kronzeugenprogramms der EU
Um die Wirksamkeit ihrer Verfahren weiter zu verbessern, hat die Kommission im März 2019 ihr Online-Tool „eLeniency“
gestartet. Im Rahmen des EU-Kronzeugenprogramms können Unternehmen bzw. ihre Anwälte Kronzeugenerklärungen gegenüber der Kommission per E-Mail an eine funktionelle Mailbox übermitteln oder im mündlichen Verfahren abgeben. Mit eLeniency haben sie eine dritte Möglichkeit, Kronzeugenerklärungen online einzureichen im Rahmen von Anträgen auf Anwendung der Kronzeugenregelung (im Hinblick auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße), von Kartellvergleichsverfahren oder der Zusammenarbeit in nicht kartellrechtlichen Sachen. Das senkt die Kosten und mindert den Aufwand der beteiligten Unternehmen und ihrer gesetzlichen Vertreter in solchen Verfahren‚ wobei Vertraulichkeit und Rechtsschutz in gleicher Weise gewährleistet sind. Seit der Einführung von eLeniency hat die Kommission zahlreiche Erklärungen und Dokumente auf diesem Wege erhalten.
Der Kampf gegen Kartelle geht weiter
Die Verfügbarkeit von Zwischenprodukten zu angemessenen Preisen ist im Zeitalter des globalen Wettbewerbs von entscheidender Bedeutung. Von Kartellen sind häufig für die Industrie wichtige Zwischenprodukte betroffen mit spürbaren Auswirkungen sowohl auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie als auch auf die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zielte 2019 wieder auf solche Kartelle ab.
Im März 2019 verhängte die Kommission Geldbußen von 368 Mio. EUR gegen die Hersteller von Kfz-Sicherheitsausrüstungen Autoliv und TRW
, weil sie durch ihre Beteiligung an zwei Kartellen für die Lieferung von Anschnallgurten, Airbags und Lenkrädern an die europäischen Automobilhersteller Volkswagen und BMW gegen EU-Kartellvorschriften verstoßen hatten. Einem dritten beteiligten Unternehmen, Takata, wurde die Geldbuße erlassen, da es als Kronzeuge die Kommission von den beiden Kartellen in Kenntnis gesetzt hatte. Alle Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu. Dieser Kartellbeschluss reiht sich in mehrere umfangreiche Untersuchungen von Kartellen in der Autozulieferindustrie ein. Die Kommission hat bereits Geldbußen gegen Lieferanten von Kfz-Wälzlagern, Kfz-Kabelbäumen, Weichschaum, der (unter anderem) für Autositze verwendet wird, Standheizungen für Pkw und Lkw, Generatoren und Anlassern, Klimatisierungs- und Motorkühlsystemen, Beleuchtungssystemen, Sicherheitssystemen für Fahrzeuginsassen, Zündkerzen und Bremssystemen verhängt. Mit dem Beschluss von 2019 beläuft sich der Gesamtbetrag der von der Kommission für Kartelle in diesem Sektor verhängten Geldbußen auf 2,15 Mrd. EUR.
Durchsetzung der Verfahrenspflichten bei der Fusionskontrolle
Die EU-Fusionskontrolle trägt dazu bei, dass alle auf europäischen Märkten tätigen Unternehmen zu gleichen und fairen Bedingungen miteinander konkurrieren können, wobei geplante Zusammenschlüsse, die den Wettbewerb verzerren könnten, von der Kommission eingehend geprüft werden. Im Jahr 2019 unternahm die Kommission weitere erhebliche Anstrengungen zur Durchsetzung der Verfahrenspflichten nach der EU-Fusionskontrollverordnung
.
Im April 2019 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 52 Mio. EUR gegen General Electric (GE)
wegen falscher Angaben bei der Prüfung der Übernahme von LM Wind. Nach der EU-Fusionskontrollverordnung kann die Kommission Geldbußen von bis zu 1 % des Gesamtumsatzes von Unternehmen verhängen, die der Kommission vorsätzlich oder fahrlässig unrichtige oder irreführende Angaben machen. Dieser Bußgeldbeschluss hatte keine Auswirkungen auf die Genehmigung des Zusammenschlusses durch die Kommission nach den EU-Fusionskontrollvorschriften, die sich auf berichtigte Angaben in der zweiten Anmeldung stützte.
Im Juni 2019 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 28 Mio. EUR gegen den japanischen Hersteller bildgebender und optischer Produkte Canon
wegen der teilweisen Übernahme der Toshiba Medical Systems Corporation noch vor der Anmeldung und der Genehmigung durch die Kommission (sogenanntes „Gun-Jumping“). Nach den EU-Fusionskontrollvorschriften müssen fusionierende Unternehmen geplante Zusammenschlüsse von EU-weiter Bedeutung vor ihrer Durchführung bei der Kommission anmelden; sie dürfen sie erst dann umsetzen, wenn sie bei der Kommission angemeldet und von ihr genehmigt wurden.
3. Bewältigung neuer Herausforderungen in den Bereichen Digitales, Telekommunikation und Medien
Mit ihrer politischen Initiative „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ hat die Kommissionspräsidentin den Bereich Digitales als eine ihrer obersten Prioritäten für die laufende Amtszeit der Kommission definiert. Die Wettbewerbspolitik ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung eines gut funktionierenden Binnenmarkts für digitale Dienste.
Im April 2019 veröffentlichte die Kommission den Bericht „Competition policy for the digital era“ (Wettbewerbspolitik für das digitale Zeitalter) von drei unabhängigen Sonderberatern über die künftigen Herausforderungen der Digitalisierung für die Wettbewerbspolitik.
Bericht über die „Wettbewerbspolitik für das digitale Zeitalter“
In ihrem Bericht haben die drei Sonderberater i) die ihrer Einschätzung nach wichtigsten spezifischen Merkmale digitaler Märkte aufgezeigt; ii) ihre Ansichten zu den Zielen des EU-Wettbewerbsrechts im digitalen Zeitalter dargelegt; iii) die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf digitale Plattformen und Daten sowie die Rolle der Fusionskontrolle für den Erhalt von Wettbewerb und Innovation erörtert.
Nach Einschätzung der drei Sonderberater ist der grundlegende Rahmen des Wettbewerbsrechts solide und flexibel genug für den Schutz des Wettbewerbs im digitalen Zeitalter. Ihrer Empfehlung nach sollten diejenigen, die für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und die Regulierung zuständig sind, den besonderen Merkmalen von Plattformen, digitalen Ökosystemen und der Datenwirtschaft stärker Rechnung tragen, um zu verhindern, dass bestimmte wettbewerbswidrige Verhaltensweisen auftreten bzw. nicht sanktioniert werden. Zudem verlangen die digitalen Märkte nach Auffassung der Sonderberater, dass Schadenstheorien und die Ermittlung wettbewerbswidriger Strategien verstärkt berücksichtigt werden. Hinsichtlich des Datenzugriffs könnte eine sektorspezifische Regulierung nach Ansicht der Verfasser wirksamere Lösungen bieten. Der Bericht enthält außerdem spezifische Analysen und Vorschläge zu Fragen der Fusionskontrolle, sowohl aus juristischer als auch aus inhaltlicher Sicht.
In Verbindung mit dem Aufruf zu öffentlichen Beiträgen in der Zeit vom 7. Juli bis zum 30. September 2018 und der Konferenz „Gestaltung der Wettbewerbspolitik im Zeitalter der Digitalisierung“, die am 17. Januar 2019 in Brüssel stattfand, soll der Bericht einen Beitrag zu den laufenden Überlegungen der Kommission leisten, wie die Wettbewerbspolitik den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern in einer sich rasch wandelnden Welt am besten dienen kann.
Am 9. Dezember 2019 kündigte die Exekutiv-Vizepräsidentin Vestager die geplante Überprüfung der Bekanntmachung der Kommission zur Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft („Bekanntmachung über die Marktdefinition“) an, die Hinweise dazu enthält, wie die Kommission das Konzept des sachlich und räumlich relevanten Marktes in der laufenden Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts anwendet. Durch diese Überprüfung soll insbesondere sichergestellt werden, dass in der Bekanntmachung zum Ausdruck kommt, wie sich die Praxis der Kommission hinsichtlich der Definition von Märkten in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat und dass sie für eine sich rasch wandelnde und zunehmend digitalisierte Welt durchaus geeignet ist. Ziel der Überprüfung ist es, präzise und aktuelle Orientierungshilfen zu geben, die einen klaren, kohärenten Ansatz sowohl für Kartell- als auch für Fusionssachen in verschiedenen Branchen auf eine leicht zugängliche Weise vorgeben.
Durchsetzung des Kartellrechts: verstärkte Kontrolle digitaler Märkte
Das digitale Zeitalter gibt Online-Plattformen Auftrieb, von denen einige zu wichtigen Technologieanbietern geworden sind. Plattformen, die über Marktmacht verfügen, können durch ihre Entscheidungen viele andere Märkte beeinflussen, deren Unternehmen über diese Plattformen den Kontakt zu ihren Kunden halten. So können Plattformen beispielsweise als Hosts und Marktregulierer fungieren, indem sie die Regeln so vorgeben, dass die Märkte für Wettbewerb offenbleiben, doch bei missbräuchlicher Nutzung kann ihre Doppelfunktion problematisch sein und den Wettbewerb beeinträchtigen. Um sicherzustellen, dass die Märkte in Europa den Menschen dienen, und um für mehr Transparenz und Fairness zu sorgen, wurden im Juli 2019 neue EU-Vorschriften zur Transparenz für gewerbliche Nutzer auf Plattformen
verabschiedet. Über die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts hinaus werden solche ergänzenden Regulierungsinstrumente den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugutekommen und zugleich für mehr Transparenz und Fairness sorgen.
Am 20. März 2019 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 1,49 Mrd. EUR gegen Google
wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung unter Verstoß gegen EU-Kartellvorschriften.
Die Sache „Google AdSense“: Schutz des Wettbewerbs in der Online-Suchmaschinenwerbung
Die Kommission verhängte eine Geldbuße von 1 494 459 000 EUR gegen Google wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung durch eine Reihe restriktiver Klauseln in Verträgen mit Websites von Dritten. Dieses Fehlverhalten erstreckte sich über mehr als zehn Jahre und hinderte Konkurrenten von Google daran, ihre Suchmaschinenwerbung auf diesen Websites zu platzieren.
Google war zwischen 2006 und 2016 mit einem Marktanteil von über 70 % der weitaus stärkste Vermittler von Online-Suchmaschinenwerbung im Europäischen Wirtschaftsraum. Über „AdSense“ für die Suche fungiert Google als Vermittler zwischen Werbetreibenden und Eigentümern von Verleger-Websites.
Die Untersuchungen der Kommission ergaben Folgendes:
– Ab 2006 nahm Google Ausschließlichkeitsklauseln in seine Verträge auf und untersagte es Verlagen damit, Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern auf ihren Suchergebnisseiten zu platzieren.
– Ab März 2009 begann Google nach und nach, die Ausschließlichkeitsklauseln durch sogenannte „Premium Placement“-Klauseln zu ersetzen. Dadurch wurden Wettbewerber von Google daran gehindert, ihre Suchmaschinenanzeigen in den am häufigsten angeklickten Bereichen der Suchergebnisseiten der Websites zu platzieren.
– Ab März 2009 nahm Google Klauseln in seine Verträge auf, die Verlage verpflichteten, die schriftliche Zustimmung von Google einzuholen, bevor sie Änderungen an der Art der Anzeige konkurrierender Anzeigen vornahmen. So konnte Google kontrollieren, wie attraktiv konkurrierende Suchanzeigen sein können.
Einige Monate, nachdem die Kommission im Juli 2016 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte in dieser Sache veröffentlicht hatte, stellte Google seine rechtswidrigen Praktiken ein.
Google missbrauchte durch sein Vorgehen seine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung, indem es Wettbewerb ausschaltete. Dieses Vorgehen bewirkte zudem, dass den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern die Vorteile eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt für Suchmaschinenwerbung vorenthalten wurden.
Auch wenn eine marktbeherrschende Stellung nach den EU-Kartellvorschriften an sich nicht verboten ist, tragen marktbeherrschende Unternehmen eine besondere Verantwortung; sie dürfen ihre starke Marktstellung nicht missbrauchen, indem sie den Wettbewerb auf dem von ihnen beherrschten Markt oder anderen Märkten beschränken.
Durch den Beschluss der Kommission wird Google verpflichtet, zumindest sein rechtswidriges Verhalten einzustellen, soweit dies noch nicht geschehen ist, und alle Maßnahmen zu unterlassen, die denselben oder einen ähnlichen Zweck verfolgen oder dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben. Außerdem ist Google zivilrechtlich haftbar für Schäden
, die von dem wettbewerbswidrigen Verhalten betroffene Personen und Unternehmen zivilrechtlich vor Gerichten der Mitgliedstaaten einklagen können.
Bereits im Juni 2017 hatte die Kommission eine Geldbuße von 2,42 Mrd. EUR gegen Google verhängt, weil das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschine missbraucht hatte, indem es seinem eigenen Comparison Shopping Service
einen rechtswidrigen Vorteil verschaffte, und im Juli 2018 eine Geldbuße von 4,34 Mrd. EUR wegen illegaler Praktiken im Zusammenhang mit mobilen Android
-Geräten, mit denen die Dominanz der Google-Suchmaschine gestärkt werden sollte. Mit der Sache vom März 2019 hat die Europäische Kommission kartellrechtlich begründete Geldbußen von insgesamt 8,25 Mrd. EUR gegen Google verhängt.
Am 17. Juli 2019 leitete die Kommission ein förmliches Kartellverfahren ein, um zu prüfen, ob Amazon
mit der Verwendung sensibler Daten von unabhängigen Einzelhändlern, die den Marktplatz (Marketplace) von Amazon als Verkaufsplattform nutzen, gegen Wettbewerbsvorschriften der EU verstößt. Durch die Bereitstellung seines Marktplatzes für unabhängige Verkäufer sammelt Amazon laufend Daten über die Tätigkeit auf dieser Verkaufsplattform. Die vorläufige Tatsachenfeststellung der Kommission deutet darauf hin, dass Amazon wettbewerbsrelevante sensible Daten zu Marketplace-Verkäufern, ihren Produkten und Transaktionen auf der Plattform nutzt. Die Kommission untersucht derzeit die Standardvereinbarungen zwischen Amazon und Marktplatz-Verkäufern, die es Amazons Einzelhandelsgeschäft ermöglichen, von seinem Marktplatz stammende aggregierte Daten zu Drittverkäufern zu analysieren und zu nutzen.
Schutz des Preiswettbewerbs und einer besseren Auswahl für die Verbraucher im elektronischen Handel durch EU-Wettbewerbsvorschriften
Der rasant wachsende Online-Handel erreichte 2019 ein Volumen von über 600 Mrd. EUR in Europa, wobei mehr als die Hälfte der Menschen in Europa über das Internet einkaufen. Der elektronische Handel hält für die Verbraucherinnen und Verbraucher eine sehr viel größere Auswahl an Waren und Dienstleistungen bereit und ermöglicht europaweite Preisvergleiche, und Unternehmen können über eine einzige Website, die sie wie ein Schaufenster nutzen, mehr als 500 Millionen Menschen im gesamten Binnenmarkt erreichen.
Die Ergebnisse der Sektoruntersuchung der Kommission zum elektronischen Handel, die am 10. Mai 2017
im Rahmen der Strategie der Kommission für einen digitalen Binnenmarkt veröffentlicht wurde, haben gezeigt, dass immer mehr vertragliche Einschränkungen auferlegt werden, um den Vertrieb stärker zu kontrollieren. Die wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in diesem Bereich ist daher sehr wichtig.
Am 7. März 2019 erklärte die Kommission die von Disney, NBCUniversal, Sony Pictures, Warner Bros. und Sky
angebotenen Verpflichtungen nach den EU-Kartellvorschriften für rechtlich bindend. Damit werden die Bedenken der Kommission hinsichtlich bestimmter Klauseln in den Filmlizenzverträgen mit Sky UK für Pay-TV in Bezug auf Geoblocking ausgeräumt.
Am 5. April 2019 übermittelte die Kommission Mitteilungen der Beschwerdepunkte über möglicherweise rechtswidrige bilaterale Vereinbarungen an Valve, den Eigentümer der weltweit größten Vertriebsplattform für PC-Videospiele „Steam“, und an fünf PC-Videospielverleger: Bandai Namco‚ Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax
. Die Kommission äußerte den Verdacht, dass Valve und die fünf PC-Videospielverleger unter Verstoß gegen EU-Kartellvorschriften geoblockierte Produktschlüssel verwendet haben, um den grenzüberschreitenden Vertrieb zu verhindern. Außerdem führte die Kommission an, dass vier der Videospielverlage möglicherweise gegen EU-Wettbewerbsregeln verstoßen haben, indem sie Vertragsbestimmungen zur Beschränkung von Ausfuhren in ihre Vereinbarungen mit einigen Vertriebsunternehmen außer mit Valve aufgenommen haben.
Durchsetzung des Kartellrechts im Telekommunikationssektor
Am 18. Juli 2019 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 242 Mio. EUR gegen Qualcomm
, weil das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung auf dem Weltmarkt für Chipsätze, die dem UMTS-Standard (Universal Mobile Telecommunications System), dem Standard der dritten Generation (3G), entsprechen, missbraucht und gegen EU-Kartellvorschriften verstoßen hat. In dem Beschluss wurde festgestellt, dass Qualcomm von Mitte 2009 bis Mitte 2011 zwei seiner wichtigsten Kunden, Huawei und ZTE, mit bestimmten Mengen von drei seiner UMTS-Chipsätze unter Selbstkosten beliefert hat, um seinen Wettbewerber Icera aus dem Markt zu drängen. Icera war zu dem Zeitpunkt ein Start-up-Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich und Qualcomms stärkster Konkurrent im Spitzensegment des Marktes für UMTS-Chipsätze. Die Geldbuße, die 1,27 % des Umsatzes von Qualcomm im Jahr 2018 ausmacht, soll auch andere Marktteilnehmer künftig davon abhalten, solche wettbewerbswidrigen Praktiken anzuwenden.
Am 7. August 2019 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gegen die beiden größten Betreiber in Tschechien, O2/CETIN und T-Mobile
, wegen einer Vereinbarung über die gemeinsame Netznutzung an. Die Kommission gelangte zu der vorläufigen Einschätzung, dass diese spezielle Vereinbarung über die gemeinsame Nutzung von Netzen wettbewerbswidrig ist, weil damit der Anreiz für die beiden Mobilfunkbetreiber, ihre Netze und Dienste zum Nutzen der Verbraucherinnen und Verbraucher auszubauen, entfallen dürfte. Die vorläufige Analyse der Kommission entsprach den Grundsätzen, die das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) in seinem gemeinsamen Standpunkt vom 13. Juni 2019 zur gemeinsamen Nutzung von Mobilfunkinfrastrukturen vertreten hat.
Am 16. Oktober 2019 wurde Broadcom
, der weltweit führende Anbieter von Chipsätzen für TV-Set-Top-Boxen und Modems, von der Kommission angewiesen, einige Bestimmungen in Vereinbarungen mit sechs seiner Hauptkunden nicht mehr anzuwenden. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass Broadcom auf den ersten Blick seine beherrschende Stellung auf den Märkten für Ein-Chip-Systeme für i) TV-Set-Top-Boxen, ii) Glasfasermodems und iii) xDSL-Modems missbraucht hat durch seine Vereinbarungen mit Herstellern von TV-Set-Top-Boxen und Modems, die Ausschließlichkeitsklauseln enthalten. Sie ging davon aus, dass ohne einstweilige Maßnahmen wahrscheinlich ein schwerer, irreparabler Schaden für den Wettbewerb eintreten würde. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass dringend gehandelt werden musste, um zu verhindern, dass Wettbewerber marginalisiert oder ganz vom Markt verdrängt werden. Die einstweiligen Maßnahmen gelten für einen Zeitraum von drei Jahren oder bis zum Erlass eines endgültigen Beschlusses über die Praktiken von Broadcom oder bis zur Einstellung der Untersuchung dieser Praktiken durch die Kommission, je nachdem, was zuerst eintritt. Die eingehende Untersuchung der Sache ist noch nicht abgeschlossen. Einstweilige Maßnahmen gehören zu den Instrumenten, die der Kommission nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Verfügung stehen, die aber in den 18 Jahren vor dieser Sache noch nie angewandt worden sind.
Durch einen Beschluss über einstweilige Maßnahmen kann die Kommission ein Unternehmen anweisen, eine Praxis einzustellen und zu unterlassen, solange eine Untersuchung anhängig ist. Einstweilige Maßnahmen können für die Dauer einer Untersuchung verhängt werden, um zu verhindern‚ dass das mutmaßlich wettbewerbswidrige Verhalten auf dem Markt einen schweren, irreparablen Schaden verursacht, der durch den Erlass der endgültigen Maßnahme im Rahmen einer Untersuchung der Kommission nicht behoben werden könnte. Einstweilige Maßnahmen werden im Allgemeinen als Ausnahme betrachtet, da sie eine erhebliche Belastung für das Unternehmen darstellen, dessen Verstoß gegen geltende Vorschriften noch nicht festgestellt wurde. In den meisten Fällen reicht ein Verbotsbeschluss mit einer Unterlassungsverfügung oder mit Abhilfemaßnahmen aus, um die Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen.
Fusionskontrolle in den Bereichen Telekommunikation und Medien
Im Telekommunikationssektor genehmigte die Kommission am 15. Juli 2019 die Übernahme von DNA durch Telenor.
DNA bietet Mobilfunk- und Festnetzkommunikationsdienste, Breitbandinternetdienste und Fernsehübertragungsdienste in Finnland an, während Telenor in den nordischen Ländern Mobilfunk- und Festnetzkommunikationsdienste und Fernsehübertragungsdienste anbietet. Die Tätigkeiten der Unternehmen überschneiden sich nur in sehr begrenztem Umfang, und auch nach dem Zusammenschluss gibt es weiter eine Reihe starker Akteure. Außerdem genehmigte die Kommission am 18. Juli 2019 nach eingehender Prüfung die Übernahme des Kabelgeschäfts von Liberty Global in Tschechien, Deutschland, Ungarn und Rumänien durch Vodafone.
Die Genehmigung ist an die Bedingung geknüpft, dass ein von Vodafone angebotenes Verpflichtungspaket in vollem Umfang eingehalten wird.
Im Mediensektor genehmigte die Kommission am 12. November 2019 die Übernahme von Bonnier Broadcasting durch Telia.
Nach einer eingehenden Untersuchung hatte die Kommission Bedenken, dass die Übernahme den Wettbewerb in Finnland und Schweden erheblich einschränken würde. Die Genehmigung wurde unter der Auflage erteilt, dass die von Telia angebotenen Verpflichtungen in vollem Umfang eingehalten werden.
Durchsetzung staatlicher Beihilfen im Bereich Breitbandnetze
Die digitale Infrastruktur ist ein wichtiger Motor für die Digitalisierung; daher ist es unerlässlich, dass die geeignete Breitbandinfrastruktur den neuen Bedarf an sehr hohen digitalen Geschwindigkeiten, Kapazitäten und Qualität decken kann. In der „Gigabit-Mitteilung“
der Kommission von 2016 werden Netze mit sehr hoher Kapazität als eine ihrer strategischen Prioritäten genannt. Mit öffentlichen Mitteln muss aber auch sichergestellt werden, dass ländliche, abgelegene und andere unterversorgte Gebiete von den neuen Technologien profitieren können, sodass kein Gebiet und keine Person abgehängt wird. Dabei ist auch darauf zu achten, dass private Investitionen nicht verdrängt werden und Wettbewerbsverzerrungen auf ein Minimum beschränkt bleiben.
Im Jahr 2019 genehmigte die Kommission verschiedene Breitbandregelungen nach Maßgabe der EU-Beihilfevorschriften. Dazu gehören in Griechenland ein mit 50 Mio. EUR ausgestattetes Gutscheinsystem für schnellere Breitbanddienste
, in Irland öffentliche Gelder in Höhe von 2,6 Mrd. EUR für den irischen nationalen Breitbandplan
, in Spanien eine mit 400 Mio. EUR ausgestattete Regelung für Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetze und in Deutschland eine Beihilferegelung zum Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität in Bayern, die an ein früheres Gigabit-Pilotprojekt unter Beteiligung von sechs bayerischen Gemeinden anschließt, das im Dezember 2018 von der Kommission genehmigt worden war
.
4. Wettbewerbspolitik zur Unterstützung der energie- und umweltpolitischen Ziele der EU
Im Dezember 2019 nahm die Kommission die Mitteilung „Der europäische Grüne Deal“ an, in der politische Initiativen aufgezeigt werden für das Ziel, im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freizusetzen und umweltbedingte Herausforderungen zu bewältigen.
Wie alle anderen Politikbereiche der Kommission wird auch die Wettbewerbspolitik dazu beitragen, diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen. So hat die Kommission 2019 die Eignungsprüfung für Umwelt- und Energieleitlinien eingeführt und die Bewertung ihrer Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2012 („EHS-Leitlinien“) fortgesetzt und ihre Überarbeitung vorbereitet, damit sie an das neue Emissionshandelssystem der EU für den Zeitraum 2021-2030 angepasst werden. Durch die laufende Eignungsprüfung des Pakets zur Modernisierung des Beihilferechts wird eine Überarbeitung der einschlägigen Leitlinien im Hinblick auf die politischen Ziele des europäischen Grünen Deals bis 2021 vorbereitet.
Staatliche Beihilfen zur Unterstützung des Ziels der EU, keine Umweltverschmutzung mehr zu verursachen, und zur Förderung von Ressourceneffizienz
Im Jahr 2019 genehmigte die Kommission weitere öffentliche Beihilfen in Höhe von 195 Mio. EUR, die bis Ende 2022 für Elektrobusse und Ladeinfrastruktur in Deutschland vorgesehen sind. Zusätzlich genehmigte die Kommission öffentliche Mittel in Höhe von 430 Mio. EUR für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen, die in Kommunen zum Einsatz kommen, in denen die Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen im Jahr 2017 überschritten wurden. Beide Maßnahmen stehen im Einklang mit den Umweltzielen der EU und mit der Europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität, die die Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge in den Städten und die Schaffung eines Marktes für solche Fahrzeuge unterstützt.
Ferner genehmigte die Kommission eine tschechische Regelung zur Gewährung von Beihilfen für Anlagen zur Stromerzeugung aus Abwärme und Abgas aus dem Bergbau. Die Regelung trägt zur Ressourceneffizienz bei, indem sie den Verbrauch von Primärenergie zur Stromerzeugung reduziert.
Am 25. November 2019 genehmigte die Kommission 93,8 Mio. EUR zur Unterstützung des Baus und Betriebs einer hocheffizienten KWK-Anlage in Bulgarien.
Die Anlage soll Wärme und Strom aus Brennstoffen erzeugen, die aus nicht recycelbaren Siedlungsabfällen gewonnen werden.
Am 28. Januar 2019 genehmigte die Kommission eine Investitionsbeihilfe von 36 Mio. EUR zugunsten des Chemieunternehmens LG Chem
für ein neues Batteriewerk für Elektrofahrzeuge in Polen. Die neue Anlage soll Batterien für mehr als 80 000 Elektrofahrzeuge pro Jahr liefern und mehr als 700 direkte Arbeitsplätze schaffen; damit wird die Entwicklung der Region Dolnoślaskie gefördert und gleichzeitig der Wettbewerb aufrechterhalten. Ohne öffentliche Mittel hätte das Projekt nicht durchgeführt werden können.
Staatliche Beihilfen zur Förderung von erneuerbarer Energie
Ziel der Beihilfenkontrolle ist es, den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nutzen begrenzter öffentlicher Mittel zu optimieren, indem die Kosten für den Staat, die Industrie und die Verbraucher so gering wie möglich gehalten werden und sichergestellt wird, dass durch die öffentlichen Gelder keine privaten Investitionen verdrängt werden, und ein Beitrag zu gleichen Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt geleistet wird. Im Jahr 2019 genehmigte die Kommission weitere Beihilferegelungen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Energieeffizienzziele zu erreichen und im Einklang mit den Umweltzielen der EU zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen beizutragen.
Am 14. Juni 2019 genehmigte die Kommission eine Förderung in Höhe von 5,4 Mrd. EUR für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in Italien
, um die Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien zu unterstützen. Mit dieser Regelung, die bis 2021 gilt, wird die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen wie Onshore-Windenergie, Photovoltaik, Wasserkraft und Klärgas gefördert.
Am 26. Juli 2019 genehmigte die Kommission die Unterstützung für sechs Offshore-Windparks in Frankreich.
Mit dem Bau der Anlagen soll in diesem Jahr begonnen werden; ab 2022 dürften die Windparks einsatzbereit sein. Die Fördermaßnahmen werden Frankreich dabei helfen, seinen Anteil an Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erhöhen, um seine Klimaziele im Einklang mit den Umweltzielen der EU
zu erreichen.
Regulierung und Wettbewerbspolitik greifen ineinander, um eine sichere Energieversorgung der Menschen und Unternehmen in Europa zu gewährleisten
Durch Kapazitätsmechanismen wollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass das Stromangebot mittel- und langfristig den Bedarf decken kann. Sie sind so konzipiert, dass erwartete Kapazitätslücken geschlossen werden und Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Bei der Gestaltung von Kapazitätsmechanismen müssen Wettbewerbsverzerrungen unbedingt vermieden werden, da sie zu höheren Strompreisen für die Verbraucher führen, manchen Energieunternehmen ungerechtfertigte Vorteile verschaffen und Stromflüsse über EU-Grenzen hinweg behindern können.
Kapazitätsmechanismen sind jedoch kein Ersatz für Reformen des Strommarkts auf nationaler und europäischer Ebene. Die neue Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt
verpflichtet die Mitgliedstaaten, Kapazitätsmechanismen einzuführen und einen Marktreformplan vorzulegen, mit dem regulatorische und andere Mängel, die Investitionsanreize im Stromsektor untergraben, behoben werden. Durch die Verordnung soll auch verhindert werden, dass emissionsstarke Erzeugungskapazitäten in Kapazitätsmechanismen einbezogen werden.
Im Jahr 2019 erließ die Kommission zwei Beschlüsse zu Kapazitätsmechanismen in Italien
und Großbritannien (nach eingehender Untersuchung)
‚ in denen die Bestimmungen der Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung zu Kapazitätsmechanismen bereits berücksichtigt wurden.
Untersuchung potenzieller Kartelle, die die Nutzung innovativer Technologien behindern
In den Leitlinien der Kommission zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit werden unter anderem die Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zur Verbesserung der Produktqualität und Innovation erläutert, die unter dem Aspekt des EU-Wettbewerbsrechts unbedenklich sind. Unternehmen handeln rechtswidrig, wenn sie Absprachen treffen, um den Wettbewerb im Hinblick auf Qualität und Innovation zu behindern. Am 5. April 2019 übermittelte die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an BMW‚ Daimler und die Volkswagen-Gruppe (Volkswagen, Audi, Porsche)
, in der sie diese Unternehmen davon in Kenntnis setzte, dass sie ihrer vorläufigen Einschätzung nach zwischen 2006 und 2014 gegen EU-Kartellrecht verstoßen haben durch Absprachen, mit denen der Wettbewerb in der Entwicklung von Technologien zur Abgasreinigung bei Personenkraftwagen mit Benzin- oder Dieselmotor beschränkt wurde. Nach vorläufiger Einschätzung der Kommission wurden durch das Vorgehen der Automobilhersteller, mit dem der Wettbewerb um Innovationen für zwei Abgasreinigungssysteme beschränkt werden sollte, Verbraucherinnen und Verbraucher möglicherweise daran gehindert, weniger umweltschädliche Fahrzeuge zu kaufen, obwohl den Herstellern die Technologie zur Verfügung stand.
5. Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt
Die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im verarbeitenden Gewerbe gewährleistet, dass die Unternehmen im Binnenmarkt unter gleichen und fairen Bedingungen miteinander konkurrieren können. Die Durchsetzung des Beihilferechts trägt darüber hinaus dazu bei, dass öffentliche Mittel in Forschung, Ausbildung und Energieeffizienz gelenkt werden. Nur innovative Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsplänen können den Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmen in der EU intelligente Produkte und Dienste zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten. Durch Effizienzsteigerungen und eine Verbesserung ihrer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit sind EU-Unternehmen im Binnenmarkt für den Wettbewerb auf dem Weltmarkt gerüstet.
Fusionskontrollbeschlüsse und Untersuchungen in der Grundstoffindustrie mit hohen Marktzutrittsschranken
Die EU-Fusionskontrolle trägt dazu bei, dass im Binnenmarkt tätige Unternehmen unter gleichen und fairen Bedingungen konkurrieren können. Angemeldete Zusammenschlüsse, die den Wettbewerb erheblich verzerren könnten, unterliegen einer eingehenden Prüfung durch die Kommission. Dabei berücksichtigt die Kommission durch Fusionen bewirkte Effizienzgewinne, die sich positiv auf Kosten, Innovation und andere Aspekte auswirken können, sofern diese Effizienzgewinne nachprüfbar und fusionsspezifisch sind und aller Voraussicht nach an die Verbraucher weitergegeben werden. Eventuelle wettbewerbsrechtliche Bedenken können fusionierende Unternehmen durch das Angebot von Verpflichtungen ausräumen. Wenn keine angemessenen und ausreichenden Verpflichtungen gefunden oder vereinbart werden, untersagt die Kommission den Zusammenschluss. In den letzten zehn Jahren hat die Kommission mehr als 3000 Zusammenschlüsse genehmigt, davon über 90 % ohne Bedingungen und Auflagen. Untersagt hat sie im selben Zeitraum nur zehn Zusammenschlüsse, drei davon im Jahr 2019.
Die verarbeitende Industrie und die Verbrauchsgüterindustrie hatten auch 2019 wieder einen erheblichen Anteil an der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Kommission.
Am 6. Februar 2019 wurde die angestrebte Übernahme von Alstom durch Siemens nach der EU-Fusionskontrollverordnung untersagt.
Weder Siemens noch Alstom, beide führend in der Eisenbahnbranche, hatten ausreichende Abhilfemaßnahmen angeboten, um die Bedenken der Kommission dauerhaft auszuräumen.
Zusammenschluss Siemens/Alstom: Schutz von Eisenbahnunternehmen und Fahrgästen
Züge und die entsprechende Signaltechnik sind für den Verkehr in Europa von zentraler Bedeutung. Siemens (Deutschland) und Alstom (Frankreich) sind Weltmarktführer im Schienenverkehr. Bei dem geplanten Vorhaben hätten sich die beiden größten Anbieter – nicht nur in Bezug auf die Größe der zusammengelegten Geschäftsbereiche, sondern auch auf die geografische Reichweite ihrer Tätigkeiten – von Rollmaterial (Zügen) und Signaltechniklösungen im Europäischen Wirtschaftsraum zusammengeschlossen. Beide Unternehmen sind auch weltweit führend.
In ihrer eingehenden Prüfung vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss ohne ausreichende Abhilfemaßnahmen den Wettbewerb auf mehreren Märkten für Eisenbahn-Signalanlagen und auf dem Markt für Hochgeschwindigkeitszüge beeinträchtigt hätte. Das Unternehmen wäre zum unstrittigen Marktführer auf mehreren Märkten für Eisenbahn-Signalanlagen und zu einem marktbeherrschenden Akteur bei den Hochgeschwindigkeitszügen im EWR geworden. In allen relevanten Märkten, bei denen wettbewerbsrechtliche Bedenken bestanden, hätte der Wettbewerbsdruck seitens der verbleibenden Konkurrenten nicht ausgereicht, um einen wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. Im Rahmen ihrer Untersuchung hat die Kommission auch die Wettbewerbssituation in der übrigen Welt sorgfältig geprüft, und sie hielt es daraufhin für unwahrscheinlich, dass neue Wettbewerber einschließlich möglicher chinesischer Anbieter in naher Zukunft in die EWR-Märkte für Hochgeschwindigkeitszüge oder Signaltechniklösungen, bei denen wettbewerbsrechtliche Bedenken bestehen, eintreten werden.
Die von Siemens und Alstom angebotenen Abhilfemaßnahmen reichten nicht aus, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Marktteilnehmer, die von der Kommission zu den vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen befragt wurden, gaben eine negative Beurteilung ab und bestätigten damit die Einschätzung der Kommission.
Da keine angemessenen Abhilfemaßnahmen angeboten wurden, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken in Bezug auf den Markt für Hochgeschwindigkeitszüge und für Eisenbahn-Signaltechnik auszuräumen, kam die Kommission zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss zu höheren Preisen und geringeren Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf Zulieferer und weniger innovativen Produkten führen würde, mit nachteiligen Folgen für Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber und letztlich auch für Millionen Menschen in Europa, die täglich beruflich oder privat den Schienenverkehr nutzen. Daher untersagte sie den geplanten Zusammenschluss.
Am 6. Februar 2019 untersagte die Kommission aufgrund der EU-Fusionskontrollverordnung die von Wieland angestrebte Übernahme von Aurubis Rolled Products und die Beteiligung von Aurubis an Schwermetall.
Die Kommission befürchtete unter anderem eine Einschränkung des Wettbewerbs und höhere Preise für gewalzte Kupfererzeugnisse, die von europäischen Herstellern verwendet werden. Zahlreiche europäische Industriekunden äußerten zudem Bedenken sowohl hinsichtlich des Zugangs zu Vorwalzband aus Schwermetall als auch hinsichtlich der Preiserhöhungen für Walzerzeugnisse. Wieland und Aurubis waren zwei der drei größten Hersteller von Kupferwalzprodukten in Europa. Hätte Wieland den Zusammenschluss vollzogen, wäre das Unternehmen mit einem Marktanteil von über 50 % in Europa zum beherrschenden Akteur auf dem Markt für Walzerzeugnisse aus Kupfer geworden und hätte nur noch einen Wettbewerber mit mehr als 10 % Marktanteil gehabt. Da Wieland nicht bereit war, die geäußerten Bedenken wirksam auszuräumen, untersagte die Kommission den geplanten Zusammenschluss.
In der Kunststoffindustrie genehmigte die Kommission am 18. Januar 2019 nach einer eingehenden Untersuchung die Übernahme des Polyamid-(Nylon-)Geschäfts von Solvay durch BASF
vorbehaltlich der Veräußerung der meisten relevanten Vermögenswerte von Solvay im EWR. Den Erkenntnissen der Kommission zufolge bestand das Risiko, dass der Zusammenschluss in der angemeldeten Form wahrscheinlich höhere Preise und/oder geringere Vorleistungen in der gesamten Wertschöpfungskette von Nylon 6.6 sowie höhere Preise für Endkunden zur Folge gehabt hätte. Zu den Nylon-6.6-Produkten zählen Spezialkunststoffe, die in der Automobil-, der Elektronik- und der Bauindustrie verwendet werden. Sie werden häufig als Ersatz für schwerere Metallteile und aus Gründen der Energieeinsparung verwendet. Am 25. November 2019 genehmigte die Kommission die Übernahme der veräußerten Geschäftsanteile durch Domo Chemicals.
Am 11. Juni 2019 untersagte die Kommission nach der EU-Fusionskontrollverordnung das geplante Gemeinschaftsunternehmen von Tata Steel und ThyssenKrupp
, das die Sparten Flachstahl aus Kohlenstoffstahl und Elektrostahl von ThyssenKrupp und Tata Steel im EWR zusammengeführt hätte. ThyssenKrupp als zweitgrößter und Tata Steel als drittgrößter Hersteller von Kohlenstoff-Flachstahl im EWR sind zudem bedeutende Hersteller von metallbeschichtetem und laminiertem Stahl für Verpackungszwecke und von galvanisiertem Kohlenstoffflachstahl für die Automobilindustrie. Die Bedenken der Kommission bezogen sich auf eine Reduzierung des Wettbewerbs (geringere Auswahl für Stahlabnehmer) und höhere Preise für verschiedene Stahlarten. Die von den beteiligten Unternehmen angebotenen Abhilfemaßnahmen reichten nicht aus, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Kommission befragte Marktteilnehmer zu den vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen, und deren Reaktion fiel negativ aus. Daher wurde der geplante Zusammenschluss untersagt.
Am 1. Oktober 2019 genehmigte die Kommission nach einer eingehenden Untersuchung die Übernahme des Aluminiumriesen Aleris durch den Rivalen Novelis unter Auflagen. Die Kommission hatte Bedenken, dass der Zusammenschluss zu höheren Preisen für europäische Abnehmer von Karosserieblechen aus Aluminium führen würde, die in der Automobilherstellung u. a. dazu beitragen, den Kraftstoffverbrauch und den Schadstoffausstoß zu senken. Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, boten die Unternehmen an, sich von Aleris‘ gesamtem Geschäftsbereich Karosseriebleche aus Aluminium in Europa einschließlich seiner Produktionsstätte in Belgien zu trennen. Hierunter fielen FuE-Werte und Investitionen zur weiteren Steigerung ihrer Kapazitäten. Da durch die geplante Veräußerung sämtliche Überschneidungen beseitigt würden, die durch den Zusammenschluss im Bereich Karosseriebleche aus Aluminium in Europa entstehen, kam die Kommission zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss in der durch die Verpflichtungen geänderten Form wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist. Der Beschluss ist an die Auflage geknüpft, dass die Verpflichtungen vollständig umgesetzt werden.
Außerdem leitete die Kommission eingehende Untersuchungen zu verschiedenen geplanten Zusammenschlüssen im verarbeitenden Gewerbe ein. Die Einleitung einer eingehenden Untersuchung greift deren Ergebnissen nicht vor. Am 4. Oktober 2019 leitete die Kommission ein eingehendes Prüfverfahren ein, um die geplante Gründung von zwei Gemeinschaftsunternehmen der Flugzeughersteller Boeing und Embraer nach der EU-Fusionskontrollverordnung zu bewerten. Die Kommission hatte Bedenken, dass der Zusammenschluss zu höheren Preisen und einer geringeren Auswahl an Verkehrsflugzeugen führen könnte.
Am 30. Oktober 2019 leitete die Kommission eine eingehende Prüfung ein, um festzustellen, ob die geplante Übernahme von Chantiers de l‘Atlantique durch Fincantieri den wirksamen Wettbewerb erheblich beeinträchtigen würde. Beide Schiffbauunternehmen sind weltweit führend in einem Markt, der bereits von Konzentration und Kapazitätsengpässen geprägt ist.
Am 17. Dezember 2019 leitete die Kommission eine eingehende Untersuchung ein, um die geplante Übernahme von Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering CO., Ltd (DSME) durch eine andere Schiffbaugruppe, Hyundai Heavy Industries Holdings (HHIH), nach der EU-Fusionskontrollverordnung zu bewerten. Die Kommission befürchtet, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf verschiedenen Märkten für den Frachtschiffbau weltweit beeinträchtigen könnte. Der Frachtschiffbau ist ein wichtiger Wirtschaftszweig für die EU. Die europäischen Reedereien sind wichtige Kunden von DSME und HHIH; sie haben einen Anteil von 30 % an der weltweiten Nachfrage nach Frachtschiffen.
EU-Beihilfevorschriften tragen zur Innovationsförderung bei
Im Juni 2014 nahm die Kommission eine Mitteilung über wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) an, in der die Kriterien festgelegt sind, nach denen die Mitgliedstaaten transnationale Projekte von strategischer Bedeutung für die EU unterstützen können
. In der Mitteilung werden die Vereinbarkeitsregeln präzisiert, um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei Projekten zu erleichtern, die eindeutig zu Wirtschaftswachstum, Nachhaltigkeit, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der EU beitragen. In diesem Rahmen werden auch Verpflichtungen zu einer umfassenden Verbreitung neuen Wissens in der gesamten EU sowie eine eingehende Bewertung des Wettbewerbs verlangt, um unzumutbare Verzerrungen so gering wie möglich zu halten. Der IPCEI-Rahmen ergänzt andere Beihilfevorschriften wie die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)
und das Rahmenprogramm für Forschung, Entwicklung und Innovation, das die Förderung innovativer Projekte ermöglicht und gleichzeitig eine Begrenzung potenzieller Wettbewerbsverzerrungen gewährleistet.
Im Dezember 2018 stellte die Europäische Kommission fest, dass ein von Frankreich, Deutschland, Italien und dem Vereinigten Königreich gemeinsam angemeldetes integriertes Forschungs- und Innovationsprojekt im Bereich Mikroelektronik mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht und zu einem gemeinsamen europäischen Interesse beiträgt. Die vier Mitgliedstaaten werden bis zu 1,75 Mrd. EUR für dieses Projekt bereitstellen und wollen damit weitere 6 Mrd. EUR an privaten Investitionen mobilisieren.
Im Dezember 2019 folgte auf dieses erste IPCEI-Projekt ein zweites Projekt im Bereich Batterien. Die Batterieherstellung ist aufgrund ihres Potenzials in Bezug auf saubere Mobilität, Energie, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit von strategischem Interesse für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft.
Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse: Unterstützung für alle Segmente der Batterie-Wertschöpfungskette
Im Dezember 2019 genehmigte die Kommission ein zweites wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse, das von Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Polen und Schweden gemeinsam angemeldet wurde, um Forschung und Innovation im gemeinsamen europäischen Schwerpunktbereich Batterien zu unterstützen. Die sieben Mitgliedstaaten werden in den kommenden Jahren bis zu 3,2 Mrd. EUR bereitstellen und damit voraussichtlich private Investitionen von weiteren 5 Mrd. EUR mobilisieren.
Das Gesamtprojekt soll 2031 abgeschlossen sein (mit unterschiedlichen Fristen für die einzelnen Teilprojekte). Die 17 direkten Teilnehmer kommen vor allem aus der Industrie, darunter auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Das Projekt ist Teil der „Europäischen Batterie-Allianz“ zwischen der Kommission, interessierten Mitgliedstaaten und Akteuren der Industrie, die sich im Mai 2018 auf einen strategischen Aktionsplan für Batterien geeinigt haben.
6. Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Bereich Besteuerung
Die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen auch hinsichtlich der Besteuerung stärkt das Vertrauen in den Binnenmarkt. Die Mitgliedstaaten dürfen multinationalen Konzernen keine Steuervergünstigungen gewähren, die Einzelunternehmen (bei denen es sich häufig um ortsansässige Firmen handelt) nicht zur Verfügung stehen, weil das den Wettbewerb erheblich verfälschen würde. Zudem würden der öffentlichen Hand und den Steuerzahlern in der EU dringend benötigte Mittel für den Kampf gegen den Klimawandel, den Ausbau von Infrastruktur und Investitionen in Innovation fehlen.
Am 24. September 2019 erließ das Gericht seine ersten Urteile zu den Beschlüssen der Kommission und ihrer Feststellung, dass es sich bei den Starbucks
und Fiat
gewährten Steuervorbescheiden um staatliche Beihilfen handelte. In der Rechtssache Fiat bestätigte das Gericht den Beschluss der Kommission vom 21. Oktober 2015 und stellte fest, dass die Kommission ihre Beihilfevorschriften korrekt angewandt habe, um zu beurteilen, ob ein rechtswidriger Vorteil bestand, und dass sie nicht versucht habe, die Steuervorschriften übergreifend zu harmonisieren. Das Gericht stimmte auch der Feststellung der Kommission zu, dass der luxemburgische Steuervorbescheid selektiv sei und daher nicht allen Unternehmen zur Verfügung gestanden habe. In der Rechtssache Starbucks erklärte das Gericht den Beschluss der Kommission vom 21. Oktober 2015 für nichtig und befand, dass es der Kommission nicht gelungen sei, einen Vorteil zugunsten des Unternehmens nachzuweisen. In beiden Fällen bestätigte das Gericht den Ansatz der Kommission, Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Steuersachen anzuwenden.
Die Kommission kämpft weiter gegen selektive Steuervorteile
Die Kommission hat auch 2019 wieder aggressive Steuerplanungsmaßnahmen auf der Grundlage der EU-Beihilfevorschriften geprüft, um festzustellen, ob sie zu rechtswidrigen staatlichen Beihilfen führen.
Am 2. April 2019 kam die Kommission zu dem Schluss, dass das Vereinigte Königreich bestimmten multinationalen Unternehmen durch Befreiung von mehreren Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidung, den sogenannten Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen (Controlled Foreign Company (CFC) rules)
, rechtswidrige Steuervorteile gewährt hat.
Am 10. Januar 2019 leitete die Kommission eine eingehende Untersuchung ein, um zu ermitteln, ob die Niederlande mit den Nike
erteilten Steuervorbescheiden dem Unternehmen möglicherweise einen unfairen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschafft und gegen EU-Beihilfevorschriften verstoßen haben. Das förmliche Prüfverfahren der Kommission betrifft die steuerliche Behandlung von zwei Unternehmen der Nike-Gruppe in den Niederlanden. Von 2006 bis 2015 haben die niederländischen Steuerbehörden Steuervorbescheide erlassen und damit eine Methode zur Berechnung von Lizenzgebühren gebilligt. Aufgrund dieser Vorbescheide wurden die Verkaufserlöse dieser Unternehmen der Nike-Gruppe nur in geringem Umfang besteuert. Die Kommission befürchtet, dass die durch die Vorbescheide gebilligten Lizenzgebühren nicht der wirtschaftlichen Realität entsprechen. Sie scheinen höher zu sein als Gebühren, wie sie von unabhängigen Unternehmen zu Marktbedingungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbart worden wären.
Nach dem Urteil des Gerichts, mit dem der Beschluss über die belgische Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen
für nichtig erklärt wurde, weil jeder Steuervorbescheid einzeln nach den EU-Beihilfevorschriften hätte geprüft werden müssen, leitete die Kommission am 16. September 2019 eingehende Einzeluntersuchungen zu 39 Steuervorbescheiden in Bezug auf Gewinnüberschüsse ein, die Belgien multinationalen Unternehmen erteilt hat.
Gleichzeitig legte die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts ein, um mehr Klarheit über das Vorliegen einer Beihilferegelung zu erlangen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
7. Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors im Kontext der Bankenunion
Infolge der allgemeinen Stabilisierung des europäischen Finanzsektors seit der Finanzkrise und der laufenden Umsetzung des Rechtsrahmens für die Bankenunion ist die Anzahl neuer Fälle von staatlichen Beihilfen im Finanzsektor weiter zurückgegangen.
Am 5. Dezember 2019 erließ die Kommission einen Beschluss mit der Feststellung, dass die Rekapitalisierung der Norddeutschen Landesbank – Girozentrale (NordLB)
marktkonform war. Die Maßnahmen umfassten eine Direktinvestition in Höhe von 2,8 Mrd. EUR und Investitionen in die notwendigen strukturellen Veränderungen sowie eine Verkleinerung der Bank, um ihre Rentabilität auf dem Markt zu gewährleisten. Die Kommission stellte fest, dass der Staat eine Vergütung erhielt, die auch für einen privaten Betreiber unter ähnlichen Bedingungen akzeptabel wäre. Somit wurden die Maßnahmen zu Marktbedingungen und ohne staatliche Beihilfe im Sinne der EU-Vorschriften durchgeführt. Die Europäische Zentralbank als zuständige Aufsichtsbehörde hat den Plan am 29. November 2019 gebilligt. In ähnlicher Weise stellte die Kommission am 29. Oktober 2019 fest, dass die Pläne Rumäniens, der staatseigenen CEC-Bank Kapital in Höhe von 200 Mio. EUR zuzuführen‚ zu Marktbedingungen durchgeführt werden sollten und es sich daher nicht um eine staatliche Beihilfe zugunsten der Bank im Sinne der EU-Vorschriften handelte.
Trotz der verbesserten Widerstandsfähigkeit des Bankensektors in der EU sind teilweise noch Altlasten vorhanden wie der in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor hohe Bestand an notleidenden Krediten. Im Jahr 2019 genehmigte die Kommission die beihilfefreie Absicherungsregelung für Bankvermögenswerte („Herkules“)
zur Förderung des Abbaus notleidender Kredite in Griechenland. Diese Regelung ist ein Beispiel dafür, wie die Mitgliedstaaten Banken helfen können, ihre Bilanzen zu bereinigen, ohne Beihilfen zu gewähren oder den Wettbewerb zu verfälschen.
Weitere Gewährleistung von fairem Wettbewerb auf den Finanzdienstleistungsmärkten zum Nutzen von Verbrauchern und Unternehmen
Der digitale Wandel wirkt sich sowohl auf die Finanzdienstleistungen als auch auf andere Branchen in Europa aus. Digitale Technologien eröffnen den Unternehmen neue Möglichkeiten für verbesserte Dienste am Kunden zu geringeren Kosten. Um das Potenzial der Digitalisierung voll ausschöpfen zu können, müssen Finanztechnologieunternehmen eine echte Chance auf Wettbewerb haben, und durch die rechtlichen Rahmenbedingungen muss sichergestellt sein, dass alle Finanzdienstleister gleiche Wettbewerbsbedingungen vorfinden.
Die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln im Finanzsektor blieb auch 2019 eine Voraussetzung für fairen Wettbewerb und den Schutz der Finanzstabilität. Am 22. Januar 2019 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 570 Mio. EUR gegen Mastercard
wegen Behinderung des Zugangs von Händlern zu grenzüberschreitenden Kartenzahlungsdiensten unter Verstoß gegen das EU-Kartellrecht.
MasterCard II: Förderung eines gesunden Wettbewerbs im Zahlungsverkehrssektor
MasterCard ist, gemessen an der Anzahl der Verbraucherkarten und am Wert der Transaktionen, das zweitgrößte Kartensystem im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Kartenzahlungen spielen eine wichtige Rolle im Binnenmarkt, da europäische Verbraucherinnen und Verbraucher und auch Unternehmen mehr als die Hälfte ihrer bargeldlosen Zahlungen per Karte tätigen. Für jede Zahlung, die Verbraucherinnen und Verbraucher in einem Geschäft oder online mit Debitkarte oder Kreditkarte tätigen, entrichtet die Bank des Einzelhändlers ein „Interbankenentgelt“ an die Bank des Karteninhabers. Die Bank des Einzelhändlers gibt diese Gebühren an den Einzelhändler weiter, der sie wie alle anderen Kosten in die Verbraucherendpreise einkalkuliert.
Die Untersuchung der Kommission ergab, dass die Banken von Einzelhändlern aufgrund der Regelungen von Mastercard für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr verpflichtet sind, die Interbankenentgelte des Landes zu erheben, in dem der Einzelhändler ansässig ist. Aufgrund dieser Regelung zahlten Einzelhändler mehr für die Kartenzahlungsdienste von Banken, als wenn sie unter kostengünstigeren Angeboten hätten auswählen können. Die Regelungen für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr führten zu höheren Preisen für Einzelhändler und Verbraucher, zu einer Beschränkung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs und zu einer künstlichen Segmentierung des Binnenmarkts.
Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die Regelungen von Mastercard für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr bis zum 9. Dezember 2015 gegen EU-Kartellrecht verstießen, da sie die Möglichkeiten für Händler einschränkten, bessere Konditionen zu nutzen, die von Banken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des Binnenmarkts angeboten werden. Auf dieser Grundlage beschloss die Kommission, eine Geldbuße von 570 Mio. EUR gegen Mastercard zu verhängen.
Am 9. Dezember 2015 wurden mit der Interbankenentgelt-Verordnung
Obergrenzen für Interbankenentgelte eingeführt, die bis dahin im EWR von Land zu Land sehr unterschiedlich waren. Die Kommission bewertet derzeit die Umsetzung der Verordnung von 2015 und hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Die Kommission hat getrennte kartellrechtliche Untersuchungen über die multilateralen Interbankenentgelte (MIF) von Mastercard, Visa Inc. und Visa International in Bezug auf Transaktionen im EWR mit außerhalb des EWR ausgegebenen Debitkarten und Kreditkarten (interregionale MIF) durchgeführt. Die Interbankenentgelt-Verordnung sah keine Deckelung dieser MIF vor, die eine erhebliche Belastung für europäische Händler darstellten und zu einer Erhöhung der Verbraucherpreise führten. 2014 wurde das Verfahren gegen Visa Europe nach den von dem Unternehmen eingegangenen Verpflichtungen eingestellt.
Im Jahr 2019 boten Mastercard, Visa Inc. und Visa International jeweils eigene Verpflichtungen an mit der Zusage, die interregionalen Interbankenentgelte um durchschnittlich 40 % bis zu oder unterhalb von verbindlichen Obergrenzen zu senken. Am 29. April 2019 erließ die Kommission zwei Beschlüsse, mit denen diese Verpflichtungen nach den EU-Kartellvorschriften für rechtlich bindend erklärt wurden.
Am 16. Mai 2019 verhängte die Kommission in zwei Vergleichsbeschlüssen Geldbußen gegen fünf Banken wegen Beteiligung an zwei Kartellen im Devisenkassahandel (Spot Foreign Exchange Market, FOREX)
für elf wichtige Währungen. Mit dem ersten Beschluss (zum sogenannten „Forex-Three-Way-Banana-Split-Kartell“) wurde gegen Barclays, die Royal Bank of Scotland (RBS), Citigroup und JPMorgan eine Geldbuße von insgesamt 811 Mio. EUR verhängt. Die Zuwiderhandlung begann am 18. Dezember 2007 und endete am 31. Januar 2013. Mit dem zweiten Beschluss (zum sogenannten „Forex-Essex-Express-Kartell“) wurde gegen Barclays, RBS und die MUFG Bank (früher Bank of Tokyo-Mitsubishi) eine Geldbuße von insgesamt knapp 258 Mio. EUR verhängt. Die Zuwiderhandlung begann am 14. Dezember 2009 und endete am 31. Juli 2012. Beide Beschlüsse richteten sich auch an die Union Bank of Switzerland (UBS), gegen die jedoch keine Geldbuße verhängt wurde, da sie die Kommission als Kronzeuge über das Bestehen der Kartelle in Kenntnis gesetzt hatte.
Im Jahr 2019 hat die Kommission den Kreditsektor weiter aufmerksam beobachtet und einen Bericht
über Kreditsyndizierung in der EU veröffentlicht, in dem dargelegt wird, wie solche Konsortien gebildet werden, wie sie funktionieren und wie sie sich auf den Wettbewerb auf den Kreditmärkten auswirken. Konsortialkredite sind wichtige Instrumente zur Finanzierung großer Infrastruktur- und Innovationsprojekte.
Im Versicherungssektor leitete die Kommission im Mai 2019 ein förmliches Kartellverfahren gegen Insurance Ireland
ein, um zu prüfen, ob Unternehmen, die ihre Leistungen auf dem irischen Kfz-Versicherungsmarkt anbieten wollten, auf unfaire Weise vom Zugang zu einem von Insurance Ireland für seine Mitgliedsunternehmen verwalteten Datenpool ausgeschlossen wurden. Sollte das der Fall sein, könnten die untersuchten Praktiken gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen und für irische Kfz-Halter eine geringere Auswahl und weniger wettbewerbsfähige Preise bei Kfz-Versicherungspolicen zur Folge haben. Der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens gingen Kontrollen voraus, die im Juli 2017 auf dem irischen Kfz-Versicherungsmarkt durchgeführt wurden.
8. Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs in den Bereichen Lebensmittel, Verbraucher und Gesundheit
Der Binnenmarkt eröffnete Einzelhändlern und Verbrauchern die Möglichkeit, europaweit aus einer größeren Produktvielfalt auswählen und zu günstigeren Preisen einkaufen zu können. Wenn Unternehmen Händler daran hindern, Waren grenzüberschreitend und online im EU-Binnenmarkt zu verkaufen, wird die Auswahl eingeschränkt, und die Verbraucherpreise steigen. Die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankerten europäischen Wettbewerbsregeln
verbieten Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb innerhalb des EU-Binnenmarkts verhindern, einschränken oder verfälschen.
Durchsetzung des Kartellrechts bei grenzüberschreitenden Verbraucherprodukten
Im Jahr 2019 wurden mehrere Fälle, in denen Lizenznehmer unter Verstoß gegen EU-Kartellvorschriften daran gehindert wurden, lizenzierte Produkte in einem anderen Land zu verkaufen, von der Kommission eingehend untersucht.
Am 13. Mai 2019 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 200,4 Mio. EUR gegen Anheuser-Busch InBev NV/SA (AB InBev)
wegen Beschränkung des Bierverkaufs in benachbarten EU-Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen das EU-Kartellrecht.
Fortsetzung des Kampfes gegen grenzüberschreitende wettbewerbswidrige Praktiken im Binnenmarkt
AB InBev ist die größte Bierbrauerei weltweit. Ihre beliebteste Biermarke in Belgien ist Jupiler mit einem Anteil von rund 40 % der Verkäufe im gesamten belgischen Biermarkt. AB InBev verkauft Jupiler-Bier auch in anderen EU-Mitgliedstaaten, z. B. in den Niederlanden und in Frankreich.
In ihrer im Juni 2016 eingeleiteten Untersuchung stellte die Kommission fest, dass AB InBev Jupiler-Bier in den Niederlanden aufgrund eines stärkeren Wettbewerbs zu niedrigeren Preisen an Einzelhändler und Großhändler verkauft als in Belgien. Die Kommission kam außerdem zu dem Schluss, dass AB InBev eine beherrschende Stellung auf dem belgischen Biermarkt innehat und dass die Brauerei diese marktbeherrschende Stellung in Belgien missbraucht hat, indem sie Supermärkte und Großhändler daran hinderte, Jupiler-Bier zu niedrigeren Preisen in den Niederlanden zu kaufen und nach Belgien einzuführen. Die grenzüberschreitenden Verkäufe im Binnenmarkt wurden eingeschränkt, und Verbraucherinnen und Verbraucher in Belgien mussten für das Jupiler-Bier mehr bezahlen.
Der Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Union dauerte vom 9. Februar 2009 bis zum 31. Oktober 2016; die von der Kommission gegen AB InBev verhängte Geldbuße beläuft sich auf 200 409 000 EUR. Mit dem Beschluss der Kommission wurde die Abhilfemaßnahme, mit der sichergestellt wird, dass AB InBev obligatorische Lebensmittelinformationen sowohl in französischer als auch in niederländischer Sprache auf der Verpackung seiner Produkte anbringt, für die nächsten fünf Jahre rechtlich bindend. Die Kommission hat die Geldbuße von AB InBev um 15 % ermäßigt, weil das Unternehmen die Zuwiderhandlung eingeräumt und Abhilfemaßnahmen zur Förderung des grenzüberschreitenden Handels mit seinen Produkten eingeleitet hat.
Eine marktbeherrschende Stellung als solche ist nach dem EU-Kartellrecht nicht verboten. Marktbeherrschende Unternehmen tragen aber eine besondere Verantwortung; sie dürfen ihre starke Marktstellung nicht missbrauchen, indem sie den Wettbewerb auf dem von ihnen beherrschten Markt oder auf anderen verwandten Märkten beschränken.
Am 25. März 2019 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 12,5 Mio. EUR gegen Nike
, weil das Unternehmen es Händlern untersagt hatte, Lizenzprodukte und Merchandising-Artikel einiger der bekanntesten europäischen Fußballvereine und -verbände in andere EWR-Länder zu verkaufen. In ihrer Untersuchung stellte die Kommission fest, dass die nicht ausschließlichen Lizenz- und Vertriebsvereinbarungen von Nike gegen EU-Wettbewerbsrecht verstießen, unter anderem aufgrund von Klauseln, die aktive und passive Online- und Offline-Verkäufe in EWR-Länder, die den Lizenznehmern nicht speziell zugewiesen waren, ausdrücklich untersagen. Nike setzte auch bestimmte Maßnahmen zur indirekten Umsetzung dieser Verkaufsbeschränkungen durch, indem beispielsweise den Lizenznehmern mit der Kündigung ihres Vertrags gedroht wurde und Kontrollen durchgeführt wurden, um die Einhaltung der Beschränkungen sicherzustellen. Ebenso wurde Sanrio
am 9. Juli 2019 mit einer Geldbuße in Höhe von 6,2 Mio. EUR belegt, weil das Unternehmen Händler daran gehindert hatte, lizenzierte Waren in andere EWR-Länder zu verkaufen. Dies betraf Produkte mit Aufschriften wie „Hello Kitty“, an denen Sanrio die Rechte hält. Sanrio beschränkte insbesondere die von den Lizenznehmern auf den Merchandising-Produkten zu verwendenden Sprachen. Sanrios illegale Praktiken dauerten etwa elf Jahre lang an. Die Geldbußen für Sanrio und Nike wurden jeweils um 40 % reduziert, weil die Unternehmen nicht nur ihre Zuwiderhandlung einräumten, sondern auch in großem Umfang über ihre gesetzliche Verpflichtung hinaus mit der Kommission kooperierten. Eine dritte Untersuchung der Kommission betraf die Lizenzvergabepraktiken von Universal Studios, die unter anderem die Rechte an den Filmserien „Minions“ und „Jurassic World“ besitzen.
Am 27. September 2019 verhängte die Kommission Geldbußen von insgesamt 31,6 Mio. EUR gegen Coroos und Groupe CECAB
wegen Verstoßes gegen das EU-Kartellrecht. Gegen Bonduelle wurde keine Geldbuße verhängt, da das Unternehmen die Kommission vom Bestehen des Kartells in Kenntnis gesetzt hatte. Bonduelle, Coroos und Groupe CECAB beteiligten sich über 13 Jahre lang an einem Kartell für die Lieferung bestimmter Gemüsekonserven an Einzelhändler und/oder Gastronomieunternehmen im EWR. Die Unternehmen legten Preise fest, vereinbarten Marktanteile und Mengenkontingente, teilten Kunden und Märkte auf, koordinierten ihre Angebote in Ausschreibungen und tauschten sensible Geschäftsdaten aus. Die Zuwiderhandlung, die den gesamten EWR betraf, lief ab dem 19. Januar 2000, für Bonduelle bis zum 11. Juni 2013 und für Coroos und Groupe CECAB bis zum 1. Oktober 2013. Die drei Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu.
Im November 2019 leitete die Kommission ein förmliches Kartellverfahren ein, um festzustellen, ob zwei der größten französischen Einzelhandelsgruppen, Casino Guichard-Perrachon (bekannt als „Casino“) und Les Mousquetaires (bekannt als „Intermarché“)
, ihr Marktverhalten unter Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht koordiniert hatten. Die Untersuchung reiht sich ein in die Bemühungen der Kommission, einen modernen Lebensmitteleinzelhandel im Interesse der Verbraucher zu gewährleisten.
Wettbewerbspolitik als Beitrag zu erschwinglichen und innovativen Arzneimitteln
Am 28. Januar 2019 veröffentlichte die Kommission den Bericht „Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im Arzneimittelsektor (2009-2017) – Europäische Wettbewerbsbehörden arbeiten zusammen für erschwingliche und innovative Arzneimittel“
. Der Bericht stellt umfassend und anhand von Beispielen dar, wie die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden der 28 Mitgliedstaaten die EU-Kartell- und Fusionskontrollvorschriften im Arzneimittelsektor in den Jahren 2009 bis 2017 durchgesetzt haben. Dem Bericht zufolge hat die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts dazu beigetragen, das Innovationsniveau in der Branche aufrechtzuerhalten, indem gegen Praktiken vorgegangen wurde, die die Innovationsanreize hätten verzerren können.
Im Jahr 2019 setzte die Kommission zwei Untersuchungen in Bezug auf Unternehmen fort, die im Verdacht stehen, den Zugang der Verbraucherinnen und Verbraucher zu wirksamen, innovativen und erschwinglichen Arzneimitteln zu verhindern oder einzuschränken. Die erste Sache betrifft sogenannte „Pay-for-delay“-Praktiken, die den Markteintritt des Generikums Modafinil
, eines Arzneimittels für Schlafstörungen, behindern. Die Kommission will diese Untersuchung im Laufe des Jahres 2020 abschließen. Die zweite Sache betrifft das laufende förmliche Kartellverfahren der Kommission gegen Aspen Pharma
wegen mutmaßlichen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung. Die Kommission prüft Anschuldigungen, wonach Aspen Pharma für eine Reihe von Krebsarzneimitteln in allen Ländern des EWR außer Italien unfaire und überhöhte Preise verlangt haben soll.
Die Kommission will diese Sache im Jahr 2020 abschließen.
9. Verkehrs- und Postdienste
Die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrssektors wie auch des Postsektors ist wichtig für einen gut funktionierenden Binnenmarkt mit positiven Spillover-Effekten für andere Sektoren einer in die globalen Märkte integrierten europäischen Wirtschaft. In diesen Sektoren ist der Wettbewerb zum Nutzen von Verbrauchern, Wachstum und Beschäftigung besonders wichtig.
Staatliche Beihilfen im Verkehrssektor, die zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen beitragen
Am 2. August 2019 stellte die Kommission fest, dass die Marketingverträge zwischen der örtlichen Vereinigung für Tourismus und Wirtschaftsförderung (Association de Promotion des Flux Touristiques et Economiques, APFTE) und Ryanair
am Flughafen Montpellier gegen die EU-Beihilfevorschriften verstoßen. Zwischen 2010 und 2017 schloss die APFTE verschiedene Marketingverträge mit Ryanair und ihrer Tochtergesellschaft Airport Marketing Services (AMS), in deren Rahmen die Fluggesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Zahlungen erhielten, um Montpellier und die Umgebung als Fremdenverkehrsziel auf der Website von Ryanair zu bewerben. Diese Zahlungen verschafften Ryanair einen selektiven Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern. Frankreich muss die rechtswidrige staatliche Beihilfe in Höhe von 8,5 Mio. EUR jetzt von Ryanair zurückfordern. Die Kommission prüft derzeit weitere Verträge zwischen Behörden und Fluggesellschaften auf den Regionalflughäfen Girona und Reus
in Spanien.
Am 28. Februar 2019 leitete die Kommission eine eingehende Untersuchung ein, um festzustellen, ob die staatliche Unterstützung Dänemarks und Schwedens für die feste Eisenbahn- und Straßenverbindung über den Öresund
mit dem EU-Beihilferecht im Einklang stand. Im Juni 2019 leitete die Kommission eine weitere eingehende Untersuchung ein, um festzustellen, ob das Finanzierungsmodell der festen Fehmarnbeltquerung
für den Eisenbahn- und Straßenverkehr zwischen Dänemark und Deutschland mit dem EU-Beihilferecht im Einklang steht. Diesen beiden Untersuchungen ging die Nichtigerklärung früherer Beschlüsse der Kommission zur Genehmigung der jeweiligen Unterstützung durch das Gericht voraus.
Am 16. Dezember 2019 genehmigte die Kommission nach den EU-Beihilfevorschriften fünf Regelungen zur Förderung des Seeverkehrs in Dänemark, Estland, Polen, Schweden und Zypern.
Die Regelungen fördern die Registrierung von Schiffen in Europa und tragen zur globalen Wettbewerbsfähigkeit des Sektors bei, ohne den Wettbewerb übermäßig zu verzerren.
Staatliche Beihilfen für Postdienste: Aufrechterhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen
Durch die Beihilfenkontrolle im Postsektor wird sichergestellt, dass in den Fällen, in denen ein Postdiensteanbieter, in der Regel ein etablierter Betreiber, mit einer teuren gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung betraut wird, der an den Anbieter gezahlte Ausgleich den Wettbewerb zwischen etablierten Postbetreibern und neuen Marktteilnehmern nicht verzerrt.
Am 22. Juli 2019 genehmigte die Kommission Ausgleichszahlungen von 171,74 Mio. EUR, die Italien im Zeitraum 2017-2019 an Poste Italiane
für die Zustellung von Zeitungen und Veröffentlichungen von Buchverlagen und gemeinnützigen Organisationen zu ermäßigten Tarifen gewährte.
Am 14. Juni 2019 leitete die Kommission ein eingehendes Prüfverfahren ein, um festzustellen, ob die Kapitalzuführungen Dänemarks und Schwedens zugunsten von PostNord und von PostNord an Post Danmark mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar sind.
Post Danmark ist der nationale Postbetreiber in Dänemark und eine 100%ige Tochtergesellschaft von PostNord, die Eigentum des dänischen (40 %) und des schwedischen Staates (60 %) ist.
10. Mit vereinten Kräften eine europäische und globale Wettbewerbskultur fördern
Angesichts der kontinuierlichen Integration der Weltmärkte und der steigenden Zahl von Unternehmen, die auf globale Wertschöpfungsketten angewiesen sind, müssen die Wettbewerbsbehörden mehr denn je ihre Zusammenarbeit verstärken und sich auf gemeinsame Standards und Verfahren verständigen. Die wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts hängt zunehmend von der Zusammenarbeit mit anderen Durchsetzungsbehörden ab.
Die Kommission nimmt bei der internationalen Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich sowohl auf multilateraler als auch auf bilateraler Ebene weiter eine führende Rolle ein. Im Jahr 2019 setzte die Kommission ihr aktives Engagement in internationalen wettbewerbsrelevanten Foren wie dem OECD-Wettbewerbsausschuss, dem Internationalen Wettbewerbsnetz (ICN), der Weltbank und der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) fort. Die Kommission bekräftigt ihre Absicht, eine weitreichende Wettbewerbskultur sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen zu fördern, damit die Unternehmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend miteinander konkurrieren können. Im Jahr 2019 setzte sie ihre Bemühungen zur Verbesserung der internationalen Regeln für Subventionen fort. Die Reform der Subventionsregeln ist eine der wichtigsten Prioritäten der EU bei der Modernisierung der WTO-Handelsregeln. Auch zu einer Einigung mit den Wettbewerbsbehörden der G7-Länder über die Herausforderungen, die sich aus der digitalen Wirtschaft für die Wettbewerbsanalyse ergeben, hat die Kommission beigetragen.
Auf bilateraler Ebene setzt sich die Kommission dafür ein, dass Bestimmungen zum Wettbewerb und zur Kontrolle staatlicher Beihilfen in auszuhandelnde Freihandelsabkommen aufgenommen werden. Im Jahr 2019 hat die Kommission die Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Australien, Aserbaidschan, Chile, Indonesien, Neuseeland, Tunesien und Usbekistan fortgesetzt und die Verhandlungen mit Kirgisistan und dem Mercosur abgeschlossen.
Sie hat 2019 auch die Zusammenarbeit in der Wettbewerbspolitik und in Bezug auf bestimmte Angelegenheiten mit China fortgesetzt und das Mandat für den Dialog EU-China über die Wettbewerbspolitik
und die Absichtserklärung über einen Dialog im Bereich der Beihilfenkontrolle und der von China eingeführten Wettbewerbskontrolle
bestätigt. Die Verhandlungen der Kommission über ein umfassendes Investitionsabkommen mit China sind noch nicht abgeschlossen.
Darüber hinaus setzte die Kommission ihre technische Zusammenarbeit in den Bereichen Wettbewerbspolitik und Durchsetzung mit den wichtigsten Handelspartnern der Europäischen Union fort, mit denen sie Absichtserklärungen unterzeichnet hat. Was Nachbarländer anbelangt, so war die Kommission 2019 an der Überwachung der Umsetzung des EU-Besitzstands im Bereich Wettbewerb in Ländern wie der Ukraine beteiligt.
Die Kommission hat auch weiter überwacht, ob die EU-Beitrittskandidaten ihre wettbewerbspolitischen Verpflichtungen im Rahmen der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen einhalten.
Zusammenarbeit mit nationalen Wettbewerbsbehörden im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes
Seit 2004 arbeiten die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden aller EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Wettbewerbsnetz (ECN) zusammen. Ziel des ECN ist die Schaffung eines wirksamen Rechtsrahmens zur Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts gegen Unternehmen, die grenzüberschreitend wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken anwenden.
Im Jahr 2019 sorgte die Kommission im Rahmen des ECN weiter für die kohärente Anwendung der Artikel 101 und 102. Zwei der wichtigsten Mechanismen für die Zusammenarbeit sind nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 die Verpflichtung der nationalen Wettbewerbsbehörden, die Kommission bei der Einleitung der ersten förmlichen Ermittlungshandlung unverzüglich zu unterrichten, und ihre Verpflichtung, die Kommission zu jeder in Aussicht genommenen Entscheidung zu konsultieren. Im Jahr 2019 wurden 138 neue Untersuchungen innerhalb des Netzes eingeleitet und 95 in Aussicht genommene Entscheidungen vorgelegt gegenüber 165 neuen Untersuchungen und 75 in Aussicht genommenen Entscheidungen im Jahr 2018. In diesen Zahlen sind auch Untersuchungen und Beschlüsse der Kommission enthalten.
Neben diesen in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgelegten Kooperationsmechanismen gewährleisten auch andere Kooperationsbereiche des ECN eine kohärente Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften. Auf regelmäßigen Treffen der Netz-Teilnehmer werden Fälle in einem frühen Stadium, politische Fragen und Fragen von strategischer Bedeutung erörtert. Im Jahr 2019 fanden 28 Sitzungen von horizontalen Arbeitsgruppen und sektorspezifischen Untergruppen statt, auf denen Vertreter der Wettbewerbsbehörden einen Meinungsaustausch führten.
Weiterführung eines regelmäßigen und konstruktiven interinstitutionellen Dialogs
Das Europäische Parlament (EP), der Rat und die beiden beratenden Ausschüsse sind aufgrund ihrer spezifischen Rolle gegenüber den europäischen Bürgerinnen und Bürgern und Interessenträgern wichtige Partner im Dialog über die Wettbewerbspolitik.
In ihrer Reaktion auf den Bericht des Parlaments über den Jahresbericht 2017 über die Wettbewerbspolitik (Berichterstatter M. Reimon) hob die Kommission die Steuervorbescheide, die Konferenz über Wettbewerb im digitalen Zeitalter, Umweltbelange, die Unterstützung der europäischen Industrie und den Wettbewerb als eines der Leitprinzipien des Binnenmarkts hervor.
Auf die am 31. Januar 2019 angenommene Entschließung des Europäischen Parlaments zur Wettbewerbspolitik reagierte die Kommission mit ihrer schriftlichen Antwort vom 3. Juli 2019. Die Kommission begrüßte insbesondere die Unterstützung des EP für eine starke und wirksame Wettbewerbspolitik und für die Stärkung der Kapazitäten der nationalen Wettbewerbsbehörden, um eine wirksamere Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts durch die sogenannte ECN+-Richtlinie zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass die Kommission über ausreichende Ressourcen und angemessene Instrumente verfügt, um ihre Untersuchungen zielgerichtet durchführen und rasch abschließen zu können, auch im Zusammenhang mit den Verhandlungen über das Binnenmarktprogramm im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen. Im Jahr 2019 äußerte sich Kommissarin Vestager mehrmals vor dem Parlament. Im Februar erschien Frau Vestager vor dem EP-Sonderausschuss für Steuerfragen und nahm auch an einer unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Sitzung der Arbeitsgruppe Bankenunion des EP-Ausschusses für Wirtschaft und Währung teil, um gemeinsam mit Vizepräsident Dombrovskis über die Beihilfesachen Banca Carige und NordLB zu sprechen.
Im März nahm Kommissarin Vestager am strukturellen Dialog mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EP teil, in dem sie die Unterstützung des Europäischen Parlaments für die Arbeit der Kommission im Bereich Wettbewerbspolitik als wichtiges Instrument für die Erhaltung eines offenen Binnenmarkts zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger hervorhob.
Neben bilateralen Treffen zwischen dem Kommissionsmitglied und einzelnen Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MdEP) boten die Kommissionsdienststellen der GD Wettbewerb technische Präsentationen für die Mitglieder des Europäischen Parlaments und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an.
Im Dezember nahm der amtierende Generaldirektor der GD Wettbewerb im Rahmen der Behandlung des Jahresberichts 2018 über die Wettbewerbspolitik nach der Vorstellung des Berichtsentwurfs durch die Berichterstatterin Yon-Courtin an den Diskussionen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EP teil. Die Kommission hat das ganze Jahr über mit den beiden beratenden Ausschüssen zusammengearbeitet.
Am 16. Mai 2019 wurde Kommissarin Vestager zur 543. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) eingeladen, um an einem Meinungsaustausch mit den Ausschussmitgliedern über die Herausforderungen der Wettbewerbspolitik für die neue Kommission und das neue EP, insbesondere im Zusammenhang mit der digitalen Wirtschaft und der nachhaltigen Entwicklung, teilzunehmen. Frau Vestager sprach über die Herausforderungen für den neuen institutionellen Zyklus wie neue Technologien und Innovationen, die Dynamik des Wirtschaftswachstums, eine wirksame Besteuerung, die grüne Wirtschaft sowie eine zukunftsorientierte Klimaschutzpolitik.
Unter dem rumänischen Ratsvorsitz wurde Kommissarin Vestager im ersten Halbjahr 2019 zu einem Arbeitsessen zum Thema Industriepolitik mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter (Coreper) am 13. März eingeladen. Am selben Tag leitete der Ratsvorsitz eine ganztägige Arbeitsgruppe „Wettbewerb“, die der GD Wettbewerb Gelegenheit bot, für die Attachés der Mitgliedstaaten für Wettbewerb technische Briefings zu verschiedenen Aspekten der Wettbewerbspolitik abzuhalten. Die Themen der Sitzung reichten von den digitalen Herausforderungen und der Industriepolitik über Wettbewerb in der Landwirtschaft und im Arzneimittelsektor, die Eignungsprüfung und die Überarbeitung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung bis hin zu den jüngsten Entwicklungen bei den Kooperationsabkommen mit den kanadischen und japanischen Wettbewerbsbehörden.
Am 6. Mai folgten eine aktualisierte Fassung zu einigen dieser Themen, wobei der Schwerpunkt auf den bereits erzielten Ergebnissen im Beihilfebereich in Form wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse lag, der Abschlussbericht der Sonderberater über Wettbewerbspolitik im digitalen Zeitalter und die Eurobarometer-Ergebnisse zur Wettbewerbspolitik in der Wahrnehmung der Bürger. Im Februar legte die Kommission, vertreten durch die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und die GD Wettbewerb, im Sonderausschuss Landwirtschaft des Rates die wichtigsten Ergebnisse des Berichts über die Anwendung der Wettbewerbsregeln im Agrarsektor gemäß Artikel 225 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 (GMO-Verordnung) vor. Unter dem finnischen Ratsvorsitz nahmen im zweiten Halbjahr 2019 Vertreter der GD Wettbewerb an den Beratungen der Hochrangigen Gruppe „Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum“ zum Thema „Ein ganzheitlicher Ansatz für die EU-Agenda – Verknüpfung von Industrie- und Binnenmarktpolitik unter Einschluss des Dienstleistungsbereichs“ teil und präsentierten aktuelle Informationen zum Thema „Daten- und Wettbewerbspolitik im Zusammenhang mit der Plattformwirtschaft“.