Conclusions
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
JACOBS
vom 20. Januar 2005(1)
Rechtssache C-464/02
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Königreich Dänemark
„“
1.
In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission eine Klage gemäß Artikel 226 EG gegen Dänemark eingereicht, die die Rechtsvorschriften
und die Verwaltungspraxis bezüglich der inländischen Benutzung von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Kraftfahrzeugen
durch in Dänemark ansässige Personen betrifft.
2.
Diese Situation entsteht meist dann, wenn eine in Dänemark ansässige Person von einem Unternehmen beschäftigt wird, das in
einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, und dieser Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Fahrzeug zur entweder ausschließlich
beruflichen oder gemischt privat-beruflichen Verwendung zur Verfügung stellen möchte, das im Niederlassungsstaat des Arbeitgebers
auf dessen Namen zugelassen ist.
Hintergrund des Verfahrens
3.
Dänemark erhebt bei der Anschaffung eines Neuwagens eine Zulassungssteuer, die auf der Grundlage des Fahrzeugwerts berechnet
wird. Der Steuersatz beträgt 105 % des Kaufpreises (einschließlich Mehrwertsteuer und anderer Abgaben in Höhe von insgesamt
34 %) bis zu einem jährlich festgelegten Schwellenwert und 180 % für den verbleibenden Betrag
(2)
. Zwar gibt es in einigen Mitgliedstaaten eine ähnliche Steuer – wenn auch auf wesentlich niedrigerem Niveau –, doch haben
Schweden und Deutschland, die Mitgliedstaaten mit direkten Straßenverbindungen nach Dänemark, keine solche Steuer.
4.
Gemäß den Rechtsvorschriften, die vor dem 1. Juli 1999 in Dänemark allgemein galten
(3)
– und auch jetzt noch in bestimmten Fällen gelten (im Folgenden: die ursprünglichen Vorschriften) –, können in Dänemark ansässige
Personen ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug nicht ohne eine Genehmigung benutzen, die nur erteilt wird,
wenn das Fahrzeug hauptsächlich außerhalb Dänemarks benutzt wird und wenn es sehr spezifische Gründe gibt, warum eine Zulassung
in Dänemark nicht verlangt werden kann. Es ist allgemein anerkannt, dass die Genehmigung im Wesentlichen nur für direkte Fahrten
an Wochenenden und Feiertagen zwischen der deutschen oder schwedischen Grenze und dem Wohnsitz des Fahrers erteilt wird; die
anderweitige Nutzung des Fahrzeugs zu privaten Zwecken ist nicht gestattet. Verstöße können mit einer Geldstrafe geahndet
werden. Wenn ein dänischer Einwohner einen Firmenwagen nutzen möchte, der von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen
Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurde, und die geplante Nutzung die Bedingungen für die Erteilung einer Genehmigung nicht
erfüllt, besteht nach den ursprünglichen Vorschriften seine einzige Möglichkeit darin, das Fahrzeug in Dänemark neu zur Zulassung
anzumelden und die Zulassungssteuer in voller Höhe zu entrichten.
5.
1999 wurden die ursprünglichen Vorschriften geändert
(4)
, so dass sie es einer in Dänemark ansässigen Person erlauben, ein in einem anderen Mitgliedstaat auf den Namen ihres Arbeitgebers
zugelassenes Fahrzeug in Dänemark zu benutzen, vorausgesetzt, dass diese Person eine Erlaubnis einholt und dass ihr „Hauptarbeitsverhältnis“
mit diesem Arbeitgeber besteht. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn der Arbeitnehmer entweder in Vollzeit für diesen Arbeitgeber
arbeitet oder wenigstens die Hälfte seines Einkommens aus diesem Arbeitsverhältnis bezieht. Dänemark zufolge wurde das Kriterium
„Hauptarbeitsverhältnis“ gewählt, um die Gefahr des Missbrauchs dieser Bestimmungen so weit wie möglich zu verringern.
6.
Der Erlaubnisschein, der im Fahrzeug aufbewahrt werden muss und der Polizei auf Verlangen vorzuzeigen ist, wird nur nach Zahlung
einer Steuer ausgestellt, die einem Prozentsatz der dänischen Zulassungssteuer entspricht. Diese Steuer kann auf zweierlei
Weise berechnet werden.
7.
Zum einen, wenn das Fahrzeug nur für dienstliche Zwecke benutzt wird, handelt es sich bei der Steuer um eine Tagessteuer von
entweder 60 DKK (ca. 8 Euro) für Personenkraftwagen und Motorräder oder 30 DKK (ca. 4 Euro) für Lastkraftwagen, die für jeden
Tag zu entrichten ist, an dem das Fahrzeug in Dänemark benutzt wird.
8.
Zum anderen, soweit und solange das Fahrzeug sowohl für private als auch für dienstliche Zwecke genutzt wird, wird die gesamte
Steuer fällig, die bei einer Neuzulassung in Dänemark erhoben würde, zahlbar in vierteljährlichen Raten von jeweils 3 % dieser
Summe, zuzüglich eines Steuerzuschlags, der 1,5 % der noch ausstehenden Summe ausmacht; darüber hinaus ist eine einmalige
Sonderzahlung in Höhe einer Vierteljahresrate der Steuer und des Steuerzuschlags zu entrichten. Ein Runderlass
(5)
stellt klar, dass die täglichen Fahrten des Arbeitnehmers zwischen seinem Wohnsitz in Dänemark und seiner Arbeitsstätte in
einem anderen Mitgliedstaat als private Nutzung gelten; jede derartige beabsichtigte Nutzung führt folglich dazu, dass die
Tagessteuer nicht zur Anwendung kommt.
9.
In beiden Fällen ist die Steuer vom Arbeitgeber zu entrichten.
10.
Das Verfahren zur Einholung der Erlaubnis nach den geänderten Vorschriften läuft folgendermaßen ab. Bei den örtlichen Zoll-
und Steuerbehörden muss ein schriftlicher Antrag gestellt werden, in dem anzugeben ist, ob er sich auf die Tages- oder die
Vierteljahressteuer bezieht. Eine Bescheinigung des Arbeitgebers ist beizufügen, aus der sich Einzelheiten der Beschäftigungsbedingungen
ergeben und in der insbesondere vermerkt ist, dass es sich dabei um das „Hauptarbeitsverhältnis“ des Beschäftigten handelt.
11.
Soweit die Vierteljahressteuer, die nach dem Wert des Fahrzeugs festgesetzt wird, zu entrichten ist, nehmen die Zollbehörden
eine vorläufige Schätzung vor, bei der das Fahrzeug normalerweise nicht vorgeführt werden muss; die Erlaubnis wird wenig später
ausgestellt. Anschließend wird eine endgültige Schätzung durch die Fahrzeugschätzungsbehörde vorgenommen, die von den Zollbehörden
unabhängig ist.
12.
Wenn der Antrag in Ordnung ist, wird der Erlaubnisschein automatisch ausgestellt. Außerdem werden Vignetten für die Windschutzscheibe
zugeteilt, auf denen das Kennzeichen des Fahrzeugs vermerkt ist. Soweit die Tagessteuer zu entrichten ist, muss der Arbeitgeber
oder der Arbeitnehmer das Nutzungsdatum auf einer Vignette vermerken, damit das Fahrzeug zu diesem Datum rechtmäßig in Dänemark
benutzt werden darf. Soweit die Vierteljahressteuer zu entrichten ist, wird für jeden Zeitraum der berechtigten Nutzung eine
Vignette zugeteilt (bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren).
13.
Wenn ein dänischer Einwohner, der ein im Ausland zugelassenes Fahrzeug führt, den Erlaubnisschein und die Vignetten nicht
vorweisen kann, wird eine Geldstrafe fällig; außerdem kann das Fahrzeug beschlagnahmt werden.
14.
Die ursprünglichen Vorschriften gelten weiter für die Fälle, in denen das Merkmal des „Hauptarbeitsverhältnisses“, das von
den geänderten Vorschriften verlangt wird, nicht erfüllt ist.
15.
Die Kommission beantragt die Feststellung, dass Dänemark seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG in Verbindung mit Artikel
39 EG insoweit verletzt hat, als seine Rechtsvorschriften und Verwaltungspraxis 1. es in Dänemark ansässigen Personen, die
in einem benachbarten Mitgliedstaat beschäftigt sind, nicht gestatten, einen in dem Nachbarstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen
ist, zugelassenen Firmenwagen für gewerbliche oder private Zwecke zu nutzen, und 2. in Dänemark ansässigen Personen, die in
einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt sind, die Nutzung eines in einem anderen Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen
ist, zugelassenen Kraftfahrzeugs, insbesondere eines Firmenwagens, für gewerbliche und/oder private Zwecke nur unter der Voraussetzung
gestatten, dass (i) dieses Arbeitsverhältnis ihr „Hauptarbeitsverhältnis“ darstellt und (ii) eine Abgabe für das Fahrzeug
entrichtet wird.
16.
Ich gehe davon aus, dass der erste Teil des beantragten Urteils die ursprünglichen Vorschriften, der zweite Teil hingegen
die geänderten Vorschriften betrifft.
Der Anwendungsbereich des Artikels 39 EG
17.
Das Hauptvorbringen der Kommission geht dahin, dass sowohl die ursprünglichen als auch die geänderten Vorschriften gegen die
in Artikel 39 EG verankerte Freizügigkeit der Arbeitnehmer verstießen, da sie sowohl das Recht der Arbeitnehmer beschränkten,
eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat zu suchen, als auch die Freiheit von Arbeitgebern in anderen Mitgliedstaaten,
in Dänemark ansässige Mitarbeiter einzustellen.
18.
Dänemark, unterstützt von Finnland, das dem Verfahren als Streithelfer beigetreten ist, macht zunächst geltend, die Vorschriften
– sowohl die ursprünglichen als auch die geänderten – fielen nicht unter Artikel 39 EG, da sie den Zugang zum Arbeitsmarkt
nicht beeinträchtigten. Dänemark betont insbesondere, dass die Vorschriften weder den Zugang von in Dänemark ansässigen Personen
zu den Arbeitsmärkten der anderen Mitgliedstaaten behinderten, noch Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen
seien, darin beschränkten, dänische Gebietsansässige einzustellen: Sie regelten lediglich die Bedingungen der Nutzung von
in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Firmenwagen durch dänische Gebietsansässige in Dänemark.
19.
Nachdem die Kommission und Dänemark ihre Schriftsätze in der vorliegenden Rechtssache eingereicht hatten, erließ der Gerichtshof
das Urteil im Fall Van Lent
(6)
. In jenem Fall, der die Nutzung eines Fahrzeugs durch einen belgischen Einwohner betraf, das diesem von seinem luxemburgischen
Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden war, entschied der Gerichtshof, dass Artikel 39 EG nationalen Regelungen entgegenstehe,
die es einem in einem Mitgliedstaat wohnenden Arbeitnehmer untersagten, im Gebiet dieses Staates ein Fahrzeug zu benutzen,
das in einem angrenzenden Mitgliedstaat zugelassen sei, einer Leasinggesellschaft gehöre und dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber,
der ebenso wie die Leasinggesellschaft in diesem zweiten Mitgliedstaat niedergelassen sei, zur Verfügung gestellt werde.
20.
In der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Sache versuchte Dänemark, die Präjudizwirkung des Urteils Van Lent hauptsächlich
mit dem Argument zu entkräften, dass der Nutzer des fraglichen Fahrzeugs nach dem damals gültigen belgischen Recht sein Fahrzeug
in Belgien nicht unter seinem Namen habe zulassen können; der Zulassungsantrag habe nur vom Eigentümer gestellt werden können,
der eine belgische Umsatzsteuernummer oder einen Sitz in Belgien habe haben müssen. Demgegenüber sei der Nutzer eines Firmenwagens
nach den geänderten dänischen Vorschriften berechtigt, ein Fahrzeug zur Zulassung anzumelden, das im Eigentum seines Arbeitgebers
stehe.
21.
Ich halte dies jedoch nicht für einen relevanten Unterschied. Zugegebenermaßen entschied der Gerichtshof im Urteil Van Lent,
dass sich aus den belgischen Vorschriften ergebe, dass der Arbeitnehmer keine Zulassung des Fahrzeugs in Belgien erhalten
könne, weil er nicht dessen Eigentümer sei, und dass der Eigentümer, nämlich die Leasinggesellschaft, sie auch nicht erhalten
könnte, weil er nicht in Belgien niedergelassen sei und nicht über eine belgische Umsatzsteuernummer verfüge
(7)
. Der Gerichtshof führte dann jedoch weiter aus, dass „eine solche Regelung einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen
Arbeitgeber veranlassen [kann], auf die Einstellung eines in einem andern Mitgliedstaat wohnenden Arbeitnehmers wegen der
höheren Kosten und des Verwaltungsaufwands, die mit einer solchen Einstellung verbunden sind, zu verzichten“
(8)
.
22.
Diese Analyse gilt gleichermaßen für den vorliegenden Fall, in dem ein Arbeitgeber, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen
ist, einen in Dänemark ansässigen Mitarbeiter nur dann mit einem Firmenwagen – auch für rein berufliche Nutzung – ausstatten
kann, wenn er bereit ist, entweder (i) das Fahrzeug in Dänemark neu zur Zulassung anzumelden und die prohibitive Zulassungssteuer
zu zahlen, oder (ii) das Verfahren zur Erteilung einer Erlaubnis zu durchlaufen und entweder die Tagessteuer oder den Gegenwert
potenziell der gesamten Zulassungssteuer in vierteljährlichen Raten mit Zinszuschlag und Sonderzahlung zu entrichten.
23.
Wie die Kommission anmerkt, beeinträchtigen Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer an der Ausübung seines Berufes hindern oder
diese erschweren – im vorliegenden Fall dadurch, dass dem potenziellen Arbeitgeber ein Verwaltungsaufwand und eine finanzielle
Belastung aufgebürdet werden –, den Zugang zur Beschäftigung. Ganz allgemein hat der Gerichtshof entschieden, dass die Vertragsbestimmungen
über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Gemeinschaft
erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit
im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen
(9)
.
24.
Dänemark räumt zwar ein, dass die Vorschriften isoliert betrachtet geeignet sein könnten, einen Arbeitgeber in einem anderen
Mitgliedstaat davon abzuhalten, einen in Dänemark ansässigen Mitarbeiter einzustellen, macht aber geltend, die Vorschriften
sollten nicht isoliert betrachtet werden und hätten in der Zusammenschau mit Vergütung und anderen Zuwendungen nicht diese
Auswirkung.
25.
Ich glaube jedoch nicht, dass es notwendig ist, auf dieses Argument gesondert einzugehen. Wie der Gerichtshof in der Rechtssache
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(10)
entschieden hat, kann das Recht der Arbeitnehmer, bei Einstellung und Beschäftigung nicht diskriminiert zu werden, nur dann
seine volle Wirkung entfalten, wenn die Arbeitgeber ein entsprechendes Recht darauf haben, Arbeitnehmer nach Maßgabe der Bestimmungen
über die Freizügigkeit einstellen zu können; diese Bestimmungen würden nämlich leicht um ihre Wirkung gebracht, wenn die Mitgliedstaaten
die dort enthaltenen Verbote schon dadurch umgehen könnten, dass sie den Arbeitgebern die Einstellung eines Arbeitnehmers
verböten, der gewisse Voraussetzungen nicht erfüllte, die, wenn er unmittelbar zu ihrer Erfüllung verpflichtet würde, Beschränkungen
seines Rechts auf Freizügigkeit nach Artikel 39 EG darstellen würden.
26.
Diese Grundsätze gelten meines Erachtens ebenso in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Vorschriften eines Mitgliedstaats
nicht diskriminierende Voraussetzungen aufstellen, die erfüllt werden müssen, sondern Bedingungen für einen Vergütungs- oder
Zuwendungsbestandteil, die geeignet sind, Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat von der Beschäftigung eines Einwohners
des ersten Mitgliedstaats abzuhalten. Dem ist hinzuzufügen, dass eine Erlaubnis und die Entrichtung der Tagessteuer auch dann
erforderlich sind, wenn der Firmenwagen ausschließlich für den geschäftlichen Gebrauch bestimmt ist; daher erscheint es sogar
in solchen Fällen – in denen die Bereitstellung des Fahrzeugs nicht als Teil eines umfassenden Gesamtpakets aus Vergütung
und Zuwendungen angesehen werden kann – fast als sicher, dass, wie die Kommission vorträgt, ein Arbeitgeber in Deutschland
(oder Schweden) es vorziehen wird, einen dort Gebietsansässigen für eine Beschäftigung einzustellen, bei der der Arbeitnehmer
Geschäftsreisen nach oder durch Dänemark machen muss.
27.
Ich bin daher der Auffassung, dass die fraglichen Vorschriften im vorliegenden Fall in den Anwendungsbereich des Artikels
39 EG fallen und grundsätzlich gegen diese Bestimmung verstoßen.
28.
Da die Vorschriften aufgrund ihrer beschränkenden Wirkung gegen Artikel 39 EG verstoßen, halte ich es nicht für erforderlich,
auf das hilfsweise von Dänemark vorgetragene Argument einzugehen, die Vorschriften hätten keine diskriminierende Wirkung.
Unabhängig von der Richtigkeit dieses Vorbringens steht nämlich fest, dass Artikel 39 Absatz 2 EG nicht nur jede auf der Staatsangehörigkeit
beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige
Arbeitsbedingungen verbietet, sondern auch solche nationalen Regelungen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit der
betroffenen Arbeitnehmer anwendbar sind, jedoch deren Freizügigkeit beeinträchtigen
(11)
. Selbst wenn Dänemark also mit seiner Beteuerung Recht hätte, die Vorschriften seien nicht diskriminierend, so würden sie
dennoch gegen Artikel 39 EG verstoßen.
29.
Da dem Antrag der Kommission bereits auf der Grundlage des Artikels 39 EG stattgegeben werden kann, werde ich nicht gesondert
auf das Vorbringen der Kommission eingehen, wonach die dänischen Vorschriften gegen Artikel 10 EG verstießen.
Rechtfertigungsmöglichkeiten
30.
Dänemark trägt weiter hilfsweise vor, die fraglichen Vorschriften seien gerechtfertigt.
31.
Zweifellos können nationale Maßnahmen, die grundsätzlich gegen Artikel 39 EG verstoßen würden, dennoch rechtmäßig sein, wenn
sie einen mit dem Vertrag vereinbaren berechtigten Zweck verfolgen und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt
sind, vorausgesetzt, dass sie geeignet sind, die Verwirklichung des verfolgten Zweckes zu gewährleisten, und nicht über das
hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist
(12)
. Dänemark trägt insbesondere vor, die Vorschriften verfolgten berechtigte Interessen und seien nicht unverhältnismäßig.
32.
Dänemark macht erstens geltend, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebe sich, dass die dänische Kfz-Zulassungssteuer
mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei
(13)
, dass die Zulassung die natürliche Folge der Ausübung der Steuerhoheit sei und dass, wenn ein Kraftfahrzeug bei einem in
einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen geleast und tatsächlich auf den Straßen eines anderen Mitgliedstaats benutzt werde,
letzterer Staat vorschreiben könne, dass dieses Fahrzeug im Inland zum Verkehr zugelassen sein müsse
(14)
. Nach Ansicht Dänemarks folgt daraus, dass die Mitgliedstaaten ebenfalls berechtigt sind, sicherzustellen, dass ihre Vorschriften
auf diesem Gebiet ordnungsgemäß angewandt werden, und insbesondere sicherzustellen, dass die Steuern entrichtet werden.
33.
Die Tatsache, dass der Gerichtshof in den Urteilen Kommission/Dänemark und De Danske Bilimportører entschieden hat, dass die
dänische Kfz-Zulassungssteuer nicht gegen die Artikel 28 EG oder 90 EG verstößt, bedeutet jedoch nicht zwingend, dass sie
nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit unter Verstoß gegen Artikel 39 EG beschränkt oder dass jede solche Beschränkung notwendigerweise
gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Fall nicht die normale Anwendung
der Steuer betrifft, sondern ihre Anwendung auf Fahrzeuge, die für ihre in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Eigentümer
in jenem Mitgliedstaat zugelassen sind. Es ist auch klar, dass die Mitgliedstaaten ihre Steuerhoheit in den nicht harmonisierten
Bereichen der Kfz-Steuer in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht ausüben müssen; dies wurde vom Gerichtshof im Urteil
Cura Anlagen, auf das sich Dänemark u. a. beruft, sogar ausdrücklich festgestellt
(15)
. Daher kann Dänemark sich nicht damit begnügen, seine Befugnis zur Erhebung einer Zulassungssteuer geltend zu machen; vielmehr
muss es außerdem darlegen, dass es diese Befugnis ordnungsgemäß ausgeübt hat.
34.
Dieses Argument gilt auch für das finnische Vorbringen, dass die Besteuerung von Kraftfahrzeugen in die Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten falle.
35.
Zweitens macht Dänemark geltend, dass eine mögliche beschränkende Wirkung der Vorschriften ihren Grund in der Notwendigkeit
finde, sicherzustellen, dass die Zulassungssteuerpflichtigkeit von in Dänemark ansässigen Personen nicht umgangen werde. Ohne
diese Regeln könnten dänische Einwohner die Entrichtung der Steuer vermeiden, indem sie Unternehmen oder Zweigstellen in einem
anderen Mitgliedstaat gründeten, durch die sie Fahrzeuge erwerben und in Dänemark nutzen könnten, die in dem anderen Staat
zugelassen seien.
36.
Es ist richtig, dass die Mitgliedstaaten Personen, die sich eines Missbrauchs oder Betrugs schuldig gemacht haben, die Vorteile
der Freizügigkeitsbestimmungen vorenthalten dürfen. Dies darf jedoch nur auf der Grundlage einer Einzelfallbetrachtung erfolgen,
wenn es Beweise für ein solches Verhalten gibt. Das bloße Missbrauchs- oder Betrugsrisiko kann keine allgemeine Beschränkung
rechtfertigen, die die gutgläubige Wahrnehmung einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit verhindern würde
(16)
. Solche Beschränkungen sind notwendigerweise unverhältnismäßig, weil sie die rechtmäßige Ausübung von Gemeinschaftsrechten
unmöglich machen.
37.
Drittens trägt Dänemark vor, dass die Vorschriften vor einer Erosion der Steuererträge schützten, die es auf ca. 15 Milliarden
DKK schätzt (Zahlen von 1997). Es ist aber gefestigte Rechtsprechung, dass ein Verlust an Steuereinnahmen niemals eine Beschränkung
der Ausübung einer Grundfreiheit rechtfertigen kann
(17)
.
38.
Viertens macht Dänemark geltend, dass die Bedingung „Hauptarbeitsverhältnis“, die erfüllt sein muss, damit die geänderten
Vorschriften zur Anwendung kommen können, verhältnismäßig sei. Mit dieser Bedingung solle sichergestellt werden, dass ein
Arbeitnehmer, der von einem Firmenwagen profitiere, wirklich von dem Unternehmen, das das Fahrzeug bereitstelle, beschäftigt
werde; ein rein formales Beschäftigungsverhältnis sei nicht ausreichend. Die Bedingung sei objektiv und leicht zu überprüfen.
Wenn die geänderten Vorschriften auf alle dänischen Einwohner anwendbar wären, die – in Voll- oder in Teilzeit – in einem
anderen Mitgliedstaat beschäftigt seien, wäre es wesentlich schwieriger, Missbrauch zu verhindern. In diesem Fall müsste die
Polizei jedes im Ausland zugelassene Fahrzeug, das in Dänemark von einem Einwohner dieses Staates geführt werde, daraufhin
überprüfen, ob die betreffenden Fahrer wirklich in einem anderen Mitgliedstaat in einem Beschäftigungsverhältnis – in Voll-
oder in Teilzeit – stünden, was unangemessen wäre.
39.
Dieses Argument überzeugt mich nicht. Mir scheint, eine gangbare und weniger restriktive Alternative bestünde darin, ein Erlaubnissystem
einzuführen, das es erlauben würde, die Echtheit des Arbeitsverhältnisses als Anknüpfungspunkt zu überprüfen, wobei die Steuerpflicht
entfiele, wenn der Anknüpfungspunkt tatsächlich besteht.
40.
Falls das „Hauptarbeitsverhältnis“ des Arbeitnehmers nicht mit dem Arbeitgeber besteht, der den Firmenwagen bereitstellt,
dann muss das Fahrzeug außerdem für jede Benutzung zu privaten Zwecken – einschließlich der täglichen Fahrt zur Arbeit – in
Dänemark neu zugelassen werden. Es ist schwer, irgendeine Rechtfertigung für diesen Ansatz zu finden. Nach gefestigter Rechtsprechung
schützt Artikel 39 EG auch Teilzeitarbeitnehmer und Arbeitnehmer mit geringem Einkommen
(18)
; soweit die fraglichen Vorschriften die Freizügigkeit solcher Arbeitnehmer beschränken, verstoßen sie gegen den Vertrag,
auch wenn das Beschäftigungsverhältnis, aus dem der Firmenwagen herrührt, nach der Definition des nationalen Rechts nicht
ihr „Hauptarbeitsverhältnis“ ist.
41.
Selbst dann, wenn die geänderten Vorschriften zur Anwendung kommen, muss für einen in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen
Firmenwagen eine Erlaubnis eingeholt werden, bevor ein dänischer Einwohner dieses Fahrzeug in Dänemark benutzen kann – und
zwar auch dann, wenn das Fahrzeug nur ganz kurz benutzt wird und regelmäßig zum Arbeitgeber zurückgebracht wird. Selbst die
täglichen Fahrten zwischen dem Wohnort des Arbeitnehmers und seiner Arbeitsstätte werden offenbar als private Nutzung angesehen;
daher ist die Vierteljahressteuer zu entrichten, auch wenn dies die einzige Benutzung eines Firmenwagens darstellt. Auch dieses
Erfordernis geht offensichtlich über das hinaus, was zur Erreichung der von Dänemark angeführten Ziele erforderlich ist. Gleiches
gilt bezüglich der Tatsache, dass die Regelung keine Bestimmungen enthält, um die unterschiedlichen Anteile der privaten und
der geschäftlichen Nutzung zu berücksichtigen.
42.
Schließlich argumentiert Dänemark, der Gerichtshof habe im Urteil Cura Anlagen
(19)
anerkannt, dass eine Verbrauchsabgabe, die proportional zu der Dauer der Zulassung des Fahrzeugs in dem Staat sei, in dem
es benutzt werde, verhältnismäßig wäre; die Entscheidung, dass die damals in Rede stehende Verbrauchsabgabe rechtswidrig gewesen
sei, sei gerade darauf zurückzuführen, dass der Betrag der Abgabe nicht proportional zu der Dauer der Zulassung gewesen sei.
Dänemark folgert aus diesen Feststellungen, dass seine Vorschriften über die Zulassungssteuer für Fahrzeuge, die in anderen
Mitgliedstaaten zugelassen sind, nicht im Widerspruch zu den Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit stehen.
43.
Ich bin jedoch nicht der Ansicht, dass die Entscheidung des Gerichtshofes zur Rechtmäßigkeit der im Urteil Cura Anlagen in
Rede stehenden Verbrauchsabgabe, deren Entrichtung eine Voraussetzung für die Zulassung war, für den vorliegenden Fall von
Bedeutung ist. Eine Verbrauchsabgabe unterscheidet sich in ihrem Wesen von einer Zulassungssteuer; der Zweck der Verbrauchsabgabe,
um die es in der Rechtssache Cura Anlagen ging, bestand darin, ein umweltfreundliches Verhalten beim Kauf und Leasing von
Privatfahrzeugen sicherzustellen, da die Höhe der Abgabe sich nach dem Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs bemaß.
44.
Was die Verhältnismäßigkeit angeht, so möchte ich zum Abschluss noch folgende Bemerkung machen. Es darf nicht vergessen werden,
dass die Zulassungssteuer – was von Dänemark auch eingeräumt wird – besonders hoch ist und daher, aus den oben erörterten
Gründen, geeignet ist, in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen in beachtlichem Maße von der Beschäftigung in
Dänemark ansässiger Personen abzuschrecken. Selbst wenn die Vorschriften daher einen mit dem Vertrag vereinbaren, berechtigten
Zweck verfolgen würden und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wären – was meines Erachtens im vorliegenden
Verfahren nicht hat nachgewiesen werden können –, glaube ich, dass es äußerst schwierig wäre, darzulegen, dass sie für die
Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich
ist.
Ergebnis
45.
Ich schlage dem Gerichtshof daher vor,
- 1.
- festzustellen, dass das Königreich Dänemark seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG in Verbindung mit Artikel 39 EG insoweit
verletzt hat, als seine Rechtsvorschriften und seine Verwaltungspraxis 1. es in Dänemark ansässigen Personen, die in einem
benachbarten Mitgliedstaat beschäftigt sind, nicht gestatten, einen in dem Nachbarstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen
ist, zugelassenen Firmenwagen für gewerbliche oder private Zwecke zu nutzen, und 2. in Dänemark ansässigen Personen, die in
einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt sind, die Nutzung eines in einem anderen Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen
ist, zugelassenen Kraftfahrzeugs, insbesondere eines Firmenwagens, für gewerbliche und/oder private Zwecke nur unter der Voraussetzung
gestatten, dass (i) dieses Arbeitsverhältnis ihr „Hauptarbeitsverhältnis“ darstellt und (ii) eine Abgabe für das Fahrzeug
entrichtet wird;
- 2.
- dem Königreich Dänemark die Kosten der Kommission aufzuerlegen;
- 3.
- der Republik Finnland als Streithelferin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
- 1 –
- Originalsprache: Englisch.
- 2 –
- Für weitere Einzelheiten vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache C‑383/01 (De Danske Bilimportører, Slg. 2003, I‑6065,
Nr. 11).
- 3 –
- Insbesondere §§ 105a und 106 der Verordnung Nr. 18 des Justizministeriums vom 10. Januar 1992, ersetzt durch Verordnung Nr.
592 des Verkehrsministeriums vom 24. Juni 1996.
- 4 –
- Durch Gesetz Nr. 385 vom 2. Juni 1999 und Verordnung Nr. 502 des Verkehrsministeriums vom 21. Juni 1999.
- 5 –
- Runderlass Nr. 102 vom 28. Juni 1999, ersetzt durch die Verbrauchsteuerleitlinien und den Runderlass Nr. 172 vom 20. September
2001.
- 6 –
- Urteil vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑232/01 (Slg. 2003, I‑11525).
- 7 –
- Randnr. 18 des Urteils.
- 8 –
- Randnr. 20 des Urteils.
- 9 –
- Vgl. Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑387/01 (Weigel und Weigel, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 52, und die dort
zitierten Urteile).
- 10 –
- Urteil vom 7. Mai 1998 in der Rechtssache C‑350/96 (Slg. 1998, I‑2521, Randnrn. 20 und 21).
- 11 –
- Vgl. Urteil Weigel und Weigel, oben zitiert in Fußnote 9, Randnrn. 50 und 51.
- 12 –
- Urteil 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C‑415/93 (Bosman, Slg. 1995, I‑4921, Randnr. 104, und die dort zitierten Fälle).
- 13 –
- Urteil vom 11. Dezember 1990 in der Rechtssache C‑47/88 (Kommission/Dänemark, Slg. 1990, I‑4509) und De Danske Bilimportører,
oben zitiert in Fußnote 2.
- 14 –
- Urteil vom 21. März 2002 in der Rechtssache C‑451/99 (Cura Anlagen, Slg. 2002, I‑3193, Randnrn. 41 und 42).
- 15 –
- Oben zitiert in Fußnote 14, Randnr. 40.
- 16 –
- Vgl. beispielsweise Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C‑28/95 (Leur-Bloem, Slg. 1997, I‑4161, Randnrn. 39 bis 44),
Urteil vom 26. September 2000 in der Rechtssache C‑478/98 (Kommission/Belgien, Slg. 2000, I‑7587, Randnr. 45) und Urteil vom
21. November 2002 in der Rechtssache C‑436/00 (X und Y, Slg. 2002, I‑10829, Randnr. 62).
- 17 –
- Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑385/00 (De Groot, Slg. 2002, I‑11819, Randnr. 103, und die dort zitierten
Urteile) und Urteil X und Y, oben zitiert in Fußnote 16, Randnr. 50.
- 18 –
- Urteil vom 23. März 1982 in der Rechtssache 53/81 (Levin, Slg. 1982, 1035), Urteil vom 3. Juni 1986 in der Rechtssache 139/85
(Kempf, Slg. 1986, 1741) und Urteil vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85 (Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121).
- 19 –
- Oben zitiert in Fußnote 14, Randnr. 69 und Tenor.