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Document 62002CC0309

Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 6. Mai 2004.
Radlberger Getränkegesellschaft mbH & Co. und S. Spitz KG gegen Land Baden-Württemberg.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht Stuttgart - Deutschland.
Umwelt - Freier Warenverkehr - Verpackungen und Verpackungsabfälle - Richtlinie 94/62/EG - Pfand- und Rücknahmepflichten für Einwegverpackungen nach Maßgabe des Gesamtanteils der Mehrwegverpackungen.
Rechtssache C-309/02.

European Court Reports 2004 I-11763

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2004:294

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER
vom 6. Mai 2004(1)



Rechtssache C-309/02



Radlberger Getränkegesellschaft mbH & Co.
S. Spitz KG
gegen
Land Baden-Württemberg


(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Stuttgart)

„Umweltschutz – Freier Warenverkehr – Verpackungen und Verpackungsabfälle – Richtlinie 94/62/EG – Befreiung von der Pfanderhebungspflicht für Einwegverpackungen bei Teilnahme an einem flächendeckenden System der Verpackungswirtschaft, solange der Prozentsatz von Mehrwegflaschen insgesamt über 72 % liegt – Wegfall der Befreiungsmöglichkeit für Wirtschaftsteilnehmer in den Getränkebereichen, in denen die Mehrwegquote nicht die von 1991 erreicht, bei Unterschreiten dieses Prozentsatzes“






1.        Das Verwaltungsgericht Stuttgart (als erstinstanzliches Gericht) hat dem Gerichtshof vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 Absatz 1, 7 und 18 der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (2) sowie des Artikels 28 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Fragen konzentrieren sich darauf, ob die genannten Vorschriften den Mitgliedstaaten untersagen, wiederverwendbare Getränkeverpackungen den Vorzug gegenüber verwertbaren Verpackungen zu geben oder den Verkauf von Erfrischungsgetränken in Verpackungen der letztgenannten Art unter bestimmten Umständen zu verbieten.

I – Die nationalen Vorschriften

2.        Die Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. August 1998 (im Folgenden: Verpackungsverordnung) (3) enthält eine Reihe von Maßnahmen zur Erreichung des mit der Verordnung festgelegten Zieles der Vermeidung oder Verringerung der Auswirkungen von Verpackungsabfällen auf die Umwelt. Diese Verordnung, die an die Stelle der bis dahin geltenden Verordnung vom 12. Juni 1991 getreten ist (4) , dient der Umsetzung der Richtlinie 94/62 in das nationale Recht und definiert Mehrwegverpackungen als Verpackungen, die mehrfach zum gleichen Zweck wiederverwendet werden sollen.

Nach den Vorschriften dieser Verordnung haben Erzeuger und Vertreiber von Getränken in Einwegverpackungen auf allen Handelsstufen ein Pfand je Einheit zu erheben, können sich aber von dieser Verpflichtung, zu der die der Rücknahme und der Verwertung der Leerpackungen gehören, durch Beteiligung an einem flächendeckenden System der Verwertung gebrauchter Verpackungen und ihrer Abfälle befreien. Sinkt allerdings der Anteil der in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränke in Deutschland insgesamt unter 72 % und wird zugleich die für das Jahr 1991 festgestellte Quote dieser Verpackungen in den Getränkebereichen, in denen die Hersteller und Vertreiber konkret tätig sind5 –Nach den von den Klägerinnen in ihren Schriftsätzen im Ausgangsverfahren mitgeteilten Angaben betrug der als Referenz genommene Anteil wiederverwendbarer Verpackungen in diesem Jahr je Getränkeart: 91,33 % bei Mineralwasser, 34,56 % bei kohlensäurefreien und 73,62 % bei kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken, 82,16 % bei Bier sowie 28,63 % bei Wein., nicht erreicht, verlieren diese Wirtschaftsteilnehmer diese Möglichkeit; sie müssen dann erneut Pfand verlangen und für die Verwertung der Verpackungen selbst Sorge tragen.

3.       § 6 bestimmt:

„(1)        Der Vertreiber ist verpflichtet, vom Endverbraucher gebrauchte, restentleerte Verkaufsverpackungen am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurückzunehmen, einer Verwertung entsprechend den Anforderungen in Nummer 1 des Anhangs I zuzuführen und die Anforderungen nach Nummer 2 des Anhangs I zu erfüllen. ...

(2)        Hersteller und Vertreiber sind verpflichtet, die nach Absatz 1 ... zurückgenommenen Verpackungen am Ort der tatsächlichen Übergabe unentgeltlich zurückzunehmen, einer Verwertung … zuzuführen ...

(3)        Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 entfallen bei Verpackungen, [die von] einem System [erfasst werden], das flächendeckend im Einzugsgebiet des … Vertreibers eine … Abholung … beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe … gewährleistet … Ein System … hat die … eingebrachten Verpackungen einer Verwertung entsprechend den Anforderungen in Nummer 1 des Anhangs I zuzuführen … Die Beteiligung an einem [solchen] System … ist der zuständigen Behörde … nachzuweisen. Die Abstimmung [bezüglich der Verpackungsbewirtschaftung] hat zwischen dem Systembetreiber und dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger schriftlich zu erfolgen. ...

(4)        Die zuständige Behörde kann ihre Entscheidung ... widerrufen, sobald und soweit sie feststellt, dass die ... Anforderungen nicht eingehalten werden. ... Der Widerruf ist auf Verpackungen bestimmter Materialien zu beschränken, soweit nur für diese die im Anhang I zu dieser Verordnung genannten Verwertungsquoten nicht erreicht werden. Die Absätze 1 und 2 finden am ersten Tage des auf die Bekanntgabe des Widerrufs folgenden sechsten Kalendermonats Anwendung. ...“

4.       § 8 Absatz 1 der Verpackungsverordnung legt den Grundsatz der Pfanderhebungspflicht für Einwegverpackungen wie folgt fest:

„(1)        Vertreiber, die flüssige Lebensmittel in Getränkeverpackungen, die keine Mehrwegverpackungen sind, in Verkehr bringen, sind verpflichtet, von ihrem Abnehmer ein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 Euro einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung zu erheben; ab einem Füllvolumen von mehr als 1,5 Liter beträgt das Pfand mindestens 0,50 Euro einschließlich Umsatzsteuer. Das Pfand ist von jedem weiteren Vertreiber auf allen Handelsstufen bis zur Abgabe an den Endverbraucher zu erheben. Das Pfand ist jeweils bei Rücknahme der Verpackungen nach § 6 Abs. 1 und 2 zu erstatten.“

5.       § 9 regelt die Ausnahme von der Pfanderhebungspflicht und den Schutz von ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen wie folgt:

„(1)  § 8 findet keine Anwendung auf Verpackungen, für die sich der Hersteller oder Vertreiber an einem [flächendeckenden] System nach § 6 Abs. 3 beteiligt. § 6 Abs. 4 gilt entsprechend.

(2)     Sofern der Anteil der in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränke für Bier, Mineralwasser (einschließlich Quellwässer, Tafelwässer und Heilwässer), Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure, Fruchtsäfte (einschließlich Fruchtnektare, Gemüsesäfte und andere Getränke ohne Kohlensäure) und Wein (ausgenommen Perl-, Schaum-, Wermut- und Dessertweine) im Kalenderjahr insgesamt im Geltungsbereich dieser Verordnung unter 72 vom Hundert sinkt, wird für den Zeitraum von 12 Monaten nach der Bekanntmachung des Unterschreitens der Mehrweganteile eine erneute Erhebung über die erheblichen Mehrweganteile durchgeführt. Liegt danach der Mehrweganteil im Bundesgebiet unter dem nach Satz 1 festgesetzten Anteil, gilt die Entscheidung nach § 6 Abs. 3 vom ersten Tage des auf die Bekanntgabe nach Absatz 3 folgenden sechsten Kalendermonats bundesweit für die Getränkebereiche als widerrufen, für die der im Jahr 1991 festgestellte Mehrweganteil unterschritten ist. Für pasteurisierte Konsummilch gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend, wenn der im Geltungsbereich der Verordnung bestehende Anteil von Mehrwegverpackungen und von Schlauchbeutel-Verpackungen aus Polyethylen im Kalenderjahr unter 20 vom Hundert sinkt.

(3)     Die Bundesregierung gibt die nach Absatz 2 erheblichen Anteile von in ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen abgefüllten Getränken jährlich im Bundesanzeiger bekannt.

(4)     Sofern der nach Absatz 2 erhebliche Anteil von in ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen abgefüllten Getränken nach einem Widerruf wieder erreicht wird, hat die zuständige Behörde auf Antrag oder von Amts wegen eine erneute Feststellung nach § 6 Abs. 3 zu treffen.“

II – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

6.        Die Klägerinnen sind mittelständische Unternehmen mit Sitz in Österreich, die Getränke herstellen. Sie führen Getränke mit oder ohne Kohlensäure, Fruchtsäfte und in verwertbaren Einwegverpackungen abgefülltes Tafelwasser nach Deutschland aus.

7.        Sie haben sich als Lizenznehmer dem „Dualen System Deutschland AG“ (Grüner Punkt) angeschlossen; wie der Feststellung des Umweltministeriums Baden-Württemberg (6) zu entnehmen ist, handelt es sich um ein flächendeckendes System der Bewirtschaftung von gebrauchten Verpackungen und ihrer Abfälle im Sinne von Artikel 6 Absatz 3. Aus diesem Grund waren die Klägerinnen davon befreit, von ihren Abnehmern ein Pfand für jedes Getränk zu erheben.

8.        Am 2. Juli 2002 gab die Bundesregierung im Bundesanzeiger gemäß § 9 Absatz 3 der Verpackungsverordnung die Ergebnisse der bundesweit durchgeführten Untersuchung über den Anteil von Mehrwegverpackungen insgesamt bekannt. Die Daten zeigten, dass der Prozentsatz für den Zeitraum von Mai 2000 bis April 2001 bei allen Getränken mit Ausnahme von Milch unter 72 % lag.

9.        Zugleich gab die Bundesregierung bekannt, dass der Widerruf der Befreiung vom ersten Tag des auf die Bekanntgabe folgenden sechsten Kalendermonats für die Getränkebereiche Mineralwasser, Bier und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke gelte, bei denen die 1991 festgestellten Quoten nicht erreicht worden seien.

Folglich waren die betroffenen Unternehmen von Januar 2003 an verpflichtet, für den größten Teil der von ihnen in Deutschland vertriebenen Getränkeverpackungen das in § 8 Absatz 1 der Verpackungsverordnung vorgeschriebene Pfand zu erheben sowie gebrauchte Verpackungen zurückzunehmen und zu verwerten.

10.      Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass diese Maßnahme eine Beschränkung ihrer Ausfuhren nach Deutschland darstelle, die gegen Gemeinschaftsrecht verstoße.

III – Die Vorabentscheidungsfragen

11.      Vor der Entscheidung über die Begründetheit der Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.
Ist Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 94/62 … so auszulegen, dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten untersagt, Systeme zur Wiederverwendung von Getränkeverpackungen dadurch gegenüber verwertbaren Einwegverpackungen zu bevorzugen, dass bei Unterschreitung eines bundesweiten Mehrweganteils von 72 % die Möglichkeit der Befreiung von einer verordneten Rücknahme-, Entsorgungs- und Pfanderhebungspflicht für entleerte Getränke-Einwegverpackungen durch Teilnahme an einem Rücknahme- und Entsorgungssystem für die Getränkebereiche aufgehoben wird, in denen der Mehrweganteil unter den im Jahr 1991 festgestellten Anteil gesunken ist?

2.
Ist Artikel 18 der Richtlinie 94/62 … so auszulegen, dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten untersagt, das Inverkehrbringen von Getränken in verwertbaren Einwegverpackungen dadurch zu behindern, dass bei Unterschreitung eines bundesweiten Mehrweganteils von 72 % die Möglichkeit der Befreiung von einer verordneten Rücknahme-, Entsorgungs- und Pfanderhebungspflicht für entleerte Getränke-Einwegverpackungen durch Teilnahme an einem Rücknahme- und Entsorgungssystem für die Getränkebereiche aufgehoben wird, in denen der Mehrweganteil unter den im Jahr 1991 festgestellten Anteil gesunken ist?

3.
Ist Artikel 7 der Richtlinie 94/62 … so auszulegen, dass Herstellern und Vertreibern von Getränken in verwertbaren Einwegverpackungen ein Anspruch auf die Teilnahme an einem bereits eingerichteten Rücknahme- und Entsorgungssystem für gebrauchte Getränkeverpackungen gewährt wird, um dadurch eine gesetzlich verordnete Pflicht zur Bepfandung von Einwegverpackungen für Getränke und zur Rücknahme gebrauchter Getränkeverpackungen zu erfüllen?

4.
Ist Artikel 28 EG so auszulegen, dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten untersagt, Regelungen zu treffen, wonach bei Unterschreitung eines bundesweiten Mehrweganteils von 72 % die Möglichkeit der Befreiung von einer verordneten Rücknahme-, Entsorgungs- und Pfanderhebungspflicht für entleerte Getränke-Einwegverpackungen durch Teilnahme an einem Rücknahme- und Entsorgungssystem für die Getränkebereiche aufgehoben wird, in denen der Mehrweganteil unter den im Jahr 1991 festgestellten Anteil gesunken ist?

IV – Die Gemeinschaftsvorschriften

12.      Die Vorschriften des abgeleiteten Rechts, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, sind die Artikel 1 Absatz 2, 7 und 18 der Richtlinie 94/62.

13.      Artikel 1 bestimmt:

„1.     Diese Richtlinie bezweckt, die Vorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Verpackungs- und der Verpackungsabfallwirtschaft zu harmonisieren, um einerseits Auswirkungen dieser Abfälle in allen Mitgliedstaaten sowie in dritten Ländern auf die Umwelt zu vermeiden bzw. diese Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und zu verhindern, dass es in der Gemeinschaft zu Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen kommt.

2.       Hierzu werden in dieser Richtlinie Maßnahmen vorgeschrieben, die auf Folgendes abzielen: Erste Priorität ist die Vermeidung von Verpackungsabfall; weitere Hauptprinzipien sind die Wiederverwendung der Verpackungen, die stoffliche Verwertung und die anderen Formen der Verwertung der Verpackungsabfälle sowie als Folge daraus eine Verringerung der endgültigen Beseitigung der Abfälle.“

14.      Artikel 7 regelt die Rücknahme-, Sammel- und Verwertungssysteme wie folgt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für

a)
die Rücknahme und/oder Sammlung von gebrauchten Verpackungen und/oder Verpackungsabfällen beim Verbraucher oder jedem anderen Endabnehmer bzw. aus dem Abfallaufkommen mit dem Ziel einer bestmöglichen Entsorgung;

b)
die Wiederverwendung oder Verwertung – einschließlich der stofflichen Verwertung – der gesammelten Verpackungen und/oder Verpackungsabfälle,

um die Zielvorgaben dieser Richtlinie zu erfüllen.

An diesen Systemen können sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige und die zuständigen Behörden beteiligen. Sie gelten auch für Importprodukte, die dabei keine Benachteiligung erfahren, auch nicht bei den Modalitäten und etwaigen Gebühren für den Zugang zu den Systemen, die so beschaffen sein müssen, dass gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

(2)    ...“

15.      Artikel 18 bezieht sich auf die Freiheit des Inverkehrbringens:

„Die Mitgliedstaaten dürfen in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen von Verpackungen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten.“

16.      Artikel 28 EG, der vom vorlegenden Gericht als Vorschrift des primären Rechts ausgeführt worden ist, bestimmt:

„Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.“

V – Das Verfahren vor dem Gerichtshof

17.      Binnen der in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes festgelegten Frist haben die Klägerinnen, der Beklagte des Ausgangsverfahrens (7) , die deutsche, die französische, die italienische, die niederländische und die österreichische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

In der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2004 haben die Vertreter der Klägerinnen und des Beklagten sowie die Vertreter der deutschen, der italienischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

VI – Erste Vorlagefrage

18.      Das Verwaltungsgericht Stuttgart möchte erstens wissen, ob Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 94/62 einem Mitgliedstaat untersagt, durch Anwendung von Vorschriften wie der §§ 8 Absatz 1 und 9 Absatz 2 der Verpackungsverordnung der Wiederverwendung von Getränkeverpackungen Vorrang vor der stofflichen Verwertung und anderen Formen der Verwertung einzuräumen.

A – Vorbringen der Beteiligten

19.      Nach Auffassung der Klägerinnen räumt die Richtlinie 94/62 den Merhrwegverpackungen keinen Vorrang ein, so dass die übrigen Verpackungsarten nicht benachteiligt werden dürften. Die österreichische Regierung vertritt die gleiche Meinung.

20.      Das Land Baden-Württemberg, Beklagter des Ausgangsverfahrens, macht geltend, dass die nationalen Vorschriften die Verwendung von Mehrwegverpackungen nicht begünstigten, sondern lediglich für den Fall, dass der Mehrweganteil eine bestimmte Grenze unterschreite, die Pflicht zur Pfanderhebung, der Einwegverpackungen früher unterworfen gewesen seien, wieder auf diese Verpackungen ausdehnten, so dass alle gleich behandelt würden. Auch wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber die Mehrwegverpackungen nicht begünstigt habe, weil es 1994 keine ausreichend entwickelten Methoden zur Beurteilung der Auswirkungen gegeben habe, habe er eine Begünstigung doch nicht verboten; die Mitgliedstaaten könnten eine solche daher vorsehen, wenn die ihnen zugänglichen Informationen dies rechtfertigten. In Deutschland belegten die durchgeführten Untersuchungen, dass die wiederverwendbaren Verpackungen für den Schutz der Umwelt besser seien als die verwertbaren Verpackungen (8) .

Die Mehrwegsysteme vermeiden nach Ansicht der Bundesregierung die Abfallerzeugung und tragen damit zur ersten Priorität der Richtlinie 94/62 bei. Die niederländische und die italienische Regierung sowie die Kommission schließen sich diesem Vorbringen an.

21.      Für die französische Regierung ist die entscheidende Vorschrift für die Beantwortung dieser Frage der Artikel 5 der Richtlinie 94/62, der es den Mitgliedstaaten nicht verbiete, Mehrwegverpackungssystemen den Vorrang einzuräumen, sofern sie dabei Artikel 28 EG beachteten.

B – Beantwortung der Frage

22.      Angesichts des Wortlauts des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie 94/62, um dessen Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, ist festzustellen, dass er keine Grundlage für eine Bevorzugung der Mehrwegsysteme gegenüber denen der stofflichen Verwertung und anderer Formen der Verwertung bietet. Die Bestimmung legt keine Rangfolge fest und weist die erste Priorität der Vermeidung von Verpackungsabfall zu, während die Wiederverwendung, die stoffliche Verwertung und andere Formen der Verwertung, die danach genannt werden, gleichgestellt sind. Zwar müssen nach der achten Begründungserwägung Lebenszyklus‑Untersuchungen so bald wie möglich abgeschlossen werden, um eine klare Rangfolge der wiederverwendbaren, der stofflich und der andersartig verwertbaren Verpackungen zu rechtfertigen, in der Praxis jedoch scheinen die in einigen Ländern durchgeführten Untersuchungen noch nicht zu endgültigen Ergebnissen geführt zu haben.

23.      Ebenso wenig darf man die in Artikel 3 der Richtlinie 94/62 definierten Begriffe der Vermeidung und der Wiederverwendung gleichsetzen. Gemäß Nummer 4 besteht die erstgenannte in der Verringerung der Menge und der Umweltschädlichkeit der in Verpackungen und Verpackungsabfällen enthaltenen Materialien und Stoffe sowie der Verpackungen und Verpackungsabfälle auf der Ebene des Herstellungsverfahrens, des Inverkehrbringens, des Vertriebes, der Verwendung und der Beseitigung, insbesondere durch die Entwicklung umweltverträglicher Produkte und Technologien. Nummer 5 beschreibt die Wiederverwendung als die derselben Zweckbestimmung entsprechende Wiederbefüllung von Verpackungen mit oder ohne Unterstützung von Hilfsmitteln, deren Beschaffenheit eine Mindestzahl von Kreislaufdurchgängen während ihrer Lebensdauer gestattet und die danach zu Verpackungsabfall werden.

24.      Die Grundregel der Vermeidung findet sich in Anhang II Absatz 1 der Richtlinie 94/62, wo die besonderen Anforderungen an die Herstellung und Zusammensetzung von Verpackungen festgelegt werden: Sie sind so herzustellen, dass Verpackungsvolumen und ‑gewicht auf das Mindestmaß begrenzt werden, das zur Erhaltung der erforderlichen Sicherheit und Hygiene des verpackten Produktes und zu dessen Akzeptanz für den Verbraucher angemessen ist, d. h., die Vermeidung zielt auf eine Fertigung der Verpackung und ein Verfahren zu ihrer Herstellung ab, die das Entstehen von Abfällen von Anfang an verringert oder vermeidet. Es handelt sich hierbei ersichtlich um Maßnahmen, die auf wiederverwendbare und verwertbare Verpackungen gleichermaßen Anwendung finden.

25.      Nach Artikel 5 der Richtlinie 94/62 können die Behörden Systeme zur Wiederverwendung der Verpackungen, die umweltverträglich mehrfach wieder gefüllt werden können, fördern, sofern sie dies im Einklang mit dem Vertrag tun. Den Rahmen ihres Handelns werde ich bei der vierten Vorlagefrage untersuchen, wenn es darum geht, ob Vorschriften wie die hier streitigen diesem Erfordernis genügen.

26.      Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 94/62 beschränkt sich darauf, der Vermeidung von Verpackungsabfall den Vorrang einzuräumen, und bevorzugt nicht die Mehrwegverpackungen, so dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf diese Bestimmung stützen kann, um die Wiederverwendung von Getränkeverpackungen über die stoffliche Verwertung und die anderen Formen der Verwertung zu stellen.

VII – Zweite Vorlagefrage

27.      Mit dieser Frage soll geklärt werden, ob Artikel 18 der Richtlinie 94/62, der die Freiheit des Inverkehrbringens der der Richtlinie entsprechenden Verpackungen verankert, einem Mitgliedstaat untersagt, das Inverkehrbringen von Getränken in Einwegverpackungen durch Vorschriften wie die §§ 8 Absatz 1 und 9 Absatz 2 der Verpackungsverordnung zu behindern.

A – Vorbringen der Beteiligten

28.      Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vertreten die Auffassung, dass die Vorschriften der Richtlinie, insbesondere deren Anhang II, die Risiken, die die Verpackungen für die Umwelt darstellten, abschließend regelten; die grundlegenden Schutzerfordernisse seien keine Mindestklauseln, die im nationalen Recht durch Festlegung von Mehrwegquoten ergänzt werden könnten. Die stofflich oder im Wege der Energiegewinnung verwertbaren Einwegverpackungen erfüllten ebenfalls die Mindestanforderungen, so dass der Verkauf von Getränken bei dieser Gruppe von Verpackungen nicht eingeschränkt werden dürfe. Mit der pauschalen Behauptung, dass die Mehrwegverpackungen ökologisch einwandfrei und die verwertbaren der Umwelt abträglich seien, benachteilige die deutsche Regelung die letztgenannten Verpackungen und die in diesen enthaltenen Getränke. Die österreichische, die französische und die italienische Regierung stimmen dieser Beurteilung zu.

29.      Das Land Baden-Württemberg und die deutsche Regierung sprechen sich ebenso wie die Kommission für eine Verneinung der Frage aus. Die niederländische Regierung weist darauf hin, dass die nationalen Behörden das Inverkehrbringen von Produkten in Verpackungen verhindern könnten, die gegen die Vorschriften über die Wiederverwendung, die Verwertung oder die Pfand-, Rücknahme- und Verwertungssysteme verstießen.

B – Beantwortung der Frage

30.      Ich stimme mit dem Beklagten, der deutschen Regierung und der Kommission darin überein, dass Artikel 18 den Vertrieb derjenigen Verpackungen in der ganzen Gemeinschaft gewährleistet, die die in Artikel 9 und in Anhang II festgelegten grundlegenden Anforderungen an die Zusammensetzung, die Wiederverwendbarkeit und die Verwertbarkeit von Verpackungen erfüllen, und sich darauf beschränkt, die Benachteiligung aller Arten von Verpackungen zu verbieten, die den Erfordernissen der Richtlinie 94/62 entsprechen.

Das Pfand-, Rücknahme- und Verwertungssystem gemäß den umstrittenen deutschen Vorschriften behindert den Handel mit Getränken in Einwegverpackungen nicht; es regelt nicht die Zusammensetzung der Verpackungen, sondern lediglich die Modalitäten des Vertriebes. Ebenso wenig behindert es das Eindringen von Verpackungen aufgrund ihrer technischen Merkmale in den Markt, sondern legt bloß die Bedingungen für ihre Rücknahme und Verwertung fest.

31.      Aus diesen Gründen bin ich der Auffassung, dass Artikel 18 der Richtlinie 94/62 nicht herangezogen werden kann, um die Wirkungen zu überprüfen, die die Anwendung von Vorschriften wie der §§ 8 Absatz 1 und 9 Absatz 2 der deutschen Verpackungsverordnung auf den freien Warenverkehr haben könnte.

VIII – Dritte Vorlagefrage

32.      Das Verwaltungsgericht Stuttgart fragt weiter, ob Artikel 7 der Richtlinie 94/62 Herstellern und Vertreibern von Getränken in Einwegverpackungen einen Anspruch auf die Teilnahme an einem bereits eingerichteten Rücknahme- und Bewirtschaftungssystem für Leergut gewährt, damit diese sich dadurch von der gesetzlichen Pflicht zur Pfanderhebung und zur Rücknahme und Verwertung befreien können; in diesem Fall wären die nationalen Behörden nicht zur Beseitigung dieser Befreiungsmöglichkeit befugt und könnten den Betroffenen, wenn der Anteil der Mehrwegverpackungen unter ein bestimmtes Niveau sinkt, diese Pflichten auch nicht auferlegen.

A – Vorbringen der Beteiligten

33.      Nach Meinung der Klägerinnen lässt die Richtlinie den Wirtschaftsteilnehmern die Freiheit, sich an flächendeckenden Systemen der Verpackungs- und der Verpackungsabfallwirtschaft zu beteiligen, ohne dass die nationalen Behörden dies einschränken dürften. Wenn sie dies – wie in Deutschland – täten, werde dadurch der Rückzug einer großen Zahl von Getränken in Einwegverpackungen aus dem Handel bewirkt. Die österreichische, die italienische und die französische Regierung äußern sich in gleichem Sinne. Die niederländische Regierung hat zu diesem Punkt nicht Stellung genommen.

34.      Das Land Baden-Württemberg und die deutsche Regierung sprechen sich dafür aus, die Frage zu verneinen. Anderenfalls könnten sich die Unternehmen weigern, sich an weiterentwickelten Sammelsystemen für Verpackungen und Verpackungsabfälle zu beteiligen, indem sie geltend machen, sie seien bereits an einem bestehenden System beteiligt. Die Kommission schließt sich diesem Standpunkt an.

B – Beantwortung der Frage

35.      Während die Richtlinie 94/62 in Artikel 5 den Mitgliedstaaten gestattet, nach Maßgabe des Vertrages Systeme zur Wiederverwendung von Verpackungen zu fördern, legt sie in Artikel 6 die Zielvorgaben der Verwertung einschließlich der stofflichen Verwertung fest, die in der Pflicht zum Ausdruck kommen, bestimmte Mindest- und Höchstsätze während einer ersten Stufe von fünf Jahren (9) zu erreichen, an deren Ende der Rat mit Blick auf eine erhebliche Erhöhung die entsprechenden Sätze für die zweite Fünfjahresstufe zu bestimmen haben wird (10) .

36.      Um die Zielvorgaben zu erfüllen, verpflichtet Artikel 7 die nationalen Behörden, sowohl die Einrichtung von Systemen für die Rücknahme oder die Sammlung von gebrauchten Verpackungen und Verpackungsabfällen als auch die von Systemen der Wiederverwendung oder Verwertung einschließlich der stofflichen Verwertung der gesammelten Verpackungen und Verpackungsabfälle zu fördern; diese Maßnahmen müssen Teil einer für alle Verpackungen geltenden Politik sein. An den Systemen können sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige und die zuständigen Behörden beteiligen; sie gelten auch für Importprodukte, die dabei keine Benachteiligung erfahren, auch nicht bei den Modalitäten und etwaigen Gebühren für den Zugang zu den Systemen; diese müssen so beschaffen sein, dass gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

37.      Ich bin der Meinung, dass die nationalen Behörden aufgrund dieser Vorschrift bei nicht wiederverwendbaren Getränkeverpackungen wählen können, ob sie der Pfanderhebung, Rücknahme und Verwertung zugeführt werden oder mit Hilfe eines flächendeckenden Bewirtschaftungssystems am Wohnort des Verbrauchers oder im Einzugsgebiet des Vertreibers abgeholt werden. Die Richtlinie 94/62 überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung zwischen einer der beiden Methoden oder einer Kombination aus beiden, z. B. in Bezug auf die Art des Getränks und die Beträge, die je Einheit entsprechend der Größe der einzelnen Verpackungen als Pfand zu zahlen sind. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 6 der Richtlinie die Mindest- und Höchstvorgaben für die Verwertung einschließlich der stofflichen Verwertung harmonisiert hat; desgleichen müssen die Staaten, die über die genannten Zielvorgaben hinausgehen wollen (11) , nicht nur die Kommission über ihre Vorhaben unterrichten, sondern auch über die notwendige Kapazität verfügen und das System in die Praxis umsetzen, wobei Verzerrungen des Binnenmarktes vermieden werden müssen und die anderen nicht daran gehindert werden dürfen, die Ziele der Richtlinie zu verwirklichen.

38.      Wenn ein Staat ein ehrgeiziges Programm zur Bewirtschaftung von Einwegverpackungsabfällen durchführen will, indem er höhere Anteile festlegt, um das wilde Ablagern von Abfällen, die die Landschaft verschandeln, zu vermeiden, wird er wahrscheinlich eine Pfandpflicht einführen, die die besten Ergebnisse liefert, weil die Verbraucher selbst die leeren Verpackungen abgeben, um den als Pfand hinterlegten Betrag zurückzuerhalten. Dieses System ist geeignet, die Rücklaufquote zu erhöhen, die Verschmutzung durch weggeworfene Einwegverpackungen zu verringern und die Möglichkeiten der stofflichen Verwertung der gesammelten Materialien zu erhöhen. Mit der Einführung einer Pfandpflicht werden ein besserer Verwertungskoeffizient für die Komponenten nicht wiederverwendbarer Verpackungen sowie eine entsprechende Reduzierung der Verschmutzung durch Flaschen, Blechbüchsen und leere Dosen erreicht. Vertraut man Auswahl und Sammlung, die auf Pfandhinterlegung beruhen, gewerblichen Systemen an, erlaubt die sachgerechte Verwertung der Bestandteile die Einsparung von Rohstoffen und die Rückgewinnung der verwertbaren Stoffe mit einem höheren Reinheitsgrad als bei der Trennung der Hausabfälle, bei der Sortierfehler viel häufiger vorkommen.

39.      In den Staaten, in denen das Umweltbewusstsein weniger weit entwickelt ist, neigen die Behörden eher dazu, dem Verbraucher die Mühen zu ersparen, die mit dem Pfand- und Rückgabesystem verbunden sind, indem sie ihm – mit dem damit verbundenen Risiko von Verwechslungen, Versäumnissen und Mangel an Interesse – die Trennung überlassen, wobei die für die Bewirtschaftung verantwortlichen Unternehmen die Verpackungen am Wohnort des Verbrauchers oder im Einzugsgebiet des Vertreibers abholen müssen. Es liegt auf der Hand, dass die Folgen beider Systeme für die Umwelt sehr unterschiedlich sind, doch sind beide durch Artikel 7 der Richtlinie 94/62 gedeckt.

40.      Bei der Entscheidung, das eine oder das andere System auf alle oder lediglich bestimmte Verpackungsarten anzuwenden, müssen die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Artikels 7 entsprechen, d. h. allen Herstellern und Vertreibern von Getränken in Einweggebinden, einschließlich von importierten Getränken, jederzeit und ohne Diskriminierung den Zugang zu Sammel- und Bewirtschaftungssystemen garantieren, die an die Stelle der gesetzlichen Verpflichtung treten, Leergut zurückzunehmen und es der Verwertung zuzuführen. Ich glaube allerdings nicht, dass die Wirtschaftsteilnehmer aus dieser Vorschrift das subjektive Recht herleiten können, die Dienste eines dieser Systeme konkret allein wegen ihrer Tätigkeit im Inland in Anspruch zu nehmen oder Mitglied eines solchen Systems zu bleiben, wenn die nationalen Behörden beschließen, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an beim Erwerb bestimmter Getränke in Einwegverpackungen ein Pfand zu entrichten ist.

41.      Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, dass Artikel 7 der Richtlinie 94/62 Herstellern und Vertreibern von Getränken in Einwegverpackungen keinen Anspruch auf die Teilnahme an einem bereits eingerichteten Rücknahme- und Bewirtschaftungssystem gewährt, wenn die nationalen Behörden es durch ein Pfandsystem zur Sicherstellung der Rücknahme des Leerguts ersetzen, um dadurch die getrennte Verwertung zu verbessern und das wilde Ablagern von Abfällen einzudämmen.

IX – Vierte Vorlagefrage

42.      Mit ihr soll geklärt werden, ob Artikel 28 EG einem Mitgliedstaat untersagt, Regelungen zu treffen, wonach bei Unterschreitung eines inländischen Mehrweganteils von insgesamt 72 % bei Getränkeverpackungen die Wirtschaftsteilnehmer in den Bereichen, in denen der Mehrweganteil unter dem des Jahres 1991 liegt, die Möglichkeit verlieren, sich durch Teilnahme an einem flächendeckenden System der Verpackungs- und Verpackungsabfallwirtschaft von den Verpflichtungen zur Erhebung eines Pfandes auf Einwegflaschen, zur Rücknahme gegen Erstattung des Pfandes und zur Verwertung zu befreien.

A – Vorbringen der Beteiligten

43.      Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die deutsche Regelung mit ihrer Mehrwegquote eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung sei, die mittelbar den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtige und nicht durch zwingende Erfordernisse in Zusammenhang mit dem Umweltschutz gerechtfertigt werde. Die Festlegung des Anteils von Einwegverpackungen für das ganze Land auf höchstens 28 % lege einer Steigerung der Ausfuhren der Klägerinnen nach Deutschland Hindernisse in den Weg; hinzu kämen der höhere Preis der Getränke in Einwegverpackungen infolge des höheren Pfandbetrags (12) , der einen Anreiz schaffe, Erzeugnisse in Mehrwegverpackungen zu verbrauchen, die naturgemäß inländischen Ursprungs seien, und die zusätzliche Etikettierung infolge des Zwangspfands, die zu einer Aufteilung des Marktes führe. Die österreichische, die französische und die niederländische Regierung pflichten dem bei.

44.      Das Land Baden-Württemberg und die deutsche Regierung vertreten die Auffassung, dass Artikel 28 EG im Ausgangsverfahren keine Anwendung finde. Erstens habe Artikel 5 der Richtlinie 94/62 die Verwendung und Förderung von Mehrwegverpackungen vollständig harmonisiert, und zweitens seien die Quotenregelung für Mehrwegverpackungen und die Pfand-, Rücknahme- und Verwertungspflicht bloße Verkaufsmodalitäten, die keinen Einfluss auf die Merkmale der Verpackungen nähmen und den Verkauf inländischer und eingeführter Produkte sowohl tatsächlich als auch rechtlich in gleicher Weise berührten. Wenn die zu prüfenden Vorschriften zu einem Handelshemmnis führten, wäre ihre Aufrechterhaltung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, zwingenden Erfordernissen des Umweltschutzes gerecht zu werden. Die italienische Regierung unterstützt diese Erwägungen.

45.      Nach Auffassung der Kommission geht es nicht so sehr um die bloße Beseitigung flächendeckender Bewirtschaftungssysteme, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in Geltung gewesen seien, sondern um den Übergang vom alten zum neuen System, wobei allen Umständen Rechnung zu tragen sei, die bei diesem Übergang und den Modalitäten beider Systeme zusammenträfen (13) . Es handele sich um eine nationale Regelung, die unterschiedslos für inländische und eingeführte Getränke gelte, wobei aus den Unterschieden resultierende Hindernisse für den freien Warenverkehr in der Gemeinschaft hingenommen werden müssten, wenn sie durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes gerechtfertigt seien. Die Mitgliedstaaten hätten dafür Sorge zu tragen, dass der Übergang vom bestehenden flächendeckenden Sammel- und Bewirtschaftungssystem auf das neue Pfand-, Rücknahme- und Rückgabesystem ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigungen dieser Freiheit erfolge und eingeführte Erzeugnisse nicht diskriminiert würden.

B – Beantwortung der Frage

46.      Vorab ist die Anwendbarkeit des Artikels 28 EG auf den vorliegenden Fall zu untersuchen, da die Beteiligten, die in diesem Vorabentscheidungsverfahren Erklärungen abgegeben haben, insoweit unterschiedlicher Meinung sind.

1. Tragweite der durch die Richtlinie 94/62 bewirkten Harmonisierung

47.      Ich teile nicht die Auffassung, dass Artikel 5 der Richtlinie 94/62 die Verwendung und Förderung von Mehrwegverpackungen vollständig harmonisiert habe.

48.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-246/99, Kommission/Dänemark (14) , in der es um eine nationale Regelung ging, die die Einfuhr von Bier und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken in Metallverpackungen untersagte, hatte ich Gelegenheit, mich zur Tragweite der durch die Richtlinie 94/62 bewirkten Harmonisierung in diesem Bereich zu äußern. In diesem Fall erfüllten die Verpackungen alle Grundanforderungen nach Anhang II der Richtlinie, so dass das Verbot eindeutig gegen Artikel 18 verstieß, der die Freiheit des Inverkehrbringens der Verpackungen in jedem Mitgliedstaat begründet hat. Ich habe die Auffassung vertreten, dass die Richtlinie eine vollständige Harmonisierung der nationalen Maßnahmen im Bereich der Verpackungs- und der Verpackungsabfallwirtschaft bewirkt hat. In solchen Fällen darf nach der Rechtsprechung, falls die nationalen Vorschriften mit der Richtlinie übereinstimmen, ihre Vereinbarkeit mit primärem Gemeinschaftsrecht, das den freien Warenverkehr regelt, nicht mehr geprüft werden (15) .

49.      Nun ist Artikel 5 der Richtlinie 94/62, der den Mitgliedstaaten erlaubt, Wiederverwendungssysteme zu fördern, und sie verpflichtet, dies nach Maßgabe des Vertrages zu tun, eine wenig genaue Vorschrift, deren Fassung keinen Hinweis auf Form oder Richtung gibt, in denen die Mitgliedstaaten zum Handeln befugt sind. Die Wiederverwendung, d. h. die Möglichkeit, die Verpackung erneut zu befüllen und derselben Zweckbestimmung entsprechend zu verwenden, wird in Artikel 3 Nummer 5 definiert, der aber insoweit nichts zur Klärung beiträgt, so dass sich nicht sagen lässt, dass die Richtlinie die Förderung der Verwendung von Mehrwegverpackungen harmonisiert habe.

50.      Zur Beurteilung dieser Maßnahmen ist es daher notwendig, das primäre Recht in seiner Gesamtheit heranzuziehen und nicht nur die Grundsätze, die für den freien Warenverkehr gelten. Wenn z. B. die öffentliche Hand Subventionen oder Beihilfen gewährt, um einen Anreiz für die Forschung und die Verstärkung von Investitionen für die Umformung oder Verbesserung von Verpackungsbetrieben, die Herstellung von Mehrwegverpackungen oder die Aufnahme von Tätigkeiten zur Förderung der Wiederverwendung zu schaffen, oder wenn sie Maßnahmen wirtschaftlicher, finanzieller oder steuerlicher Art ergreift, muss sie die Bestimmungen über staatliche Beihilfen und die Zuständigkeit ebenso beachten, wie sie sich an die Vorschriften des Vertrages im Steuerbereich halten muss.

Wenn ferner Anzeichen dafür bestehen, dass die Entscheidungen, die ein Mitgliedstaat getroffen hat, um die Wiederverwendungssysteme zu fördern, zwar nicht bis zu einem Verbot der Einfuhr gehen, aber Hemmnisse für den freien Warenverkehr bilden, müssen sie unter dem Blickwinkel der Artikel 28 EG und 30 EG geprüft werden. Denn es steht außer Frage, dass die Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 18 der Richtlinie 94/62 nicht das Inverkehrbringen von Verpackungen verhindern können, die die grundlegenden Anforderungen des Anhangs II erfüllen, die Gegenstand der Harmonisierung gewesen sind. Allerdings gibt es subtilere Formen staatlichen Handelns, die zum gleichen Ergebnis führen können.

51.      Zur Begründung, dass Artikel 28 EG im vorliegenden Fall keine Anwendung findet, stützt sich die deutsche Regierung (16) auch auf das Urteil Daimler Chrysler (17) , in dessen Randnummer 44 festgestellt wird, dass die Verwendung der Formulierung „im Einklang mit dem Vertrag“ in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 (18) nicht bedeuten könne, dass bei einer nationalen Maßnahme, die den Anforderungen dieser Bestimmung genüge, darüber hinaus eigens geprüft werden müsste, ob sie mit dem primären Recht des freien Warenverkehrs vereinbar sei.

52.      Aus verschiedenen Erwägungen heraus dürfte dieser Standpunkt des Beklagten geringe Erfolgsaussichten haben. Erstens hat der Gerichtshof diese Feststellung in der folgenden Randnummer seines Urteils dahin ergänzt, dass diese Formulierung auch nicht bedeute, dass alle in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung Nr. 259/93 genannten nationalen Maßnahmen, die die Verbringung von Abfällen beschränkten, allein deshalb ohne weiteres als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gelten müssten, weil sie einen oder mehrere der in dieser Bestimmung genannten Grundsätze zur Anwendung bringen sollten. Diese nationalen Maßnahmen müssten vielmehr über ihre Vereinbarkeit mit der Verordnung hinaus auch die Regeln oder allgemeinen Grundsätze des EG-Vertrags beachten, die die im Bereich der Abfallverbringung erlassenen Vorschriften nicht unmittelbar beträfen. Die gleiche Beurteilung findet sich im Urteil Deutscher Apothekerverband e. V. (19) , in dessen Randnummer 64 festgestellt wird, dass jede nationale Regelung in einem Bereich, der auf Gemeinschaftsebene abschließend harmonisiert worden sei, anhand der fraglichen Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand des primären Gemeinschaftsrechts zu beurteilen sei (20) , auch wenn die den Mitgliedstaaten in Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie 97/7 (21) verliehene Befugnis, wie in dieser Bestimmung ausdrücklich gesagt werde, unter Beachtung des EG-Vertrags auszuüben sei (22) .

53.      Zweitens war in der Rechtssache Daimler Chrysler die einschlägige Gemeinschaftsregelung eine Verordnung, die definitionsgemäß nicht nur allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, sondern auch eine stärkere Konkretisierung aufweist als eine Richtlinie, deren Vorschriften von den Mitgliedstaaten in ihre jeweiligen internen Rechtsordnungen umzusetzen sind. Zwar ist die in der Verordnung Nr. 259/93 und die in der Richtlinie 94/62 für die Verweisung auf den Vertrag verwendete Formulierung identisch, doch besteht ein großer inhaltlicher Unterschied zwischen Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung und Artikel 5 der Richtlinie: Während der Erstgenannte die Grundsätze bestimmt, die für die Mitgliedstaaten und die von ihnen zu treffenden konkreten Maßnahmen gelten, beschränkt sich der Zweitgenannte auf die Feststellung, dass solche Maßnahmen für Verpackungen getroffen werden sollen, die umweltverträglich wiederverwendet werden können.

54.      Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber Maßnahmen der nationalen Behörden zur Förderung der Systeme zur Wiederverwendung von Verpackungen, die mittelbar zu einer Abfallvermeidung führen, mit Wohlwollen betrachtet, sofern sie nicht vor allem als Maßnahmen wirtschaftlicher, finanzieller, steuerlicher Art oder in sonstiger Weise das gute Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen.

55.      Sodann ist Artikel 5 der Richtlinie 94/62 für sich betrachtet nicht hinreichend konkret, um anhand dieser Bestimmung beurteilen zu können, ob Vorschriften der Mitgliedstaaten zur Förderung von Systemen zur umweltverträglichen Wiederverwendung der Verpackungen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, und es ist nicht möglich, ihn durch Rückgriff auf andere Vorschriften der gleichen Gemeinschaftsregelung zu vervollständigen. Wegen der Verweisung dieser Vorschrift auf den Vertrag insgesamt ist die Prüfung erlaubt, ob jene Vorschriften mit den primären Rechtsvorschriften über den freien Warenverkehr vereinbar sind.

2. Natur der streitigen Vorschriften: Maßnahmen gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder bloße Verkaufsmodalität

56.      Die hier im Streit befindlichen Vorschriften sind: §  8 Absatz 1 der Verpackungsverordnung 1998, wonach der Vertreiber von Getränken in Einwegflaschen verpflichtet ist, vom Abnehmer ein Pfand zu erheben, das diesem bei Rücknahme des Leerguts erstattet wird, und § 9 Absatz 2, der diese Maßnahme aussetzt, wenn sich das verantwortliche Unternehmen an einem flächendeckenden System der Bewirtschaftung beteiligt, solange der Anteil an Mehrwegverpackungen bundesweit nicht unter 72 % sinkt. Tritt dieser Fall ein, lebt die Verpflichtung zur Pfanderhebung, Rücknahme und Verwertung für die Getränke wieder auf, bei denen der im Jahr 1991 erreichte Anteil wiederverwendbarer Verpackungen unterschritten wird. Anscheinend ging man bei dieser stufenweisen Regulierungsmethode von der Zustimmung der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer aus, die verpflichtet sind, den Anteil der umweltfreundlichen Mehrwegverpackungen für Getränke nicht unter den in diesem Zeitraum erreichten sinken zu lassen.

Zweck dieser Vorschriften ist nach Aussage der deutschen Regierung die Förderung der Verwendung von Mehrwegverpackungen. Meines Erachtens erschwert es diese Regelung, Getränke, die von ihren Erzeugern in anderen Mitgliedstaaten in Einwegflaschen abgefüllt worden sind, in Deutschland zu vermarkten.

57.      Die Gründe für meinen Standpunkt sind folgende:

58.      Erstens verpflichtet Artikel 7 der Richtlinie 94/62 die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für die Rücknahme oder Sammlung von gebrauchten Verpackungen oder Verpackungsabfällen zu treffen, wobei hervorgehoben wird, dass sich an den Systemen alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige beteiligen können. Aufgrund dieser Vorschrift können die nationalen Behörden für nicht wiederverwendbare Getränkeverpackungen wählen, ob sie der Pfanderhebung, Rücknahme und Verwertung zugeführt werden oder mit Hilfe eines flächendeckenden Bewirtschaftungssystems am Wohnort des Verbrauchers oder im Einzugsgebiet des Vertreibers abgeholt werden. Der Umstand, dass ein Land die zweite Möglichkeit nur so lange zulässt, als die Gesamtmenge der Mehrwegflaschen auf dem nationalen Markt nicht unter einen bestimmten Prozentsatz sinkt, ist zweifelsfrei eine Quelle der Rechtsunsicherheit für die Wirtschaftsteilnehmer, die ihre Erzeugnisse in Einwegverpackungen vertreiben, weil die Unternehmen, selbst wenn der Richtwert oberhalb der festgesetzten Grenze bleibt, jedes Jahr in der Furcht produzieren, dass der Prozentsatz nicht erreicht wird, in welchem Fall sie, wenn in dem betreffenden Bereich der Satz von 1991 ebenso wenig erreicht wird, kurzfristig Vorbereitungen treffen müssen, um auf allen Vertriebsstufen Pfand zu erheben.

Es handelt sich um eine Regelung, die zum einen Unsicherheit bei den Wirtschaftsteilnehmern schafft, die sich für die Teilnahme an einem flächendeckenden System der Verpackungs- und Verpackungsabfallwirtschaft entschieden haben, weil sie nicht wissen, wie lange sie unter den gleichen Bedingungen weiterarbeiten können; zum anderen verführt sie die Wirtschaftsteilnehmer, die diese Unsicherheit vermeiden wollen, dazu, auf diese bequemere Alternative zu verzichten und stattdessen auf Einwegverpackungen Pfand zu erheben oder Mehrwegverpackungen zu verwenden, ganz zu schweigen von der eventuellen abschreckenden Wirkung dieser Vorschriften auf diejenigen, die beabsichtigen, ihre Getränke nach Deutschland einzuführen.

59.      Allerdings können die Unternehmen, die von der in § 9 Absatz 1 der Verpackungsverordnung genannten Möglichkeit ausgeschlossen werden, wenn die Mehrwegquote unter das festgelegte Minimum sinkt, diese Möglichkeit erneut in Anspruch nehmen, wenn die Benutzung der Mehrwegverpackungen wieder ansteigt. Wenn Zweck dieser Vorschriften die Förderung von Mehrwegflaschen ist, macht es nicht viel Sinn, wenn die Erzeuger mit Erreichen der Quote von 72 % erneut andere Flaschen verwenden, die keine Mehrwegflaschen sind, zumal wenn womöglich in der Folge davon die Mehrwegquote erneut sinkt. Mir scheint, dass die Entscheidung der Unternehmen bezüglich der Verpackungsart so weitreichend ist, dass bei einer Regelung mit diesen Merkmalen die Entscheidung der Hersteller, auf den deutschen Markt zu gehen, zusätzlich mit einem erhöhten Unsicherheitsfaktor bezüglich der Dauer der Regelung belastet wird.

60.      Zweitens sind nach Artikel 7 der Richtlinie 94/62 die Rücknahme- und Sammelsysteme ebenso wie die der Wiederverwendung und der Verwertung einschließlich der stofflichen gleichgestellt, sofern sie nur die Verfolgung der festgelegten Ziele zulassen. Es gibt somit keinen Grund, wenn man das eine System begünstigen will, die Beteiligung der Wirtschaftsteilnehmer an einem anderen zeitweilig zu verhindern, weil die festgelegte Quote nicht erreicht worden ist.

61.      Drittens wirken sich die streitigen deutschen Vorschriften, obwohl sie für inländische wie ausländische Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise gelten, insbesondere auf die Letztgenannten negativ aus. Getränkeunternehmen, die einen Teil ihrer Produktion exportieren wollen, neigen dazu, sie wegen der geringeren Kosten in Einwegverpackungen abzufüllen: Sind die Mehrwegflaschen aus Glas, ist ihr Gewicht höher, was zu einem höheren Verbrauch an Kraftstoff und einem höheren Gewicht beim Transport führt; ferner werden bei Einwegverpackungen ihre Rückführung vermieden und die Kosten um die Hälfte verringert, da die Kapazität des zurückkehrenden Fahrzeugs zur Beförderung anderer Waren genutzt werden kann; außerdem erübrigen sich auch Spülen und Sterilisieren der Flaschen. Dass es sich so verhält, zeigt sich daran, dass in der Praxis die Getränkehersteller aus anderen Mitgliedstaaten einen beträchtlich höheren Prozentsatz von Plastikverpackungen benutzen als die deutschen Hersteller. Die Kommission hat sich hierzu auf eine Untersuchung der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung vom Juni 2001 berufen, die belege, dass die deutschen Mineralwasserhersteller 1999 zu 90 % in Mehrwegverpackungen und die verbleibenden 10 % in Einwegflaschen abgefüllt hätten, während die Exporte nach Deutschland in Einweggebinden 71 % ausgemacht hätten. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens weisen darauf hin, dass im selben Jahr 90 % der eingeführten Getränke in Einweggebinden verkauft worden seien, während die einheimischen Getränke, die in dieser Aufmachung vertrieben worden seien, sich nur auf 26 % belaufen hätten.

62.      Eine weitere Überlegung scheint mir wichtig zu sein: Für den Absatz auf dem deutschen Markt müssen ausländische Getränke im Allgemeinen über eine größere Entfernung transportiert werden als inländische Getränke. Zwar bestehen Ausnahmen, weil es sicherlich Hersteller aus anderen Mitgliedstaaten gibt, die nahe der Grenze ansässig sind; auch legen einige deutsche Hersteller viele Kilometer zurück, um alle Vertriebspunkte zu erreichen, selbst wenn sie die Rückführung des Leerguts über weite Strecken vermeiden können, indem sie sich an einem Wiederverwendungssystem beteiligen und Normflaschen verwenden. Ausländischen Unternehmen zu empfehlen, auf die Verpackungen, die sie in den übrigen Ländern benutzen, zu verzichten und die für die deutschen Unternehmen zugelassenen einzusetzen, wäre wirklichkeitsfremd, zumal wenn man berücksichtigt, dass die Verpackungen in einigen Fällen Unterscheidungskraft aufweisen und ihre grafische Darstellung als Marke geschützt worden ist (23) .

63.      Im Ergebnis legen die streitigen Vorschriften bestimmte Bedingungen für den Vertrieb von Getränken in Deutschland fest, die auf bestimmten Prozentsätzen beruhen, die vom Zufall und letztlich von den Vorlieben der Verbraucher abhängig sind und die die Wirtschaftsteilnehmer nur beeinflussen können, wenn sie bereit sind, auf Einwegverpackungen zu verzichten und Mehrwegverpackungen zu benutzen. Dass zwischen 1994 und 2000 die Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten zugenommen haben, scheint mir nicht entscheidend zu sein, da die Zunahme wahrscheinlich noch größer gewesen wäre, wenn diese Regelung nicht gegolten hätte.

64.      Ebenso wenig teile ich die Ansicht, dass die §§ 8 Absatz 1 und 9 Absatz 2 der streitigen deutschen Verordnung eine bloße Verkaufsmodalität darstellen, auch wenn sie ohne Unterschied für im Inland abgefüllte und für eingeführte Getränke gelten. In seinem Urteil Keck und Mithouard (24) hat der Gerichtshof zwischen den Vorschriften über die Eigenschaften der Erzeugnisse und denen über Verkaufsmodalitäten unterschieden, um die Vorschriften zu bestimmen, die zwar Inländer und Ausländer in gleicher Weise betreffen, aber zu Beschränkungen führen, die diese Vorschriften zu nach Artikel 28 EG verbotenen Maßnahmen gleicher Wirkung machen können.

In dieser Entscheidung hat er die Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften über Eigenschaften usw. entsprechen müssen, selbst dann als solche verbotenen Maßnahmen angesehen, wenn diese unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, sofern sich ihre Anwendung nicht durch einen Zweck rechtfertigen lässt, der im Allgemeininteresse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht25 –Urteile vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Rewe-Zentral, Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649) und vom 24. November 1993 (Keck und Mithouard, zitiert in Fußnote 24, Randnr. 15)..

65.      Er hat ferner entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung erklärt, dass nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville (26) unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist laut diesem Urteil die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 28 EG.

66.      Seit diesem Urteil ist bei der Entscheidung, ob Artikel 28 EG auf eine unterschiedslos für inländische wie für eingeführte Erzeugnisse geltende Regelung anwendbar ist, zu unterscheiden zwischen den Vorschriften über Eigenschaften, die die Waren aufweisen müssen, wie etwa hinsichtlich ihrer Bezeichnung, ihrer Form, ihrer Abmessungen, ihres Gewichts, ihrer Zusammensetzung, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung, und solchen Vorschriften, die ihre Verkaufsmodalitäten regeln sollen.

67.      Seit der Verkündung des Urteils Keck und Mithouard (27) im Jahr 1993, in dem der Gerichtshof das Verbot des Weiterverkaufs zu Verlustpreisen in Frankreich untersucht hat, hat er als Verkaufsmodalitäten beispielsweise anerkannt: das Verbot der Werbung außerhalb der Apotheke für apothekenübliche Waren aufgrund einer Standesregel einer Standesorganisation (28) ; die Regelung der Öffnungs- und Schließungszeiten für Ladengeschäfte (29) ; die Pflicht zur Schließung von Einzelhandelsgeschäften an Sonntagen (30) ; das Verbot des Vertriebes verarbeiteter Milch für Säuglinge außerhalb von Apotheken (31) ; ein Vertriebssystem, das den Einzelhandel mit Tabakwaren staatlich zugelassenen Verkaufsstellen vorbehält (32) ; der Ausschluss des Sektors Vertrieb von der Fernsehwerbung (33) ; das Verbot des Verkaufs mit einer äußerst geringen Gewinnspanne (34) ; das völlige Verbot der Fernsehwerbung, die an Kinder unter 12 Jahren gerichtet oder irreführend ist (35) ; das Verbot der an Verbraucher gerichteten Werbeanzeigen von Erzeugern und Einführern alkoholischer Getränke (36) sowie eine Regelung, die das Feilbieten im Umherziehen in einem bestimmten Verwaltungsgebiet den Wirtschaftsteilnehmern vorbehält, die dort diese Waren auch in einer ortsfesten Betriebsstätte feilhalten (37) .

68.      Angesichts dieser Beispiele lässt sich schwerlich behaupten, dass die deutschen Vorschriften eine bloße Verkaufsmodalität darstellen, da der Druck, den sie auf die Erzeuger ausüben, unmittelbar mit der Verpackungsart zusammenhängt, in der die Ware vermarktet wird, und damit zu den Maßnahmen gehört, die sich auf die Eigenschaften der Produkte beziehen.

69.      Aus den dargelegten Gründen bin ich der Meinung, dass die Regelung der §§ 8 Absatz 1 und 9 Absatz 2 der Verpackungsverordnung eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellt, die gemäß Artikel 28 EG untersagt ist.

3. Der Umweltschutz in Deutschland als Rechtfertigung der streitigen Regelung

70.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann eine nationale Regelung, die den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigt, aus Gründen des Umweltschutzes, wie sie die deutsche Regierung anführt, gerechtfertigt sein (38) . In diesem Fall muss sie aber im Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen, und diese dürfen nicht mit Mitteln erreicht werden können, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränken (39) .

71.      Ich bin nicht davon überzeugt, dass es zum Schutz der Umwelt notwendig ist, dass die Unternehmen jedes Mal, wenn der Prozentsatz von Mehrwegverpackungen im Inland unter 72 % sinkt, die Möglichkeit verlieren, sich durch Beteiligung an einem System der Verpackungs- und Verpackungsabfallwirtschaft von der Pflicht zur Pfanderhebung zu befreien, sofern auch in ihrem Tätigkeitsbereich die Mehrwegquote den Stand von 1991 nicht erreicht.

72.      Erstens steht nicht fest, weshalb der Satz von 72 % der im Inland umlaufenden Mehrwegverpackungen unter ökologischem Blickwinkel dem von 60 %, 70 % oder 80 % vorzuziehen sein sollte, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich kann auch nicht erkennen, welche Gründe des Umweltschutzes dafür sprächen, die 1991 erreichten Ergebnisse für die Zukunft festzuschreiben und Kriterien für eine Anpassung an das Verhalten und die Vorlieben der Wirtschaftsteilnehmer und der Verbraucher nicht zuzulassen. In der Tat haben die Hersteller, die Mineralwasser in Einwegverpackungen abfüllen, in einem flächendeckenden Bewirtschaftungssystem einen geringen Spielraum, um sich von der Pflicht zur Pfanderhebung zu befreien, wenn 1991 die Quote der Einweg‑Mineralwasserflaschen 91,33 % betrug. Gleiches gilt für die Bierbrauer mit einer Grenze von 82,16 % und für die Hersteller von kohlesäurehaltigen Erfrischungsgetränken mit einer Quote von 73,72 %, da gerade ausländische Unternehmen sich überwiegend dieser Verpackungsart bedienen.

Bekanntlich hat der Gerichtshof in seinem Urteil Kommission/Dänemark40 –Zitiert in Fußnote 38, Randnr. 21. entschieden, dass eine Beschränkung der Menge der Erzeugnisse, die von Importeuren in den Handel gebracht werden dürfen, außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht. In diesem Fall gestatteten die dänischen Vorschriften den Erzeugern den Verkauf von jährlich höchstens 3 000 hl Bier und Erfrischungsgetränken in nicht normierten Verpackungen, sofern diese wiederverwendbar waren und ein Pfand je Einheit erhoben wurde.

73.      Zweitens, wenn es wirklich darum geht, Verpackungsabfälle, wenn auch nur mittelbar, zu verhindern und dadurch die Mehrwegverpackungen zu fördern, gibt es meines Erachtens keinen Grund, die Möglichkeit der Befreiung von der Pfandpflicht für Einwegflaschen wieder aufleben zu lassen, wenn die Quote von 72 % erneut erreicht wird. Mit der Pfanderhebung lässt sich gewiss eine viel höhere Erfolgsquote bei der Rückgabe von Leergut durch den Verbraucher erzielen, der sich überdies bald in die Entrichtung eines Pfandes fügen wird. Funktioniert dieses System erst einmal, was nicht leicht erscheint, dann frage ich mich, welche Vorteile eine Umkehr haben sollte, die aller Voraussicht nach zu einem Rückgang der Benutzung von Mehrwegverpackungen und damit zu einem Ziehharmonikaeffekt führt, der geeignet ist, die Gewohnheiten von Verbrauchern, Herstellern und Vertreibern zu destabilisieren, ganz zu schweigen von dem Rückschritt, den dies für die Bewirtschaftung von Verpackungsabfällen und die Erhaltung des Landschaftsbildes bedeutet.

74.      Drittens scheint die deutsche Regierung in ihrem Bestreben, Mehrwegflaschen zu fördern, um die Umwelt vor den Folgen der stofflichen Verwertung und anderer Formen der Verwertung von Einwegverpackungsabfällen zu bewahren, andere Faktoren (wie Säuberung und Sterilisierung von Mehrwegverpackungen, Kraftstoffverbrauch, Emissionen in die Atmosphäre und Abnutzung der Verkehrswege, wenn die Transportstrecke eine bestimmte Anzahl von Kilometern überschreitet, mit der unvermeidbaren Zunahme der Verkehrsdichte und des Unfallrisikos) außer Acht zu lassen, die bei einer Abwägung ein Gegengewicht zu den angeblichen ökologischen Vorteilen bilden, so dass die Einwegverpackungen unter Umweltgesichtspunkten eine interessante Alternative bieten könnten.

75.      Viertens haben die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 7 der Richtlinie 94/62 für die Einrichtung von Systemen für die Rücknahme oder Sammlung von Verpackungen sowie die Wiederverwendung oder Verwertung zu sorgen, an denen sich alle betroffenen Marktteilnehmer beteiligen können und die auch für Importprodukte gelten, die dabei keine Benachteiligung erfahren, und so beschaffen sein müssen, dass gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Wenn erst die Sammelsysteme in einem Staat funktionsfähig sind, ist es meines Erachtens nicht gerechtfertigt, dass dieser den Wettbewerb bestimmter Wirtschaftsteilnehmer zeitweilig unterbindet, weil seine Bürger ihre Gewohnheiten beim Getränkekonsum geändert haben und Getränke lieber in Einwegflaschen kaufen, und dass er dies so lange tut, bis sich eine Umkehr dieser Tendenz zeigt. Dies ist eine Beschränkung des freien Warenverkehrs, die nicht im angemessenen Verhältnis zu den geringen Vorteilen steht, die sie für den Schutz der Umwelt bietet. Meines Erachtens bietet die Richtlinie 94/62 ausreichende Mechanismen, die es den deutschen Behörden gestatten, diesen Schutz durch hinreichend dauerhafte Vorschriften sicherzustellen, die es den Exportunternehmen erleichtern, mittel- und langfristig die für den Vertrieb ihrer Getränke in diesem Land richtige Art der Verpackung zu planen.

Wenn die Behörden daher eine generelle Pfanderhebungspflicht für alle nicht wiederverwendbaren Verpackungen beschließen, stimme ich der Kommission zu, dass eine ausreichende Zahl von Stellen für ihre Rücknahme und die Rückzahlung des Pfandes vorgesehen werden muss. Anderenfalls bestünde, da die eingeführten Getränke größtenteils in Einwegverpackungen verkauft werden, die Gefahr der Schaffung von Handelshindernissen, zu denen sich Wettbewerbsverzerrungen gesellen würden, wenn zugleich die Mehrwegflaschen, die vom Großteil der inländischen Hersteller verwendet werden, unter günstigeren Bedingungen zurückgegeben werden können. Ebenso wenig sachgerecht wäre die Einrichtung vieler geschlossener Pfandsysteme mit jeweils eigenen Anforderungen, die nicht das gesamte Staatsgebiet erfassten, weil sich der Marktzugang für ausländische Hersteller und die Importeure abgefüllter Getränke schwieriger gestalten würde, ganz zu schweigen davon, dass den kleinen und mittleren Unternehmen aus den übrigen Mitgliedstaaten die Mittel fehlen dürften, um ihre Verpackungen diesen Bedingungen anzupassen.

76.      Schließlich ist die Erhebung von Pfand auf Einwegverpackungen wohl kein geeignetes Mittel, um die Verwendung von Mehrwegverpackungen zu fördern. Mit Sicherheit wird damit erreicht, dass der Käufer oder irgendein anderer Betroffener das Leergut zurückgibt, um den entrichteten Pfandbetrag zurückzuerhalten, was nicht wenig ist, doch wird sich der Verbraucher, weil er sowohl für die einen als auch für die anderen Verpackungen bezahlen muss, gewöhnlich für das entscheiden, was für ihn bequemer ist, und nicht notwendig für das, was weniger umweltschädlich ist.

77.      Daraus folgt, dass sich die streitige deutsche Regelung nicht auf den Schutz der Umwelt als zwingendes Erfordernis, das die Anwendung des Artikels 28 EG beschränken könnte, stützen kann, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet.

78.      Mithin ist Artikel 28 EG dahin auszulegen, dass er einem Mitgliedstaat untersagt, Regelungen zu treffen, wonach bei Unterschreitung eines landesweiten Mehrweganteils von insgesamt 72 % die Wirtschaftsteilnehmer in den Bereichen, in denen der Mehrweganteil unter dem des Jahres 1991 liegt, die Möglichkeit verlieren, sich durch Teilnahme an einem flächendeckenden System der Verpackungs- und Verpackungsabfallwirtschaft von den Verpflichtungen zur Erhebung eines Pfandes auf Einwegflaschen, zur Rücknahme gegen Erstattung des Pfandes und zur Verwertung zu befreien.

X – Ergebnis

79.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Verwaltungsgericht Stuttgart vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.
Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle beschränkt sich darauf, der Vermeidung von Verpackungsabfall den Vorrang einzuräumen, und bevorzugt nicht die Mehrwegverpackungen, so dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf diese Bestimmung stützen kann, um die Wiederverwendung von Getränkeverpackungen über die stoffliche Verwertung und die anderen Formen der Verwertung zu stellen.

2.
Artikel 18 der Richtlinie 94/62 kann nicht herangezogen werden, um die Wirkungen zu überprüfen, die die Anwendung von Vorschriften wie der §§ 8 Absatz 1 und 9 Absatz 2 der deutschen Verpackungsverordnung auf den freien Warenverkehr haben könnte.

3.
Artikel 7 der Richtlinie 94/62 gewährt Herstellern und Vertreibern von Getränken in Einwegverpackungen keinen Anspruch auf die Teilnahme an einem bereits eingerichteten Rücknahme- und Bewirtschaftungssystem, wenn die nationalen Behörden es durch ein Pfandsystem zur Sicherstellung der Rücknahme leerer Verpackungen ersetzen, um dadurch die getrennte Verwertung zu verbessern und das wilde Ablagern von Abfällen einzudämmen.

4.
Artikel 28 EG untersagt es einem Mitgliedstaat, Regelungen zu treffen, wonach bei Unterschreitung eines landesweiten Mehrweganteils von insgesamt 72 % die Wirtschaftsteilnehmer in den Bereichen, in denen der Mehrweganteil unter dem des Jahres 1991 liegt, die Möglichkeit verlieren, sich durch Teilnahme an einem flächendeckenden System der Verpackungs- und Verpackungsabfallwirtschaft von den Verpflichtungen zur Erhebung eines Pfandes auf Einwegflaschen, zur Rücknahme gegen Erstattung des Pfandes und zur Verwertung zu befreien.


1
Originalsprache: Spanisch.


2
Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. L 365, S. 10). Sie ist in wichtigen Punkten durch die Richtlinie 2004/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 (ABl. L 47, S. 26) geändert worden, die aber die in dieser Rechtssache auszulegenden Vorschriften nicht berühren.


3
BGBl. I, S. 2379.


4
BGBl. I, S. 1234. Diese Verordnung enthielt ähnliche Vorschriften über die Pfandpflicht für Einweg-Getränkeverpackungen.


5
Nach den von den Klägerinnen in ihren Schriftsätzen im Ausgangsverfahren mitgeteilten Angaben betrug der als Referenz genommene Anteil wiederverwendbarer Verpackungen in diesem Jahr je Getränkeart: 91,33 % bei Mineralwasser, 34,56 % bei kohlensäurefreien und 73,62 % bei kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken, 82,16 % bei Bier sowie 28,63 % bei Wein.


6
Bescheid vom 22. Dezember 1992.


7
Das Land Baden-Württemberg. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Bundesländer für die Durchführung der Verpackungsverordnung zuständig.


8
In dem Hintergrundpapier „Ökobilanz Getränkeverpackungen für alkoholfreie Getränke und Weine II, Phase 2“ habe das Umweltbundesamt festgestellt, dass unter Berücksichtigung der entscheidenden Indikatoren der Beanspruchung der natürlichen Ressourcen, des Treibhauseffekts und der Versauerung die Einwegverpackungen aus Glas und Blechdosen größere Probleme mit sich brächten als die Mehrwegsysteme.


9
Griechenland, Irland und Portugal konnten aufgrund ihrer besonderen Situation niedrigere Zielvorgaben festlegen.


10
Diese Zielvorgaben sind in der Richtlinie 2004/12/EG niedergelegt. Dort ist vorgesehen, dass spätestens am 31. Dezember 2007 Parlament und Rat auf Vorschlag der Kommission die Vorgaben für die dritte Stufe von ebenfalls fünf Jahren von 2009 bis 2014 festlegen, was sich alle fünf Jahre wiederholen wird.


11
Es ist mir nicht bekannt, ob Deutschland zu diesen Ländern zählt.


12
Nach den vorgetragenen Zahlen führt der Kauf einer Bierdose zu einem Pfand von 25 Cents; wird das gleiche Getränk in einer Mehrwegverpackung gekauft, sind nur 8 Cents zu zahlen.


13
Nach Beendigung des schriftlichen Verfahrens hat der Gerichtshof die Kommission um Erläuterungen hierzu ersucht. In ihrer Antwort, die am 16. Januar 2004 in das Register eingetragen wurde, hat diese dargelegt, dass gemäß Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 94/62 eine Umstellung vom alten auf ein neues System erst durchgeführt werden könne, wenn das Letztgenannte funktionsfähig sei.


14
Vom 13. September 2001 (Slg. 2002, I-6943). Vgl. die Nrn. 18 bis 41. Das Verfahren ist durch Klagerücknahme beendet worden.


15
Urteile vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94 (Hedley Lomas, Slg. 1996, I‑2553, Randnr. 18) und vom 12. November 1998 in der Rechtssache C‑102/96 (Kommission/Deutschland, Slg. 1998, I‑6871, Randnrn. 21 und 22).


16
In ihren schriftlichen Erklärungen verweist sie auf die Nrn. 15 bis 21 ihrer Klagebeantwortung und die Nrn. 9 bis 11 ihrer Gegenerwiderung in der Rechtssache C-463/01 (Kommission/Deutschland).


17
Urteil vom 13. Dezember 2001 in der Rechtssache C-324/99 (Daimler Chrysler, Slg. 2001, I-9897).


18
Verordnung des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30, S. 1).


19
Urteil vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C-322/01 (Deutscher Apothekerverband e. V., Slg. 2003, I‑0000).


20
Urteile vom 12. Oktober 1993 in der Rechtssache C-37/92 (Vanacker und Lesage, Slg. 1993, I-4947, Randnr. 9) und Daimler Chrysler (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 32).


21
Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144, S. 19).


22
Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem EG-Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen.


23
Vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 2004 in der Rechtssache C‑218/01 (Henkel, Slg. 2004, I-0000). Am 28. Januar 2004 hat das Gericht erster Instanz sein Urteil in den verbundenen Rechtssachen T‑146/02 bis T‑153/02 (Deutsche SiSi-Werke/HABM, Slg. 2004, II‑0000) erlassen, in denen es um die Weigerung ging, die Gestaltung einer Getränkeverpackung als Standbeutel als dreidimensionale Marke einzutragen.


24
Urteil vom 24. November 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-267/91 und C‑268/91 (Slg. 1993, I-6097). Vgl. López Escudero, M: „La jurisprudencia sobre la prohibición de las medidas de efecto equivalente tras la sentencia Keck y Mithouard“, Gaceta Jurídica de la C.E. y de la Competencia, D‑28, S. 47 bis 94.


25
Urteile vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Rewe-Zentral, Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649) und vom 24. November 1993 (Keck und Mithouard, zitiert in Fußnote 24, Randnr. 15).


26
Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74 (Dassonville, Slg. 1974, 837).


27
Zitiert in Fußnote 24.


28
Urteil vom 15. Dezember 1993 in der Rechtssache C-292/92 (Hünermund u. a., Slg. 1993, I‑6787).


29
Urteil vom 2. Juni 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-401/92 und C-402/92 (Tankstation 't Heukske und Boermans, Slg. 1994, I-2199).


30
Urteil vom 2. Juni 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-69/93 und C-258/93 (Punto Casa und PPV, Slg. 1994, I‑2355).


31
Urteil vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache C-391/92 (Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I‑1621).


32
Urteil vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-387/93 (Banchero, Slg. 1995, I‑4663).


33
Urteil vom 9. Februar 1995 in der Rechtssache C-412/93 (Leclerc-siplec, Slg. 1995, I‑179).


34
Urteil vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-63/94 (Belgapom, Slg. 1995, I‑2467).


35
Urteil vom 9. Juli 1997 in den verbundenen Rechtssachen C-34/95 bis C‑36/95 (De Agostini und Tv-shop, Slg. 1997, I-3843).


36
Urteil vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-405/98 (Gourmet Inernational Products, Slg. 2001, I-1795).


37
Urteil vom 13. Januar 2000 in der Rechtssache C-254/98 (TK-Heimdienst, Slg. 2000, I‑151).


38
Urteile vom 7. Februar 1985 in der Rechtssache 240/83 (Association de défense des brûleurs d’huiles usagées, Slg. 1985, 531) und vom 20. September 1998 in der Rechtssache 302/86 (Kommission/Dänemark, Slg. 1998, 4607, Randnr. 9).


39
Urteile vom 9, Juli 1997 in den verbundenen Rechtssachen C‑34/95 bis C‑36/95 (De Agostini und TV Shop, zitiert in Fußnote 35, Randnr. 45), vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-189/95 (Franzén, Slg. 1997, I-5909, Randnr. 75) und vom 14. Juli 1998 in der Rechtssache C-389/96 (Aher-Waggon, Slg. 1998, I-4483, Randnrn. 18 bis 20).


40
Zitiert in Fußnote 38, Randnr. 21.

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