Conclusions
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANTONIO TIZZANO
vom 22. Mai 2003(1)
Verbundene Rechtssachen C-2/01 P und C-3/01 P
Bundesverband der Arzneimittel-Importeure eV
und
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
unterstützt durch
Königreich Schweden
und
European Association of Euro Pharmaceutical Companies
gegen
Bayer AG
und
European Federation of Pharmaceutical Industries' Associations
„Rechtsmittel gegen ein Urteil des Gerichts erster Instanz – Parallelimporte von Arzneimitteln – Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG] – Begriff der Vereinbarung – Nachweis einer Vereinbarung“
I ─ Sachverhalt und Verfahren |
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Die angefochtene Entscheidung |
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Verfahren vor dem Gericht erster Instanz und angefochtenes Urteil |
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Verfahren vor dem Gerichtshof |
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Rechtsmittelgründe, die die Tatsachenfeststellungen betreffen |
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i) Unvollständige Berücksichtigung der Tatsachen hinsichtlich der von der Klägerin angeblich durchgeführten Kontrollen des
Endbestimmungslandes der gelieferten Erzeugnisse
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ii) Verfälschung oder mangelnde Berücksichtigung der Beweismittel betreffend die Absicht der Großhändler, die Klägerin in
dem Glauben zu lassen, sie würden künftig nur noch für den Bedarf ihres nationalen Marktes bestellen
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Auf Rechtsfragen beruhende Rechtsmittelgründe: allgemeine Überlegungen |
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ii) Die Urteile AEG, Ford und Bayerische Motorenwerke |
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Gesonderte Prüfung der einzelnen auf Rechtsfragen beruhenden Rechtsmittelgründe |
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i) Zum Bestehen eines Kontroll- und Sanktionssystems als Voraussetzung für die Feststellung des Vorliegens einer Vereinbarung
über ein Ausfuhrverbot
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ii) Zu einer weiteren Voraussetzung eines Ausfuhrverbots: Der Hersteller muss ein bestimmtes Verhalten der Vertriebsunternehmen
fordern oder sich darum bemühen, dass diese sich seiner Politik der Verhinderung von Paralleleinfuhren anschließen
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iv) Zur fehlenden Übereinstimmung zwischen erklärtem und tatsächlichem Willen der Großhändler |
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v) Zu der nur scheinbar einseitigen Natur der von Bayer getroffenen Maßnahmen |
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1.
Gegenstand der vorliegenden Rechtssachen ist ein Rechtsmittel, das der Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e.V. (im
Folgenden: BAI) und die Kommission gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 26. Oktober 2000 in der Rechtssache T-41/96
(Bayer/Kommission; im Folgenden: das angefochtene Urteil)
(2)
eingelegt haben, mit dem die Entscheidung 96/478/EG der Kommission vom 1. Januar 1996 „in einem Verfahren nach Artikel 85
EG-Vertrag“ (im Folgenden: „die angefochtene Entscheidung“)
(3)
für nichtig erklärt wurde.
I ─ Sachverhalt und Verfahren Sachverhalt
2.
Das angefochtene Urteil fasst den Sachverhalt wie folgt zusammen:
- „1.
- Die klagende Bayer AG ist die Muttergesellschaft eines der größten europäischen Chemie- und Pharmakonzerne; sie ist in allen
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft mit nationalen Tochtergesellschaften vertreten. Sie erzeugt und vermarktet seit vielen Jahren
unter dem Warenzeichen ‚Adalat‘ oder ‚Adalate‘ eine Arzneimittelreihe mit dem Wirkstoff Nifedipin, die zur Behandlung kardiovaskulärer
Erkrankungen dient.
- 2.
- Der Preis von Adalat wird in den meisten Mitgliedstaaten direkt oder indirekt von den nationalen Gesundheitsbehörden festgesetzt.
Von 1989 bis 1993 lagen die von den spanischen und französischen Gesundheitsbehörden festgesetzten Preise um durchschnittlich
40 % unter den Preisen im Vereinigten Königreich.
- 3.
- Wegen dieser Preisunterschiede begannen Großhändler in Spanien ab 1989, Adalat in das Vereinigte Königreich auszuführen. Ab
1991 taten es ihnen Großhändler in Frankreich gleich. Nach Angaben der Klägerin sanken die Verkäufe von Adalat durch ihre
britische Tochtergesellschaft, Bayer UK, von 1989 bis 1993 aufgrund der Parallelimporte um fast die Hälfte, was für die britische
Tochtergesellschaft einen Umsatzverlust von 230 Millionen DM und für Bayer einen Ertragsverlust von 100 Millionen DM bedeutet
habe.
- 4.
- Angesichts dieser Situation änderte der Bayer-Konzern seine Lieferpolitik und begann, die immer umfangreicheren Bestellungen
der Großhändler in Spanien und Frankreich bei ihren dortigen Tochtergesellschaften nicht mehr in vollem Umfang zu erfüllen.
Diese Änderung erfolgte für Bestellungen bei Bayer Spanien im Jahr 1989 und für Bestellungen bei Bayer Frankreich im vierten
Quartal 1991.“
Die angefochtene Entscheidung
3.
Aufgrund von Beschwerden einiger betroffener Großhändler leitete die Kommission ein Verwaltungsverfahren zur Untersuchung
etwaiger Verstöße gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG)
(4)
ein. Bei Abschluss der Untersuchung erließ sie die angefochtene Entscheidung, mit der sie
- –
- einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag feststellte, der in dem „Verbot [bestehe], die Erzeugnisse ADALATE und
ADALATE 20 mg LP aus Frankreich und die Erzeugnisse ADALAT und ADALAT RETARD aus Spanien nach anderen Mitgliedstaaten zu exportieren,
das im Rahmen der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen seit 1991 zwischen Bayer Frankreich und seinen Großhändlern und seit
mindestens 1989 zwischen Bayer Spanien und seinen Großhändlern vereinbart ist“ (Artikel 1);
- –
- Bayer verpflichtete, den festgestellten Verstoß abzustellen und insbesondere: a) „binnen zweier Monate nach der Bekanntgabe
dieser Entscheidung ihren Großhändlern in Frankreich und in Spanien ein Rundschreiben des Inhalts [zuzustellen], dass Ausfuhren
nach anderen Mitgliedstaaten gestattet sind und keinerlei Sanktionen nach sich ziehen“, b) „diese Klarstellung binnen zweier
Monate nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung in die allgemeinen Verkaufsbedingungen für Frankreich und Spanien [aufzunehmen]“
(Artikel 2);
- –
- gegen Bayer eine Geldbuße in Höhe von 3 000 000 ECU verhängte (Artikel 3).
4.
In den Begründungserwägungen der Entscheidung versuchte die Kommission namentlich nachzuweisen: i) dass Bayer Frankreich und
Bayer Spanien mit ihren Großhändlern eine Vereinbarung getroffen hätten, die ein Exportverbot vorgesehen habe (Nrn. 156 bis
188); ii) dass diese Vereinbarung eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt und bewirkt habe (Nrn. 189 bis 197); iii) dass
dies zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geführt habe (Nr. 198).
5.
Was insbesondere den ersten Aspekt betrifft, so bemühte sich die Kommission um den Nachweis einer Vereinbarung im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, indem sie geltend machte, aus den ihr vorliegenden Unterlagen gehe hervor, zum einen, dass
Bayer Frankreich und Bayer Spanien den Großhändlern ein Exportverbot auferlegt hätten (Nrn. 156 bis 170), zum anderen, dass
die Auferlegung dieses Verbots kein rein einseitiges Verhalten dargestellt habe, da es Bestandteil der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen
zwischen den beiden Gesellschaften des Bayer-Konzerns und deren Kunden gewesen sei (Nrn. 171 bis 185).
6.
Dass den Großhändlern ein Exportverbot auferlegt worden sei, entnimmt die Kommission wiederum zwei „zusätzlichen Faktoren“:
zum einen dem von Bayer Frankreich und Bayer Spanien ausgearbeiteten System der Identifizierung der exportierenden Großhändler,
zum anderen den mengenmäßigen Verringerungen der Lieferungen dieser Firmen, soweit die Großhändler die gelieferten Waren ganz
oder teilweise exportierten.
7.
Was diese Verringerungen betrifft, so führte die Kommission insbesondere aus, aus den ihr vorliegenden Unterlagen gehe hervor,
„dass die Lieferung der von Bayer Frankreich und von Bayer Spanien genehmigten Mengen von der Einhaltung eines Exportverbots
abhängig ist. Die Reduzierung der Liefermengen von Bayer Frankreich und Bayer Spanien erfolgt je nachdem, wie sich die Großhändler
gegenüber diesem Exportverbot verhalten. Verstoßen die Großhändler gegen das Exportverbot, so führt das für sie zu einer weiteren
automatischen Reduzierung der Liefermengen“
(5)
. Nach Prüfung der maßgebenden Unterlagen zog die Kommission daher den Schluss, dass die „Verhaltensweisen von Bayer Frankreich
und Bayer Spanien ... darauf [hinweisen], dass diese ihren Großhändlern ständig mit einer Reduzierung der Liefermengen gedroht
haben; diese Drohung ist wiederholt wahr gemacht worden, wenn die Großhändler sich nicht an das Exportverbot gehalten haben.“
(6)
8.
Nachdem die Kommission das von Bayer Frankreich und Bayer Spanien verhängte Exportverbot festgestellt hatte, um nachzuweisen,
dass es Bestandteil der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen mit den Großhändlern gewesen sei (und sich somit nicht als rein
einseitiges Verhalten dargestellt habe), bemerkte sie, dass
- –
- „die regelmäßigen und regelmäßig erneuerten Bestellungen der Großhändler belegen, dass die Geschäftsbeziehungen betreffend
das Erzeugnis ADALAT kontinuierlich und permanent sind“
(7)
;
- –
- „Bayer Spanien und Bayer Frankreich ... in den Verkaufsverträgen mit ihren jeweiligen Großhändlern, soweit deren Exporttätigkeit
bekannt war, ein systematisches, einheitliches Exportverbot durchgesetzt [haben]“
(8)
;
- –
- „die Großhändler ... ein Verhalten gezeigt [haben], das eine konkludente Einwilligung in das Exportverbot darstellt“
(9)
.
9.
Diese konkludente Einwilligung wurde insbesondere aus dem Verhalten der Großhändler abgeleitet, das beweise, „dass sie nicht
nur verstanden haben, dass ein Exportverbot für die gelieferten Waren galt, sondern darüber hinaus, dass sie ihr Verhalten
an dieses Verbot anpassen.“
(10)
Hierzu stellte die Kommission klar, dass „die Großhändler ...verschiedene Systeme [verwenden], um beliefert zu werden, insbesondere
das System der Aufteilung der Bestellungen für die Ausfuhr auf die verschiedenen Vertretungen ... sowie die an andere ‚nicht
kontrollierte‘ Großhändler weitergegebenen Bestellungen ...; sie haben sich bei der Gestaltung ihrer Bestellungen an die Forderung
von Bayer Frankreich und Bayer Spanien angepasst, der zufolge die Ausfuhr des Erzeugnisses untersagt war. Der Form nach haben
die Großhändler bei Bayer Frankreich bzw. Bayer Spanien nur noch für die Deckung ihres inländischen Bedarfs bestellt. Sobald
die letzteren dieses Verfahren durchschaut hatten, haben die Großhändler begonnen, die ihnen auferlegten nationalen ‚Quoten‘
einzuhalten. Durch Verhandeln haben sie jedoch versucht, diese ‚Quoten‘ so weit wie möglich zu erhöhen, wobei sie sich der
von Bayer Frankreich und Bayer Spanien gemachten Vorgabe unterworfen und sich strikt an die für die Versorgung der nationalen
Märkte als normal angesehenen Zahlen gehalten haben.“
(11)
Der Kommission zufolge „[beweist] diese Haltung ..., dass die Großhändler die eigentlichen Motive von Bayer Frankreich und
Bayer Spanien sowie die von diesen Gesellschaften eingeführten Mechanismen, mit denen Parallelexporten gegengesteuert werden
sollte, kannten. Sie passen sich an das von ihrem Vertragspartner eingeführte System an, um dessen Anforderungen einzuhalten.
Dieses Verhalten macht somit deutlich, dass sie das Exportverbot im Rahmen der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen zwischen
Bayer Frankreich und Bayer Spanien und deren Großhändlern akzeptierten.“
(12)
Verfahren vor dem Gericht erster Instanz und angefochtenes Urteil
10.
Mit am 22. März 1996 in das Register des Gerichts eingetragener Klageschrift beantragte die Klägerin die Nichtigerklärung
der Entscheidung der Kommission.
11.
Am 1. August 1996 beantragte der BAI (ein deutscher Verband von Arzneimittel-Importeuren) seine Zulassung als Streithelfer
zur Unterstützung der Anträge der Kommission. Am 26. August 1996 beantragte die European Federation of Pharmaceutical Industries’
Associations (ein europäischer Verband, der die Interessen von sechzehn auf dem Arzneimittelsektor tätigen nationalen Berufsverbänden
vertritt; im Folgenden: EFPIA) ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin. Mit Beschlüssen
vom 8. November 1996 gab der Präsident der Fünften erweiterten Kammer des Gerichts beiden Streithilfeanträgen statt.
12.
Mit Urteil vom 26. Oktober 2000 gab das Gericht dem ersten Klagegrund – Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 – statt und
erklärte die angefochtene Entscheidung mit der Begründung für nichtig, die Kommission habe „den vorliegenden Sachverhalt falsch
beurteilt und bei seiner rechtlichen Würdigung einen Fehler begangen, indem sie eine Willensübereinstimmung zwischen Bayer
und den in der Entscheidung genannten Großhändlern als erwiesen ansah, aus der auf die Existenz einer zur Verhinderung oder
Begrenzung der Ausfuhren von Adalat aus Frankreich und Spanien in das Vereinigte Königreich dienenden Vereinbarung im Sinne
von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag geschlossen werden konnte.“
(13)
13.
Bei der Würdigung der Rüge der Klägerin gab das Gericht zunächst die Gemeinschaftsrechtsprechung zum Begriff der Vereinbarung
im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag wieder. Hierbei betonte es insbesondere, dass „eine Entscheidung eines Herstellers,
die ein einseitiges Verhalten des Unternehmens darstellt, nicht unter das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag [fällt]“
(14)
, da der dort genannte Begriff der Vereinbarung „durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei
Parteien gekennzeichnet [ist], deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt“
(15)
. Bei der Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung seien daher „die Fälle, in denen ein Unternehmen eine wirklich einseitige
Maßnahme trifft, d. h. ohne ausdrückliche oder stillschweigende Mitwirkung eines anderen Unternehmens tätig wird, von denen
zu unterscheiden, in denen nur scheinbar Einseitigkeit vorliegt. Während Erstere nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
fallen, sind Letztere als Vereinbarung zwischen Unternehmen anzusehen und können daher in den Anwendungsbereich dieses Artikels
gehören. Dies ist u. a. bei wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen und Maßnahmen der Fall, die vom Hersteller scheinbar
einseitig im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu Wiederverkäufern getroffen werden, jedoch deren zumindest stillschweigende
Zustimmung finden“
(16)
.
14.
Anschließend ging das Gericht zur Beurteilung der Anwendbarkeit von Artikel 85 Nr. 1 auf den vorliegenden Fall über und bemerkte,
dass „die Klägerin [einräumt], dass sie eine einseitige Politik zur Verringerung der Parallelimporte eingeführt hat“. „Sie
bestreitet jedoch, ein Ausfuhrverbot vorgesehen und durchgesetzt zu haben. Insoweit behauptet sie, mit den Großhändlern nie
gesprochen, geschweige denn eine Vereinbarung geschlossen zu haben, um sie an der Ausfuhr der gelieferten Mengen zu hindern
oder diese zu begrenzen. Ferner trägt sie vor, die Großhändler hätten sich ihrer einseitigen Politik nicht angeschlossen und
dies auch nie beabsichtigt“
(17)
. Angesichts dieser Einwendungen der Klägerin stellte das Gericht fest, es sei „zur Klärung der Frage, ob die Kommission das
Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen den Parteien über die Begrenzung der Parallelimporte rechtlich hinreichend
nachgewiesen hat, zu prüfen, ob die Kommission – wie die Klägerin geltend macht – den jeweiligen Willen von Bayer und den
Großhändlern falsch bewertet hat“
(18)
.
15.
Ausgehend von dem „angeblichen Willen der Klägerin, ein Ausfuhrverbot aufzuerlegen“ und in Anschluss an eine gründliche Prüfung
der in der Entscheidung angeführten Unterlagen gelangte das Gericht zu dem Schluss, die Kommission habe „weder rechtlich hinreichend
nachgewiesen, dass Bayer Frankreich und Bayer Spanien ihren jeweiligen Großhändlern ein Ausfuhrverbot auferlegt haben, noch
dass sie eine systematische Kontrolle des tatsächlichen Endbestimmungslandes der nach der Einführung ihrer neuen Lieferpolitik
gelieferten Adalat-Packungen vorgenommen, exportierende Großhändler bedroht und mit Sanktionen belegt oder die Lieferungen
von Adalat von der Einhaltung des angeblichen Ausfuhrverbots abhängig gemacht hat.“ Dem Gericht zufolge „geht aus den in der
Entscheidung wiedergegebenen Unterlagen auch nicht hervor, dass die Klägerin versucht hätte, mit den Großhändlern eine Vereinbarung
über die Umsetzung ihrer auf die Verringerung der Parallelimporte gerichteten Politik zu erzielen.“
(19)
16.
Was alsdann den „angeblichen Willen der Großhändler, sich der auf die Verringerung der Parallelimporte gerichteten Politik
der Klägerin anzuschließen“, angeht, so betonte das Gericht vor allem, dass
- –
- wie bereits ausgeführt, „die Kommission ...weder rechtlich hinreichend nachgewiesen [hat], dass Bayer eine Politik systematischer
Überwachung des Endbestimmungslandes der gelieferten Adalat-Packungen vorgenommen oder die sie exportierenden Großhändler
bedroht und mit Sanktionen belegt hat, noch dass Bayer Frankreich und Bayer Spanien ihren jeweiligen Großhändlern ein Ausfuhrverbot
auferlegt haben oder dass die Lieferungen von der Einhaltung des angeblichen Ausfuhrverbots abhängig gemacht wurden“
(20)
;
- –
- es in den Akten „keinen Anhaltspunkt dafür [gibt], dass Bayer Frankreich oder Bayer Spanien von den Großhändlern irgendein
Verhalten in Bezug auf das Endbestimmungsland der gelieferten Adalat-Packungen gefordert oder eine bestimmte Form der Auftragserteilung
vorgeschrieben hätten; ihre Politik bestand nur darin, durch vorherige Festlegung der zu liefernden Mengen anhand des herkömmlichen
Bedarfs die Lieferungen einseitig zu begrenzen“
(21)
;
- –
- „die Kommission nicht nachgewiesen [hat], dass die Klägerin versucht hat, für die Umsetzung ihrer Politik das Einverständnis
oder die Zustimmung der Großhändler zu erlangen. Sie hat nicht einmal vorgetragen, dass Bayer von den Großhändlern verlangt
habe, die Methode der Auftragserteilung zu ändern“
(22)
.
17.
Aufgrund dieser Überlegungen gelangte das Gericht zu dem Schluss, die Ausführungen der Kommission, wonach „sich die Großhändler
dem angeblichen Ausfuhrverbot angeschlossen hätten“, seien „nicht stichhaltig, da sie auf unbewiesenen tatsächlichen Angaben
beruhen“
(23)
.
18.
Nach dieser Feststellung prüfte das Gericht weiterhin, „ob die Kommission aus dem tatsächlichen Verhalten der Großhändler
nach der Einführung der neuen Politik von Lieferbeschränkungen durch die Klägerin auf eine Zustimmung der Großhändler zu dieser
Politik schließen durfte“
(24)
. Hierzu führte das Gericht nach Prüfung der in der Entscheidung angeführten Unterlagen aus:
- „151
- Aus der Prüfung der Einstellung und des tatsächlichen Verhaltens der Großhändler folgt, dass die Behauptung der Kommission,
sie hätten sich der auf die Verringerung der Parallelimporte abzielenden Politik der Klägerin angeschlossen, der Grundlage
entbehrt.
- 152
- Das Argument, die betreffenden Großhändler hätten ihre Bestellungen auf einen bestimmten Umfang herabgesetzt, um bei Bayer
den Eindruck zu erwecken, deren erklärtem Willen folgend nur den Bedarf ihres herkömmlichen Marktes zu decken, und sie seien
so vorgegangen, um Sanktionen von Bayer zu vermeiden, ist zurückzuweisen, da die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die
Klägerin von den Großhändlern ein bestimmtes Verhalten in Bezug auf das Bestimmungsland bei Ausfuhren der gelieferten Adalat-Packungen
verlangte oder mit ihnen aushandelte und dass sie die exportierenden Großhändler mit Sanktionen belegte oder ihnen damit drohte.
- 153
- Aus den gleichen Gründen kann die Kommission weder behaupten, dass Bayer die Verringerung der Bestellungen nur als Zeichen
der Erfüllung ihrer Forderungen durch die Großhändler habe auffassen können, noch geltend machen, dass sich die Großhändler,
weil sie den Forderungen der Klägerin nachgekommen seien, zusätzliche zur Ausfuhr bestimmte Mengen bei anderen Großhändlern
hätten beschaffen müssen, die in den Augen der Klägerin ‚unverdächtig‘ gewesen und deren höhere Bestellungen deshalb ohne
weiteres erfüllt worden seien.
- 154
- Aus den oben geprüften Randnummern der Entscheidung geht zudem klar hervor, dass die Großhändler weiterhin versuchten, Adalat-Packungen
für die Ausfuhr zu erlangen, und diese Aktivitäten fortsetzten, auch wenn sie es dabei für sinnvoller hielten, verschiedene
Systeme zur Belieferung zu nutzen, und zwar zum einen das System der Aufteilung der zur Ausfuhr bestimmten Bestellungen auf
verschiedene Vertretungen und zum anderen das System der indirekten Aufgabe der Bestellungen über kleinere Großhändler. Unter
diesen Umständen kann die Tatsache, dass die Großhändler ihre Bestellpolitik geändert und verschiedene Systeme zur Aufteilung
oder Diversifikation der Bestellungen durch indirekte Aufgabe eingeführt haben, weder als Beweis für ihren Willen, Bayer zufrieden
zu stellen, noch als Antwort auf ein Verlangen oder Ersuchen von Bayer verstanden werden. Diese Tatsache kann vielmehr als
Beleg für die Entschlossenheit der Großhändler angesehen werden, die Parallelexporte von Adalat fortzusetzen.
- 155
- Mangels eines Beweises dafür, dass die Klägerin von den Großhändlern ein bestimmtes Verhalten in Bezug auf Ausfuhren der gelieferten
Adalat-Packungen verlangte, ist deren angebliche Zustimmung dadurch als widerlegt anzusehen, dass sie Maßnahmen ergriffen,
um zusätzliche Mengen zu erhalten. Aus den gleichen Gründen ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, unter den Umständen
des vorliegenden Falles sei es normal, dass einige Großhändler versucht hätten, auf Umwegen zusätzliche Lieferungen zu erhalten,
da sie sich gegenüber Bayer hätten verpflichten müssen, nicht zu exportieren und folglich geringere, nicht für den Export
geeignete Mengen zu bestellen.
- 156
- Schließlich hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Großhändler die Ziele von Bayer verfolgen oder ihr dies vorspiegeln
wollten. Die vorstehend geprüften Unterlagen zeigen vielmehr, dass das Verhalten der Großhändler auf die Umgehung der neuen
Politik von Bayer abzielte, die Lieferungen auf den Umfang herkömmlicher Bestellungen zu beschränken.
- 157
- Die Kommission hat daher zu Unrecht die Ansicht vertreten, dass das tatsächliche Verhalten der Großhändler ihre Zustimmung
zu der auf die Verhinderung von Parallelimporten gerichteten Politik der Klägerin hinreichend beweise.“
19.
Anschließend ging das Gericht auf die Ausführungen der Kommission zur Gemeinschaftsrechtsprechung ein (Randnrn. 160 bis 170)
und untersuchte die von dem beklagten Organ angeführten Urteile, um nachzuweisen, dass das Organ „die vorstehende Analyse,
aus der das Gericht geschlossen hat, dass im vorliegenden Fall die Zustimmung der Großhändler zur neuen Politik von Bayer
nicht erwiesen ist und dass die Kommission folglich die Existenz einer Vereinbarung nicht dargetan hat, anhand der herangezogenen
Präjudizien nicht entkräften [kann]“
(25)
.
20.
Schließlich lehnte das Gericht die den Überlegungen der Kommission zugrunde liegende Auffassung ab, „die bloße Feststellung
der Tatsache, dass die Großhändler ihre Geschäftsbeziehungen zu Bayer nicht abgebrochen hätten, nachdem diese ihre neue Politik
zur Einschränkung der Ausfuhren betrieben habe, erlaube es ihr, das Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne
von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag als erwiesen anzusehen“
(26)
.
21.
Dabei betonte das Gericht insbesondere, dass „der Beweis für eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag ... auf der direkten oder indirekten Feststellung des subjektiven Elements beruhen [muss], das den Begriff
der Vereinbarung kennzeichnet, d. h. einer Willensübereinstimmung zwischen Wirtschaftsteilnehmern in Bezug auf die Umsetzung
einer Politik, die Verfolgung eines Zieles oder ein bestimmtes Marktverhalten, unabhängig davon, wie der Wille der Parteien,
sich auf dem Markt gemäß dieser Vereinbarung zu verhalten, zum Ausdruck kommt“. Nach Ansicht des Gerichts hat die Kommission
diesen „Begriff der Willensübereinstimmung“ verkannt, als sie die Auffassung vertrat, „dass die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen
zu einem Hersteller, wenn dieser einseitig eine neue Politik einführe, einer Zustimmung der Großhändler zu dieser Politik
gleichkomme, auch wenn ihr tatsächliches Verhalten dieser Politik eindeutig widerspreche“
(27)
.
22.
Ferner betonte das Gericht gegenüber der Auffassung der Kommission, Artikel 85 Absatz 1 ziele „nicht auf die generelle ‚Beseitigung‘
der Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel [ab]; [sein] Ziel [sei] enger gefasst, denn [er] verbiete nur Hindernisse
für den Wettbewerb, die aufgrund einer Willensübereinstimmung von mindestens zwei Parteien geschaffen wurden“
(28)
. Auf dieser Grundlage gelangte das Gericht zu dem Schluss, ein Hersteller könne, „sofern er keine beherrschende Stellung
missbraucht und keine Willensübereinstimmung mit seinen Großhändlern besteht, ... die Lieferpolitik verfolgen, die er für
erforderlich hält, selbst wenn die Umsetzung dieser Politik aufgrund ihrer natürlichen Zielsetzung – wie insbesondere Parallelimporte
zu erschweren – zu Wettbewerbsbeschränkungen führen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann“
(29)
.
23.
Im Licht dieser Überlegungen erklärte das Gericht daher die Entscheidung für nichtig, ohne die hilfsweise vorgebrachten Klagegründe
zu prüfen, nämlich: unrichtige Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag; Rechtmäßigkeit der umstrittenen Verhaltensweisen
nach Artikel 47 der Akte über den Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften; irrige Anwendung von Artikel 15 der
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962
(30)
.
Verfahren vor dem Gerichtshof
24.
Mit am 5. Januar 2001 eingelegten Rechtsmitteln beantragen der BAI (Rechtssache C-2/01 P) und die Kommission (Rechtssache
C-3/01 P), der Gerichtshof möge das Urteil des Gerichts aufheben und die Klage abweisen, hilfsweise die Rechtssache an das
Gericht zurückverweisen. Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 28. März 2001 wurden beide Rechtssachen für
die Zwecke des schriftlichen und des mündlichen Verfahrens sowie des Urteils miteinander verbunden.
25.
Mit Schriftsätzen vom 9. bzw. 23. April 2001 haben die European Association of European Pharmaceutical Companies (ein europäischer
Verband, der die Interessen der im Handel mit pharmazeutischen Erzeugnissen tätigen Gesellschaften vertritt; im Folgenden:
EAEPC) und das Königreich Schweden ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerinnen
beantragt
(31)
. Den Anträgen wurde mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofes vom 25. Juni 2001 (Königreich Schweden) bzw. vom 26.
September 2001 (EAEPC) stattgegeben.
26.
Die Klägerin und die EFPIA haben im Laufe des Verfahrens vor dem Gerichtshof eine Rechtsmittelbeantwortung nach Artikel 115
der Verfahrensordnung eingereicht, mit der sie die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragen.
II ─ Rechtliche Prüfung Einleitung
27.
Zur Stützung seines Rechtsmittels macht der BAI drei Gründe geltend. Er rügt eine unvollständige Berücksichtigung der Tatsachen,
auf denen die Entscheidung gründet, eine Verletzung der Regeln über die Beweislast und einen Rechtsirrtum hinsichtlich der
rechtlichen Kriterien für die Feststellung, ob eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag vorliegt.
28.
Die Kommission beanstandet vor allem ganz allgemein die einschränkende Sichtweise, mit der das Gericht in dem angefochtenen
Urteil vorgegangen sei, und weist auf die schwer wiegenden Folgen hin, die hieraus für ihre Bemühungen zur Bekämpfung der
sich aus der Abschottung der nationalen Märkte ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen resultierten. Anschließend trägt sie fünf
Rechtsmittelgründe vor, die sich im Wesentlichen gegen eine zu enge Auslegung des Begriffs der Vereinbarung im Sinne von Artikel
85 EG-Vertrag wenden, und rügt einen Rechtsirrtum bei der Anwendung dieser Bestimmung sowie eine Verfälschung der Beweismittel.
29.
Aus Gründen der Systematik und der Klarheit der Darstellung sollten zunächst diejenigen Rechtsmittelgründe geprüft werden,
die auch die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts betreffen, damit die Rechtsfragen aufgrund feststehender Tatsachen
beurteilt werden können.
Rechtsmittelgründe, die die Tatsachenfeststellungen betreffen
30.
Sowohl der BAI als auch die Kommission beanstanden die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und rügen: i) die
unvollständige Berücksichtigung der Tatsachen hinsichtlich der von der Klägerin angeblich durchgeführten Kontrollen des Endbestimmungslandes
der gelieferten Erzeugnisse; ii) die Entstellung oder Nichtberücksichtigung der Beweismittel, die sich auf den Willen der
Großhändler beziehen, Bayer vorzuspiegeln, sie würden künftig nur noch für den Bedarf ihres nationalen Marktes bestellen.
31.
Die Klägerin und die EFPIA bestreiten die Zulässigkeit dieser Rechtsmittelgründe und machen geltend, die Rechtsmittelführer
könnten vor dem Gerichtshof nicht die Tatsachenwürdigungen in Zweifel ziehen, die das Gericht im erstinstanzlichen Verfahren
vorgenommen habe.
32.
Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass nach den Artikeln 225 EG und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes die gegen Urteile
des Gerichts eingelegten Rechtsmittel „auf Rechtsfragen beschränkt“ sind. Hieraus folgt nach ständiger Rechtsprechung, dass
„für die Feststellung der Tatsachen ─ sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass die Feststellungen tatsächlich falsch
sind ─ und für ihre Würdigung ... allein das Gericht zuständig [ist]. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt,
ist der Gerichtshof gemäß Artikel 168a EG-Vertrag zu einer Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung und der rechtlichen Folgen
befugt, die das Gericht aus ihnen abgeleitet hat ... Der Gerichtshof ist daher weder für die Feststellung der Tatsachen zuständig
noch grundsätzlich befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht diese Feststellung gestützt hat. Sofern diese Beweise
nämlich ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren
eingehalten worden sind, ist es allein Sache des Gerichts, den Beweiswert der ihm vorgelegten Beweismittel zu würdigen ...
Diese Würdigung ist daher, sofern diese Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle
des Gerichtshofes unterliegt ...“
(32)
33.
Nur in den engen durch diese gefestigte Rechtsprechung gezogenen Grenzen können daher die beiden sich auf die Tatsachenfeststellungen
des Gerichts beziehenden Rechtsmittelgründe vom Gerichtshof geprüft werden.
i) Unvollständige Berücksichtigung der Tatsachen hinsichtlich der von der Klägerin angeblich durchgeführten Kontrollen des
Endbestimmungslandes der gelieferten Erzeugnisse
34.
Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund beanstandet der BAI die Feststellung des Gerichts, die Kommission habe nicht nachgewiesen,
„dass Bayer eine systematische Kontrolle des tatsächlichen Endbestimmungslandes der nach der Einführung ihrer neuen Lieferpolitik
gelieferten Adalat-Packungen vorgenommen“ habe
(33)
. Diese Beurteilung beruhe in Wahrheit auf einer unvollständigen Berücksichtigung des Sachverhalts, da zwei der in der Entscheidung
genannten Unterlagen zu entnehmen sei, dass es Bayer in einigen Fällen gelungen sei, die spanischen Großhändler über die in
England aufgefundenen Seriennummern der Warenposten ausfindig zu machen
(34)
. Im Licht dieser Unterlagen hätte man daher feststellen müssen, dass Bayer (wenn auch vielleicht nur stichprobenweise) Kontrollen
betreffend das Endbestimmungsland der gelieferten Adalatpackungen durchgeführt habe.
35.
Die Klägerin und die EFPIA halten diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig, da er darauf abziele, die vom Gericht vorgenommene
Tatsachenbewertung anzugreifen. Die Klägerin führt weiterhin aus, selbst wenn die Seriennummern es gestatten sollten, die
exportierenden Großhändler ausfindig zu machen, würde dies nicht bedeuten, dass die Kontrollen im vorliegenden Fall tatsächlich
stattgefunden hätten. Zudem bestreitet sie, dass es die Seriennummern ermöglichten, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer zu individualisieren,
da normalerweise auf den einer Mehrheit von Großhändlern gelieferten Packungen jeweils ein und dieselbe Nummer vermerkt sei.
36.
Ich halte die Unzulässigkeitseinrede für begründet. Bei genauerem Hinsehen macht der BAI nämlich nicht geltend, aus den dem
Gericht vorgelegten Akten ergebe sich die materielle Unrichtigkeit einer von diesem getroffenen Feststellung; er beanstandet
auch nicht eine etwaige Verfälschung von tatsächlichen Angaben oder von Beweismitteln. Vielmehr wendet er sich gegen die vom
Gericht vorgenommene Würdigung des Beweiswerts einiger Unterlagen, auf die sich die Kommission beruft, insbesondere die Beurteilung
der Möglichkeit, aus diesen Unterlagen zu entnehmen, dass die Klägerin eine systematische Kontrolle des Endbestimmungslandes
der den Großhändlern gelieferten Adelatpackungen vorgenommen habe. Da der Rechtsmittelführer somit eine Würdigung des Sachverhalts
durch das Gericht angreift (das den Inhalt der angeführten Unterlagen eindeutig berücksichtigt hat
(35)
), bin ich der Auffassung, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären ist.
ii) Verfälschung oder mangelnde Berücksichtigung der Beweismittel betreffend die Absicht der Großhändler, die Klägerin in
dem Glauben zu lassen, sie würden künftig nur noch für den Bedarf ihres nationalen Marktes bestellen
37.
Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund wirft die Kommission dem Gericht vor, bestimmte Beweisangebote verfälscht oder nicht berücksichtigt
zu haben. Das Gericht habe im Gegensatz zu dem, was sich offensichtlich aus den Prozessakten ergebe, festgestellt, die Absicht
der Großhändler, der Klägerin vorzuspiegeln, sie würden künftig nur noch für den Bedarf ihres heimischen Marktes bestellen,
sei nicht nachgewiesen
(36)
.
38.
Die Kommission nimmt Bezug auf die von den Großhändlern betriebene Strategie „der Aufteilung der Bestellungen für die Ausfuhr
auf die verschiedenen Vertretungen“
(37)
und bemerkt hierzu zum einen, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass die örtlichen Vertretungen im Anschluss an die
Weigerung von Bayer Frankreich, die ausdrücklich für die Ausfuhr bestimmten Bestellungen zu erfüllen, gebeten worden seien,
diskret vorzugehen
(38)
, zum anderen, das Gericht habe nicht in Betracht gezogen, dass die Aufteilung der Bestellungen auf die örtlichen Vertretungen
keinen anderen Zweck habe haben können, als die Klägerin über die eigene Exportabsicht zu täuschen. Bezüglich dieses letzten
Aspekts betont die Kommission insbesondere, aus verschiedenen in der Entscheidung genannten Schriftstücken gehe nicht nur
die Absicht der Großhändler hervor, die Klägerin zu täuschen
(39)
, sondern auch die Notwendigkeit, dies zu tun
(40)
, da sie davon ausgingen, dass sie nicht oder nur mit Schwierigkeiten wieder beliefert werden würden, wenn sie ihre Exportabsicht
durchscheinen ließen.
39.
Die Klägerin und die EFPIA entgegnen hierauf vor allem, dem Gericht könne nicht vorgeworfen werden, bestimmte Beweismittel
nicht berücksichtigt zu haben, da es in dem angefochtenen Urteil alle von der Kommission zitierten Schriftstücke mit äußerster
Gründlichkeit geprüft habe. Was die angebliche Verfälschung der Beweise angehe, so führen sie weiterhin aus, zum einen habe
das Gericht an verschiedenen Stellen des angefochtenen Urteils klar dargelegt, dass einige Großhändler einen höheren Bedarf
des heimischen Marktes als den tatsächlichen vorgespiegelt hätten
(41)
, habe also die von der Kommission genannten Beweismittel nicht verfälscht, zum anderen habe die Kommission nicht einmal versucht,
die Auswirkungen der angeblichen „Verfälschung“ auf die Lösung des Rechtsstreits nachzuweisen, sondern sich darauf beschränkt,
die Feststellung des Sachverhalts durch das Gericht in Frage zu stellen.
40.
Ich stimme der Klägerin und der EFPIA vor allem darin zu, dass das Gericht es nicht versäumt hat, die von der Kommission angeführten
Schriftstücke zu berücksichtigen, auf die es vielmehr an denjenigen Stellen des Urteils klar Bezug nimmt, die der Prüfung
der Frage gewidmet sind, „ob die Kommission aus dem tatsächlichen Verhalten der Großhändler nach der Einführung der neuen
Politik der Lieferbeschränkungen durch die Klägerin auf eine Zustimmung der Großhändler zu dieser Politik schließen durfte“
(42)
.
41.
Was alsdann die gerügte Verfälschung in diesen Unterlagen angeht, so habe ich einzuwenden, dass das Gericht nicht in Abrede
gestellt hat, dass einige Großhändler versucht haben, auf die neue Politik der Klägerin zu reagieren, die darauf abzielte,
nur diejenigen Mengen ADALAT zu liefern, die zur Deckung des heimischen Bedarfs notwendig waren. Insbesondere hat es nicht
verkannt, dass einige Großhändler auf diese Politik in der Weise reagiert haben, dass sie vorzugsweise Bestellungen aufgaben,
die es ihnen zwar gestatteten, eine gewisse Anzahl von ADALAT-Packungen für Exportzwecke anzusammeln, aber eine größere Chance
hatten, erfüllt zu werden, da die Klägerin sie als mit ihrem heimischen Bedarf in Einklang stehend ansehen würde. Mit anderen
Worten, das Gericht hat nicht verkannt, dass einige Großhändler, um die Politik der Klägerin zu umgehen, dieser vorzuspiegeln
beabsichtigten, die von ihnen aufgegebenen Bestellungen entsprächen dem Bedarf ihres heimischen Marktes. Ebenso wenig hat
es verkannt, dass sich einige Großhändler zu diesem Zweck der Mitarbeit anderer Wirtschaftsteilnehmer bedient haben, für die
es leichter war, Bestellungen aufzugeben, die Klägerin als in Einklang mit ihrem heimischen Bedarf stehend ansehen würde.
42.
Das Gericht hat im Gegenteil ausdrücklich festgestellt, dass die von einigen Großhändlern eingeschlagene Versorgungsstrategie
der „Umgehung der von Bayer eingeführten Politik der Lieferbeschränkungen“ dienen sollte
(43)
. Hierbei hat es namentlich betont, „dass die Großhändler weiterhin versuchten, Adelat-Packungen für die Ausfuhr zu erlangen,
und diese Aktivitäten fortsetzten, auch wenn sie es dabei für sinnvoller hielten, verschiedene Systeme zur Belieferung zu
nutzen, und zwar zum einen das System der Aufteilung der zur Ausfuhr bestimmten Bestellungen auf verschiedene Vertretungen
und zum anderen das System der indirekten Aufgabe der Bestellungen über kleine Großhändler“
(44)
.
43.
Daher lässt sich meines Erachtens dem Gericht nicht vorwerfen, den Inhalt der von der Kommission angeführten Unterlagen verfälscht
zu haben, denen lediglich das Bestreben einiger Großhändler zu entnehmen ist, Bestellungen von Adelat in einem Umfang aufzugeben,
von dem die Klägerin würde annehmen können, dass er in Einklang mit ihrem heimischen Bedarf stehe. Hieraus folgt, dass der
vorliegende Rechtsmittelgrund meiner Meinung nach unbegründet ist.
44.
Hinzuzufügen ist, dass dieser Grund teilweise auch für unzulässig erklärt werden müsste, weil er über die angebliche Verfälschung
der in Rede stehenden Unterlagen hinaus auch darauf abzielt, die Beurteilung ihres Beweiswerts durch das Gericht in Zweifel
zu ziehen und auf diese Weise die in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Würdigung des Sachverhalts erneut zur Diskussion
stellt. Der vorliegende Rechtsmittelgrund müsste mit anderen Worten deshalb teilweise für unzulässig erklärt werden, weil
die Kommission mit ihm auch die Auffassung des Gerichts darüber beanstandet, ob die in Rede stehenden Unterlagen geeignet
waren, zu beweisen, dass die Großhändler sich mit einem von der Klägerin angeblich auferlegten Exportverbot einverstanden
erklärt (oder den Eindruck erwecken wollten, sie seien einverstanden) und sich verpflichtet hatten, lediglich die für die
Deckung ihres heimischen Bedarfs unbedingt notwendigen Erzeugnisse zu bestellen.
Auf Rechtsfragen beruhende Rechtsmittelgründe: allgemeine Überlegungen
45.
Nach (negativem) Abschluss der Prüfung der sich auf Tatsachenfeststellungen beziehenden Rechtsmittelgründe können nunmehr
diejenigen Rügen in Angriff genommen werden, mit denen angebliche Rechtsirrtümer des Gerichts geltend gemacht werden, die
aber – es ist nützlich, dies zu wiederholen –n können.
46.
Vorab ist zu bemerken, dass ein großer Teil dieser Rügen – mehr oder weniger direkt, mehr oder weniger klar – ein wichtiges
und heikles Problem der Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag aufwirft, nämlich des der Auslegung des dort verwendeten
Begriffes der Vereinbarung. Es handelt sich ganz wesentlich darum, ob das Gericht die in Rede stehende Vorschrift zu eng ausgelegt
hat, indem es bei einem Sachverhalt wie dem hier zu prüfenden eine „Vereinbarung“ über ein Exportverbot verneinte.
47.
Es stellt sich, genauer gesagt, das Problem, ob eine „Vereinbarung“ über ein Exportverbot als zustande gekommen angesehen
werden kann, wenn
- –
- ein Hersteller, um Parallelimporte zu verhindern oder zu beschränken, ein besonderes Kontingentierungssystem für Verkäufe
einführt, aufgrund dessen er den Großhändlern einiger Länder das betreffende Erzeugnis nur in dem Umfang liefert, den er für
die Versorgung ihres herkömmlichen heimischen Marktes für erforderlich hält, ohne jedoch diese Großhändler in irgendeiner
Weise aufzufordern, nicht zu exportieren; von ihnen irgendein Verhalten im Hinblick auf das Endbestimmungsland der gelieferten
Erzeugnisse zu fordern; die Einhaltung bestimmter Modalitäten bei der Bestellung zu verlangen; systematische Kontrollen des
Endbestimmungslandes der gelieferten Erzeugnisse durchzuführen; Sanktionen gegen die exportierenden Großhändler zu verhängen
oder anzudrohen; die Lieferung der Erzeugnisse von der Einhaltung eines Exportverbots abhängig zu machen oder irgendeine Vereinbarung
mit den Großhändlern über die Durchführung seiner Politik zur Reduzierung der Paralleleinfuhren anzustreben;
- –
- zwischen den Großhändlern und dem Hersteller seit langer Zeit fortlaufende Geschäftsbeziehungen bestehen, die jedoch nicht
durch einen Vertriebsvertrag geregelt sind, sondern ihren Ausdruck in einer Reihe von Kaufverträgen über die von Fall zu Fall
bestellten Mengen des Erzeugnisses finden;
- –
- die Großhändler nach der Einführung des oben beschriebenen Systems der Kontingentierung der Verkäufe, dessen Zielsetzung sie
kennen, sich weiterhin bei dem betreffenden Erzeuger eindecken und mit ihm von Fall zu Fall über die zu beziehenden Mengen
des Erzeugnisses verhandeln;
- –
- die Großhändler, um weiterhin exportieren zu können, das vom Hersteller eingeführte Kontingentierungssystem zu umgehen versuchen
und sich bemühen, möglichst große Mengen des Erzeugnisses zu erhalten.
48.
Obwohl diese Frage der Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag natürlich mit dem vorliegenden Sachverhalt zusammenhängt
(wobei ich mich an die Darstellung des Gerichts halte), ist sie von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung für die Anwendung
dieser Bestimmung auf die Beziehungen zwischen Erzeugern und Händlern. Im Einzelnen betrachtet bringt das angefochtene Urteil
nach Ansicht der Kommission unter Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung die Gefahr mit sich, dass die Kriterien für
den Nachweis von auf Exportverbote bezogenen Vereinbarungen übermäßig eng definiert würden), so dass die auf die Bekämpfung
derjenigen Wettbewerbsbeschränkungen, die sich aus der Behinderung von Paralleleinfuhren ergäben, gerichtete Politik der Kommission
in Frage gestellt werde. Um die praktische Bedeutung der Frage zu unterstreichen, trägt die Kommission im Übrigen vor, dass
eine Reihe von Herstellern (nicht nur auf dem pharmazeutischen Sektor) bereits das von der Klägerin eingeführte System der
Kontingentierung der Verkäufe nachzuahmen beginne, um die nationalen Märkte ungestraft abschotten zu können.
49.
Bevor ich im Einzelnen auf die verschiedenen diesbezüglichen Rügen der Rechtsmittelführer eingehe, erscheint mir somit eine
umfassende Untersuchung der oben genannten Grundfrage zu dem Zweck angezeigt, allgemein die vom Gericht vorgenommene Auslegung
im Licht der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zu würdigen. Ich werde mich daher im Folgenden mit der Frage befassen,
ob, wie dies die Rechtsmittelführer behaupten, die Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 durch das Gericht in Widerspruch zu derjenigen
steht, die der Gerichtshof gegeben hat i) in seinem Urteil Sandoz, wo es um ein Exportverbot ging, das der Hersteller im Rahmen
fortlaufender Geschäftsbeziehungen mit den Großhändlern verhängt hatte
(45)
; ii) in seinen Urteilen in den Rechtssachen AEG
(46)
, Ford
(47)
und Bayerische Motorenwerke
(48)
, wo es sich um besondere Maßnahmen der Hersteller im Rahmen eines selektiven Vertriebs handelte
(49)
.
i) Das Urteil Sandoz
50.
BAI und Kommission, insoweit von der EAEPC unterstützt, machen in erster Linie geltend, die vom Gericht vorgenommene Auslegung
von Artikel 85 Absatz 1 stehe in Widerspruch zum Urteil Sandoz, nach dem eine Vereinbarung im Sinne dieser Bestimmung bereits
dann vorliege, wenn ein Hersteller im Rahmen fortlaufender Geschäftsbeziehungen mit den Großhändlern ein Exportverbot verhänge,
ohne dass es auf das tatsächliche Verhalten der Letzteren ankomme, und auch dann gegeben sei, wenn der Hersteller keine Kontrollen
durchführe und keine Sanktionen verhänge.
51.
Die Rechtsmittelführer betonen, der Gerichtshof habe in jenem Fall klargestellt, dass die regelmäßige Versendung von Rechnungen
mit dem Aufdruck „Ausfuhr verboten“ an die Kunden kein „einseitiges Verhalten“ der Firma Sandoz PF
(50)
dargestellt habe, da sie sich „in den allgemeinen Zusammenhang der Geschäftsbeziehungen des Unternehmens mit seiner Kundschaft“
eingefügt habe
(51)
. Insbesondere habe das Urteil betont, dass die „wiederholten Bestellungen, denen Zahlungen folgten, ohne dass der Kunde den
in den mit dem Aufdruck ‚Ausfuhr verboten‘ versehenen Rechnungen angegebenen Preis beanstandet hätte, eine stillschweigende
Zustimmung zu den in der Rechnung enthaltenen Klauseln und zu der Art der Handelsbeziehungen darstellten, die dem Geschäftsverhältnis
zwischen Sandoz PF und seiner Kundschaft zugrunde lagen. Das vorherige Einverständnis von Sandoz PF gründete daher auf der
stillschweigenden Zustimmung der Kunden zu der von der Gesellschaft ihnen gegenüber eingenommenen Haltung“
(52)
. Auf dieser Grundlage habe der Gerichtshof daher festgestellt, dass „die Kommission berechtigt war, anzunehmen, dass die
Gesamtheit der fortlaufend unterhaltenen Geschäftsbeziehungen zwischen Sandoz PF und ihren Kunden, deren integrierender Bestandteil
die Klausel ‚Ausfuhr verboten‘ war, durch eine im Voraus festgelegte, die zahllosen individuellen Bestellungen der Erzeugnisse
von Sandoz betreffende allgemeine Vereinbarung geregelt war“
(53)
.
52.
Auf dieser Grundlage gelangen die Rechtsmittelführer zu dem Schluss, das Gericht habe angesichts der Tatsache, dass die Großhändler
die auf Verhinderung oder Einschränkung von Parallelimporten gerichtete Politik der Klägerin gekannt hätten und dass diese
Politik Bestandteil der fortlaufenden Geschäftbeziehungen zwischen der Klägerin und den Großhändlern gewesen sei, angesichts
des Urteils Sandoz im gegenwärtigen Fall eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 nicht verneinen dürfen.
53.
Ganz anderer Auffassung sind dagegen die Klägerin und die EFPIA. Ihrer Ansicht nach steht die Auslegung von Artikel 85 Absatz
1 durch das Gericht nämlich der vom Gerichtshof im Urteil Sandoz vorgenommenen Auslegung nicht entgegen, da die den beiden
Rechtsstreitigkeiten zugrunde liegenden Sachverhalte eindeutig verschieden seien, weil im Fall Sandoz eine schriftliche Vereinbarung
über ein Exportverbot vorgelegen habe.
54.
Was die Unterschiede zwischen dem Fall Sandoz und dem vorliegenden Fall angeht, so berufen sich diese Parteien aber auch auf
die Wertung des Gerichts in Randnummer 163 seines Urteils, wo es heißt:
„Die beiden Rechtssachen ähneln sich zwar darin, dass sie das Verhalten pharmazeutischer Konzerne betreffen, die Parallelimporte
von Arzneimitteln verhindern wollen, doch die sie kennzeichnenden konkreten Umstände weichen stark voneinander ab. Erstens
hatte der Hersteller in der Rechtssache Sandoz im Gegensatz zum vorliegenden Fall in alle seine Rechnungen ausdrücklich eine
wettbewerbsbeschränkende Klausel aufgenommen, die, da sie immer wieder in den Schriftstücken aller Geschäftsvorgänge auftauchte,
Bestandteil der vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und seinen Großhändlern war. Zweitens zeigte deren tatsächliches Verhalten
in Bezug auf die Klausel, in die sie sich de facto widerspruchslos fügten, dass sie ihr und der Art der zugrunde liegenden
Geschäftsbeziehungen stillschweigend zustimmten. Der Sachverhalt des vorliegenden Falles weist dagegen keinen der beiden Hauptumstände
der Rechtssache Sandoz auf; es gibt weder eine förmliche Ausfuhrverbotsklausel noch deren formale oder tatsächliche Hinnahme
oder Billigung.“
55.
Auch ich bin der Auffassung, dass die unterschiedlichen Lösungen, zu denen der Gerichtshof im Urteil Sandoz und das Gericht
in dem angefochtenen Urteil gelangt sind, durch die unterschiedlichen Sachverhalte gerechtfertigt sind, wenn auch nicht genau
aus den von der Klägerin und der EFPIA vorgetragenen Gründen.
56.
Anders als diese Parteien glaube ich nämlich nicht, dass im Fall Sandoz eine schriftliche Vereinbarung über ein Exportverbot
geschlossen wurde, wie sich im Übrigen klar daraus ergibt, dass die Großhändler ihre Zustimmung nur „stillschweigend“ erklärt
hatten. Ebenso wenig scheint es mir von Bedeutung zu sein, dass Sandoz ihren Willen betreffend das Exportverbot schriftlich
geäußert hatte, da es bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 bekanntlich nicht auf die Form ankommt, in der die Parteien
ihren Willen ausdrücken
(54)
.
57.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Fall Sandoz und dem vorliegenden Fall ist dagegen meines Erachtens darin zu erblicken,
dass Sandoz die Rechnungen mit dem Vermerk „Ausfuhr verboten“ versah und damit ihren Willen in Bezug auf das Verhalten geäußert
hat, das die Großhändler hinsichtlich des Endbestimmungslandes der gelieferten Erzeugnisse an den Tag legen sollten. Mit diesem
Vermerk hat Sandoz von den Großhändlern eindeutig verlangt (oder ihnen auferlegt), die gelieferten Erzeugnisse nicht auszuführen
und somit mit ihr zur Erreichung des Zieles zusammenzuarbeiten, Paralleleinfuhren auszuschalten oder einzuschränken.
58.
Im vorliegenden Fall geht dagegen aus dem erstinstanzlichen Urteil hervor, zum einen dass „es in den Akten keinen Anhaltspunkt
dafür [gibt], dass Bayer Frankreich und Bayer Spanien von den Großhändlern irgendein Verhalten in Bezug auf das Endbestimmungsland
der gelieferten Adelat-Packungen gefordert oder eine bestimmte Form der Auftragserteilung vorgeschrieben hätten; ihre Politik
bestand nur darin, durch vorherige Feststellung der zu liefernden Mengen anhand des herkömmlichen Bedarfs die Lieferungen
einseitig zu begrenzen“, zum anderen dass „die Kommission nicht nachgewiesen [hat], dass die Klägerin versucht hat, für die
Umsetzung ihrer Politik das Einverständnis oder die Zustimmung der Großhändler zu erlangen“
(55)
.
59.
Zwischen beiden Fällen besteht somit ein offensichtlicher Unterschied, der hauptsächlich darin liegt, dass sich Sandoz um
die Mitarbeit der Großhändler bemüht hat, um die Paralleleinfuhren auszuschalten oder einzuschränken (natürlich weil diese
Mitarbeit für die Erreichung des angestrebten Ziels unerlässlich war), die Klägerin aber von den Großhändlern kein bestimmtes
Verhalten in Bezug auf das Endbestimmungsland der gelieferten Erzeugnisse gefordert oder beansprucht, sondern eine Strategie
entwickelt hat, die es ihr gestattete, die Ausschaltung oder Einschränkung der Paralleleinfuhren selbständig zu erreichen,
ohne dass es der Mitarbeit der Großhändler bedurft hätte.
60.
Dieser Aspekt scheint mir hier ausschlaggebend. Der Gerichtshof konnte lediglich anhand der Forderung von Sandoz, nicht zu
exportieren (oder des in diesem Sinne auferlegten Zwangs) in der Tatsache, dass sich die Großhändler weiterhin regelmäßig
und ohne Protest bei diesem Hersteller eindeckten, eine Form der „stillschweigenden Zustimmung“ erblicken, denn ein Vorschlag
oder eine Forderung – die in jedem Fall, sei es auch stillschweigend, zum Ausdruck hätte kommen müssen – ist meiner Meinung
nach stets erforderlich, damit eine im Wege der stillschweigenden Zustimmung zustande gekommene Vereinbarung angenommen werden
kann.
61.
Da schon das Urteil Sandoz den Begriff der Vereinbarung sehr weit ausgelegt hat, glaube ich nicht, dass man noch weiter gehen
darf, bis man schließlich an den Punkt gelangt, in dem das Vorliegen einer Vereinbarung bereits dann angenommen wird, wenn
die Großhändler weiterhin bei einem Hersteller beziehen, der, ohne irgendetwas von ihnen zu verlangen, ihnen die Möglichkeit
einer Ausfuhr zu verwehren versucht. Ginge man so vor, so käme man schließlich zu dem absurden Ergebnis, dass eine derartige
Vereinbarung auch durch die stillschweigende Zustimmung zu einem Vorschlag zustande kommen könnte, der niemals (nicht einmal
stillschweigend) gemacht wurde!
62.
Daher bin ich der Auffassung, dass die Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag durch das Gericht nicht in Gegensatz zu
derjenigen steht, die der Gerichtshof im Urteil Sandoz vorgenommen hat.
ii) Die Urteile AEG, Ford und Bayerische Motorenwerke
63.
Zufolge dem BAI und der Kommission, die insoweit vom Königreich Schweden und der EAEPC unterstützt werden, widerspricht das
angefochtene Urteil nicht nur dem Urteil Sandoz, sondern auch einer Reihe von Entscheidungen des Gerichtshofes, die scheinbar
einseitige Maßnahmen von Erzeugern im Bereich spezieller selektiver Vertriebssysteme als „Vereinbarungen“ im Sinne von Artikel
85 Absatz 1 angesehen hätten. Im Einzelnen beziehen sich diese Parteien auf:
- –
- das Urteil AEG, in dem der Gerichtshof die Handlung eines Herstellers als Vereinbarung angesehen habe, der „in der Absicht,
ein hohes Preisniveau aufrechtzuerhalten oder bestimmte moderne Vertriebsarten auszuschließen, Händlern, die den qualitativen
Anforderungen der Vertriebsbindung genügen, die Zulassung verweigert“
(56)
;
- –
- das Urteil Ford, das als Vereinbarung die Entscheidung eines Automobilherstellers angesehen habe, den deutschen Vertragshändlern
keine Fahrzeuge mit Rechtslenkung (RL-Fahrzeuge) zu liefern, um sie an Ausfuhren auf den britischen Markt zu hindern;
- –
- das Urteil Bayerische Motorenwerke, das die an die eigenen Vertragshändler gerichtete Aufforderung eines Kraftfahrzeugherstellers,
„nur dann ... an herstellerunabhängige Leasinggesellschaften [zu] liefern, wenn [die] Fahrzeuge Leasingnehmern zur Verfügung
gestellt werden, die ihren Sitz im Vertragsgebiet des betreffenden Händlers haben“
(57)
.
64.
Auch in diesen Fällen, so der BAI und die Kommission, habe der Gerichtshof entschieden, es lägen schon deshalb Vereinbarungen
im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 vor, weil sich das Verhalten der Hersteller „in die vertraglichen Beziehungen [einfügt],
die das Unternehmen mit seinen Wiederverkäufern unterhält“
(58)
, und „im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen erfolgt, die einer im Voraus getroffenen allgemeinen Vereinbarung unterliegen“
(59)
, ohne dass er dem tatsächlichen Verhalten der Wiederverkäufer und der Frage, ob die Erzeuger Kontroll- und Sanktionssysteme
eingeführt hätten, irgendeine Bedeutung beigemessen habe.
65.
Im Licht dieser Rechtsprechung hätte das Gericht, so meinen diese Parteien, daher anerkennen müssen, dass im vorliegenden
Fall eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 geschlossen worden sei, da festgestellt worden sei, dass die auf Verhinderung
oder Einschränkung der Paralleleinfuhren zielende Politik der Klägerin sich in die mit den Großhändlern unterhaltenen fortlaufenden
Geschäftsbeziehungen gewesen sei. Hierzu bemerken die Rechtsmittelführer weiter, die engen Beziehungen zwischen der Klägerin
und ihren Großhändlern glichen denjenigen, die innerhalb eines selektiven Vertriebssystems herrschten, denn zum einen habe
die Klägerin nur auf diejenigen Großhändler zurückgreifen können, die ihren gesetzlichen Verpflichtungen hinsichtlich des
Verkaufs der Arzneimittel nachgekommen seien, zum anderen hätten sich die Großhändler bei der Klägerin eindecken müssen, um
die nationalen Vorschriften einzuhalten, die ihnen auferlegt hätten, ständig einen angemessenen Vorrat an Arzneimitteln bereit
zu halten.
66.
Die Klägerin und die EFPIA sind dagegen der Auffassung, die von den Rechtsmittelführern angeführten Urteile seien vorliegend
nicht von Bedeutung, da sie sich auf Maßnahmen bezögen, die die Hersteller im Rahmen selektiver Vertriebssysteme getroffen
hätten. Während nämlich in jenen Fällen die Beziehungen zwischen Erzeugern und Großhändlern durch einen entsprechenden Vertrag
über den selektiven Vertrieb geregelt gewesen seien, in den sich die scheinbar einseitigen Maßnahmen der Erzeuger eingefügt
hätten, habe im vorliegenden Fall kein Vertriebsvertrag zwischen der Klägerin und den Großhändlern bestanden; die Beziehungen
zwischen beiden Teilen hätten sich vielmehr ausschließlich durch den Abschluss von Kaufverträgen über die von Fall zu Fall
bestellten Warenmengen konkretisiert. Die gesetzlichen Verpflichtungen, denen die Großhändler unterworfen seien, hätten nichts
mit einem zwischen Hersteller und Großhändlern abgeschlossenen selektiven Vertriebsvertrag zu tun.
67.
Auch ich bin der Meinung, dass die Urteile AEG, Ford und Bayerische Motorenwerke die These der Rechtsmittelführer nicht zu
stützen vermögen, da sie meines Erachtens eine ganz andere Bedeutung haben, als ihnen der BAI und die Kommission beizulegen
versuchen.
68.
Meines Erachten hat der Gerichtshof in diesen Urteilen nicht entschieden, dass die vom Hersteller getroffenen Maßnahmen selbst
schon Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 seien, nur weil sie sich in die mit den Wiederverkäufern fortlaufend
unterhaltenen Geschäftsbeziehungen einfügten. Sieht man genauer hin, so hat er nämlich nicht dazu Stellung genommen, ob die
von den Herstellern getroffenen Maßnahmen für sich allein Vereinbarungen darstellten, sondern vielmehr erwogen, ob diese Maßnahmen
im Verhältnis zu den Abreden, die die selektiven Vertriebssysteme eingeführt und geregelt hatten, als selbständig und getrennt,
und somit „einseitig“, anzusehen waren, oder ob sie vielmehr von diesen Abreden umfasst wurden und im Kern einen wesentlichen
Bestandteil von ihnen bildeten. Die vom Gerichtshof vorgenommene Analyse zielte mit anderen Worten nicht auf die Feststellung
ab, ob das Ergreifen der in Rede stehenden Maßnahmen dem Abschluss von Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 gleichzustellen
war, sondern schlicht darauf, ob diese Maßnahmen in Betracht gezogen werden mussten, um beurteilen zu können, ob die selektiven
Vertriebsverträge, so wie sie von den Beteiligten konkret angewandt wurden, mit den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften vereinbar
waren. Bedenkt man nämlich, dass nach der Gemeinschaftsrechtsprechung die den selektiven Vertriebssystemen innewohnenden Wettbewerbsbeschränkungen
nur unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein können, so ging es in jenen Fällen um die Feststellung, ob die Vereinbarungen,
die derartige Systeme einführten, so wie sie von den Beteiligten gehandhabt wurden, die durch die Rechtsprechung aufgezeigten
Voraussetzungen erfüllten
(60)
.
69.
Dies alles tritt besonders deutlich in den Fällen AEG und Ford hervor, in denen es gerade darum ging, zu ermitteln, ob die
Kommission sich auf das Verhalten des Herstellers bei der Durchführung einer selektiven Vertriebsvereinbarung stützen konnte,
um festzustellen, dass
diese Vereinbarung, so wie sie tatsächlich praktiziert wurde, gegen Artikel 85 Absatz 1 verstieß (Urteil AEG), oder dass sie, „so wie sie [vom
Hersteller] angewandt wurde“, nicht nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag freigestellt werden konnte (Urteil Ford)
(61)
. Dass die Frage in dieser Weise gestellt worden war, hat der Gerichtshof im Übrigen ausdrücklich im Urteil Ford hervorgehoben,
in dem festgestellt wird, dass „die Klägerinnen und die Kommission ... darin [übereinstimmen], dass das durch die vorliegenden
Klagen aufgeworfene Hauptproblem darin bestehe, ob die Kommission eine Freistellung des Haupthändler-Vertrages der Ford-AG
[d. h. des selektiven Vertriebsvertrages] deshalb habe verweigern dürfen, weil dieses Unternehmen seinen deutschen Händlern
keine RL-Fahrzeuge [Fahrzeuge mit Rechtslenkung] mehr geliefert habe“
(62)
.
70.
Im Hinblick auf diese Frage hat der Gerichtshof also klargestellt, dass das Verhalten oder die Entscheidung des Herstellers
„keine einseitige Handlung des Unternehmens [darstellt]“, also eine im Verhältnis zu den selektiven Vertriebsverträgen selbständige
und getrennte Handlung, sondern „sich vielmehr in die vertraglichen Beziehungen [einfügt], die das Unternehmen mit seinen
Wiederverkäufern unterhält“
(63)
. Hierzu hat er namentlich hervorgehoben, dass die in Rede stehenden Maßnahmen in gewissem Sinne in den Vereinbarungen vorgesehen
waren, die die selektiven Vertriebssysteme eingeführt und geregelt hatten, mit der Folge, dass die Wiederverkäufer, die derartige
Vereinbarungen abschlossen, praktisch ihr Einverständnis damit erklärt hatten, sich den Maßnahmen zu unterwerfen, die die
Hersteller treffen würden.
71.
Im Urteil AEG hat der Gerichtshof betont, „im Fall der Aufnahme eines Händlers in die Vertriebsbindung [gründe] sich die Zulassung
darauf, dass die Vertragsparteien die von AEG verfolgte Politik, nach der unter anderem Händler, die die Zulassungsbedingungen
erfüllen, aber nicht bereit sind, dieser Politik zuzustimmen, vom Händlernetz ausgeschlossen werden, ausdrücklich oder stillschweigend
akzeptieren“. Dem Gerichtshof zufolge ist „deshalb ... davon auszugehen, dass selbst die Entscheidungen, durch die eine Zulassung
abgelehnt wird, Handlungen sind, die zu den vertraglichen Beziehungen mit den zugelassenen Händlern gehören, da sie bezwecken,
die Einhaltung der wettbewerbsbeschränkenden Abreden, die die Grundlage der Verträge zwischen den Herstellern und den zugelassenen
Händlern bilden, zu gewährleisten“
(64)
.
72.
Unter dem gleichen Blickwinkel hat der Gerichtshof im Urteil Ford ausgeführt, „dass Vereinbarungen, die ein selektives Vertriebssystem
darstellen und die wie im vorliegenden Fall die Erhaltung eines Fachhandels bezwecken, der in der Lage ist, spezifizierte
Leistungen für hochtechnisierte Erzeugnisse zu erbringen, in der Regel geschlossen werden, um den Vertrieb dieser Erzeugnisse
für eine bestimmte Anzahl von Jahren zu regeln. Da die technische Entwicklung für einen derartigen Zeitraum nicht immer vorhersehbar
ist, müssen diese Vereinbarungen bestimmte Gesichtspunkte notwendigerweise späteren Entscheidungen des Herstellers überlassen.
Derartige spätere Entscheidungen sind gerade ... in Anlage 1 des Haupthändler-Vertrags der Ford AG in Bezug auf die im Rahmen
dieses Vertrags zu liefernden Fahrzeugmodelle vorgesehen.“ Wie im Urteil AEG hat der Gerichtshof somit hervorgehoben, dass
„die Zulassung zum Händlernetz der Ford AG impliziert ..., dass die Vertragspartner der Politik von Ford hinsichtlich der
auf dem deutschen Markt zu liefernden Modelle zustimmen“
(65)
. Auf dieser Grundlage hat er infolgedessen abschließend festgestellt, „dass die Kommission berechtigt war, bei ihrer Prüfung
des Haupthändler-Vertrags im Hinblick auf eine eventuelle Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag die Einstellung
der Lieferung von RL-Fahrzeugen durch die Ford AG an ihre deutschen Händler zu berücksichtigen“
(66)
.
73.
Obwohl die Gedankenführung des Gerichtshofes im Urteil Bayerische Motorenwerke weniger klar ist, scheinen mir hier die gleichen
Überlegungen zugrunde zu liegen. Es ging darum, (im Wege der Vorabentscheidung) zu beurteilen, „ob Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag
so auszulegen ist, dass er es einem Kraftfahrzeughersteller, der seine Kraftfahrzeuge über ein selektives Vertriebsbindungssystem
absetzt, verwehrt, mit seinen Vertragshändlern zu vereinbaren, dass herstellerunabhängige Leasingunternehmen dann nicht mit
Kraftfahrzeugen beliefert werden, wenn diese die Fahrzeuge – ohne Einräumung einer Kaufoption – Leasingnehmern zur Verfügung
stellen, die ihren Wohnsitz oder Firmensitz außerhalb des Vertragsgebiets des betreffenden Vertragshändlers haben, oder eine
Aufforderung an die Vertragshändler zu entsprechendem Verhalten zu richten“
(67)
.
74.
Um diese Frage zu beantworten, hat der Gerichtshof auf das Urteil Ford verwiesen und betont, dass „die in dem Rundschreiben
vom 12. Februar 1988 enthaltene Aufforderung, keine herstellerunabhängigen Leasinggesellschaften zu beliefern, [sich] in die
vertraglichen Beziehungen zwischen BMW und ihren Händlern [einfügt]“, und festgestellt, dass „das Rundschreiben ausdrücklich
und wiederholt auf den Händlervertrag Bezug [nimmt]“
(68)
. Man kann also davon ausgehen, dass der Gerichtshof auch im Fall Bayerische Motorenwerke angenommen hat, das Ergreifen der
in Rede stehenden Maßnahme sei in der selektiven Vertriebsvereinbarung vorgesehen und die von dem Kraftfahrzeughersteller
getroffene Maßnahme müsse daher wie in den Fällen Ford und AEG bei der Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Vereinbarung,
so wie sie konkret praktiziert worden sei, mit den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften in Betracht gezogen werden. In diesem
Sinne ist daher meines Erachtens die Bemerkung des Gerichtshofes zu verstehen, die Aufforderung des Herstellers sei „als Vereinbarung
im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen“
(69)
.
75.
Im Gegensatz zu dem Vorbringen der Rechtsmittelführer ist daher den vorstehend geprüften Urteilen nicht zu entnehmen, dass
eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 bereits dann angenommen werden müsste, wenn ein Hersteller im Rahmen von
mit seinen Händlern fortlaufend unterhaltenen Geschäftsbeziehungen besondere Maßnahmen zur Kontingentierung der Verkäufe trifft.
Wie wir nämlich gesehen haben, stellte sich in jenen Fällen nicht das Problem des Nachweises von Vereinbarungen im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 (da ja unbestritten war, dass die selektiven Vertriebsverträge Vereinbarungen im Sinne dieser Bestimmung
darstellten), sondern es ging lediglich darum, ob die von den Herstellern getroffenen Maßnahmen in irgendeiner Weise von den
selektiven Vertriebsvereinbarungen erfasst wurden und deshalb bei der Beurteilung von deren Vereinbarkeit mit den wettbewerbsrechtlichen
Vorschriften zu berücksichtigen waren.
76.
Die von den Rechtsmittelführern angeführten Urteile können daher in einem Fall wie dem vorliegenden (in dem Hersteller und
Großhändler keinen Vertriebsvertrag geschlossen haben) nicht herangezogen werden, um geltend zu machen, der Nachweis einer
Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 könne durch die bloße Feststellung erbracht werden, dass die Maßnahmen des Herstellers
zur Verhinderung oder Einschränkung von Paralleleinfuhren sich in den Rahmen der mit den Großhändlern unterhaltenen fortlaufenden
Geschäftsbeziehungen einfügten. In Ermangelung eines Vertriebsvertrages, auf den sich die Maßnahmen des Herstellers zurückführen
ließen, könnte daher von einer sich auf diese Maßnahmen beziehenden Vereinbarung nur dann gesprochen werden, wenn ein (wie
auch immer zum Ausdruck gekommener) übereinstimmender Wille der Parteien nachgewiesen wäre.
77.
Ich glaube auch nicht, dass man zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte, wenn man die Verpflichtungen in Betracht zöge,
die den Großhändlern durch die nationalen Rechtsvorschriften über den Vertrieb von Arzneimitteln auferlegt werden, Verpflichtungen,
die – folgte man dem BAI und der Kommission – es praktisch gestatten würden, die Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren
Großhändlern denjenigen gleichzustellen, die innerhalb eines selektiven Vertriebssystems bestehen. Offensichtlich können die
den Großhändlern auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen für den Zweck der Feststellung einer Vereinbarung im Sinne von Artikel
85 Absatz 1 nicht das Fehlen eines Vertriebsvertrages wettmachen, auf den sich die Maßnahmen des Herstellers zurückführen
ließen.
78.
Nach alledem stelle ich daher fest, dass die Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag durch das Gericht auch zu derjenigen,
die der Gerichtshof in den von den Rechtsmittelführern angeführten Urteilen vorgenommen hat, nicht in Widerspruch steht.
Gesonderte Prüfung der einzelnen auf Rechtsfragen beruhenden Rechtsmittelgründe
79.
Nach diesen allgemeinen Ausführungen über die von den Rechtsmittelführern angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes kann
ich mich nunmehr einer kurzen Prüfung der einzelnen Rechtsmittelgründe zuwenden, wobei ich soweit wie möglich auf die obigen
Überlegungen verweise.
i) Zum Bestehen eines Kontroll- und Sanktionssystems als Voraussetzung für die Feststellung des Vorliegens einer Vereinbarung
über ein Ausfuhrverbot
80.
Mit ihrem ersten und dem ersten Teil, i), ihres dritten Rechtsmittelgrundes werfen die Kommission und der BAI, insoweit vom
Königreich Schweden unterstützt, dem Gericht vor, Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu eng ausgelegt zu haben, indem es zu Unrecht
angenommen habe, das Bestehen eines Kontroll- und Sanktionssystems stelle eine notwendige Voraussetzung einer Vereinbarung
über ein Ausfuhrverbot dar.
81.
Namentlich wirft die Kommission dem Gericht vor, angenommen zu haben, dass eine Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot nur dann
vorliege, wenn ein System
nachträglicher Kontrollen des tatsächlichen Endbestimmungslandes der gelieferten Erzeugnisse eingeführt werde und
Strafmaßnahmen zur Anwendung gelangten, damit sichergestellt werde, dass die Erzeugnisse nicht ausgeführt würden. Nach ihrer Auffassung ist dagegen eine
solche Vereinbarung auch dann gegeben, wenn der Hersteller bei Vorliegen von Indizien für Ausfuhren die Lieferungen
vorbeugend einschränke und
in dieser Weise die möglichen Ausfuhren rückwirkend ahnde. Mit einem derartigen System erübrige es sich nämlich, die Ausfuhren direkt zu verbieten, da ein Ausfuhrverbot im Zeitpunkt
der Bestellungen mittelbar auferlegt werde. Die Kommission betont überdies, das Gericht sei dadurch, dass es Artikel 85 Absatz
1 zu eng ausgelegt habe, vom Urteil Sandoz abgewichen, das das Vorliegen einer Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot auch bei
Fehlen von Kontrollen und Sanktionen des Herstellers angenommen habe.
82.
Entsprechende Überlegungen trägt der BAI vor, der bemerkt, zwar könne ein System von Kontrollen und Sanktionen ein Indiz für
eine Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot darstellen, es sei aber nicht gesagt, dass das Fehlen eines solchen Systems für sich
allein das Bestehen einer Vereinbarung ausschließe. Zur Stützung dieser Behauptung beruft sich der BAI insbesondere auf die
Urteile Sandoz und Ford, die bewiesen, dass ein Kontroll- und Sanktionssystem nicht erforderlich sei, um das Vorliegen einer
Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot feststellen zu können.
83.
Die Klägerin und die EFPIA halten dem zunächst entgegen, mit der vorliegenden Rüge bestritten die Rechtsmittelführer im Wesentlichen
die Tatsachenfeststellungen des Gerichts. Hauptsächlich wenden sie aber ein, die Rüge beruhe auf einem unrichtigen Verständnis
des Urteils, denn das Gericht habe durchaus nicht behauptet, ein Kontroll- und Sanktionssystem sei eine unerlässliche Voraussetzung
einer Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot.
84.
Ich möchte sogleich bemerken, dass die vorliegende Rüge unzulässig wäre, wollte sie die tatsächliche Feststellung des Gerichts
erneut zur Diskussion stellen, dass „die Kommission rechtlich [nicht] hinreichend nachgewiesen [hat], ... dass Bayer eine
systematische Kontrolle des tatsächlichen Endbestimmungslandes der nach der Einführung ihrer neuen Lieferpolitik gelieferten
Adalat-Packungen vorgenommen, exportierende Großhändler bedroht und mit Sanktionen belegt
oder die Lieferungen von Adalat von der Einhaltung des angeblichen Ausfuhrverbots abhängig gemacht hat“
(70)
.
85.
Nach dieser Klarstellung muss ich der Klägerin und der EFPIA darin zustimmen, dass das Gericht durchaus nicht behauptet hat,
eine Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot könne nur dann vorliegen, wenn der Hersteller ein Kontroll- und Sanktionssystem geschaffen
habe. Vielmehr war es die Kommission, die geltend gemacht hat, im vorliegenden Fall ergebe sich die Verhängung eines Ausfuhrverbots
„aus den nachstehenden sich untereinander ergänzenden Tatsachen: einem System für das Aufspüren exportierender Großhändler
(a) und aufeinander folgenden Reduzierungen der von Bayer Frankreich und Bayer Spanien gelieferten Mengen, wenn die Großhändler
die Gesamtheit oder einen Teil dieser Erzeugnisse exportieren (b)“
(71)
. Hier hat sich das Gericht daher damit begnügt, die Richtigkeit der Behauptungen der Kommission zu beurteilen, wobei es namentlich
geprüft hat, ob, wie in der angefochtenen Entscheidung angegeben, „aus den der Kommission vorliegenden Informationen [hervorgeht],
dass die Lieferung der von Bayer Frankreich und Bayer Spanien genehmigten Mengen von der Einhaltung eines Exportverbots abhängig
ist“
(72)
, und ob „diese Verhaltensweisen von Bayer Frankreich und Bayer Spanien ... darauf [hinweisen], dass diese ihren Großhändlern
ständig mit einer Reduzierung der Liefermengen gedroht haben“, wobei „diese Drohung ... wiederholt wahr gemacht worden [ist],
wenn die Großhändler sich nicht an das Exportverbot gehalten haben“
(73)
. Im Gegensatz zum Vorbringen der Rechtsmittelführer hat das Gericht hiernach keineswegs behauptet, die Einführung eines Kontroll-
und Sanktionssystems sei, allgemein gesehen, eine notwendige Bedingung für die Feststellung des Abschlusses einer Vereinbarung
über ein Ausfuhrverbot.
86.
Hieraus folgt, dass die vorliegende Rüge auf einem unrichtigen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht und aus diesem
Grund unbegründet ist.
ii) Zu einer weiteren Voraussetzung eines Ausfuhrverbots: Der Hersteller muss ein bestimmtes Verhalten der Vertriebsunternehmen
fordern oder sich darum bemühen, dass diese sich seiner Politik der Verhinderung von Paralleleinfuhren anschließen
87.
Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund und dem ersten Teil, ii), ihres dritten werfen die Kommission und der BAI dem Gericht
vor, Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag insoweit zu eng ausgelegt zu haben, als es zu Unrecht angenommen habe, dass eine Vereinbarung
über ein Ausfuhrverbot nur dann als zustande gekommen angesehen werden könne, wenn der Hersteller von den Großhändlern ein
bestimmtes Verhalten fordere oder sich darum bemühe, dass diese sich seiner Politik der Verhinderung von Paralleleinfuhren
anschlössen.
88.
Des Näheren macht die Kommission geltend, mit dieser Auslegung sei das Gericht von den Urteilen AEG und Ford abgewichen, in
denen der Gerichtshof sich nicht mit der Frage befasst habe, ob die Hersteller von den Wiederverkäufern ein bestimmtes Verhalten
gefordert oder sich um deren Zustimmung zu den getroffenen Maßnahmen bemüht hätten. Außerdem wirft die Kommission dem Gericht
vor, nicht in Erwägung gezogen zu haben, dass die Großhändler im vorliegenden Fall sehr wohl begriffen hätten, dass die Klägerin
sie mit ihrer Politik genötigt habe, sich beim Bestellen von Adalat-Packungen auf den Bedarf ihres heimischen Marktes zu beschränken.
89.
Auf der gleichen Linie führt der BAI, der sich namentlich auf die Urteile Sandoz und Ford beruft, aus, eine Vereinbarung im
Sinne von Artikel 85 Absatz 1 müsse schon aufgrund der schlichten Tatsache angenommen werden, dass sich die Großhändler weiterhin
bei einem Hersteller eindeckten, der seinen Willen, Ausfuhren zu verhindern, geäußert habe, denn auf diese Weise hätten sie
sich faktisch mit der Politik des Herstellers einverstanden erklärt.
90.
Die Klägerin und die EFPIA machen vorab die Unzulässigkeit der Rüge geltend, die ihrer Auffassung nach Tatsachenfeststellungen,
die das Gericht in dem angefochtenen Urteil vorgenommen hat, in Frage stellt. Zudem müsse die Rüge zurückgewiesen werden,
da das Gericht nicht allgemein behauptet habe, dass eine Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot schon deswegen als zustande gekommen
anzusehen sei, weil der Hersteller von den Großhändlern ein bestimmtes Verhalten verlange oder sich um deren Zustimmung zu
seiner auf die Verhinderung von Paralleleinfuhren gerichteten Politik bemühe. Der vorliegende Fall sei anders gelagert als
die Fälle Sandoz, AEG und Ford; das Gericht sei daher nicht von der Rechtsprechung des Gerichtshofes in diesen Rechtssachen
abgewichen.
91.
Ich bemerke zunächst, dass die vorliegende Rüge unzulässig wäre, wollte sie die Tatsachenfeststellung des Gerichts in Frage
stellen, dass „es in den Akten keinen Anhaltspunkt dafür [gibt], dass Bayer Frankreich oder Bayer Spanien ... den Großhändlern ...
eine bestimmte Form der Auftragserteilung vorgeschrieben hätten“
(74)
. Die Kommission kann daher nicht behaupten, die Klägerin habe im Grunde eine Änderung der Modalitäten der von den Großhändlern
vorgenommenen Bestellungen verlangt, um ihnen zu verstehen zu geben, dass sie sich darauf zu beschränken hätten, nur für ihren
heimischen Markt zu bestellen.
92.
Weiter muss ich, was die Begründetheit der Rüge angeht, der Klägerin und der EFPIA darin zustimmen, dass das Gericht nicht
behauptet hat, das Vorliegen einer Vereinbarung über ein Ausfuhrverbot könne nur dann angenommen werden, wenn der Hersteller
von den Großhändlern ein bestimmtes Verhalten verlange oder sich um deren Zustimmung zu seiner auf die Verhinderung von Paralleleinfuhren
gerichteten Politik bemühe. Vielmehr hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, Bayer Frankreich und
Bayer Spanien hätten den Großhändlern ein „Ausfuhrverbot“ auferlegt oder, besser gesagt, von ihnen verlangt, die gelieferten
Adelat-Packungen nicht zu exportieren. Das Gericht hat also nichts anderes getan, als die Richtigkeit der Behauptungen der
Kommission zu überprüfen.
93.
Weiterhin glaube ich im Gegensatz zu den Rechtsmittelführern nicht, dass das Gericht bei der Prüfung der Frage, ob die Klägerin
von ihren Großhändlern irgendetwas gefordert hat, von der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes abgewichen ist.
94.
Wie ich oben (Nrn. 55 bis 62) zum Urteil Sandoz ausgeführt habe, m – in welcher Weise, möglicherweise sogar implizit, dieser
Vorschlag oder diese Aufforderung auch immer geäußert worden sein mögen – bedarf, damit davon ausgegangen werden kann, dass
eine Vereinbarung im Wege der stillschweigenden Zustimmung der Großhändler zustande gekommen ist. Da die Kommission versucht
hat, den Abschluss einer Vereinbarung dadurch nachzuweisen, dass „die Großhändler ... ein Verhalten gezeigt [haben], das eine
konkludente Einwilligung in das [von Bayer auferlegte] Exportverbot darstellt“
(75)
, bin ich daher der Auffassung, dass das Gericht sich zu Recht mit der Prüfung der Frage befasst hat, ob die Klägerin an ihre
Großhändler irgendeine Aufforderung gerichtet hat.
95.
Was alsdann die Urteile AEG und Ford betrifft, so glaube ich, zur Genüge nachgewiesen zu haben, dass diese Rechtsprechung
vorliegend nicht herangezogen werden kann, da sich die von der Klägerin zur Kontingentierung der Verkäufe getroffenen Maßnahmen
nicht auf einen mit den Großhändlern geschlossenen Vertriebsvertrag zurückführen ließen (siehe oben, Nrn. 67 bis 78).
96.
Im Licht dieser Überlegungen meine ich daher, dass die vorliegende Rüge zurückzuweisen ist.
iii) Zur Beweislast
97.
Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund wirft der BAI dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsirrtum begangen zu haben, dass es
die Beweislast für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ausschließlich
der Kommission zugeschoben habe. Damit habe es den vom Gerichtshof im Urteil Anic
(76)
aufgestellten Grundsatz missachtet, dass es Sache des betroffenen Unternehmens sei, das Fehlen einer Willensübereinstimmung
zu beweisen, wenn die von der Kommission vorgetragenen Tatsachen ausreichten, um prima facie den Abschluss einer Vereinbarung
darzutun.
98.
Im vorliegenden Fall, so der BAI, ergebe sich das Vorliegen einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Großhändlern
prima facie zum einen daraus, dass die Klägerin ihren Willen, Paralleleinfuhren auf dem Wege über eine Kontingentierung der
Verkäufe zu verhindern, im Verlauf verschiedener Sitzungen mit den Großhändlern zum Ausdruck gebracht habe, zum anderen aus
der Tatsache, dass die Großhändler nach anfänglichem Widerspruch und harten Verhandlungen dieser Kontingentierung praktisch
zugestimmt und sich damit zufrieden gegeben hätten, geringere Mengen von Adalat zu erwerben. Angesichts dieser von der Kommission
festgestellten und von der Klägerin nicht bestrittenen Tatsachen hätte das Gericht daher der Klägerin die Beweislast dafür
auferlegen müssen, dass es an einer Willensübereinstimmung gefehlt habe.
99.
Auch gegen diese Rüge erheben die Klägerin und die EFPIA eine Unzulässigkeitseinrede, wobei sie geltend machen, der BAI stelle
die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts zu der Frage, ob der Abschluss einer Vereinbarung nachgewiesen sei, erneut zur
Diskussion. Was die materielle Seite betrifft, so tragen sie vor, das Urteil Anic könne nicht für die Auffassung des Rechtsmittelführers
in Anspruch genommen werden, da es sich auf einen Fall beziehe, in dem anders als vorliegend das Zustandekommen einer Vereinbarung
nachgewiesen worden sei. In diesem Urteil habe der Gerichtshof nur festgestellt, wenn einmal bewiesen sei, dass im Verlauf
einer Sitzung von konkurrierenden Unternehmen eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 getroffen worden sei, könne
ein Unternehmen, das bei dieser Sitzung anwesend gewesen sei, nur dann geltend machen, es habe bei der Durchführung der Vereinbarung
nicht mitwirken wollen, wenn ihm der Nachweis hierfür gelinge.
100.
Ich halte die vorliegende Rüge zwar für zulässig, aber für unbegründet.
101.
Was die Zulässigkeit angeht, so weise ich insbesondere darauf hin, dass der BAI die Aufteilung der Beweislast, auf die sich
das angefochtene Urteil stützt,
aus Rechtsgründen beanstandet hat. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin und der EFPIA hat der BAI die vom Gericht festgestellten Tatsachen nicht
in Frage gestellt, sondern lediglich geltend gemacht, bei einer Analyse dieser Tatsachen anhand eines anderen Kriteriums für
die Aufteilung der Beweislast hätte man hinsichtlich des Vorliegens einer Vereinbarung zu einer materiellrechtlichen Schlussfolgerung
gelangen müssen, die derjenigen des Gerichts entgegengesetzt gewesen wäre.
102.
Dagegen erscheint mir die vorliegende Rüge materiell unbegründet, da das Gericht sich korrekt an den Grundsatz gehalten hat,
dass „bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln ... die Kommission die von ihr
festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen [hat], durch die das Vorliegen der die Zuwiderhandlung
darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend bewiesen wird“
(77)
. Ich glaube nicht, dass der Gerichtshof im Urteil Anic dieses grundlegende Prinzip auf den Kopf gestellt und der Kommission
lediglich die Last auferlegt hätte, den Abschluss einer Vereinbarung
prima facie zu beweisen.
103.
Wie die Klägerin und die EFPIA zu Recht betonen, hatte die Kommission in jenem Fall nämlich in vollem Umfang bewiesen, dass
im Verlauf bestimmter Sitzungen miteinander konkurrierender Unternehmen „Preisinitiativen beschlossen, organisiert und kontrolliert“
(78)
und dass somit wettbewerbsbeschränkende Abreden im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag erzielt worden waren. Lediglich
wegen dieses Beweises hat der Gerichtshof daher festgestellt, dass ein Unternehmen, das an diesen Sitzungen teilgenommen habe
und hätte geltend machen wollen, dass es der dort vereinbarten Preisinitiative nicht zugestimmt habe, den Beweis für seine
Behauptung hätte erbringen müssen.
104.
Im Licht der vorstehenden Überlegungen bin ich daher der Auffassung, dass die vorliegende Rüge unbegründet ist.
iv) Zur fehlenden Übereinstimmung zwischen erklärtem und tatsächlichem Willen der Großhändler
105.
Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund wirft die Kommission, unterstützt von der EAEPC, dem Gericht vor, einen Rechtsirrtum begangen
zu haben, indem es sich auf den tatsächlichen Willen der Großhändler (nämlich auch für die Ausfuhr zu bestellen) und nicht
auf deren erklärten Willen (nur für den Bedarf des heimischen Marktes zu ordern) bezogen habe. Hierzu macht die Kommission
insbesondere geltend, die Gemeinschaftsrichter hätten in den Urteilen in den Rechtssachen Sandoz und Altochem
(79)
dem tatsächlichen Willen der Unternehmen oder deren etwaigen Mentalreservationen keine Bedeutung beigemessen, da es für das
Zustandekommen einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 nur auf den erklärten Willen der beteiligten Unternehmen
ankomme. Zur Stützung dieser Auffassung beruft sich die EAEPC auch auf das Urteil Courage
(80)
, dem zu entnehmen sei, dass eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 auch dann vorliege, wenn eine Partei gegen
ihren Willen gezwungen werde, sie abzuschließen.
106.
Nach Ansicht der Klägerin und der EFPIA ist auch dieser Rechtsmittelgrund unzulässig, da er praktisch die Feststellung des
Gerichts in Frage stelle, mit ihrem Verhalten hinsichtlich der Bestellungen und ihren Bemühungen, größere Mengen des Erzeugnisses
zu erhalten, hätten die Vertriebsfirmen keinerlei ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung zu einem Ausfuhrverbot erklärt
(81)
. Zur Sache selbst führt die Klägerin aus, nur im Fall einer „ausdrücklichen Willenserklärung“ komme es auf den „erklärten
Willen“ an und sei eine etwaige Mentalreservation nicht zu berücksichtigen. Wenn es dagegen wie im vorliegenden Fall um „stillschweigende
Willenserklärungen“ gehe, so dürfe nur der „wirkliche Wille“ der beteiligten Partei, wie er sich aus ihrem Verhalten ergebe,
in Betracht gezogen werden. Die EFPIA begnügt sich mit dem Vorbringen, die Urteile Sandoz und Altochem seien hier nicht einschlägig,
da sie sich auf Sachverhalte bezögen, die sich von dem vorliegenden unterschieden.
107.
Ich möchte zunächst bemerken, dass die zu prüfende Rüge mir nicht unzulässig zu sein scheint, da sie nicht darauf abzielt,
die Tatsachenfeststellungen des Gerichts zu beanstanden, sondern die rechtliche Bedeutung, die es dem tatsächlichen Willen
der Großhändler angesichts eines gegenteiligen erklärten Willens beigelegt habe.
108.
Die Rüge erscheint mir jedoch unbegründet, da sie von der unrichtigen Voraussetzung ausgeht, man habe vorliegend mit einem
„erklärten Willen“ der Großhändler zu tun, die beanstandete Vereinbarung (über ein von der Klägerin angeblich auferlegtes
Ausfuhrverbot) zu treffen, der ein entgegengesetzter „tatsächlicher Wille“ oder, wenn man will, eine Mentalreservationt gegenüber
stehe. Diese Annahme wird nämlich meines Erachtens durch die Darstellung des Gerichts widerlegt (die hier nicht erneut zur
Diskussion gestellt werden kann), dass aus den in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Schriftstücken nicht hervorgehe,
dass die Großhändler gegenüber der Klägerin ihren Willen geäußert hätten, künftig nur diejenigen Mengen Adalat zu bestellen,
die zur Deckung ihres heimischen Bedarfs unbedingt erforderlich waren, und sich auf diese Weise zur Einhaltung eines von der
Klägerin angeblich auferlegten Ausfuhrverbots zu verpflichten.
109.
Das Gericht hat mit anderen Worten festgestellt, es sei vorliegend nicht nachgewiesen, dass die Großhändler der Klägerin in
irgendeiner Form „erklärt“ hätten, sie würden nur noch für ihren heimischen Markt bestellen oder die gelieferten Waren nicht
ausführen und auf diese Weise ihr Verhalten an ein von der Klägerin angeblich verhängtes Ausfuhrverbot anpassen. Nach der
Darstellung des Gerichts lag somit kein „erklärter Wille“ der Großhändler in Bezug auf einen Abschluss der geahndeten angeblichen
Vereinbarung vor.
110.
Dass die Großhändler, ohne der Klägerin gegenüber „erklärt“ zu haben, sie würden nur noch für ihren heimischen Markt bestellen
und nicht exportieren, sich weiterhin bei dieser Gesellschaft eingedeckt und Adalatmengen nur in dem Umfang erworben haben,
der nach ihrer Einschätzung in Einklang mit ihrem heimischen Bedarf stand, könnte sicherlich im Sinne des Urteils Sandoz für
den Nachweis einer „stillschweigenden Zustimmung“ zu dem von der Klägerin angeblich auferlegten Ausfuhrverbot in Betracht
gezogen werden. Dies würde aber, wie oben (Punkte 55 bis 62) ausgeführt, voraussetzen, dass die Klägerin die Großhändler tatsächlich
(sei es auch nur stillschweigend) aufgefordert oder genötigt hätte, nur für ihren heimischen Bedarf zu bestellen oder nicht
zu exportieren, was nach der Feststellung des Sachverhalts durch das Gericht nicht bewiesen ist.
111.
Da also nach der Feststellung des Sachverhalts in dem angefochtenen Urteil vorliegend kein „erklärter Wille“ der Großhändler
im Hinblick auf einen Abschluss der gerügten Vereinbarung vorlag, bin ich der Auffassung, dass sich dem Gericht nicht vorwerfen
lässt, einen solchen Willen nicht berücksichtigt zu haben. Infolgedessen ist der vorliegende Rechtsmittelgrund meines Erachtens
unbegründet.
v) Zu der nur scheinbar einseitigen Natur der von Bayer getroffenen Maßnahmen
112.
Mit dem ersten Teil, iii), und dem zweiten Teil ihres dritten Rechtsmittelgrundes wirft der BAI dem Gericht im Wesentlichen
vor, es habe es unterlassen, zu prüfen, ob die streitigen Maßnahmen nur scheinbar einseitig gewesen seien, da sie sich doch
in den Rahmen der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen mit den Großhändlern eingefügt hätten. Des Näheren hält diese Partei
dem Gericht entgegen, es habe nicht berücksichtigt, dass die Großhändler sich nach der Einführung der neuen Politik der Klägerin
weiterhin bei dieser eingedeckt hätten und dass sie somit damit einverstanden gewesen seien, geringere Mengen Adalat zu erwerben.
113.
Im gleichen Sinne wirft die Kommission mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund dem Gericht vor, Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
unrichtig angewandt zu haben, indem es den Beweis für den Willen der Großhändler in Bezug auf die von der Klägerin getroffenen
Maßnahmen gefordert habe, obwohl sich diese in den Rahmen der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen zwischen Hersteller und Vertriebsfirmen
eingefügt hätten.
114.
Da die Rechtsmittelführer mit diesen Rügen praktisch dem Gericht vorwerfen, es sei unter verschiedenen Aspekten von den Urteilen
Sandoz, AEG, Ford und Bayerische Motorenwerke des Gerichtshofes abgewichen, müssen die Rügen meines Erachtens aus den Gründen,
die ich in den diesen Urteilen gewidmeten Abschnitten dargelegt habe, als unbegründet zurückgewiesen werde.
Schluss
115.
Da meiner Auffassung nach alle vom BAI und der Kommission geltend gemachten Rechtsmittelgründe als unzulässig oder unbegründet
zurückzuweisen sind, schlage ich dem Gerichtshof vor, die Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.
III ─ Kosten
116.
Im Hinblick auf Artikel 69 §§ 2 und 4 der Verfahrensordnung und in Anbetracht der Ergebnisse, zu denen ich hinsichtlich der
Zurückweisung der Rechtsmittel gelangt bin, meine ich, dass der BAI und die Kommission zur Tragung der Kosten einschließlich
derjenigen der EFPIA zu verurteilen sind. Das Königreich Schweden und die EAEPC haben dagegen ihre eigenen Kosten zu tragen.
IV ─ Ergebnis Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,
- –
- die Rechtsmittel zurückzuweisen;
- –
- den BAI und die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen;
- –
- dem Königreich Schweden und der EAEPC ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
- 1 –
- Originalsprache: Italienisch.
- 2 –
- Slg. 2000, II-3383.
- 3 –
- ABl. L 201, S. 1.
- 4 –
- Nach dieser Vorschrift sind bekanntlich „mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ... alle Vereinbarungen zwischen
Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb
des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken ...“
- 5 –
- Nr. 163 der Begründungserwägungen der Entscheidung.
- 6 –
- Nr. 170.
- 7 –
- Nr. 174.
- 8 –
- Nr. 175.
- 9 –
- Nr. 176.
- 10 –
- Nr. 180.
- 11 –
- Nrn. 182 bis 183.
- 12 –
- Nr. 184.
- 13 –
- Randnr. 183.
- 14 –
- Randnr. 66.
- 15 –
- Randnr. 69.
- 16 –
- Randnr. 71.
- 17 –
- Randnr. 76.
- 18 –
- Randnr. 77.
- 19 –
- Randnrn. 109 und 110.
- 20 –
- Randnr. 119.
- 21 –
- Randnr. 120.
- 22 –
- Randnr. 121.
- 23 –
- Randnr. 122.
- 24 –
- Randnr. 124.
- 25 –
- Randnr. 159.
- 26 –
- Randnr. 172.
- 27 –
- Randnr. 173.
- 28 –
- Randnr. 174.
- 29 –
- Randnr. 176.
- 30 –
- Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag (ABl.
1962, 13, S. 204).
- 31 –
- Genauer gesagt hat die EAEPC ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des BAI und der Kommission, das
Königreich Schweden dagegen seine Zulassung als Streithelfer lediglich zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.
- 32 –
- Urteil des Gerichtshofes vom 28. Mai 1998 in der Rechtssache C-7-95 P (John Deere, Slg. 1998, I-3111, Randnrn. 21 und 22).
Siehe im gleichen Sinne neben vielen anderen die Urteile vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P (Hilti/Kommission,
Slg. 1994, I-667, Randnrn. 42 und 43) und vom 28. März 1998 in der Rechtssache C-8/95 P (New Holland Ford/Kommission, Slg.
1998, I-3175, Randnr. 28).
- 33 –
- Randnr. 109.
- 34 –
- Der BAI bezieht sich hierbei auf die von der Kommission unter den Nrn. 140 und 180 der Entscheidung angeführten Dokumente.
- 35 –
- Siehe namentlich die Randnrn. 103 und 104 des angefochtenen Urteils.
- 36 –
- In ihrer Rechtsmittelschrift bezieht sich die Kommission im Wesentlichen auf die unter Randnr. 126 des angefochtenen Urteils
vorgenommene Würdigung; dort heißt es, die unter den Nrn. 97 bis 101 der Entscheidung, „in denen die Strategie des Großhändlers
CERP Rouen zur Umgehung der von Bayer eingeführten Politik der Lieferbeschränkungen dargestellt wird“, wiedergegebenen Schreiben
seien „kein Beweis dafür, dass sich der betreffende Großhändler bereit erklärt hätte, nicht mehr zu exportieren, seine Bestellungen
zu verringern oder seine Ausfuhren einzuschränken, oder dass er versucht hätte, bei Bayer diesen Eindruck zu erwecken. Sie veranschaulichen nur die Reaktion eines Unternehmens, das versucht, seine Ausfuhren so weit wie möglich fortzusetzen.
Eine Absicht, sich der auf die Behinderung der Ausfuhren abzielenden Politik von Bayer – die der Großhändler genau kannte,
wie Randnummer 94 der Entscheidung zeigt – anzuschließen, wird weder direkt erwähnt, noch gibt es dafür ein Indiz“ (Hervorhebung
nur hier). In ihrer Erwiderung nimmt die Kommission dagegen Bezug auf Randnummer 156 des Urteils, wo abschließend festgestellt
wird, die Kommission habe „nicht nachgewiesen, dass die Großhändler die Ziele von Bayer verfolgen oder ihr dies vorspiegeln wollten“ (Hervorhebung nur hier).
- 37 –
- Nr. 182 der angefochtenen Entscheidung.
- 38 –
- Die Kommission bezieht sich hierfür auf das unter Nr. 98 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Schreiben eines französischen
Großhändlers, in dem es heißt:
„DRINGEND
Um der Vertretung von Boulogne dabei zu helfen, 20 000 ADALATE LP 20 mg code PHON: TE 360 zusammenzutragen, bitten wir Sie,
die nachstehende Bestellung rauszugeben:
...
Nach Eingang bitte diese Erzeugnisse an Boulogne weiterleiten.
Wir danken Ihnen für Ihre Zusammenarbeit und Diskretion“ (Hervorhebung nur hier).
- 39 –
- Die Kommission nimmt hierfür auf zwei Unterlagen Bezug.
i) Sie bezieht sich in erster Linie auf den Bericht eines spanischen Großhändlers über eine Sitzung mit Bayer Spanien (Nr.
127 der Entscheidung) und zitiert hierbei namentlich folgende Stellen: „Nach dem letzten Gespräch mit den leitenden Bayer-Mitgliedern
haben diese erklärt, dass sie die von HUFASA angeforderten Mengen nicht akzeptieren könnten, zum einen, weil sie 50 % des
Inlandsmarktes darstellten, und zum anderen, weil sie weit über denen anderer Unternehmen desselben Gebietes lägen ... Dies
ließ sie vermuten, dass ein bedeutender Teil der Erzeugnisse für die Ausfuhr bestimmt ist.
Angesichts dieser Aussagen habe ich erklärt, dass HUFASA aus folgenden Gründen bedeutende Mengen von ADALAT benötigt: ...
... es ist besser, keine Zahlen auftauchen zu lassen, die nicht als für Hufasa möglich akzeptiert werden und das Interesse an einem bedeutenden Exportvolumen verraten könnten. Aus diesem Grund war ich der Ansicht, dass es wichtiger war, eine Menge von ADALAT für Exporte mit sehr glaubwürdigen Zahlen zu erhalten, als eine sehr hohe Zahl in den Bestellungen aufrechtzuerhalten, die dann aber doch nicht geliefert würden. Wichtig
ist das, was man erhält, nicht was bestellt wird. Dies ist sicher der Grund, aus dem ..... weniger als vorgesehen bestellt.
ii) In zweiter Linie bezieht sich die Kommission auf das in Nr. 129 der Entscheidung erwähnte Schreiben eines spanischen
Großhändlers, aus dem sie besonders folgende Stelle hervorhebt: „... ich [gebe] Ihnen mein Wort, dass ich alles tun werde,
um eine über unserem Bedarf liegende Lieferung zu erhalten.“
- 40 –
- Die Kommission bezieht sich hierbei auf das in Nr. 129 der Entscheidung wiedergegebene Schreiben eines spanischen Großhändlers,
aus dem sie insbesondere folgende Stelle hervorhebt: „... wenn wir ein Erzeugnis wollen, das sich auf unserem Markt gut verkauft,
ist es möglich, zwischen den üblichen Bestellungen zu bestellen, wenn es aber wenig verkauft wird, können wir das nicht verbergen.“
- 41 –
- Die Klägerin und die EFPIA beziehen sich namentlich auf die Nrn. 125, 128, 131 und 143 bis 152.
- 42 –
- Siehe insbesondere Nr. 124; auf die von der Kommission angeführten Unterlagen wird in den Randnrn. 126, 129, 130, 144 und
146 bis 150 Bezug genommen.
- 43 –
- Randnr. 126 des Urteils. Siehe im gleichen Sinne Randnr. 135 des Urteils, wo ausgeführt wird, dass einige Großhändler „eine
Strategie zur Umgehung der Politik von Bayer verfolgte[n]“, sowie Randnr. 156, wo klargestellt wird, dass die vom Gericht
geprüften Unterlagen „zeigen ..., dass das Verhalten der Großhändler auf die Umgehung der neuen Politik von Bayer abzielte,
die Lieferungen auf den Umfang herkömmlicher Bestellungen zu beschränken“.
- 44 –
- Randnr. 154 des Urteils.
- 45 –
- Urteil des Gerichtshofes vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87 (Sandoz prodotti farmaceutici, Slg. 1990, I-45, abgekürzte
Veröffentlichung).
- 46 –
- Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82 (AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151).
- 47 –
- Urteil des Gerichtshofes vom 17. September 1985 in den verbundenen Rechtssachen 25/84 und 26/84 (Ford/Kommission, Slg. 1985,
2725).
- 48 –
- Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1995 in der Rechtssache C-70/93 (Bayerische Motorenwerke, Slg. 1995, I-3439).
- 49 –
- Die Parteien verweisen in diesem Zusammenhang mehr oder weniger direkt auch auf einige Urteile des Gerichts, die sich der
in den vorerwähnten Entscheidungen des Gerichtshofes niedergelegten Auslegung angeschlossen hätten (es handelt sich im Einzelnen
um die Urteile vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger International, Slg. 1994, II-441, vom 11. Dezember
1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports Group, Slg. 1996, II-1799, und vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T-62/98,
Volkswagen, Slg. 2000, II-2707). Es erscheint jedoch angebracht, sich für die Zwecke des im vorliegenden Fall zu erlassenden
Rechtsmittelurteils lediglich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu konzentrieren, um festzustellen, ob sich das Gericht
in dem angefochtenen Urteil an die dort niedergelegten Auslegungskriterien gehalten hat.
- 50 –
- Sandoz prodotti farmaceutici, italienische Tochtergesellschaft des Sandoz-Konzerns.
- 51 –
- Urteil in der Rechtssache Sandoz, Randnr. 10.
- 52 –
- Randnr. 11.
- 53 –
- Randnr. 12.
- 54 –
- Siehe insoweit die – auch in dem angefochtenen Urteil herangezogenen – Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der
Rechtssache 41/69 (ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112) und vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen
209/78 bis 215/78 und 218/78 (Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86).
- 55 –
- Randnrn. 120 und 121.
- 56 –
- Randnr. 37.
- 57 –
- Randnr. 19.
- 58 –
- AEG-Urteil, Randnr. 38; Ford-Urteil, Randnr. 21.
- 59 –
- Urteil in der Rechtssache Bayerische Motorenwerke, Randnr. 16.
- 60 –
- Hierzu hat besonders das Urteil AEG betont, dass „Vereinbarungen, die ein selektives Vertriebssystem begründen, ... zwangsläufig
den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beeinflussen.“Weiter heißt es dort: „Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt
hat, gibt es jedoch legitime Bedürfnisse – wie z. B. die Aufrechterhaltung eines Fachhandels, der in der Lage ist, bestimmte
Dienstleistungen für hochwertige und technisch hoch entwickelte Bedürfnisse zu erbringen –, die eine Einschränkung des Preiswettbewerbs
zugunsten eines andere Faktoren als die Preise betreffenden Wettbewerbs rechtfertigen. Somit stellen selektive Vertriebssysteme,
da sie auf die Erreichung eines rechtmäßigen Ergebnisses abzielen, das zur Stärkung des Wettbewerbs beiträgt, soweit dieser
nicht nur die Preise zum Gegenstand hat, einen Wettbewerbsfaktor dar, der mit Artikel 85 Absatz 1 vereinbar ist. Die mit einem
selektiven Vertriebssystem einhergehenden Beschränkungen sind jedoch nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sie tatsächlich
auf eine Verbesserung des Wettbewerbs in dem genannten Sinn abzielen; anderenfalls gäbe es für sie keine Rechtfertigung, da
dann ihre einzige Wirkung darin bestünde, den Preiswettbewerb einzuschränken. Um sicherzustellen, dass die selektiven Vertriebssysteme
nur diesem Zweck dienen und nicht zur Erreichung von gemeinschaftsrechtswidrigen Zielen geschaffen oder benutzt werden, hat
der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Oktober 1977 (Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875) entschieden, dass diese Systeme
zulässig sind, ‚sofern die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die sich
auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen, und sofern diese
Voraussetzungen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt werden‘.
Daraus folgt, dass die Anwendung eines selektiven Vertriebssystems, das auf anderen als diesen Gesichtspunkten beruht, eine
Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 darstellt. Dasselbe gilt für den Fall, dass eine grundsätzlich dem Gemeinschaftsrecht
entsprechende Vertriebsbindung in der Praxis in einer Weise angewandt wird, die mit diesem nicht vereinbar ist“ (Randnrn.
33 bis 36).
- 61 –
- Im Besonderen war in der Rechtssache AEG eine Entscheidung angefochten worden, in der die Kommission festgestellt hatte, „AEG habe durch ihre Vertriebsbindung in der praktizierten Form eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag
begangen“, dies weil „AEG ihre Vertriebsbindung rechtsmissbräuchlich angewandt habe, indem sie bestimmte Händler diskriminiert und
die von den zugelassenen Händlern anzuwendenden Verkaufspreise unmittelbar oder mittelbar beeinflusst habe, mit dem Ziel,
bestimmte Vertriebsarten grundsätzlich auszuschließen und die Preise auf einem bestimmten Niveau aufrechtzuerhalten“ (Randnr. 5
des Urteils; Hervorhebung nur hier). In der Rechtssache Ford war dagegen eine Entscheidung angegriffen worden, in der die
Kommission zum einen erklärt hatte, dass „der Haupthändler-Vertrag der Ford-AG den Wettbewerb [beschränkt] und den Handel
zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag [beeinträchtigt]“ und zum anderen „eine Freistellung
nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag für den Haupthändler-Vertrag [abgelehnt hatte], wie ihn die Ford-AG seit dem 1. Mai 1982, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rundschreibens praktiziert hat“, mit dem sie die deutschen Händler unterrichtet habe, dass sie keine Bestellungen von Fahrzeugen mit Rechtslenkung mehr annehmen
werde (Randnr. 10 des Urteils; Hervorhebung nur hier).
- 62 –
- Randnr. 12.
- 63 –
- Randnr. 38 des Urteils AEG; Randnr. 21 des Urteils Ford.
- 64 –
- Randnrn. 38 und 39.
- 65 –
- Randnrn. 20 und 21.
- 66 –
- Randnr. 26.
- 67 –
- Randnr. 14.
- 68 –
- Randnr. 17.
- 69 –
- Randnr. 18.
- 70 –
- Nr. 109 des angefochtenen Urteils; Hervorhebungen nur hier.
- 71 –
- Nr. 156 der angefochtenen Entscheidung.
- 72 –
- Nr. 163.
- 73 –
- Randnr. 170.
- 74 –
- Randnr. 120 des angefochtenen Urteils; Hervorhebung nur hier. In der nachfolgenden Randnr. 121 hat das Gericht überdies festgestellt,
dass die Kommission „nicht einmal vorgetragen [hat], dass Bayer von den Großhändlern verlangt habe, die Methode der Auftragserteilung
zu ändern“.
- 75 –
- Nr. 176 der angefochtenen Entscheidung.
- 76 –
- Urteil vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P (Kommission/Anic, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 96).
- 77 –
- Urteil Anic, Randnr. 86.
- 78 –
- Randnr. 96 des Urteils Anic.
- 79 –
- Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-3-89 (Slg. 1991, II-185).
- 80 –
- Urteil des Gerichtshofes vom 20. September 2001 in der Rechtssache C-453/99 (Slg. 2001, I‑6297).
- 81 –
- Zu diesem Punkt verweist die Klägerin besonders auf die Randnrn. 151 bis 153 des angefochtenen Urteils.