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Document 52021DC0660

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Steigende Energiepreise – eine „Toolbox“ mit Gegenmaßnahmen und Hilfeleistungen

COM/2021/660 final

Brüssel, den 13.10.2021

COM(2021) 660 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Steigende Energiepreise – eine „Toolbox“ mit Gegenmaßnahmen und Hilfeleistungen


1.Einleitung

Die Europäische Union sieht sich derzeit – wie auch viele andere Regionen weltweit – mit drastisch steigenden Energiepreisen konfrontiert. Dies bereitet große Sorge – den Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft wie auch den europäischen Institutionen und den Regierungen in der gesamten Union.

Ausschlaggebend für das aktuelle Hochpreisniveau ist vor allem, dass infolge der wirtschaftlichen Erholung die weltweite Nachfrage nach Energie und speziell nach Gas gestiegen ist. Zwar sind Energiepreisschwankungen auch früher schon aufgetreten, doch ist die EU gerade dabei, die Folgen der COVID-19-Krise zu überwinden. Privathaushalte und Unternehmen in Europa müssen mit höheren Energiekosten rechnen – ausgerechnet in einer Zeit, in der sich viele von ihnen durch pandemiebedingte Einkommensverluste ohnehin in einer schwierigen Situation befinden. Für einen fairen, ausgewogenen Aufschwung unter Einbeziehung aller kann dies eine Hypothek darstellen. Außerdem besteht die Gefahr, dass Akzeptanz und Unterstützung für die Energiewende untergraben werden, die aber erforderlich ist, um zum einen die katastrophalen Folgen des Klimawandels abzuwenden, und zum anderen die EU resistenter gegenüber Preisschwankungen bei fossilen Brennstoffen zu machen.

Die Europäische Kommission will vorrangig dazu beitragen, die negativen Auswirkungen auf Haushalte und Unternehmen zu bewältigen. Nach Anhörung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments hat sie diese Mitteilung ausgearbeitet, um geeignete Maßnahmen umzusetzen und zu unterstützen mit dem Ziel, die Folgen zeitweiliger Energiepreissteigerungen zu mindern.

Der politische Rahmen der EU gibt den Mitgliedstaaten schon jetzt die Möglichkeit, eine Reihe gezielter Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um benachteiligte Verbraucher zu schützen und die Folgen für die Industrie gering zu halten. So haben die meisten Mitgliedstaaten bereits Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Situation angekündigt. Die hier vorgestellte „Toolbox“ ermöglicht einen koordinierten Ansatz zum Schutz der am stärksten gefährdeten Gruppen. Sie ist sorgfältig auf das Ziel ausgerichtet, die negativen Auswirkungen plötzlicher Verteuerungen anzugehen und bezahlbare Preise zu gewährleisten, ohne dass es dabei zu einer Fragmentierung des europäischen Energiebinnenmarkts kommt oder Investitionen in den Energiesektor und den ökologischen Wandel gefährdet werden. 

Obwohl die Energieversorgung nicht unmittelbar gefährdet ist und an den Märkten derzeit erwartet wird, dass sich die Gasgroßhandelspreise bis April 2022 auf niedrigerem Niveau stabilisieren, gilt es, vor dem kommenden Winter die eingelagerten Gasmengen und das reibungslose Funktionieren des Gasmarkts besonders im Auge zu behalten. Neben kurzfristigen Maßnahmen gibt diese Mitteilung auch einen Ausblick auf koordinierte Maßnahmen, die die Kommission mittelfristig zu ergreifen beabsichtigt, um auf Gaspreisschwankungen besser vorbereitet zu sein und zugleich die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen zu verringern.

2.Energiepreise 

Aufgrund kostengünstigerer Brennstoffe, gedämpfter Nachfrage und einer rasch zunehmenden Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen gingen im Jahr 2019 die Großhandelspreise für Energie drastisch zurück und 2020 waren vielerorts negative Strompreise zu verzeichnen. Im Laufe dieses Jahres schlug dieser Abwärtstrend abrupt ins Gegenteil um. Die Großhandelspreise für Strom sind gegenüber dem Vorjahr um 200 % gestiegen 1 . Dies wiederum schlug sich – wenn auch in weitaus geringerem Maße – in den Endverbraucherpreisen nieder (bis August 2021 lag der Anstieg im EU-Durchschnitt bei +9 %) 2 .

2.1.Welche Ursachen hat der aktuelle Anstieg?

Der derzeitige Strompreisanstieg ist vor allem auf die weltweite Gasnachfrage zurückzuführen, die mit der Belebung der Konjunktur rapide anzieht. Der steigenden Nachfrage steht kein entsprechendes Angebot gegenüber, was nicht nur in der EU, sondern auch in anderen Regionen weltweit spürbar ist. Zudem werden derzeit weniger Erdgaseinfuhren aus Russland registriert als erwartet, was kurz vor dem Beginn der Heizperiode zur angespannten Marktlage beiträgt. Gazprom hat zwar einerseits seine langfristigen Verträge mit den europäischen Partnern erfüllt, andererseits aber kaum zusätzliche Kapazitäten zur Entlastung des EU-Gasmarkts angeboten. Auch Verzögerungen bei der Instandhaltung der Infrastruktur während der Pandemie haben die Gasversorgung beeinträchtigt.

Da die Erdgaspreise in den meisten EU-Mitgliedstaaten entscheidenden Einfluss auf die Strompreise haben, ist auch deren aktueller Anstieg zu großen Teilen dieser Dynamik zuzuschreiben. Außerdem stiegen die Strompreise auch aufgrund saisonaler Witterungsbedingungen (Wassermangel und wenig Wind im Sommer), da somit in Europa weniger Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden konnte.

Darüber hinaus stieg im Jahr 2021 auch der europäische CO2-Preis stark an, wenn auch in geringerem Maße als der Gaspreis. Der Anstieg der Gaspreise hat eine neunmal so starke Auswirkung auf den Strompreis als dies bei CO2 der Fall ist 3 . Der CO2-Preis ist dieses Jahr um 30 EUR je Tonne gestiegen und liegt derzeit bei 60 EUR pro Tonne CO2. Grund für den Preisanstieg ist die höhere Nachfrage nach Zertifikaten, die unter anderem auf die zunehmende Wirtschaftstätigkeit nach COVID-19 und die Erwartungen im Zusammenhang mit den Klimaschutzzielen für 2030 zurückzuführen ist. Hohe Gaspreise tragen ihrerseits zu einem höheren CO2-Preis bei, weil verstärkt Kohle für die Stromerzeugung eingesetzt wird und dadurch die Nachfrage nach Emissionszertifikaten steigt. Das Emissionshandelssystem (EHS) verfügt über eingebaute Schutzmechanismen, mit denen übermäßigen Preisschwankungen begegnet werden soll. Obwohl die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Mechanismen derzeit nicht erfüllt sind 4 , wird die Kommission die Entwicklung des CO2-Preises weiter im Auge behalten. Wichtig ist festzuhalten, dass der CO2-Preis im Rahmen des EHS ein fundamentaler Anreiz ist, um auf günstigere erneuerbare Energieträger zu wechseln, die Energieeffizienz zu steigern, Gebäude energieeffizienter zu machen und CO2-arme Energiequellen zu nutzen, sodass die Großhandelspreise langfristig sinken und globale Preisspitzen, wie wir sie derzeit erleben, besser abgefedert werden können.

Erdgas spielt nach wie vor eine wichtige Rolle im Energiemix der Union. Auf diesen Energieträger entfällt derzeit rund ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs in der EU. Etwa 26 % dieses Gases werden heute in der Stromerzeugung (auch in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen) und ca. 23 % in der Industrie verwendet. Der restliche Verbrauch entfällt vor allem auf Privathaushalte und den Dienstleistungssektor, hauptsächlich zur Wärme- und Kälteerzeugung 5 . Obwohl in den letzten Jahren ein Wechsel hin zu anderen Brennstoffen wie Gas und erneuerbare Energieträger zu beobachten war (bei einem stabilen Anteil der Kernenergie im Energiemix von ca. 25 %), haben die steigenden Gaspreise diese Dynamik in einigen Mitgliedstaaten zumindest vorübergehend wieder in Richtung Kohle umgekehrt, trotz ihrer höheren CO2-Intensität pro erzeugter MWh.

Im Jahr 2019 lag die Quote der Energieeinfuhrabhängigkeit der EU bei 61 % (2000: 56 %). Aufgrund der starken Importabhängigkeit 6 sind die EU-Wirtschaft sowie bestimmte Schlüsselbranchen starken Preisschwankungen bei den auf den Weltmärkten gehandelten fossilen Brennstoffen ausgesetzt. Die Gaspreise steigen weltweit, in stärkerem Maße jedoch in regionalen Nettoimportmärkten wie Asien und der EU. Im Jahr 2021 haben sich die Preise in der EU verdreifacht, in Asien mehr als verdoppelt und in den USA nur verdoppelt.

2.2.Die Auswirkungen hoher Energiepreise

Die aktuell hohen Gas- und Strompreise ziehen die meisten Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft, wenn auch in unterschiedlichem Maße und zu unterschiedlichen Zeiten. Die Verbindung zwischen Großhandels- und Endverbraucherpreisen ist in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgeprägt und hängt von der Regulierung und Zusammensetzung der Endverbraucherpreise und dem Energiemix ab. Der Großhandelspreis beträgt in der Regel nur ein Drittel des Endpreises, der Rest sind Kosten für Übertragung/Fernleitung und Verteilung sowie Steuern und Abgaben. Sind alle übrigen Kostenbestandteile konstant, so waren die Endverbraucherpreise umso stärker betroffen, je größer der Gasanteil im Energiemix ist, und die Auswirkungen wurden umso früher spürbar, je enger die Endverbraucherpreise an den Großhandelspreis gebunden sind. In den Mitgliedstaaten, in denen eher Verträge mit langer Laufzeit üblich sind, dürfte sich der Preisanstieg in den nächsten Wochen und Monaten erst mit einer gewissen Verzögerung bemerkbar machen.

Veränderungen der Gas- und Strompreise im Zeitraum 2019-2021

BE

BG

CZ

DK

DE

EE

IE

EL

ES

FR

HR

IT

CY

LV

Gas: Großhandel1

592 %

159 %

565 %

554 %

559 %

264 %

100 %

11 %

370 %

562 %

k. A.

406 %

k. A.

271 %

Gas: Haushalte2

38 %

23 %

7 %

51 %

5 %

-12 %

0 %

28 %

4 %

25 %

5 %

14 %

k. A.

25 %

Strom: Großhandel3

306 %

122 %

227 %

245 %

259 %

151 %

343 %

121 %

271 %

281 %

153 %

210 %

k. A.

153 %

Strom: Haushalte2

21 %

8 %

15 %

16 %

5 %

23 %

14 %

19 %

-8 %

5 %

3 %

-2 %

-2 %

4 %

 

LT

LU4

HU

MT

NL

AT

PL

PT

RO

SI

SK

FI

SE

EU5

Gas: Großhandel1

283 %

572 %

410 %

k. A.

572 %

462 %

504 %

0 %

-41 %

52 %

37 %

289 %

7 %

429 %

Gas: Haushalte2

8 %

17 %

-6 %

k. A.

29 %

19 %

-2 %

-4 %

103 %

-1 %

-8 %

k. A.

6 %

14 %

Strom: Großhandel3

154 %

259 %

143 %

171 %

273 %

258 %

83 %

271 %

121 %

151 %

206 %

83 %

135 %

230 %

Strom: Haushalte2

17 %

7 %

-5 %

0 %

-20 %

14 %

3 %

-4 %

48 %

5 %

9 %

5 %

17 %

7 %

1 Quelle: Hub-Daten und EUROSTAT (letzte verfügbare Daten). Stand September 2021 für Länder mit einem funktionsfähigen Handelsplatz (BE, BG, CZ, DK, DE, EE, ES, FR, IT, LV, LT, HU, NL, AT, PL, FI).

Alle anderen Mitgliedstaaten: Stand Juni 2021 (EUROSTAT), mit Ausnahme Schwedens (Mai 2021).

2 Quelle: VAASAETT (September 2021).

3 Quelle: ENTSO-E und weitere Quellen (September 2021).

4 Die Großhandelsdaten für Luxemburg basieren auf den Daten für Deutschland (Strom) und die Niederlande (Gas).

5 Für die Schätzung der EU-Benchmarks wurden je nach Datenverfügbarkeit unterschiedliche Näherungswerte verwendet.

Wenngleich das aktuelle Hochpreisniveau für alle spürbar ist, sind von Energiearmut betroffene Haushalte sowie Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen am stärksten betroffen, da sie einen deutlich größeren Teil ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen 7 . Energiearmut wird von der Kommission genau verfolgt. Laut den aktuell verfügbaren Daten konnten 2019 etwa 7 % der Bevölkerung der EU-27, d. h. 31 Millionen Menschen, ihre Wohnungen nicht angemessen heizen, wobei je nach Einkommensgruppe und Mitgliedstaat erhebliche Unterschiede bestehen. Außerdem lebten 6 % der EU-Bevölkerung in Haushalten, die mit ihren Zahlungen gegenüber Versorgungsunternehmen im Rückstand waren.

 

Soziale Auswirkungen und Verteilungseffekte hängen von den laufenden Verträgen und den rechtlichen Rahmenbedingungen ab, zu denen auch bestehende Vorkehrungen zum Schutz insbesondere von benachteiligten und von Energiearmut betroffenen Verbrauchern zählen. Solche Schutzvorkehrungen können auch soziale und gemeinnützige Maßnahmen, einschließlich Sozialtarifen, sowie weitere Instrumente umfassen, die mit dem EU-Binnenmarkt – insbesondere der Elektrizitätsrichtlinie 8 , der Gasrichtlinie 9 und den Leitlinien der Kommission 10 – im Einklang stehen. 

Steigende Gas- und Strompreise können auch für die Industrie und KMU erhebliche Folgen haben. Die Auswirkungen der hohen Energiepreise sind in den einzelnen Sektoren unterschiedlich ausgeprägt – während in Industriebranchen die Produktion durch das hohe Preisniveau gebremst wird, sind die Auswirkungen im Dienstleistungssektor weniger spürbar. Die Liquiditätsprobleme einiger Unternehmen und insbesondere von KMU nach COVID-19 werden durch die aktuelle Lage weiter verschärft, was sich in den einzelnen Sektoren unterschiedlich auswirkt.

Hohe Energiepreise beeinflussen die globalen und europäischen Lieferketten und wirken sich auf Produktion, Beschäftigung und das Preisniveau aus. Energieintensive Wirtschaftszweige 11 sind schwer betroffen, was sich am Beispiel der Düngemittelbranche veranschaulichen lässt. Aufgrund der starken Abhängigkeit von Erdgas als Rohstoff ist die Produktion in diesem Sektor unrentabel geworden und wurde deshalb in den vergangenen Wochen deutlich reduziert. Dies wiederum wirkt sich auf die Arbeitsplätze in der Branche aus. Darüber hinaus dürfte die geringere Produktion von Düngemitteln zeitweilig höhere Nahrungsmittelpreise bzw. niedrigere Gewinnspannen für die Lebensmittelindustrie zur Folge haben.

Ein Anstieg der Energiepreise hat auch erhebliche und unmittelbare Auswirkungen auf den Verkehrs- und Mobilitätssektor, was für Kraftfahrer, Bahn- und Flugreisende und Güterverkehrskunden höhere Kosten bedeutet.

Weltweit hohe Energiepreise können auch zu einem Rückgang der Rohstoff- und Teilelieferungen führen, wenn die Produktion zurückgefahren wird. Dies betrifft derzeit verschiedene Produktionsbetriebe in der EU, die von solchen Teilen und Werkstoffen abhängig sind – beispielhaft sind hier Magnesium und die EU-Automobilindustrie zu nennen.

Gesamtwirtschaftlich gesehen hat der drastische Anstieg der Energiepreise auch die Inflation nach oben getrieben. Erstmals nach mehreren Jahren hat die Inflation in der EU und vielen anderen modernen Volkswirtschaften seit Jahresbeginn wieder deutlich angezogen. Erklären lässt sich dies vor allem durch temporäre Faktoren, etwa dadurch, dass einige Rohstoffpreise nach historischen Tiefständen wieder das Vorpandemie-Niveau erreicht oder überschritten haben, oder bei bestimmten Waren Lieferengpässe bestehen. Da diese Faktoren voraussichtlich nicht von Dauer sein werden, dürfte sich auch die Inflation ab nächstem Jahr wieder abschwächen.

Insgesamt erholt sich die Wirtschaft der EU schneller als erwartet und sollte zumindest kurzfristig auch weiterhin wachsen. Die Erstrundeneffekte auf die Haushaltssalden werden einerseits davon abhängen, wie groß das Einnahmeplus bei den Steuern – aufgrund der höheren Mehrwertsteuereinnahmen bei Energieerzeugnissen und der höher als erwartet ausfallenden Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten – ist, und andererseits vom Umfang der Schutzmaßnahmen für Endverbraucher, insbesondere staatlicher Transferleistungen zur Unterstützung benachteiligter Haushalte oder zur Senkung der Mehrwertsteuer.

2.3.Trends und Aussichten

Die aktuellen Marktaussichten bei Energieerzeugnissen 12 deuten darauf hin, dass die aktuellen Preissteigerungen wohl nur vorübergehend sind. Voraussichtlich werden die Gasgroßhandelspreise in den Wintermonaten hoch bleiben und ab April 2022 wieder fallen. Gleichwohl dürfte sich das Preisniveau über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre einpendeln 13 .

Die Gasspeichermengen in Europa sind derzeit zwar auf einem niedrigen Stand 14 , erscheinen aber dennoch angemessen, um in einem Winter ähnlich wie dem des Vorjahres auf Versorgungsrisiken vorbereitet zu sein. In jedem Fall aber ist die Entwicklung der Witterungsverhältnisse über den Winter eine zentrale Variable, die es zu beobachten gilt.

Nutzung von Speicherkapazität

Quelle: Gas Infrastructure Europe

In der EU-Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung 15 wird ein Rahmen für die Vorsorge und Reaktionsbereitschaft der EU in Bezug auf Gasversorgungsunterbrechungen festgelegt. Sie regelt den Informationsaustausch, die regionale Zusammenarbeit und die Entwicklung von Notfallplänen. Die Verordnung umfasst einen Solidaritätsmechanismus, der in extremen Gasversorgungskrisen ausgelöst werden kann. Die Kommission beruft regelmäßig das Netzwerk für die Sicherheit der Gasversorgung ein und beobachtet fortlaufend die Lage auf regionaler Ebene.

Mittelfristig sind weitere Preisschwankungen und auch sprunghafte Veränderungen nicht auszuschließen, da sich Angebot und Nachfrage in der Welt unter Umständen – bedingt durch geopolitische, technische und wirtschaftliche Faktoren – nicht immer reibungslos austarieren.

Die weltweite Stromnachfrage wird 2021 voraussichtlich um knapp 5 % und 2022 um 4 % zunehmen, was auf die weltweite wirtschaftliche Erholung zurückzuführen ist. In Europa dürfte die Stromnachfrage im Jahr 2022 um fast 2 % steigen.

3.Eine Toolbox zur Bewältigung der Herausforderung

Der derzeitige Preisanstieg erfordert eine rasche und koordinierte Reaktion. Der bestehende Rechtsrahmen ermöglicht es der EU und ihren Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um den Auswirkungen plötzlicher Preisschwankungen entgegenzuwirken.

Als unmittelbare Reaktion sollten maßgeschneiderte Maßnahmen Priorität erhalten, die die Auswirkungen auf gefährdete Gruppen rasch verringern und leicht angepasst werden können, wenn sich die Lage für diese Gruppen bessert, wobei Eingriffe in die Marktdynamik und eine Schwächung der Anreize für die Dekarbonisierung der Wirtschaft zu vermeiden sind. Mittelfristig sollte die politische Reaktion in erster Linie darauf ausgerichtet sein, die EU energieeffizienter zu machen, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Energiepreisspitzen zu stärken. Gleichzeitig muss die Versorgung der Endverbraucher mit bezahlbarer, sauberer Energie sichergestellt sein.

3.1.Sofortmaßnahmen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Unternehmen

Zwanzig Mitgliedstaaten haben bereits Maßnahmen ergriffen oder beabsichtigen, dies zu tun, wobei sie sich oft darauf konzentrieren, die Auswirkungen auf besonders schutzbedürftige Verbraucher, kleinere Unternehmen und energieintensive Industriezweige zu mindern. Dazu zählen z. B. Preisobergrenzen und vorübergehende Steuererleichterungen für schutzbedürftige Energieverbraucher sowie Gutscheine und Subventionen für Verbraucher und Unternehmen.

Diese Sofortmaßnahmen könnten teilweise mit den Einnahmen aus Versteigerungen von EU-EHS-Zertifikaten sowie durch Abgaben und Steuern auf Energiepreise und durch Umweltsteuern finanziert werden. Da die EHS-Einnahmen höher sind als erwartet, könnten sie in der aktuellen Lage genutzt werden, um den unvorhergesehenen Bedarf an gezielter sozialer Unterstützung zu decken. Zwischen dem 1. September 2020 und dem 30. August 2021 beliefen sich die Einnahmen aus der Versteigerung von EU-EHS-Zertifikaten 16 auf 26,3 Mrd. EUR. 

3.1.1.Finanzielle Soforthilfe und Vermeidung von Netztrennungen

Die Mitgliedstaaten können spezielle soziale Zahlungen an die am stärksten gefährdeten Verbraucher vornehmen, um sie kurzfristig bei der Begleichung ihrer Energierechnungen zu unterstützen, oder ihnen bei Energieeffizienzverbesserungen Hilfe leisten, wobei sie auf einen funktionierenden Markt achten müssen. Dazu könnten sie Pauschalzahlungen vornehmen, um die Anreize zur Senkung des Energieverbrauchs und zu Investitionen in Energieeinsparungen nicht zu beeinträchtigen. 

Zudem 17 können die Mitgliedstaaten Schutzmaßnahmen treffen, um Netztrennungen zu vermeiden, oder vorübergehende Zahlungsaufschübe gewähren, wenn Verbraucher kurzfristig Schwierigkeiten haben, ihre Rechnungen zu bezahlen. Mehrere Mitgliedstaaten haben solche Maßnahmen zu Beginn der COVID-19-Pandemie eingeführt 18 und könnten diese nun verlängern.

Auf der Grundlage der letztjährigen Empfehlung zur Energiearmut 19 wird die Kommission die Vertreter der Mitgliedstaaten und der Energieregulierungsbehörden dazu aufrufen zusammenzuarbeiten, um Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Verbraucher zu treffen. So können sich die Mitgliedstaaten über bewährte Verfahren austauschen und Maßnahmen gezielter auf Energiearmut ausrichten – im Einklang mit einschlägigen EU-Strategien, etwa in den Bereichen Energieeffizienz und Gebäuderenovierung (Renovierungswelle).

Die Mitgliedstaaten könnten

-von Energiearmut betroffene Endverbraucher und von Energiearmut bedrohte Gruppen für einen befristeten Zeitraum direkt unterstützen, etwa durch Gutscheine oder die teilweise Deckung der Energierechnung; für die Finanzierung könnten sie dabei unter anderem EHS-Einnahmen nutzen;

-Schutzmaßnahmen treffen und/oder beibehalten, um Netztrennungen zu vermeiden, oder vorübergehende Zahlungsaufschübe gewähren;

-sich über bewährte Verfahren austauschen und Maßnahmen über die Koordinierungsgruppe der Kommission „Energiearmut und schutzbedürftige Verbraucher“ miteinander abstimmen.

3.1.2.Besteuerung

Steuern und Abgaben ermöglichen es, Ausgleichsmaßnahmen für die schutzbedürftigsten Haushalte zu treffen und Energiearmut zu bekämpfen und gleichzeitig Anreize für Investitionen in erneuerbare Energiequellen und die Unterstützung des ökologischen Wandels zu schaffen.

Steuern und Abgaben 20 auf die Endverbraucherstrom- und -gaspreise variieren beträchtlich. Im Durchschnitt entfallen 41 % der Strompreise von Haushalten und 30-34 % der Strompreise der Industrie sowie 32 % der Gaspreise der Privathaushalte und 13-16 % der Gaspreise der Industrie auf Steuern und Abgaben. Die EU-Richtlinie über die Energiebesteuerung 21 und die EU-MwSt-Richtlinie 22 gewähren den Mitgliedstaaten dabei einen gewissen Spielraum. Nach der Energiebesteuerungsrichtlinie können die Mitgliedstaaten Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen für Strom, Erdgas, Kohle und feste Brennstoffe bei der Nutzung in Privathaushalten gewähren. Die Mitgliedstaaten können diese Steuerbefreiungen oder ‑ermäßigungen entweder direkt – durch Anwendung differenzierter Steuersätze – oder durch vollständige oder teilweise Erstattung des Steuerbetrags umsetzen. Steuerermäßigungen müssen gezielt erfolgen und dürfen keine Verzerrungen nach sich ziehen. Die Mitgliedstaaten können ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf Energieerzeugnisse anwenden, solange sie die in der EU-MwSt-Richtlinie 23 festgelegten Mindestsätze einhalten und den EU-Mehrwertsteuerausschuss konsultieren.

Einige Mitgliedstaaten nutzen die zusätzlichen Steuereinnahmen für Pauschalausgleichszahlungen an schutzbedürftige Haushalte. Andere verwenden einen Teil der Einnahmen aus Umweltsteuern zur Finanzierung der Sozialsysteme. Mitgliedstaaten, in denen die für die Subventionierung erneuerbarer Energien erhobenen Abgaben einen erheblichen Teil des Endverbraucher-Strompreises ausmachen, könnten es in Betracht ziehen, diese energiepolitischen Maßnahmen aus anderen öffentlichen Einnahmen als über die Strompreise zu finanzieren. So könnten sie schutzbedürftige Verbraucher bei ihren Energiekosten erheblich entlasten.

Der im Juli 2021 vorgelegte Vorschlag für eine Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie zielt darauf ab, die Energiebesteuerung in der EU zu modernisieren – durch Anpassung an die EU-Klimaziele und Sicherstellung sozialer Gerechtigkeit. Die überarbeitete Richtlinie soll Investitionen in erneuerbare Energien und deren Nutzung fördern und sieht die Möglichkeit gezielter Ausnahmen vor, um schutzbedürftige und von Energiearmut betroffene Haushalte insbesondere während der Zeit der Umstellung auf ein saubereres Energiesystem zu unterstützen.

Die Mitgliedstaaten könnten

-die Steuersätze für schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen befristet und gezielt verringern;

-erwägen, für die Finanzierung von Förderregelungen für erneuerbare Energien anstelle von Abgaben auf die Strompreise andere Quellen zu nutzen. 

3.1.3.Staatliche Beihilfen

Maßnahmen allgemeiner Art, die allen Energieverbrauchern gleichermaßen zugutekommen, stellen keine staatlichen Beihilfen dar. Solche nicht selektiven Maßnahmen können z. B. in Form reduzierter Steuern oder Abgaben oder reduzierter Sätze für die Lieferung von Erdgas, Strom oder Fernwärme erfolgen. Auch wenn nationale Maßnahmen als Beihilfen zu betrachten sind, können sie unter bestimmten Bedingungen mit den Beihilfevorschriften vereinbar sein. Beispielsweise können die Mitgliedstaaten Beihilfen in Form von Ermäßigungen harmonisierter Umweltsteuern bis zu den in der Energiebesteuerungsrichtlinie festgelegten Mindestsätzen ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission gewähren.

Gezieltere Unterstützungsmaßnahmen können genutzt werden, um Unternehmen oder Industriezweigen dabei zu helfen, sich rechtzeitig an die Energiewende anzupassen und umfassend daran teilzunehmen. Durch Einhaltung des Beihilferechts und internationaler Subventionsvorschriften wird sichergestellt, dass die Maßnahmen den Wettbewerb nicht übermäßig verfälschen oder zu einer Fragmentierung des Binnenmarktes führen. Beihilfemaßnahmen sollten technologieneutral sein und nicht zu einer Ungleichbehandlung von Unternehmen führen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden 24 . Zudem sollten sie die Effizienz bestehender marktbasierter Mechanismen (einschließlich des EU-EHS) nicht beeinträchtigen und mit den allgemeinen Dekarbonisierungszielen sowie mit den Zielen der nationalen Energie- und Klimapläne im Einklang stehen.

Langfristige Bezugsverträge für Energie aus erneuerbaren Quellen sollten unterstützt werden. Sie können sowohl für industrielle Stromverbraucher als auch für die Erzeuger von Energie aus erneuerbaren Quellen Vorteile haben. Dabei handelt es sich um langfristige Verträge, in denen ein Stromerzeuger mit einem Stromverbraucher vereinbart, eine bestimmte Menge an erneuerbarem Strom für einen längeren Zeitraum zu einem bestimmten Preis zu kaufen bzw. zu verkaufen. Diese Verträge bieten dem Erzeuger Sicherheit in Bezug auf bestimmte Einnahmen, während der Verbraucher von einem stabilen Strompreis profitiert. Die Kommission wird mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um den Markt für Bezugsverträge für dekarbonisierten Strom über Großunternehmen hinaus zu erweitern, wobei auch KMU einbezogen werden sollen, etwa durch Aggregierung der Endverbrauchernachfrage, durch Beseitigung relevanter administrativer Hindernisse oder durch Bereitstellung von Standardvertragsklauseln. Kurzfristig können flankierende Maßnahmen wie Vermittlungsdienste („Matchmaking“), Standardverträge und die Risikominderung durch InvestEU-Finanzprodukte die Verbreitung dieser Vereinbarungen unterstützen.

Die Mitgliedstaaten könnten

-Maßnahmen zur Verringerung der Energiekosten für alle Energieverbraucher ergreifen;

-Hilfen für Unternehmen oder Industriezweige bei der Bewältigung der Krise bereitstellen, wobei sie den Rahmen für staatliche Beihilfen vollständig einhalten müssen und gleichzeitig den darin vorgesehenen Spielraum auf angemessene Weise nutzen und die Abkehr von fossilen Brennstoffen unterstützen können;

-einen breiteren Zugang zu Strombezugsverträgen für Energie aus erneuerbaren Quellen über Großunternehmen hinaus fördern und KMU einbeziehen, z. B. durch Aggregierung der Endverbrauchernachfrage im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht;

-die Verbreitung von Strombezugsverträgen durch flankierende Maßnahmen wie „Matchmaking“, Standardverträge und die Risikominderung durch InvestEU-Finanzprodukte unterstützen.

3.1.4.Verstärkte Marktüberwachung

Angesichts der derzeitigen hohen Preise ist es wichtiger denn je, Risiken für die Versorgungssicherheit zu antizipieren und für die Transparenz und Integrität der Märkte zu sorgen, um Bedenken hinsichtlich manipulativer Praktiken oder eines Marktmissbrauchs auszuräumen, auch vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen. Dazu ist es erforderlich, alle der Kommission zur Verfügung stehenden Marktüberwachungs- und Durchsetzungsinstrumente in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu mobilisieren.

Mit der Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (REMIT-Verordnung) verfügt die EU über ein starkes und robustes Instrument zur Ermittlung von Marktmanipulationen. Die REMIT-Verordnung bildet die Grundlage für die Verbesserung der Markttransparenz und -integrität und dient somit letztlich dem Interesse von Unternehmen und Verbrauchern.

In der öffentlichen Debatte über die Energiepreisspitzen wurden Bedenken hinsichtlich möglicher Wettbewerbsverzerrungen durch auf den europäischen Gasmärkten tätige Unternehmen geäußert. Die Kommission überprüft derzeit mit hoher Priorität alle Hinweise auf ein mögliches wettbewerbswidriges Geschäftsverhalten von Unternehmen, die Erdgas erzeugen und nach Europa liefern 25 . Dabei arbeitet sie im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes (ECN) eng mit den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zusammen. Die handelspolitischen Schutzinstrumente der EU können zudem dazu beitragen, für einen offenen und fairen Wettbewerb zwischen energieintensiven Unternehmen in Drittländern und in der EU ansässigen Unternehmen zu sorgen.

Ferner stehen Fragen hinsichtlich der Funktionsweise des europäischen CO2-Marktes und der Gründe für die Erhöhung des CO2-Preises im Raum. Aus aktuellen Marktinformationen geht jedoch nicht hervor, dass Spekulationen ein wichtiger Grund für den Preisanstieg auf dem CO2-Markt sind. Die Berichte der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) haben Mitte September 2021 gezeigt, dass die meisten Positionen (mehr als 90 %) von Unternehmen, die Verpflichtungen aus der EHS-Richtlinie unterliegen, sowie von Banken gehalten werden, die eine wichtige Rolle bei der Deckung des Absicherungsbedarfs dieser Unternehmen spielen. Die Beteiligung von Finanzinstituten am Markt erhöht die Liquidität, was wiederum den Preisdruck senkt.

Eine faire Preisbildung und die Integrität des europäischen CO2-Marktes werden durch ein robustes Aufsichtssystem garantiert, dem auch andere Finanzmärkte unterliegen 26 . Die Beteiligung von Finanzinstituten am CO2-Markt sollte die Liquidität erhöhen und somit dazu beitragen, die Preisvolatilität und den Preisdruck zu verringern. Im Hinblick auf eine genauere Untersuchung bestimmter Muster des Handelsverhaltens und der möglichen Notwendigkeit gezielter Maßnahmen wird die Kommission die ESMA beauftragen, bis 15. November eine erste vorläufige Bewertung vorzunehmen und den Handel mit Emissionszertifikaten bis Anfang 2022 zu analysieren. Anschließend wird die Kommission prüfen, ob aufgrund bestimmter Handelspraktiken weitere Regulierungsmaßnahmen erforderlich sind. 

Die Kommission wird

-Hinweise auf mögliche wettbewerbswidrige Verhaltensweisen auf dem Energiemarkt prüfen;

-die ESMA ersuchen, die Entwicklungen auf dem europäischen CO2-Markt noch stärker zu überwachen;

-zusammen mit der ACER und den nationalen Behörden für eine wirksame Durchsetzung der REMIT-Verordnung sorgen.

3.1.5.Zusammenarbeit mit internationalen Partnern

Angesichts der weltweiten Reichweite des derzeitigen Preisanstiegs kann die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Erdgasversorgung, -transport und -verbrauch dazu beitragen, die Erdgaspreise zu begrenzen. Die Kommission führt daher zur Förderung des Erdgashandels Gespräche mit den wichtigsten Erdgasförder- und -verbraucherländern. Ziel dieses Dialogs mit unseren internationalen Partnern ist es, die Liquidität und Flexibilität des internationalen Erdgasmarktes zu verbessern, um für eine ausreichende, wettbewerbsorientierte Erdgasversorgung zu sorgen.

Die Kommission wird

-ihre internationalen Kontakte im Energiebereich ausbauen, um die Transparenz, Liquidität und Flexibilität der internationalen Märkte zu gewährleisten;

-Anfang 2022 eine Strategie für die internationale Zusammenarbeit im Energiebereich vorlegen, in der sie unter anderem erforderliche Maßnahmen prüfen wird, um Sicherheit und Wettbewerb auf den internationalen Energiemärkten während der gesamten laufenden Energiewende zu gewährleisten.

3.2.Mittelfristige Maßnahmen

Der derzeitige unerwartete Preisanstieg wirft ein Schlaglicht auf einige Unwägbarkeiten der Energiewende weltweit.

Als Lehre aus dieser Krise sollte die EU daher auch Maßnahmen in Erwägung ziehen, die zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf die derzeitige Situation haben, aber die Vorsorge für mögliche künftige Preisschocks verbessern, die Marktintegration und Widerstandsfähigkeit erhöhen, die Stellung der Verbraucher stärken, den Zugang zu bezahlbarer Energie verbessern und die Abhängigkeit von volatilen fossilen Brennstoffen verringern.

Die EU wird weiterhin Maßnahmen zur Förderung eines hohen Anteils erneuerbarer Energien im Energiesystem treffen, etwa durch angemessene Speicherung, grenzüberschreitende Verbindungsleitungen sowie Grundlast- und flexible Stromerzeugung, damit mögliche vorübergehende Versorgungsengpässe oder -überschüsse ausgeglichen werden können.

3.2.1.Speicherkapazität und ein krisenfestes Energiesystem

 
Die aktuellen Ereignisse führen uns vor Augen, dass die Widerstandsfähigkeit des europäischen Energiesystems angesichts der Integration dezentralerer erneuerbarer Energien und der schrittweisen Abkehr von fossilen Brennstoffen immer wichtiger wird. Die Vorkehrungen für die Versorgungssicherheit und die Risikovorsorge müssen den Herausforderungen der Energiewende gewachsen sein.

Die derzeitige Lage auf dem Gasmarkt zeigt, dass der Umfang der Gasspeicherung weiterhin ein relevanter Faktor ist. Derzeit ist die Gasspeicherung nicht in allen EU-Mitgliedstaaten verfügbar. In etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten wird die Nutzung der Speicherung durch nationale Verpflichtungen unterstützt, etwa in Bezug auf strategische Reserven, die im Notfall verwendet werden. Ein stärker auf europäischer Ebene integrierter Ansatz könnte Kosten und Nutzen der Gasspeicherung in der gesamten EU optimieren und so dazu beitragen, Energiepreisschwankungen abzufedern.

Quelle: JRC anhand von Daten des Verbands Gas Infrastructure Europe (GIE)

Die Kommission plant, die Verordnung über die Gasversorgungssicherheit im Dezember 2021 zu überarbeiten. Dabei könnte die Widerstandsfähigkeit des EU-Gasmarktes z. B. durch Bestimmungen für einen leichteren grenzüberschreitenden Zugang zu Speicherkapazitäten gestärkt werden, wobei auch erneuerbare und kohlenstoffarme Gase einbezogen werden könnten. Die Kommission könnte den möglichen Nutzen marktbasierter Fördermechanismen (z. B. Nutzung von Auktionen) untersuchen, um sicherzustellen, dass die verfügbaren Gasspeicherkapazitäten optimal genutzt werden. In diesem Zusammenhang ist es auch von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen technischen, finanziellen und rechtlichen Vorkehrungen für grenzüberschreitende Gaslieferungen treffen.

Zudem wird die Kommission die möglichen Vorteile einer gemeinsamen Beschaffung von Erdgasreserven durch Einrichtungen, die der Regulierung unterliegen, oder durch nationale Behörden prüfen, damit Kräfte gebündelt und strategische Reserven aufgebaut werden können. Die Teilnahme an der gemeinsamen Beschaffung wäre freiwillig, und das System sollte so strukturiert sein, dass es die Funktionsweise des Energiebinnenmarkts nicht beeinträchtigt und die Wettbewerbsvorschriften eingehalten werden.

Die Kommission beabsichtigt, auf der Grundlage der Verordnung (EU) 2017/1938 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung in Kürze einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, um neue grenzübergreifend tätige regionale Gruppen für Erdgasversorgungsrisiken einzurichten. Diese Gruppen sollen die Risiken für die nächsten vier Jahre analysieren und die Mitgliedstaaten und die Kommission zu Maßnahmen für ein angemessenes Risikomanagement beraten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei Regionen mit außergewöhnlich niedrigen Speichermengen. Zudem werden die Gruppen die Möglichkeit prüfen, auf regionaler Ebene gemeinsame freiwillige Vorkehrungen zur Speicherung zu treffen.

Wie in der Mitteilung der Kommission vom April 2021 angekündigt, wird die Kommission einen ergänzenden delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie erlassen, der Tätigkeiten umfassen soll, die vom delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie für Klima bisher noch nicht abgedeckt sind. Vorbehaltlich der entsprechenden Überprüfung, die zurzeit gemäß der EU-Taxonomieverordnung durchgeführt wird, und im Einklang mit den Ergebnissen dieser Überprüfung wird dieser ergänzende delegierte Rechtsakt auch die Kernenergie berücksichtigen. Der ergänzende delegierte Rechtsakt wird sich auch auf Erdgastechnologien und damit verbundene Technologien als Übergangstätigkeiten erstrecken, soweit sie unter Artikel 10 Absatz 2 der EU-Taxonomieverordnung fallen. In diesem Kontext werden auch die Vorteile einer Verfallsklausel für Übergangstätigkeiten geprüft. Die Kommission könnte Rechtsvorschriften vorschlagen, um insbesondere im Energiesektor, einschließlich des Gassektors, die Finanzierung bestimmter Wirtschaftstätigkeiten zu fördern, die zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen und dadurch den Übergang zur Klimaneutralität unterstützen, aber nicht in die Taxonomie aufgenommen werden können.

Die Energiespeicherung wird für den Energiesektor und seine Nachhaltigkeit in der EU immer wichtiger. Dabei müssen sowohl kurz- bis mittelfristige Speicheroptionen (Batterien) als auch langfristige Optionen (Power-to-X) genutzt werden. Der Ausbau der Stromspeicherung unterstützt insbesondere die Integration erneuerbarer Energien in das System und trägt dazu bei, Nachfragespitzen abzuflachen. Dadurch könnten auch die Strompreise in Spitzenzeiten gesenkt werden, in denen oft die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen den Preis bestimmt. In diesem Bereich sind daher erhebliche Investitionen erforderlich. Die Kommission wird die wichtigsten EU-Maßnahmen ermitteln, die dazu beitragen, die Entwicklung der Stromspeicherung als zentrales Flexibilitätsinstrument zu fördern und gleiche Wettbewerbsbedingungen sowie angemessene wirtschaftliche Signale zu gewährleisten.

Der Strommarkt in der EU basiert auf dem Grenzkostenprinzip und ist ein clearingpreisgebundener Markt, d. h., auf Großhandelsebene erhalten alle Anbieter denselben Strompreis. Da Gaskraftwerke häufig noch immer zur Deckung des Strombedarfs benötigt werden, hat der Gaspreis Auswirkungen auf die Kosten der Stromerzeugung – mit den derzeit deutlich werdenden negativen Folgen. Es besteht jedoch allgemeiner Konsens darüber, dass das Grenzkostenmodell das effizienteste Modell für liberalisierte Strommärkte ist und sich für die Förderung eines wirksamen Stromhandels zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Großhandelsmarkt am besten eignet. Zudem ist es ein maßgeschneidertes Instrument zur Förderung der Integration erneuerbarer Energien, mit denen die Preise sinken, da ihre Betriebskosten gleich Null sind.

Wenngleich derzeit keine klaren Anzeichen dafür vorliegen, dass ein alternatives Marktmodell niedrigere Preise und bessere Anreize nach sich ziehen würde, wird die Kommission die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) beauftragen, die Vor- und Nachteile der derzeitigen Gestaltung des Stromgroßhandelsmarktes zu prüfen, einschließlich der vorhandenen Möglichkeiten für den Umgang mit einer extremen Preisvolatilität auf den Gasmärkten und möglicher Gegenmaßnahmen, wobei gleichzeitig ein kosteneffizienter Übergang zu einem CO2-neutralen Energiesystem sicherzustellen ist. Zudem ersucht die Kommission die ACER um Empfehlungen, die die Kommission im Hinblick auf Folgemaßnahmen prüfen wird. In der Zwischenzeit wird die Kommission zusammen mit der ACER eine erste Bewertung der Situation auf dem Strommarkt vornehmen und darüber bis Mitte November berichten.

Darüber hinaus ist es wichtig, die Widerstandsfähigkeit des Energiesystems an neue Risiken wie Cyberbedrohungen oder extreme Wetterereignisse anzupassen. Die Kommission wird bis Ende 2022 Maßnahmen ergreifen, um die Widerstandsfähigkeit kritischer Energieinfrastrukturen angesichts neu entstehender Gefahren weiter zu verbessern. So plant sie neue Vorschriften zur Cybersicherheit des Elektrizitätssystems, die vollständig mit den allgemeinen Rechtsvorschriften zur Cybersicherheit im Einklang stehen sollen 27 , eine Empfehlung der Kommission für ein harmonisiertes Konzept zur Bestimmung kritischer Energieinfrastrukturen, zum Informationsaustausch und zu verfügbaren Optionen zur Finanzierung der Widerstandsfähigkeit kritischer Energieinfrastrukturen. Zudem soll eine für die Widerstandsfähigkeit der Energieinfrastruktur zuständige ständige europäische Gruppe mit Vertretern von Betreibern und Behörden eingerichtet werden.

Darüber hinaus wird die Kommission das Potenzial vollständig aneinander angeglichener regionaler oder EU-weiter Endverbrauchermärkte untersuchen. Es liegen Hinweise vor 28 , dass eine stärkere grenzüberschreitende Angleichung der Vorschriften und Praktiken auf dem Endverbrauchermarkt den grenzüberschreitenden Wettbewerb fördert und dazu beiträgt, die Preise zu begrenzen. Dabei kann sich die Kommission auf zwei wichtige laufende Projekte – Durchführungsrechtsakte zur Interoperabilität – stützen. Wie bei der Kopplung des Stromgroßhandelsmarkts könnte eine solche Marktangleichung zunächst durch die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Mitgliedstaaten erfolgen, aus der sich im Laufe der Zeit ein vollständig integrierter Energiemarkt für Endverbraucher entwickeln könnte. 

Innovationen sind eine entscheidende Komponente eines widerstandsfähigen Energiesystems in der EU. Europa ist bei Start-up-Unternehmen, die innovative Lösungen im Bereich nachhaltiger Energie entwickeln – von Tiefengeothermie bis hin zu Wasserstoff – weltweit führend. Die Mitgliedstaaten und die EU sollten die Umsetzung innovativer Lösungen gemeinsam unterstützen.

Die Kommission wird

-bis Dezember 2021 einen Rechtsrahmen für den Gas- und Wasserstoffmarkt vorschlagen;

-eine Überarbeitung der Verordnung über die Versorgungssicherheit in Erwägung ziehen, um eine wirksamere Gasspeicherung im gesamten Binnenmarkt zu gewährleisten und die erforderlichen Solidaritätsvereinbarungen zu schließen;

-bis November 2021 eine Verordnung erlassen, um neue grenzübergreifend tätige regionale Gruppen für Erdgasversorgungsrisiken einzurichten, die Risiken analysieren und die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer nationalen Präventions- und Notfallpläne beraten sollen;

-die Entwicklung zukunftssicherer Optionen für die Energiespeicherung als zentrales Mittel für die Flexibilität unterstützen, sowohl was die kurz- bis mittelfristige Speicherung (z. B. Laststeuerung und Batterien) als auch die langfristige Speicherung (z. B. Wasserstoff) betrifft;

-die möglichen Vorteile und die mögliche Gestaltung einer freiwilligen gemeinsamen Beschaffung von Gasvorräten im Einklang mit der Energiemarktregulierung und den EU-Wettbewerbsvorschriften untersuchen; 

-ein Regelwerk für die Cybersicherheit im Elektrizitätssektor festlegen;

-die ACER beauftragen, die Vor- und Nachteile der derzeitigen Strommarktgestaltung zu untersuchen und der Kommission bis April 2022 Empfehlungen vorzulegen;

-das Potenzial einer Initiative zur Entwicklung vollständig harmonisierter regionaler oder EU-weiter Endverbrauchermärkte prüfen.

Der Marktaustritt oder der Ausfall eines Anbieters kann negative Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher haben – ohne dass diese Kontrolle darüber haben. Steigende Energiepreise können insbesondere für kleine Anbieter von Festpreisverträgen zu einem übermäßigen Druck führen. Deshalb ist es notwendig, allen – auch kleinen – Energieversorgern den Zugang zu den Finanzmärkten zu erleichtern, damit sie ihre Verträge gegen künftige Preisentwicklungen absichern können. Um hier Abhilfe zu schaffen, wird in den EU-Rechtsvorschriften anerkannt, dass die Mitgliedstaaten einen Versorger letzter Instanz benennen können. Es ist jedoch auch wichtig, dass dabei keine Fehlanreize für ein sorgloses Verhalten gesetzt werden, Anbieter also nicht auf Kosten aller Verbraucherinnen und Verbraucher vor ihren eigenen Geschäftsentscheidungen geschützt werden. In Verbindung mit Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs kleiner Anbieter zu langfristigen Märkten wird die Kommission die Vorschriften zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor dem Ausfall einzelner Anbieter und zur Funktionsweise von Systemen des Versorgers letzter Instanz präzisieren.

Die Kommission wird

-bis Dezember 2021 einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates vorlegen, die den Mitgliedstaaten weitere Orientierungshilfen für die Behandlung der sozialen und arbeitsrechtlichen Aspekte des ökologischen Wandels bietet.

Die Mitgliedstaaten könnten

-die Stellung der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken; dazu sollten sie ihnen Informationen zur Verfügung stellen und Möglichkeiten zur Teilnahme am Energiemarkt, für einen besseren Schutz und für eine stärkere Position in der Energieversorgungskette bieten;

-einen Versorger letzter Instanz bei Marktaustritt oder Ausfall eines Anbieters benennen; 

-die Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Energiemarkt durch Verbesserung der Laststeuerung sowie durch die Entwicklung der Eigenversorgung mithilfe individueller Vereinbarungen über erneuerbare Energien und Energiegemeinschaften weiter stärken.

3.2.3.Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Bei Wind- und Solarkraft fallen nahezu keinerlei variable Kosten an. Mit mehr erneuerbaren Energien im Stromnetz werden die teuersten fossilen Brennstoffe vom Markt verdrängt. Die Anzahl der Stunden, in denen die Menge an Strom aus erneuerbaren Quellen ausreicht, um die gesamte Nachfrage zu decken, nimmt jedes Jahr zu, und die Großhandelspreise werden nahe Null oder sogar negativ sein. 30 Unter Sachverständigen herrscht insgesamt die Meinung vor, dass bei sonst gleichen Bedingungen die Steigerung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu niedrigeren Großhandelspreisen führt. 31  

Neben den Entwicklungen auf den Elektrizitätsmärkten sind die Gesamtkosten einer Reihe von Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren drastisch gesunken. So haben sich etwa die Kosten für Strom aus Photovoltaik-Großanlagen von 2020 bis 2010 um 85 % verringert. 32 Energie aus erneuerbaren Quellen ist bereits heute in vielen Sektoren und Anwendungen die günstigste Energie und die Verbraucher könnten ihre Energiekosten in vielen Fällen durch eine Umstellung auf erneuerbare Energie senken. Dies gilt für die Industrie und Dienstleistungen, aber auch für Haushalte, die etwa in Solarpaneele, Wärmepumpen, Solarwärmeanlagen oder moderne Biomassekessel investieren und damit ihre Strom- und Heizkosten senken können.

Die Mitgliedstaaten sollten daher die Genehmigungsverfahren durch die Straffung langwieriger und komplizierter Prozesse beschleunigen; diese sind bei der Entwicklung und beim Ausbau von Infrastruktur für saubere Energie eines der Haupthindernisse. Auch die Unterstützung des Eigenverbrauchs und von Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften könnte dazu beitragen, dass die Vorteile günstigerer erneuerbarer Energien den Haushalten zugutekommen. Die Steigerung der Produktion von Anlagen für erneuerbare Energien ist ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor für die Beschleunigung des Einsatzes erneuerbarer Energien.

Neue Technologien und die Digitalisierung schaffen neue Möglichkeiten für die lastseitige Flexibilität. Die Kommission wird Anfang 2022 mit der Ausarbeitung eines Netzkodex beginnen, um die rechtlichen Hindernisse für die Entwicklung der lastseitigen Flexibilität abzubauen.

Durch Energieeffizienz wird der Energieverbrauch gesenkt, und somit sinken auch die Energiekosten, doch hierfür sind Investitionen nötig. Insbesondere durch die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden und Geräten wird dadurch eine Ursache von Energiearmut bekämpft. Die Kommission wird auch einen Vorschlag zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz des europäischen Gebäudebestands vorlegen. Mit bestimmten Renovierungsmaßnahmen für Sozialwohnungen und neuen Regeln für die EU-Länder zur Messung und Beobachtung der Anzahl derjenigen, die Probleme haben, ihre Energierechnungen zu begleichen, werden diese Vorschriften für die Gebäuderenovierung dazu beitragen, Energiearmut zu bekämpfen.

Auf EU-Ebene wurden die Investitionen in den ökologischen Wandel bereits verstärkt. Der mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 ist zusammen mit „NextGenerationEU“ das Hauptinstrument für eine rasche Erholung und einen ökologischen und digitalen Wandel, mit dem unsere Volkswirtschaft auf nachhaltiges Wachstum ausgerichtet werden soll. Im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität sehen die 22 von der Kommission genehmigten Pläne 177 Mrd. EUR für klimabezogene Investitionen vor. 33  

Zudem sorgen größere und stärker integrierte Märkte mit grenzüberschreitender Infrastruktur für bessere Bedingungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ein vollständiger und effizienter physischer Verbund mit den Nachbarmärkten und ein grenzüberschreitender Zugang für neue Anbieter werden den Wettbewerb fördern und die Versorgung mit Strom zum wettbewerbsfähigsten Preis sicherstellen. Die Mitgliedstaaten sollten auf der Grundlage von Vorhaben von gemeinsamem Interesse 34 weiterhin Investitionen in transeuropäische Netze fördern, um den Wettbewerb zu stärken und Lieferengpässe zu vermeiden. Zu diesen Vorhaben gehören Verbindungsleitungen, die Behebung nationaler Schwachstellen, Speicherung sowie intelligentere Übertragungs- und Verteilernetze. Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ausarbeiten, um bis 2030 im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Oktober 2014 35 das Stromverbundziel von 15 % zu erreichen.

Die Kommission hat kürzlich vorgeschlagen, die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen zu überprüfen, um den Mitgliedstaaten mehr Möglichkeiten zu bieten, finanzielle Unterstützung für den Klimaschutz und die Dekarbonisierung der Wirtschaft insgesamt zu gewähren. Die neuen Regeln, die voraussichtlich nächstes Jahr in Kraft treten werden, tragen dazu bei, den Einsatz von fossilen Brennstoffen zu verringern und verlorene Vermögenswerte zu vermeiden, und ermöglichen es, Regelungen einzuführen, um neue Technologien wie die Speicherung und erneuerbaren Wasserstoff zu fördern und die Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen zu erleichtern.

Die Mitgliedstaaten sollten

-Auktionen für erneuerbare Energien beschleunigen und sicherstellen, dass die einschlägigen Investitionen im Rahmen des Aufbau- und Resilienzfonds rasch und vollständig umgesetzt werden;

-die Genehmigungsverfahren durch die Straffung langwieriger und komplizierter Prozesse beschleunigen, die bei der Entwicklung und beim Ausbau von Infrastruktur für saubere Energie eines der Haupthindernisse darstellen;

-die Herstellung von Anlagen für erneuerbare Energien unterstützen, da sie ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor für die Beschleunigung des Einsatzes erneuerbarer Energien sind;

-die Investitionen in Energieeffizienz und die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden erhöhen, damit den Energieverbrauch und die Energiekosten senken und den Druck auf den Energiemärkten senken;

-auf der Grundlage von Vorhaben von gemeinsamem Interesse die Investitionen in transeuropäische Netze erhöhen, um Lieferengpässe zu vermeiden. Zu diesen Vorhaben gehören Verbindungsleitungen, die Behebung nationaler Engpässe, Speicherung und intelligentere Übertragungs- und Verteilernetze.

Die Kommission wird

-2022 einen Leitfaden zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien herausgeben und weiterhin eng mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten, um bewährte Verfahren zu ermitteln und sich darüber auszutauschen; 

-Anfang 2022 mit der Ausarbeitung eines Netzkodex für die lastseitige Flexibilität beginnen;

-die Überprüfung der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen abschließen, um die Verwirklichung des europäischen Grünen Deals zu möglichst geringen Kosten zu unterstützen und Investitionen in die Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu erleichtern;

-die Mitgliedstaaten weiterhin darin unterstützen, die im EU-Haushalt sowie im Rahmen von NextGenerationEU verfügbaren Finanzmittel bestmöglich zu nutzen. 

4.Fazit

Ziel der in dieser Mitteilung dargelegten Maßnahmen ist es, auf den derzeitigen Anstieg der Energiepreise zu reagieren und einen Beitrag zu einer sozial gerechten und nachhaltigen Energiewende zu leisten. Die Kommission wird die Lage in den kommenden Monaten genau beobachten.

Die Mitgliedstaaten können tätig werden und ergreifen bereits eine Reihe von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Besteuerung, einer direkten finanziellen Unterstützung und anderen zielgerichteten und zeitlich begrenzten Maßnahmen, um die Probleme, die einigen aus dem Preisanstieg entstehen, kurzfristig einzudämmen. Auf EU-Ebene können mittelfristig eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen in den Bereichen Speicherung, Marktintegration und Energiegemeinschaften ergriffen werden, um die Widerstandsfähigkeit der Energiemärkte zu erhöhen und sie besser auf Schwankungen und die Herausforderungen des ökologischen Wandels vorzubereiten. Längerfristig werden die Energiekosten durch Fortschritte bei der Energieeffizienz und Maßnahmen zur Modernisierung des Energiesystems gesenkt.

Die europäische Energie-, Umwelt- und Klimapolitik, finanzielle Förderung über verschiedene EU-Programme sowie das kürzlich von der Kommission vorgeschlagene Paket „Fit for 55“ sind darauf ausgelegt, den Energiesektor langfristig nachhaltig zu gestalten. Die Europäische Union setzt sich entschlossen dafür ein, den Übergang zur Klimaneutralität und die Dekarbonisierung des Energiesystems durch den Einsatz von Energie aus erneuerbaren Quellen anstelle fossiler Brennstoffe, durch den sich auch unsere Abhängigkeit von Energieeinfuhren verringert, voranzubringen.

Klare Zusagen zu Investitionen in klimaneutrale Energielösungen in allen Mitgliedstaaten werden dazu beitragen, die Volatilität der Energiepreise und die Ungleichgewichte zwischen Energieangebot und ‑nachfrage zu verringern, die aus den Entwicklungen der internationalen Preise für fossile Brennstoffe und anderer externer Faktoren entstehen. Sie sind unverzichtbar, damit Energie für alle Verbraucher erschwinglich bleibt.

Mit einem erfolgreichen ökologischen Wandel wird nicht nur der Weg für den Übergang zu sauberer Energie, sondern auch für mehr Energieeffizienz und neue Anwendungen geebnet. Die Entschlossenheit der EU, ihre Treibhausgasemissionen und ihren Verbrauch fossiler Brennstoffe erheblich zu senken, wird durch die jüngsten Ereignisse noch verstärkt. Sowohl die regulatorischen als auch die Investitionsmaßnahmen müssen intensiviert werden. Die beste Absicherung gegen Preisschocks wie den, dem sich die EU derzeit ausgesetzt sieht, ist der Übergang zu sauberer Energie. Jetzt gilt es, keine Zeit zu verlieren.

(1)

      Gegenüber dem Durchschnittspreis von 2019 waren die Preise Anfang Oktober 2021 um 166 % gestiegen (EP5-Benchmark (DE, ES, FR, NL) und Nordpool-Markt (NO, DK, FI, SE, EE, LT, LV)).  

(2)

      VaasaETT (https://www.vaasaett.com/)

(3)

     Zwischen Januar und September 2021 ist der EHS-Preis um etwa 30 EUR/t CO2 gestiegen. Aus Gas erzeugter Strom verteuerte sich damit um etwa 10 EUR/MWh (angenommener Wirkungsgrad: 50 %), der entsprechende Anstieg bei der Kohleverstromung liegt bei ca. 25 EUR/MWh (angenommener Wirkungsgrad: 40 %). Deutlich übertroffen wird dies durch den Anstieg des Gaspreises um ca. 45 EUR/MWh in demselben Zeitraum, durch den sich die Stromerzeugung um rund 90 EUR/MWh verteuert hat.

(4)

     Wenn der Preis der Zertifikate mehr als sechs aufeinander folgende Monate lang mehr als das Dreifache des Durchschnittspreises der Zertifikate in den beiden vorhergehenden Jahren auf dem europäischen CO2-Markt beträgt, beruft die Kommission gemäß Artikel 29a der EHS-Richtlinie unverzüglich eine Ausschusssitzung mit den Mitgliedstaaten ein, um über mögliche Maßnahmen zu beraten.

(5)

     Erdgas kann entweder über Pipelines von der Quelle in die EU eingeführt oder als Flüssigerdgas (LNG) transportiert werden. Das Gas muss gespeichert werden, damit Schwankungen in der täglichen und saisonalen Nachfrage ausgeglichen werden können. Auch wird auf diese Weise bei Versorgungsunterbrechungen oder besonders hoher Nachfrage die Gasversorgung sichergestellt. Der Hauptvorteil von gespeichertem Gas besteht darin, dass es in der Nähe der Verbraucher verfügbar und umgehend lieferbar ist.

(6)

     Erdöl (97 %), Kohle (44 %) und Gas (90 %).

(7)

   Im Jahr 2020, während der COVID-19-Pandemie, verzeichneten acht Mitgliedstaaten (von den 21, für die Daten vorliegen) einen Anstieg der Energiearmut gegenüber dem Vorjahr; in 13 Mitgliedstaaten war ein Rückgang zu beobachten, darunter auch fünf Mitgliedstaaten, in denen die Quote im Jahr 2019 über 15 % lag (Bulgarien, Griechenland, Zypern, Litauen und Portugal).

(8)

     Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU.

(9)

     Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG.

(10)

     Siehe Empfehlung (EU) 2020/1563 der Kommission vom 14. Oktober 2020 zu Energiearmut.

(11)

     In bestimmten Sparten entfällt ein erheblicher Teil der Produktionskosten auf Energie, bei Düngemitteln beispielsweise 71 %, 40 % bei Primäraluminium, 31 % bei Zink und 25 % bei Flachglas.

(12)

     Der niederländische Gas-Futures-Index TTF liegt derzeit bei 90 EUR/MWh und weist für April 2022 einen Preis von rund 50 EUR/MWh aus.

(13)

     Year-Ahead-Zeitbereich: 42 EUR/MWh, 2-Year-Ahead: 35 EUR/MWh, 3-Year-Ahead: 32 EUR/MWh.

(14)

     Derzeit liegt die Gasspeicherauslastung in der EU knapp über 75 % und damit unterhalb des Durchschnitts der letzten zehn Jahre von 90 %. Stand: 3. Oktober 2021. 

(15)

     Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010. 

(16)

     Wenngleich mit EHS-Mitteln in erster Linie weitere Emissionssenkungen unterstützt werden sollen, insbesondere durch Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen, die Energiewende und Innovationen im Bereich sauberer Technologien, können die Mitgliedstaaten mit den EHS-Einnahmen nach Artikel 10 Absatz 3 der EHS-Richtlinie (Richtlinie 2009/29/EG) auch finanzielle Unterstützung leisten, um soziale Probleme von Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen anzugehen. 

(17)

     Regulierte Endverbraucherpreise für von Energiearmut betroffene und schutzbedürftige Haushalte sind nach EU-Recht nur in Ausnahmesituationen und unter strengen Bedingungen zulässig. Regulierte Preise verzerren Investitionssignale im Bereich der Energieerzeugung und schwächen die Position der Verbraucher.

(18)

     Spezielle COVID-19-Maßnahmen zum Schutz sozial schwacher Verbraucher: Nationale Regierungen und Energieregulierungsbehörden haben Moratorien für Netztrennungen bei nicht bezahlten Energierechnungen eingeführt. Zusätzlich zu staatlichen Maßnahmen haben mehrere Energieunternehmen in der EU freiwillig die Initiative ergriffen, um Kunden zu unterstützen, etwa durch Zahlungsregelungen oder Unternehmensrichtlinien zur Vermeidung von Netztrennungen.

(19)

     Empfehlung (EU) 2020/1563 der Kommission vom 14. Oktober 2020 zu Energiearmut.

(20)

     Diese Steuern und Abgaben umfassen insbesondere Verbrauchsteuern auf Energieerzeugnisse und Strom sowie Mehrwertsteuer (MwSt), die auf EU-Ebene harmonisiert sind, aber auch andere nationale Umweltsteuern und -abgaben, mit denen die für den ökologischen Wandel erforderlichen Investitionen in erneuerbare Energien finanziert werden.

(21)

.    Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom.

(22)

     Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.

(23)

     Der Rechtsrahmen für Mehrwertsteuersätze wird derzeit im Rat überprüft.

(24)

.     Gemäß den Gruppenfreistellungsverordnungen und den Leitlinien für staatliche Beihilfen sollten staatliche Beihilfen auf transparente und diskriminierungsfreie Weise sowie auf der Grundlage objektiver und verhältnismäßiger Kriterien festgelegt werden.

(25)

     Der Begriff Geschäftsverhalten impliziert, dass die Unternehmen ihre Entscheidungen unabhängig bestimmen können, ohne gesetzlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet zu sein. 

(26)

     Der Markt wird von den Finanzaufsichtsbehörden der 27 Mitgliedstaaten beaufsichtigt, die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) koordiniert werden.

(27)

     Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2016/1148 (COM(2020) 823 final).

(28)

      https://ec.europa.eu/info/news/commission-publishes-report-barriers-eu-retail-energy-markets-2021-feb-23_en

(29)

     COM(2021) 550 final, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Fit für 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umsetzung des EU‑Klimaziels für 2030.

(30)

   Wenn bestimmte unflexible Kraftwerke trotz negativer Preise weiterhin Strom erzeugen müssen.

(31)

     Schätzungen zufolge hat der Ausbau der erneuerbaren Elektrizität bei sonst gleichen Bedingungen zu einem Rückgang der Spot-Strompreise in Deutschland um 24 % im Zeitraum 2008-2015 und um 35 % in Schweden im Zeitraum 2010-2015 geführt (Hirth, 2018).

(32)

     IRENA, „Power Generation Costs in 2020“. 

(33)

     Die im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität gemeldeten Ausgaben sind Schätzungen der Kommission auf der Grundlage der Zahlen zur Verfolgung klimabezogener Ausgaben, die mit den Analysen der Kommission zu den Aufbau- und Resilienzplänen veröffentlicht wurden. Der gemeldete Betrag umfasst die 22 nationalen Aufbau- und Resilienzpläne, die die Kommission bis zum 5. Oktober bewertet und genehmigt hat. Er wird mit der Bewertung weiterer Pläne aktualisiert.

(34)

      https://ec.europa.eu/energy/topics/infrastructure/projects-common-interest_en  

(35)

   https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-169-2014-INIT/de/pdf

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