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Document 52020AE2886

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen ‚Die Stunde Europas — Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen‘“ (COM(2020) 456 final) — „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen ‚Der EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan‘“ (COM(2020) 442 final) — „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der COVID-19-Pandemie“ (COM(2020) 441 final/2 — 2020/0111 (NLE)) — „Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027“ (COM(2020) 443 final — 2018/0166 (APP)) — „Geänderter Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union“ (COM(2020)445 final — 2018/0135 (CNS)) — „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1311/2013 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2014-2020“ (COM(2020) 446 final — 2020/0109 (APP)) — „Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ sowie über die Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse, Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Spezifische Programm zur Durchführung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont Europa“, Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit, Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften für die Unterstützung der von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu erstellenden und durch den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zu finanzierenden Strategiepläne (GAP-Strategiepläne) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (COM(2020) 459 final — 2018/0224 (COD))

EESC 2020/02886

OJ C 364, 28.10.2020, p. 124–131 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

28.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 364/124


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen ‚Die Stunde Europas — Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen‘“

(COM(2020) 456 final)

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen ‚Der EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan‘“

(COM(2020) 442 final)

„Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der COVID-19-Pandemie“

(COM(2020) 441 final/2 — 2020/0111 (NLE))

„Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027“

(COM(2020) 443 final — 2018/0166 (APP))

„Geänderter Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union“

(COM(2020)445 final — 2018/0135 (CNS))

„Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1311/2013 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2014-2020“

(COM(2020) 446 final — 2020/0109 (APP))

„Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ sowie über die Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse, Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Spezifische Programm zur Durchführung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont Europa“, Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit, Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften für die Unterstützung der von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu erstellenden und durch den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zu finanzierenden Strategiepläne (GAP-Strategiepläne) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates

(COM(2020) 459 final — 2018/0224 (COD))

(2020/C 364/17)

Hauptberichterstatter:

Petru Sorin DANDEA

Hauptberichterstatter:

Tommaso DI FAZIO

Hauptberichterstatter:

Petr ZAHRADNÍK

Befassungen

Europäisches Parlament, 17.6.2020: (COM(2020) 459 final — 2018/0224 (COD))

Rat der Europäischen Union, 10.6.2020: (COM(2020) 459 final — 2018/0224 (COD))

Europäische Kommission, 17.6.2020:

COM(2020) 441 final/2 — 2020/0111 (NLE)

COM(2020) 442 final

COM(2020) 443 final — 2018/0166 (APP)

Europäische Kommission, 2.7.2020:

COM(2020) 445 final — 2018/0135 (CNS)

COM(2020) 446 final — 2020/0109 (APP)

COM(2020) 456 final

Rechtsgrundlage

Artikel 43 Absatz 2, Artikel 173 Absatz 3, Artikel 182 Absatz 1, Artikel 188 und 304 AEUV

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Beschluss des Präsidiums

9.6.2020

Verabschiedung im Plenum

16.7.2020

Plenartagung Nr.

553

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

206/4/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist sich der schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Pandemie für alle Mitgliedstaaten bewusst. Deshalb unterstützt er nachdrücklich das von der Kommission vorgeschlagene Programm „Next Generation EU“ als spezifisches Instrument für eine rasche und wirksame Erholung. Die Kommission trägt den wirtschaftlichen und sozialen Unstimmigkeiten Rechnung, die durch die nach der Krise von 2008 beschlossenen Maßnahmen entstanden sind, und stützt sich bei ihren Aktionen auf den Grundsatz der Solidarität zwischen ausnahmslos allen Ländern. Sie kehrt zu den im Gründungsvertrag verankerten Grundwerten der Europäischen Union zurück, die sie entschlossen umsetzt.

1.2.

Der EWSA ist sich der durch die Pandemie verursachten außergewöhnlichen und ernsten wirtschaftlichen Lage sehr wohl bewusst und begrüßt das Maßnahmenpaket, mit dem die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung abgefedert werden sollen. Die Auswirkungen sind ganz unterschiedlich: es kam nicht nur zu einem beispiellosen Nachfrageschock und einer Liquiditätsverknappung, sondern auch zu Störungen in den Lieferketten und schwerwiegenden Problemen auf der Angebotsseite. Dort wurden Lieferketten unterbrochen und viele Unternehmen hatten Probleme mit Einzelteilen, Arbeitskräften, Rohstoffen usw. und mussten aus diesem Grund ihre Produktionsprozesse einstellen. Insofern sind außergewöhnliche Initiativen notwendig, und der EWSA fordert sehr umfassende Maßnahmen.

1.3.

Der EWSA begrüßt deshalb die Entscheidung, der Union ein umfangreiches Finanzinstrument an die Hand zu geben, das allen Mitgliedstaaten eine rasche und effektive wirtschaftliche und soziale Erholung ermöglicht. Zudem begrüßt der EWSA die Entscheidung der Kommission, den außerordentlichen Aufbaufonds mit allen Mitteln auszustatten, die zur Wiederbelebung der Wirtschaft der Union und zur erneuten Stärkung ihrer Wettbewerbsposition auf globaler Ebene erforderlich sind, einschließlich der sozialen Errungenschaften der Europäischen Union, die ebenfalls ein wesentliches Ziel bleiben müssen.

1.4.

Der EWSA sieht die beiden grundlegenden Entscheidungen der Kommission sehr positiv. Die erste besteht in der Einführung eines außerordentlichen Finanzinstruments für den Wiederaufbau als Teil des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR). Der MFR ist ein Instrument, dessen Verfahrensregeln von allen Mitgliedstaaten akzeptiert werden, das seit Langem gut funktioniert und daher voll funktionsfähig ist. Die zweite grundlegende Entscheidung besteht darin, gemeinsame Schulden aufzunehmen, die dann über einen langen Zeitraum zurückgezahlt werden. So soll verhindert werden, dass die außergewöhnliche finanzielle Belastung kurzfristig die Mitgliedstaaten unmittelbar trifft, die alle — ohne Ausnahme — mehr oder weniger unter den negativen wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie leiden.

1.5.

Aufgrund der zweiten Entscheidung beantragte die Kommission die Genehmigung, vom hohen Rating der Europäischen Union auf dem Finanzmarkt zu profitieren, um in mehreren aufeinanderfolgenden Tranchen für alle Mitgliedstaaten zu niedrigen Zinssätzen sehr langfristige gemeinsame europäische Darlehen aufzunehmen. Dank der finanziellen Anstrengungen soll die europäische Wirtschaft so bald wie möglich wiederbelebt, das Vertrauen wiederhergestellt und eine nachhaltigere und fairere Union geschaffen werden.

1.6.

Der EWSA begrüßt diese beiden grundlegenden Entscheidungen, da die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten, wie wiederholt in entsprechenden legislativen und nichtlegislativen Dokumenten festgestellt, den negativen Auswirkungen der Krise nicht mehr allein standhalten können. Denn sie sind aufgrund der langjährigen Konsolidierung des Binnenmarkts, die die von den Gründervätern der EU gewollten und mit den Gründungsverträgen angestrebten positiven Auswirkungen hatte, alle in hohem Maße voneinander abhängig.

1.7.

Insgesamt ist das Programm „Next Generation EU“ im breiteren Kontext des gesamten MFR ein Signal dafür, wie die gemeinsamen Finanzmittel der EU künftig mobilisiert und genutzt werden können. Darüber hinaus mag der Gesamtbetrag von 750 Mrd. EUR zwar gigantisch erscheinen, liegt aber sicherlich nicht über den wirtschaftlichen Möglichkeiten der EU (er entspricht nur 4,1 % des BIP der EU im Jahr 2019) und kann bis 2058 vollständig zurückgezahlt werden.

1.8.

Der EWSA befürwortet den innovativen und außergewöhnlichen Ansatz, den die Europäische Kommission verfolgt, um die fiskalische Grundlage der EU zu vergleichbaren Bedingungen von 1,1 % auf etwa 1,7 % des BIP der EU — und gegebenenfalls in Zukunft noch weiter — zu erhöhen. Er sieht in dieser Reaktion ein Signal dafür, wie die gemeinsamen Finanzmittel der EU künftig in moderner Weise mobilisiert und genutzt werden können.

1.9.

Der EWSA begrüßt nachdrücklich, dass das neu vorgeschlagene Instrument eng mit dem bewährten Prozess des Europäischen Semesters koordiniert werden soll, und unterstützt den Vorschlag, dass die Mitgliedstaaten ihren Bedarf in nationalen Aufbau- und Resilienzplänen anmelden.

1.10.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission zum EU-Haushalt, mit dem zusätzliche echte Eigenmittel auf der Grundlage verschiedener Steuern eingeführt werden sollen (Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem der EU, digitale Besteuerung, Einnahmen von Großunternehmen). Er weist insbesondere darauf hin, dass die enorme finanzielle Unterstützung, die die EU-Mitgliedstaaten zur Überwindung der Wirtschaftskrise benötigen, mit einem ehrgeizigeren Steuerreformprojekt — einer Fiskalunion — einhergehen sollte. Ziel dieser Fiskalunion sollte ein harmonisiertes Steuersystem auf der Grundlage der Grundsätze des fairen Wettbewerbs und der Solidarität sein. Damit sollen die Verzerrungen und Diskriminierungen in den EU-Ländern vermieden werden, die zu opportunistischem Verhalten sowohl der Staaten als auch einzelner Steuerzahler geführt und die Einheit des Binnenmarkts untergraben haben.

1.11.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, ein auf breiter Unterstützung basierendes und konsensfähiges Hintergrunddokument über die Eigenmittel der EU zu erarbeiten; er kann den langen Zeitraum für die Rückzahlung des Programms „Next Generation EU“ nachvollziehen, aber die endgültige Lösung für die Eigenmittel muss wesentlich früher festgelegt werden.

1.12.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sollten nach Ansicht des EWSA so bald wie möglich in Kraft treten, wobei der Zeitfaktor von entscheidender Bedeutung ist. Er fordert daher den Rat auf, unverzüglich zu einem Konsens zu gelangen, indem er diejenigen Mitgliedstaaten überzeugt, die sich in dieser schwierigen Zeit bisher gegen den auf Einheit und Zusammenhalt gestützten Plan aussprechen, und sie daran erinnert, dass ausnahmslos alle Länder wirtschaftlich und sozial voneinander abhängig sind.

1.13.

Abschließend möchte der EWSA darauf hinweisen, dass die Krise erneut die Notwendigkeit verdeutlicht hat, die Reformen für das Euro-Währungsgebiet zu beschleunigen und die Beschränkungen zu überwinden, die eine echte wirtschaftliche, soziale, fiskalische und politische Integration nach wie vor verhindern. Das hat der EWSA bereits während der letzten Finanzkrise von 2008 hervorgehoben.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1.

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie und ihre unmittelbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen schlug die Europäische Kommission am 27. Juni 2020 ein befristetes Aufbauinstrument mit der Bezeichnung „Next Generation EU“ vor, um die finanzielle Schlagkraft des EU-Haushalts zu erhöhen.

2.2.

Das Aufbauinstrument ist in einen verstärkten mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2021-2027 eingebettet, um Investitionen zügig dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden, den Binnenmarkt stärken, die Zusammenarbeit in Bereichen wie Gesundheit und Krisenmanagement intensivieren und die Union mit einem langfristigen Haushalt ausstatten, der dazu beiträgt, die grüne und die digitale Wende voranzutreiben sowie eine gerechtere und robustere Wirtschaft aufzubauen.

2.3.

Der Aufbauplan umfasst eine Zuschusskomponente von 440 Mrd. EUR, die auf alle Haushaltslinien verteilt wird. Darüber hinaus werden 60 Mrd. EUR als Garantien bereitgestellt. Rund 250 Mrd. EUR erhalten die Mitgliedstaaten als Darlehen.

2.4.

Zur Finanzierung der für den Zeitraum 2021-2024 vorgeschlagenen Aufbaumaßnahmen wird die Kommission an den Finanzmärkten im Namen der Union Darlehen in Höhe von bis zu 750 Mrd. EUR aufnehmen.

2.5.

Um dies zu ermöglichen, wird die Kommission den Headroom, d. h. den Spielraum nutzen, den die Differenz zwischen der Eigenmittelobergrenze des langfristigen Haushaltsplans (Höchstbetrag der Mittel, die die Union zur Deckung ihrer finanziellen Verpflichtungen von Mitgliedstaaten fordern kann) und der Obergrenze der tatsächlichen Ausgaben (MFR-Obergrenze für Zahlungen) lässt.

2.6.

Die Eigenmittelobergrenze soll ausnahmsweise und vorübergehend um 0,6 Prozentpunkte angehoben werden. Diese Anhebung kommt zu der ständigen Eigenmittelobergrenze von 1,4 % des Bruttonationaleinkommens der EU hinzu, die aufgrund von wirtschaftlichen Unwägbarkeiten und des Brexit vorgeschlagen wird. Die Anhebung um 0,6 Prozentpunkte läuft aus, sobald alle Mittel zurückgezahlt sind und keine Verbindlichkeiten mehr bestehen.

2.7.

Mit dem Spielraum im EU-Haushalt als Garantie, kann die EU im Vergleich zu vielen einzelnen Mitgliedstaaten zu relativ günstigen Bedingungen Schulden aufnehmen. Die aufgenommenen Mittel werden aus künftigen EU-Haushaltsplänen zwischen 2028 und 2058 zurückgezahlt. Die Darlehen werden von den kreditnehmenden Mitgliedstaaten zurückgezahlt.

2.8.

Da sich die Darlehenskomponente auf 250 Mrd. EUR beläuft, muss die EU insgesamt 500 Mrd. EUR über den Eigenmittelmechanismus zurückzahlen (allerdings wäre sie auch für Kreditausfälle seitens der Mitgliedstaaten für die übrigen 250 Mrd. EUR haftbar).

2.9.

Um die Rückzahlung der aufgebrachten Marktfinanzierung zu erleichtern und den Druck auf die nationalen Haushalte weiter zu verringern, wird die Kommission in einem späteren Stadium des Finanzierungszeitraums 2021-2027 zusätzliche neue Eigenmittel vorschlagen, die zu den bereits vorgeschlagenen Mitteln hinzukommen. Diese werden eng mit den Prioritäten der EU (Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und gerechte Besteuerung) verknüpft sein.

2.10.

Die Verwendung der Mittel aus dem Aufbaupaket beruht auf drei Säulen.

2.10.1.

SÄULE 1 — Unterstützung der Mitgliedstaaten beim Aufbau und der Krisenbewältigung, damit sie stärker daraus hervorgehen: Dazu gehören verschiedene Instrumente zur Förderung von Investitionen und Reformen in den Mitgliedstaaten, die konzentriert dort eingesetzt werden sollen, wo die Auswirkungen der Krise und der Resilienzbedarf am größten sind, und zwar:

eine neue Aufbau- und Resilienzfazilität von 560 Mrd. EUR, die für Investitionen und Reformen zur Förderung der Erholung der Wirtschaft und ihrer Resilienz eingesetzt werden soll;

die Initiative REACT-EU, mit der bis 2022 zusätzliche Mittel für die Kohäsionspolitik in Höhe von 55 Mrd. EUR bereitgestellt werden sollen;

Änderungen des Europäischen Sozialfonds Plus;

die Aufstockung des Fonds für einen gerechten Übergang auf bis zu 40 Mrd. EUR;

die Aufstockung der Mittel des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums um 15 Mrd. EUR.

2.10.2.

SÄULE 2 — Wiederankurbelung der Wirtschaft und Belebung der privaten Investitionstätigkeit:

mit einem neuen Solvenzhilfeinstrument soll die EU-Haushaltsgarantie zur Mobilisierung privater Mittel genutzt werden, um das Kapital rentabler europäischer Unternehmen aus allen Wirtschaftszweigen zu stützen;

das Programm InvestEU, das für die Mobilisierung von Investitionen und die Unterstützung der Unionspolitik während des Wiederaufbaus in Bereichen wie nachhaltige Infrastrukturen, Innovation und Digitalisierung besonders geeignet ist, soll ausgebaut werden;

im Rahmen von InvestEU soll eine Fazilität für strategische Investitionen geschaffen werden, um die Resilienz Europas durch den Aufbau strategischer Autonomie in wichtigen Lieferketten auf europäischer Ebene zu stärken.

2.10.3.

SÄULE 3 — Lehren aus der Krise und Bewältigung der strategischen Herausforderungen Europas:

ein neues Gesundheitsprogramm, EU4Health, in Höhe von 9,4 Mrd. EUR, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Union über die kritischen Kapazitäten verfügt, um rasch auf künftige Krisen reagieren zu können;

eine Aufstockung um 2 Mrd. EUR für rescEU, das Katastrophenschutzverfahren der Union;

eine Erhöhung der Mittel für Horizont Europa auf 94,4 Mrd. EUR;

eine Erhöhung der Mittel für das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit auf 86 Mrd. EUR über eine neue Garantie für Außenmaßnahmen und eine Aufstockung des Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung um 1 Mrd. EUR;

Aufstockung des Instruments für humanitäre Hilfe um 5 Mrd. EUR.

2.11.

Zusätzlich zu den Aufstockungen im Rahmen des Programms „Next Generation EU“ schlägt die Kommission vor, weitere Programme zu stärken, damit sie ihre Rolle bei der Verbesserung der Resilienz der Union und der Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus der Pandemie und ihren Folgen ergeben, in vollem Umfang gerecht werden können:

das Programm „Digitales Europa“; die Fazilität „Connecting Europe“; das Binnenmarktprogramm und Programme zur Unterstützung der Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Zollwesen; Erasmus+; Kreatives Europa; die Gemeinsame Agrarpolitik und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds; den Asyl- und Migrationsfonds und den Fonds für integriertes Grenzmanagement; den Fonds für die innere Sicherheit; die Heranführungshilfe der Union.

2.12.

Der Aufbaufonds ist Teil des EU-Haushalts. Folglich muss die Auszahlung von Mitteln programmiert werden. Sie ist an das Europäische Semester (und damit an die makroökonomische Konditionalität) gebunden. Zudem ist sie an die Haushaltsvollzugs- und -kontrollsysteme der Europäischen Kommission geknüpft und unterliegt der Haushaltskontrolle durch das Europäische Parlament.

2.13.

Um den Übergangszeitraum bis zur Ratifizierung des geänderten Eigenmittelbeschlusses zu überbrücken und dringend benötigte Mittel für Beschäftigte, Unternehmen und Mitgliedstaaten bereits in diesem Jahr verfügbar zu machen, schlägt die Kommission außerdem vor, den aktuellen langfristigen Haushaltsplan 2014-2020 anzupassen, um noch 2020 eine Ausgabenerhöhung zu ermöglichen.

2.14.

Der Europäische Grüne Deal — einschließlich des im Januar vorgeschlagenen Mechanismus für einen gerechten Übergang — und die digitalen und industriellen Strategien der Union sind als Wachstumsstrategie der EU von entscheidender Bedeutung für die nachhaltige Erholung der EU. Sie bleiben das Herzstück der heute vorgelegten Vorschläge, da es von ihnen abhängt, ob unsere Wirtschaft rasch wieder auf die Beine kommt und die Zukunft für die nächste Generation vorbereitet wird. Investitionen und Reformen, die sie voranbringen, müssen daher Bestandteil aller nationalen Aufbau- und Resilienzpläne sein.

2.15.

Obwohl die Kommission im Mai 2018 vorgeschlagen hat, alle Korrekturen auf der Einnahmenseite (Rabatte) abzuschaffen, vertritt sie angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nun die Auffassung, dass das Auslaufen der Rabatte und der Aufbauplan für bestimmte Mitgliedstaaten im nächsten langfristigen Haushalt zu unverhältnismäßigen Erhöhungen der Beiträge führen könnten. Um dies zu vermeiden, schlägt die Kommission vor, die derzeitigen Rabatte über einen viel längeren Zeitraum auslaufen zu lassen.

2.16.

Ein weiteres zentrales Element des Aufbaupakets ist der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über den Schutz des EU-Haushalts vor generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatlichkeitsprinzip.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

In Bezug auf den Aufbauplan, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem Europäischen Parlament am 27. Mai 2020 vorgestellt hat, begrüßt und teilt der EWSA insbesondere die stichhaltigen und gewichtigen Beweggründe, die zur Erarbeitung von „Next Generation EU“ geführt haben. Dieses Instrument ist ein fairer Pakt zwischen den Generationen, der eine gestärkte und zukunftsorientierte Europäische Union schaffen wird. Er wird die geeigneten Mittel bereitstellen, um der EU zu mehr Stärke und Zusammenhalt zu verhelfen, so dass die künftigen Generationen in hohem Maße davon profitieren werden, anstatt nur die Last der jetzt aufgenommenen, sehr langfristigen Schulden zu tragen.

3.2.

Der EWSA hält den Vorschlag aus folgenden Gründen für außerordentlich, wenn nicht gar revolutionär:

zum ersten Mal ist im Rahmen des EU-Haushalts eine implizite Verschuldung vorgesehen, die in den folgenden 30 Jahren zu tilgen ist;

erstmals würden Mittel auf den Finanzmärkten aufgenommen, und das Verfahren wäre markterprobt; in dieser Zeit würde der Gesamtbetrag von der EU als Ganzes garantiert;

die Lösung könnte zu einer künftigen Erhöhung der Eigenmittel EU und einer entsprechenden Abschwächung ihrer direkten Abhängigkeit von den Beiträgen der Mitgliedstaaten führen;

die finanzielle Grundlage der EU würde auch von den derzeitigen 1,1 % des EU-BIP auf rund 1,7 % in vergleichbaren Zahlen steigen;

die Lösung ist nicht nur für die unmittelbar von der Pandemie Betroffenen überaus hilfreich, sondern auch für diejenigen, die bei ihren Strukturreformen Unterstützung benötigen;

der Vorschlag stützt sich in hohem Maße auf die Nutzung der Finanzierungsinstrumente, was eine effizientere Umverteilung der Mittel gewährleistet.

3.3.

Zu diesem Zeitpunkt ist es notwendig, wechselseitige negative Auswirkungen zu vermeiden und Solidarität mit den von der Pandemie am stärksten betroffenen bzw. jenen Ländern zu zeigen, deren Volkswirtschaften aufgrund der derzeitigen Ungleichgewichte und Beschränkungen des Euroraums schwächeln.

3.4.

Der EWSA nimmt die Ankündigung des Programms „Next Generation EU“ sowie den im geänderten Vorschlag für den MFR 2021-2027 unterbreiteten Vorschlag, die EU-Haushaltsgrundlage zu erhöhen und sie an die dringenden aktuellen Anforderungen anzupassen, zur Kenntnis. Die vorgeschlagenen haushaltspolitischen Maßnahmen ergänzen auch die bereits im Rahmen der Geld- und Strukturpolitik sowie im Regulierungsrahmen unternommenen Schritte.

3.5.

In zahlreichen früheren Stellungnahmen, und insbesondere in seiner Stellungnahme zum MFR 2021-2027 aus dem Jahr 2018, hat der EWSA einen starken EU-Haushalt sowie finanzielle Mittel für die EU gefordert, die ihr eine glaubwürdige Umsetzung ihrer politischen Agenda ermöglichen (1).

3.6.

In Bezug auf die Finanzierung des EU-Haushalts fordern der EWSA und das Europäische Parlament seit Langem einen ausreichend hohen Betrag an autonomen, transparenten und gerechten Eigenmitteln sowie eine Abkehr von der Dominanz der BNE-basierten Beiträge. Der EWSA unterstützt die Ergebnisse der hochrangigen Gruppe „Eigenmittel“ unter dem Vorsitz von Mario Monti (2). Die Methoden zur Erhöhung der Einnahmen sollten die politischen Ziele der EU ergänzen und stärken. Der EWSA begrüßt deshalb den Vorschlag der Kommission über zusätzliche echte Eigenmittel (3).

3.7.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, ein politisches Hintergrunddokument und eine Machbarkeitsprüfung für die Eigenmittel zu erarbeiten. Der EWSA geht davon aus, dass es einige Zeit dauern wird, bis eine endgültige Lösung angenommen werden kann. Es wäre jedoch sehr sinnvoll, wenn die derzeitige Ungewissheit über die Art der Finanzierung des EU-Haushalts ausgeräumt werden könnte. Ohne eine Lösung ist dieses gesamte Konzept sehr fragil.

3.8.

Der EWSA nimmt den im Rahmen des Aufbauplans unterbreiteten Kommissionsvorschlag zur Kenntnis, die derzeitigen Rabatte für bestimmte Nettozahler-Mitgliedstaaten über einen längeren Zeitraum auslaufen zu lassen als 2018 vorgeschlagen. Der EWSA hält jedoch an seinem in seinen jüngsten Stellungnahmen zum Ausdruck gebrachten Standpunkt fest, letztlich alle Rabatte abzuschaffen (4).

3.9.

Da das Programm „Next Generation EU“ Teil des EU-Haushalts ist, wird es in puncto Konditionalität mit dem Europäischen Semester und dem Verwaltungs- und Kontrollsystem der Kommission verknüpft, das auch der Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegt. Der EWSA verweist darauf, dass mögliche Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission oder zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament zu erheblichen Verzögerungen bei der Auszahlung der Mittel führen könnten.

3.10.

Nach Auffassung des EWSA müssen die Mitgliedstaaten ihre Programmplanungskapazität beträchtlich verbessern, wenn zusätzliche Mittel in Höhe von 165 Mrd. EUR in den ersten drei Jahren des neuen Finanzrahmens verteilt und wirksam eingesetzt werden sollen. Der Ausschuss empfiehlt auch, dass die Kommission flexiblere Regelungen in Erwägung zieht, um die Mitgliedstaaten bei der erforderlichen zusätzlichen Programmplanung zu unterstützen.

3.11.

Der EWSA begrüßt das Schreiben der Vorsitzenden der wichtigsten Fraktionen des Europäischen Parlaments, in dem sie den Europäischen Rat und den Rat dazu aufrufen, rasch eine Einigung auf der Grundlage des Kommissionsvorschlags zu erzielen. Der EWSA schließt sich auch der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Mai 2020 an, in der das Parlament zur Bewältigung der Auswirkungen von COVID-19 ein Aufbaupaket in Höhe von 2 Billionen EUR fordert (5).

3.12.

Der EWSA ist sich bewusst, dass es sich beim Paket zur Schaffung eines Aufbauinstruments und zur Anpassung des MFR 2021-2027 an die Erfordernisse der Zeit nach COVID-19 um einen außerordentlichen Schritt im Rahmen der EU-Finanzierung handelt, der jedoch auch notwendig und dringend ist. Die Haushaltspolitik der EU wäre unter den derzeitigen Umständen einfach nicht flexibel genug und auch nicht in der Lage, Maßnahmen zu unterstützen, die zur Lösung der Krise konkret beitragen könnten.

3.13.

Der EWSA ist sich auch bewusst, dass dies die beste Lösung ist, die unter den derzeitigen politischen Umständen möglich ist.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

In Bezug auf die Aufbau- und Resilienzfazilität begrüßt der EWSA nachdrücklich die vorgeschlagene Verknüpfung mit dem Europäischen Semester und den Aufbau- und Resilienzplänen, die als Grundlage und Benchmark für die Finanzierung dienen können.

4.2.

In Bezug auf die Initiative REACT-EU begrüßt der EWSA nicht nur die ganz erhebliche Aufstockung der kohäsionspolitischen Grundlagen, sondern auch die außergewöhnlichen Flexibilitätsregeln, die entwickelt wurden, um bedürftige Gebiete und dringende Prioritäten maßgeblich zu unterstützen.

4.3.

Der EWSA unterstützt ferner nachdrücklich eine deutliche Aufstockung der Mittel für den Fonds für einen gerechten Übergang und die vorgeschlagenen Schritte im Rahmen der anderen Säulen des Mechanismus für einen gerechten Übergang. Mit der geplanten Regelung kann nun der Strukturwandel hin zu neuen und stärker diversifizierten Wirtschaftstätigkeiten, die ein wesentlicher Bestandteil des Grünen Deals der EU sind, leichter und entschlossener unterstützt werden.

4.4.

Um die Wirtschaft wieder auf den Vorkrisenstand zu bringen, müssen unbedingt günstige Bedingungen für private Investitionen geschaffen werden. Der EWSA unterstützt den Vorschlag zur Schaffung eines Solvenzhilfeinstruments, das „gesunde“ Unternehmen, die von der Pandemie betroffen sind, unterstützen soll.

4.5.

Der EWSA würdigt den Inhalt der zweiten Säule des Programms „Next Generation EU“ mit dem Schwerpunkt Wiederankurbelung der Investitionstätigkeit, die durch innovative Finanzinstrumente unterstützt wird.

4.6.

Der EWSA begrüßt den Inhalt der dritten Säule des Programms „Next Generation EU“, deren Gegenstand bislang hauptsächlich unter die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fiel.

4.7.

Nach Auffassung des EWSA ist das Programm „Next Generation EU“ ausgewogen und wird dem Bedarf gerecht, der unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips von den gemeinsamen EU-Ressourcen gedeckt werden muss.

Brüssel, den 16. Juli 2020

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Stellungnahmen ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 106; ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 131, ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 63 und ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 1.

(2)  FUTURE FINANCING: Final report and recommendations of the High-Level Group on Own Resources December 2016 https://ec.europa.eu/budget/mff/hlgor/library/reports-communication/hlgor-report_20170104.pdf

(3)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 106 und ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 131.

(4)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 106.

(5)  https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0124_DE.html


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