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Document 52018AE1917

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu a) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (COM(2018) 239 final — 2018/0113 (COD)) und zu b) Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 betreffend grenzübergreifende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (COM(2018) 241 final — 2018/0114 (COD))

EESC 2018/01917

OJ C 62, 15.2.2019, p. 24–32 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 62/24


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu a) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht

(COM(2018) 239 final — 2018/0113 (COD))

und zu b) Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 betreffend grenzübergreifende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen

(COM(2018) 241 final — 2018/0114 (COD))

(2019/C 62/04)

Berichterstatter:

Dimitris DIMITRIADIS

Mitberichterstatter:

Norbert KLUGE

Befassung

a)

Europäisches Parlament, 28.5.2018

a)

Rat, 30.5.2018

b)

Europäisches Parlament, 28.5.2018

b)

Rat, 29.5.2018

Rechtsgrundlage

a)

Artikel 50 Absatz 1 und Artikel 50 Absatz 2 Buchstaben b, c, f und g AEUV

b)

Artikel 50 Absätze 1 und 2 AEUV

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

2.10.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.10.2018

Plenartagung Nr.

538

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

190/2/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Vorschläge der Kommission als umfassendes Konzept, mit dem die legitimen Interessen und Bedürfnisse aller Interessenträger, KMU, Minderheitsgesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer ausgewogen berücksichtigt und geschützt werden sollen.

1.2.

Gleichzeitig muss das Ziel eines Binnenmarkts ohne Binnengrenzen für Unternehmen mit anderen Zielen der europäischen Integration in Einklang gebracht werden, wie dem sozialen Schutz, der in Artikel 3 Absatz 3 EUV, Artikel 9 und Artikel 151 AEUV und der europäischen Säule sozialer Rechte verankert ist. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass der kürzlich vorgelegte Legislativvorschlag zur Unternehmensmobilität eine gute Gelegenheit ist, eine weitergehende Debatte über die Erfordernisse und die Wirksamkeit des europäischen Gesellschaftsrechts im digitalen Zeitalter anzustoßen. Dabei müssen die Perspektiven aller Beteiligten wie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Gesellschaft als Ganzes betrachtet werden. Dies bewirkt die erwünschte Entwicklung hin zu nachhaltigen Unternehmen, die für die EU ein Wettbewerbsvorteil sind.

1.3.

Der EWSA unterstützt die Vorschläge, mit denen die internationale Wettbewerbsfähigkeit von KMU gestärkt, die Kosten reduziert sowie die Verfahren für die Eintragung, die Einreichung von Änderungen und Umwandlungen harmonisiert und vereinfacht werden sollen. Er hält es für sinnvoll, wenn die Kommission den Mitgliedstaaten Leitlinien zur Umsetzung der Richtlinien an die Hand geben würde.

1.4.

Der EWSA wendet sich gegen Schlupflöcher, die es Briefkastenfirmen ermöglichen, Rechtsvorschriften für Betrug, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, die Aushöhlung arbeitsrechtlicher Standards und des Sozialschutzes zu missbrauchen, und die unfairem Wettbewerb Vorschub leisten. Er fordert die zuständigen Stellen nachdrücklich auf, betrügerische Praktiken zu ermitteln und zu ahnden. Der EWSA unterstützt den Vorschlag, die Möglichkeit der Eintragung auf den Mitgliedstaat zu beschränken, zu dem das Unternehmen eine tatsächliche Verbindung hat.

1.5.

Der EWSA spricht sich für Transparenz, Sicherheit und Rechtssicherheit aus. Er betont die Bedeutung einer wirksamen Überprüfung der Identität, die bei der Errichtung von Gesellschaften obligatorisch und in jedem Fall vor der Eintragung erfolgen muss. Für eine wirksame Überprüfung der Identität und verlässliche Informationen mit umfassenden Standards für wirtschaftliche Eigentümer müssen die Mitgliedstaaten uneingeschränkt die EU-Standards einhalten bzw. gleichwertige Standards anwenden.

1.6.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Vorlage einer gescannten Kopie eines Passes, eines Personalausweises oder einer Vollmacht nicht akzeptiert werden sollte und die Rechtssicherheit untergräbt. Formulare für Vollmachten sollten öffentliche Dokumente sein, und die Vollmachten sollten vor der Eintragung der Informationen eingehend geprüft werden. In den nationalen Registern eingetragene juristische Personen sollten die Eintragung und die Einreichung dann online vornehmen dürfen, wenn sie von einer natürlichen Person als rechtlichem Vertreter vertreten werden. Eine Holdinggesellschaft wäre in dieser Funktion nicht zulässig.

1.7.

Der EWSA begrüßt den Grundsatz der einmaligen Erfassung, durch den den KMU eine Mehrfacheintragung und mehrfache offizielle Veröffentlichungen erspart bleiben, wobei die nationalen Register zugleich die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der von ihnen veröffentlichten Dokumente und Informationen gewährleisten.

1.8.

Der EWSA betont, wie wichtig der Kostenfaktor für Kleinstbetriebe sowie KMU ist, die weder die Kapazitäten noch die nötigen Instrumente haben, um die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft zu bewältigen. Eine einfache Eintragung und grenzübergreifende Mobilität werden es ihnen ermöglichen, die Vorteile des digitalen Binnenmarkts umfassend zu nutzen, und ihren Verwaltungsaufwand reduzieren. Der EWSA unterstützt die Initiative, dass von Unternehmensregistern übermittelte Urkunden und Angaben als „gleichlautende Kopien“ betrachtet werden sollen. Allerdings sollten die tatsächlichen Verwaltungsgebühren, die beim Handelsregister entrichtet werden müssen, transparent und nachvollziehbar sein und dürfen den Zugang nicht beeinträchtigen.

1.9.

Der EWSA ist der Auffassung, dass zum Zweck der Bestätigung von Unternehmensinformationen, etwa wenn Personen als ungeeignet für die Aufgabe des Geschäftsführers erklärt werden sollen, ein kostenloser und unkomplizierter grenzüberschreitender Zugang zu den Unternehmensregistern nötig ist. Dies ist erforderlich, um Unternehmensinformationen überprüfen und grenzüberschreitenden Betrug eindämmen zu können.

1.10.

Der EWSA begrüßt, dass im Vorschlag der Kommission ausdrücklich die Stellung der Notare in vielen Mitgliedstaaten anerkannt wird, wenn es um die Gewährleistung von Rechtssicherheit, die Rechtsberatung sowie die Verhinderung von Betrug und Missbrauch in einem zunehmend digitalisierten wirtschaftlichen Umfeld geht. Der EWSA ist insbesondere der Auffassung, dass die Verhütung von Betrug und Missbrauch eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht behindert, sondern vielmehr eine Voraussetzung für einen fairen und transparenten EU-Binnenmarkt ist, in dem Kleinstunternehmen über gleiche Chancen verfügen und in einem fairen und günstigen Umfeld um Kunden werben können, indem sie die besten Produkte und Dienstleistungen zum Nutzen aller Marktteilnehmer anbieten.

1.11.

Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Kommission, die grenzüberschreitende Mobilität von Unternehmen zu erleichtern, in dem klare Bedingungen in Form sekundärer Rechtsvorschriften festgelegt werden. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union allerdings in seiner Rechtsprechung festgestellt hat, sollte deutlich gemacht werden, dass es an sich keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn ein Unternehmen bestrebt ist, die Vorteile einer günstigeren Gesetzgebung zu nutzen. Mobilität von Unternehmen trägt zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der gesamten EU bei. Es sollten jedoch auch die nachteiligen Auswirkungen von Umwandlungen, Spaltungen und Verschmelzungen auf die lokalen und regionalen Arbeitsmärkte berücksichtigt werden.

1.12.

Der EWSA schlägt vor, dass die Kommission auf die Abweichungen zwischen der Richtlinie 2005/56/EG über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und den vorgeschlagenen Verfahren für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen mit Blick auf mögliche Folgen für ihre Effektivität und Attraktivität achtet.

1.13.

Der EWSA ist der Auffassung, dass das neue Verfahren für die Verlegung des Unternehmenssitzes (grenzüberschreitende Umwandlung) zu Rechtssicherheit führen wird, da im Wegzugs- und im Zuzugsmitgliedstaat Vorabkontrollen durchgeführt werden, welche in letzterem Fall auf die Prüfung der Einhaltung seiner Anforderungen in Bezug auf die Verbundenheit einer umgewandelten Gesellschaft mit seiner nationalen Rechtsordnung beschränkt sein sollten. Er hält zudem eine allgemeine Klausel zur Verhinderung des Missbrauchs des Niederlassungsrechts für sinnvoll.

1.14.

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen in betrügerischer Weise gebraucht werden können, und unterstützt deshalb den Vorschlag der Kommission. Allerdings bleibt unklar, was eine „künstliche Gestaltung“ sein soll. Der EWSA schlägt deshalb vor, den Ausdruck „künstliche Gestaltung“ zu klären und dazu Kriterien bzw. Indikatoren für betrügerische Praktiken oder ungerechtfertigte Steuervorteile aufzustellen, die die Rechtssicherheit, den fairen Wettbewerb und den Sozialschutz beeinträchtigen.

1.15.

Der EWSA begrüßt, dass kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen von der Prüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen ausgenommen sind, da die Kosten für den Bericht eines unabhängigen Sachverständigen zu hoch für sie wären. Er ist der Auffassung, dass ein solcher Bericht nur von großen Unternehmen vorgelegt werden sollte, die eine grenzüberschreitende Umwandlung, Spaltung oder Verschmelzung anstreben.

1.16.

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, die geltenden Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer zu schützen. Allerdings sollte der Stellenwert der europäischen Betriebsräte bei Veränderungen in größeren Unternehmen im Sinne der Richtlinie 2009/38/EG gestärkt werden.

1.17.

Der EWSA begrüßt die Einführung harmonisierter Regeln für den Schutz von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern, die in der Richtlinie 2005/56/EG noch nicht vorgesehen waren.

1.18.

Der EWSA betont, dass alle digitalen Instrumente und Verfahren für die Zwecke dieser Vorschläge umfassend zugänglich sein sollten, vor allem für Menschen mit einer Sehbehinderung.

2.   Vorschläge der Kommission

2.1.

Die Kommission hat ein umfassendes Paket an Maßnahmen (1) , (2) für ein faires, Chancen eröffnendes und modernes Gesellschaftsrecht in der EU vorgelegt.

2.2.

Derzeit umfasst das Gesellschaftsrecht der EU (3) gewisse Digitalisierungselemente, etwa die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Informationen über Kapitalgesellschaften online zugänglich zu machen. Diese Anforderungen sind jedoch von beschränkter Tragweite und unpräzise, sodass sie auf nationaler Ebene sehr unterschiedlich umgesetzt werden.

2.3.

Der Vorschlag (4) soll für mehr digitale Lösungen für Unternehmen im Binnenmarkt und mehr Chancengleichheit für Unternehmen in der EU sorgen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten über die notwendige Flexibilität verfügen, um ihre nationalen Systeme anzupassen und ihre rechtlichen Traditionen zu wahren. Die Mitgliedstaaten sollten den reibungslosen Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht ermöglichen und fördern, sodass die Mitgliedstaaten ihre existierenden Systeme der Ex-ante-Kontrolle in das digitale Zeitalter überführen können.

2.4.

Dieser Vorschlag verfolgt das übergreifende Ziel, während des gesamten Lebenszyklus einer Gesellschaft ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes bei Behördenkontakten im Zusammenhang mit der Eintragung der Gesellschaft oder von Zweigniederlassungen sowie im Zusammenhang mit der Einreichung von Informationen zu gewährleisten, und zwar für das gesamte EU-Gebiet.

2.5.

Die Niederlassungsfreiheit spielt für die Entwicklung des Binnenmarkts eine entscheidende Rolle, da sie Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft die Möglichkeit bietet, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten dauerhaft auszuüben. In der Praxis gestaltet sich die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen jedoch nach wie vor schwierig, insbesondere für KMU, wie auch in der Binnenmarktstrategie (5) von 2015 festgestellt wurde. Da die Vorschriften für bestimmte grenzüberschreitende Vorhaben von Unternehmen aber keine ausreichende Rechtssicherheit bieten und zum Teil unangemessen und unvollständig sind, bieten sie keinen klaren Rahmen, der diesen Interessenträgern einen wirksamen Schutz bieten würde.

2.6.

Eine grenzüberschreitende Umwandlung bietet Gesellschaften, die sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen wollen, ohne ihre Rechtspersönlichkeit zu verlieren und ihre Geschäftsverträge neu aushandeln zu müssen, eine effiziente Lösung. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat festgestellt (6), dass die in Artikel 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben, das Recht begründet, ihren Sitz durch grenzüberschreitende Umwandlung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, ohne dabei ihre Rechtspersönlichkeit zu verlieren. In seinem kürzlich ergangenen Urteil in der Rechtssache Polbud (7) bestätigte der Gerichtshof das Recht von Gesellschaften, auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit grenzüberschreitende Umwandlungen vorzunehmen.

2.7.

Nach den Entscheidungen des Gerichtshofes (8) sind die einheitlichen Vorschriften für grenzüberschreitende Umwandlungen (9) hauptsächlich auf die beiden folgenden Ziele auszurichten:

es Gesellschaften, insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen, zu ermöglichen, in geordneter, effizienter und wirksamer Weise grenzüberschreitende Umwandlungen vorzunehmen;

die am stärksten betroffenen Interessenträger, wie Arbeitnehmer, Gläubiger und Gesellschafter, in geeigneter und angemessener Weise zu schützen.

2.8.

Der Vorschlag enthält zudem einheitliche Vorschriften für den Schutz der Gläubiger und Gesellschafter. Die Gesellschaft muss die für die Gläubiger und Gesellschafter vorgesehenen Schutzvorkehrungen bei der Erstellung des Umwandlungsplans aufnehmen. Die Vorschriften ergänzen zudem jüngste Initiativen zur Stärkung der Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sowie den Vorschlag der Kommission für eine Europäische Arbeitsbehörde.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Mit der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) werden die geltenden Richtlinien über das EU-Gesellschaftsrecht kodifiziert. Die Richtlinie trat am 20. Juli 2017 in Kraft und nicht einmal ein Jahr danach legte die Europäische Kommission neue Vorschläge für die Modernisierung des EU-Gesellschaftsrechts vor.

3.2.

Der EWSA begrüßt diese Initiativen der Europäischen Kommission sowie das Einvernehmen zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten darüber, dass die Digitalisierung vorangetrieben werden muss, damit die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt von 2015 (11) und der Aktionsplan für elektronische Behördendienste von 2016 (12) umgesetzt werden können.

3.3.

Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 gehen in die richtige Richtung, um zu erreichen, dass EU-Unternehmen Unternehmen anderer Industriestaaten mit starker digitaler Tradition, etwa der USA, Kanadas und Australiens, gleichgestellt werden. Die Unternehmen müssen in einem sicheren rechtlichen und administrativen Umfeld operieren können, das den neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen einer globalisierten und digitalen Welt gerecht wird, zugleich aber auch anderen legitimen öffentlichen Interessen, wie dem Schutz von Arbeitnehmern, Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern, dient und die notwendigen Schutzbestimmungen aufweist, sodass die Behörden wirksam gegen Betrug und Missbrauch vorgehen können, etwa durch die Übermittlung steuerlicher Daten im Rahmen der Verwaltungszusammenarbeit (13). Zudem muss die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der in den nationalen Registern vorhandenen Dokumente und Angaben gewährleistet sein.

3.4.

Allerdings sollten gewisse Änderungen vorgenommen werden, um den Verwaltungsaufwand und die Kosten für die Umsetzung der vorgeschlagenen Initiativen für Kleinstunternehmen und KMU zu senken.

3.5.   Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht — COM(2018) 239 final

3.5.1.

Der EWSA begrüßt den Legislativvorschlag (14), während des gesamten Lebenszyklus einer Gesellschaft ein reibungsloses Funktionieren des EU-Binnenmarktes bei Behördenkontakten im Zusammenhang mit der Eintragung der Gesellschaft oder von Zweigniederlassungen sowie im Zusammenhang mit der Einreichung von Informationen zu gewährleisten.

3.5.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts zu ehrlichen, transparenten und effizienten Verfahren beiträgt. Sie ist kein Selbstzweck, sondern muss den Interessen der Unternehmen, insbesondere der Kleinstunternehmen, dienen. Der Legislativvorschlag zur Verwendung digitaler Instrumente und Verfahren im Gesellschaftsrecht sollte deshalb die bereits erwähnten Grundmerkmale eines modernen EU-Gesellschaftsrechts im digitalen Zeitalter aufweisen, insbesondere Rechtssicherheit und Verhütung von Missbrauch, verlässliche Informationen mit umfassenden Standards für wirtschaftliche Eigentümer, Präventivkontrollen und transparente Unternehmensstrukturen mithilfe verlässlicher Unternehmensregister. Nur unter diesen Bedingungen kann das Potenzial der Digitalisierung umfassend genutzt werden und können Kleinstunternehmen von gleichen Bedingungen im digitalen Bereich profitieren, um Wachstum und Beschäftigung in der EU zu schaffen.

3.5.3.

Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission die Existenz von Hürden anerkennt, die für Unternehmer, die ein neues Unternehmen gründen oder ihr Unternehmen durch Eintragung von Zweigstellen erweitern wollen, unnötigen Verwaltungsaufwand und Kosten mit sich bringen, und dass sie Vorschläge zu deren Beseitigung unterbreitet. Dabei müssen folgende Hürden beseitigt werden:

a)

Die Online-Eintragung einer Gesellschaft oder Zweigniederlassung ist je nach einzelstaatlichem Recht zulässig, verboten oder vorgeschrieben, wodurch sich ein bunter Flickenteppich an Regelungen ergibt, der problematisch für KMU ist (15).

b)

Mehrfache Veröffentlichung von Unternehmensdaten und Einreichung von Jahresabschlüssen von Zweigniederlassungen in den einzelstaatlichen Amtsblättern, in denen es Zweigniederlassungen gibt.

c)

Unterschiedliche Regelungen für den Zugriff auf gesellschaftsspezifische Informationen in den einzelstaatlichen Registern für Dritte (Investoren, Bürger, andere Gesellschaften), etwa in Bezug auf die Frage, welche Informationen kostenlos und welche kostenpflichtig bereitgestellt werden.

3.5.4.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Förderung der Digitalisierung aus folgenden Gründen sehr wichtig ist:

a)

Die Online-Eintragung ist in der Regel billiger, schneller und effizienter als die persönliche Beantragung auf Papier (16).

b)

Die Initiative ist vollständig kohärent mit den bestehenden digitalen Elementen des EU-Gesellschaftsrechts und baut auf ihnen auf, insbesondere auf dem System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (Business Registers Interconnection System, BRIS), das auf rechtlichen Verpflichtungen gemäß der Richtlinie 2012/17/EU (17) sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2015/884 (18) der Kommission beruht.

c)

Der vorliegende Vorschlag ergänzt den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Einrichtung eines zentralen digitalen Zugangstors, die die allgemeine Online-Registrierung einer Geschäftstätigkeit mit Ausnahme der Gründung von Kapitalgesellschaften abdeckt. Dieser Vorschlag stellt gegenüber dem zentralen digitalen Zugangstor (19) ein besonderes Gesetz (lex specialis) dar.

3.5.5.

Bedenken wegen möglichen Betrugs und Missbrauchs, insbesondere mithilfe von Briefkastenfirmen, sollten aus verschiedenen Gründen nicht davon abhalten, den Vorschlag zu unterstützen. Es sollte Sache der Mitgliedstaaten sein, diese Bedenken auszuräumen, indem sie die Voraussetzungen für die Gründung von Unternehmen regeln, einschließlich einer obligatorischen gerichtlichen, notariellen bzw. administrativen Kontrolle der Unternehmenssatzung (20). Die Europäische Union hat bereits eine Reihe von Maßnahmen gegen Steuerumgehung durch Unternehmen verabschiedet, etwa die obligatorische Offenlegung von Steuerplanungsmodellen durch Intermediäre, die Übermittlung steuerlicher Daten im Rahmen der Verwaltungszusammenarbeit (21) sowie die obligatorische Anerkennung eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden eIDAS-kompatiblen elektronischen Mittels zur Identifizierung von Unionsbürgern.

3.5.6.

Der EWSA unterstützt die Bestimmung, wonach Mitgliedstaaten die physische Anwesenheit maßgeblicher Personen bei einer zuständigen Behörde vorschreiben können, als letzte Sicherheit gegen Betrug, allerdings nur in Fällen, in denen dies aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Der EWSA ist der Auffassung, dass dieses digitale Verfahren nicht von Holdinggesellschaften bzw. im Fall von Vertretern mit Vollmachten angewandt werden sollte, mit deren Hilfe die tatsächlichen Beteiligten verschleiert werden könnten, und warnt vor Identitätsdiebstahl.

3.5.7.

Der EWSA begrüßt, dass im Vorschlag der Europäischen Kommission ausdrücklich die Stellung der Notare in vielen Mitgliedstaaten anerkannt wird, wenn es um die Gewährleistung von Rechtssicherheit, die Rechtsberatung sowie die Verhinderung von Betrug und Missbrauch in einem zunehmend digitalisierten wirtschaftlichen Umfeld geht. Der EWSA ist insbesondere der Auffassung, dass die Verhütung von Betrug und Missbrauch eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht behindert, sondern vielmehr eine Voraussetzung für einen fairen und transparenten EU-Binnenmarkt ist, in dem Kleinstunternehmen über gleiche Chancen verfügen und in einem fairen und günstigen Umfeld um Kunden werben können, indem sie die besten Produkte und Dienstleistungen zum Nutzen aller Marktteilnehmer anbieten.

Zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und zur Verhütung von Betrug sollte es zulässig sein, dass die Mitgliedstaaten vorbeugende Kontrollen durch zuständige Behörden und/oder Notare während der gesamten Bestehenszeit von Unternehmen vorsehen, auch wenn Dokumentvorlagen verwendet werden, sofern das Verfahren vollständig online durchgeführt werden kann. Die Online-Einreichung von Unterlagen und der automatische Austausch von Auszügen aus den Unternehmensregistern dürfen die im nationalen Recht des Eintragungsstaats geltenden Erfordernisse in Bezug auf Form und Richtigkeit der eingereichten Dokumente nicht beeinträchtigen.

3.5.8.

Der EWSA begrüßt deshalb den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht auf der Grundlage des Grundsatzes der einmaligen Erfassung zu fördern. Dieser beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, die nach wie vor eigene nationale Anforderungen für die Errichtung eines Unternehmens anwenden.

3.6.   Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen — COM(2018) 241 final

3.6.1.

Mit dem Vorschlag sollen klare Regeln aufgestellt und das Gesellschaftsrecht an die grenzübergreifende Mobilität von Unternehmen in der EU angepasst werden. Mit dem Vorschlag wird ein ausgewogenes Verhältnis geschaffen zwischen den spezifischen Regeln und Verfahren für grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeiten, mit denen das Potenzial des Binnenmarktes ausgeschöpft werden soll, einerseits und dem Schutz aller von der Unternehmenstätigkeit betroffenen Interessenträger vor Missbrauch, insbesondere der Arbeitnehmer, Gläubiger und Minderheitsgesellschafter.

3.6.2.

Der EWSA unterstützt grenzüberschreitende Umwandlungen (22) in der EU sowie die Tatsache, dass das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache Polbud (23) (2017) Eingang in den Vorschlag gefunden hat. In der Rechtssache Polbud hatte der Gerichtshof festgestellt, dass eine nationale Regelung, die für eine grenzüberschreitende Verlegung die Durchführung eines Liquidationsverfahrens vorschreibt, eine ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Einschränkung darstellt und daher als unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit anzusehen ist. Die allgemeine, vom Staat festgelegte Pflicht zur Durchführung eines Liquidationsverfahrens kommt einer allgemeinen Missbrauchsvermutung gleich und ist daher als unverhältnismäßig anzusehen. Die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes einer Gesellschaft ohne Verlegung ihres tatsächlichen Sitzes fällt unter die vom Unionsrecht geschützte Niederlassungsfreiheit. Der Gerichtshof bekräftigte deshalb das Recht einer Gesellschaft, nur den satzungsmäßigen Sitz, nicht jedoch den tatsächlichen Sitz von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlegen, selbst wenn diese Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich im ersten Mitgliedstaat ausübt. Es stellt an sich keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit dar, wenn Polbud anstrebt, in den Genuss günstigerer Rechtsvorschriften zu kommen.

3.6.3.

Der EWSA unterstützt grundsätzlich die Einrichtung eines Verfahrens, mit dem solche Umwandlungen ermöglicht werden sollen, sowie die Festlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen, mit der die aus der Vielfalt der nationalen Regeln resultierende mangelnde Rechtssicherheit beseitigt werden soll, die sich negativ auf Unternehmen, Interessenträger und Mitgliedstaaten auswirkt. Die nationalen Rechtsvorschriften sind — soweit vorhanden — häufig unvereinbar oder nur schwer miteinander zu vereinbaren. Darüber hinaus sind grenzüberschreitende Umwandlungen in mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten nicht zulässig. Das ist insbesondere für KMU problematisch, da sie häufig nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, um die erforderlichen grenzüberschreitenden Verfahren mittels kostspieliger und komplizierter Alternativmethoden durchzuführen.

3.6.4.

Zu Beginn des Verfahrens stellt die zuständige Behörde des Wegzugsmitgliedstaats innerhalb eines Monats eine Vorabbescheinigung aus. Bestehen ernsthafte Bedenken, führt die Behörde innerhalb eines Monats eine eingehende Prüfung durch. Am Ende des Verfahrens erfolgt die Eintragung der umgewandelten Gesellschaft im Zuzugsmitgliedstaat unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Informationen, sofern die Gesellschaft die Vorschriften in Bezug auf die Eintragung und den Schutz der Arbeitnehmer erfüllt. Die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden wird über das System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (BRIS) erfolgen. Die Beteiligung der Arbeitnehmer ist insofern sichergestellt, als diese einen Anspruch darauf haben, rechtzeitig von der Gesellschaft informiert und konsultiert zu werden. Der Schutz der Arbeitnehmer kann auch durch die Behörde des Zuzugsmitgliedstaats bestätigt werden. Hier spielen die europäischen Betriebsräte eine wichtige Rolle.

3.6.5.

Der EWSA äußert Bedenken, ob ein recht langes und kostspieliges Verfahren die Kriterien für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit in einem anderen Mitgliedstaat erfüllt und mit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache C-106/16 (Polbud) vereinbar ist. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Gerichtshof Artikel 54 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU ausgelegt und den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zugrunde gelegt hat. Demnach leitet sich das Recht von Unternehmen auf grenzübergreifende Umwandlungen aus dem Vertrag ab, und die Mitgliedstaaten (und EU-Institutionen) müssen darauf achten, dass sie nicht dagegen verstoßen. Der EWSA unterstützt deshalb das Verfahren für die Verlegung des Unternehmenssitzes (grenzüberschreitende Umwandlung) im Wegzugsmitgliedstaat, empfiehlt jedoch, dass das Verfahren im Zuzugsmitgliedstaat (Artikel 86p) auf die Vorabprüfung der Einhaltung seiner Anforderungen in Bezug auf die Verbundenheit einer umgewandelten Gesellschaft mit seiner nationalen Rechtsordnung beschränkt sein sollte (24). Es sollte jedoch eine allgemeine Klausel zur Verhinderung des Missbrauchs des Niederlassungsrechts geben. Auf diese Weise wird das neue Verfahren über seine erklärten Ziele hinaus keine unnötigen Belastungen mit sich bringen, und der Zuzugsmitgliedstaat erhält zugleich die Möglichkeit, sogar nach der Umwandlung Kontrollen wegen eines möglichen Missbrauchs vorzunehmen.

3.6.6.

Darüber hinaus muss der Begriff der „künstlichen Gestaltung“ eines Unternehmens in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel, unrechtmäßige Steuervorteile zu erlangen, präzisiert werden. Dieser Begriff wurde vor allem vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelt und taucht in den Erwägungsgründen sowie in Artikel 86c Absatz 3 auf. Es handelt sich hierbei um ein grundlegendes Konzept, auf dessen Grundlage die Freiheit der Niederlassung eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen oder verboten werden kann. Dazu müssen eindeutige Kriterien und Indikatoren festgelegt werden, damit eine echte wirtschaftliche Tätigkeit auf der Grundlage fundierter ökonomischer Entscheidungen nicht behindert wird, wie im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache Polbud festgestellt.

3.6.7.

Grenzüberschreitende Verschmelzungen (25): Der Vorschlag beruht auf den positiven Erfahrungen mit der Richtlinie 2005/56/EG (26) über die Verschmelzung von Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, in der es nur um Kapitalgesellschaften geht, und beseitigt deren Mängel. Mit dem Vorschlag werden deshalb einheitliche materiellrechtliche Vorschriften zum Schutz von Gläubigern und Gesellschaftern eingeführt, während es in der Richtlinie 2005/56/EG nur um Verfahrensregeln ging, etwa um die Pflicht zur Unterrichtung der Gläubiger, wobei der materiellrechtliche Schutz weiterhin Sache der Mitgliedstaaten war. Der Vorschlag enthält die neue Forderung, dass im Verschmelzungsplan Folgendes konkretisiert wird:

Schutzmaßnahmen für Gläubiger: In dem Vorschlag wird die Vermutung eingeführt, dass Gläubigern kein Nachteil entsteht, wenn sie von einem Sicherungsgeber oder der hervorgehenden Gesellschaft ausgezahlt werden, was von einem unabhängigen Sachverständigen in einer Prüfung ihrer Situation festzustellen ist.

Gesellschafter, die nicht für die grenzüberschreitende Verschmelzung gestimmt haben oder nicht stimmberechtigt sind, sollen das Recht haben, die Gesellschaft zu verlassen, eine angemessene Entschädigung zu erhalten und das Umtauschverhältnis der Gesellschaftsanteile bei einem nationalen Gericht anzufechten.

3.6.8.

Der EWSA stimmt auch anderen Elementen des Kommissionsvorschlags zu:

a)

Einheitliche Vorschriften über die detaillierte und umfassende Unterrichtung der Arbeitnehmer über die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Verschmelzung. Die Richtlinie 2005/56/EG sah nur die Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsorgan sowie einen Managementbericht über die Situation der Arbeitnehmer vor.

b)

Einheitliche Vorschriften für ein vereinfachtes Verfahren für weniger komplexe Verschmelzungen oder Verzicht auf den Bericht des unabhängigen Sachverständigen mit Einverständnis aller Gesellschafter oder während einer Verschmelzung zwischen einer Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft.

c)

Verknüpfung von Unternehmensregistern zum Informationsaustausch — Einsatz digitaler Werkzeuge.

3.6.9.

Grenzüberschreitende Spaltungen (27): In nur 13 Mitgliedstaaten gibt es Vorschriften, die unterschiedlich oder miteinander unvereinbar sind. Obwohl Spaltungen wichtig für das Wachstum sind, gibt es keine EU-weite Vereinheitlichung. Um Missbrauch zu verhindern und die Interessenträger zu schützen, ist ein EU-Rechtsrahmen für Kapitalgesellschaften nötig, ähnlich wie bei grenzübergreifenden Umwandlungen. Hier ist ein zweistufiges Verfahren zu schaffen. Zunächst sind ein Spaltungsplan sowie zwei Berichte mit ausführlichen Erläuterungen zu den Auswirkungen der Spaltung auf Gläubiger und Arbeitnehmer zu erstellen. Für mittlere und große Unternehmen ist zusätzlich der Bericht des unabhängigen Sachverständigen erforderlich. Dies ist nur ein erster Schritt, und der Vorschlag sollte nach Auffassung des EWSA auch grenzüberschreitende Spaltungen durch Übernahme des Aktiv- und Passivvermögens bestehender Unternehmen umfassen, nicht nur die Fälle, in denen eine neue Gesellschaft gegründet wird.

3.6.10.

Gegenwärtig unterscheiden sich die nationalen Vorschriften in den Mitgliedstaaten erheblich bzw. erfordern mitunter umständliche Verwaltungsverfahren, die die Kommission im neuen Vorschlag durchgängig entschlacken sollte, um Unternehmen nicht von der Ergreifung neuer Chancen abzuhalten. Der EWSA unterstützt zwar die neuen Vorschriften und Verfahren, doch müssen diese sorgfältig geprüft werden, damit sie keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und keine zusätzlichen Kosten mit sich bringen, die über die gesetzten Ziele in Bezug auf Schutz der Arbeitnehmer, Gläubiger und Gesellschafter hinausgehen.

3.6.11.

Der EWSA begrüßt, dass Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen nach Artikel 86 g des Vorschlags von der Prüfung durch den unabhängigen Sachverständigen ausgenommen sind, da die Kosten für den Bericht eines unabhängigen Sachverständigen eine zu große Belastung für Kleinstunternehmen und KMU darstellen würden.

3.6.12.

Der EWSA betont, dass unabhängige Sachverständige bei der Prüfung und Zusammentragung der Unternehmensunterlagen in einem schriftlichen Bericht zur Aufdeckung von Betrug nur in großen Unternehmen sinnvoll sind, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, etwa eine wirksame interne Kontrollstruktur und Standardarbeitsverfahren zur Verhinderung und Eindämmung möglicher Interessenkonflikte und zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Berichte mit Blick auf die Interessenträger.

3.6.13.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich den Vorschlag der Europäischen Kommission, durch den zum ersten Mal ein Verfahren für eine grenzüberschreitende Umwandlung geschaffen wird und der die bereits existierenden Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen durch einen verstärkten Schutz der Interessenträger ergänzt. Allerdings können die sich daraus ergebenden Unterschiede zwischen den Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen einerseits und grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen andererseits die Attraktivität letzterer schmälern. Der EWSA schlägt vor, dass die Kommission diese Auswirkungen prüft.

3.6.14.

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, die geltenden Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer zu schützen. Der EWSA ist der Auffassung, dass in dem Unternehmen, das aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgegangen ist, weiterhin in jeder Hinsicht mindestens dasselbe Niveau der Arbeitnehmerbeteiligung gelten muss, wie nach dem Recht des Wegzugsmitgliedstaats vorgesehen, und zwar gemäß den Verfahren und Standardregeln in der Richtlinie 2001/86/EG (28).

3.6.15.

Der EWSA hebt den hohen Stellenwert der europäischen Betriebsräte in großen Unternehmen, die umgewandelt werden sollen, hervor und fordert deren verstärkte Einbeziehung im Einklang mit der Richtlinie 2009/38/EG (29).

3.7.

Generell betont der EWSA, dass alle digitalen Instrumente und Verfahren für die Zwecke dieser Vorschläge für Menschen mit Behinderungen umfassend zugänglich sein sollten, vor allem für Menschen mit einer Sehbehinderung.

Brüssel, den 17. Oktober 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  COM(2018) 239 final.

(2)  COM(2018) 241 final.

(3)  Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. L 169 vom 30.6.2017, S. 46).

(4)  COM(2018) 239 final.

(5)  COM(2015) 550 final.

(6)  Cartesio, Rs. C-210/06, ECLI:EU:C:2008:723, Rdnrn. 109 bis 112; VALE, Rs. C-378/10, ECLI:EU:C:2012:440, Rdnr. 32.

(7)  Polbud — Wykonawstwo, Rs. C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804.

(8)  Siehe Fußnoten 6 und 7.

(9)  COM(2018) 241 final.

(10)  ABl. L 169 vom 30.6.2017, S. 46.

(11)  COM(2015) 192 final.

(12)  COM(2016) 179 final.

(13)  Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64 vom 11.3.2011, S. 1).

(14)  COM(2018) 239 final.

(15)  COM(2018) 241, S 3.

(16)  COM(2018) 241, S. 5.

(17)  ABl. L 156 vom 16.6.2012, S. 1.

(18)  ABl. L 144 vom 10.6.2015, S. 1.

(19)  COM(2017) 256 final.

(20)  Artikel 10 der kodifizierten Richtlinie zum Gesellschaftsrecht (EU) 2017/1132.

(21)  Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64 vom 11.3.2011, S. 1).

(22)  Ein Verfahren, bei dem eine Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet und eingetragen wurde, ohne Abwicklung oder Liquidation und unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit in eine andere Gesellschaft umgewandelt wird, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet und eingetragen wird.

(23)  Rechtssache C-106/16. ECLI:EU:C:2017:804. Polbud war eine Gesellschaft mit Sitz in Polen, die ihren Gesellschaftssitz nach Luxemburg verlegen wollte, ohne zugleich den tatsächlichen Sitz zu verlegen. Die Eröffnung des Liquidationsverfahrens wurde ins polnische Handelsregister eingetragen, und es wurde ein Liquidator bestellt. 2013 wurde der satzungsmäßige Sitz von Polbud nach Luxemburg verlegt. Polbud wurde zu Consoil Geotechnik Sàrl, einer Gesellschaft luxemburgischen Rechts. Außerdem beantragte Polbud beim polnischen Registergericht die Löschung im polnischen Handelsregister. Dieser Löschungsantrag wurde vom Registergericht abgelehnt. Gegen diesen Beschluss erhob Polbud Klage. Der im Rechtsmittelverfahren mit der Sache befasste Sąd Najwyższy (Oberster Gerichtshof, Polen) möchte vom Gerichtshof zunächst wissen, ob die Niederlassungsfreiheit für die Verlegung lediglich des satzungsmäßigen Sitzes einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat gilt, wenn die Gesellschaft ohne Verlegung ihres tatsächlichen Sitzes in eine dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft umgewandelt wird. Siehe auch https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-10/cp170112de.pdf

(24)  Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen C-378/10, Vale Epitesi, EU:C:2012:440, Randnr. 31, und Polbud C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804, Randnrn. 33, 35, 44.

(25)  Ein Verfahren, bei dem zwei oder mehr Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen auf eine bereits bestehende (übernehmende) oder eine neue Gesellschaft übertragen.

(26)  Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten. Sie ist nun in der Kodifizierungsrichtlinie von 2017 enthalten.

(27)  Ein Verfahren, bei dem eine Gesellschaft ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen oder einen Teil davon aufteilt und auf eine bereits bestehende oder eine neue Gesellschaft bzw. bereits bestehende oder neue Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat überträgt.

(28)  Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (ABl. L 294 vom 10.11.2001, S. 22).

(29)  Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (Neufassung) (ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28).


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