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Document 32020R2092

    Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union

    ABl. L 433I vom 22.12.2020, p. 1–10 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force: This act has been changed. Current consolidated version: 22/12/2020

    ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2020/2092/oj

    22.12.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    LI 433/1


    VERORDNUNG (EU, Euratom) 2020/2092 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

    vom 16. Dezember 2020

    über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union

    DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 322 Absatz 1 Buchstabe a,

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 106a,

    auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

    nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

    nach Stellungnahme des Rechnungshofs (1),

    gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (2),

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)

    Die Union gründet sich auf die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Werte, nämlich die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. In Artikel 2 EUV heißt es ferner, dass diese Werte allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam sind, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.

    (2)

    Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen vom 21. Juli 2020 erklärt, dass die finanziellen Interessen der Union im Einklang mit den in den Verträgen verankerten allgemeinen Grundsätzen, und insbesondere im Einklang mit den Werten gemäß Artikel 2 EUV, zu schützen sind. Er hat ferner die Bedeutung unterstrichen, die dem Schutz der finanziellen Interessen der Union zukommt, und die Bedeutung, die der Achtung der Rechtsstaatlichkeit zukommt.

    (3)

    Die Rechtsstaatlichkeit setzt voraus, dass jedwede öffentliche Gewalt innerhalb des geltenden Rechts im Einklang mit den Werten der Demokratie und der Achtung der Grundrechte, wie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) und in anderen anwendbaren Rechtsinstrumenten niedergelegt, unter der Kontrolle unabhängiger und unparteiischer Gerichte ausgeübt wird. Sie setzt insbesondere voraus, dass die Grundsätze der Rechtmäßigkeit (3), die einen transparenten, rechenschaftspflichtigen, demokratischen und pluralistischen Gesetzgebungsprozessen voraussetzt, der Rechtssicherheit (4), des Verbots der willkürlichen Ausübung von Hoheitsgewalt (5), des wirksamen Rechtsschutzes einschließlich des Zugangs zur Justiz durch unabhängige und unparteiische Gerichte (6) sowie der Gewaltenteilung (7), eingehalten werden (8).

    (4)

    Die vom Europäischen Rat auf seiner Tagung im Jahr 1993 in Kopenhagen festgelegten und auf seiner Tagung im Jahr 1995 in Madrid weiter präzisierten Beitrittskriterien sind die unabdingbaren Voraussetzungen, die alle Kandidatenländer erfüllen müssen, um ein Mitgliedstaat der Union zu werden. Diese Kriterien sind nun in Artikel 49 EUV verankert.

    (5)

    Sobald ein Kandidatenland ein Mitgliedstaat wird, tritt es einer rechtlichen Konstruktion bei, die auf der grundlegenden Prämisse beruht, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt — und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen —, auf die sich, wie es in Artikel 2 EUV heißt, die Union gründet. Diese Prämisse impliziert und rechtfertigt die Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung dieser Werte und damit bei der Beachtung des Unionsrechts, mit dem sie umgesetzt werden (9). Die Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten sollten weiterhin im Einklang mit den gemeinsamen Werten stehen, auf die sich die Union gründet.

    (6)

    Zwar gibt es keine Hierarchie zwischen den Werten der Union, doch ist die Achtung der Rechtsstaatlichkeit wesentlich für den Schutz der übrigen Grundwerte, auf die sich die Union gründet, wie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Wahrung der Menschenrechte. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist untrennbar mit der Achtung der Demokratie und der Grundrechte verbunden. Demokratie und Achtung der Grundrechte sind ohne Achtung der Rechtsstaatlichkeit nicht möglich, was umgekehrt genauso gilt.

    (7)

    Bei der Ausführung des Haushaltsplans der Union durch die Mitgliedstaaten, einschließlich der Mittel, die über das Aufbauinstrument der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EU) 2020/2094 des Rates (10) und über Darlehen und andere Instrumente, die aus dem Haushalt der Union garantiert werden, bereitgestellt werden, ist die Achtung der Rechtsstaatlichkeit — ungeachtet der von den Mitgliedstaaten angewendeten Arten des Haushaltsvollzugs — eine Grundvoraussetzung für die Einhaltung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, der in Artikel 317 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert ist.

    (8)

    Eine wirtschaftliche Haushaltsführung kann von den Mitgliedstaaten nur gewährleistet werden, wenn die Behörden im Einklang mit dem Gesetz handeln, wenn Betrugsfälle, einschließlich Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Korruption, Interessenkonflikte und andere Gesetzesverstöße, wirksam von Ermittlungs- und Strafverfolgungsinstanzen verfolgt werden und wenn willkürliche oder unrechtmäßige Entscheidungen von Behörden, einschließlich Strafverfolgungsbehörden, einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle durch unabhängige Gerichte und durch den Gerichtshof der Europäischen Union unterworfen werden können.

    (9)

    Die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Justiz sollten jederzeit garantiert sein, und die Ermittlungs- und Strafverfolgungsinstanzen sollten in der Lage sein, ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen. Die Justiz sowie die Ermittlungs- und Strafverfolgungsinstanzen sollten mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet sein und über angemessene Verfahren verfügen, um wirksam und unter uneingeschränkter Wahrung des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren, einschließlich der Wahrung der Verteidigungsrechte, handeln zu können. Rechtskräftige Urteile sollten wirksam umgesetzt werden. Diese Voraussetzungen stellen eine unabdingbare Mindestgarantie gegen unrechtmäßige und willkürliche Entscheidungen von Behörden dar, die den finanziellen Interessen der Union schaden könnten.

    (10)

    Die Unabhängigkeit der Justiz setzt insbesondere voraus, dass das betreffende Justizorgan sowohl nach den einschlägigen Vorschriften als auch in der Praxis seine richterlichen Funktionen in völliger Autonomie ausüben kann, ohne hierarchischen Zwängen ausgesetzt zu sein oder irgendeiner Stelle untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, und dass es auf diese Weise vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils seiner Mitglieder gefährden und deren Entscheidungen beeinflussen könnten. Die Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit setzen voraus, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung des Justizorgans und die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Ablehnung und Abberufung seiner Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit dieses Organs für äußere Faktoren und an seiner Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen.

    (11)

    Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger der Union von wesentlicher Bedeutung, sondern auch für unternehmerische Initiativen, Innovationen, Investitionen, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts, die sich dort am besten entwickeln können, wo ein solider rechtlicher und institutioneller Rahmen vorhanden ist.

    (12)

    Gemäß Artikel 19 EUV, mit dem der in Artikel 2 EUV verankerte Wert der Rechtsstaatlichkeit konkretisiert wird, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen, darunter auch die Ausführung des Haushaltsplans der Union, zu gewährleisten. Schon das Vorhandensein einer wirksamen, zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts dienenden gerichtlichen Kontrolle ist dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent und setzt unabhängige Gerichte voraus (11). Die Unabhängigkeit der Gerichte ist von grundlegender Bedeutung, wie Artikel 47 Unterabsatz 2 der Charta (12) bestätigt. Das gilt insbesondere für die gerichtliche Kontrolle der Gültigkeit der Maßnahmen, Verträge oder anderen Instrumente, die zu öffentlichen Ausgaben oder Verbindlichkeiten führen, unter anderem im Zusammenhang mit Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die ebenfalls Gegenstand von Gerichtsverfahren sein können.

    (13)

    Es besteht daher ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der effizienten Ausführung des Haushaltsplans der Union im Einklang mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung.

    (14)

    Die Union hat eine Vielzahl von Instrumenten und Verfahren entwickelt, die der Förderung der Rechtsstaatlichkeit und ihrer Anwendung dienen, darunter die finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, der europäische Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und das EU-Justizbarometer, und die durch Vertragsverletzungsverfahren und das Verfahren nach Artikel 7 EUV eine wirksame Reaktion der Unionsorgane auf Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit ermöglichen. Der in dieser Verordnung vorgesehene Mechanismus ergänzt dieses Instrumentarium, indem er den Haushalt der Union vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit schützt, die die wirtschaftliche Haushaltsführung der Union oder den Schutz ihrer finanziellen Interessen beeinträchtigen.

    (15)

    Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere jene, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Behörden und die wirksame gerichtliche Kontrolle beeinträchtigen, können den finanziellen Interessen der Union schweren Schaden zufügen. Dies gilt für einzelne Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und noch viel mehr für Verstöße, die weit verbreitet sind oder auf wiederholte Handlungen oder Unterlassungen von Behörden oder auf allgemeine Maßnahmen, die diese Behörden ergriffen haben, zurückzuführen sind.

    (16)

    Die Feststellung von Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit bedarf einer gründlichen qualitativen Bewertung seitens der Kommission. Diese Bewertung sollte objektiv, unparteiisch und fair sein und sachdienliche Informationen aus verfügbaren Quellen und von anerkannten Institutionen berücksichtigen, darunter Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, Berichte des Rechnungshofs, der Jahresbericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit und das jährliche EU-Justizbarometer der Kommission, Berichte des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) und gegebenenfalls Informationen der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), sowie Schlussfolgerungen und Empfehlungen einschlägiger internationaler Organisationen und Netze, einschließlich der Einrichtungen des Europarats wie der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) und der Venedig-Kommission, insbesondere deren Verzeichnis der Kriterien zur Bewertung der Rechtsstaatlichkeit („Rule of Law Checklist“) — und der Europäischen Netze der obersten Gerichtshöfe und der Räte für das Justizwesen. Die Kommission könnte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und die Venedig-Kommission konsultieren, falls dies für eine gründliche qualitative Bewertung erforderlich ist.

    (17)

    Maßnahmen im Rahmen dieser Verordnung sind insbesondere dann erforderlich, wenn andere in der Unionsgesetzgebung festgelegte Verfahren keinen wirksameren Schutz des Haushalts der Union ermöglichen würden. Die Finanzgesetzgebung der Union und die anwendbaren sektorspezifischen Vorschriften und Haushaltsvorschriften sehen verschiedene Möglichkeiten zum Schutz des Haushalts der Union vor, darunter Unterbrechungen, Aussetzungen oder Finanzkorrekturen im Fall von Unregelmäßigkeiten oder schwerwiegenden Mängeln in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen. Es sollten die im Falle von Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit anzunehmenden Maßnahmen und die anzuwendenden Verfahren zur Annahme diese Maßnahmen festgelegt werden. Diese Maßnahmen sollten die Aussetzung von Zahlungen und von Mittelbindungen, die Aussetzung der Auszahlung von Tranchen oder die vorzeitige Rückzahlung von Darlehen, eine Reduzierung der Mittel aus bestehenden Mittelbindungen sowie das Verbot neuer Mittelbindungen gegenüber Empfängern oder des Eingehens neuer Vereinbarungen über Darlehen oder andere Instrumente, die aus dem Haushalt der Union garantiert werden, umfassen.

    (18)

    Bei der Festsetzung der anzunehmenden Maßnahmen sollten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewandt werden und dabei sollte insbesondere die Schwere der Umstände, der Zeitraum seit Beginn des einschlägigen Verhaltens, die Dauer und Häufigkeit des Verhaltens, die zugrunde liegende Absicht und das Ausmaß der Mitarbeit des betreffenden Mitgliedstaats bei der Abstellung der Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sowie die Auswirkungen dieser Verstöße auf die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union oder auf die finanziellen Interessen der Union berücksichtigt werden.

    (19)

    Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die berechtigten Interessen von Endempfängern und Begünstigten angemessen geschützt werden, wenn Maßnahmen im Falle von Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit angenommen werden. Zieht die Kommission die Annahme von Maßnahmen in Betracht, so sollte sie dabei deren potenzielle Auswirkungen auf Endempfänger und Begünstigte berücksichtigen. In Anbetracht dessen, dass im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung Zahlungen der Kommission an die Mitgliedstaaten rechtlich unabhängig von Zahlungen nationaler Behörden an die Begünstigten sind, sollte gelten, dass geeignete Maßnahmen im Rahmen dieser Verordnung die Verfügbarkeit von Mitteln für Zahlungen an Begünstigte entsprechend den in den anwendbaren sektorspezifischen Vorschriften und Haushaltsvorschriften vorgesehenen Zahlungsfristen nicht berühren. Die im Rahmen dieser Verordnung angenommenen Beschlüsse und die in dieser Verordnung festgelegten Verpflichtungen gegenüber Endempfängern oder Begünstigten sind Teil des in Bezug auf die Durchführung von Finanzierungen unter geteilter Mittelverwaltung anwendbaren Unionsrechts. Die von den Maßnahmen betroffenen Mitgliedstaaten sollten der Kommission regelmäßig über die Einhaltung ihrer Verpflichtungen gegenüber Endempfängern oder Begünstigten Bericht erstatten. Die Berichterstattung über die Einhaltung der in den anwendbaren sektorspezifischen Vorschriften und Haushaltsvorschriften festgelegten Zahlungsverpflichtungen gegenüber Begünstigten sollte es der Kommission ermöglichen, zu überprüfen, ob die im Rahmen dieser Verordnung angenommenen Beschlüsse in irgendeiner Weise mittelbare oder unmittelbare Auswirkungen auf Zahlungen haben, die nach den geltenden sektorspezifischen Vorschriften und Haushaltsvorschriften zu leisten sind.

    Um den Schutz für Endempfänger oder Begünstigte zu verbessern, sollte die Kommission über eine Website oder ein Internetportal Informationen und Leitlinien zur Verfügung stellen, und zwar zusammen mit geeigneten Instrumenten, mit deren Hilfe die Kommission informiert werden kann, falls staatliche Einrichtungen und Mitgliedstaaten gegen ihre rechtmäßige Verpflichtung verstoßen, auch nach der Annahme von Maßnahmen gemäß dieser Verordnung weiterhin Zahlungen zu leisten. Die Kommission sollte diesen Informationen nachgehen und überprüfen, ob die anwendbaren Vorschriften, insbesondere Artikel 63, Artikel 68 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 98 der Verordnung (EU) …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zur Festlegung gemeinsamer Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl- und Migrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für Grenzmanagement und Visa (13) eingehalten wurden. Um sicherzustellen, dass alle von staatlichen Einrichtungen oder Mitgliedstaaten geschuldeten Beträge auch tatsächlich an die Endempfänger oder Begünstigten ausgezahlt werden, sollte die Kommission — falls erforderlich — ausgezahlten Beträge wieder einziehen oder gegebenenfalls eine Finanzkorrektur vornehmen, indem sie die Unterstützung der Union für ein Programm im Einklang mit den anwendbaren sektorspezifischen Vorschriften und Haushaltsvorschriften verringert.

    (20)

    Im Interesse der Gewährleistung einheitlicher Bedingungen zur Durchführung dieser Verordnung und angesichts der Bedeutung der finanziellen Folgen der aufgrund dieser Verordnung angenommenen Maßnahmen sollten dem Rat, der auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission tätig werden sollte, Durchführungsbefugnisse übertragen werden.

    (21)

    Bevor die Kommission eine Maßnahme gemäß dieser Verordnung vorschlägt, sollte sie dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilen, warum sie der Auffassung ist, dass es in diesem Mitgliedstaat möglicherweise zu Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit kommt. Die Kommission sollte das Europäische Parlament und den Rat umgehend über eine solche Mitteilung und deren Inhalt unterrichten. Dem betreffenden Mitgliedstaat sollte erlaubt werden, Stellung zu nehmen. Die Kommission sollte diese Stellungnahme berücksichtigen.

    (22)

    Bei der Setzung von Fristen für den betreffenden Mitgliedstaat gemäß dieser Verordnung sollte die Kommission insbesondere dem Umfang der bereitgestellten und angeforderten Informationen, der Komplexität der relevanten Tatsachen und ihrer Bewertung sowie der Verwaltungskapazität des betreffenden Mitgliedstaats Rechnung tragen.

    (23)

    Gelangt die Kommission nach Prüfung der Stellungnahme des betreffenden Mitgliedstaats zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für die Annahme von Maßnahmen gegeben sind, so sollte sie dem Rat einen Vorschlag für die Annahme geeigneter Maßnahmen vorlegen. Der Rat sollte auf Vorschlag der Kommission tätig werden und im Wege eines Durchführungsbeschlusses innerhalb eines Zeitraums von einem Monat, der ausnahmsweise um höchstens zwei weitere Monate verlängert werden kann, geeignete Maßnahmen annehmen. Die Kommission sollte ihre Rechte gemäß Artikel 237 AEUV und die Geschäftsordnung des Rates (14) bestmöglich nutzen, um sicherzustellen, dass der Rat den Beschluss innerhalb dieser Fristen fasst.

    (24)

    Nach der Annahme von Maßnahmen gemäß dieser Verordnung sollte die Kommission die Umstände in dem betreffenden Mitgliedstaat regelmäßig überwachen. Die Kommission sollte eine Neubewertung der Umstände durchführen, wenn der betreffende Mitgliedstaat neue Abhilfemaßnahmen annimmt, in jedem Fall aber spätestens ein Jahr nach Annahme der Maßnahmen.

    (25)

    Der Rat sollte Maßnahmen mit aussetzender Wirkung aufheben, wenn die Umstände, die zur Verhängung der Maßnahmen geführt haben, in ausreichendem Maße behoben wurden, wobei er auf Vorschlag der Kommission tätig werden sollte.

    (26)

    Das Verfahren zur Annahme und zur Aufhebung der Maßnahmen sollte die Grundsätze der Objektivität, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten achten und auf der Grundlage eines unparteilichen und evidenzbasierten Ansatzes durchgeführt werden. Sollte der betreffende Mitgliedstaat in Ausnahmefällen der Auffassung sein, dass schwere Verstöße gegen diese Grundsätze vorliegen, kann er den Präsidenten des Europäischen Rates ersuchen, den Europäischen Rat auf dessen nächster Tagung mit der Angelegenheit zu befassen. In diesen Ausnahmefällen sollte keine Entscheidung über die Maßnahmen getroffen werden, bis der Europäische Rat die Angelegenheit erörtert hat. Dieses Verfahren wird in der Regel innerhalb von drei Monaten, nachdem die Kommission dem Rat ihren Vorschlag übermittelt hat, abgeschlossen.

    (27)

    Die Kommission sollte das Europäische Parlament über alle Maßnahmen unterrichten, die gemäß dieser Verordnung vorgeschlagen, angenommen und aufgehoben werden.

    (28)

    Die Kommission sollte dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Anwendung dieser Verordnung erstatten. Bei der Berichterstattung an das Europäische Parlament und den Rat sollte die Kommission neben der Wirksamkeit der angenommenen Maßnahmen auch die Wirksamkeit des in dieser Verordnung festgelegten Verfahrens insgesamt und die Komplementarität dieses Rechtsinstruments mit anderen Rechtsinstrumenten berücksichtigen.

    (29)

    Diese Verordnung sollte weder die Zuständigkeit der EUStA noch die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die nicht an der Verstärkten Zusammenarbeit gemäß der Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates (15) teilnehmen, berühren —

    HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

    Artikel 1

    Gegenstand

    In dieser Verordnung sind die Regeln festgelegt, die zum Schutz des Haushalts der Union im Falle von Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten erforderlich sind.

    Artikel 2

    Begriffsbestimmungen

    Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

    a)

    „Rechtsstaatlichkeit“ bezeichnet den in Artikel 2 EUV verankerten Wert der Union. Dieser umfasst die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, die transparente, rechenschaftspflichtige, demokratische und pluralistische Gesetzgebungsverfahren voraussetzen, der Rechtssicherheit, des Verbots der willkürlichen Ausübung von Hoheitsgewalt, des wirksamen Rechtsschutzes — einschließlich des Zugangs zur Justiz — durch unabhängige und unparteiische Gerichte, auch in Bezug auf Grundrechte, der Gewaltenteilung und der Nichtdiskriminierung und der Gleichheit vor dem Gesetz. Die Rechtsstaatlichkeit ist so zu verstehen, dass auch die anderen in Artikel 2 EUV verankerten Werte und Grundsätze der Union berücksichtigt werden;

    b)

    „staatliche Einrichtung“ ist jede Behörde auf allen Regierungsebenen, einschließlich nationaler, regionaler und kommunaler Behörden, sowie mitgliedstaatliche Organisationen im Sinne des Artikels 2 Nummer 42 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates (16) („Haushaltsordnung“).

    Artikel 3

    Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit

    Für die Zwecke dieser Verordnung kann Folgendes ein Hinweis auf Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sein:

    a)

    die Gefährdung der Unabhängigkeit der Justiz;

    b)

    das Versäumnis, willkürliche oder rechtswidrige Entscheidungen von Behörden einschließlich Strafverfolgungsbehörden, zu verhüten, zu korrigieren oder zu ahnden, die ihre ordnungsgemäße Arbeit beeinträchtigende Einbehaltung finanzieller und personeller Ressourcen oder das Versäumnis, sicherzustellen, dass keine Interessenkonflikte bestehen;

    c)

    die Einschränkung der Zugänglichkeit und Wirksamkeit von Rechtsbehelfen, auch mittels restriktiver Verfahrensvorschriften und der Nichtumsetzung von Gerichtsentscheidungen oder der Einschränkung der wirksamen Untersuchung, Verfolgung oder Ahndung von Rechtsverstößen.

    Artikel 4

    Voraussetzungen für die Annahme von Maßnahmen

    (1)   Geeignete Maßnahmen sind zu ergreifen, wenn gemäß Artikel 6 festgestellt wird, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union oder den Schutz ihrer finanziellen Interessen hinreichend unmittelbar beeinträchtigen oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen.

    (2)   Für die Zwecke dieser Verordnung betreffen Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit einen oder mehrere der folgenden Punkte:

    a)

    das ordnungsgemäße Arbeiten der Behörden, die den Haushaltsplan der Union ausführen, einschließlich Darlehen und anderer aus dem Haushalt der Union garantierter Instrumente, insbesondere im Zusammenhang mit Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge oder mit Finanzhilfeverfahren;

    b)

    das ordnungsgemäße Arbeiten der Dienststellen, die die Finanzkontrolle, die Überwachung und die Rechnungsprüfung durchführen, sowie das ordnungsgemäße Funktionieren wirksamer und transparenter Finanzverwaltungs- und Rechenschaftssysteme;

    c)

    das ordnungsgemäße Arbeiten von Ermittlungs- und Strafverfolgungsinstanzen bei der Untersuchung und Verfolgung von Betrug, einschließlich Steuerbetrug, Korruption und anderen Verstößen gegen das Unionsrecht im Zusammenhang mit der Ausführung des Haushaltsplans der Union oder dem Schutz ihrer finanziellen Interessen;

    d)

    die wirksame gerichtliche Kontrolle behördlicher Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der Buchstaben a, b und c durch unabhängige Gerichte;

    e)

    die Verhütung und Ahndung von Betrug, einschließlich Steuerbetrug, Korruption und anderer Verstöße gegen das Unionsrecht im Zusammenhang mit der Ausführung des Haushaltsplans der Union oder dem Schutz ihrer finanziellen Interessen sowie die Verhängung wirksamer und abschreckender Sanktionen gegen Empfänger durch nationale Gerichte oder Verwaltungsbehörden;

    f)

    die Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge;

    g)

    die wirksame und rechtzeitige Zusammenarbeit mit OLAF und, vorbehaltlich der Beteiligung des betroffenen Mitgliedstaats, mit der EUStA bei ihren Ermittlungs- und Strafverfolgungstätigkeiten gemäß den anwendbaren Unionsrechtsakten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit;

    h)

    andere Umstände oder Verhaltensweisen von Behörden, die für die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union oder den Schutz ihrer finanziellen Interessen von Bedeutung sind.

    Artikel 5

    Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union

    (1)   Vorbehaltlich der Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Artikel 4 dieser Verordnung können eine oder mehrere der folgenden geeigneten Maßnahmen gemäß dem in Artikel 6 dieser Verordnung festgelegten Verfahren angenommen werden:

    a)

    wenn die Kommission den Haushaltsplan der Union in direkter oder indirekter Mittelverwaltung gemäß Artikel 62 Absatz 1 Buchstaben a und c der Haushaltsordnung ausführt und es sich bei dem Empfänger um eine staatliche Einrichtung handelt:

    i)

    eine Aussetzung von Zahlungen oder der Umsetzung der rechtlichen Verpflichtung oder die Kündigung der rechtlichen Verpflichtung gemäß Artikel 131 Absatz 3 der Haushaltsordnung;

    ii)

    das Verbot des Eingehens neuer rechtlicher Verpflichtungen;

    iii)

    eine vollständige oder teilweise Aussetzung der Auszahlung von Tranchen oder eine vorzeitige Rückzahlung von aus dem Haushalt der Union garantierten Darlehen;

    iv)

    eine Aussetzung oder Verringerung des wirtschaftlichen Vorteils im Rahmen eines aus dem Haushalt der Union garantierten Instruments;

    v)

    das Verbot des Abschlusses neuer Vereinbarungen über Darlehen oder andere Instrumente, die aus dem Haushalt der Union garantiert werden;

    b)

    wenn die Kommission den Haushalt der Union in geteilter Mittelverwaltung mit den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe b der Haushaltsordnung ausführt:

    i)

    eine Aussetzung der Genehmigung eines oder mehrerer Programme oder die Änderung der Aussetzung;

    ii)

    eine Aussetzung von Mittelbindungen;

    iii)

    eine Reduzierung von Mittelbindungen, einschließlich durch Finanzkorrekturen oder Mittelübertragungen auf andere Ausgabenprogramme;

    iv)

    eine Reduzierung der Vorfinanzierung;

    v)

    eine Unterbrechung von Zahlungsfristen;

    vi)

    eine Aussetzung von Zahlungen.

    (2)   Sofern in dem Beschluss zur Annahme der Maßnahmen nichts Anderweitiges bestimmt wird, berührt die Verhängung geeigneter Maßnahmen nicht die Verpflichtungen der staatlichen Einrichtungen gemäß Absatz 1 Buchstabe a oder der Mitgliedstaaten gemäß Absatz 1 Buchstabe b, das von der Maßnahme betroffene Programm oder den von der Maßnahme betroffenen Fonds auszuführen, und insbesondere nicht ihre Verpflichtungen gegenüber Endempfängern oder Begünstigten, einschließlich der Verpflichtung zur Leistung von Zahlungen im Rahmen dieser Verordnung und der anwendbaren sektorspezifischen Vorschriften oder Haushaltsvorschriften. Bei der Ausführung von Unionsmitteln in geteilter Mittelverwaltung erstatten die Mitgliedstaaten, die von gemäß dieser Verordnung angenommenen Maßnahmen betroffen sind, der Kommission alle drei Monate nach Annahme der genannten Maßnahmen darüber Bericht, wie sie diesen Verpflichtungen nachkommen.

    Die Kommission überprüft, ob das anwendbare Recht eingehalten wurde, und ergreift erforderlichenfalls alle geeigneten Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union im Einklang mit den sektorspezifischen Vorschriften und den Haushaltsvorschriften.

    (3)   Die getroffenen Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein. Sie werden unter Berücksichtigung der tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen der Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit auf die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union oder auf die finanziellen Interessen der Union festgelegt. Der Art, der Dauer, der Schwere und dem Umfang der Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit wird gebührend Rechnung getragen. Die Maßnahmen sind — soweit möglich — auf die durch die Verstöße beeinträchtigten Handlungen der Union ausgerichtet.

    (4)   Die Kommission stellt den Endempfängern oder Begünstigten über eine Website oder ein Internetportal Informationen und Leitlinien zu den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gemäß Absatz 2 zur Verfügung. Ferner stellt die Kommission den Endempfängern oder Begünstigten über dieselbe Website bzw. dasselbe Internetportal geeignete Instrumente zur Verfügung, mit denen sie die Kommission über jegliche Verstöße gegen diese Verpflichtungen, von denen diese Endempfänger oder Begünstigten ihrer Ansicht nach unmittelbar betroffen sind, informieren können. Bei der Anwendung dieses Absatzes wird sichergestellt, dass Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, im Einklang mit den in der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates (17) niedergelegten Grundsätzen geschützt werden. Den Informationen, die von Endempfängern oder Begünstigten gemäß diesem Absatz bereitgestellt werden, wird der Nachweis darüber beigefügt, dass der betreffende Endempfänger oder Begünstigte eine offizielle Beschwerde bei der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats eingereicht hat.

    (5)   Auf der Grundlage der von den Endempfängern oder Begünstigten gemäß Absatz 4 des vorliegenden Artikels bereitgestellten Informationen unternimmt die Kommission alles in ihrer Macht Stehende, um sicherzustellen, dass jeder von staatlichen Einrichtungen oder Mitgliedstaaten gemäß Absatz 2 des vorliegenden Artikels geschuldete Betrag im Einklang insbesondere mit Artikel 63, Artikel 68 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 98 der Verordnung (EU) …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zur Festlegung gemeinsamer Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl- und Migrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für Grenzmanagement und Visa tatsächlich an die Endempfänger oder Begünstigten gezahlt wird.

    Artikel 6

    Verfahren

    (1)   Liegen nach Auffassung der Kommission hinreichende Gründe für die Feststellung vor, dass die in Artikel 4 festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, übermittelt sie dem betreffenden Mitgliedstaat eine schriftliche Mitteilung und legt darin die Tatsachen und die spezifischen Gründe dar, auf denen ihre Feststellungen beruhen, es sei denn, sie ist der Auffassung, dass andere in der Gesetzgebung der Union festgelegte Verfahren es ihr ermöglichen würden, den Haushalt der Union wirksamer zu schützen. Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat unverzüglich über diese Mitteilung und deren Inhalt.

    (2)   Das Europäische Parlament kann die Kommission auf der Grundlage der gemäß Absatz 1 erhaltenen Informationen zu einem strukturierten Dialog über ihre Feststellungen auffordern.

    (3)   Bei der Prüfung, ob die in Artikel 4 festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, berücksichtigt die Kommission sachdienliche Informationen aus verfügbaren Quellen, einschließlich Beschlüssen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen von Organen der Union sowie von anderen einschlägigen internationalen Organisationen und anderen anerkannten Einrichtungen.

    (4)   Die Kommission kann sowohl vor als auch nach der Übermittlung der schriftlichen Mitteilung gemäß Absatz 1 zusätzliche Informationen anfordern, die sie für die Bewertung gemäß Absatz 3 benötigt.

    (5)   Der betreffende Mitgliedstaat legt sämtliche erforderlichen Informationen zu den in der Mitteilung gemäß Absatz 1 dargelegten Feststellungen innerhalb einer von der Kommission anzugebenden Frist, die mindestens einen Monat und nicht mehr als drei Monate ab dem Tag der Mitteilung dieser Feststellungen betragen darf, vor und kann zugleich Stellung dazu nehmen. In seiner Stellungnahme kann der Mitgliedstaat die Annahme von Abhilfemaßnahmen vorschlagen, um auf die Feststellungen in der Mitteilung der Kommission zu reagieren.

    (6)   Bei der Entscheidung darüber, ob sie einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss über geeignete Maßnahmen vorlegt, berücksichtigt die Kommission die von dem betreffenden Mitgliedstaat erhaltenen Informationen und etwaigen Stellungnahmen sowie die Angemessenheit der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen. Die Kommission nimmt ihre Bewertung binnen einer Regelfrist von einem Monat ab dem Eingang der Informationen vonseiten des betreffenden Mitgliedstaats oder ab dem Eingang seiner Stellungnahmen oder, sofern keine Informationen oder Stellungnahmen eingehen, ab dem Ablauf der gemäß Absatz 5 gesetzten Frist und in jedem Fall binnen einer angemessenen Frist vor.

    (7)   Beabsichtigt die Kommission, einen Vorschlag gemäß Absatz 9 zu unterbreiten, so gibt sie dem Mitgliedstaat vor Unterbreitung des Vorschlags die Möglichkeit, innerhalb eines Monats zu den Feststellungen und insbesondere zur Verhältnismäßigkeit der in Aussicht genommenen Maßnahmen Stellung zu nehmen.

    (8)   Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der zu verhängenden Maßnahmen trägt die Kommission den Informationen und Vorgaben gemäß Absatz 3 Rechnung.

    (9)   Gelangt die Kommission zu der Feststellung, dass die Voraussetzungen des Artikels 4 erfüllt sind und die gegebenenfalls vom Mitgliedstaat gemäß Absatz 5 vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen der in der Mitteilung der Kommission dargelegten Feststellung nicht in angemessener Weise gerecht werden, legt sie dem Rat einen Entwurf für einen Durchführungsbeschluss mit geeigneten Maßnahmen vor, und zwar binnen eines Monats nach Eingang der Stellungnahme des Mitgliedstaats oder, sofern keine Stellungnahme abgegeben wird, unverzüglich und in jedem Fall binnen eines Monats nach Ablauf der gemäß Absatz 7 festgelegten Frist. Die Kommission legt in ihrem Vorschlag die spezifischen Gründe und Beweismittel dar, auf denen ihre Feststellung beruht.

    (10)   Der Rat nimmt den in Absatz 9 des vorliegenden Artikels genannten Durchführungsbeschluss binnen eines Monats nach Eingang des Kommissionsvorschlags an. Sollten außergewöhnliche Umstände auftreten, kann der Zeitraum für die Annahme dieses Durchführungsbeschlusses um höchstens zwei Monate verlängert werden. Zur Gewährleistung eines rechtzeitigen Beschlusses macht die Kommission von ihren Rechten nach Artikel 237 AEUV Gebrauch, wenn sie dies für angemessen hält.

    (11)   Der Rat kann den Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit ändern und den geänderten Text durch einen Durchführungsbeschluss erlassen.

    Artikel 7

    Aufhebung von Maßnahmen

    (1)   Der betreffende Mitgliedstaat kann jederzeit neue Abhilfemaßnahmen annehmen und der Kommission eine schriftliche Mitteilung einschließlich Beweismittel vorlegen, um darzulegen, dass die Voraussetzungen gemäß Artikel 4 nicht länger erfüllt sind.

    (2)   Die Kommission führt auf Ersuchen des betreffenden Mitgliedstaats oder auf eigene Initiative und spätestens ein Jahr nach der Annahme der Maßnahmen durch den Rat eine Neubewertung der Umstände in dem betreffenden Mitgliedstaat durch, wobei sie alle von dem betreffenden Mitgliedstaat eingereichten Beweismittel sowie die Angemessenheit neuer von dem betreffenden Mitgliedstaat angenommenen Abhilfemaßnahmen berücksichtigt.

    Gelangt die Kommission zu der Feststellung, dass die Voraussetzungen gemäß Artikel 4 nicht mehr erfüllt sind, so legt sie dem Rat einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss zur Aufhebung der angenommenen Maßnahmen vor.

    Gelangt die Kommission zu der Feststellung, dass die Umstände, die zur Annahme der Maßnahmen geführt haben, teilweise behoben wurden, legt sie dem Rat einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss zur Anpassung der angenommenen Maßnahmen vor.

    Gelangt die Kommission zu der Feststellung, dass die Umstände, die zur Annahme der Maßnahmen geführt haben, nicht behoben wurden, richtet sie einen begründeten Beschluss an den betreffenden Mitgliedstaat und unterrichtet den Rat hiervon.

    Übermittelt der betreffende Mitgliedstaat eine schriftliche Mitteilung gemäß Absatz 1, so legt die Kommission innerhalb eines Monats nach Eingang dieser Mitteilung ihren Vorschlag vor oder nimmt ihren Beschluss an. Diese Frist kann in hinreichend begründeten Fällen verlängert werden; in diesem Fall unterrichtet die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat unverzüglich über die Gründe für die Verlängerung.

    Es gilt gegebenenfalls das Verfahren gemäß Artikel 6 Absätze 3, 4, 5, 6, 9, 10 und 11 entsprechend.

    (3)   Werden Maßnahmen über die Aussetzung der Genehmigung eines oder mehrerer Programme oder über die Änderung der Aussetzung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i oder über die Aussetzung von Mittelbindungen im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii aufgehoben, werden den ausgesetzten Mittelbindungen entsprechende Beträge vorbehaltlich des Artikels 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2093 (18) des Rates in den Haushaltsplan der Union eingesetzt. Im Jahr n ausgesetzte Mittelbindungen dürfen nicht später als im Jahr n+2 in den Haushaltsplan eingesetzt werden.

    Artikel 8

    Unterrichtung des Europäischen Parlaments

    Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament unverzüglich über alle Maßnahmen, die gemäß den Artikeln 5, 6 und 7 vorgeschlagen, angenommen bzw. aufgehoben werden.

    Artikel 9

    Berichterstattung

    Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 12. Januar 2024 Bericht über die Anwendung dieser Verordnung und insbesondere über die Wirksamkeit der angenommenen Maßnahmen.

    Artikel 10

    Inkrafttreten

    Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Sie gilt ab dem 1. Januar 2021.

    Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

    Geschehen zu Brüssel am 16. Dezember 2020.

    Im Namen des Europäischen Parlaments

    Der Präsident

    D. M. SASSOLI

    Im Namen des Rates

    Der Präsident

    M. ROTH


    (1)   ABl. C 291 vom 17.8.2018, S. 1.

    (2)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 4. April 2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 14. Dezember 2020. Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 16. Dezember 2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

    (3)  Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, CAS Succhi di Frutta, C-496/99 P, ECLI:EU:C:2004:236, Randnummer 63.

    (4)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 1981, Amministrazione delle finanze dello Stato gegen Srl Meridionale Industria Salumi u. a.; Ditta Italo Orlandi & Figlio und Ditta Vincenzo Divella gegen Amministrazione delle finanze dello Stato. Verbundene Rechtssachen 212 bis 217/80, ECLI:EU:C:1981:270, Randnummer 10.

    (5)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst, Verbundene Rechtssachen 46/87 und 227/88, ECLI:EU:C:1989:337, Randnummer 19.

    (6)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses/Tribunal de Contas C-64/16, ECLI:EU:C:2018:117, Randnummern 31 u. 40-41; Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2018, LM, C-216/18 PPU, ECLI:EU:C:2018:586, Randnummern 63-67.

    (7)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. November 2016, Kovalkovas, C-477/16, ECLI:EU:C:2016:861, Randnummer 36; Urteil des Gerichtshofs vom 10. November 2016, PPU Poltorak, C-452/16, ECLI:EU:C:2016:858, Randnummer 35; und Urteil des Gerichtshofs vom 22. Dezember 2010, DEB, C-279/09, ECLI:EU:C:2010:811, Randnummer 58.

    (8)  Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Ein neuer EU-Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips“, COM(2014) 158 final, Anhang I.

    (9)  Gutachten 2/13, EU:C:2014:2454, Randnummer 168.

    (10)  Verordnung (EU) 2020/2094 des Rates vom 14. Dezember 2020 zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der COVID-19-Krise (siehe Seite 23 dieses Amtsblatts).

    (11)  Rechtssache C-64/16, Randnummern 32-36.

    (12)  Rechtssache C-64/16, Randnummern 40-41.

    (13)  Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

    (14)  Verordnung 2009/937/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Änderung seiner Geschäftsordnung (ABl. L 325 vom 11.12.2009, S. 35).

    (15)  Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1).

    (16)  Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1).

    (17)  Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).

    (18)  Verordnung (EU, Euratom) 2020/2093 vom 17. Dezember 2020 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021-2027 (siehe Seite 11 dieses Amtsblatts).


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