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Document 31995D0422

95/422/EGKS: Entscheidung der Kommission vom 4. April 1995 über eine geplante staatliche Beihilfe des Freistaates Bayern an die EGKS-Stahlunternehmen Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH, Sulzbach-Rosenberg, und Lech- Stahlwerke GmbH, Meitingen-Herbertshofen (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR)

OJ L 253, 21.10.1995, p. 22–32 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/1995/422/oj

31995D0422

95/422/EGKS: Entscheidung der Kommission vom 4. April 1995 über eine geplante staatliche Beihilfe des Freistaates Bayern an die EGKS-Stahlunternehmen Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH, Sulzbach-Rosenberg, und Lech- Stahlwerke GmbH, Meitingen-Herbertshofen (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR)

Amtsblatt Nr. L 253 vom 21/10/1995 S. 0022 - 0032


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 4. April 1995 über eine geplante staatliche Beihilfe des Freistaates Bayern an die EGKS-Stahlunternehmen Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH, Sulzbach-Rosenberg, und Lech-Stahlwerke GmbH, Meitingen-Herbertshofen (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR) (95/422/EGKS)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, insbesondere auf Artikel 4 Buchstabe c),

gestützt auf die Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der Kommission vom 27. November 1991 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (1),

nach Aufforderung, gemäß Artikel 6 Absatz 4 der vorstehenden Entscheidung, an die anderen Mitgliedstaaten und betroffenen Dritten, sich zu äußern, und

in Anbetracht der eingegangenen Äußerungen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.

Die Kommission hat am 14. September 1994 beschlossen, das in Artikel 6 Absatz 4 ihrer Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS (im folgenden Stahlbeihilfenkodex) vorgesehene Verfahren hinsichtlich verschiedener finanzieller Maßnahmen, die im Rahmen der Privatisierung der Beteiligungen des Freistaats Bayern an der Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH (im folgenden NMH) und der Lech-Stahlwerke GmbH (im folgenden LSW) vorgesehen sind, zu eröffnen. Sie war aufgrund der von der Bundesregierung vorgelegten Informationen zu dem Ergebnis gelangt, daß die geplante Zuführung öffentlicher Mittel zum Eigenkapital der beiden Unternehmen und die geplante öffentliche Beteiligung an der Finanzierung bestimmter Investitionen als staatliche Beihilfe anzusehen sein könnte, die nicht mit dem Stahlbeihilfenkodex vereinbar ist.

Die Kommission hat die Bundesregierung mit Schreiben vom 24. Oktober 1994 von ihrem Beschluß, das Verfahren zu eröffnen, in Kenntnis gesetzt und sie zur Übermittlung der Stellungnahmen und weiteren Informationen, die sie für sachdienlich erachtet, aufgefordert. In ihrer Antwort vom 9. Dezember 1994 übermittelten die deutschen Behörden weitere Informationen über die beabsichtigten finanziellen Maßnahmen, weitere Argumente zur Stützung ihrer Auffassung, daß diese Maßnahmen keine Beihilfe darstellten oder von der Kommission bereits genehmigt worden seien, sowie den Entwurf eines Unternehmensplans für die Zukunft von NMH nach der geplanten Privatisierung.

Mit der Veröffentlichung des Schreibens, mit dem die Kommission die deutschen Behörden von ihrer Entscheidung zur Verfahrenseröffnung in Kenntnis setzte, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 377 vom 31. Dezember 1994, S. 4, wurden die anderen Mitgliedstaaten und betroffenen Dritten aufgefordert, sich zur Sache zu äußern.

Die Kommission hat am 30. November 1994 beschlossen, ein zweites Verfahren wegen der Gesellschafterdarlehen zu eröffnen, die NMH vom Freistaat Bayern in zehn Tranchen zwischen März 1993 und August 1994 in einer Gesamthöhe von 49,895 Millionen DM (26,26 Millionen ECU) gewährt wurden (2). Diese Darlehen können eine unzulässige staatliche Beihilfe darstellen, da sich kein anderer oder nicht alle anderen Gesellschafter an diesen Maßnahmen zur Unternehmensfinanzierung beteiligt haben. Die vorliegende Entscheidung befaßt sich nicht mit diesen Darlehen; das zweite Verfahren steht jedoch in einer gewissen Beziehung zu ihr, da die deutschen Behörden einen Teil der geplanten finanziellen Unterstützung für NMH durch den Verzicht auf Forderungen aus den Darlehen, die Gegenstand des zweiten Verfahrens sind, zu gewähren beabsichtigen. Genehmigt die Kommission die geplante finanzielle Unterstützung zugunsten von NMH, gilt dies de facto auch für die Gesellschafterdarlehen, die Gegenstand des zweiten Verfahrens sind. Genehmigt sie sie nicht, bleibt das die Darlehen betreffende Verfahren davon unberührt.

Im Zuge dieses Verfahrens sind der Kommission folgende Äußerungen zugegangen:

- Die Regierung eines Mitgliedstaats erklärte, daß sie die Zuführung öffentlicher Mittel als staatliche Beihilfe ansehen würde, die den innergemeinschaftlichen Wettbewerb zum Nachteil der in ihrem Staat tätigen Unternehmen beeinträchtigt. Hinsichtlich der Investitionsbeihilfe wies sie darauf hin, daß die Kommission für eine strikte Einhaltung der Gemeinschaftsregeln für staatliche Beihilfen an die Stahlindustrie sorgen sollte.

- Eine deutsche Anwaltskanzlei, die für einen deutschen Stahlrohrerzeuger tätig ist, der Wettbewerber der NMH-Tochtergesellschaft Rohrwerke Neue Maxhütte GmbH (RNM) ist, legte eine Analyse der vom Freistaat Bayern beabsichtigten finanziellen Maßnahmen auf der Grundlage der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Informationen vor. Sie kam zu dem Schluß, daß diese Maßnahmen eine staatliche Beihilfe darstellen, die nicht mit dem Stahlbeihilfenkodex vereinbar ist. Die Anwaltskanzlei wies darauf hin, daß die Beihilfe indirekt auch RNM zugute kommt, so daß der direkte Wettbewerber ihrer Mandantin auf unzulässige Weise subventioniert würde, falls die Pläne der bayerischen Landesregierung verwirklicht würden.

- Ein französischer Stahlrohrhersteller übermittelte eine eingehende Schilderung der Lage auf dem europäischen Stahlrohrmarkt und seines eigenen Unternehmens und berichtete, daß er seine Belegschaft zwischen 1986 und 1993 um 48 % habe reduzieren müssen. Er forderte die Kommission auf, bei allen finanziellen Maßnahmen, die mittelbar oder unmittelbar dem Stahlrohrhersteller RNM als NMH-Tochterunternehmen zugute kommen könnten, auf die strikte Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen der Verträge zu achten.

- Ein britisches Stahlunternehmen wies darauf hin, daß NMH bereits 1987 unter staatlicher Beteiligung gerettet worden war, und forderte die Kommission auf, ihre erklärte Politik zur Unterbindung von nicht mit den Verträgen vereinbarten Beihilfen an die Stahlindustrie umzusetzen und keine Beihilfen zu genehmigen, die zum Ausgleich von Betriebsverlusten oder für Neuinvestitionen geleistet werden sollen und nicht mit dem Stahlbeihilfenkodex vereinbar sind.

- Ein nationaler Stahlerzeugerverband brachte seine völlige Übereinstimmung mit den ersten Schlußfolgerungen der Kommission zum Ausdruck, daß die geplanten finanziellen Maßnahmen des Freistaats Bayern eine nicht mit dem EGKS-Vertrag und dem Stahlbeihilfenkodex vereinbare Beihilfe darstellen würden, und forderte die Kommission auf, die Kapitalzufuhr durch die bayerische Landesregierung an NMH oder LSW nicht zu genehmigen.

- Ein anderer nationaler Stahlrohrerzeugerverband unterstützte die anfängliche Sichtweise der Kommission, daß jegliche Kapitalzufuhr der bayerischen Landesregierung an NMH oder LSW gegen den EGKS-Vertrag und den Stahlbeihilfenkodex verstoßen würde. Er forderte die Kommission auf, ihre erklärte Politik der Unterbindung von Beihilfen an die Stahlindustrie umzusetzen.

- Ein "Komitee Erhaltet unsere Arbeitsplätze", eine Gruppe unbekannter Zusammensetzung aus Sulzbach-Rosenberg, wies auf die Notwendigkeit von Investitionen für die technische Verbesserung der NMH-Anlagen hin, um die Umwelt vor Emissionen zu schützen, und hob die überragende Bedeutung von NMH für die regionale Wirtschaft hervor. Es forderte die Kommission auf, der geplanten Umstrukturierung des Unternehmens zuzustimmen. Die Stadt Sulzbach-Rosenberg und ein Bürger dieser Stadt äußerten sich ähnlich.

Die Äußerungen wurden der Bundesregierung mit Schreiben vom 13. Februar 1995 zusammen mit der Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt.

Mit Schreiben vom 9. Februar 1995 legten die deutschen Behörden weitere Informationen vor und führten Beispiele von Rettungsmaßnahmen privater Unternehmen an. Sie übermittelten ebenfalls Kopien der zwischen Bayern, Herrn Aicher und Max Aicher GmbH & Co. am 27. Januar 1995 geschlossenen Verträge über den Verkauf der vom Freistaat Bayern gehaltenen Gesellschaftsanteile an NMH und LSW und über die Zahlung eines Finanzbeitrags durch den Freistaat. Die Verträge würden nach der Genehmigung des Finanzbeitrags durch die Kommission in Kraft treten.

Am 14. Februar 1995 fand ein Gespräch zwischen Vertretern der bayerischen Staatsregierung, der Bundesregierung und der Kommission statt, bei dem die Auffassung der Bundesregierung und einige Einzelheiten der vorgelegten Verträge erläutert und diskutiert wurden. Mit Schreiben vom 1. März 1995 kamen die deutschen Behörden der Aufforderung zur Stellungnahme zu den Äußerungen der anderen Mitgliedstaaten und betroffenen Dritten nach.

II.

Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

Am 16. April 1987 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Eisenwerk-Gesellschaft Maximilianshütte ("Maxhütte") eröffnet. Der Konkursverwalter beschloß, den Betrieb des Unternehmens fortzuführen und einen Umstrukturierungsplan zu erstellen. Mitte 1990 übernahmen zwei neu gegründete Gesellschaften die Aktivitäten der Maxhütte i. K. Die Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH (NMH) übernahm die EGKS-Produktpalette der Maxhütte, die Rohrwerke Neue Maxhütte GmbH die Rohrproduktion. NMH ist mit 85 % am Kapital von RNM beteiligt, die restlichen 15 % werden von Kühnlein, Nürnberg, der Haupthandelsvertretung für die erzeugten Stahlrohre, gehalten.

Die ursprünglichen Gesellschafter der NMH waren der Freistaat Bayern (45 %), die Thyssen Edelstahlwerke AG (5,5 %), die Thyssen Stahl AG (5,5 %), die Lech-Stahlwerke GmbH (11 %), die Krupp Stahl AG (11 %), die Klöckner Stahl GmbH (11 %) und die Mannesmann Röhrenwerke AG (11 %) (3). Der Freistaat Bayern übernahm im Jahr 1988 einen Anteil von 19,734 % an LSW, um dieser eine Beteiligung an der NMH zu ermöglichen. In ihrer Entscheidung vom 26. Juli 1988 kam die Kommission zu dem Schluß, daß die staatliche Beteiligung an den beiden Unternehmen keine Elemente staatlicher Beihilfe enthielt (4).

Mit Vertrag vom 7. Dezember 1992 und 3. März 1993 übertrug die Klöckner Stahl GmbH ihren an der NMH gehaltenen Anteil an die Annahütte Max Aicher GmbH & Co. KG, Hammerau, zu einem Preis von 1,- DM. Am 14. Juni 1993 übertrugen die Krupp Stahl AG, die Thyssen Stahl AG und die Thyssen Edelstahlwerke AG ihre an der NMH gehaltenen Anteile zu einem Kaufpreis von 200 000 DM an die LSW. Die Bundesregierung setzte die Kommission mit Schreiben vom 9. Dezember 1994 davon in Kenntnis, daß die Übertragung der Anteile unabhängig von einer Zustimmung der Gläubiger wirksam geworden sei.

Die gegenwärtigen Anteilsverhältnisse sind somit folgende:

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

LSW und Annahütte werden vom Unternehmer Aicher kontrolliert.

NMH produziert etwa 299 000 Tonnen/Jahr Rohstahl (Kapazität: 444 000 Tonnen/Jahr), 81 000 Tonnen/Jahr Halbzeuge und etwa 85 000 Tonnen/Jahr leichte und schwere Profile (Kapazität: 258 000 Tonnen/Jahr). Das Tochterunternehmen RNM erzeugt etwa 70 000 Tonnen/Jahr Rohre (Kapazität: 136 000 Tonnen/Jahr). NMH beschäftigt zur Zeit 1 040 und RNM 560 Mitarbeiter. NMH hat seit ihrer Gründung Mitte 1990 niemals Gewinne erwirtschaftet. Die bis Ende 1994 aufgelaufenen Verluste betragen nach jetziger Feststellung 156,4 Millionen DM (82,31 Millionen ECU). LSW erzeugt etwa 600 000 Tonnen/Jahr Stahl in einem Elektrolichtbogenofen und etwa 450 000 Tonnen/Jahr warmgewalzte Langprodukte (leichte Profile und Stabstahl).

Der Freistaat Bayern und die Max Aicher GmbH & Co. legten am 27. Januar 1995 vertraglich fest, daß Bayern seinen an NMH gehaltenen Anteil von 45 % für 3,- DM (1,58 ECU) an die Max Aicher GmbH & Co. verkauft. Sie vereinbarten ferner, daß Bayern 80,357 % der bis Ende 1994 aufgelaufenen Verluste von NMH übernimmt. Die Verluste wurden abschließend mit 156,4 Millionen DM (82,31 Millionen ECU) festgestellt, so daß sich die Zahlung Bayerns auf 125,7 Millionen DM (66,15 Millionen ECU) belaufen würde. Der Beitrag Bayerns wäre keine Einzahlung in das Eigenkapital des Unternehmens durch Bayern als Gesellschafter, sondern würde als sonstiger Ertrag zur Minderung der aufgelaufenen Verluste des Unternehmens behandelt. Der Vertrag soll nach Zustimmung durch den bayerischen Landtag und die Europäische Kommission wirksam werden.

Die Gesellschafterdarlehen des Freistaats Bayern (5) können gegen den beabsichtigten finanziellen Beitrag von 125,7 Millionen DM (66,15 Millionen ECU) aufgerechnet werden, sobald der Vertrag wirksam wird. Der Beitrag würde daher teilweise durch einen Verzicht auf Forderungen aus den Darlehen, die im Rahmen des von der Kommission durch ihre zweite, oben genannte, Entscheidung eröffneten Verfahrens untersucht werden, geleistet werden.

Die weiteren Gesellschafter Mannesmann Röhrenwerke AG und Annahütte Max Aicher GmbH & Co. KG, die jeweils mit 11 % am NMH-Kapital beteiligt sind, sind nicht bereit, zur finanziellen Umstrukturierung der NMH beizutragen.

Die Parteien des genannten Vertrags haben weiterhin vereinbart, daß Bayern bis zu 56 Millionen DM (29,47 Millionen ECU) zur Deckung der Kosten von Investitionen für "Altlasten", z. B. Maßnahmen für Umweltschutz, Lärmschutz und Luftreinhaltung, zahlen wird.

Der Freistaat Bayern und Herr Aicher haben sich in einem zweiten Vertrag vom 27. Januar 1995 darauf geeinigt, daß der Freistaat seinen Anteil von 19,734 % am LSW-Kapital für 1,- DM (0,52 ECU) an Herrn Aicher verkaufen und eine "Ausgleichszahlung" von 20 Millionen DM (10,52 Millionen ECU) an LSW leisten wird. Der Finanzbeitrag des Freistaats Bayern wäre keine Einzahlung in das Eigenkapital des Unternehmens, die Bayern als Gesellschafter vornimmt, sondern würde als sonstiger Ertrag behandelt, der die Verluste des Unternehmens mindert. Der Vertrag würde nach Zustimmung durch den bayerischen Landtag und die Europäische Kommission wirksam werden.

Die Max Aicher GmbH & Co. würde als einziger Gesellschafter der LSW verbleiben und somit für Verluste dieses Unternehmens in dem Rahmen haften, der gemäß deutschem Recht für Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorgesehen ist. Ein derartiger Beitrag der Max Aicher GmbH & Co. kann nicht mit dem geplanten Beitrag des Freistaats Bayern verglichen werden, da die Max Aicher GmbH & Co. zumindest Aussicht auf eine Rendite aus der finanziellen Beteiligung als Gesellschafterin hat.

Der Ergebnisabführungsvertrag zwischen NMH und RNM wurde zum Februar 1995 beendet.

III.

Die deutschen Behörden nahmen zur Kommissionsentscheidung über die Verfahrenseröffnung und zu den Äußerungen der anderen Mitgliedstaaten und betroffenen Dritten Stellung. Die Position der Bundesregierung und ihre dazu vorgebrachten Argumente sind folgende:

(1) Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die geplante Zahlung eines Finanzbeitrags von 125,7 Millionen DM (66,15 Millionen ECU) an NMH dem normalen Verhalten eines privaten, marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers in einer vergleichbaren Lage entspricht und daher keine staatliche Beihilfe ist.

(2) Die deutschen Behörden weisen darauf hin, daß der Verkauf der vom Freistaat Bayern gehaltenen Anteile im Rahmen eines umfassenden Privatisierungsplans erfolgt, der eine Reihe von staatlichen Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen umfaßt, u. a. DASA, Bayernwerk, Rhein-Main-Donau AG, IABG, Ferngas Nordbayern, BHS AG. Für die meisten dieser Beteiligungen werden hohe Preise erzielt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der "negative Kaufpreis", der für den Verkauf der Anteile Bayerns am Kapital von NMH und LSW vorgesehen ist, nur einen Teil des positiven Gesamtverkaufserlöses ausmacht, den Bayern für sein gesamtes Beteiligungspaket erzielt. Bei Berücksichtigung des gesamten Privatisierungsprogramms ergibt sich ein positiver Kaufpreis, so daß das beabsichtigte Verhalten im Fall von NMH insofern durch den Verkauf der profitablen Unternehmen ausgeglichen würde. Die deutschen Behörden sind der Meinung, daß ein privater Kapitalgeber, der ein ganzes Portefeuille veräußert, sich bei bestimmten Verkäufen ähnlich verhalten würde, solange sich insgesamt ein positiver Verkaufserlös ergibt, der dem Marktwert des Portefeuille entspricht.

(3) Die Bundesregierung macht ferner geltend, daß ein privater Kapitalgeber nicht nur die mögliche Anlagerendite oder lediglich die Begrenzung der durch eine Kapitalanlage verursachten Verluste berücksichtigt, wenn er seine Beteiligung an einem notleidenden Unternehmen verkauft. Ein privater Kapitalgeber, zumindest ein Kapitalgeber, der seiner wohlverstandenen Verantwortung nachkommt, würde auch seinen Ruf, seine soziale Verantwortung und seine Position auf dem Markt in sein Kalkül einbeziehen. In einer vergleichbaren Lage würde ein privater Kapitalgeber daher, so die deutschen Behörden, auch eigene Mittel ohne Aussicht auf eine Rendite beitragen, wenn er seine Anteile am Kapital zweier Unternehmen zu einem symbolischen Kaufpreis an einen anderen Gesellschafter veräußert.

(4) Die deutschen Behörden führen einige Fälle an, die ihrer Ansicht nach die Auffassung stützen, daß sich private Kapitalgeber vergleichbar verhalten würden. Die dargelegten Fälle sind die Rettung der Metallgesellschaft AG durch private Gläubiger und Gesellschafter, die Übernahme der Maschinenfabrik Weiherhammer durch deren leitende Mitarbeiter mit finanzieller Unterstützung durch die Muttergesellschaft Bayerische Berg-, Hütten- und Salzwerke AG (BHS, ein vor kurzem von Bayern im Rahmen der Privatisierung an VIAG AG verkauftes Unternehmen), die finanzielle Umstrukturierung der Textilgruppe Hof durch die Gesellschafterbanken, die Übernahme eines Teils von Digital Equipment und Graetz Holztechnik GmbH (ein früheres Tochterunternehmen von NOKIA) durch deren leitende Mitarbeiter, die finanzielle Umstrukturierung von Kennametal Hertel AG und der Verkauf von Heilit & Woerner Bau AG an die Walter Bau AG zu einem Preis von 1,- DM und mit einer Kapitalzufuhr durch den Verkäufer in Höhe von 50 Millionen DM.

Bei einer Unterredung am 14. Februar 1995 machten die deutschen Behörden ferner geltend, daß die Kommission die unterschiedlichen Einstellungen von Kapitalgebern in den verschiedenen Mitgliedstaaten berücksichtigen sollte, wenn sie das staatliche Verhalten mit dem möglichen Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers vergleicht.

(5) Das Verhalten der ehemaligen privaten Gesellschafter der NMH (Krupp Hoesch, Thyssen, Klöckner), die ihre Anteile zu einem symbolischen oder niedrigen Preis verkauft und ihre Forderungen aus Gesellschafterdarlehen an das Unternehmen, das diese Anteile übernahm, ohne weiteren Finanzbeitrag übertragen haben, belegt laut Bundesregierung nicht das Gegenteil, da diese privaten Gesellschafter nur beabsichtigen, eine Beteiligung an einem verlustbringenden Unternehmen, das mit ihrem eigenen Kerngeschäft konkurrierte, abzustoßen.

Daß die Maßnahmen Röhrenwerke AG, die mit 11 % an NMH beteiligt sind, nicht zu einem Finanzbeitrag zur Umstrukturierung des Unternehmens bereit ist, bedeutet der Bundesregierung zufolge nicht, daß das beabsichtigte Verhalten des Staats nicht dem normalen Verhalten marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber entspricht, da Mannesmann nur daran interessiert sei, seinen Anteil an RNM zu halten, bei dem es die industrielle Führerschaft innehat.

Auch die Tatsache, daß die Annahütte Max Aicher GmbH & Co. KG, die weitere 11 % des NMH-Kapitals hält, nicht zu einem Beitrag zur finanziellen Umstrukturierung von NMH bereit ist, ist laut Bundesregierung kein Grund für entsprechende Zweifel, da dieses Unternehmen erst seit sehr kurzer Zeit Gesellschafter ist und seine Geschäftsleitung, die über die Stahlwerk Annahütte Beteiligung GmbH von Herrn Aicher kontrolliert wird, das Unternehmen nicht für die aufgelaufenen Verluste der NMH für verantwortlich hält.

(6) Die Bundesregierung erläuterte, daß der Aicher-Konzern sich ebenfalls mit insgesamt 188 Millionen DM (98,95 Millionen ECU) an der finanziellen Umstrukturierung von NMH beteiligen würde. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus: 32 Millionen DM (16,8 Millionen ECU) zur Aufrechterhaltung der Liquidität von LSW bis 1994, 32 Millionen DM (16,8 Millionen ECU) als geplantem, von Herrn Aicher zu zahlenden Kaufpreis für Bankenforderungen gegenüber NMH, 99,6 Millionen DM (52,4 Millionen ECU) Sockel-Cash-Flow der NMH im Zeitraum 1995 bis 1999 und 24,3 Millionen DM (12,79 Millionen ECU) aus Synergieeffekten der Zusammenarbeit von NMH mit LSW und der Annahütte. Dieser Beitrag belegt der Bundesregierung zufolge, daß auch ein privater Kapitalgeber in einer vergleichbaren Situation finanzielle Unterstützung ähnlicher Art leisten würde.

(7) Die Bundesregierung ist ferner der Auffassung, daß die Kommission die Beteiligung Bayerns an NMH im Jahr 1988 genehmigt hat. Die geplanten Bedingungen für den Verkauf dieser Beteiligung stellen nach Ansicht der Bundesregierung nur die Konsequenz dieser Beteiligung dar, so daß das beabsichtigte Verhalten des Freistaats als durch die Kommissionsentscheidung aus dem Jahr 1988 bereits abgedeckt anzusehen sei.

(8) Was den geplanten Beitrag von 20 Millionen DM (10,52 Millionen ECU) an LSW im Zusammenhang mit der Übertragung des Anteils Bayerns von 19,734 % an Herrn Aicher angeht, bringen die deutschen Behörden im wesentlichen die gleichen Argumente wie zum Beitrag an die NMH vor. Die Bundesregierung führt aus, daß der Betrag von 20 Millionen DM zum Ausgleich von Verlusten vorgesehen sei, die LSW durch ihre 11%ige Beteiligung an NMH erlitten habe. Bayern hatte den Anteil an der LSW übernommen, um ihr die Beteiligung an der NMH zu ermöglichen.

(9) Zum geplanten Beitrag von bis zu 56 Millionen DM (29,47 Millionen ECU) für Investitionen der NMH verweisen die deutschen Behörden auf eine Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und den Unternehmen Thyssen Edelstahlwerke AG, Thyssen Stahl AG, LSW, Saarstahl Völklingen GmbH, Krupp Stahl AG, Klöckner Stahl GmbH und Mannesmann Röhrenwerke AG vom 4. November 1987, der Vertretern der Kommission bei einem Gespräch am 17. November 1987 ausgehändigt worden war. In dieser Vereinbarung war der Plan für die Weiterführung des Betriebs der alten Maxhütte unter der neu gegründeten NMH in seinen Grundzügen vorgezeichnet. Insbesondere wurde vereinbart:

"5.5. Die Anlagen werden altlastenfrei übernommen. Soweit eine altlastenfreie Übernahme nicht möglich ist, wird der Freistaat sicherstellen, daß MHN (Maxhütte Neu, also NMH) von den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen nicht betroffen wird."

Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, daß diese Bestimmung zum Gegenstand der Erwägungen der Kommission bei deren Entscheidung vom 26. Juli 1988 gemacht worden war und daher als genehmigt zu gelten hat. Sie legte das Gutachten einer von der Geschäftsleitung der NMH beauftragten deutschen Anwaltskanzlei vor, die bei der Auslegung des Begriffs "altlastenfreie Übernahme der Anlagen" zu dem Schluß kommt, daß dies die staatliche Verpflichtung einschließt, eine Übergabe der technischen Einrichtungen in technisch modernisiertem Zustand sicherzustellen, so daß noch erforderliche Instandsetzungs- und Investitionsmaßnahmen vom Staat zu bezahlen sind. Die zuständigen Stellen der bayerischen Staatsregierung teilen diese Rechtsauffassung nicht. Sie haben aber beschlossen, kein Gerichtsverfahren zu riskieren, um dem Eindruck vorzubeugen, daß Bayern sich seiner rechtlichen Verpflichtungen entzieht und dadurch die Zukunft von NMH gefährdet.

Die deutschen Behörden sind daher der Auffassung, daß die genannte Bestimmung den Staat zur Bezahlung der Instandsetzungs- und Investitionsmaßnahmen verpflichtet, die zur Einhaltung technischer Standards - im wesentlichen zum Schutz vor Lärm-, Staub- und Rauchgasemissionen - erforderlich sind. Sie erachten solche Zahlungen als bereits in Übereinstimmung mit den Regeln der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen durch die Kommissionsentscheidung vom 26. Juli 1988 genehmigt.

IV.

Die Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH und die Lech-Stahlwerke GmbH sind Unternehmen, die unter Artikel 80 EGKS-Vertrag fallen, da sie Erzeugnisse produzieren, die in Anhang I des EGKS-Vertrags aufgeführt sind, so daß die Bestimmungen des EGKS-Vertrags und des Stahlbeihilfenkodex anwendbar sind. Die RNM, die unter den EG-Vertrag fallende Erzeugnisse herstellt, würde von der geplanten staatlichen Finanzmaßnahme nicht profitieren, da die vertragliche Ergebnisabführung zwischen NMH und RNM beendet wurde. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des EGKS-Vertrags in diesem Fall ist unerheblich, daß NMH Gesellschafter von RNM ist.

Die Kommission hat das Verfahren wegen der geplanten staatlichen Übernahme von rund 80 % der bis Ende 1994 aufgelaufenen Verluste von NMH eröffnet. Die bei der Verfahrenseinleitung zugrunde gelegte Schätzung wurde von den deutschen Behörden berichtigt. Die festgestellten Verluste belaufen sich auf 156,4 Millionen DM (82,31 Millionen ECU), so daß der geplante Beitrag Bayerns 125,7 Millionen DM (66,15 Millionen ECU) beträgt. In einer solchen Situation hält die Kommission eine Ausweitung des Verfahrens nicht für erforderlich.

Eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c) EGKS-Vertrag ist jegliche Übertragung staatlicher Mittel an staatliche oder private Stahlunternehmen in Form einer Beteiligung, einer Kapitalzufuhr oder ähnlicher Finanzierungsmaßnahmen, die nicht eine Bereitstellung von Risikokapital im Rahmen der marktwirtschaftlich üblichen Anlagepraxis, bei der die Aussicht auf eine künftige Rendite oder sonstige Einnahme besteht, darstellt (6).

(1) Die beabsichtigte staatliche Zahlung von 125,7 Millionen DM (66,15 Millionen ECU) an die NMH, die mit dem Verkauf der Beteiligung Bayerns an diesem Unternehmen für einen symbolischen Preis an ein privates Unternehmen zusammenfällt, stellt eine Übertragung staatlicher Mittel an ein Stahlunternehmen dar.

Zu prüfen ist, ob diese Übertragung staatlicher Mittel als Bereitstellung von Risikokapital gemäß der üblichen Anlagepraxis unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, bei der die Aussicht auf eine künftige Rendite oder sonstige Einnahme besteht, anzusehen ist.

Die deutschen Behörden erläuterten im Lauf des Verfahrens, daß die Bereitstellung öffentlicher Mittel keine Einzahlung in das Eigenkapital der Unternehmen durch Bayern als Gesellschafter dieser Unternehmen darstellt, die mit der Erwartung einer zumindest möglichen Erzielung künftiger Einnahmen aus diesem Kapital verknüpft ist. Die Zahlungen würden als verlorener Zuschuß behandelt, damit der Betrieb nach dem Verkauf der staatlichen Beteiligung fortgeführt werden kann, und würden buchhalterisch zur Verringerung der in den Unternehmen aufgelaufenen Verluste verwendet. Der Freistaat Bayern ist als Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung rechtlich nicht zur Zuführung von Mitteln über seinen Anteil am Stammkapital hinaus verpflichtet, so daß der beschriebene Vorgang als Verkauf einer Beteiligung mit negativem Kaufpreis angesehen werden kann. Bayern könnte sich auch dafür entscheiden, keine weiteren Mittel einzuzahlen und den etwaigen Konkurs des Unternehmens hinzunehmen. Eine solche Lösung würde mit seinen Rechtspflichten als Anteilseigner einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Einklang stehen.

(2) Daß Bayern zur Zeit eine Anzahl von Beteiligungen an weiteren Unternehmen veräußert und der erzielte Gesamtkaufpreis auch dann positiv ist, wenn es einen "negativen Kaufpreis" für NMH und LSW akzeptiert, ist für dieses Verfahren unerheblich, da jeder Einzelfall aufgrund der jeweiligen Umstände zu beurteilen ist. Die Verträge erlauben es einem Mitgliedstaat nicht, lediglich mit der Begründung, daß der Staatshaushalt durch Verkauf eines anderen, werthaltigen Unternehmens ausgeglichen wird, einem Unternehmen im Rahmen einer Privatisierung Beihilfen zu gewähren.

Nach Artikel 83 EGKS-Vertrag bleibt die Ordnung des Eigentums an den Unternehmen, für die die Bestimmungen des Vertrags gelten, unberührt. Die Kommission hat daher bei der Privatisierung von Beteiligungen an EGKS-Unternehmen durch den Staat Neutralität zu wahren. Eine Prämie für die beabsichtigte Privatisierung ist bei der Bewertung der staatlichen Finanzmaßnahmen zugunsten eines Stahlunternehmens in diesem Zusammenhang nicht zulässig.

(3) Nach Auffassung der deutschen Behörden würde sich auch ein privater Kapitalgeber ähnlich verhalten, wenn das Unternehmen, an dem er seit einigen Jahren beteiligt ist, Verluste in einer Höhe anhäuft, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden, und er sich aus der Beteiligung zurückziehen möchte. Die Bundesregierung hat anerkannt, daß ein Gesellschafter rechtlich nicht verpflichtet ist, Verluste über seinen Anteil am Stammkapital hinaus auszugleichen. Sie ist gleichwohl der Meinung, daß der Kapitalgeber im Hinblick auf Image, Ruf, Bonität und soziale Verantwortung zu der Einschätzung veranlaßt sein kann, daß ein abschließender Beitrag zum Ausgleich eines Großteils der aufgelaufenen Verbindlichkeiten angemessen ist, wenn er seine Beteiligung zu einem symbolischen Preis veräußert.

Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. März 1991 erklärt hat, (7)

"kann ein privater Anteilseigner vernünftigerweise einem Unternehmen das Kapital zuführen, das zur Sicherstellung seines Fortbestands erforderlich ist, wenn es sich in vorübergehenden Schwierigkeiten befindet, aber seine Rentabilität - gegebenenfalls nach einer Umstrukturierung - wieder zurückgewinnen kann. Eine Muttergesellschaft kann somit während eines beschränkten Zeitraums auch Verluste einer ihrer Tochtergesellschaften übernehmen, um dieser die Einstellung ihrer Tätigkeiten unter möglichst günstigen Bedingungen zu ermöglichen. Solche Entscheidungen können nicht nur mit der Wahrscheinlichkeit eines mittelbaren materiellen Gewinns begründet werden, sondern auch mit anderen Erwägungen, etwa dem Bemühen um Imagepflege des Konzerns oder um Neuorientierung seiner Tätigkeit.

Wenn Kapitalzuschüsse eines öffentlichen Kapitalgebers jedoch selbst langfristig von jeder Aussicht auf Rentabilität absehen, sind sie als Beihilfen ... anzusehen."Die beabsichtigte abschließende Kapitalzufuhr, die mit dem Verkauf der Beteiligung Bayerns zusammenfallen würde, würde jedoch ohne jegliche, selbst langfristige Aussicht auf Rentabilität erfolgen, da der Freistaat Bayern niemals eine Rendite aus diesem Kapital erzielen wird.

(4) Die von der Bundesregierung angeführten Beispiele, mit denen belegt werden soll, daß das Verhalten des Staates, der Verluste aus Gründen der Imagepflege übernimmt, dem Verhalten eines normal marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers entspricht, sind nicht geeignet, diese ihre Auffassung zu stützen.

Ein Gesellschafter kann sich für das Nachschießen von Risikokapital entscheiden, damit der Fortbestand eines Unternehmens, an dem er als Gesellschafter beteiligt bleibt, gesichert wird und er auch in Zukunft eine mögliche Rendite erzielen kann [siehe ersten Absatz des Zitats unter Randnummer 3]. Bei einem Unternehmen, z. B. der Metallgesellschaft AG, das durch Fehler der Geschäftsleitung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, werden die Gläubigerbanken und die Gesellschafter unter Umständen Stützungsmaßnahmen ergreifen, um die begangenen Fehler auszugleichen und die Erwirtschaftung einer künftigen Rendite sowie die Begrenzung der durch diese Fehler verursachten Verluste zu ermöglichen. Die Banken und Gesellschafter, die eine solche Stützung vornehmen, würden sich jedoch stets anhand rein wirtschaftlicher Kriterien einer Verlustbegrenzung oder Aufrechterhaltung von Ertragsaussichten entscheiden.

Im Fall Kennametal Hertel AG berichtet die Bundesregierung, daß der Mehrheitseigner, eine Bank, seine Beteiligung zum symbolischen Preis von 1,- DM verkauft und auf Darlehensforderungen in Höhe von mehr als 70 Millionen DM verzichtet habe, um die finanzielle Umstrukturierung des Unternehmens zu ermöglichen. Dies stellt den Hintergrund des Falls nicht umfassend dar. Das Unternehmen war durch Fehler seiner Geschäftsleitung in Schwierigkeiten geraten und Mitte 1993 dem Konkurs nahe. In dieser Lage beschloß die Hauptversammlung einen Kapitalschnitt nach den Vorschriften des Aktiengesetzes. Die Anteile einer bayerischen Bank (25 %) und von Herrn G. Hertel (ebenfalls 25 %), der bis zum offenen Ausbruch der Krise Mitglied der Geschäftsleitung war, wurden für einen symbolischen Preis an das US-Unternehmen Kennametal Inc., einen bereits mit 25 % an der Hertel AG beteiligten Wettbewerber, verkauft. Kennametal führte im Rahmen einer Kapitalerhöhung 75 Millionen DM zu, um für seine neue Tochtergesellschaft in Europa, an der sie abschließend mit 81 % beteiligt war, eine solide Grundlage zu sichern. Den anderen Aktionären, die ihre Beteiligung abgeben wollten, wurden 128,- DM je Aktie angeboten. Mitarbeiter und Banken trugen durch Lohnverzicht und den Verzicht auf einen Teil der Darlehensforderungen zur finanziellen Umstrukturierung bei. Der einzige Aktionär, der seine Beteiligung ohne ein wirtschaftliches Interesse an einer Verlustbegrenzung (wie Banken, die teilweise verzichten, um mehr als im Konkursfall zu retten) oder an einer künftigen Rendite abgab, war Herr G. Hertel, der seine Beteiligung für 1,- DM veräußerte und nicht zu einer weiteren Kapitalzufuhr bereit war, obwohl er der für die Verschlechterung der Finanzlage des Unternehmens verantwortlichen Geschäftsleitung angehört hatte. Die Lage Bayerns ist hier mit der von Herrn Hertel im Fall der Kennametal Hertel AG vergleichbar. Dieses Beispiel ist daher nicht geeignet, die Auffassung der Bundesregierung zu stützen.

Eine Kapitalspritze, mit der die Übernahme eines mit seiner Muttergesellschaft durch einen Ergebnisabführungsvertrag verbundenen Unternehmens durch seine leitenden Mitarbeiter ermöglicht wird (z. B. Maschinenfabrik Weiherhammer), erfolgt aufgrund der Gegenüberstellung der Liquidations- bzw. Konkurskosten und der erforderlichen abschließenden Kapitalzufuhr. In diesem Fall ist die Haftung für die ausstehenden Verbindlichkeiten des Tochterunternehmens nämlich nicht auf ein Maß beschränkt, wie es für den Anteilseigner einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), der nicht durch einen solchen Vertrag mit dem Unternehmen verbunden ist, gilt. Die Kosten für die Auslagerung ("outsourcing") bestimmter Unternehmensteile (z. B. Digital Equipment, Graetz Holztechnik GmbH) werden übernommen, um die künftige Belieferung mit bestimmten Teilen eigener Produkte sicherzustellen und gleichzeitig deren Kosten zu senken, so daß ein wirtschaftlicher Vorteil erzielt wird.

Im Fall der Heilit & Woerner Bau AG (München) hatte die Schörghuber-Gruppe mit Sitz in München, die im wesentlichen in den Bereichen Immobilienanlage und -entwicklung sowie auf dem Brauereisektor tätig ist, drei unabhängige Bauunternehmen erworben und in der neuen Heilit & Woerner Bau AG verschmolzen. Dahinter stand die Absicht, die Tätigkeit des Konzerns auf den gesamten Immobiliensektor einschließlich Kapitalanlage, Entwicklung, Bau und Holdingtätigkeit auszuweiten. Das Betriebsergebnis des Unternehmens verschlechterte sich ständig, so daß die Gruppe mehrere Umstrukturierungsmaßnahmen durchführte, die schließlich eine "rote Null" ergaben. In dieser Situation entschied sich die Gruppe zur Aufgabe ihres Engagements in dem Unternehmen und im Bausektor allgemein. Der Anteil von 98 % am Unternehmen wurde für den symbolischen Preis von 1,- DM an die Walter Bau AG, Augsburg, verkauft, und es wurde eine abschließende Einzahlung auf das Eigenkapital in Höhe von 50 Millionen DM (26,3 Millionen ECU) vorgenommen. Nach Angaben der Geschäftsleitung der Schörghuber-Gruppe wurde diese Abschlußzahlung auf der Grundlage der hauptsächlich im Ausland akquirierten Bauaufträge berechnet, die nach dem Verkauf des Unternehmens zu Verlusten geführt hätten. Die Absicht, den Ruf der Gruppe zu wahren, hat die Geschäftsleitung dazu bewogen, die Beteiligung mit einer verlorenen Einzahlung auf das Eigenkapital zu beenden.

Dieser Fall scheint ein Beispiel für das Verhalten eines privaten Unternehmens darzustellen, das mit dem beabsichtigten staatlichen Verhalten im vorliegenden Verfahren als vergleichbar angesehen werden könnte. Es sind jedoch folgende Unterschiede zu beachten: Die Schörghuber-Gruppe blieb weiterhin im Immobiliengeschäft tätig und war daher an der Aufrechterhaltung guter Geschäftsbeziehungen mit den anderen in diesem Sektor tätigen Unternehmen interessiert, die recht empfindlich darauf reagiert hätten, wenn der Konzern eine Reihe von Gläubigern des Unternehmens Heilit & Woerner in Schwierigkeiten oder sogar in Konkurs hätte geraten lassen, während Bayern dabei ist, sich aus seiner industriellen Beteiligung an der NMH zurückzuziehen und daher kein vergleichbares Interesse hat. Darüber hinaus hatte die Schörghuber-Gruppe ein sehr starkes Interesse an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zur regionalen öffentlichen Verwaltung, die für Bebauungs- und Flächennutzungspläne zuständig ist. Alle diese Überlegungen sind keineswegs auf eine lang- oder kurzfristige Rendite aus dem eingezahlten Kapital von 50 Millionen DM ausgerichtet, sondern orientieren sich an dem indirekten wirtschaftlichen Vorteil der künftigen Bonität und eines guten Rufs des Konzerns, der im Blickfeld anderer Unternehmen und der Öffentlichkeit steht. Der gute Name des Konzerns kann in der Tat als wichtiger Beitrag für gewinnbringende künftige Aktivitäten angesehen werden.

Insofern erscheint es hilfreich, an die im Fall ENI/Lanerossi getroffene Unterscheidung zwischen einem Kapitalgeber, dessen einziges Motiv der Gewinn ist, und einem privaten Unternehmer, etwa einer Industrieholding, deren Entscheidungen nicht nur von kurzfristigen Gewinnerwartungen, sondern auch von der Absicht, ihre Reputation zu schützen, bestimmt sein können, zu erinnern. Im Fall Heilit & Woerner hat die Holdinggruppe Schörghuber als ein solcher privater Unternehmer unter Berücksichtigung seiner zukünftigen Geschäftstätigkeit, der Bonität des gesamten Konzerns und seines öffentlichen Ansehens gehandelt. Das staatliche Verhalten muß jedoch an dem Verhalten eines normalen, privaten Kapitalgebers (8) gemessen werden, dessen Absicht es stets ist, zumindest langfristig einen Gewinn zu erzielen. Dieses Kriterium ist vom Gerichtshof im Fall ENI/Lanerossi wie zitiert zugrunde gelegt worden.

In keinem der von den deutschen Behörden aufgeführten Fälle hat ein privater Kapitalgeber eigene Mittel aufgewandt, um die in seinem Besitz befindlichen Anteile an einen Privatunternehmer zu übertragen, ohne dabei einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der legalen Alternative zu erlangen, untätig zu bleiben und den möglichen Konkurs des Unternehmens in Kauf zu nehmen, statt weitere Mittel in ein Unternehmen zu stecken, das keine Rendite erwirtschaftet.

Nach der obigen Untersuchung der einzelnen Beispiele für das Verhalten von Kapitalgebern trägt das Argument der Bundesregierung, daß die Kommission die Unterschiede im typischen Kapitalgeberverhalten in den verschiedenen Mitgliedstaaten berücksichtigen sollte, nicht zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellungen bei, da kein typisches Verhalten deutscher Kapitalgeber feststellbar ist, das dem Verhalten des Freistaats Bayern in diesem Fall gliche und den Schluß zuließe, daß Bayern sich einem privaten Kapitalgeber vergleichbar verhielte.

(5) Die Kommission hat bei der Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Bereitstellung öffentlicher Mittel der normalen marktwirtschaftlichen Praxis entspricht, stets das Verhalten privater Kapitalgeber zugrunde gelegt, die sich in genau derselben Lage wie der Staat befinden. Die privaten Gesellschafter des betroffenen Unternehmens würden bei der Beurteilung der Frage, ob eine Investition wirtschaftlich vernünftig ist, nicht nur allgemeine Leitlinien, sondern auch die besondere wirtschaftliche Lage des Unternehmens berücksichtigen.

Die früheren privaten NMH-Gesellschafter (Krupp Hoesch, Klöckner, Thyssen) haben ihre Anteile weniger als ein Jahr vor Abschluß des Privatisierungsplans der bayerischen Landesregierung, der die Übertragung der an den Unternehmen NMH und LSW gehaltenen Anteile an den Aicher-Konzern zum Gegenstand hat, zu einem symbolischen Preis oder auch zu einem positiven Kaufpreis veräußert, als die Situation der jetzigen vergleichbar oder für NMH noch weniger bedrohlich war. Diese Gesellschafter haben auch ihre Forderungen aus den Gesellschafterdarlehen verkauft, jedoch nur unter der Bedingung, daß sie hinsichtlich des Preises für diese Forderungen wie jeder andere Gläubiger behandelt werden. Sie waren nicht bereit, über das gezeichnete Kapital hinaus Mittel zuzuschießen. Dies war ein normales Verhalten beim Rückzug aus einer verlustbringenden Beteiligung, bei dem die geringstmöglichen wirtschaftlichen Nachteile entstehen sollten. Der Beweggrund, einen Wettbewerber auszuschalten, kann nicht dahintergestanden haben, da es in diesem Fall besser gewesen wäre, weitere Anteile so billig wie möglich zu erwerben, um die Geschäftsleitung unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Geschäftsleitung hätte dann den Konkurs beantragen oder sich zur Liquidation des Unternehmens entschließen können.

Die Mannesmann Röhrenwerke AG bleiben weiterhin Gesellschafter der NMH, sind aber nicht zu einem finanziellen Beitrag für die Umstrukturierung der NMH bereit. Das Motiv, die industrielle Führerschaft bei RNM beizubehalten, kann eine Erklärung dafür sein, daß sich die Mannesmann Röhrenwerke AG anders als Krupp Hoesch, Thyssen und Klöckner verhalten haben, beweist aber nicht, daß das beabsichtigte staatliche Verhalten tatsächlich die Bereitstellung von Risikokapital unter marktwirtschaftlichen Bedingungen darstellt.

(6) Selbst der Aicher-Konzern, der die Unternehmen LSW, Annahütte Max Aicher GmbH & Co. KG und einige weitere, vom Unternehmer Max Aicher kontrollierte Unternehmen umfaßt und mit 44 % an NMH beteiligt ist (mit nur 1 % weniger als Bayern), ist nicht zur Einzahlung von Eigenkapital bereit.

Die Erklärung der Bundesregierung, daß der Aicher-Konzern 188 Millionen DM (98,94 Millionen ECU) beiträgt, ist irreführend. Die in der Vergangenheit geleisteten Beiträge zur Aufrechterhaltung der Liquidität von LSW sind nicht mit dem ins Auge gefaßten staatlichen Verhalten vergleichbar, weil der Gesellschafter, der finanzielle Mittel bereitstellt, Gesellschafter bleibt und daher zumindest die Möglichkeit hat, in Zukunft aus dieser Bereitstellung von Liquidität einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Der Kaufpreis für die Forderung von Banken gegenüber NMH ist ebenfalls nicht vergleichbar, weil Herr Aicher zwar rund 40 % des Nennwerts zahlen würde, jedoch nur unter der Bedingung, daß die finanzielle Umstrukturierung des Unternehmens mit dem beabsichtigten staatlichen Beitrag durchgeführt wird. Nach dem beabsichtigten staatlichen Finanzbeitrag kann der Kaufpreis für die Forderungen tatsächlich als dem Marktwert der Forderung entsprechend angesehen werden. Beim "Sockel-Cash-Flow" von NMH handelt es sich nicht um einen Beitrag der Aicher-Gruppe, sondern nur um die Absicht der von diesem Konzern kontrollierten Geschäftsleitung, mögliche zukünftige Erträge von NMH zu reinvestieren. Die Synergieeffekte der Unternehmensgruppe sind ebenfalls kein Beitrag des Aicher-Konzerns, der mit der Einzahlung von Kapital vergleichbar wäre, da diese Effekte allen an der - im übrigen bereits bestehenden - Unternehmensgruppe Beteiligten zugute kommen.

Somit ist die Aicher-Gruppe, deren Beteiligung an NMH sich nach den geplanten Transaktionen auf 89 % beliefe und die die einzige Gesellschafterin der LSW wäre und dadurch die hauptsächlich oder einzige Begünstigte einer Investition oder Einzahlung von Kapital in die beiden Unternehmen wäre, nicht dazu bereit, neues Eigenkapital in eines der beiden Unternehmen einzuzahlen.

(7) Die Kommission hat am 26. Juli 1988 entschieden, daß die staatliche Beteiligung an NMH keine staatliche Beihilfe darstellt, da andere private Kapitalgeber, die die Anteilsmehrheit erworben hatten, unter gleichen Bedingungen beteiligt waren. Eine solche Entscheidung hat keine präjudizierende Wirkung für zukünftiges Verhalten, das der Staat im Zusammenhang mit dieser Beteiligung für erforderlich oder wünschenswert halten mag. Jede einzelne Übertragung öffentlicher Mittel ist aufgrund der jeweiligen Umstände im Einzelfall zu beurteilen. Die Kommissionsentscheidung, daß eine bestimmte Beteiligung keine staatliche Beihilfe darstellt, kann nicht dahingehend ausgelegt werden, daß damit gleichzeitig jedes zukünftige Verhalten des Staates im Zusammenhang mit dieser Beteiligung nicht als staatliche Beihilfe anzusehen ist, unabhängig davon, ob der Staat dieses Verhalten als Konsequenz seiner Beteiligung ansieht oder nicht.

Es kann daher festgestellt werden, daß kein privater Kapitalgeber, der sich in derselben Lage wie der Freistaat Bayern befindet, zum Fortbestand des Unternehmens auf vergleichbare Weise beizutragen bereit wäre. Die geplante Zahlung von 125,7 Millionen DM (66,15 Millionen ECU) an NMH im Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile Bayerns ist daher nicht als Bereitstellung von Risikokapital unter marktwirtschaftlichen Bedingungen anzusehen und stellt somit eine staatliche Beihilfe dar.

(8) Was den geplanten Beitrag von 20 Millionen DM (10,52 Millionen ECU) an LSW im Zusammenhang mit der Übertragung der Anteile Bayerns zu einem symbolischen Preis angeht, so ist darauf hinzuweisen, daß der Mehrheitsgesellschafter nicht auf ähnliche Weise zur Übernahme der Verluste des Unternehmens beitragen würde. Der in der Vergangenheit geleistete Beitrag zur Aufrechterhaltung der Liquidität von LSW ist nicht mit dem beabsichtigten staatlichen Verhalten vergleichbar, da der Gesellschafter, der Kapital zuzahlt, Gesellschafter bleibt und somit zumindest über die Möglichkeit verfügt, künftig eine Kapitalrendite zu erzielen. Die Aicher-Gruppe kann sich in Zukunft möglicherweise entscheiden, die Verluste des Unternehmens auszugleichen; ein solches Verhalten wäre jedoch durch die Aussicht begründet, an einem möglichen künftigen Gewinn des Unternehmens teilzuhaben. Bayern würde demgegenüber öffentliche Mittel ohne jede dahingehende Aussicht einzahlen. Als GmbH-Gesellschafter ist Bayern nicht verpflichtet, Eigenkapital über seinen Anteil am Stammkapital hinaus nachzuschießen. Es kann die Leistung weiterer Beiträge ablehnen und das mögliche Ergebnis in Kauf nehmen, daß LSW nicht über genügend Eigenkapital zum Ausgleich der Verluste verfügt und Konkurs beantragen muß. Insoweit gelten dieselben Gründe, die unter Punkt IV (1) bis (4) und (6) im Zusammenhang mit dem geplanten Beitrag an NMH aufgeführt wurden, auch für den geplanten Beitrag an LSW. Ein normaler privater Kapitalgeber würde bei der Beendigung seiner Beteiligung keinen finanziellen Beitrag an das betreffende Unternehmen leisten, denn dieser würde niemals eine Rendite erbringen.

Es kann daher der Schluß gezogen werden, daß kein privater Kapitalgeber in genau der gleichen Lage wie der Freistaat Bayern zu einem vergleichbaren Beitrag für den Fortbestand eines Unternehmens bereit wäre. Daraus folgt, daß die geplante Zahlung von 20 Millionen DM (10,52 Millionen ECU) an LSW im Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile Bayerns nicht als Bereitstellung von Risikokapital unter marktwirtschaftlichen Bedingungen anzusehen ist und somit eine staatliche Beihilfe darstellt.

Nach Artikel 4 Buchstabe c) des EGKS-Vertrags sind alle staatlichen Beihilfen an Stahlunternehmen untersagt. Der Stahlbeihilfenkodex, mit der einstimmigen Zustimmung des Rates nach Artikel 95 EGKS-Vertrag beschlossen, sieht vor, daß bestimmte Arten von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein können, nämlich Beihilfen für Forschung und Entwicklung (Artikel 2), Umweltschutz (Artikel 3), Schließung (Artikel 4) sowie Beihilfen nach allgemeinen Regionalbeihilferegelungen für Investitionen in bestimmten Gebieten der Gemeinschaft (Artikel 5).

Die geplante staatliche Beihilfe in Form einer Zahlung von 125,7 Millionen DM (66,15 Millionen ECU) an NMH und von 20 Millionen DM (10,52 Millionen ECU) an LSW fällt unter keine dieser Bestimmungen, so daß sie nicht mit dem Stahlbeihilfenkodex vereinbar ist.

(9) Bezüglich der geplanten Zahlung von 56 Millionen DM (29,47 Millionen ECU) für bestimmte Investitionskosten ist daran zu erinnern, daß die Kommission am 26. Juli 1988 lediglich entschieden hat, daß die Beteiligung Bayerns an der NMH keine staatliche Beihilfe darstellt. Die unter Punkt III. Randnummer (9) zitierte Bestimmung der Vereinbarung vom 4. November 1987 war nicht Gegenstand der Kommissionsentscheidung.

Der Begriff "Altlasten" bezieht sich nach allgemeinem Verständnis, das anfänglich auch von den Dienststellen der bayerischen Landesregierung geteilt wurde, auf in der Vergangenheit verursachte Kontaminationen der Böden und Einrichtungen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die alte Maxhütte über ein Erzbergwerk verfügte, das 1987 geschlossen wurde und bei dem schwerwiegende Umweltprobleme zu lösen waren.

Die Kommission sieht sich gelegentlich einer ähnlichen Regelung gegenüber, wenn es um die Übernahme von Einrichtungen eines in Konkurs gegangenen Unternehmens durch ein anderes oder neu gegründetes Unternehmen geht. Das Risiko, für Umweltschäden haftbar gemacht zu werden, die in der Vergangenheit unter einer anderen Geschäftsleitung verursacht wurden, ist insbesondere in der Stahl- und Chemieproduktion sehr hoch und unberechenbar. Es gäbe keine Möglichkeit, entsprechende Flächen selbst zu einem symbolischen Preis zu verkaufen und einen neuen Eigentümer für einen solchen Standort zu finden. Als Ergebnis lägen viele Industrieflächen, hauptsächlich in Regionen, die von schwerwiegenden Umstrukturierungsproblemen betroffen sind, für immer brach.

Der Staat, der in einem solchen Fall das wirtschaftliche Risiko übernimmt, handelt damit nur im öffentlichen Interesse, ohne dem Käufer, der das Grundstück ohne eine solche Garantie nicht erwerben würde, einen echten wirtschaftlichen Vorteil zu gewähren. Der einzig mögliche Begünstigte einer solchen Regelung wäre eventuell das Unternehmen, das für die Umweltschäden verantwortlich ist, das aber in diesen Fällen nicht mehr besteht.

Die Bundesregierung hatte weder schriftlich noch mündlich dargelegt, daß die vertragliche Regelung den Staat ebenfalls dazu verpflichten würde, Instandsetzungs- und Investitionskosten für Produktionsanlagen zu übernehmen. Das 53seitige Gutachten der von der NMH-Geschäftsleitung beauftragten Anwaltskanzlei zur Auslegung des Begriffs "Altlasten" wurde der Kommission nicht übermittelt, bevor sie ihre Entscheidung vom 26. Juli 1988 traf, so daß sie bislang keine Gelegenheit hatte, diese besondere Auslegung des Begriffs gemäß den Bestimmungen für staatliche Beihilfen zu prüfen. Die Absicht der bayerischen Behörden, eine Investitionsbeihilfe von bis zu 56 Millionen DM zu gewähren, ist daher nicht durch die Kommissionsentscheidung vom 26. Juli 1988 gedeckt. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist zu klären, welcher Natur die geplante Zahlung ist.

Der finanzielle Beitrag zum Ausgleich der Investitionskosten wäre eine Übertragung staatlicher Mittel an ein Stahlunternehmen, die keine Bereitstellung von Risikokapital unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ist, und wäre daher eine staatliche Beihilfe.

Die geplante Zahlung von 56 Millionen DM (29,47 Millionen ECU) ist für Investitionen vorgesehen, die dazu beitragen würden, Auflagen im Zusammenhang mit dem Schutz der Umwelt zu erfuellen. Die Kommission hat daher bei der Eröffnung des Verfahrens darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit besteht, diese Zahlung nach Artikel 3 des Stahlbeihilfenkodex zu beurteilen. Die deutschen Behörden hätten dazu jedoch Informationen übermitteln müssen, anhand derer die Kommission hätte prüfen können, ob die Bedingungen dieser Bestimmung erfuellt sind. Die deutschen Behörden haben dies nicht getan, sondern erneut geltend gemacht, daß die Zahlung durch die Kommissionsentscheidung vom 26. Juli 1988 gedeckt sei. Die deutschen Behörden haben kein Interesse daran gezeigt, einen Teil dieser Investitionskosten gemäß Artikel 3 des Stahlbeihilfenkodex genehmigen zu lassen.

Der geplante Beitrag von 56 Millionen DM (29,47 Millionen ECU) kann daher nur als allgemeine Investitionsbeihilfe angesehen werden, die nicht mit dem Stahlbeihilfenkodex vereinbar wäre. Artikel 5 des Stahlbeihilfenkodex ist nicht anwendbar, da keines der beiden Unternehmen im Gebiet der ehemaligen DDR gelegen ist.

V.

Die Kommission ist daher zu dem Schluß gelangt, daß die geplanten Finanzmaßnahmen des Freistaats Bayern eine staatliche Beihilfe darstellen würden, die nicht mit dem EGKS-Vertrag und dem Stahlbeihilfenkodex vereinbar wäre -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Der geplante Beitrag in Höhe von 125,7 Millionen DM zum Ausgleich aufgelaufener Verluste und der geplante Beitrag in Höhe von bis zu 56 Millionen DM für bestimmte Investitionen in dem EGKS-Stahlunternehmen Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH, Sulzbach-Rosenberg, sowie der geplante Beitrag von 20 Millionen DM zum Ausgleich aufgelaufener Verluste des EGKS-Stahlunternehmens Lech-Stahlwerke GmbH, Meitingen-Herbertshofen, stellen eine staatliche Beihilfe dar, die nach den Bestimmungen des EGKS-Vertrags untersagt und gemäß der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der Kommission nicht zulässig ist und daher nicht gewährt werden darf.

Artikel 2

Die Bundesregierung teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung mit, welche Maßnahmen sie getroffen hat, um dieser Entscheidung nachzukommen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.

Brüssel, den 4. April 1995

Für die Kommission

Karel VAN MIERT

Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. L 362 vom 31. 12. 1991, S. 57.

(2) Staatliche Beihilfe C 55/94, ex NN 100/94, SEK(94)1967, IP(94)1118, ABl. Nr. C 173, vom 8. 7. 1995, S. 3.

(3) Siehe Kommissionsentscheidung vom 27. Juni 1989, XIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1990), Absatz 75, S. 86, Bull. EG Nr. 6, 1989, Ziffer 2.1.74.

(4) Siehe XVIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1989), Absatz 198, S. 163.

(5) Siehe staatliche Beihilfe C 55/94, ex NN 100/94, Fußnote 2.

(6) Siehe Gerichtshof, Rechtssache C 40/85, Belgien ./. Kommission, Slg. 1986, S. 2321, 2345; Rechtssache C 303/84, Italien ./. Kommission, Slg. 1991, S. I-1433, I-1476; Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der Kommission vom 27. November 1991, ABl. Nr. L 362 vom 31. 12. 1991, S. 57, II, fünfter Absatz; Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten über öffentliche Unternehmen, ABl. Nr. C 307 vom 13. 11. 1993, S. 3, Absätze 10 bis 21.

(7) Italienische Republik ./. Kommission (ENI Lanerossi), Slg. 1991, S. I-1433, I-1476, Randnummern 21 und 22.

(8) Siehe Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS, II, fünfter Absatz.

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