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Document 62020CJ0160

    Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 22. Februar 2022.
    Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. gegen Staatssecretaris van Volksgezondheid, Welzijn en Sport.
    Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Rotterdam.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2014/40/EU – Herstellung, Aufmachung und Verkauf von Tabakerzeugnissen – Erzeugnisse, die die Emissionshöchstwerte nicht einhalten – Verbot des Inverkehrbringens – Messverfahren – Zigaretten mit kleinen Belüftungslöchern im Filter – Messung der Emissionen auf der Grundlage von ISO-Normen – Normen, die nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden – Vereinbarkeit mit den in Art. 297 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Veröffentlichungserfordernissen in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit – Vereinbarkeit mit dem Transparenzgrundsatz.
    Rechtssache C-160/20.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:101

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

    22. Februar 2022 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2014/40/EU – Herstellung, Aufmachung und Verkauf von Tabakerzeugnissen – Erzeugnisse, die die Emissionshöchstwerte nicht einhalten – Verbot des Inverkehrbringens – Messverfahren – Zigaretten mit kleinen Belüftungslöchern im Filter – Messung der Emissionen auf der Grundlage von ISO-Normen – Normen, die nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden – Vereinbarkeit mit den in Art. 297 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Veröffentlichungserfordernissen in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit – Vereinbarkeit mit dem Transparenzgrundsatz“

    In der Rechtssache C‑160/20

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Rotterdam (Gericht Rotterdam, Niederlande) mit Entscheidung vom 20. März 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 24. März 2020, in dem Verfahren

    Stichting Rookpreventie Jeugd,

    Stichting Inspire2live,

    Rode Kruis Ziekenhuis BV,

    Stichting ClaudicatioNet,

    Nederlandse Vereniging voor Kindergeneeskunde,

    Nederlandse Vereniging voor Verzekeringsgeneeskunde,

    Accare, Stichting Universitaire en Algemene Kinder- en Jeugdpsychiatrie Noord-Nederland,

    Vereniging Praktijkhoudende Huisartsen,

    Nederlandse Vereniging van Artsen voor Longziekten en Tuberculose,

    Nederlandse Federatie van Kankerpatiëntenorganisaties,

    Nederlandse Vereniging Arbeids- en Bedrijfsgeneeskunde,

    Nederlandse Vereniging voor Cardiologie,

    Koepel van Artsen Maatschappij en Gezondheid,

    Koninklijke Nederlandse Maatschappij tot bevordering der Tandheelkunde,

    College van Burgemeester en Wethouders van Amsterdam

    gegen

    Staatssecretaris van Volksgezondheid, Welzijn en Sport,

    Beteiligte:

    Vereniging Nederlandse Sigaretten- en Kerftabakfabrikanten (VSK),

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan, S. Rodin (Berichterstatter), I. Jarukaitis und J. Passer, der Richter J.‑C. Bonichot, M. Safjan, F. Biltgen, P. G. Xuereb und N. Piçarra, der Richterin L. S. Rossi sowie des Richters A. Kumin,

    Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Stichting Rookpreventie Jeugd, der Stichting Inspire2live, der Rode Kruis Ziekenhuis BV, der Stichting ClaudicatioNet, der Nederlandse Vereniging voor Kindergeneeskunde, der Nederlandse Vereniging voor Verzekeringsgeneeskunde, von Accare, Stichting Universitaire en Algemene Kinder- en Jeugdpsychiatrie Noord-Nederland, der Vereniging Praktijkhoudende Huisartsen, der Nederlandse Vereniging van Artsen voor Longziekten en Tuberculose, der Nederlandse Federatie van Kankerpatiëntenorganisaties, der Nederlandse Vereniging Arbeids- en Bedrijfsgeneeskunde, der Nederlandse Vereniging voor Cardiologie, der Koepel van Artsen Maatschappij en Gezondheid, der Koninklijke Nederlandse Maatschappij tot bevordering der Tandheelkunde, des College van Burgemeester en Wethouders van Amsterdam, vertreten durch A. van den Biesen, Advocaat,

    der Vereniging Nederlandse Sigaretten- en Kerftabakfabrikanten (VSK), vertreten durch W. Knibbeler, B. Verheijen und P. D. van den Berg, Advocaten,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,

    des Europäischen Parlaments, vertreten durch L. Visaggio, R. van de Westelaken und W. D. Kuzmienko als Bevollmächtigte,

    des Rates der Europäischen Union, vertreten durch S. Emmerechts, Á. de Elera-San Miguel Hurtado und P. Plaza García als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Rubene, S. Delaude, F. Thiran und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juli 2021

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit und die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1).

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stichting Rookpreventie Jeugd (Stiftung zur Prävention des Rauchens bei Jugendlichen, Niederlande) und 14 weiteren Einrichtungen auf der einen und dem Staatssecretaris van Volksgezondheid, Welzijn en Sport (Staatssekretär für öffentliche Gesundheit, Wohlfahrt und Sport, Niederlande) (im Folgenden: Staatssekretär) auf der anderen Seite über das Verfahren zur Messung der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionswerte von Zigaretten.

    Rechtlicher Rahmen

    Völkerrecht

    3

    Das am 21. Mai 2003 in Genf geschlossene Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, im Folgenden FCTC), zu dessen Vertragsparteien die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gehören, trat am 27. Februar 2005 in Kraft. Art. 5 Abs. 3 des FCTC bestimmt:

    „Bei der Festlegung und Durchführung ihrer gesundheitspolitischen Maßnahmen in Bezug auf die Eindämmung des Tabakgebrauchs schützen die Vertragsparteien diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit innerstaatlichem Recht vor den kommerziellen und sonstigen berechtigten Interessen der Tabakindustrie.“

    4

    In Art. 7 des FCTC heißt es:

    „… Die Konferenz der Vertragsparteien schlägt geeignete Leitlinien für die Durchführung [der] Artikel [8 bis 13 des FCTC] vor.“

    5

    Die Art. 8 bis 13 des FCTC beziehen sich auf Maßnahmen zur Verminderung der Nachfrage nach Tabak. Sie betreffen den Schutz vor Passivrauchen, die Regelung bezüglich der Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen, die Regelung bezüglich der Bekanntgabe von Angaben über Tabakerzeugnisse, die Verpackung und Etikettierung von Tabakerzeugnissen, die Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit in Fragen der Eindämmung des Tabakgebrauchs bzw. das umfassende Verbot der Tabakwerbung, der Förderung des Tabakverkaufs und des Tabaksponsorings.

    6

    Art. 9 des FCTC sieht vor:

    „Die Konferenz der Vertragsparteien schlägt in Abstimmung mit zuständigen internationalen Stellen Leitlinien für die Prüfung und Messung der Inhaltsstoffe und Emissionen von Tabakerzeugnissen sowie für die Regelung bezüglich dieser Inhaltsstoffe und Emissionen vor. Jede Vertragspartei beschließt nach Genehmigung durch die zuständigen nationalen Behörden wirksame gesetzgeberische, vollziehende und administrative oder sonstige Maßnahmen für diese Prüfung und Messung und für diese Regelung und führt solche Maßnahmen durch.“

    Unionsrecht

    Verordnung (EU) Nr. 216/2013

    7

    Die Verordnung (EU) Nr. 216/2013 des Rates vom 7. März 2013 über die elektronische Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union (ABl. 2013, L 69, S. 1) sieht in ihren Erwägungsgründen 5 und 6 vor:

    „(5)

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat [im Urteil vom 11. Dezember 2007, Skoma-Lux (C‑161/06, EU:C:2007:773)] ausgeführt, dass Rechtsakte der Union gegenüber Einzelnen nicht durchsetzbar sind, wenn sie nicht ordnungsgemäß im Amtsblatt veröffentlicht wurden, und dass ihre Online-Veröffentlichung ohne eine entsprechende Regelung im Unionsrecht der ordnungsgemäßen Veröffentlichung im Amtsblatt nicht gleichgestellt werden kann.

    (6)

    Wenn die Veröffentlichung in der elektronischen Ausgabe des Amtsblatts einer ordnungsgemäßen Veröffentlichung gleichkäme, könnte schneller und kostengünstiger auf das Unionsrecht zugegriffen werden. Die Bürger sollten jedoch weiterhin die Möglichkeit haben, eine gedruckte Fassung des Amtsblatts vom Amt für Veröffentlichungen zu erhalten.“

    8

    Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:

    „(1)   Das Amtsblatt wird gemäß dieser Verordnung in elektronischer Form in den Amtssprachen der Organe der Europäischen Union veröffentlicht.

    (2)   Unbeschadet des Artikels 3 besitzt nur das in elektronischer Form veröffentlichte Amtsblatt (im Folgenden ‚elektronische Ausgabe des Amtsblatts‘) Echtheit und entfaltet Rechtswirkungen.“

    Richtlinie 2014/40

    9

    Die Erwägungsgründe 7, 8 und 11 der Richtlinie 2014/40 lauten:

    „(7)

    Gesetzliche Maßnahmen auf Unionsebene sind außerdem notwendig, um das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, … ‚FCTC‘) vom Mai 2003 umzusetzen, dessen Bestimmungen für die Union und ihre Mitgliedstaaten bindend sind. Besonders relevant sind die FCTC‑Regelung bezüglich der Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen, der Bekanntgabe von Angaben über Tabakerzeugnisse, Verpackung und Etikettierung von Tabakerzeugnissen, Tabakwerbung, Förderung des Tabakverkaufs und Tabaksponsoring und dem unerlaubten Handel mit Tabakerzeugnissen. Die Vertragsparteien des FCTC, einschließlich der Union und ihrer Mitgliedstaaten, haben im Verlauf mehrerer Konferenzen einvernehmlich Leitlinien für die Umsetzung einiger FCTC‑Artikel angenommen.

    (8)

    Gemäß Artikel 114 Absatz 3 [AEUV] soll im Gesundheitsbereich bei Gesetzgebungsvorschlägen von einem hohen Schutzniveau ausgegangen werden, wobei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Tabakerzeugnisse sind keine gewöhnlichen Erzeugnisse, und angesichts der besonders schädlichen Wirkungen von Tabakerzeugnissen auf die menschliche Gesundheit sollte dem Gesundheitsschutz große Bedeutung beigemessen werden, insbesondere um die Verbreitung des Rauchens bei jungen Menschen zu senken.

    (11)

    Die Messung der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalte von Zigaretten sollte gemäß den einschlägigen, international anerkannten ISO-Normen erfolgen. Durch die Beauftragung unabhängiger Labore, einschließlich staatlicher Labore, sollte verhindert werden, dass die Tabakindustrie die Überprüfung der Messungen dieser Gehalte beeinflussen kann. …“

    10

    Art. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

    „Ziel dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für

    a)

    die Inhaltsstoffe und Emissionen von Tabakerzeugnissen und die damit verbundenen Meldepflichten, einschließlich der Emissionshöchstwerte von Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid von Zigaretten;

    damit – ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen – das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse erleichtert wird und die Verpflichtungen der Union im Rahmen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, … ‚FCTC‘) eingehalten werden.“

    11

    Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    21.

    ‚Emissionen‘ Stoffe, die freigesetzt werden, wenn ein Tabakerzeugnis oder ein verwandtes Erzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird, etwa Stoffe im Rauch oder Stoffe, die während der Verwendung rauchloser Tabakerzeugnisse freigesetzt werden;

    …“

    12

    Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

    „Bei Zigaretten, die in den Mitgliedstaaten hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, dürfen folgende erlaubte Emissionswerte (im Folgenden ‚Emissionshöchstwerte‘) nicht überschritten werden:

    a)

    10 mg Teer je Zigarette;

    b)

    1 mg Nikotin je Zigarette;

    c)

    10 mg Kohlenmonoxid je Zigarette.“

    13

    Art. 4 der Richtlinie 2014/40 sieht vor:

    „(1)   Die Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen von Zigaretten werden nach der ISO-Norm 4387 für Teer, ISO-Norm 10315 für Nikotin bzw. ISO-Norm 8454 für Kohlenmonoxid gemessen.

    Die Genauigkeit der Messungen zu Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid wird nach der ISO-Norm 8243 bestimmt.

    (2)   Die Messungen nach Absatz 1 werden von Laboren überprüft, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zugelassen und von ihnen überwacht werden.

    Diese Labore dürfen nicht im Besitz der Tabakindustrie sein oder unter ihrer direkten oder indirekten Kontrolle stehen.

    (3)   Der [Europäischen] Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 27 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Verfahren zur Messung der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen anzupassen, wenn dies aufgrund wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen oder international vereinbarter Normen erforderlich ist.

    (4)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission etwaige Messverfahren mit, die sie für Emissionen von Zigaretten – mit Ausnahme der Emissionen nach Absatz 3 – und für Emissionen von Tabakerzeugnissen mit Ausnahme von Zigaretten verwenden.

    …“

    14

    Art. 24 dieser Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten dürfen vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 dieses Artikels das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen oder verwandten Erzeugnissen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht aus Gründen untersagen oder beschränken, die in dieser Richtlinie geregelte Gesichtspunkte betreffen.

    (2)   Von dieser Richtlinie bleibt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für alle in ihrem Gebiet in Verkehr gebrachten Erzeugnisse weitere Anforderungen betreffend die Vereinheitlichung der Verpackungen von Tabakerzeugnissen beizubehalten oder einzuführen, wenn dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit unter Berücksichtigung des hohen mit dieser Richtlinie erzielten Schutzes der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt ist. Diese Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein und dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Diese Maßnahmen sind der Kommission zusammen mit den Gründen für ihre Beibehaltung oder ihren Erlass mitzuteilen.

    (3)   Ein Mitgliedstaat kann ferner eine bestimmte Kategorie von Tabakerzeugnissen oder verwandten Erzeugnissen verbieten, wenn dies durch die spezifischen Gegebenheiten in dem betreffenden Mitgliedstaat und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit unter Berücksichtigung des hohen mit dieser Richtlinie erzielten Schutzes der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt ist. Solche nationalen Vorschriften sind der Kommission zusammen mit den Gründen für ihren Erlass mitzuteilen. Die Kommission hat nach Eingang einer Mitteilung nach diesem Absatz sechs Monate Zeit, um die nationalen Vorschriften zu billigen oder abzulehnen; hierzu prüft sie unter Berücksichtigung des hohen mit dieser Richtlinie erzielten Schutzes der menschlichen Gesundheit, ob die Vorschriften berechtigt und notwendig sind, ob sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Ziel stehen und ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Trifft die Kommission innerhalb des Zeitraums von sechs Monaten keine Entscheidung, so gelten die nationalen Vorschriften als gebilligt.“

    Niederländisches Recht

    15

    Nach Art. 17a Abs. 4 der Tabaks- en rookwarenwet (Gesetz über Tabak und Tabakerzeugnisse), mit dem Art. 24 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 umgesetzt wurde, kann der Staatssekretär bestimmte Kategorien von Tabakerzeugnissen, die im Übrigen den gesetzlichen oder in Anwendung des Gesetzes festgelegten Anforderungen genügen, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit durch Ministerialverordnung verbieten.

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    16

    Mit Schreiben vom 31. Juli und 2. August 2018 forderten die Kläger des Ausgangsverfahrens die Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit (Niederländische Behörde für Lebensmittel- und Produktsicherheit, im Folgenden: NVWA) auf, dafür Sorge zu tragen, dass die den Verbrauchern in den Niederlanden angebotenen Filterzigaretten bei bestimmungsgemäßer Verwendung die in Art. 3 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid einhalten. Sie beantragten außerdem, die NVWA solle gegenüber den Herstellern, Importeuren und Vertreibern von Tabakerzeugnissen durch eine Verwaltungszwangsmaßnahme anordnen, Filterzigaretten, die diese Emissionshöchstwerte nicht einhalten, vom Markt zu nehmen.

    17

    Dieser Antrag auf Erlass einer Anordnung stützt sich auf eine Studie des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (Nationales Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt, Niederlande) (im Folgenden: RIVM) vom 13. Juni 2018, aus der hervorgehe, dass bei Anwendung des Messverfahrens „Canadian Intense“ anstatt des in Art. 4 der Richtlinie 2014/40 vorgeschriebenen Verfahrens alle in den Niederlanden verkauften Filterzigaretten die in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid erheblich überschritten. Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind der Ansicht, dass das in Art. 4 der Richtlinie vorgesehene Messverfahren die Art und Weise nicht berücksichtige, in der ein Zigarettenfilter verwendet werde, nämlich, dass die Finger und die Lippen des Rauchers die Mikroperforationen des Filters verschlössen. Aufgrund dieser Mikroperforationen des Filters werde saubere Luft durch den Filter gesaugt, so dass die Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidmengen durch Vermischung mit Luft verringert würden. So würden die an Zigaretten verschiedener Marken mit belüftetem Filter vorgenommenen Messungen zwei- bis mehr als zwanzigmal niedrigere Emissionen ergeben als mit bedecktem Filter. Bei bestimmungsgemäßer Verwendung der Zigaretten würden diese Mikroperforationen nämlich weitgehend durch die Finger und die Lippen des Rauchers verschlossen, so dass der Raucher Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidmengen einatme, die deutlich über den in Art. 3 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionshöchstwerten lägen.

    18

    Am 20. September 2018 lehnte die NVWA den Antrag auf Erlass einer Anordnung ab.

    19

    Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten beim Staatssekretär Beschwerde gegen den Bescheid vom 20. September 2018 ein. Mit Bescheid vom 31. Januar 2019 wies der Staatssekretär die Beschwerde als unbegründet zurück, soweit sie von der Stichting Rookpreventie Jeugd eingelegt worden war, und als unzulässig, soweit sie von den übrigen Klägern des Ausgangsverfahrens eingelegt worden war.

    20

    Die Kläger des Ausgangsverfahrens erhoben daraufhin beim vorlegenden Gericht Klage gegen den Bescheid vom 31. Januar 2019. Die Vereniging Nederlandse Sigaretten- en Kerftabakfabrikanten (VSK) (Vereinigung niederländischer Zigaretten- und Tabakfabrikanten) stellte einen Antrag auf Zulassung als Streithelferin, dem stattgegeben wurde.

    21

    Vor dem vorlegenden Gericht machen die Kläger des Ausgangsverfahrens geltend, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 nicht die Anwendung eines bestimmten Verfahrens zur Messung der Emissionswerte vorschreibe und dass die ISO-Normen, auf deren Grundlage die Messungen durchgeführt werden müssten, keine allgemein anzuwendenden Bestimmungen darstellten. Sie bringen vor, dass aus verschiedenen Studien, nämlich der Studie des RIVM vom 13. Juni 2018 und der im Journal of the National Cancer Institute am 22. Mai 2017 veröffentlichten Studie „Cigarette Filter Ventilation and its Relationship to Increasing Rates of Lung Adenocarcinoma“ („Die Belüftung von Zigarettenfiltern und ihr Zusammenhang mit steigenden Raten von Lungenadenokarzinomen“) sowie aus Schreiben des Staatssekretärs an die Kommission hervorgehe, dass das Messverfahren „Canadian Intense“ dasjenige sei, das zur Bestimmung der genauen Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidwerte, die von einer Filterzigarette bei bestimmungsgemäßer Verwendung freigesetzt würden, angewandt werden müsste.

    22

    Das vorlegende Gericht weist erstens darauf hin, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 eine Messung der von Zigaretten freigesetzten Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidmengen auf der Grundlage von ISO-Normen vorsehe, die für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich seien und nur gegen Entgelt eingesehen werden könnten, obwohl der den Bürgern durch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 gewährte Schutz auf diesen Normen beruhe. Dieses Gericht fragt sich daher, ob eine solche Art der Regelung mit der Regelung der Publizität der Gesetzgebungsakte der Union und dem Transparenzgrundsatz vereinbar ist.

    23

    Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass in jeder der in Art. 4 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Normen hinsichtlich der Messung des maßgeblichen Emissionswerts auf die ISO-Norm 3308 verwiesen werde. Diese Norm betreffe jedoch die Verwendung einer Rauchmaschine. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass sich aus dieser Norm selbst ergebe, dass die Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionswerte nicht allein mit dem vorgeschriebenen Verfahren gemessen und überprüft werden dürften, sondern auch mit anderen Mitteln und mit unterschiedlichen Intensitäten mechanischen Rauchens gemessen und überprüft werden könnten oder müssten.

    24

    Drittens hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Mess- und Validierungsverfahren mit dem Ziel dieser Richtlinie, wie es sich aus ihren Erwägungsgründen ergibt, vereinbar sind und ob die in Art. 3 dieser Richtlinie vorgesehenen Emissionswerte nur auf der Grundlage des Verfahrens ISO 3308 gemessen werden können. Zum einen weist dieses Gericht darauf hin, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens, ohne dass ihnen insoweit widersprochen worden wäre, die Auffassung verträten, dass diese Messverfahren unter Beteiligung der Tabakindustrie festgelegt worden seien. Zum anderen führt es aus, dass die Nichtbeachtung der Obergrenze für Stoffe, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung von Filterzigaretten freigesetzt würden, das im achten Erwägungsgrund der Richtlinie dargelegte Ziel, im Gesundheitsbereich ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten, ernsthaft gefährden würde. Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 möglicherweise gegen Art. 114 Abs. 3 AEUV, das FCTC sowie gegen die Art. 24 und 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verstößt.

    25

    Viertens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2014/40 in dem Fall, dass ihr Art. 4 Abs. 1 u. a. gegen Art. 297 Abs. 1 AEUV, die Verordnung Nr. 216/2013 und den Transparenzgrundsatz verstoßen sollte, insgesamt keine Wirkung entfaltet oder nur, was ihren Art. 4 Abs. 1 anbelangt. Außerdem möchte es wissen, welches alternative Verfahren angewandt werden kann oder muss, und ob der Gerichtshof befugt ist, ein solches vorzuschreiben oder, weniger weitgehend, es dem Unionsgesetzgeber oder den Mitgliedstaaten zu überlassen, eine neue Regelung in diesem Bereich zu erlassen. Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Staatssekretär nach der niederländischen Rechtsvorschrift, mit der Art. 24 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 umgesetzt worden sei, bestimmte Kategorien von Tabakerzeugnissen, die den gesetzlichen oder in Anwendung des Gesetzes festgelegten Anforderungen genügten, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit durch Ministerialverordnung verbieten könne.

    26

    Unter diesen Umständen hat die Rechtbank Rotterdam (Gericht Rotterdam, Niederlande) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist die Ausgestaltung des in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 geregelten Messverfahrens auf der Grundlage nicht frei zugänglicher ISO-Normen mit Art. 297 Abs. 1 AEUV (und der Verordnung Nr. 216/2013) und dem zugrunde liegenden Transparenzgrundsatz vereinbar?

    2.

    Sind die ISO-Normen 4387, 10315, 8454 und 8243, auf die Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 verweist, dahin auszulegen und so anzuwenden, dass im Rahmen der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung die Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen nicht nur nach dem vorgeschriebenen Verfahren gemessen (und überprüft) werden müssen, sondern auch auf andere Weise und mit anderer Intensität gemessen (und überprüft) werden können bzw. müssen?

    3.

    a)

    Verstößt Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 gegen die Vorgaben dieser Richtlinie und ihren Art. 4 Abs. 2 sowie Art. 5 Abs. 3 des FCTC, weil die Tabakindustrie bei der Festlegung der in dem genannten Art. 4 Abs. 1 genannten ISO-Normen eine Rolle gespielt hat?

    b)

    Verstößt Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 gegen die Vorgaben dieser Richtlinie, Art. 114 Abs. 3 AEUV, den Zweck des FCTC sowie die Art. 24 und 35 der Charta, weil mit dem darin vorgeschriebenen Messverfahren die Emissionen von Filterzigaretten bei bestimmungsgemäßer Verwendung aus dem Grund nicht gemessen werden, dass bei diesem Verfahren die Wirkungen von kleinen Belüftungslöchern im Filter nicht berücksichtigt werden, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung großenteils durch die Lippen und die Finger des Rauchers verdeckt werden?

    4.

    a)

    Welches alternative Messverfahren (und Überprüfungsverfahren) kann bzw. muss angewandt werden, wenn der Gerichtshof:

    Frage 1 verneint;

    Frage 2 bejaht;

    Frage 3a und/oder Frage 3b bejaht?

    b)

    Falls der Gerichtshof Frage 4a nicht beantworten kann: Liegt eine Situation im Sinne von Art. 24 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 vor, wenn vorübergehend kein Messverfahren vorhanden sein sollte?

    Zu den Vorlagefragen

    Zu Frage 2

    27

    Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 dahin auszulegen ist, dass er vorsieht, dass die in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid von Zigaretten, die in den Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht oder hergestellt werden sollen, in Anwendung der Messverfahren zu messen sind, die sich aus den ISO-Normen 4387, 10315, 8454 und 8243 ergeben, auf die der genannte Art. 4 Abs. 1 verweist.

    28

    Zunächst ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 die Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid von Zigaretten, die in den Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht oder hergestellt werden sollen, festlegt. Nach Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie werden die Emissionen dieser Stoffe nach der ISO-Norm 4387 für Teer, der ISO-Norm 10315 für Nikotin bzw. der ISO-Norm 8454 für Kohlenmonoxid gemessen, wobei die Genauigkeit dieser Messungen nach der ISO‑Norm 8243 bestimmt wird.

    29

    Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung von Unionsvorschriften nicht nur ihr Wortlaut entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden (Urteil vom 14. Oktober 2021, Dyrektor Z. Oddziału Regionalnego Agencji Restrukturyzacji i Modernizacji Rolnictwa, C‑373/20, EU:C:2021:850, Rn. 36).

    30

    Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/40, insbesondere aus dem in dieser Bestimmung verwendeten Ausdruck „werden … gemessen“, dass diese Bestimmung für die Zwecke der Messung der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen zwingend auf die ISO-Normen 4387, 10315 bzw. 8454 verweist und darin keine anderen Messverfahren erwähnt sind. Ebenfalls mit einer zwingenden Formulierung wird in Unterabs. 2 dieses Art. 4 Abs. 1 klargestellt, dass die Genauigkeit dieser Messungen nach der ISO-Norm 8243 bestimmt wird.

    31

    Was sodann den Kontext dieser Bestimmung betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Abs. 4 des genannten Art. 4 verpflichtet sind, der Kommission etwaige alternative Messverfahren mitzuteilen, die sie für Emissionen von Zigaretten – mit Ausnahme der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen – und für Emissionen von Tabakerzeugnissen mit Ausnahme von Zigaretten verwenden. Weder aus Art. 4 der Richtlinie 2014/40 noch aus irgendeiner anderen Bestimmung dieser Richtlinie geht hervor, dass die Mitgliedstaaten einer Mitteilungspflicht unterlägen, wenn sie andere als die in den ISO-Normen 4387, 10315 und 8454 vorgesehenen Messverfahren für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid, die von Zigaretten freigesetzt werden, oder andere als die in der ISO-Norm 8243 vorgesehenen Verfahren zur Überprüfung der Genauigkeit der Messungen dieser Stoffe anwenden. Da im elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgehoben wird, dass die Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalte von Zigaretten gemäß diesen international anerkannten Normen zu messen sind, ist davon auszugehen, dass der Kontext, in den sich Art. 4 Abs. 1 der genannten Richtlinie einfügt, dafürspricht, dass diese Bestimmung die ausschließliche Anwendung der genannten Normen verpflichtend vorschreibt.

    32

    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 2014/40 ein zweifaches Ziel verfolgt wird, nämlich ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse zu erleichtern (Urteil vom 22. November 2018, Swedish Match, C‑151/17, EU:C:2018:938, Rn. 40). Unbeschadet der Prüfung von Frage 3b, die im Wesentlichen die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie im Hinblick auf das u. a. in Art. 114 Abs. 3 AEUV vorgesehene Erfordernis eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit betrifft, entspricht aber der Umstand, dass nur die in den in diesem Art. 4 Abs. 1 genannten ISO-Normen vorgesehenen Verfahren zur Messung des Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionswerts von Zigaretten angewandt werden, diesem Ziel des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, da er gewährleistet, dass der Zugang von Zigaretten zum Unionsmarkt und ihre Herstellung in der Union nicht aufgrund der Anwendung unterschiedlicher Verfahren zur Messung der Werte dieser Stoffe in den Mitgliedstaaten verhindert werden.

    33

    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 dahin auszulegen ist, dass er vorsieht, dass die in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid von Zigaretten, die in den Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht oder hergestellt werden sollen, in Anwendung der Messverfahren zu messen sind, die sich aus den ISO-Normen 4387, 10315, 8454 und 8243 ergeben, auf die der genannte Art. 4 Abs. 1 verweist.

    Zu Frage 1

    34

    Mit Frage 1 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz, die Verordnung Nr. 216/2013 und Art. 297 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit gültig ist.

    35

    Was erstens die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz, der untrennbar mit dem Grundsatz der Offenheit verbunden ist, in Art. 1 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3 EUV, in Art. 15 Abs. 1 und Art. 298 Abs. 1 AEUV sowie in Art. 42 der Charta verankert ist. Er ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 39, und vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 68, sowie Beschluss vom 14. Mai 2019, Ungarn/Parlament, C‑650/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:438, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    36

    Insbesondere sieht Art. 15 Abs. 1 AEUV vor, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit handeln, um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen. Zu diesem Zweck garantiert Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 AEUV ein Recht auf Zugang zu Dokumenten, das außerdem in Art. 42 der Charta verankert ist; dieses Recht wurde u. a. durch die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) umgesetzt.

    37

    Hierzu ist festzustellen, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 zwar auf ISO-Normen verweist, die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind. Jedoch sieht diese Bestimmung selbst keine Beschränkung des Zugangs zu diesen Normen vor, und zwar auch nicht, indem sie diesen Zugang von der Stellung eines Antrags nach der Verordnung Nr. 1049/2001 abhängig machen würde. Sie kann daher nicht als im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz, wie er sich aus den in Rn. 35 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen des Primärrechts der Union ergibt, ungültig angesehen werden.

    38

    Was zweitens die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf die Verordnung Nr. 216/2013 betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass die materielle Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts nicht anhand eines anderen Unionsrechtsakts derselben normativen Ebene geprüft werden kann, sofern er nicht in Anwendung des letztgenannten Rechtsakts erlassen wurde oder in einem dieser beiden Rechtsakte ausdrücklich vorgesehen ist, dass der eine Vorrang gegenüber dem anderen hat (Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 119). Die Richtlinie 2014/40 wurde aber nicht in Anwendung der Verordnung Nr. 216/2013 erlassen, und Letztere enthält keine Bestimmung, die ausdrücklich ihren Vorrang gegenüber dieser Richtlinie vorsähe. Jedenfalls enthält Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung, da er sich darauf beschränkt, vorzusehen, dass das Amtsblatt der Europäischen Union in elektronischer Form in den Amtssprachen der Organe der Union veröffentlicht wird, keine Vorschrift bezüglich des Inhalts der Rechtsakte der Union, die wie die Richtlinie 2014/40 veröffentlicht werden müssen.

    39

    Was drittens die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf Art. 297 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass sich bereits aus dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung ergibt, dass Gesetzgebungsakte erst in Kraft treten und deshalb Rechtswirkungen entfalten können, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2007, Skoma-Lux, C‑161/06, EU:C:2007:773, Rn. 33, und vom 10. März 2009, Heinrich, C‑345/06, EU:C:2009:140, Rn. 42).

    40

    Von den Unionsorganen erlassene Rechtsakte dürfen natürlichen und juristischen Personen in einem Mitgliedstaat somit nicht entgegengehalten werden, bevor diese die Möglichkeit hatten, von dem entsprechenden Rechtsakt durch eine ordnungsgemäße Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union Kenntnis zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2007, Skoma-Lux, C‑161/06, EU:C:2007:773, Rn. 37, und vom 10. März 2009, Heinrich, C‑345/06, EU:C:2009:140, Rn. 43).

    41

    Dieses Veröffentlichungserfordernis folgt aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der verlangt, dass eine Unionsregelung es den Betroffenen ermöglichen muss, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Denn die Einzelnen müssen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen können (vgl. u. a. Urteil vom 10. März 2009, Heinrich, C‑345/06, EU:C:2009:140, Rn. 44).

    42

    Das Gleiche gilt, wenn eine Unionsregelung wie die Richtlinie 2014/40 die Mitgliedstaaten verpflichtet, zu ihrer Durchführung Maßnahmen zu erlassen, mit denen den Einzelnen Verpflichtungen auferlegt werden. Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Durchführung des Unionsrechts erlassen, müssen nämlich die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts wahren. Nationale Maßnahmen, die in Durchführung einer Unionsregelung den Einzelnen Pflichten auferlegen, müssen daher nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit veröffentlicht werden, damit die Betroffenen davon Kenntnis nehmen können. In einem solchen Fall müssen sich die Betroffenen auch über die Quelle der ihnen Pflichten auferlegenden nationalen Maßnahmen unterrichten können, da die Mitgliedstaaten diese Maßnahmen in Erfüllung einer unionsrechtlichen Verpflichtung erlassen haben (Urteil vom 10. März 2009, Heinrich, C‑345/06, EU:C:2009:140, Rn. 45 und 46).

    43

    Allerdings bedeutet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Umstand, dass in einer Bestimmung keine konkrete Methode oder Verfahrensweise vorgeschrieben wird, noch nicht, dass sie gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt (Urteil vom 4. Mai 2016, Pillbox 38, C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 101). Es ist somit nicht erforderlich, dass ein Gesetzgebungsakt selbst Angaben technischer Natur enthält, da der Unionsgesetzgeber einen allgemeinen Rechtsrahmen schaffen kann, der gegebenenfalls später konkretisiert wird (Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak, C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    44

    Entsprechend und unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten verfügt, wenn seine Tätigkeit politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen erfordert und wenn er komplexe Beurteilungen und Prüfungen vornehmen muss (Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak, C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 44), steht es dem Unionsgesetzgeber frei, in den von ihm erlassenen Rechtsakten auf technische Normen zu verweisen, die von einer Normungsorganisation wie der Internationalen Organisation für Normung (ISO) festgelegt wurden.

    45

    Es ist jedoch klarzustellen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass der Verweis auf solche Normen klar, bestimmt und in seinen Auswirkungen vorhersehbar ist, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 148 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    46

    Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass der Verweis in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 auf die ISO-Normen diesem Erfordernis entspricht, und zum anderen steht fest, dass diese Richtlinie gemäß Art. 297 Abs. 1 AEUV im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde. Unter diesen Umständen kann in Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 43 und 44 des vorliegenden Urteils der bloße Umstand, dass der genannte Art. 4 Abs. 1 auf ISO-Normen verweist, die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht veröffentlicht worden sind, die Gültigkeit dieser Bestimmung im Hinblick auf Art. 297 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht in Frage stellen.

    47

    Folglich hat die Prüfung von Frage 1 des vorlegenden Gerichts nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz, die Verordnung Nr. 216/2013 und Art. 297 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit beeinträchtigen könnte.

    48

    Allerdings ist in Anbetracht der Zweifel des vorlegenden Gerichts, die der Frage 1 zugrunde liegen und in Rn. 22 des vorliegenden Urteils zusammenfassend dargestellt worden sind, noch darauf hinzuweisen, dass gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit, wie er in den Rn. 41, 42 und 45 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, technische Normen, die von einer Normungsorganisation wie der ISO festgelegt und durch einen Gesetzgebungsakt der Union für verbindlich erklärt werden, den Einzelnen grundsätzlich nur dann entgegengehalten werden können, wenn sie selbst im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind.

    49

    Waren diese Normen Gegenstand von Anpassungen durch eine solche Organisation, so hat dieser Grundsatz auch zur Folge, dass den Einzelnen grundsätzlich nur die Fassung dieser Normen entgegengehalten werden kann, die veröffentlicht worden ist.

    50

    Im vorliegenden Fall dürfen Unternehmen, wie sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 ergibt, Zigaretten, deren Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionswerte die in der erstgenannten Bestimmung festgelegten Höchstwerte – gemessen nach den Verfahren, die in den ISO-Normen vorgesehen sind, auf die sich die zweitgenannte Bestimmung bezieht – überschreiten, weder in den Mitgliedstaaten in Verkehr bringen noch herstellen. Unter diesen Umständen ist Art. 4 Abs. 1 der genannten Richtlinie so zu verstehen, dass er diesen Unternehmen eine Verpflichtung auferlegt.

    51

    Da die Normen, auf die Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 verweist, nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, sind die Einzelnen jedoch entgegen der in den Rn. 41, 42 und 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung grundsätzlich nicht in der Lage, von den Verfahren zur Messung der für Zigaretten geltenden Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionswerte Kenntnis zu nehmen.

    52

    Allerdings sind die Besonderheiten des durch die ISO geschaffenen Systems zu berücksichtigen, das aus einem Netz nationaler Normungsorganisationen besteht und es diesen nationalen Organisationen ermöglicht, auf Antrag Zugang zur offiziellen und authentischen Fassung der von der ISO festgelegten Normen zu gewähren. Wenn Unternehmen Zugang zur offiziellen und authentischen Fassung der in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten Normen haben, können ihnen diese Normen und damit der Verweis auf diese in dieser Bestimmung somit entgegengehalten werden.

    53

    Nach alledem ist festzustellen, dass die Prüfung von Frage 1 nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz, die Verordnung Nr. 216/2013 und Art. 297 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit beeinträchtigen könnte.

    Zu Frage 3a

    54

    Mit Frage 3a möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf die Grundprinzipien dieser Richtlinie, Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie und Art. 5 Abs. 3 des FCTC gültig ist, weil die Tabakindustrie an der Festlegung der Normen, auf die Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 verweist, beteiligt war.

    55

    Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht nicht die Grundprinzipien der Richtlinie 2014/40 darlegt, anhand deren die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie zu prüfen sein soll.

    56

    Außerdem ist festzustellen, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/40 die Überprüfung der Messungen der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen durch Labore verlangt, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zugelassen und von ihnen überwacht werden und die nicht im Besitz der Tabakindustrie sein oder unter ihrer direkten oder indirekten Kontrolle stehen dürfen. Diese Bestimmung betrifft somit nicht die eigentliche Ausarbeitung der ISO-Normen, auf die Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 verweist.

    57

    Die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 ist daher allein anhand von Art. 5 Abs. 3 des FCTC zu prüfen, weil die Tabakindustrie an der Festlegung der fraglichen Normen bei der ISO beteiligt war.

    58

    Art. 5 Abs. 3 des FCTC sieht vor, dass die Vertragsparteien dieses Übereinkommens bei der Festlegung und Durchführung ihrer gesundheitspolitischen Maßnahmen in Bezug auf die Eindämmung des Tabakgebrauchs diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit innerstaatlichem Recht vor den Interessen der Tabakindustrie schützen.

    59

    Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass sie nicht jegliche Beteiligung der Tabakindustrie an der Festlegung und Anwendung der Vorschriften zur Eindämmung des Tabakgebrauchs verbietet, sondern lediglich verhindern soll, dass die Maßnahmen der Vertragsparteien gegen den Gebrauch von Tabak durch Interessen dieser Industrie beeinflusst werden.

    60

    Diese Auslegung von Art. 5 Abs. 3 des FCTC wird durch die Leitlinien zur Umsetzung dieser Bestimmung bestätigt, die zwar selbst nicht rechtsverbindlich sind, aber gemäß den Art. 7 und 9 des FCTC bezwecken, die Vertragsparteien bei der Umsetzung der verbindlichen Vorschriften dieses Übereinkommens zu unterstützen. Diese Leitlinien wurden von der Union und ihren Mitgliedstaaten einvernehmlich angenommen, wie im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/40 ausgeführt (Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 111 und 112).

    61

    In den genannten Leitlinien wird nämlich empfohlen, die Interaktion mit der Tabakindustrie zu begrenzen und transparent zu gestalten und Interessenkonflikte für Beamte oder Angestellte jeder Vertragspartei des FCTC zu vermeiden.

    62

    Folglich kann die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 des FCTC nicht allein aus dem vom vorlegenden Gericht dargelegten Grund in Frage gestellt werden, dass die Tabakindustrie an der Festlegung der fraglichen Normen bei der ISO beteiligt war.

    63

    Nach alledem ist festzustellen, dass die Prüfung von Frage 3a nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 des FCTC beeinträchtigen könnte.

    Zu Frage 3b

    64

    Mit Frage 3b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf die Grundprinzipien dieser Richtlinie, auf Art. 114 Abs. 3 AEUV, auf das FCTC sowie auf die Art. 24 und 35 der Charta gültig ist, aufgrund dessen, dass wissenschaftliche Studien belegen würden, dass die Messverfahren, auf die Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie verweist, nicht den Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt von Zigaretten widerspiegeln würden, der von den Rauchern tatsächlich inhaliert wird.

    65

    Zunächst ist auf die Feststellung in Rn. 55 des vorliegenden Urteils hinzuweisen, wonach das vorlegende Gericht nicht die Grundprinzipien darlegt, anhand deren die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 zu prüfen sein soll.

    66

    Zur Begründung der in Rn. 64 des vorliegenden Urteils genannten Frage führt das vorlegende Gericht verschiedene Dokumente an, die von der Stichting Rookpreventie Jeugd im Ausgangsverfahren vorgelegt wurden und in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannt sind.

    67

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts aber gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügte, zu beurteilen (Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 80).

    68

    Da die in Rn. 21 des vorliegenden Urteils angeführten Studien und sonstigen Dokumente sämtlich nach dem 3. April 2014, dem Tag des Erlasses der Richtlinie 2014/40, erstellt wurden, können sie für die Zwecke der Beurteilung der Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht berücksichtigt werden.

    69

    Die Prüfung von Frage 3b hat folglich nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf Art. 114 Abs. 3 AEUV, das FCTC sowie die Art. 24 und 35 der Charta beeinträchtigen könnte.

    Zu Frage 4a

    70

    Mit Frage 4a möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 den Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann, wissen, welches Verfahren zur Messung der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen von Zigaretten angewandt werden kann, um die Einhaltung der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte zu überprüfen.

    71

    Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem es um die Weigerung der NVWA geht, gegenüber den Herstellern, Importeuren und Vertreibern von Tabakerzeugnissen durch eine Verwaltungszwangsmaßnahme anzuordnen, den Verbrauchern in den Niederlanden angebotene Filterzigaretten, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionswerte einhalten, vom Markt zu nehmen.

    72

    Hierzu ist festzustellen, dass Zigaretten, die in der Union in Verkehr gebracht oder hergestellt werden sollen, die Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid einhalten müssen, die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 festgelegt sind.

    73

    Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40, da er auf ISO-Normen verweist, die nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, den Einzelnen grundsätzlich nicht entgegengehalten werden kann.

    74

    Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu beurteilen, ob die Verfahren, die tatsächlich zur Messung der Emissionswerte der genannten Stoffe angewandt wurden, mit der Richtlinie 2014/40 in Einklang stehen, ohne deren Art. 4 Abs. 1 zu berücksichtigen.

    75

    Hierzu ist erstens festzustellen, dass aus Art. 2 Nr. 21 dieser Richtlinie hervorgeht, dass der Ausdruck „Emissionen“„Stoffe [bezeichnet], die freigesetzt werden, wenn ein Tabakerzeugnis oder ein verwandtes Erzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird, etwa Stoffe im Rauch oder Stoffe, die während der Verwendung rauchloser Tabakerzeugnisse freigesetzt werden“.

    76

    Zweitens werden nach Art. 4 Abs. 2 der genannten Richtlinie die Messungen der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionswerte von Laboren überprüft, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zugelassen und von ihnen überwacht werden. Diese Labore dürfen nicht im Besitz der Tabakindustrie sein oder unter ihrer direkten oder indirekten Kontrolle stehen.

    77

    Drittens sind nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40, wenn die Kommission die Verfahren zur Messung der genannten Emissionswerte anpasst, wissenschaftliche und technische Entwicklungen oder international vereinbarte Normen zu berücksichtigen.

    78

    Viertens muss jedes Verfahren zur Messung der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte dem in Art. 1 der Richtlinie zum Ausdruck kommenden Ziel der Richtlinie, einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, zu gewährleisten, wirksam entsprechen.

    79

    Daher ist auf Frage 4a zu antworten, dass in dem Fall, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 den Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann, das für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie angewandte Verfahren im Hinblick auf wissenschaftliche und technische Entwicklungen oder international vereinbarte Normen geeignet sein muss, die Werte der Emissionen zu messen, die freigesetzt werden, wenn eine Zigarette bestimmungsgemäß verwendet wird, und dabei ein hoher Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, zugrunde gelegt werden muss, wobei die Genauigkeit der mit diesem Verfahren erzielten Messungen von den in Art. 4 Abs. 2 der genannten Richtlinie angeführten Laboren, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zugelassen und überwacht werden, überprüft werden muss.

    Zu Frage 4b

    80

    Mit Frage 4b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar ist.

    81

    Nach Art. 17a Abs. 4 des Gesetzes über Tabak und Tabakerzeugnisse, mit dem Art. 24 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 umgesetzt wurde, kann der Staatssekretär bestimmte Kategorien von Tabakerzeugnissen, die den gesetzlichen oder in Anwendung des Gesetzes festgelegten Anforderungen genügen, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit durch Ministerialverordnung verbieten.

    82

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs streitet eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 20. Dezember 2017, Erzeugerorganisation Tiefkühlgemüse, C‑516/16, EU:C:2017:1011, Rn. 80).

    83

    Die dem Gerichtshof vorliegenden Akten enthalten jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Ausgangsrechtsstreit auch nur teilweise die Möglichkeit betrifft, über die der Staatssekretär nach Art. 17a Abs. 4 des Gesetzes über Tabak und Tabakerzeugnisse, mit dem Art. 24 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 umgesetzt wurde, verfügt.

    84

    Daraus folgt, dass eine Beantwortung von Frage 4b unter diesen Umständen offensichtlich darauf hinausliefe, dass der Gerichtshof unter Missachtung der ihm im Rahmen der mit Art. 267 AEUV eingeführten Zusammenarbeit der Gerichte zugewiesenen Aufgabe ein Gutachten zu einer hypothetischen Frage abgäbe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Erzeugerorganisation Tiefkühlgemüse, C‑516/16, EU:C:2017:1011, Rn. 82).

    85

    Folglich ist Frage 4b unzulässig.

    Kosten

    86

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG ist dahin auszulegen, dass er vorsieht, dass die in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid von Zigaretten, die in den Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht oder hergestellt werden sollen, in Anwendung der Messverfahren zu messen sind, die sich aus den ISO-Normen 4387, 10315, 8454 und 8243 ergeben, auf die der genannte Art. 4 Abs. 1 verweist.

     

    2.

    Die Prüfung von Frage 1 hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz, die Verordnung (EU) Nr. 216/2013 des Rates vom 7. März 2013 über die elektronische Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union und Art. 297 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit beeinträchtigen könnte.

     

    3.

    Die Prüfung von Frage 3a hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 des Rahmenübereinkommens der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs beeinträchtigen könnte.

     

    4.

    Die Prüfung von Frage 3b hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 im Hinblick auf Art. 114 Abs. 3 AEUV, das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs sowie die Art. 24 und 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union beeinträchtigen könnte.

     

    5.

    In dem Fall, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 den Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann, muss das für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie angewandte Verfahren im Hinblick auf wissenschaftliche und technische Entwicklungen oder international vereinbarte Normen geeignet sein, die Werte der Emissionen zu messen, die freigesetzt werden, wenn eine Zigarette bestimmungsgemäß verwendet wird, und dabei muss ein hoher Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, zugrunde gelegt werden, wobei die Genauigkeit der mit diesem Verfahren erzielten Messungen von den in Art. 4 Abs. 2 der genannten Richtlinie angeführten Laboren, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zugelassen und überwacht werden, überprüft werden muss.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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