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Document 62020CC0485

    Schlussanträge des Generalanwalts A. Rantos vom 11. November 2021.
    XXXX gegen HR Rail SA.
    Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État (Belgien).
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung – Entlassung eines Arbeitnehmers mit Behinderung, der endgültig nicht in der Lage ist, die wesentlichen Funktionen seines Arbeitsplatzes zu erfüllen – Bediensteter, der im Rahmen seiner Einstellung eine Probezeit absolviert – Art. 5 – Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung – Verpflichtung zur Verwendung an einem anderen Arbeitsplatz – Zulassung unter dem Vorbehalt, dass der Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet wird.
    Rechtssache C-485/20.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:916

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    ATHANASIOS RANTOS

    vom 11. November 2021 ( 1 )

    Rechtssache C‑485/20

    XXXX

    gegen

    HR Rail SA

    (Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Belgien])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung – Person, die im Rahmen ihrer Einstellung eine Probezeit absolviert – Arbeitnehmer, der für die Besetzung seines bisherigen Arbeitsplatzes endgültig ungeeignet ist – Art. 5 – Angemessene Vorkehrungen – Verpflichtung des Arbeitgebers, diesen Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, für den er kompetent, fähig und verfügbar ist – Unverhältnismäßige Belastung“

    I. Einleitung

    1.

    Ein Arbeitnehmer, XXXX (im Folgenden: Kläger), der von der Firma HR Rail SA eingestellt wurde, war wegen einer während seiner Probezeit eingetretenen Behinderung für die Besetzung seines bisherigen Arbeitsplatzes endgültig nicht mehr geeignet. Er wurde daraufhin wegen mangelnder Eignung entlassen. Der Kläger wendet sich gegen diese Entscheidung und macht geltend, er sei wegen seiner Behinderung diskriminiert worden.

    2.

    War sein Arbeitgeber in einer solchen Situation gemäß der Richtlinie 2000/78/EG ( 2 ) und zur Vermeidung jeglicher Diskriminierung wegen einer Behinderung verpflichtet, den Kläger, anstatt ihn zu entlassen, an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, für den er kompetent, fähig und verfügbar war? Dies ist im Wesentlichen die vom Conseil d’État (Staatsrat, Belgien) aufgeworfene Frage.

    3.

    Der Gerichtshof wird aufgrund dieser Frage u. a. zu prüfen haben, ob die Richtlinie 2000/78 auf Personen anwendbar ist, die im Rahmen ihrer Einstellung eine Probezeit absolvieren, und welche Tragweite der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie in Verbindung mit dem am 13. Dezember 2006 in New York unterzeichneten und am 3. Mai 2008 in Kraft getretenen Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ( 3 ) (im Folgenden: VN‑Übereinkommen) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) hat.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A.   Völkerrecht

    4.

    Art. 1 („Zweck“) des VN‑Übereinkommens lautet:

    „Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

    Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“

    5.

    In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 3 und 4 dieses Übereinkommens heißt es:

    „Im Sinne dieses Übereinkommens

    bedeutet ‚Diskriminierung aufgrund von Behinderung‘ jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird. Sie umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen;

    bedeutet ‚angemessene Vorkehrungen‘ notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können“.

    6.

    Art. 5 („Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung“) Abs. 3 des genannten Übereinkommens lautet:

    „Zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierung unternehmen die Vertragsstaaten alle geeigneten Schritte, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten.“

    7.

    Art. 27 („Arbeit und Beschäftigung“) Abs. 1 des VN‑Übereinkommens sieht vor:

    „Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um unter anderem

    a)

    Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschließlich der Auswahl‑, Einstellungs‑ und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen, zu verbieten;

    h)

    die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor durch geeignete Strategien und Maßnahmen zu fördern, wozu auch Programme für positive Maßnahmen, Anreize und andere Maßnahmen gehören können;

    i)

    sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden;

    …“

    8.

    Das VN‑Übereinkommen wurde im Namen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Beschluss 2010/48/EG ( 4 ) genehmigt.

    B.   Unionsrecht

    9.

    Die Erwägungsgründe 16, 17, 20 und 21 der Richtlinie 2000/78 lauten:

    „(16)

    Maßnahmen, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung.

    (17)

    Mit dieser Richtlinie wird unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen, nicht die Einstellung, der berufliche Aufstieg, die Weiterbeschäftigung oder die Teilnahme an Aus‑ und Weiterbildungsmaßnahmen einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.

    (20)

    Es sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, d. h. wirksame und praktikable Maßnahmen, um den Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten, z. B. durch eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des Angebots an Ausbildungs‑ und Einarbeitungsmaßnahmen.

    (21)

    Bei der Prüfung der Frage, ob diese Maßnahmen zu übermäßigen Belastungen führen, sollten insbesondere der mit ihnen verbundene finanzielle und sonstige Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz der Organisation oder des Unternehmens und die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.“

    10.

    Art. 1 („Zweck“) dieser Richtlinie bestimmt:

    „Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

    11.

    Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.“

    12.

    Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

    „Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

    a)

    die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs;

    b)

    den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung;

    c)

    die Beschäftigungs‑ und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

    …“

    13.

    Art. 5 („Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

    „Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus‑ und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik des Mitgliedstaates ausreichend kompensiert wird.“

    14.

    Art. 7 („Positive und spezifische Maßnahmen“) dieser Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.

    (2)   Im Falle von Menschen mit Behinderung steht der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedstaaten entgegen, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern.“

    C.   Belgisches Recht

    15.

    Art. 3 des Gesetzes vom 10. Mai 2007 ( 5 ) zur Bekämpfung bestimmter Formen von Diskriminierung in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz vom 10. Mai 2007) lautet:

    „Ziel dieses Gesetzes ist es, in den in Art. 5 genannten Bereichen einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Alters, der sexuellen Ausrichtung, des Familienstands, der Geburt, des Vermögens, der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung, der politischen Überzeugung, der gewerkschaftlichen Überzeugung, der Sprache, des aktuellen oder künftigen Gesundheitszustands, einer Behinderung, eines körperlichen oder genetischen Merkmals oder der sozialen Herkunft zu schaffen.“

    16.

    In Art. 4 dieses Gesetzes heißt es:

    „Für die Zwecke dieses Gesetzes gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

    geschützte Kriterien: Alter, sexuelle Ausrichtung, Personenstand, Geburt, Vermögen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugung, politische Überzeugung, gewerkschaftliche Überzeugung, Sprache, aktueller oder künftiger Gesundheitszustand, eine Behinderung, ein körperliches oder genetisches Merkmal, soziale Herkunft;

    12°

    angemessene Vorkehrungen: geeignete Maßnahmen, die entsprechend den Erfordernissen in einer konkreten Situation getroffen werden, um einer Person mit einer Behinderung den Zugang, die Teilhabe und den Aufstieg in den Bereichen zu ermöglichen, auf die dieses Gesetz Anwendung findet, es sei denn, diese Maßnahmen stellen für die Person, die sie ergreifen muss, eine unverhältnismäßige Belastung dar. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn Sie im Rahmen der öffentlichen Politik durch für Menschen mit Behinderung geltende Maßnahmen ausreichend ausgeglichen wird.“

    17.

    In Art. 14 dieses Gesetzes heißt es:

    „In den Bereichen, die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes fallen, ist jegliche Form einer Diskriminierung untersagt. Als eine Diskriminierung im Sinne dieses Titels gilt

    die Weigerung, zugunsten eines Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen.“

    III. Ausgangsverfahren, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

    18.

    Der Kläger wurde von HR Rail ( 6 ) als Facharbeiter für die Wartung und Instandhaltung der Schienenwege eingestellt. Am 21. November 2016 begann er seine Probezeit bei der Firma Infrabel.

    19.

    Im Dezember 2017 wurde bei ihm ein Herzproblem diagnostiziert, das das Einsetzen eines Herzschrittmachers erforderlich machte, eines Geräts, das auf elektromagnetische Felder, wie sie u. a. von Eisenbahnschienen ausgehen, empfindlich reagiert. Am 12. Juni 2018 wurde der Kläger vom Service public fédéral Sécurité sociale (Föderaler Öffentlicher Dienst Soziale Sicherheit) (Belgien) als behindert anerkannt.

    20.

    Am 28. Juni 2018 wurde er im Centre régional de la médecine de l’administration (Regionales Zentrum für Verwaltungsmedizin, Belgien) untersucht, woraufhin HR Rail ihn für endgültig ungeeignet erklärte, die Aufgaben, für die er eingestellt worden war, zu erfüllen. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass er bis zur Entscheidung über seine Entlassung einen seinem Gesundheitszustand angemessenen Arbeitsplatz einnehmen könne, der folgende Anforderungen erfülle: „durchschnittliche Aktivität, keine Exposition gegenüber Magnetfeldern, nicht in Höhenlage oder bei Vibrationen“. Aufgrund dieser Entscheidung wurde der Kläger bei Infrabel als Lagerist eingesetzt. Am 1. Juli 2018 legte er gegen diese Entscheidung bei der Commission d’appel de la médecine de l’administration (Medizinische Berufungskommission der Verwaltung) (Belgien) Beschwerde ein.

    21.

    Mit Schreiben vom 19. Juli 2018 teilte HR Rail dem Kläger mit, dass er „individuelle Unterstützung erhalten werde, um bei [HR Rail] eine neue Stelle zu finden“, und dass er zu diesem Zweck in Kürze zu einem Gespräch eingeladen werde. Mit Schreiben vom 29. August 2018 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass dieses Gespräch für den 18. September 2018 vorgesehen sei.

    22.

    Am 3. September 2018 bestätigte die Medizinische Berufungskommission der Verwaltung die Entscheidung über die fehlende medizinische Eignung des Klägers.

    23.

    Mit Schreiben vom 26. September 2018 teilte der Leitende Berater – und zuständige Dienstleiter von HR Rail – dem Kläger seine Entlassung zum 30. September 2018 mit, und zwar mit einem für die Dauer von fünf Jahren geltenden Verbot einer Wiedereinstellung in der Besoldungsgruppe, in der er eingestellt worden war.

    24.

    Am 26. Oktober 2018 teilte der Generaldirektor von HR Rail dem Kläger mit, dass nach der Satzung der Gesellschaft und ihrer allgemeinen Regelung für die Vergabe von Stellen vorgesehen sei, dass „die Probezeit eines Mitarbeiters, der endgültig für völlig untauglich erklärt wird, beendet [wird], wenn er nicht mehr in der Lage ist, die mit seinem Dienstgrad verbundenen Aufgaben wahrzunehmen“, und dass demzufolge „das Schreiben, das [ihm] in Bezug auf die individuelle Unterstützung für Bedienstete, die aus medizinischen Gründen untauglich sind, zugesandt [wurde], gegenstandslos [ist].“

    25.

    Am 26. November 2018 erhob der Kläger beim Conseil d’État, dem vorlegenden Gericht, Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Leitenden Beraters – und zuständigen Dienstleiters –, ihn zum 30. September 2018 zu entlassen.

    26.

    Das Gericht stellt fest, dass das Gesetz vom 10. Mai 2007, mit dem die Richtlinie 2000/78 in belgisches Recht umgesetzt wurde, eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung u. a. wegen des aktuellen oder künftigen Gesundheitszustands oder einer Behinderung verbiete.

    27.

    Im vorliegenden Fall sei weder zu bestreiten noch bestritten worden, dass der Grund für die Entscheidung über die mangelnde Eignung des Klägers als „Behinderung“ im Sinne des Gesetzes vom 10. Mai 2007 einzustufen sei. Aufgrund seiner Beeinträchtigung, die das Einsetzen eines Herzschrittmachers erfordert habe, erfülle der Kläger nämlich nicht mehr eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung seiner Tätigkeit als Facharbeiter für die Wartung und Instandhaltung der Schienenwege, die damit einhergehe, dass er den elektromagnetischen Feldern der Schienenwege ausgesetzt sei. Daraus sei zu schließen, dass die Entscheidung, ihn zu entlassen, nur dann eine nach diesem Gesetz verbotene Diskriminierung darstellen könnte, wenn sich HR Rail nachweislich geweigert haben sollte, die vorgeschriebenen angemessenen Vorkehrungen zu treffen.

    28.

    Der Kläger macht insoweit geltend, dass er auf einer anderen Stelle hätte verwendet werden können, insbesondere auf der eines Lageristen, auf der er bis zu seiner Entlassung vorübergehend verwendet worden sei; eine solche Verwendung hätte eine angemessene Vorkehrung dargestellt, die zu treffen sein Arbeitgeber nach dem Gesetz vom 10. Mai 2007 verpflichtet gewesen sei. HR Rail trägt vor, es sei nicht möglich gewesen, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit der Kläger als Facharbeiter für Instandhaltung weiterbeschäftigt werden könne.

    29.

    Nach Angaben des vorlegenden Gerichts wird die Frage, ob unter „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne des Gesetzes vom 10. Mai 2007 die Möglichkeit zu verstehen ist, eine Person, die aufgrund des Eintritts einer Behinderung nicht mehr in der Lage ist, ihren bisherigen Arbeitsplatz einzunehmen, an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, in der nationalen Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt.

    30.

    Im Übrigen lasse sich den Erwägungsgründen 17, 20 und 21 der Richtlinie 2000/78 nicht mit Sicherheit entnehmen, dass die Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen, die Verpflichtung umfasse, die betreffende Person im Unternehmen an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden.

    31.

    Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Ist Art. 5 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Person, die aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr in der Lage ist, die wesentlichen Funktionen ihres bisherigen Arbeitsplatzes zu erfüllen, an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, für den sie die notwendige Kompetenz, Fähigkeit und Verfügbarkeit aufweist, sofern eine solche Maßnahme keine unverhältnismäßige Belastung für den Arbeitgeber darstellt?

    32.

    Der Kläger, HR Rail, die belgische, die griechische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

    IV. Würdigung

    33.

    Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob Art. 5 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass ein Arbeitgeber im Rahmen der in diesem Artikel vorgesehenen „angemessenen Vorkehrungen“ verpflichtet ist, einen Arbeitnehmer – auch einen solchen, der im Rahmen seiner Einstellung eine Probezeit absolviert –, der wegen des Eintritts einer Behinderung endgültig ungeeignet ist, den bisherigen Arbeitsplatz einzunehmen, an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, sofern er die erforderliche Kompetenz, Fähigkeit und Verfügbarkeit aufweist und diese Maßnahme keine unverhältnismäßige Belastung für den Arbeitgeber darstellt.

    34.

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/78 sowohl nach ihrem Titel und ihren Erwägungsgründen als auch nach ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass alle Personen „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt werden, indem sie ihnen einen wirksamen Schutz vor einer Diskriminierung aus einem der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe, einschließlich einer Behinderung, bietet ( 7 ). Ziel dieser Richtlinie ist es also, in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen ( 8 ).

    35.

    In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine Person wie der Kläger in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt (A), und in einem zweiten Schritt zu bestimmen, welche Tragweite der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie im Hinblick auf die Verwendung einer Person mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens (B) hat.

    A.   Zum Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78

    36.

    Zunächst weise ich darauf hin, dass der Kläger ausweislich der Vorlageentscheidung von HR Rail, einer öffentlich-rechtlichen Aktiengesellschaft, eingestellt wurde, mit der Folge, dass er ein Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors ist. Er wurde entlassen, weil er zur Besetzung des Arbeitsplatzes, für den er eingestellt worden war, endgültig ungeeignet geworden ist.

    37.

    Insofern fällt der Kläger in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78. Diese gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c nämlich im Rahmen der auf die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten „für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen“, insbesondere in Bezug auf „die Beschäftigungs‑ und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“ ( 9 ).

    38.

    Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Kläger eine „Behinderung“ im Sinne des Gesetzes vom 10. Mai 2007 aufweise. Der Umstand, dass der Kläger als Person mit Behinderung im Sinne des nationalen Rechts anerkannt ist, bedeutet insoweit nicht, dass er eine „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 aufweist ( 10 ), einem eigenständigen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen ist.

    39.

    In Bezug auf diese Richtlinie ist daran zu erinnern, dass die Union das VN‑Übereinkommen mit dem Beschluss 2010/48 genehmigt hat. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens sind folglich seit dem Inkrafttreten dieses Beschlusses fester Bestandteil der Unionsrechtsordnung. Ferner ergibt sich aus der Anlage zu Anhang II dieses Beschlusses, dass die Richtlinie 2000/78 in den Bereichen selbständige Lebensführung, soziale Eingliederung, Arbeit und Beschäftigung einer der Rechtsakte der Union zu den Angelegenheiten ist, die unter das VN‑Übereinkommen fallen. Folglich kann dieses Übereinkommen zur Auslegung dieser Richtlinie herangezogen werden, die nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen auszulegen ist ( 11 ).

    40.

    Aus diesem Grund hat der Gerichtshof nach der Genehmigung des VN‑Übereinkommens durch die Union festgestellt, dass der Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 so zu verstehen ist, dass er eine Einschränkung von Fähigkeiten erfasst, die u. a. auf langfristige physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die den Betroffenen in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben unter Gleichstellung mit den übrigen Arbeitnehmern hindern können ( 12 ).

    41.

    So hat der Gerichtshof im Rahmen der Auslegung der Richtlinie 2000/78 ebenso wie das VN‑Übereinkommen auf das soziale Verständnis des Begriffs der Behinderung abgestellt, der – im Gegensatz zum medizinischen Begriff der Behinderung, der insbesondere auf das Individuum selbst und die Beeinträchtigung abstellt, die es dem Betroffenen schwer macht, sich an das gesellschaftliche Umfeld anzupassen oder sich dort zu integrieren –, auf einem kontextbezogenen Ansatz beruht, bei dem es darum geht, welche Wechselwirkung zwischen der Beeinträchtigung und der Reaktion der Gesellschaft besteht bzw. wie eine Gesellschaft mit Menschen mit Behinderungen umgeht ( 13 ).

    42.

    Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der Kläger als Facharbeiter für die Wartung und Instandhaltung der Schienenwege eingestellt wurde. Nach seiner Einstellung hatte er ein gesundheitliches Problem und musste sich deshalb einen Herzschrittmacher einsetzen lassen, ein Gerät, das auf elektromagnetische Felder, wie sie u. a. von Eisenbahnschienen ausgehen, empfindlich reagiert. Dementsprechend ist er endgültig nicht mehr geeignet, die wesentlichen Funktionen des betreffenden Arbeitsplatzes zu erfüllen.

    43.

    Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht bin ich der Ansicht, dass der Kläger unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte eine dauerhafte Einschränkung seiner Fähigkeiten erlitten hat, die auf körperliche Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die ihn in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können und dass er als „Mensch mit Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 einzustufen ist.

    44.

    Schließlich ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Entlassung im Rahmen seiner Einstellung eine Probezeit absolvierte. Es ist zu prüfen, ob er als Mitarbeiter, der sich noch in der Probezeit befand, in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt.

    45.

    Insoweit weise ich darauf hin, dass diese Richtlinie ihrem Wortlaut nach nicht nur endgültig eingestellte Personen betrifft. Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b gilt sie nämlich in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit sowie für den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung. Im vorliegenden Fall betrifft die Situation des Klägers in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter, der sich noch in der Probezeit befand, die Frage seines Zugangs zu Beschäftigung und Beruf.

    46.

    Hinzu kommt aus teleologischer Sicht, dass sich eine Person, die im Rahmen ihrer Einstellung eine Probezeit absolviert, naturgemäß in einer schwächeren Position befindet als eine Person, die einen festen Arbeitsplatz hat. Für einen solchen Probezeitbeschäftigten ist es schwieriger, eine andere Beschäftigung zu finden, wenn er bei Eintritt einer Behinderung zur Besetzung der Stelle, für die er eingestellt wurde, nicht mehr geeignet ist, zumal wenn er am Anfang seiner beruflichen Laufbahn steht. Unter diesen Voraussetzungen halte ich es für gerechtfertigt, einem solchen Probezeitbeschäftigten den Schutz vor Diskriminierungen zu gewährleisten.

    47.

    Deshalb bin ich der Ansicht, dass eine Person, die im Rahmen ihrer Einstellung eine Probezeit absolviert, in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt, im vorliegenden Fall in Bezug auf die Bestimmungen über Behinderungen.

    48.

    Diese Auslegung wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt. Dieser hat nämlich bereits festgestellt, dass der Begriff „Arbeitnehmer“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 derselbe ist wie in Art. 45 AEUV ( 14 ). Hinsichtlich der Einstufung als „Arbeitnehmer“ im Sinne dieses Artikels ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser Begriff ein autonomer Begriff ist und nicht eng ausgelegt werden darf ( 15 ). So erstreckt sich der Begriff „Arbeitnehmer“ im Unionsrecht auf Personen, die einen Vorbereitungsdienst ableisten oder in einem Beruf Ausbildungszeiten absolvieren, die als eine mit der eigentlichen Ausübung des betreffenden Berufs verbundene praktische Vorbereitung betrachtet werden können, wenn diese Zeiten unter den Bedingungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit im Lohn‑ oder Gehaltsverhältnis für einen Arbeitgeber nach dessen Weisung absolviert werden ( 16 ).

    49.

    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Kläger im Rahmen seiner Probezeit eine tatsächliche und echte Tätigkeit im Lohn‑ oder Gehaltsverhältnis zugunsten und nach Weisung eines Arbeitgebers ausübte. Daher ist er als „Arbeitnehmer“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 einzustufen.

    50.

    Im Übrigen ist zu beachten, dass der Anwendungsbereich des VN‑Übereinkommens weit gefasst ist. Sein Art. 27 Abs. 1 Buchst. a bestimmt nämlich, dass die Vertragsstaaten die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit sichern und fördern, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, und zwar durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um u. a. Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschließlich der Auswahl‑, Einstellungs‑ und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen, zu verbieten. Die Richtlinie 2000/78 ist jedoch, wie in Nr. 39 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, nach Möglichkeit im Einklang mit dem VN‑Übereinkommen auszulegen.

    51.

    Demzufolge fällt der Kläger meines Erachtens nicht nur unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78, weil er entlassen wurde, sondern in seiner Eigenschaft als eine Person, die im Rahmen ihrer Einstellung eine Probezeit absolviert, auch unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie.

    52.

    Deshalb bin ich der Ansicht, dass eine Person wie der Kläger in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt.

    B.   Zur Tragweite des Begriffs „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78

    53.

    Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 die Verpflichtung umfasst, eine Person, die wegen des Eintritts einer Behinderung für die Besetzung ihres Arbeitsplatzes endgültig ungeeignet geworden ist, auf einer anderen Stelle innerhalb des Unternehmens zu verwenden.

    54.

    Nach Art. 5 dieser Richtlinie „[sind, u]m die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, … angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus‑ und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik des Mitgliedstaates ausreichend kompensiert wird“.

    55.

    Zunächst ist festzustellen, dass eine Diskriminierung aufgrund von Behinderung gemäß Art. 2 Abs. 3 des VN‑Übereinkommens alle Formen einer Diskriminierung umfasst, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Daher wäre der Kläger, unterstellt, HR Rail hätte ihn an einem anderen Arbeitsplatz verwenden müssen, Opfer einer Diskriminierung wegen einer Behinderung im Sinne dieses Übereinkommens und der Richtlinie 2000/78 geworden als er entlassen wurde, weil er für die Ausübung der Tätigkeit, für die er eingestellt worden war, nicht mehr geeignet war ( 17 ).

    56.

    Der Anforderung, angemessene Vorkehrungen zu treffen, liegt nämlich, wie die Generalsanwältin Kokott ( 18 ) und der Generalanwalt Wahl ( 19 ) festgestellt haben, die Überlegung zugrunde, einen gerechten Ausgleich zwischen den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen und denen des Arbeitgebers zu schaffen.

    57.

    Aus dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 ergibt sich in Bezug auf angemessene Vorkehrungen, dass „geeignete Maßnahmen vorgesehen werden [sollten], d. h. wirksame und praktikable Maßnahmen, um den Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten, z. B. durch eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des Angebots an Ausbildungs‑ und Einarbeitungsmaßnahmen“.

    58.

    Zwar wird, wie HR Rail in ihren schriftlichen Erklärungen hervorhebt, in diesem Erwägungsgrund der „Arbeitsplatz“ genannt. Sie schließt daraus, dass die angemessenen Vorkehrungen auf den zugewiesenen Arbeitsplatz beschränkt seien und nicht dazu dienen könnten, einem Arbeitnehmer mit Behinderung einen anderen Arbeitsplatz zu geben.

    59.

    Meines Erachtens ist Art. 5 der Richtlinie 2000/78 jedoch im Licht ihrer Erwägungsgründe 17 und 20 dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber vorrangig und soweit möglich den Arbeitsplatz einzurichten hat, den der Arbeitnehmer vor dem Eintritt seiner Behinderung innehatte. Das Ziel besteht nämlich bei einem auf dem sozialen Verständnis des Begriffs der Behinderung beruhenden Ansatz darin, das Arbeitsumfeld der Person mit Behinderung anzupassen, um ihr eine volle und wirksame Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, zu ermöglichen. Diese Anpassung setzt voraus, dass der Arbeitgeber, soweit möglich, praktische Maßnahmen ergreift, damit die Person mit Behinderung ihren Arbeitsplatz behält.

    60.

    Der Gerichtshof hat im Urteil vom 11. April 2013, HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, im Folgenden: Urteil HK Danmark) entschieden, dass der 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 eine nicht abschließende Liste geeigneter Maßnahmen enthält, die die Arbeitsumgebung, die Arbeitsorganisation und/oder die Aus- und Fortbildung betreffen können ( 20 ).

    61.

    Was das Ausgangsverfahren betrifft, kann, wie das vorlegende Gericht ausführt, angesichts der Art der Behinderung des Klägers keine Maßnahme, die die Arbeitsumgebung, die Arbeitsorganisation und/oder die Aus‑ und Fortbildung betrifft, getroffen werden, um seine Stellung als Facharbeiter für die Wartung und Instandhaltung der Schienenwege zu erhalten. Das Einsetzen eines Herzschrittmachers, eines Geräts, das auf von Eisenbahnschienen ausgehende elektromagnetische Felder empfindlich reagiert, macht es nämlich unmöglich, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz behält. Eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des Angebots an Ausbildungs‑ und Einarbeitungsmaßnahmen kann daher in der besonderen Situation des Klägers keine geeignete Maßnahme im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 darstellen.

    62.

    Allerdings ist seine Behinderung nicht von solcher Art, ihn vom Berufsleben völlig auszuschließen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Arbeitgeber in einem derartigen Fall verpflichtet ist, einen solchen Arbeitnehmer mit Behinderung so weit wie möglich an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens zu verwenden. Meines Wissens hat sich der Gerichtshof zu dieser Frage, die von erheblicher praktischer Bedeutung ist, noch nicht geäußert ( 21 ).

    63.

    Ich meine, dass diese Frage zu bejahen ist. In Art. 5 der Richtlinie 2000/78 heißt es nämlich lediglich, dass angemessene Vorkehrungen zu treffen sind, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus‑ und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Folglich beschränkt dieser Artikel die getroffenen Maßnahmen nicht auf den von dem Arbeitnehmer mit Behinderung besetzten Arbeitsplatz. Der Zugang zu einer Beschäftigung und zu Aus‑ und Weiterbildungsmaßnahmen lässt vielmehr die Möglichkeit einer Verwendung an einem anderen Arbeitsplatz offen. Außerdem spielen gemäß dem 16. Erwägungsgrund dieser Richtlinie Maßnahmen, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung.

    64.

    In diesem Sinne hat der Gerichtshof im Urteil HK Danmark ausgeführt, dass der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ im Einklang mit Art. 2 Abs. 4 des VN‑Übereinkommens Folgendes bedeute: „notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können“. Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass diese Bestimmung eine weite Definition des Begriffs „angemessene Vorkehrungen“enthalte ( 22 ). Im Rahmen der Richtlinie 2000/78 ist dieser Begriff somit dahin zu verstehen, dass er die Beseitigung der verschiedenen Barrieren umfasst, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern ( 23 ).

    65.

    Mithin hat der Gerichtshof in diesem Urteil entschieden, dass eine Arbeitszeitverkürzung, selbst wenn sie nicht unter den Begriff „Arbeitsrhythmus“ fiele, in Fällen, in denen sie es dem Arbeitnehmer ermöglicht, seine Arbeit entsprechend dem mit Art. 5 dieser Richtlinie verfolgten Ziel weiter auszuüben, als eine Vorkehrungsmaßnahme im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden könne ( 24 ). Der Gerichtshof hat also eine Maßnahme, die im 20. Erwägungsgrund der Richtlinie nicht ausdrücklich genannt wird, als angemessene Vorkehrung anerkannt ( 25 ).

    66.

    Im Übrigen heißt es in dem bereits zitierten Art. 27 Abs. 1 Buchst. a des VN‑Übereinkommens, dass die Vertragsstaaten die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, sichern und fördern, um Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschließlich der Weiterbeschäftigung, zu verbieten.

    67.

    Neben Art. 21 der Charta, der das Verbot jeder Diskriminierung wegen einer Behinderung vorsieht ( 26 ), bestimmt außerdem Art. 26 der Charta, dass die Union den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft anerkennt und achtet ( 27 ).

    68.

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Menschen mit Behinderung so weit wie möglich weiterbeschäftigt werden sollten, anstatt sie wegen mangelnder Eignung zu entlassen, was nur der letzte Ausweg sein sollte ( 28 ). Ganz allgemein möchte ich betonen, dass die Gesellschaft keine Fortschritte erzielen kann, wenn sie Personen mit Behinderung, insbesondere in Bezug auf Beschäftigung und Arbeit, ausgrenzt. In diesem Sinne sind angemessene Vorkehrungen eine vorbeugende Maßnahme, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung aufrechtzuerhalten ( 29 ).

    69.

    Unter diesen Umständen ergibt sich meines Erachtens aus dem Wortlaut der Richtlinie 2000/78 im Licht des VN‑Übereinkommens und der Charta sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es im Rahmen angemessener Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie eine geeignete Maßnahme darstellen kann, einen Arbeitnehmer, der wegen des Eintritts einer Behinderung für seinen Arbeitsplatz endgültig ungeeignet geworden ist, an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden ( 30 ).

    70.

    Auch der im Rahmen des VN‑Übereinkommens eingesetzte Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ( 31 ) legt den Begriff „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 dieses Übereinkommens, der die Verwendung eines Menschen mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz einschließt, weit aus.

    71.

    In den gemäß Art. 5 des Fakultativprotokolls zum VN‑Übereinkommen angenommenen Feststellungen zur Mitteilung Nr. 34/2015 vom 29. April 2019 ( 32 ) vertrat dieser Ausschuss nämlich die Auffassung, dass Vorschriften, die der betroffenen Person mit Behinderung die Verwendung in einer alternativen Funktion versagen, nicht die Rechte gewährleisteten, die dieser Person nach dem VN‑Übereinkommen zustehen, insbesondere die Möglichkeit, ihre individuelle Behinderung im Hinblick auf eine Verbesserung ihrer Eignung zur Ausübung alternativer oder sonstiger ergänzender Funktionen beurteilen zu lassen ( 33 ).

    72.

    Die Europäische Union hat das Fakultativprotokoll zum VN‑Übereinkommen zwar nicht genehmigt, und der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist kein Rechtsprechungsorgan. Dennoch halte ich es für bemerkenswert, dass dieser Ausschuss der gleichen Auslegung wie der von mir befürworteten folgt, um Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz zu schützen ( 34 ).

    73.

    Für den Fall, dass es keine angemessenen Vorkehrungen gibt, die es einem Menschen mit Behinderung ermöglichen, an dem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt zu werden, ergibt sich aus dem Wortlaut der Richtlinie 2000/78, dass die Verwendung dieses Arbeitnehmers an einem anderen Arbeitsplatz voraussetzt, dass zwei kumulative Bedingungen erfüllt sind.

    74.

    Zum einen werden mit dieser Richtlinie gemäß ihrem 17. Erwägungsgrund unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen, nicht die Einstellung, der berufliche Aufstieg, die Weiterbeschäftigung oder die Teilnahme an Aus‑ und Weiterbildungsmaßnahmen einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist. Aus diesem Erwägungsgrund schließe ich bei einer weit gefassten Auslegung, dass die Verpflichtung, einen Arbeitnehmer mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens zu verwenden, voraussetzt, dass er kompetent, fähig und verfügbar ist, die wesentlichen Funktionen dieses neuen Arbeitsplatzes zu erfüllen. Abgesehen von diesem Erwägungsgrund handelt es sich um eine Regel, die dem gesunden Menschenverstand entspricht.

    75.

    Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der Kläger vor seiner Entlassung am 30. September 2018 auf der Stelle eines Lageristen verwendet worden war. Im Übrigen hat der Kläger nach Angaben des vorlegenden Gerichts vor ihm geltend gemacht, dass er über eine lange Berufserfahrung als Lagerist verfüge. Das vorlegende Gericht wird daher zu prüfen haben, ob der Kläger für die Stelle, auf der er verwendet wurde, kompetent, fähig und verfügbar war. In Anbetracht des Wortlauts der Vorlagefrage geht das vorlegende Gericht offenbar davon aus, dass dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

    76.

    Zum anderen bestimmt Art. 5 der Richtlinie 2000/78, dass die angemessenen Vorkehrungen den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten dürfen. Im 21. Erwägungsgrund dieser Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung der Frage, ob diese Maßnahmen zu übermäßigen Belastungen führen, insbesondere der mit ihnen verbundene finanzielle und sonstige Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz der Organisation oder des Unternehmens und die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden sollten.

    77.

    Die durch Art. 5 der Richtlinie 2000/78 auferlegte Verpflichtung, gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu ergreifen, betrifft jeden Arbeitgeber ( 35 ). Die Möglichkeit, eine Person mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, bezieht sich meines Erachtens jedoch auf den Fall, dass es zumindest eine freie Stelle gibt, die der betreffende Arbeitnehmer einnehmen kann, damit dem Arbeitgeber keine unverhältnismäßige Belastung auferlegt wird ( 36 ). Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, darf die anderweitige Verwendung eines Arbeitnehmers mit Behinderung nämlich nicht dazu führen, dass ein anderer Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert oder gezwungen wird, seinen Arbeitsplatz zu wechseln. In einem großen Unternehmen, das grundsätzlich eine größere Zahl an verfügbaren Stellen hat, dürfte diese anderweitige Verwendung deshalb leichter sein. Außerdem ist es je nach der mehr oder weniger vielseitigen Verwendbarkeit eines Arbeitnehmers leichter, ihn innerhalb des Unternehmens an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden.

    78.

    Auch hier ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die Verwendung des Klägers an einem anderen Arbeitsplatz für seinen Arbeitgeber eine unverhältnismäßige Belastung im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 im Licht von deren 21. Erwägungsgrund dargestellt hätte. In Anbetracht des Wortlauts seiner Vorlagefrage scheint das vorlegende Gericht davon auszugehen, dass es im Ausgangsverfahren an einer solchen unverhältnismäßigen Belastung fehlt. Insoweit weise ich darauf hin, dass HR Rail von sich aus den Kläger zunächst innerhalb des Unternehmens auf der Stelle eines Lageristen verwendet hat, ohne zu behaupten, dass diese neue Verwendung für sie eine unverhältnismäßige Belastung dargestellt habe.

    79.

    HR Rail macht in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, eine Entlassung, die auf der Feststellung beruhe, dass ein Arbeitnehmer einer wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ( 37 ) nicht mehr entspreche, sei nicht diskriminierend, sofern der Arbeitgeber zuvor in Betracht gezogen habe, für den fraglichen Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen zu treffen. Diese hätten jedoch in Bezug auf den fraglichen Arbeitsplatz nicht getroffen werden können.

    80.

    Wie ich jedoch bereits ausgeführt habe, impliziert Art. 5 dieser Richtlinie, dass angemessene Vorkehrungen die Verwendung einer Person mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens umfassen können. Die bloße Tatsache, dass der Kläger für den bisherigen Arbeitsplatz endgültig ungeeignet geworden ist, bedeutet daher nicht, dass sein Arbeitgeber das Recht hat, ihn aus dem Grund, dass er eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung in Bezug auf diesen Arbeitsplatz nicht mehr erfüllt, zu entlassen ( 38 ).

    81.

    HR Rail macht außerdem geltend, dass „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 von einer „positiven Maßnahme“ im Sinne von Art. 7 dieser Richtlinie zu unterscheiden seien. Würde man den Begriff „angemessene Vorkehrungen“ dahin auslegen, dass er die Verpflichtung des Arbeitgebers umfasst, im Unternehmen einen anderen Arbeitsplatz zu suchen, würde diese Unterscheidung insofern in Frage gestellt, als dieser Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der die wesentlichen Funktionen des betreffenden Arbeitsplatzes nicht erfüllt, außerhalb des spezifischen Rahmens der „positiven Maßnahme“ einen anderen Arbeitsplatz verschaffen müsste. Zum einen würde ein Arbeitnehmer mit Behinderung, der die wesentlichen Funktionen des bisherigen Arbeitsplatzes nicht erfüllen kann, einen anderen Arbeitsplatz erhalten, während andere Arbeitnehmer, die diese Funktionen nicht mehr erfüllen können, entlassen würden. Zum anderen würde ein Arbeitnehmer mit Behinderung bei der Besetzung einer freien Stelle, für die er nicht mit anderen möglicherweise interessierten Bewerbern hätte konkurrieren müssen, bevorzugt werden, obwohl er nicht unbedingt die größte Kompetenz für diese Stelle besitzt, vor allem, wenn er sich noch in der Probezeit befindet.

    82.

    Ich lehne diese Auslegung ab. Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof den Begriff „positive Maßnahme“ durch den Hinweis präzisiert hat, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 eine Unterscheidung aufgrund einer Behinderung zulasse, sofern sie Teil von Bestimmungen zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz oder von Maßnahmen zur Schaffung oder Beibehaltung von Vorschriften oder Einrichtungen zum Schutz oder zur Förderung der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt sei ( 39 ). Diese Vorschrift solle nämlich spezifische Maßnahmen erlauben, die effektiv darauf abzielen, etwaige faktische Ungleichheiten, die Menschen mit Behinderungen in ihrem Sozial‑ und insbesondere Berufsleben beeinträchtigen, zu beseitigen oder zu verringern und dadurch eine materielle und nicht nur formale Gleichheit herzustellen ( 40 ).

    83.

    Demzufolge bezieht sich Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auf Maßnahmen, die Menschen mit Behinderung als eine Gruppe betreffen ( 41 ), und nicht auf die konkrete Situation eines Arbeitnehmers mit einer bestimmten Behinderung, die unter Art. 5 der Richtlinie fällt ( 42 ). Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist hier der letztgenannte Sachverhalt.

    84.

    Im Übrigen hat sich der Unionsgesetzgeber dafür entschieden, Menschen mit Behinderung im Rahmen der Richtlinie 2000/78 ( 43 ) besonderen Schutz zu gewähren, insbesondere in Form angemessener Vorkehrungen, die Personen ohne Behinderung naturgemäß nicht zugutekommen können. Diese Vorkehrungen, mit denen das soziale Verständnis des Begriffs der Behinderung zum Ausdruck kommt, haben zum Ziel, in einem konkreten und individuellen Fall einer Diskriminierung eine weitgehende Gleichstellung zu bewirken ( 44 ). Sie stellen also keine Abweichung vom Gleichheitsgrundsatz dar, sondern sind eine Garantie für dessen Wirksamkeit ( 45 ).

    85.

    Angesichts all dessen bin ich der Ansicht, dass der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 im Licht des VN‑Übereinkommens und der Charta die Verpflichtung umfasst, den betroffenen Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens zu verwenden, sofern die in dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

    V. Ergebnis

    86.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Conseil d’État (Belgien) vorgelegte Vorabentscheidungsfrage wie folgt zu beantworten:

    Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber im Rahmen der in diesem Artikel vorgesehenen „angemessenen Vorkehrungen“ verpflichtet ist, einen Arbeitnehmer – auch einen solchen, der im Rahmen seiner Einstellung eine Probezeit absolviert –, der wegen des Eintritts einer Behinderung endgültig ungeeignet ist, den bisherigen Arbeitsplatz im Unternehmen einzunehmen, an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, sofern er die erforderliche Kompetenz, Fähigkeit und Verfügbarkeit besitzt und diese Maßnahme keine unverhältnismäßige Belastung für den Arbeitgeber darstellt.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

    ( 3 ) Recueil des traités des Nations unies, Bd. 2515, S. 3.

    ( 4 ) Beschluss des Rates vom 26. November 2009 über den Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. 2010, L 23, S. 35).

    ( 5 ) Moniteur belge vom 30. Mai 2007, S. 29016.

    ( 6 ) Der Zweck von HR Rail besteht, wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, in der Auswahl und Einstellung von statutarischem und nicht statutarischem Personal, das für die Erfüllung der Aufgaben der Infrabel SA und der Société nationale des chemins de fer belges (Nationale belgische Eisenbahngesellschaft, SNCB) benötigt wird.

    ( 7 ) Urteil vom 15. Juli 2021, Tartu Vangla (C‑795/19, EU:C:2021:606, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 8 ) Urteil vom 26. Januar 2021, Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie (C‑16/19, EU:C:2021:64, Rn. 34).

    ( 9 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 2020, Comune di Gesturi (C‑670/18, EU:C:2020:272, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2018, Ruiz Conejero (C‑270/16, EU:C:2018:17, Rn. 32).

    ( 11 ) Urteil vom 11. September 2019, Nobel Plastiques Ibérica (C‑397/18, EU:C:2019:703, Rn. 39 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 12 ) Urteil vom 11. September 2019, Nobel Plastiques Ibérica (C‑397/18, EU:C:2019:703, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 13 ) Vgl. hierzu die Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Z. (C‑363/12, EU:C:2013:604, Nrn. 83 bis 85).

    ( 14 ) Siehe Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 18 und 19).

    ( 15 ) Siehe Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 16 ) Urteil vom 9. Juli 2015, Balkaya (C‑229/14, EU:C:2015:455, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 17 ) Einige Autoren betonen, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen nach der Richtlinie 2000/78 im Gegensatz zum VN‑Übereinkommen keine Form der Diskriminierung darstelle. Vgl. insbesondere Waddington, L., „Equal to the Task? Re-Examining EU Equality Law in the Light of the United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities“, European Yearbook of Disability Law, Bd. 4, unter der Leitung von Quinn, G., Waddington, L., und Flynn, E., Intersentia, Cambridge, 2013, S. 169 bis 200, insbesondere S. 190. Da diese Richtlinie jedoch nach Möglichkeit im Einklang mit dem VN‑Übereinkommen auszulegen ist, bin ich der Ansicht, dass sie in dem Sinne zu verstehen ist, dass sie eine Diskriminierung in Form der Versagung angemessener Vorkehrungen verbietet. So hat der Gerichtshof im Urteil vom 11. September 2019, Nobel Plastiques Ibérica (C‑397/18, EU:C:2019:703, Rn. 72), ausdrücklich auf die Bestimmung des VN‑Übereinkommens über die Versagung angemessener Vorkehrungen Bezug genommen.

    ( 18 ) Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2012:775, Nr. 59).

    ( 19 ) Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Z. (C‑363/12, EU:C:2013:604, Nr. 105).

    ( 20 ) Urteil HK Danmark, Rn. 49.

    ( 21 ) HR Rail verweist auf das Urteil vom 11. September 2019, Nobel Plastiques Ibérica (C‑397/18, EU:C:2019:703), das die Auslegung bestätige, wonach sich die angemessenen Vorkehrungen auf den besetzten Arbeitsplatz beschränken müssten. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil jedoch lediglich festgestellt, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, zu prüfen, ob die vorgenommenen Anpassungen ausreichend waren, um als angemessene Vorkehrungen angesehen werden zu können. Der Gerichtshof hat also über die Tragweite des Begriffs „angemessene Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 nicht entschieden (vgl. Rn. 68 und 69 jenes Urteils). Im Übrigen stützt sich Rn. 65 jenes Urteils auf den Wortlaut der Erwägungsgründe 20 und 21 dieser Richtlinie.

    ( 22 ) Urteil HK Danmark, Rn. 53.

    ( 23 ) Urteil HK Danmark, Rn. 54.

    ( 24 ) Urteil HK Danmark, Rn. 56.

    ( 25 ) Vgl. auch die Schlussanträge der Generalsanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2012:775, Nrn. 54 bis 58).

    ( 26 ) Die Richtlinie 2000/78 konkretisiert in dem von ihr erfassten Bereich das in Art. 21 der Charta niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot. Vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, WABE (C‑804/18 und C‑341/19, EU:C:2021:594, Rn. 62 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 27 ) Siehe Urteil vom 22. Mai 2014, Glatzel (C‑356/12, EU:C:2014:350, Rn. 78), wonach Art. 26 der Charta verlangt, dass die Union den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Integration anerkennt und achtet.

    ( 28 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2019, Nobel Plastiques Ibérica (C‑397/18, EU:C:2019:703, Rn. 73). Diese Auslegung ergibt sich auch aus dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78.

    ( 29 ) Siehe Gutiérrez Colomidas, D., „Can Reasonable Accommodation Safeguard the Employment of People with Disabilities?“, European Yearbook on Human Rights, Intersentia, Cambridge, 2019, S. 63 bis 89, insbesondere S. 83.

    ( 30 ) In ihren schriftlichen Erklärungen weist die Kommission darauf hin, dass in bestimmten Situationen die Verwendung des Arbeitnehmers mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz für den Arbeitgeber eine geringere finanzielle Belastung bedeuten oder organisatorisch leichter umzusetzen sein könnte als eine andere angemessene Vorkehrung, wie z. B. eine Verringerung des Arbeitstempos oder eine Anpassung der Geräte, die benötigt werden, um die mit dem betreffenden Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben zu erfüllen. In der vorliegenden Rechtssache halte ich eine Prüfung dieser Frage nicht für erforderlich, da es im vorliegenden Fall keine angemessenen Vorkehrungen gab, die es dem Kläger ermöglicht hätten, den ihm zugewiesenen Arbeitsplatz zu behalten.

    ( 31 ) Nach Art. 1 Abs. 1 des Fakultativprotokolls zum VN‑Übereinkommen erkennt jeder Vertragsstaat dieses Protokolls die Zuständigkeit des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen für die Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen an, die von oder im Namen von seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Einzelpersonen oder Personengruppen eingereicht werden, die behaupten, Opfer einer durch den betreffenden Vertragsstaat begangenen Verletzung des VN-Übereinkommens zu sein.

    ( 32 ) Vgl. CRDP/C/21/D/34/2015, abrufbar über folgenden Internet-Link: https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CRPD%2FC%2F21%2FD%2F34%2F2015&Lang=en.

    ( 33 ) In dieser Rechtssache ging es um einen spanischen Staatsangehörigen, der einen Verkehrsunfall erlitten hatte, der zu einer dauerhaften motorischen Behinderung führte. Da er dauerhaft nicht in der Lage war, seinen Beruf als Polizist auszuüben, war er gezwungen, in den Ruhestand zu treten, und wurde aus dem örtlichen Polizeidienst entlassen. Er beantragte bei der Stadtverwaltung von Barcelona (Spanien) die Verwendung an einem seiner Behinderung angepassten Arbeitsplatz, was jedoch abgelehnt wurde. Im Anschluss an die Gerichtsverfahren in Spanien und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte reichte er beim Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen eine Mitteilung ein.

    ( 34 ) Siehe auch die Feststellungen des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Mitteilung Nr. 37/2016 vom 29. September 2020. CRPD/C/23/D/37/2016, abrufbar über folgenden Internet-Link: https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CRPD%2fC%2f23%2fD%2f37%2f2016&Lang=fr.

    ( 35 ) Urteil vom 4. Juli 2013, Kommission/Italien (C‑312/11, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:446, Rn. 61).

    ( 36 ) Im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 wird der Begriff „insbesondere“ verwendet, was bedeutet, dass andere als die genannten Elemente für den Arbeitgeber eine unverhältnismäßige Belastung darstellen könnten.

    ( 37 ) Nach dieser Vorschrift „[können u]ngeachtet des Artikels 2 Absätze 1 und 2 … die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.“

    ( 38 ) Vgl. in diesem Sinne Hendrickx, F., „Disability and Reintegration in Work: Interplay between EU Non-discrimination Law and Labour Law“, Reasonable Accommodation in the Modern Workplace, Potential and Limits of the Integrative Logics of Labour Law, Bulletin of comparative labour relations Nr. 93, 2016, S. 61 bis 72, insbesondere S. 62.

    ( 39 ) Urteil vom 9. März 2017, Milkova (C‑406/15, EU:C:2017:198, Rn. 46).

    ( 40 ) Urteil vom 9. März 2017, Milkova (C‑406/15, EU:C:2017:198, Rn. 47).

    ( 41 ) In demselben Sinne heißt es in Art. 27 Abs. 1 Buchst. h des VN‑Übereinkommens, dass die Vertragsstaaten die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit durch geeignete Schritte sichern und fördern, um u. a. die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor durch geeignete Strategien und Maßnahmen zu fördern, wozu auch Programme für positive Maßnahmen, Anreize und andere Maßnahmen gehören können.

    ( 42 ) Vgl. in diesem Sinne Dubout, E., „Article 7. Action positive et mesures spécifiques, Directive 2000/78 portant création d’un cadre général en faveur de l’égalité de traitement en matière d’emploi et de travail, Commentaire article par article“, Larcier, Brüssel, 1. Aufl., 2020, insbesondere Nr. 48, S. 207, wonach „angemessene Vorkehrungen als individuelle Maßnahmen anzusehen sind, wohingegen positive Maßnahmen, wie ein bevorzugter Zugang, durch eine kollektivere Logik zum Ausdruck kommen“.

    ( 43 ) Vgl. hierzu Urteil vom 18. Dezember 2014, FOA (C‑354/13, EU:C:2014:2463, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung), wonach der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 nicht in entsprechender Anwendung über die Diskriminierungen wegen der in Art. 1 dieser Richtlinie abschließend aufgezählten Gründe hinaus ausgedehnt werden darf.

    ( 44 ) Siehe Joly, L., L’emploi des personnes handicapées entre discrimination et égalité, Dalloz, Paris, 2015, insbesondere Nr. 327, S. 239.

    ( 45 ) Siehe Joly, L., a. a. O., Nr. 316, S. 232.

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