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Document 62014CJ0031

    Urteil des Gerichtshofes (Neunte Kammer) vom 11. Dezember 2014.
    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) gegen Kessel medintim GmbH.
    Rechtsmittel - Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Wortmarke Premeno - Widerspruch des Inhabers der älteren nationalen Wortmarke Pramino - Einschränkung des Warenverzeichnisses der Gemeinschaftsmarkenanmeldung - Verordnung (EG) Nr. 207/2009 - Art. 43 Abs. 1.
    Rechtssache C-31/14 P.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2436

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

    11. Dezember 2014(*)

    „Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Wortmarke Premeno – Widerspruch des Inhabers der älteren nationalen Wortmarke Pramino – Einschränkung des Warenverzeichnisses der Gemeinschaftsmarkenanmeldung – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 43 Abs. 1“

    In der Rechtssache C‑31/14 P

    betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 21. Januar 2014,

    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

    Rechtsmittelführer,

    andere Parteien des Verfahrens:

    Kessel medintim GmbH, vormals Kessel Marketing & Vertriebs GmbH, mit Sitz in Mörfelden-Waldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Jacob,

    Klägerin im ersten Rechtszug,

    Janssen-Cilag GmbH mit Sitz in Neuss (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin M. Wenz,

    Streithelferin im ersten Rechtszug,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, des Richters J. Malenovský und der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),

    Generalanwältin: E. Sharpston,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Kessel/HABM – Janssen-Cilag (Premeno) (T‑536/10, EU:T:2013:586, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 21. September 2010 (Sache R 708/2010-4, im Folgenden: streitige Entscheidung) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Janssen-Cilag GmbH (im Folgenden: Janssen-Cilag) und der Kessel medintim GmbH, vormals Kessel Marketing & Vertriebs GmbH (im Folgenden: Kessel), aufgehoben hat.

     Rechtlicher Rahmen

    2        Art. 26 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1), der die Überschrift „Erfordernisse der Anmeldung“ trägt, bestimmt:

    „(1)      Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke muss Folgendes enthalten:

    c)      ein Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung begehrt wird;

    (3)      Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke muss den in der Durchführungsverordnung nach Artikel 162 Absatz 1 … vorgesehenen Erfordernissen entsprechen.“

    3        Art. 42 („Prüfung des Widerspruchs“) der Verordnung sieht vor:

    „…

    (2)      Auf Verlangen des Anmelders hat der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke die ältere Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat, oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Gemeinschaftsmarke seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch zurückgewiesen. Ist die ältere Gemeinschaftsmarke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.

    (3)      Absatz 2 ist auf ältere nationale Marken im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Benutzung in der Gemeinschaft die Benutzung in dem Mitgliedstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist.

    …“

    4        Art. 43 („Zurücknahme, Einschränkung und Änderung der Anmeldung“) der Verordnung sieht in Abs. 1 vor:

    „Der Anmelder kann seine Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken. Ist die Anmeldung bereits veröffentlicht, so wird auch die Zurücknahme oder Einschränkung veröffentlicht.“

    5        Regel 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung) bestimmt:

    „Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen ist so zu formulieren, dass sich die Art der Waren und Dienstleistungen klar erkennen lässt und es die Klassifizierung der einzelnen Waren und Dienstleistungen in nur jeweils einer Klasse der Nizzaer Klassifikation gestattet.“

     Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

    6        Am 7. November 2007 meldete Kessel beim HABM das Wortzeichen „Premeno“ als Gemeinschaftsmarke an. Die Marke wurde für „Vaginalzäpfchen“ angemeldet, die zu den Waren der Klasse 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: Nizzaer Abkommen) gehören.

    7        Am 7. Juli 2008 erhob Janssen-Cilag Widerspruch gegen die Eintragung dieser Marke. Der Widerspruch war auf die ältere deutsche Wortmarke „Pramino“ gestützt, die für folgende Waren der Klasse 5 des Nizzaer Abkommens eingetragen ist: „verschreibungspflichtige Arzneimittel“.

    8        Mit Entscheidung vom 26. Februar 2010 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch im Hinblick auf die Waren „verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Arzneimittel zur hormonalen Schwangerschaftsverhütung“ statt, da sie der Auffassung war, dass die Benutzung der älteren Marke für diese Waren nachgewiesen worden sei.

    9        Am 26. April 2010 legte Kessel gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens beantragte Kessel nach Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009, das Warenverzeichnis der Markenanmeldung auf folgende Waren der Klasse 5 des Nizzaer Abkommens einzuschränken: „nicht verschreibungspflichtige Vaginalzäpfchen gegen Scheidentrockenheit und vaginale Infekte“.

    10      Mit der streitigen Entscheidung wies die Beschwerdekammer des HABM diese Beschwerde zurück.

    11      Die Beschwerdekammer stellte fest, dass der Nachweis der Benutzung der älteren Marke nur für einen Teil der Waren erbracht worden sei, für die die ältere Marke eingetragen war, und zwar für „verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Arzneimittel zur hormonalen Schwangerschaftsverhütung“, und dass diese Marke im Hinblick auf die Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren als eingetragen gelte.

    12      In Bezug auf den Warenvergleich war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass die in Rede stehenden Waren identisch seien, weil zum einen die in der Gemeinschaftsmarkenanmeldung genannten Waren ebenso wie die von der älteren Marke erfassten Waren dem Zweck der Schwangerschaftsverhütung dienen könnten und zum anderen die von Kessel beantragte Einschränkung des Warenverzeichnisses zurückzuweisen sei.

    13      In Rn. 12 der streitigen Entscheidung begründete die Beschwerdekammer die Zurückweisung des Antrags von Kessel auf Einschränkung des Warenverzeichnisses wie folgt:

    „Ob [Kessel] nur nicht verschreibungspflichtige Zäpfchen vertreibt, ist unerheblich. Zugrunde zu legen sind nur die angemeldeten, nicht die möglicherweise benutzten Waren [(vgl. Beschluss Royal Appliance International/HABM, C‑448/09 P, EU:C:2010:384, Rn. 72 und 74)]. Die vorgeschlagene Einschränkung ist zurückzuweisen. Sie gehört in ein vertrauliches Gespräch zwischen Patientin und Urologen oder Gynäkologen, aber nicht ins Register für Gemeinschaftsmarken. Die in den Schriftsätzen [von Kessel] ventilierten medizinischen Symptome und der davon vielleicht betroffene Patientenkreis bedürfen keiner vertieften Erörterung.“

    14      Unter Berücksichtigung der Identität der in Rede stehenden Waren, des mittleren Ähnlichkeitsgrads der einander gegenüberstehenden Zeichen und der gesteigerten Kennzeichnungskraft der älteren Marke bejahte die Beschwerdekammer daher das Bestehen von Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 trotz des gesteigerten Aufmerksamkeitsgrads des Publikums.

     Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

    15      Mit am 25. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob Kessel eine Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung, die sie auf drei Klagegründe stützte. Mit dem ersten rügte sie einen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009, mit dem zweiten einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b derselben Verordnung und mit dem dritten, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt wurde, einen Verstoß gegen Art. 43 Abs. 1 dieser Verordnung in Verbindung mit Regel 2 der Durchführungsverordnung.

    16      Das Gericht hat den ersten Klagegrund teilweise als unbegründet zurückgewiesen, nämlich soweit er sich auf das Argument bezog, die Beschwerdekammer hätte die als „Arzneimittel zur hormonalen Schwangerschaftsverhütung“ definierte Untergruppe der Waren, für die nach Auffassung der Beschwerdekammer die Benutzung der älteren Marke nachgewiesen worden sei, auf eine besondere Darreichungsform beschränken müssen.

    17      Das Gericht hat denselben Klagegrund teilweise, nämlich hinsichtlich der Rüge, die Beschwerdekammer habe bei der Definition dieser Untergruppe die Verschreibungspflicht berücksichtigt, mit der Begründung als gegenstandslos zurückgewiesen, dass die Beschwerdekammer in der streitigen Entscheidung von einem Vergleich der einander gegenüberstehenden Waren anhand dieses Kriteriums abgesehen habe, weil sie die von Kessel beantragte Einschränkung des Warenverzeichnisses, die ihrerseits u. a. an das Kriterium der nicht bestehenden Verschreibungspflicht angeknüpft habe, verworfen habe.

    18      Dagegen hat das Gericht dem dritten Klagegrund, den es an zweiter Stelle geprüft hat, insoweit stattgegeben, als die Beschwerdekammer in der streitigen Entscheidung den Antrag auf Einschränkung des Warenverzeichnisses der Anmeldung zurückgewiesen hatte, soweit diese Einschränkung auf die therapeutische Indikation gestützt worden war.

    19      In den Rn. 43 bis 45 des angefochtenen Urteils hat das Gericht im Wesentlichen aus seiner eigenen Rechtsprechung hergeleitet, dass das wesentliche Kriterium, um erkennen zu können, welche pharmazeutischen Präparate von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfasst würden und welchen Schutzumfang die Marke damit habe, die therapeutische Indikation dieser Präparate sei.

    20      Das Gericht hat hieraus in Rn. 46 des angefochtenen Urteils den Schluss gezogen, dass das von Kessel in ihrem Antrag auf Einschränkung des Warenverzeichnisses ihrer Gemeinschaftsmarkenanmeldung gewählte Kriterium der therapeutischen Indikation, nämlich „Scheidentrockenheit und vaginale Infekte“, mit dieser Rechtsprechung in Einklang stehe.

    21      In den Rn. 47 und 48 des angefochtenen Urteils hat das Gericht befunden, dass die Beschwerdekammer zwar in Rn. 12 der streitigen Entscheidung zu Recht festgestellt habe, dass das Kriterium des Fehlens der Verschreibungspflicht für die Bildung einer Untergruppe der von der Anmeldung erfassten Waren unerheblich sei, da es sich um ein Kriterium handele, das in das nationale Recht falle und das sich im Laufe der Zeit ändern könne.

    22      Zu den Folgerungen jedoch, die sich aus dieser Feststellung ergaben, hat das Gericht in den Rn. 49 und 50 des angefochtenen Urteils ausgeführt:

    „49      Jedoch kann die Tatsache, dass [Kessel] in ihrer Einschränkung des Warenverzeichnisses das Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht hervorgehoben hat, den Antrag nicht insgesamt unbeachtlich werden lassen. Wie nämlich oben in Randnr. 46 [des angefochtenen Urteils] dargelegt worden ist, hat dieser Antrag die wesentlichen Kriterien des Zwecks und der Bestimmung gewahrt, nach denen die von der Anmeldung erfassten Waren als eine relevante Untergruppe pharmazeutischer Erzeugnisse identifiziert werden können.

    50      Hieraus folgt, dass die Beschwerdekammer gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen hat, indem sie die von [Kessel] beantragte Einschränkung des Warenverzeichnisses unberücksichtigt gelassen hat, soweit diese auf die therapeutische Indikation gestützt war.“

    23      Das Gericht hat hieraus in den Rn. 52 und 53 des angefochtenen Urteils den Schluss gezogen, dass infolge dieses Rechtsfehlers der Beschwerdekammer die in der streitigen Entscheidung vorgenommene Beurteilung der zwischen den Marken bestehenden Verwechslungsgefahr auf einem Vergleich von unzutreffend definierten Waren beruht habe, da die von der angemeldeten Marke nach der Einschränkung durch die Anmelderin dieser Marke erfassten Waren mit den von der älteren Marke erfassten Waren hätten verglichen werden müssen, ohne hierbei das Kriterium der Verschreibungspflicht zu berücksichtigen.

    24      Das Gericht hat daher die streitige Entscheidung aufgehoben, ohne den zweiten Klagegrund zu prüfen.

     Anträge der Parteien

    25      Das HABM beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beschwerde gegen die streitige Entscheidung zurückzuweisen oder, hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen. Es beantragt ferner, Kessel die Kosten aufzuerlegen.

    26      Janssen-Cilag beantragt, den Rechtsmittelanträgen des HABM in vollem Umfang stattzugeben.

    27      Kessel beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem HABM und Janssen-Cilag die Kosten aufzuerlegen.

     Zum Rechtsmittel

    28      Das HABM stützt sein Rechtsmittel auf zwei Rechtsmittelgründe, mit denen es erstens einen Verstoß gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung und zweitens einen Verstoß gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit dem Prinzip der Antragsbindung geltend macht.

     Zum ersten Rechtsmittelgrund

     Vorbringen der Parteien

    29      Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung geltend gemacht wird, rügt das HABM die Feststellung des Gerichts in den Rn. 49 bis 53 des angefochtenen Urteils, wonach ein Antrag auf Einschränkung des Verzeichnisses der von einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten pharmazeutischen Präparate, der auf ein Kriterium gestützt sei, welcher für die Definition einer Untergruppe dieser Waren unerheblich sei, im vorliegenden Fall das Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht, nicht zurückgewiesen werden dürfe, wenn dieser Antrag auf Einschränkung auch auf ein anderes Kriterium gestützt sei, das auf die therapeutische Indikation abstelle, die ihrerseits das wesentliche Kriterium für die Bestimmung einer solchen Untergruppe sei.

    30      Das HABM macht geltend, dass sich aus den Erfordernissen der Klarheit und Bestimmtheit, die dem System des Schutzes der Gemeinschaftsmarke innewohnten, ergebe, dass ein Antrag auf Einschränkung der von einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren nicht berücksichtigt werden könne, wenn er unbestimmt sei, weil er auf ein Kriterium wie das der fehlenden Verschreibungspflicht gestützt sei. Ein solches Kriterium sei unbestimmt und damit unzulässig, weil es vom nationalen Recht abhänge und sich im Laufe der Zeit ändern könne.

    31      Das HABM macht ferner geltend, dass eine solche Unbestimmtheit des Antrags auf Einschränkung, die sich aus der Unzulässigkeit eines Kriteriums ergebe, auf die dieser gestützt sei, die ganze Formulierung dieses Antrags unbestimmt mache, selbst wenn er auch auf ein weiteres Kriterium gestützt sei, im vorliegenden Fall das der therapeutischen Indikation, das für sich genommen zulässig sei.

    32      Es müssten nämlich alle Angaben des Anmelders der Gemeinschaftsmarke berücksichtigt werden, um die von seiner Anmeldung erfassten Waren oder Warengruppen zu bestimmen. Im vorliegenden Fall lasse sich das Kriterium der Verschreibungspflicht von den übrigen Kriterien im Einschränkungsantrag inhaltlich nicht trennen, da sie sich auf dieselben Medikamente bezögen.

    33      Kessel erwidert hierauf, dass die in Regel 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung aufgestellten Erfordernisse der Klarheit und der Bestimmtheit erfüllt seien, wenn die Formulierung des Antrags auf Einschränkung des Warenverzeichnisses einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung die Art der Waren, für die die Eintragung beantragt werde, klar erkennen lasse.

    34      Zwar sei das Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht ungeeignet, um eine Untergruppe der von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren zu definieren, doch sei der Zusatz eines solchen nicht notwendigen Kriteriums zulässig, da er eine konkretisierende Angabe darstelle, die die Anwendung der Verordnung Nr. 207/2009 erleichtere, auch wenn er den Markenschutz nicht begrenze. Der Zusatz stelle lediglich heraus, dass die beanspruchten Waren frei im Handel verfügbar seien.

    35      Kessel macht geltend, dass es, da das in ihrem Einschränkungsantrag enthaltene Kriterium der therapeutischen Indikation unstreitig eine tatsächliche Einschränkung des Markenschutzes bewirke, zulässig sei, diesem Antrag eine konkrete Angabe, im vorliegenden Fall die Angabe „nicht verschreibungspflichtig“, hinzuzufügen, da diese Angabe für die Abgrenzung gegenüber einem älteren Recht nützlich und relevant sei, ohne dabei den Umfang des von der Marke gewährten Schutzes einzuschränken. Ein solcher Zusatz mache die Formulierung der Einschränkung insgesamt nicht unbestimmt.

     Würdigung durch den Gerichtshof

    36      Aus Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung ergibt sich, dass ein Antrag auf Einschränkung des Warenverzeichnisses einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung die Art der Waren, für die die Eintragung beantragt wird, klar erkennen lassen muss.

    37      Um diesem Erfordernis der Klarheit zu genügen, muss ein solcher Einschränkungsantrag insbesondere auf ein Kriterium gestützt sein, das es erlaubt, eine Untergruppe der von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren hinreichend genau abzugrenzen.

    38      Das HABM macht in seinem Rechtsmittel erstens geltend, dass ein Antrag auf Einschränkung der von einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren nicht berücksichtigt werden könne, wenn er deshalb unbestimmt sei, weil er auf ein Kriterium wie das der fehlenden Verschreibungspflicht gestützt sei. Allerdings bestreitet das HABM nicht, dass der in Rede stehende Einschränkungsantrag auf das Kriterium der therapeutischen Indikation gestützt ist und dass ein solches Kriterium für die Zwecke einer Abgrenzung einer Untergruppe der fraglichen pharmazeutischen Präparate sachgerecht ist.

    39      Insoweit hat das Gericht in den Rn. 48 bis 50 des angefochtenen Urteils, zu Recht entschieden, dass der Einschränkungsantrag, wie er von Kessel im Rahmen ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer formuliert wurde, nicht allein mit der Begründung zurückgewiesen werden durfte, dass er auf das Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht, das für die Abgrenzung einer Untergruppe der von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten pharmazeutischen Präparate unerheblich ist, Bezug nahm, weil dieser Einschränkungsantrag jedenfalls auch auf das Kriterium der therapeutischen Indikation gestützt worden sei, das bei pharmazeutischen Erzeugnissen ein wesentliches Kriterium für die Bildung einer Untergruppe dieser Waren darstellt.

    40      Unter diesen Umständen beeinträchtigt nämlich die Aufnahme des Kriteriums der fehlenden Verschreibungspflicht nicht notwendigerweise die Klarheit oder Bestimmtheit dieses Antrags insgesamt.

    41      Dies gilt umso mehr, als dieses Kriterium, wie das Gericht in Rn. 31 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, einen Gesichtspunkt darstellt, der im Rahmen der Beurteilung der maßgeblichen Verkehrskreise und der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen ist.

    42      Das HABM macht zweitens geltend, dass in einem auf ein relevantes Kriterium gestützten Antrag auf Einschränkung der von einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren der Zusatz eines zweiten Kriteriums, das für die Abgrenzung einer Untergruppe von Waren unerheblich sei, im vorliegenden Fall das Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht, diesen Antrag zwangsläufig insgesamt unbestimmt mache.

    43      Die Frage, ob im vorliegenden Fall der Einschränkungsantrag, wie er von Kessel formuliert worden ist, der Anforderung der Klarheit genügt hat, erfordert eine Tatsachenwürdigung, die nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens fällt. Im Übrigen hat das Gericht diese Frage nicht geprüft und brauchte sie auch nicht zu prüfen, weil die streitige Entscheidung nicht darauf gestützt worden war, dass der Einschränkungsantrag infolge seiner Bezugnahme sowohl auf das Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht als auch auf das der therapeutischen Indikation nicht hinreichend klar sei. Unter diesen Umständen durfte sich das Gericht auf die Feststellung beschränken, dass die streitige Entscheidung rechtsfehlerhaft war, soweit die Beschwerdekammer darin den Einschränkungsantrag zurückgewiesen hat, obwohl dieser auf das wesentliche Kriterium der therapeutischen Indikation gestützt war.

    44      Demnach ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

     Zum zweiten Rechtsmittelgrund

     Vorbringen der Parteien

    45      Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit dem Prinzip der Antragsbindung geltend gemacht wird, wirft das HABM dem Gericht vor, es habe entschieden, dass die Beschwerdekammer die Einschränkung zum Teil hätte akzeptieren und zum Teil hätte unberücksichtigt lassen müssen.

    46      Sowohl dann, wenn es eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung prüfe, als auch bei seiner Prüfung eines Antrags auf Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses dieser Anmeldung sei das HABM an den Antrag gebunden und dürfe somit dieses Verzeichnis, so wie es der Anmelder autonom erstellt habe, nicht umformulieren.

    47      Das HABM dürfe daher weder Waren berücksichtigen, die in einem anderen Verzeichnis als dem vom Anmelder einer Gemeinschaftsmarke vorgelegten enthalten seien, noch den Warenvergleich auf ein solches Verzeichnis stützen.

    48      Kessel erwidert hierauf, dass das Gericht nicht gegen das Prinzip des zwingenden Charakters der Gemeinschaftsmarkenanmeldung verstoßen habe, da das angefochtene Urteil nicht dahin ausgelegt werden könne, dass das Gericht entschieden habe, die Beschwerdekammer müsse aus dem Einschränkungsantrag dessen erstes Kriterium („nicht verschreibungspflichtig“) streichen. Im Gegenteil habe das Gericht entschieden, dass diese Einschränkung in der beantragten Form zugelassen werden müsse.

    49      Bei der Prüfung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sei es im vorliegenden Fall die Aufgabe der Beschwerdekammer, die durch den zweiten Aspekt der Einschränkung gebildete Warenuntergruppe mit den Waren der älteren Marke zu vergleichen. Das erste Kriterium sei auf dieser Ebene nicht zu berücksichtigen, da es nur zu einer Konkretisierung, nicht jedoch zu einer Bestimmung einer Untergruppe von Waren diene.

    50      Bei dieser Prüfung werde auf der dem Warenvergleich nachgelagerten Prüfungsebene zu prüfen sein, ob dieser erste konkretisierende Aspekt einen Einfluss auf die maßgeblichen Verkehrskreise, deren Aufmerksamkeitsgrad und die Verwechslungsgefahr habe.

     Würdigung durch den Gerichtshof

    51      Entgegen dem Vorbringen des HABM hat das Gericht in Rn. 53 des angefochtenen Urteils nicht entschieden, die Beschwerdekammer hätte „die Einschränkung zum Teil akzeptieren und zum Teil unberücksichtigt lassen müssen“, und damit gegen das Prinzip des zwingenden Charakters der Gemeinschaftsmarkenanmeldung verstoßen.

    52      Das Gericht hat nämlich in dieser Rn. 53, nachdem es dem gegen die Zurückweisung ihres Einschränkungsantrags gerichteten Klagegrund von Kessel stattgegeben hatte, nur hinzugefügt, dass es nicht seine Sache sei, im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung erstmals den geeigneten Warenvergleich vorzunehmen, d. h. den Vergleich „der von der angemeldeten Marke nach der Einschränkung durch [Kessel] erfassten Waren mit den von der älteren Marke erfassten Waren, ohne das[s] hierbei das Kriterium der Verschreibungspflicht berücksichtigt wird“.

    53      Abgesehen davon, dass es sich dabei offenkundig um einen nicht tragenden Entscheidungsgrund handelt, der nach ständiger Rechtsprechung nicht zur Aufhebung eines Urteils des Gerichts führen kann (vgl. insbesondere Urteil Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 211), kann dieser Grund keinesfalls in einem anderen als dem bereits in Rn. 50 des angefochtenen Urteils zum Ausdruck gebrachten Sinn verstanden werden, wonach die Beschwerdekammer die Beschränkung, so wie sie von Kessel beantragt worden war, hätte berücksichtigen müssen.

    54      Daher ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

    55      Nach alledem ist das Rechtsmittel nicht begründet und daher zurückzuweisen.

     Kosten

    56      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem entsprechenden Antrag von Kessel die Kosten aufzuerlegen.

    57      Gemäß Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung sind Janssen-Cilag, die dem Rechtsstreit als Streithelferin beigetreten ist, ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

    1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

    2.      Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) trägt die Kosten.

    3.      Die Janssen-Cilag GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Deutsch.

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