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Document 52024DC0192

    BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Vierter Bewertungsbericht über die Umsetzung der Richtlinie zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen (für die Jahre 2019-2023)

    COM/2024/192 final

    Brüssel, den 7.5.2024

    COM(2024) 192 final

    BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

    Vierter Bewertungsbericht über die Umsetzung der Richtlinie zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen (für die Jahre 2019-2023)


    BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

    Vierter Bewertungsbericht über die Umsetzung der Richtlinie zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen

    1.    Einführung

    Mit der Richtlinie 2005/65/EG 1 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen (im Folgenden „Richtlinie“) sollen vor allem die 2004 mit der Verordnung (EG) Nr.  725/2004 2 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen (im Folgenden die „Verordnung“) verabschiedeten Maßnahmen ergänzt werden.

    Der Anwendungsbereich der Verordnung beschränkt sich auf Maßnahmen zur Gefahrenabwehr an Bord von Schiffen und im unmittelbaren Bereich des Zusammenwirkens von Schiff und Hafen. Vor ihrer Zustimmung zu den weiterreichenden Auflagen der Richtlinie haben sich die Mitgliedstaaten bereit erklärt, vorrangig die sich im Wesentlichen aus dem Code für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen (International Ship and Port facility Security (ISPS) Code) ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen. Die Richtlinie ergänzt die Verordnung, indem sie das System zur Gefahrenabwehr auf das gesamte Hafengebiet ausweitet und damit für alle europäischen Häfen, in denen direkte Dienstleistungen für den Seeverkehr erbracht werden, ein hohes und einheitliches Sicherheitsniveau gewährleistet. 3

    Mit über 1 000 Handelshäfen entlang ihrer insgesamt 60 000 km langen Küsten zählt die Europäische Union zu den Gebieten mit den weltweit meisten Häfen. Etwa 850 dieser Häfen (siehe Punkt 5.1) fallen in den Geltungsbereich der Richtlinie. Das sind alle Häfen, die über eine oder mehrere Hafenanlagen verfügen, für die ein Plan zur Gefahrenabwehr gemäß der Verordnung erstellt und genehmigt wurde.

    Ziel der Richtlinie ist es, die Koordinierung der Gefahrenabwehr in den nicht unter die Verordnung fallenden Hafenbereichen so zu verbessern, dass die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gestärkt werden, die bereits in Anwendung der Verordnung ergriffen wurden. Auch wenn für die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in den Hafenanlagen vor allem deren Betreiber 4 zuständig ist, obliegt die Gefahrenabwehr auf Hafenebene vor allem der Hafenbehörde 5 sowie jenen Behörden, deren Aufgabe es ist, die öffentliche Ordnung zu aufrechtzuerhalten und Sicherheits- und Gefahrenabwehrmaßnahmen im Hafengebiet (sowohl in den öffentlichen als auch den betrieblichen Bereichen) zu ergreifen.

    Gemäß Artikel 19 der Richtlinie bewertet die Kommission spätestens bis zum 15. Dezember 2008 die Einhaltung der Richtlinie und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen.

    Der erste Bericht wurde am 20. Januar 2009 6 , der zweite am 18. November 2013 7 und der dritte Bericht am 25. April 2019 angenommen 8 . In diesem vierten Bericht wird beschrieben, welche Maßnahmen zur Förderung einer unionsweit einheitlichen Gefahrenabwehr im Hafen im zurückliegenden fünfjährigen Bezugszeitraum ergriffen wurden.

    Dieser Bericht stützt sich auf

    die von den für die Gefahrenabwehr in der Schifffahrt zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und anderen Akteuren übermittelten Angaben;

    die Ergebnisse der zahlreichen von der Kommission auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr in Häfen im Rahmen der Überwachung dieser Richtlinie im Bezugszeitraum durchgeführten Inspektionen;

    den ständigen Dialog mit den nationalen Behörden und den verschiedenen Akteuren aus dem Schifffahrts- und Hafenbereich.

    In dem Bericht wird erläutert, welche Fortschritte im Hinblick auf die angestrebten Ziele zu verzeichnen sind und welche Schwierigkeiten dabei ergeben haben und wie sich die Umsetzung der Richtlinie insgesamt auswirkt.

    2.    Schlussfolgerungen des ersten, zweiten und dritten Berichts

    Im ersten Bericht, der 2008 von der Kommission erstellt wurde, um zunächst die Einhaltung der Richtlinie (gemäß Artikel 19) und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu bewerten, wurde darauf hingewiesen, dass die Richtlinie in erster Lesung zwar im Europäischen Parlament mit großer Mehrheit und im Rat einstimmig verabschiedet wurde, die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten dann aber nur mit erheblicher Verzögerung erfolgte, weshalb Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurden, die in zwei Fällen zu Urteilen führten. 9

    Am Ende dieses Bewertungszeitraums hatte die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Richtlinie schließlich in nationales Recht umgesetzt. Leider stieß die Anwendung in den Häfen selbst weiter auf organisatorische und funktionale Probleme, da die Verwaltungen vor Ort noch nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügten, um die praktische Umsetzung der Richtlinie voranzutreiben. Das größte Problem stellte die Abgrenzung des für die Gefahrenabwehr relevanten Hafenbereichs dar.

    Der zweite Bericht (für die Jahre 2009-2013) zeigte, dass zwar erhebliche Fortschritte erzielten wurden, jedoch die Maßnahmen, die zur vollständigen Umsetzung aller Bestimmungen der Richtlinie erforderlich sind, in den meisten Mitgliedstaaten noch verbessert werden müssen. Das Sicherheitsniveau in den europäischen Häfen hatte sich erhöht. Mit der zweigleisigen Vorgehensweise aus Durchführung der Verordnung und Umsetzung der Richtlinie konnte ein zuverlässiger Rahmen für die Gefahrenabwehr in Häfen geschaffen werden, sodass der Seeverkehr und die Hafenwirtschaft angemessen geschützt sind.

    Die Umsetzung der Maßnahmen zur Gefahrenabwehr führte häufig zu einer Umorganisation der Häfen – etwa beim Umschlag und der Lagerung der Waren, bei der Kontrolle des Zugangs zu verschiedenen Bereichen des Hafens oder bei der Festlegung von Bereichen mit beschränktem Zugang. Diese Maßnahmen haben sich als sehr wichtig erwiesen, um die Effizienz des Hafenbetriebs – in einem äußerst wettbewerbsstarken Umfeld – zu steigern.

    Im dritten Bericht (für die Jahre 2014-2018) wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass weitere erhebliche Fortschritte erzielt wurden. Allerdings wurden in einigen Mitgliedstaaten nicht alle Sicherheitsmaßnahmen gemäß den Bestimmungen der Anhänge I und II der Richtlinie vollständig umgesetzt, sodass weitere Verbesserungen erforderlich waren.

    3.    Unterstützungs- und Überwachungsmaßnahmen seit dem vorangegangenen Bewertungszeitraum

    Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip sieht die Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten selbst die Grenzen jedes Hafens festlegen und entscheiden, ob die Richtlinie auch auf die angrenzenden Bereiche Anwendung findet. Auch sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass für ihre Häfen ordnungsgemäße Risikobewertungen durchgeführt und Pläne zur Gefahrenabwehr erstellt werden. Im Bewertungszeitraum war eine Reihe von Häfen jedoch immer noch nicht in der Lage, die Anforderungen der Richtlinie zu erfüllen, insbesondere diejenigen, welche die Festlegung von Grenzen zur Erhöhung der Gefahrenabwehr betreffen.

    Im Zeitraum 2019-2023 ergriff die Kommission Initiativen, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen, und setzte zugleich ein solides Überwachungsprogramm mit zahlreichen Inspektionen um.

    Der Schwerpunkt dieser Überwachungstätigkeiten und -initiativen lag auf folgenden Hauptbereichen:

    Regelmäßige Aktualisierung der Informationen über die Fortschritte der Mitgliedstaaten und die Durchführung ihrer Aktionspläne zur praktischen Umsetzung der Richtlinie;

    Durchführung von 80 Inspektionen im Zeitraum 2019-2023 zur Überwachung der Umsetzung der Richtlinie gemäß der Verordnung (EG) Nr. 324/2008 10 , geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2016/462 der Kommission, mit 30 Inspektionen nationaler Verwaltungen und 50 Inspektionen von Häfen;

    Ermittlung vorbildlicher Verfahren und deren Weitergabe im Rahmen des MARSEC-Ausschusses.

    Es sei darauf hingewiesen, dass die Nutzung digitaler Technologien im Seeverkehrssektor während des gesamten Untersuchungszeitraums zugenommen hat, was viele Vorteile, aber auch bestimmte Risiken im Zusammenhang mit Cybervorfällen mit sich brachte. Die Sicherheitssysteme in Hafenanlagen und Häfen können selbst zunehmend auf digitale Technologien angewiesen sein. Der Schwerpunkt der EU-Rechtsvorschriften zur Gefahrenabwehr in der Schifffahrt liegt zwar auf der physischen Gefahrenabwehr, sie bieten zugleich aber einen nützlichen Rahmen, um zu prüfen, an welchen Stellen Risikomanagementmaßnahmen im Bereich der Cybersicherheit am besten geeignet sein könnten. Einige Häfen sind möglicherweise bereits von den Cybersicherheitsanforderungen der NIS-Richtlinie 11 betroffen, und eine größere Zahl wäre im Rahmen der nachfolgenden NIS-2-Richtlinie 12 betroffen.

    In der Verordnung (EG) Nr. 725/2004 ist festgelegt, dass bei Risikobewertungen für die Hafenanlage die Sicherheit von Computersystemen und Netzwerken berücksichtigt werden muss. Artikel 4 der Richtlinie sieht vor, dass die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Häfen eng mit den in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 725/2004 getroffenen Maßnahmen koordiniert werden. Falls also die Cybersicherheit als wichtiger Aspekt für eine oder mehrere Hafenanlagen eines Hafens eingestuft wurde, so sollte dies in der Risikobewertung für den Hafen und dem Plan zur Gefahrenabwehr im Hafen berücksichtigt werden. Folglich können die Inspektionen der Kommission bei der Bewertung der Konformität mit den gesamten Rechtsvorschriften zur Gefahrenabwehr im Seeverkehr dann auch die Cybersicherheit umfassen.

    4.    Überwachung der Richtlinienumsetzung

    4.1.    Überwachung der Aktionspläne zur erfolgreichen praktischen Umsetzung der Richtlinie

    2009 hat die Kommission ein System eingerichtet, das es ihr seitdem ermöglicht, sich kontinuierlich über den Stand der Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten zu informieren. Im Rahmen eines ständigen Dialogs mit den Mitgliedstaaten erhält sie regelmäßig zuverlässige Daten darüber, in welchem Umfang Risikobewertungen für den Hafen durchgeführt und Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen angenommen wurden. Ferner erfolgt die Überwachung der Risikobewertungen für den Hafen und der Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen durch die Kommissionsdienststellen auf der Grundlage der jährlichen Überwachungsberichte der Mitgliedstaaten, die der Kommission vorgelegt werden. Die im Zeitraum 2019-2023 eingegangenen Informationen sind im Allgemeinen vollständig und geben der Kommission einen guten Überblick über die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten. Dies führt häufig zu einem reibungsloseren Verfahren während der Inspektionen, da die Kommission offene Fragen leichter ermitteln und mit den Mitgliedstaaten klären kann.

    4.2.    Inspektionen der Kommission zur Überwachung der Richtlinienumsetzung

    Die Verfahren zur Durchführung von Inspektionen der Kommission zur Überwachung der Richtlinienumsetzung werden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 324/2008 in ihrer geänderten Fassung durchgeführt. 

    Die sowohl bei den nationalen Behörden als auch stichprobenweise direkt bei den Häfen durchgeführten Inspektionen haben ergeben, dass der Rechtsrahmen für die Umsetzung der Richtlinie zwar im Allgemeinen korrekt angewendet wurde, es bei der Anwendung in den Häfen der Mitgliedstaaten aber nach wie vor eine Reihe wiederkehrender allgemeiner Probleme gibt. Einige wiederholt auftretende schwerwiegende Mängel hängen mit der nicht fristgerechten Überprüfung der Risikobewertungen für den Hafen und der Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen zusammen, was auf ein gewisses Maß an Spannungen bei der Zuweisung von Ressourcen hindeutet. Im Jahr 2022 beispielsweise wurden bei 17 Inspektionen acht Mängel bei der nicht fristgerechten Überprüfung der Risikobewertungen für den Hafen und der Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen festgestellt. Auch wenn der Mangel nicht schwer zu beheben ist, deutet die Tatsache, dass er immer wieder auftritt, auf ein strukturelles Problem hin. Es lässt sich daher sagen, dass sich die Umsetzung der Richtlinie in den letzten Jahren weiter verbessert hat, auch wenn mitunter noch strukturelle Mängel festgestellt werden.

    Zur Veranschaulichung: in diesem Berichtszeitraum fand ein Vertragsverletzungsverfahren statt (siehe Ziffer 4.3). Bei der Kontrolle der Umsetzung der Richtlinie 2005/65/EG werden weiterhin strukturelle Mängel festgestellt, insbesondere in Bezug auf die Festlegung von Hafengrenzen für die Zwecke der Gefahrenabwehr. Die Anforderung, eine Risikobewertung für den Hafen zu erstellen – was ein notwendiger Schritt vor der Festlegung der Hafengrenzen für die Zwecke der Gefahrenabwehr –, wird nicht immer erfüllt.

    Die Mitgliedstaaten werden daran erinnert, dass sie bei der Festlegung der Hafengrenzen für die Zwecke der Gefahrenabwehr der korrekten Festlegung von Hafengebieten, die für die Gefahrenabwehr im Hafen relevant sind, gemäß Anhang I der Richtlinie besondere Aufmerksamkeit widmen sollten. Legt die zuständige Behörde für die Gefahrenabwehr im Hafen fest, dass die Grenzen eines Hafens mit einer Hafenanlage identisch sind, so müssen auch bestimmte Verpflichtungen aus der Richtlinie eingehalten werden. Die Entscheidung selbst muss auf einer Risikobewertung für den Hafen beruhen, und der Mitgliedstaat muss für jeden Hafen einen Beauftragten für die Gefahrenabwehr im Hafen ernennen. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Umsetzung der Richtlinie 2005/65/EG sämtliche dieser Anforderungen berücksichtigen. Was Hafengrenzen betrifft, so behalten die Leitlinien der TAPS-II-Studie zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen – die an die Mitgliedstaaten verteilt und über die ein Austausch mit ihnen stattfand – ihre volle Nützlichkeit.

    Die Überprüfung der Risikobewertungen für den Hafen und der Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen gibt nach wie vor Anlass zu großer Sorge. Nach Artikel 10 der Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Risikobewertungen für den Hafen und Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen gegebenenfalls bzw. mindestens alle fünf Jahre überprüft werden. Die Inspektionen haben gezeigt, dass diese regelmäßige Überprüfung alle fünf Jahre noch nicht überall durchgeführt wird. Bei Änderungen in Bezug auf Hafenanlagen wurden die Risikobewertungen für den Hafen und die Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen nicht überprüft. In mehreren Fällen wurde die Fünfjahresfrist nicht eingehalten. Diese Art von Mangel wurde im Zeitraum 2019-2023 in 13 Mitgliedstaaten festgestellt.

    Ferner deckten die Inspektionen der Kommission in den Häfen der Mitgliedstaaten auf, welche Schwierigkeiten einige Häfen dabei haben, die Risikobewertung für den Hafen und den Plan zur Gefahrenabwehr im Hafen alle fünf Jahre zu überprüfen. Die wichtigste Herausforderung ist die große Zahl von Behörden und Akteuren, die am Überarbeitungs- und Genehmigungsverfahren beteiligt sind. Dies erfordert eine Vorausplanung weit vor dem fünfjährigen Überprüfungstermin. Einige Mitgliedstaaten haben jedoch noch nicht gewährleistet, dass die Pläne zur Gefahrenabwehr in Häfen und ihre Durchführung angemessen überprüft werden. Und schließlich bestehen einige Mängel hinsichtlich des Erfordernisses, alle Anforderungen für die Erstellung von Risikobewertungen für den Hafen oder Abweichungen zwischen Risikobewertungen für den Hafen und Plänen zur Gefahrenabwehr im Hafen zu berücksichtigen.

    4.3.    Vertragsverletzungsverfahren 

    Die sinkende Zahl der Vertragsverletzungsverfahren ist ein guter Indikator für eine verbesserte Umsetzung.

    Wie im zweiten Bericht erwähnt, mussten im Zeitraum 2009-2013 fünf Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Drei Fälle hatten damit zu tun, dass es bei der Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten zu Verzögerungen gekommen war; in den beiden anderen Fällen ging es darum, dass die Richtlinie fehlerhaft umgesetzt worden war, was bei den Inspektionen auffiel.

    Im Zeitraum 2014-2018 kam es nur zu einem Vertragsverletzungsverfahren wegen fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie. Am 6. April 2017 erließ der Europäische Gerichtshof sein Urteil in der Rechtssache C-58/16. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte für eine Reihe von Häfen keine Hafengrenzen festgelegt, die Risikobewertungen für den Hafen und die Pläne zur Gefahrenabwehr im Hafen nicht genehmigt und keine Beauftragten für die Gefahrenabwehr im Hafen ernannt. Anfang 2018 bestätigte Deutschland, dass alle Häfen in Nordrhein-Westfalen inzwischen mit der Richtlinie in Einklang stehen und Deutschland dem Urteil des Gerichtshofs nachkommt.

    In Zeitraum von 2019 bis 2023 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Schweden eingeleitet, weil es seinen Verpflichtungen aus den EU-Rechtsvorschriften zur Gefahrenabwehr in der Schifffahrt, einschließlich der Richtlinie, nicht nachgekommen ist. Das Verfahren im Zusammenhang mit dieser Vertragsverletzung ist noch nicht abgeschlossen.

    5.    Bei den Risikobewertungen aufgetretene Fragen

    5.1.    Kritische Größe der Häfen, die unter die Richtlinie fallen

    Die von 2019 bis 2023 durchgeführten Inspektionen haben weiterhin gezeigt, dass die Richtlinie insbesondere für mittelgroße und große Häfen nutzbringend ist, in denen die Koordinierung der durch verschiedene einschlägige Akteure erfolgenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im gesamten Hafen ein wichtiges Element ist, das die Richtlinie bei korrekter Anwendung mit sich bringen sollte. Inspektionen haben auch gezeigt, dass die Umsetzung der Richtlinie in kleinen Häfen schwieriger sein kann.

    Wie bereits im vorherigen Bericht sei auch hier daran erinnert, dass die Richtlinie für alle im Gebiet eines Mitgliedstaats befindliche Häfen, die eine oder mehrere unter einen genehmigten Plan zur Gefahrenabwehr in der Hafenanlage gemäß der Verordnung (EG) Nr. 725/2004 fallende Hafenanlage(n) umfassen (Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie), gilt. Ferner müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Häfen eng mit den in Anwendung dieser Verordnung getroffenen Maßnahmen koordiniert werden (Artikel 4 und 7). Die Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten selbst die Grenzen jedes Hafens festlegen und entscheiden, ob die Richtlinie auch auf die an den Hafen angrenzenden Bereiche Anwendung findet, sofern diese Auswirkungen auf die Gefahrenabwehr im Hafen haben.

    Im Sinne der Ausgewogenheit und Verhältnismäßigkeit der zu ergreifenden Maßnahmen haben die Mitgesetzgeber festgelegt, dass dann, wenn die Grenzen einer Hafenanlage im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 725/2004 so festgelegt wurden, dass sie tatsächlich den gesamten Hafen umfassen, die einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung Vorrang vor den Bestimmungen der Richtlinie haben.

    Auf diese Bestimmung wurde von den Mitgliedstaaten vielfach bei Häfen zurückgegriffen, die nur über eine einzige Hafenanlage im Sinne der Verordnung verfügen. Für die Risikobewertung wurden die Grenzen der Häfen sehr häufig (aber nicht immer) so festgelegt, dass sie mit den Grenzen der Hafenanlage zusammenfielen. So wurden von den 859 Häfen mit einer oder mehreren Hafenanlage(n), für die ein gemäß der Verordnung genehmigter Plan zur Gefahrenabwehr in der Hafenanlage besteht, 389 Häfen – und damit 45,3 % der Häfen der Europäischen Union – als unter Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie fallend eingestuft. Dies traf insbesondere auf Mitgliedstaaten zu, die entlang ihrer Küsten oder auf ihren Inseln über kleine, verstreut liegende Häfen verfügen. 13

    Die Kommission hat im Zeitraum von 2019 bis 2023 eine Reihe von Problemen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Artikel 2 Absatz 4 festgestellt. Die Gründe für die Anwendung von Artikel 2 Absatz 4 sollten klar nachgewiesen und von Fall zu Fall nach einer ordnungsgemäßen Risikobewertung für den Hafen dokumentiert werden. Gelegentlich wurde festgestellt, dass diese Anforderung nicht erfüllt ist.

    5.2.    Kenntnis der Gefährdungslage und Sensibilisierung der Akteure

    Die Richtlinie hat die Möglichkeit eröffnet, Ausschüsse für die Gefahrenabwehr in Häfen einzurichten, die praktische Ratschläge erteilen (Erwägungsgrund 9). In Mitgliedstaaten, die derartige Strukturen haben, setzten sich diese im Allgemeinen aus den lokalen Vertretern der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen (Polizei, Küstenwache, Dienststellen für Meeresfragen, Zoll usw.) sowie – in den meisten Fällen – der im Hafen tätigen Privatunternehmen zusammen. Damit besteht ein geeignetes Forum, in dem wesentliche Informationen ausgetauscht und Erkenntnisse über die Gefährdungslage weitergegeben werden können, sodass alle betroffenen Akteure sensibilisiert werden. Inspektionen der Kommission haben gezeigt, dass die Existenz von Ausschüssen für die Gefahrenabwehr in Häfen die Koordinierung zwischen den einschlägigen Akteuren erheblich verbessert.

    Die Sensibilisierung für den Schutz der Häfen ist Teil der allgemeinen Politik der Gefahrenabwehr, die dem gesamten Hafenpersonal (d. h. dem Personal der Hafenbetriebe, aber auch dem Personal externer Unternehmen, die im Hafen tätig sind) sowie den unterschiedlichen Nutzern des Hafens bekannt sein muss. Sensibilisierungsmaßnahmen tragen entscheidend dazu bei, eine wirksame Verbreitung von Informationen über die Notwendigkeit und den Inhalt von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu gewährleisten. Die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr müssen als Instrumente für die Durchführung und Weiterentwicklung der Wirtschaftsaktivitäten eines Hafens wahrgenommen werden. Ausbildungsmaßnahmen sind ein wesentliches Element der Richtlinie und sollten auch dazu genutzt werden, das Bewusstsein für die Politik der Gefahrenabwehr im Häfen zu schärfen.

    5.3.    Kontrolle und Überprüfung der Pläne zur Gefahrenabwehr in Häfen

    Gemäß Artikel 13 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die angemessene und regelmäßige Überprüfung der Pläne zur Gefahrenabwehr in Häfen und ihre Durchführung gewährleisten. Dieser überaus wichtige Punkt wurde bisher in keinem der Mitgliedstaaten Routine, was vor allem auf das Missverhältnis zwischen den gesetzten Zielen und den für die Durchführung dieser Kontrollen notwendigen Ressourcen zurückzuführen ist.

    Anhand der Inspektionsberichte können die nationalen Behörden den für die Häfen zuständigen Behörden Beratung und Hilfe anbieten, damit diese die festgestellten Mängel beheben können. Diese Praxis gilt es zu fördern und weiter auszubauen. In der Tat ist es auch wichtig, dass die Kontrollstelle Folgemaßnahmen ergreift, um zu überprüfen, ob Abhilfemaßnahmen zur Behebung der festgestellten Mängel eingeführt wurden, zumal einige Mitgliedstaaten diese regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften nach wie vor nicht systematisch und angemessen durchführen. Die Kommission stellte diesen Mangel im Zeitraum 2019-2023 in sechs Mitgliedstaaten fest. Daher sollten umgehend die personellen und finanziellen Ressourcen für die Wahrnehmung dieser Überprüfungsaufgaben bereitgestellt werden.

    Die Überprüfung der Pläne zur Gefahrenabwehr in Häfen kann es den Mitgliedstaaten auch ermöglichen, die Umsetzung der Richtlinie besser mit anderen Maßnahmen zum Schutz der Hafeninfrastruktur zu koordinieren. Ein Beispiel, das bei Inspektionen der Kommission festgestellt wurde, ist die Arbeit der Mitgliedstaaten zum stärkeren horizontalen Schutz kritischer Infrastrukturen, insbesondere mit der Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen 14 oder der „NIS-2-Richtlinie“. Dies kann es den Mitgliedstaaten und Häfen insbesondere ermöglichen, bestehende Organisationsstrukturen, wie z. B. Strukturen für den Informationsaustausch oder die Meldung von Vorfällen, zu nutzen, um die Gefahrenabwehr aus einer breiteren Perspektive anzugehen.

    6.    SCHLUSSFOLGERUNG

    Die Bewertung der Umsetzung der Richtlinie 2005/65/EG zeigt, dass in den letzten fünf Jahren erhebliche Fortschritte erzielt wurden. In einigen Bereichen und in einigen Mitgliedstaaten sind jedoch noch weitere Verbesserungen erforderlich. Dies gilt insbesondere für die in Anhang I (Risikobewertung für den Hafen) und Anhang II (Plan zur Gefahrenabwehr im Hafen) der Richtlinie aufgeführten und vorgeschriebenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr.

    Ein Beispiel für einen gravierenden Mangel im Zusammenhang mit Anhang I ist das Fehlen einer angemessenen Festlegung der Hafengrenzen für die Zwecke der Gefahrenabwehr im Hafen, während – im Zusammenhang mit beiden Anhängen – eine recht große Zahl von Fällen verspäteter Überprüfungen von Risikobewertungen für den Hafen und Plänen zur Gefahrenabwehr im Hafen zu verzeichnen ist. Letztere sollten mindestens alle fünf Jahre überprüft werden, was jedoch nicht überall konsequent erfolgt. Der Hauptgrund hierfür ist die große Zahl zuständiger Behörden, die am Überprüfungs- und Genehmigungsverfahren beteiligt sind.

    Dennoch zeigt dieser Bericht, dass in den letzten Jahren insgesamt Fortschritte bei der Koordinierung der Gefahrenabwehr zwischen den lokalen Behörden, den Hafenbetreibern und den Strafverfolgungsbehörden erzielt wurden.

    Darüber hinaus ermöglichte der Rückgriff auf alternative Inspektionsmethoden trotz der COVID-19-Pandemie, soweit dies möglich war, Kontinuität. So konnte eine große Zahl von Inspektionen zur Gefahrenabwehr in Häfen durchgeführt werden, was wesentlich zum hohen Niveau der Gefahrenabwehr in Häfen beitrug, das erreicht und aufrechterhalten wurde. Die Ergebnisse der Inspektionen werden weiter regelmäßig im Rahmen des MARSEC-Ausschusses zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Austausch vorbildlicher Verfahren liegt.

    Die Kommission hat festgestellt, dass gemäß der Verordnung (EG) Nr. 725/2004 vom 31. März 2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen und der Richtlinie 2005/65/EG vom 26. Oktober 2005 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen und in Hafenanlagen Leitlinien ausgearbeitet werden müssen, um die rechtlichen Anforderungen an die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen, die von Häfen und Hafenanlagen genutzt werden, zu präzisieren. Es gibt bereits Leitlinien zur Cybersicherheit im Seeverkehrssektor, dennoch wurde es als Priorität für den nächsten Bewertungszeitraum benannt, sich auf die Cybersicherheitsmaßnahmen und -mechanismen zu konzentrieren, die in den bestehenden EU-Rechtsvorschriften zur Gefahrenabwehr in der Schifffahrt festgelegt sind.

    Die Kombination von Verordnung und Richtlinie ist das Schlüsselelement für die Gefahrenabwehr in EU-Häfen und trägt somit unmittelbar zu den Zielen der Sicherheitsunion bei. Die Richtlinie ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Gefahrenabwehr bei heterogenen komplexen Infrastrukturen mittels individueller Bewertungen lokaler Häfen und entsprechender Pläne, die auf einem gemeinsamen Ansatz beruhen, sowie durch die Stärkung der Koordinierung und Kommunikation zwischen den zahlreichen beteiligten Akteuren gewährleistet werden kann. Die Kommission ist insgesamt der Auffassung, dass dieser Rahmen den Erwartungen entspricht und dass die Richtlinie 2005/65/EG zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen derzeit keiner Änderung bedarf.

    Die Kommission wird zusammen mit den Mitgliedstaaten weiter darauf hinarbeiten, die Umsetzung der Richtlinie zu verbessern und ihre ordnungsgemäße Anwendung zu überwachen – im Interesse des gemeinsamen Zieles, die EU-Häfen besser zu schützen.

    (1)    Richtlinie 2005/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen (ABl. L 310 vom 25.11.2005, S. 2).
    (2)    Verordnung (EG) Nr. 725/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen (ABl. L 129 vom 29.4.2004, S. 6).
    (3)    Die EFTA-Überwachungsbehörde achtet darauf, dass Island und Norwegen ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum nachkommen.
    (4)    In der überwiegenden Zahl der Fälle sind die Betreiber von Hafenanlagen Privatunternehmen.
    (5)    Die Behörde für die Gefahrenabwehr im Hafen wird vom Mitgliedstaat gemäß Artikel 5 der Richtlinie benannt.
    (6)      COM(2009)2 final.
    (7)    COM(2013) 792 final.
    (8)    COM(2019) 191 final.
    (9)    Rechtssache C-464/08 Kommission/Estland vom 3. September 2009 und Rechtssache C-527/08 Kommission/Vereinigtes Königreich vom 3. September 2009.
    (10)    Verordnung (EG) Nr. 324/2008 der Kommission vom 9. April 2008 zur Festlegung geänderter Verfahren für die Durchführung von Kommissionsinspektionen zur Gefahrenabwehr in der Schifffahrt (ABl. L 98 vom 10.4.2008, S. 5) in ihrer geänderten Fassung.
    (11)      Richtlinie (EU) 2016/1148 vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union (wird mit Wirkung vom 18. Oktober2024 durch die NIS-2-Richtlinie aufgehoben).
    (12)      Richtlinie (EU) 2022/2555 vom 14. Dezember 2022 über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 und der Richtlinie (EU) 2018/1972 sowie zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2016/1148 (NIS-2-Richtlinie).
    (13)    Diese Häfen mit einer einzigen Hafenanlage, die unter Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie fällt, machen einen erheblichen Anteil der Häfen in Finnland (48/64 bzw. 75 %), Schweden (112/156, 72 %), Griechenland (82/123, bzw. 67 %) und Dänemark (37/71 bzw. 52 %) aus.
    (14) Richtlinie (EU) 2022/2557 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über die Resilienz kritischer Einrichtungen und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/114/EG des Rates (ABl. L 333 vom 27.12.2022, S. 164).
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