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Document 52014DC0472
COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS Tackling unfair trading practices in the business-to-business food supply chain
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Gegen unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Gegen unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette
/* COM/2014/0472 final */
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Gegen unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette /* COM/2014/0472 final */
Gegen unlautere Handelspraktiken
zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette
1.
Einleitung
Die
Lebensmittelversorgungskette gewährleistet die Versorgung der
Allgemeinbevölkerung mit Lebensmitteln und Getränken für den persönlichen oder
häuslichen Gebrauch. Alle Verbraucher in der EU sind täglich auf sie angewiesen
und ein erheblicher Teil des durchschnittlichen Haushaltsbudgets entfällt auf
diese Produkte.[1]
Bevor ein Produkt zum Verbraucher gelangt, tragen zahlreiche Marktteilnehmer
(Produzenten, Verarbeiter, Einzelhändler etc.) zu seiner Wertschöpfung bei und
nehmen Einfluss auf den vom Endverbraucher zu zahlenden Preis. Unter diesem
Gesichtspunkt hat der Binnenmarkt den Akteuren entlang der
Lebensmittelversorgungskette enorme Vorteile gebracht. Sowohl große als auch
kleine Lieferanten und Einzelhändler verfügen heute über mehr Marktchancen und
einen größeren Kundenstamm. Rund 20 % der gesamten Lebensmittel- und
Getränkeproduktion in der EU sind inzwischen für den grenzüberschreitenden Handel
zwischen EU-Mitgliedstaaten bestimmt und mindestens 70 % aller Agrar- und
Lebensmittelexporte aus den EU-Mitgliedstaaten gehen an andere Mitgliedstaaten.[2]
Daher kann eine im gesamten EU-Raum gut funktionierende und leistungsstarke
Lebensmittelversorgungskette entscheidend zum Binnenmarkt beitragen. In den
vergangenen Jahrzehnten haben jedoch bestimmte Entwicklungen, wie die
verstärkte Konzentration und vertikale Integration von Marktteilnehmern in der
gesamten EU, zu strukturellen Veränderungen in der Lebensmittelversorgungskette
geführt. Diese Entwicklungen haben zu sehr unterschiedlichen
Verhandlungspositionen und zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten in einzelnen
Handelsbeziehungen zwischen den Akteuren entlang der Kette beigetragen. Obwohl
asymmetrische Verhandlungspositionen in Wirtschaftsbeziehungen üblich und
legitim sind, kann der Missbrauch solcher Ungleichgewichte mitunter zu
unlauteren Handelspraktiken führen.[3] Unlautere
Handelspraktiken können allgemein als Praktiken definiert werden, die gröblich
von der guten Handelspraxis abweichen, gegen das Gebot von Treu und Glauben und
des redlichen Geschäftsverkehrs verstoßen und einem Handelspartner einseitig
von einem anderen aufgezwungen werden. Diese Mitteilung
sieht weder Regulierungsmaßnahmen auf EU-Ebene noch eine einheitliche
Vorgehensweise gegen unlautere Handelspraktiken vor. Vielmehr sollen
Interessenvertreter und Mitgliedstaaten ermutigt werden, solche Praktiken auf
angemessene und verhältnismäßige Weise und unter Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten
und bewährter Verfahren einzudämmen. Ferner sollen die Akteure entlang der
europäischen Lebensmittelversorgungskette ermutigt werden, sich freiwilligen
Regelungen anzuschließen, die darauf abzielen, bewährte Verfahren zu fördern
und das Auftreten unlauterer Handelspraktiken zu verringern. Darüber hinaus
hebt diese Mitteilung die Wichtigkeit effektiver Abhilfemaßnahmen hervor. Die
Kommission wird dabei weiter eng mit den Mitgliedstaaten und relevanten
Interessengruppen zusammenarbeiten; alle Beteiligten werden ihren Beitrag zur
Beseitigung unlauterer Praktiken leisten müssen.
2.
Hintergrund
Auch wenn sich
ihr volles Ausmaß und ihr Umfang nur schwer erfassen lassen, wird das Problem
unlauterer Handelspraktiken von allen Interessenvertretern entlang der
Lebensmittelversorgungskette anerkannt. Eine Reihe von Umfragen zeigen, dass
unlautere Praktiken zumindest in einigen Bereichen der Versorgungskette relativ
häufig auftreten. So gaben bei einer EU-weiten Umfrage unter Lieferanten in der
Lebensmittelversorgungskette gaben 96 % der Befragten an, dass sie schon
mindestens einer Form von unlauteren Handelspraktiken ausgesetzt waren.[4] Auch auf nationaler Ebene wurden
Umfragen durchgeführt. Laut eines Berichts der spanischen Wettbewerbsbehörde
über die Handelsbeziehungen zwischen Erzeugern und Einzelhändlern im
Lebensmittelsektor gaben 56 % der befragten Lieferanten an, dass
nachträgliche Änderungen von Vertragsklauseln häufig oder gelegentlich
vorkommen.[5]
Eine Umfrage der italienischen Wettbewerbsbehörde zeigt, dass 57 % der
Produzenten einseitige nachträgliche Änderungen häufig oder immer akzeptieren,
da sie im Fall einer Ablehnung kommerzielle Vergeltungsmaßnahmen fürchten.[6] Unlautere
Handelspraktiken können vor allem KMU in der Lebensmittelversorgungskette schädigen.[7]
Sie können deren Fähigkeit beeinträchtigen, sich am Markt zu behaupten, neue
Finanzinvestitionen in Produkte und Technologien zu tätigen und ihre
grenzüberschreitenden Aktivitäten im Binnenmarkt auszuweiten. Auch wenn sich
die Gesamtauswirkungen unlauterer Handelspraktiken auf den Markt quantitativ
nur schwer vollständig erfassen lassen, stehen die negativen Folgen solcher
Praktiken für diese Markteilnehmer doch außer Frage. In der oben genannten
EU-weiten Umfrage bestätigten 83 % der Befragten, die unlauteren
Handelspraktiken ausgesetzt waren, dass diese Praktiken zu höheren Kosten
führen, und 77 % gaben an, dass sie Einnahmeeinbußen bedeuten. Darüber
hinaus könnten auch indirekte Auswirkungen entlang der Versorgungskette eine
Rolle spielen, und zwar insbesondere, wenn KMU von vornherein vom Aufbau von
Handelsbeziehungen absehen, da das Risiko besteht, dass ihnen unlautere
Handelspraktiken aufgezwungen werden. Die neue
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)[8]
und die neue Gemeinsame Fischereipolitik (GFP)[9]
stärken die Position der Erzeuger in der Versorgungskette gegenüber
nachgelagerten Akteuren, da sie insbesondere die Gründung und Stärkung von
Erzeugerorganisationen fördert. Auch die neue einheitliche gemeinsame
Marktorganisation enthält Elemente, die in einigen ausgewählten Sektoren
(Milch, Olivenöl, Rind- und Kalbfleisch, Feldkulturen) die ungleichen
Verhandlungspositionen zwischen Landwirten und anderen Parteien in der
Lebensmittelversorgungskette beseitigen sollen. Im Rahmen der neuen
Bestimmungen haben die Mitgliedstaaten außerdem die Möglichkeit, in anderen
Agrarsektoren verbindliche schriftliche Verträge vorzuschreiben, die
Schutzmaßnahmen unterliegen, sodass die ordnungsgemäße Funktionsweise des
Binnenmarktes nicht durch die Vertragsklauseln beeinträchtigt wird. Die
GAP-Reform soll insbesondere durch die neue einheitliche gemeinsame
Marktorganisation dazu beitragen, ungleiche Verhandlungspositionen zwischen
Landwirten und anderen Parteien in der Lebensmittelversorgungskette zu
beseitigen. Eine Reihe von
Mitgliedstaaten haben auf nationaler Ebene Maßnahmen gegen diese Praktiken
ergriffen und dabei sehr unterschiedliche Ansätze gewählt; einige basieren auf
rechtlichen Bestimmungen, andere auf Selbstregulierungsplattformen für
Marktteilnehmer. Wenn Regelungen bestehen, unterscheiden sie sich in Art,
Umfang und rechtlicher Ausgestaltung des Schutzes vor unlauteren
Handelspraktiken. Auch die
Interessengruppen im Hochrangigen Forum für die Verbesserung der Funktionsweise
der Lebensmittelversorgungskette, das 2010 von der Kommission gegründet wurde[10],
haben anerkannt, dass schädliche Handelspraktiken in der
Lebensmittelversorgungskette bestehen. Da die Notwendigkeit erkannt wurde, das
Problem auf europäischer Ebene anzugehen, wurde von den Interessengruppen ein
Selbstregulierungsrahmen (die „Supply Chain Initiative“) geschaffen, der von
der Kommission begrüßt wurde und der nach neun Monaten von Unternehmen im
Einzelhandel, Großhandel und in der Produktion sowie von einigen KMU gut
angenommen wird. Bestimmte Interessengruppen – nämlich Landwirte und die
fleischverarbeitende Industrie – sind dem Rahmen auf EU-Ebene jedoch nicht
beigetreten. Während Landwirte in einigen Mitgliedstaaten[11] in
nationalen Plattformen vertreten sind, sind bislang nur vier landwirtschaftliche
Betriebe dem Rahmen auf EU-Ebene beigetreten. Darüber hinaus ist der Rahmen nur
für jene Unternehmen bindend, die sich ihm freiwillig angeschlossen haben. Dies hat dazu
geführt, dass heute in der EU eine Vielzahl divergierender Ansätze verfolgt
wird, um gegen unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette
vorzugehen. Die potenziellen
Vorteile einer Eindämmung dieser Praktiken könnten insbesondere für KMU und
Kleinstunternehmen erheblich sein, da diese eher unlauteren Praktiken und deren
Folgen ausgesetzt sind als Großunternehmen. Darüber hinaus könnten sich in der
EU angewandte unlautere Praktiken auch direkt oder indirekt auf Produzenten und
Unternehmen außerhalb der EU, auch in Entwicklungsländern, auswirken. In diesem
Zusammenhang soll die vorliegende Mitteilung zu fairen und nachhaltigen
Handelsbeziehungen und gleichen Bedingungen für alle Marktteilnehmer in der
Lebensmittelversorgungskette beitragen und helfen, die schädlichen Auswirkungen
und möglichen grenzüberschreitenden Hürden, die durch unlautere
Handelspraktiken verursacht werden, insbesondere für KMU abzubauen.
3.
Probleme infolge unlauterer Handelspraktiken
Die möglichen
Folgen unlauterer Handelspraktiken auf Ebene der EU geben nicht nur der
Kommission, sondern auch dem Europäischen Parlament Anlass zur Sorge. Im Januar
2012 hat das Parlament eine Entschließung[12]
angenommen, in der die Europäische Dimension der Ungleichgewichte in der
Lebensmittelversorgungskette, die sich in unlauteren Praktiken niederschlagen
können, hervorgehoben wird. Die Entschließung enthält eine Liste bestimmter
Praktiken, die dem Parlament zufolge speziellen Regeln, Aufsichtsmaßnahmen und
Sanktionen unterworfen werden sollen. Für ein besseres
Verständnis des Problems hat die Kommission im Januar 2013 ein Grünbuch über
unlautere Handelspraktiken[13]
veröffentlicht, um zu erkunden, wie die Interessengruppen unlautere Praktiken
in der Lebensmittel- und Nicht-Lebensmittelversorgungskette beurteilen, und
Möglichkeiten zu ihrer Eindämmung aufzuzeigen. In der anschließenden
öffentlichen Konsultation konnten folgende wichtige Erkenntnisse gewonnen
werden: 1.
Wenngleich unlautere Praktiken
prinzipiell in allen Sektoren auftreten können, lassen die Rückmeldungen der
Interessengruppen zum Grünbuch darauf schließen, dass sie in der
Lebensmittelversorgungskette besonders problematisch sind. 2.
Folgende Hauptkategorien unlauterer
Handelspraktiken werden im Grünbuch aufgeführt und von zahlreichen
Interessengruppen bestätigt: - der rückwirkende
Missbrauch von nicht näher bestimmten, mehrdeutigen oder unvollständigen
Vertragsbestimmungen durch einen Handelspartner - die übermäßige und
unvorhersehbare Abwälzung von Kosten oder Risiken von einem Handelspartner auf
einen anderen - die Nutzung
vertraulicher Informationen durch einen Handelspartner - die unbillige
Beendigung oder Unterbrechung einer Geschäftsbeziehung 3.
Auch regionale Angebotsbeschränkungen
wurden als problematische Praktiken eingestuft. Diese Beschränkungen werden
Einzelhändlern mitunter von multinationalen Lieferanten auferlegt und halten
sie davon ab, identische Waren grenzüberschreitend oder zentral einzukaufen.
Regionale Angebotsbeschränkungen verhalten sich jedoch anders als die oben
aufgelisteten unlauteren Praktiken und werden daher von der Kommission einer
gesonderten Beurteilung unterzogen. 4.
Die oben genannten unlauteren Praktiken
können – insbesondere bei unvorhergesehener Anwendung – zu ungerechtfertigten
Kosten oder Einnahmenausfällen für den Handelspartner mit der schwächeren
Verhandlungsposition führen. Unvorhergesehene Änderungen von Vertragsklauseln
könnten auch zu Überproduktion und damit zu unnötiger Verschwendung von
Lebensmitteln führen. Werden dem schwächeren Handelspartner unlautere Praktiken
aufgezwungen oder muss er in Zukunft damit rechnen, könnte dies zudem Einfluss
darauf nehmen, ob er Investitionen tätigen kann oder will. Die Kommission führt
derzeit auch eine Studie über Auswahl und Innovation im Einzelhandel durch, um
Erkenntnisse über die Entwicklungen in der Branche und die entscheidenden
Faktoren für Auswahl und Innovation auf dem Markt zu gewinnen. Die
unterschiedlichen nationalen Vorschriften zur Eindämmung unlauterer
Handelspraktiken führen ferner dazu, dass sich KMU mit ihren eingeschränkten
rechtlichen Ressourcen in Bezug auf unlautere Praktiken und mögliche
Rechtsmittel einer komplexen Situation gegenübersehen. Daraus ergeben sich
Unsicherheiten, die einige Unternehmen und insbesondere KMU davon abhalten
könnten, neue räumliche Märkte zu erschließen oder sogar grenzüberschreitenden
Handel zu betreiben. Dieser
Umstand wurde von einer EU-weiten Umfrage unter Landwirten und Primärerzeugern
im Agrar- und Lebensmittelmarkt bestätigt. 46 % der Befragten gaben dabei
an, dass sich unlautere Handelspraktiken negativ auf den Zugang zu neuen
Märkten und grenzüberschreitende Tätigkeiten auswirken.[14]
4.
Die Vielfalt der Massnahmen gegen unlautere
Praktiken in der EU
4.1.
Uneinheitliches Vorgehen gegen unlautere Praktiken
Der aktuelle
Regulierungsrahmen auf EU-Ebene enthält einige Bestimmungen, um bis zu einem
gewissen Grad gegen unlautere Handelspraktiken in der
Lebensmittelversorgungskette und darüber hinaus vorzugehen. Die vorhandenen
Instrumente, wie die zuvor genannte Reform der GAP, das Wettbewerbsrecht, die
Rahmenbestimmungen für Vermarktungsmethoden[15]
oder missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen[16], der
Vorschlag für eine Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse[17] sowie
andere branchenübergreifende Rechtsvorschriften, können in bestimmten
Situationen zur Bekämpfung unlauterer Praktiken dienen, sind jedoch meist nicht
auf die zuvor genannten Praktiken anwendbar. Im Vorschlag für eine Verordnung
über ein gemeinsames europäisches Kaufrecht[18]
werden bestimmte unlautere Klauseln in B2B-Verträgen untersagt, was bei
langjährigen Geschäftsbeziehungen zu mehr Klarheit führen könnte. Die Anwendung
dieser Rechtsvorschrift – nach Einigung zwischen dem Parlament und dem Rat –
würde jedoch die beidseitige Zustimmung der Handelspartner voraussetzen. Bei der
Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken verfolgen die einzelnen Mitgliedstaaten
sehr unterschiedliche Ansätze. Einige Länder haben Regulierungsmaßnahmen
verabschiedet, doch viele andere haben sich für Selbstregulierungsrahmen
entschieden oder gehen nicht speziell gegen unlautere Praktiken in
Versorgungsketten vor, sondern berufen sich stattdessen auf allgemeine
Prinzipien. Die Mitgliedstaaten, die diese Praktiken mit Regulierungsmaßnahmen
zu unterbinden versuchen, haben spezielle Regelungen für Geschäfte zwischen
Unternehmen eingeführt, ihr nationales Wettbewerbsrecht ergänzt, oder den
Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken[19] auf
B2B-Geschäftsbeziehungen ausgeweitet. Einige Mitgliedstaaten, die ursprünglich
mithilfe von freiwilligen Maßnahmen gegen unlautere Praktiken vorgehen wollten,
haben sich schließlich für den Erlass entsprechender Rechtsvorschriften
entschieden. Diese
unterschiedlichen Ansätze führen dazu, dass Umfang und Art des Schutzes vor
unlauteren Handelspraktiken sowie möglicherweise vorhandene
Durchsetzungsmechanismen davon abhängen, wo das Unternehmen mit der starken
Verhandlungsposition, das die unlauteren Praktiken anwendet, ansässig ist. Dies
könnte zu Problemen führen, da immer häufiger länderübergreifende Einkäufe
getätigt werden. In den Rückmeldungen öffentlicher Stellen im Rahmen der
Konsultationen zum Grünbuch wurde auch von vereinzelten Fällen von „Forum
Shopping“ berichtet. Dabei legt die stärkere Verhandlungspartei einseitig fest,
in welchem Mitgliedstaat und damit nach welchem Recht der Vertrag Anwendung
findet, um strengere nationale Bestimmungen gegen unlautere Handelspraktiken zu
umgehen. Auf dieses Problem haben fünf Mitgliedstaaten ausdrücklich im Rahmen
der öffentlichen Konsultation und während Gesprächen in verschiedenen von der
Kommission organisierten Foren für Interessengruppen hingewiesen.
4.2.
Durchsetzung
Jede Partei, die
unlauteren Handelspraktiken ausgesetzt ist, kann prinzipiell im Rahmen des
Zivilrechts gerichtlich gegen missbräuchliche Vertragsklauseln vorgehen. Einige
Interessengruppen, und vor allem KMU, sind sich jedoch einig, dass ein
Gerichtsverfahren in der Praxis oft kein geeignetes Mittel zur Abwendung
unlauterer Praktiken darstellt. Zum Einen sind Gerichtsverfahren im Allgemeinen
kosten- und zeitaufwändig. Zum Anderen – und das ist vermutlich noch wichtiger
– befürchtet der schwächere Geschäftspartner in der
Lebensmittelversorgungskette (zumeist ein KMU) in vielen Fällen, dass die
stärkere Partei die Geschäftsbeziehungen beendet, wenn ein Verfahren
angestrengt wird (der „Faktor Angst“). Dies kann die Partei, der unlautere
Praktiken aufgezwungen werden, von rechtlichen Schritten abhalten, was wiederum
zu keine wirksame Abschreckung für den Handelspartner bedeutet, der diese
Praktiken anwendet. Vor diesem
Hintergrund haben manche Mitgliedstaaten andere Rechtsdurchsetzungsmechanismen
eingerichtet, um gegen unlautere Praktiken in vertikalen Versorgungsketten
vorzugehen. Einige Mitgliedstaaten haben eine zuständige Behörde ernannt, die
von den betroffenen Marktteilnehmern unabhängig ist, und andere Länder beraten derzeit
über mögliche Reformen in diese Richtung. In manchen
Fällen wurde der nationalen Wettbewerbsbehörde die Aufgabe übertragen, die
Bestimmungen gegen missbräuchliches Verhalten gegenüber wirtschaftlich
abhängigen Unternehmen und/oder Missbrauch einer stärkeren Verhandlungsposition
durchzusetzen. Es gibt jedoch auch Beispiele von Mitgliedstaaten, die andere
vorhandene Behörden (z. B. Behörden, die für Lebensmittelfragen oder
Verbraucherschutz verantwortlich sind) mit dieser Befugnis ausgestattet oder neue
Verwaltungsbehörden zur Durchsetzung der Bestimmungen gegen unlautere Praktiken
eingerichtet haben. Zahlreiche diese Behörden können Untersuchungen durchführen
und sie nehmen Beschwerden in aller Regel vertraulich entgegen. In manchen
Mitgliedstaaten haben Interessenvertreter freiwillige
Streitbeilegungsmechanismen geschaffen, um Streitfälle möglichst
außergerichtlich zu schlichten. In anderen Fälle wurde ein „gemischter Ansatz“,
bestehend aus freiwilligen Vereinbarungen ergänzt durch behördliche Durchsetzungsmechanismen,
beibehalten. Landwirte und
kleine und mittlere Lieferanten weisen darauf hin, dass eine unabhängige
Verwaltungsbehörde erforderlich wäre, die befugt ist, Ermittlungen einzuleiten
und vertrauliche Beschwerden über mutmaßliche unlautere Handelspraktiken
entgegenzunehmen, um dem Faktor Angst zu begegnen. Die meisten dieser
Interessenvertreter fordern die Schaffung einer unabhängigen
Durchsetzungsbehörde auf nationaler Ebene, da eine wirksame Durchsetzung
entscheidend zur Verringerung unlauterer Handelspraktiken beitragen würde. Andere
Marktteilnehmer sind der Meinung, dass zuerst die Anwendung freiwilliger Rahmen
und Selbstregulierungsmaßnahmen geprüft werden sollte. Sollten sich solche
Modelle zur Eindämmung der Praktiken als unwirksam erweisen, könnte eine
unabhängige Behörde in Betracht gezogen werden.
4.3.
Die Supply Chain Initiative
Die Supply Chain
Initiative ist im Rahmen des von der Kommission gegründeten Hochrangigen Forums
für die Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette
entstanden, das sich aus nationalen Behörden und wichtigen Interessenvertretern
der Lieferanten und Einzelhändler im Lebensmittelsektor auf EU-Ebene
zusammensetzt. Im November 2011 einigten sich alle Marktrepräsentanten der
Forum-Arbeitsgruppe „unlautere Handelspraktiken“ auf gemeinsame Grundsätze für
vorbildliche Verfahren in vertikalen Beziehungen in der
Lebensmittelversorgungskette[20].
Zu diesen Grundsätzen zählen: Vorhersehbarkeit von Änderungen der
Vertragsbedingungen, Verantwortung für eigenes unternehmerisches Risiko und
Gerechtfertigte Forderungen und Entgelte. In einem zweiten
Schritt wurde im September 2013 ein freiwilliger Rahmen für die Umsetzung
dieser Grundsätze für vorbildliche Verfahren[21]
(die Supply Chain Initiative) geschaffen. Unternehmen können der Supply Chain
Initiative beitreten, sobald sie geprüft haben, ob sie deren Grundsätze
einhalten. Streitigkeiten können in diesem Rahmen unter bestimmten
Voraussetzungen mithilfe von Streitbeilegungsverfahren, Vermittlung und
Schlichtung beigelegt werden. Um unlauteren Handelspraktiken vorzubeugen,
werden innerhalb dieses Rahmens vor allem organisatorische Anforderungen an die
Unternehmen gestellt, wie etwa Mitarbeiterfortbildungen und die Fähigkeit des
Unternehmens, in diesem Rahmen an den vorgesehenen
Streitschlichtungsmechanismen teilzunehmen. Verstöße gegen diese
organisatorischen Anforderungen können zu einem Ausschluss des betroffenen
Unternehmens aus der Initiative führen. Im Rahmen der Initiative müssen die
Mitglieder gewährleisten, dass schwächere Parteien, die auf
Streitschlichtungsmechanismen zurückgreifen, keine kommerziellen
Vergeltungsmaßnahmen zu befürchten haben. Koordiniert wird
die Initiative von einer Governance-Gruppe bestehend aus verschiedenen
Interessenverbänden, die die Akteure in der Lebensmittelversorgungskette
vertreten. Neun Monate nach dem Start haben sich der Initiative bislang 98
Verbände und Unternehmen aus dem Einzelhandel, dem Großhandel und dem
Produktionssektor angeschlossen, die 736 Unternehmen aus allen EU-Mitgliedstaaten
vertreten, und die Zahl der KMU, die sich registrieren, nimmt stetig zu. Doch
haben sich nicht alle wichtigen Interessenverbände der Initiative
angeschlossen. Insbesondere die Vertreter der Primärerzeuger (z. B.
Landwirte) und der fleischverarbeitenden Industrie haben sich gegen die
Teilnahme an der Gruppe auf EU-Ebene entschieden. Obwohl sie mit den
Grundsätzen übereinstimmen, bemängeln diese Interessenverbände das Fehlen
unabhängiger und wirksamer Durchsetzungsinstrumente innerhalb der Supply Chain
Initiative. Einige dieser Verbände nehmen jedoch auf nationaler Ebene Teil. Die betroffenen
Verbände sind der Meinung, dass die Supply Chain Initiative den zuvor genannten
Faktor Angst für wirtschaftlich abhängige Handelspartner nicht ausreichend beseitigen
kann, und zwar vor allem, da ein Unternehmen, das unlauteren Praktiken
ausgesetzt ist, nicht die Möglichkeit einer vertraulichen Beschwerde hat. Im
freiwilligen Rahmen werden nur Sammelbeschwerden vertraulich behandelt, in
denen Interessenverbände die Möglichkeit haben, eine Auslegung der Grundsätze
durch die Governance-Gruppe einzufordern, und der Zugang zu
Streitbeilegungsmechanismen erfordert die Zustimmung beider Vertragsparteien.
Die Initiative sieht auch keine Untersuchungen oder Sanktionen für den Fall
vor, dass Unternehmen die Grundsätze für vorbildliche Verfahren missachten. Im Rahmen einer
Selbstregulierungsinitiative können natürlich nur bedingt
Streitbeilegungsmechanismen zur Verfügung gestellt werden. Würden die
Mitgliedstaaten, die derzeit über keine entsprechenden Vorkehrungen verfügen,
die Supply Chain Initiative durch unabhängige Durchsetzungsmaßnahmen ergänzen,
könnte die Wirksamkeit der Initiative erhöht und der Hauptgrund für
Interessenverbände, sich der Initiative nicht anzuschließen, beseitigt werden. In diesem
Zusammenhang hat das Europäische Parlament im Dezember 2013 einen
Initiativbericht über Fragen des Einzelhandels angenommen, der die Grundsätze
und den Rahmen der Supply Chain Initiative unterstützt, die Kommission aber gleichzeitig
auffordert zu prüfen, ob unabhängige Durchsetzungsmechanismen zur Eindämmung
der zuvor genannten Angst kleinerer Akteure in der Versorgungskette notwendig
und umsetzbar sind.[22]
5.
Eine wirksame Strategie gegen unlautere
Handelspraktiken
5.1.
Beteiligung aller Marktteilnehmer an der Supply
Chain Initiative
Freiwillige
Verhaltenskodizes sind ein wichtiger Eckpfeiler bei der Schaffung einer
Atmosphäre, in der Unternehmen faire und nachhaltige Geschäftsbeziehungen
miteinander pflegen. Sie können wirkungsvoll dazu beitragen, dass Unternehmen
ihre Denkweise, Verhandlungsansätze und Schlichtungsmechanismen anpassen,
sodass unlautere Handelspraktiken eingedämmt oder idealerweise beseitigt
werden. Darüber hinaus können freiwillige Kodizes Streitbeilegungsverfahren
zwischen zwei Parteien in einer vertikalen Geschäftsbeziehung vorsehen, die
häufig zur Vermeidung langwieriger rechtlicher Schritte beitragen können. Unter
diesen Gesichtspunkten ist die Supply Chain Initiative ein außerordentlich
wichtiger Schritt hin zur Beseitigung unlauterer Handelspraktiken. Wenn im
Rahmen der Initiative nationale Plattformen eingerichtet werden, können ihre
positiven Auswirkungen weiter verstärkt werden. Vorschlag
für weiteres Vorgehen: (1) Die Kommission ermutigt alle Unternehmen und wichtigen
Verbände in der Lebensmittelversorgungskette, einer freiwilligen Initiative zur
Eindämmung unlauterer Handelspraktiken, insbesondere der Supply Chain
Initiative, beizutreten, um ihre Entschlossenheit zum Ausdruck zu bringen,
Vertrauen in der Lebensmittelversorgungskette zu bilden und die kritische Masse
und den nötigen Deckungsgrad zu erreichen, die für den Erfolg einer solchen
Initiative notwendig sind. (2) Sie ermutigt die Unternehmen in der
Lebensmittelversorgungskette ferner, bei ihren Geschäftspartnern aktiv für die
Supply Chain Initiative zu werben und diese über ihre Rechte und Pflichten zu
informieren. Sie sollten alle ihre Geschäftspartner standardmäßig darüber
informieren, dass sie der Supply Chain Initiative beigetreten sind, und sie dazu
ermutigen, dasselbe zu tun. (3) Die Governance-Gruppe der Supply Chain Initiative sollte
KMU weiterhin und in verstärktem Maße über die Initiative informieren und
effizientere Wege für sie finden, ihr beizutreten. KMU profitieren am meisten
von solchen Initiativen, daher ist ihre möglichst zahlreiche Teilnahme enorm
wichtig. (4) Die Governance-Gruppe der Supply Chain Initiative sollte
die Einrichtung nationaler Plattformen in jedem Mitgliedstaat weiter
vorantreiben und vereinfachen. (5) Die Kommission wird den Austausch von Informationen und
den Dialog zwischen den wichtigsten Interessenverbänden weiter vereinfachen und
eng mit der Governance-Gruppe der Initiative zusammenarbeiten, um ihre
größtmögliche Reichweite insbesondere zu KMU zu gewährleisten; zudem wird sie
die Entwicklung der Initiative weiterhin genau beobachten und die Mitglieder
ermutigen, an der Stärkung der Streitbeilegungsmechanismen und des
Sanktionssystems zu arbeiten.
5.2.
Grundsätze für vorbildliche Verfahren
Die
Mitgliedstaaten, die auf nationaler Ebene bereits Maßnahmen gegen unlautere
Handelspraktiken ergriffen haben, haben dafür unterschiedliche Ansätze gewählt
und selbst unlautere Praktiken unterschiedlich definiert. Die Definitionen
reichen dabei von ausgesprochen allgemeinen Beschreibungen bis hin zu
detaillierten Listen verbotener Praktiken. Es gibt jedoch auch einige
Mitgliedstaaten, die keinerlei Maßnahmen gegen diese Praktiken getroffen haben.
Um unlautere Handelspraktiken EU-weit und vor allem grenzübergreifend wirksam
zu bekämpfen, wäre ein gemeinsames Verständnis der dazu notwendigen
Bestimmungen von Vorteil. Die Supply Chain
Initiative liefert keine genaue Definition unlauterer Handelspraktiken, sondern
stellt eine Liste von Grundsätzen für vorbildliche Verfahren und Beispiele
fairer und unfairer Praktiken zur Verfügung. Diese Grundsätze wurden im
Hochrangigen Forum von allen wichtigen Interessenverbänden der EU in der
vertikalen Lebensmittelversorgungskette gemeinsam beschlossen. Daher stellen
sie eine geeignete Grundlage für die Ermittlung der unlauteren Handelspraktiken
dar, gegen die mögliche Initiativen vorgehen könnten. Sind die unlauteren
Praktiken ermittelt, können im Gegenzug Grundsätze formuliert werden, um gegen
diese vorzugehen. Bei der Anwendung solcher Grundsätze müssen die
Wirtschaftsbeteiligten auch gewährleisten, dass sie alle relevanten geltenden
Bestimmungen, inklusive der Wettbewerbsregeln auf nationaler und/oder EU-Ebene,
einhalten. Die im
Hochrangigen Forum erarbeiteten und von der Supply Chain Initiative übernommenen
Grundsätze lauten: (a)
Schriftliche Vereinbarungen: Vereinbarungen sollten
schriftlich getroffen werden, außer wenn dies aus praktischen Gründen nicht
möglich ist oder wenn mündliche Vereinbarungen für beide Seiten akzeptabel und
geeignet sind. Sie sollten klar und transparent sein und so viele relevante und
vorhersehbare Elemente wie möglich umfassen, einschließlich der Rechte und
Verfahren zu deren Beendigung. (b)
Vorhersehbarkeit: Einseitige Vertragsänderungen
finden nicht statt, es sei denn, diese Möglichkeit und die dafür geltenden
Umstände und Bedingungen wurden vorab vereinbart. In den Vereinbarungen sollte
dargelegt werden, dass die Parteien alle Änderungen miteinander absprechen, die
für die Umsetzung der Vereinbarung erforderlich sind oder die auf
unvorhersehbare Umstände zurückzuführen sind, so wie dies in der Vereinbarung
niedergelegt ist. (c)
Einhaltung: Abkommen müssen eingehalten werden. (d)
Informationen: Werden Informationen ausgetauscht,
so geschieht dies unter strikter Einhaltung des Wettbewerbsrechts und anderer
geltender Gesetze. Die Parteien sollten in angemessener Weise sicherstellen,
dass die bereitgestellten Informationen korrekt und nicht irreführend sind. (e)
Vertraulichkeit: Die Vertraulichkeit der
Informationen muss eingehalten werden, sofern diese nicht bereits öffentlich
sind oder die empfangende Partei sie unabhängig davon rechtmäßig und in gutem
Glauben erhalten hat. Vertrauliche Informationen werden von der empfangenden
Partei ausschließlich für die Zwecke genutzt, für die sie ihr mitgeteilt
wurden. (f)
Risikoverantwortung: Alle Vertragsparteien in der
Versorgungskette sollten ihr eigenes angemessenes unternehmerisches Risiko
selbst tragen. (g)
Gerechtfertigte Forderungen: Eine Vertragspartei
darf nicht durch Drohungen einen ungerechtfertigten Vorteil erlangen oder
Kosten abwälzen. Vorschlag
für weiteres Vorgehen: (6) Die Kommission ersucht die Mitgliedstaaten zu prüfen, ob
ihr aktueller Regulierungsrahmen angemessen ist, um gegen unlautere Praktiken
vorzugehen. Dabei sollten bewährte Verfahren anderer Mitgliedstaaten
berücksichtigt werden. Die Mitgliedstaaten sollten dabei auch an die möglichen
Auswirkungen unlauterer Praktiken, wie etwa Lebensmittelverschwendung, denken.
Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten bewerten, ob sich ihre Regulierungsrahmen
auf eine Liste von Praktiken oder eine allgemeine Bestimmung stützen könnten,
die eine Bekämpfung möglicher Verstöße gegen die zuvor genannten Grundsätze
ermöglicht. (7) Die Mitgliedstaaten sollten Unternehmen in ihrem
Hoheitsgebiet außerdem ermutigen, sich sowohl auf nationaler als auch auf
EU-Ebene freiwilligen Verhaltenskodizes anzuschließen. (8) Die Kommission wird den Austausch bewährter Verfahren
zwischen den Mitgliedstaaten, z. B. im Rahmen von Workshops mit Experten
aus nationalen Verwaltungsbehörden, weiter fördern.
5.3.
Gewährleistung einer wirksamen Durchsetzung auf
nationaler Ebene
Um Unternehmen
wirksam von der Anwendung unlauterer Handelspraktiken abzuschrecken, sind
angemessene Durchsetzungsmechanismen erforderlich. Wenn der
schwächere Handelspartner wirtschaftlich von seinem stärkeren Geschäftspartner
abhängig ist, wird er eher vor einem Gerichtsverfahren oder der Inanspruchnahme
freiwilliger Streitschlichtungsmechanismen, um gegen unlautere Praktiken
vorzugehen, zurückschrecken. Zudem gibt es Situationen, in denen Handelspartner
wirtschaftlich abhängig sind. Eine Studie der spanischen Wettbewerbskommission[23] zeigt
etwa, dass im Jahr 2010 durchschnittlich knapp 40 % der Einnahmen aller
Erzeuger in der Lebensmittelversorgungskette auf nur drei Einzelhändler
zurückzuführen waren. In extremen Fällen wirtschaftlicher Abhängigkeit hängt
die gesamte Überlebensfähigkeit eines Unternehmens im Ein- oder Verkauf von
einzelnen Handelsbeziehungen ab. In Fällen, in denen unlautere Praktiken aus
Angst, einen Vertragspartner zu verlieren, nicht angezeigt werden, können
Rahmenregelungen gegen unlautere Praktiken entscheidend gestärkt werden, indem
den schwächeren Parteien die Möglichkeit gegeben wird, sich an unabhängige
Behörden oder Stellen mit Durchsetzungsbefugnissen zu wenden, und die
Vertraulichkeit ihrer Beschwerde geschützt wird. Vorschlag
für weiteres Vorgehen: (9) Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, die
Effizienz und Glaubwürdigkeit der vorhandenen Durchsetzungsmechanismen für die
Bestimmungen gegen unlautere Praktiken zu bewerten. In diesem Zusammenhang
sollten sie unter Berücksichtigung bewährter Verfahren in anderen
Mitgliedstaaten prüfen, ob weitere verfahrenstechnische oder organisatorische
Maßnahmen von Nutzen sein könnten Dabei sollte insbesondere gewährleistet
werden, dass die Vertraulichkeit von Beschwerden einzelner Unternehmen gewahrt
bleibt und Untersuchungen durchgeführt werden können. (10) Die nationalen Durchsetzungsmechanismen, die eigene
Behörden umfassen könnten, sollten auf EU-Ebene effektiv zusammenwirken können,
um grenzüberschreitend angewandte unlautere Praktiken zu bekämpfen und eine
mögliche Regulierungsarbitrage zu verhindern. (11) Die Kommission wird die Koordinierung zwischen den
Mitgliedstaaten weiterhin unterstützen, indem sie den Informationsaustausch
zwischen den nationalen Durchsetzungsmechanismen vereinfacht. (12) Die Mitgliedstaaten sollten bei der Ausarbeitung und
Anwendung von Durchsetzungsmaßnahmen verhältnismäßig vorgehen und die möglichen
Auswirkungen auf Interessengruppen und Verbraucher berücksichtigen.
Insbesondere sollten sie auf inländische und ausländische Marktteilnehmer
dieselben Durchsetzungskriterien und -Prozesse anwenden.
5.4.
Mögliche Kosten und Nutzen einer Eindämmung
unlauterer Handelspraktiken
Die Beseitigung
oder zumindest Eindämmung unlauterer Handelspraktiken könnte mit einem
erheblichen Einsparungspotenzial verbunden sein. Bei der Ermittlung der
möglichen Kosten und Nutzen zeigt sich, dass diese sich auf mehreren Ebenen
auswirken können. Die möglichen Vorteile der Bekämpfung unlauterer Praktiken
für einzelne Handelsbeziehungen zwischen zwei Parteien sind weitgehend
offensichtlich. Unlautere
Praktiken bedeuten für die Unternehmen, denen sie aufgezwungen werden, oft
unmittelbare finanzielle Nachteile. Des Weiteren könnte ein unvorhersehbares
Verhalten von Handelspartnern, die ihre überlegene Verhandlungsposition
missbrauchen, zum Verlust wirtschaftlicher Effizienz führen. Unvorhersehbarkeit
könnte z. B. ein Anlass für geringere Investitionen oder
Über-/Unterproduktion sein und das Risiko von einseitigen und unvorhergesehenen
Änderungen der Vertragsbedingungen könnte erhöhte Transaktionskosten nach sich
ziehen. Daher könnten nachhaltigere Handelsbeziehungen in der
Lebensmittelversorgungskette einen erheblichen Nutzen mit sich bringen, der
möglicherweise über die direkten Vorteile und finanziellen Erleichterungen für
Unternehmen, die solchen Praktiken ausgesetzt waren, hinausgeht. Die in dieser
Mitteilung vorgeschlagenen Mechanismen könnten auch dazu dienen, die
Auswirkungen unlauterer Handelspraktiken auf schwächere Parteien in
Drittländern und Entwicklungsländern abzumildern. Für den Markt
als Ganzen gestaltet sich die Bewertung der Konsequenzen unlauterer Praktiken
und der positiven Auswirkungen ihrer möglichen Eindämmung oder Beseitigung
schwieriger. Was die möglichen Auswirkungen auf die Verbraucher betrifft, so
gibt es keine Anzeichen für negative Auswirkungen auf die Verbraucherpreise[24] in
den Mitgliedstaaten, die unlautere Handelspraktiken regulieren und in denen
öffentliche Stellen Maßnahmen gegen missbräuchliches Verhalten in
Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen treffen. Wo sich unlautere Praktiken
negativ auf die Produktauswahl, Verfügbarkeit und Qualität auswirken könnten,
wäre ihre Eindämmung oder Beseitigung auch für den Verbraucher von Vorteil. Was den
Kostenfaktor betrifft, würden sich für Unternehmen, die der Supply Chain
Initiative oder ähnlichen nationalen Rahmenregelungen bereits beigetreten sind
oder dies planen, keine weiteren Kosten ergeben. Der vorgeschlagene Ansatz
würde auch für die Mitgliedstaaten, deren geltender Rahmen die oben genannten
Kriterien erfüllt, keine Kosten mit sich bringen. Für die Mitgliedstaaten, die
ihren Regulierungsrahmen entsprechend anpassen möchten, hängen die Kosten der
Umsetzung davon ab, ob ein vorhandener Mechanismus für diese Zwecke genutzt
wird oder neue verfahrenstechnische bzw. organisatorische Vorkehrungen
getroffen werden.
6.
Schlussfolgerungen
Die zwischen den
Marktteilnehmern in der Lebensmittelversorgungskette angewandten
Handelspraktiken sind großteils für beide Parteien fair und nachhaltig. Dennoch
sind sich Interessengruppen entlang der gesamten Versorgungskette einig, dass
durchaus unlautere Handelspraktiken bestehen, und vor allem KMU beklagen, dass
solche Praktiken relativ häufig vorkommen und sich nachteilig auf ihre
Finanzkraft und ihre Fähigkeit, Geschäfte zu tätigen, auswirken. Die
Konsultationen im Rahmen des Grünbuchs, Begleitstudien und einige neuere
nationale Initiativen deuten darauf hin, dass ein „gemischter Ansatz“,
bestehend aus freiwilligen Vereinbarungen ergänzt durch glaubwürdige und
effektive Durchsetzungsmechanismen, die auf vergleichbaren Grundsätzen
basieren, ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken
darstellen könnte. Gäbe es eine wirksame Abschreckung, könnten freiwillige
Initiativen wie die Supply Chain Initiative in erster Linie dazu dienen,
Streitigkeiten zwischen Handelspartnern beizulegen; öffentliche
Durchsetzungsmechanismen und Gerichtsverfahren müssten nur genutzt werden, wenn
die effizientere und schnellere Alternative einer Lösung im beidseitigem
Einvernehmen nicht umsetzbar ist. Daher würden die Vorschläge dieser Mitteilung
die Supply Chain Initiative nicht nur erweitern, sondern auch stärken, da sie
für Interessenverbände, die bisher aufgrund der mangelnden
Durchsetzungsmechanismen von einer Teilnahme abgesehen haben, attraktiver wäre. Um die durch
unlautere Handelspraktiken verursachten Probleme anzugehen, schlägt die
Kommission vor, freiwillige Initiativen und Regulierungsrahmen zu kombinieren,
die unlauteren Praktiken zu ermitteln und Grundsätze für ihre Eindämmung zu
erarbeiten, wobei die unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten und Ansätze
berücksichtigt werden sollten. Während einige Mitgliedstaaten spezielle
Bestimmungen verabschiedet haben, vertrauen andere auf allgemeine
Rechtsgrundsätze und/oder auf Selbstregulierungsinitiativen. Wenn die
Mitgliedstaaten über die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen entscheiden, sollten
sie, im Einklang mit dieser Mitteilung und bewährten Verfahren in anderen
Mitgliedstaaten, verhältnismäßig vorgehen und mögliche Auswirkungen auf
Interessengruppen und Verbraucher berücksichtigen. Auf Ebene der Kommission
haben die vorgeschlagenen Maßnahmen keine über die bereits in der offiziellen
Planung für die kommenden Jahre vorgesehenen Ausgaben hinausgehenden
Auswirkungen auf den Haushalt. Die Kommission
wird die erzielten Fortschritte verfolgen und prüfen, indem sie (i) die
tatsächlichen Auswirkungen der Supply Chain Initiative und ihrer nationalen
Plattformen[25]
und (ii) die Durchsetzungsmechanismen der Mitgliedstaaten bewertet, um das
Vertrauen aller Beteiligten in das ordnungsgemäße Funktionieren der
Lebensmittelversorgungskette zu erhöhen. Die Kommission wird
dem Rat und dem Europäischen Parlament Ende 2015 einen Bericht vorlegen. Auf
der Grundlage dieses Berichts wird die Kommission entscheiden, ob weitere
Maßnahmen auf Ebene der EU erforderlich sind, um die beschriebenen
Herausforderungen anzugehen. [1] Die Ausgaben für Lebensmittel belaufen sich auf rund
14 % des durchschnittlichen Haushaltsbudgets in der EU (Eurostat
HBS-Daten). [2] Bericht des Hochrangigen Forums für die Verbesserung der
Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette, Dezember 2012. [3] Siehe Mitteilung der Kommission KOM(2009) 591: Die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette
in Europa verbessern http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/publication16061_de.pdf. [4] Survey on Unfair Commercial Practices in Europe,
März 2011, durchgeführt von Dedicated im Auftrag der CIAA (Europäischer Verband
der Lebensmittel- und Getränkeindustrie) und der AIM (Europäischer Verband der
Markenartikelindustrie). [5] Report on the relations between manufacturers and
retailers in the food sector, Comisión Nacional de la Competencia, Oktober
2011. [6] Indagine conoscitiva sul
settore della GDO – IC43, August 2013. [7] Siehe auch Mitteilung der Kommission KOM (2011) 78
endgültig: Überprüfung des „Small Business Act“ für Europa, die festhält, dass
„... KMU oft von verschiedenen Akteuren in der Lieferkette missbräuchliche
Vertragsklauseln und unlautere Praktiken aufgezwungen“ werden. [8] Das neue Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums
enthält Maßnahmen, die die Gründung und Stärkung von Erzeugerorganisationen
fördern sollen und den Erzeugern im Umgang mit größeren Abnehmern eine Hilfe
sein können. [9] Die neue gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse
der Fischerei und der Aquakultur (Verordnung (EU) Nr. 1379/2013)
unterstützt Erzeugerorganisationen dabei, ihre Produkte besser auf dem Markt zu
platzieren und ihre Marktposition über Produktions- und Marketingpläne zu
stärken. [10] Beschluss der Kommission vom 30. Juli 2010 zur Einrichtung
eines Hochrangigen Forums für die Verbesserung der Funktionsweise der
Lebensmittelversorgungskette (2010/C 210/03). [11] Belgien, Deutschland, den Niederlanden und Finnland. [12] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Januar
2012 zu den Ungleichgewichten in der Lebensmittelversorgungskette. [13] Grünbuch über unlautere Handelspraktiken in der
B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel in Europa,
COM(2013) 37 vom 31. Januar 2013. [14] Impact of Unfair Trading Practices in the European
agri-food sector, April 2013, durchgeführt von Dedicated im Auftrag von
COPA COGECA (Europäischer Verband der Landwirte und ihrer Genossenschaften in
der Europäischen Union) [15] Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung. [16] Richtlinie 93/13/EWG vom 5. April 1993 über missbräuchliche
Klauseln in Verbraucherverträgen. [17] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher
Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie
rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 28. November 2013,
COM(2013) 813 final. [18] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 11. Oktober 2011 über ein Gemeinsames Europäisches
Kaufrecht (KOM(2011) 635 endg.). [19] Richtlinie
2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005
über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr
zwischen Unternehmen und Verbrauchern. [20] http://www.supplychaininitiative.eu [21] Ebda. [22] Entschließung des Europäischen Parlaments vom
11. Dezember 2013 zu dem Europäischen Aktionsplan für den Einzelhandel zum
Nutzen aller Beteiligten. [23] Report on the relations between manufacturers and
retailers in the food sector, Comision Nacional de la Competencia, Oktober
2011. [24] Zur Beobachtung der allgemeinen Preisentwicklung ist das
europäische Instrument für die Überwachung der Lebensmittelpreise ein
geeignetes Hilfsmittel:
http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/food/competitiveness/prices_monitoring_en.htm. [25] In diesem Zusammenhang wird die Kommission in Erwägung
ziehen, das Mandat des Hochrangigen Forums für die Verbesserung der
Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette zu verlängern, sodass es die
Umsetzung der Maßnahmen dieser Mitteilung im Rahmen eines transparenten Dialogs
mit privaten Interessengruppen und nationalen Behörden begleiten kann.