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Document 52013IE6638

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Marktwirtschaftliche Instrumente zur Förderung einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft in der EU“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 226 vom 16.7.2014, p. 1–9 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    16.7.2014   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 226/1


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Marktwirtschaftliche Instrumente zur Förderung einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft in der EU“ (Initiativstellungnahme)

    2014/C 226/01

    Berichterstatter: Martin SIECKER

    Mitberichterstatter: Lutz RIBBE

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 18. September 2013, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Marktwirtschaftliche Instrumente zur Förderung einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft in der EU

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 3. März 2014 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 297. Plenartagung am 25./26. März 2014 (Sitzung vom 25. März) mit 123 gegen 2 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Die Umstellung auf eine ressourceneffiziente und kohlenstoffarme Wirtschaft geht nicht rasch genug vonstatten. Wenn die EU ihre Ziele für 2050 auf kosteneffiziente und sozial vertretbare Weise wie von den Mitgliedstaaten vereinbart und in verschiedenen EWSA-Stellungnahmen befürwortet erreichen soll, sind raschere Fortschritte vonnöten. Das ist möglich, wenn ein klarer, wirksamer, starker und effizienter Rechtsrahmen mit vorhersehbaren marktwirtschaftlichen Instrumenten (market-based instruments — MBI) verknüpft wird. Die von den Mitgliedstaaten vereinbarten Emissionsreduktionsziele heben darauf ab, den Ressourcenverbrauch und die Klimaaufheizung zu verlangsamen und dadurch eine künftige Umweltkrise abzuwenden. Mittelfristig müssen dazu die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut und die Kohleverstromung erheblich zurückgefahren werden, es sei denn, Kohlenstoffabscheidungstechnologien erweisen sich als wirtschaftlich und gesellschaftlich tragfähig.

    1.2

    Infolge der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise stehen die Energiepreise aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Energiekosten der Haushalte im Kontext der Sparprogramme und auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie immer mehr in der Diskussion. Energie wird als Hindernis bei der Krisenbewältigung und nicht als Teil der Lösung angesehen. Dies sind echte Anliegen, die wahrgenommen werden müssen; gleichzeitig aber muss eine langfristige Umstellung des Energiesektors programmiert werden, die durch zielorientierte und auf Stabilität ausgerichtete politische Maßnahmen und Fördermechanismen unterstützt wird. Es ist wichtig, dass marktwirtschaftliche Instrumente (MBI) sowohl den Übergang zu einer ressourcenschonenden und kohlenstoffarmen Wirtschaft als auch die wirtschaftliche Erholung voranbringen.

    1.3

    Eine ökologische Finanzreform hebt darauf ab, über Marktmechanismen negative Auswirkungen der Nutzung natürlicher Ressourcen haushaltsneutral durch eine Senkung der Besteuerung des Faktors Arbeit auszugleichen. Damit einher geht eine systematischere Anwendung des Verursacherprinzips, indem umweltschädlich wirkende Subventionen schrittweise abgeschafft werden und die Steuerlast vom Faktor Arbeit auf den Faktor Ressourcenverbrauch verlagert wird. Dadurch kann sie Marktversagen korrigieren, die wirtschaftliche Effizienz verbessern, helfen, neue Branchen mit zukunftsfähigen Arbeitsplätzen vor Ort zu erschließen, klare berechenbare Rahmenbedingungen für Investitionen in Öko-Innovationen schaffen und dazu beitragen, durch zusätzliche Staatseinnahmen die Haushaltsstabilität nach der Krise wieder herzustellen.

    1.4

    Die Energiepreise sind in allen Bereichen gestiegen. Dagegen wehren sich Privathaushalte und Industrie in vielen Mitgliedstaaten. Es muss eingehend untersucht werden, woher diese Preisanstiege rühren (Erzeugung, Verteilung, Steuern) und wo erneuerbare Energien zu steigenden Preisen, Preisstabilität oder sinkenden Preisen beigetragen haben. Der Ausschuss ermutigt die Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine letztlich grundlegendere Reform ihrer Steuersysteme zu vorsichtigen ökologischen Finanzreformen, ganz besonders in Krisenzeiten. Wesentliches Element einer solchen Reform muss die Gewährleistung angemessener CO2-Preise in der EU sein, die auch auf internationaler Ebene entsprechend vereinbart werden. Der Ausschuss fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine ökologische Finanzreform mit Schwerpunkt auf der Förderung von Energieeffizienz zu einem festen und dauerhaften Bestandteil des Europäischen Semesters zu machen.

    1.5

    MBI werden in der EU bislang nicht ausreichend konsequent und kohärent eingesetzt. Die EU-Mitgliedstaaten nutzen die Möglichkeiten des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft für die Erneuerung und Modernisierung der Industrie und die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht umfassend. Die Automobilbranche kann als Beispiel dafür dienen, wie der Verbrauch kohlenwasserstoffhaltiger Kraftstoffe durch eine geeignete Kombination aus Rechtsinstrumenten und MBI erfolgreich gesenkt werden kann. Die MBI müssen gestärkt und ausgebaut werden, um ein deutliches Signal an die Märkte zu senden. Der Ausschuss appelliert an die Mitgliedstaaten, sich die Grundsätze für vorbildliche Praktiken zu eigen zu machen, die die Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung zum Energiebinnenmarkt und damit einhergehenden Leitlinien (1) formuliert hat. Die Vollendung des Energiebinnenmarkts würde zweifelsohne große Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten ausräumen. Zudem könnten durch die Fertigstellung staatenübergreifender Energieverbundnetze und dadurch einen leichteren Zugriff auf Standby-Kraftwerkskapazitäten die Kosten der Umstellung auf erneuerbare Energieträger verringert werden.

    1.6

    Neben energiepolitischen Maßnahmen können MBI auch in Verbindung mit anderen Strategien zur Förderung von Ressourceneffizienz und Emissionssenkungen wie Recycling, nachhaltigere Abfallwirtschaft oder nachhaltigere Landwirtschaft eingesetzt werden.

    1.7

    Eine Ökologische Steuerreform (ÖSR) begünstigt eine Verlagerung der Steuerlast von der Arbeit auf den Ressourcenverbrauch und fördert die Erhaltung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in vielen Bereichen der Wirtschaft. Oder aber innerhalb eines Sektors wie Energie können durch eine solche Reform die durch fossile Brennstoffe verursachten schädlichen CO2-Emissionen besteuert und die so generierten Einnahmen für die Subventionierung der Einführung saubererer Technologien, wie bspw. Erneuerbare Energien- und Energieeffizienz-Technologien, verwendet werden, um einen wesentlich nachhaltigeren Energiemix zu erreichen und gleichzeitig für erschwinglichere Energiepreise bzw. -rechnungen zu sorgen. Sie kann zur Haushaltskonsolidierung beitragen und sich dabei weniger negativ auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung auswirken als andere direkte oder indirekte Steuern. Die Europäische Kommission sollte bei der Förderung einer ÖSR als Koordinator und Impulsgeber wirken.

    1.8

    Nach Meinung des Ausschusses darf es nicht hingenommen werden, dass Tätigkeiten, die auf nicht zu rechtfertigende Weise umweltschädlich sind, in der EU immer noch subventioniert werden — sowohl direkt mit öffentlichen Mitteln als auch indirekt über die aufgrund einer unzureichenden Umsetzung des Verursacherprinzips nicht internalisierten externen Kosten. Diese Art Subventionen bewirken eine Verzerrung der Marktsignale und behindern den Übergang zu einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft. Die EU hat sich schon seit Jahren auf den Abbau umweltschädlicher Subventionen und die Internalisierung der externen Kosten festgelegt. Die EU hat dazu 2020 als Zeithorizont angesetzt, doch der Ausschuss befürchtet, dass die bisherigen Tätigkeiten dafür nicht ausreichen. Der Ausschuss drängt die Mitgliedstaaten, Bestandsaufnahmen zu machen und Aktionspläne aufzustellen, um umweltschädliche Subventionen wie vorgesehen abzuschaffen. Die Kommission sollte auch hier als Koordinator und Impulsgeber agieren und bspw. für eine Einbeziehung in das Europäische Semester sorgen.

    1.9

    Solar- und Windenergie hat wesentlich geringere Umweltauswirkungen als aus fossilen Brennstoffen erzeugte Energie. Die Erzeugung sauberer Energie wird im Optimalfall sozialen und ökologischen Interessen sowie den Bedürfnissen künftiger Generationen gerecht, nutzt einheimische Quellen und verringert die Importabhängigkeit und schafft Arbeitsplätze. Dennoch hat saubere Energie auf dem Markt schlechtere Ausgangsbedingungen im Wettbewerb, da fossile Energieträger und Nuklearenergie in höherem Umfang (direkt und indirekt) subventioniert werden als erneuerbare Energieträger. Saubere Energieträger verdienen faire Entwicklungschancen. Das macht es unerlässlich, gleiche Ausgangsbedingungen bei der Energieerzeugung zu schaffen.

    1.10

    Das allgemeine Ziel einer Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft ist zwar weithin akzeptiert, doch sind das Tempo und die Art und Weise des Übergangs nach wie vor Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen. Mit Sorge wird das mangelnde Bewusstsein für die Auswirkungen der Rezession und der Schuldenkrise auf die Tragfähigkeit der europäischen Wirtschaft gesehen. Auch gibt es Bedenken, dass eine Beschleunigung des Übergangs kurz- und mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen wird. Schließlich gehen die Meinungen über die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen von Umstellungsmaßnahmen nach wie vor auseinander, und es wird der Vorwurf erhoben, dass negative Auswirkungen ignoriert werden. In dem Wissen, dass die Debatte noch lange nicht abgeschlossen ist, werden diese Bedenken in dieser Stellungnahme zur Kenntnis genommen. Nichtsdestotrotz appelliert der Ausschuss an die EU und ihre Mitgliedstaaten, sich die Dringlichkeit erfolgreicher Maßnahmen zur Verwirklichung einer kohlenstoffarmen Zukunft deutlicher vor Augen zu führen.

    2.   Einleitung

    2.1

    Die EU-Mitgliedstaaten haben ihre Wirtschaft nicht konsequent genug an den Klimawandel angepasst. In der EU hat eine umfassende Grundsatzdebatte über die Frage stattgefunden, ob sich die Gesellschaft mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung und den Klimawandel anpassen muss. Dabei hat sich Einvernehmen über das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung und in Verbindung damit der Ökologisierung der Wirtschaft ergeben. Diese politische Ausrichtung wurde in mehreren Dokumenten bekräftigt: in der 2001 beschlossenen und 2006 überarbeiteten EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung, im 7. Umweltaktionsprogramm, in der Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ der Europa-2020-Strategie, im Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa sowie im Fahrplan für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft bis 2050. Der Ausschuss hat dieses Ziel in diversen Stellungnahmen unterstützt.

    2.2

    In den vergangenen fünf Jahren sind alle Mitgliedstaaten mehr oder weniger durch die Bankenkrise und die Staatsschuldenkrise erschüttert worden, die durch eine erhebliche Konjunkturabschwächung weiter verschlimmert wurden. Die Entwicklung der Energiepreise für Haushalte und Unternehmen im Kontext der Sparmaßnahmen und angesichts des Preisdrucks im globalen Wettbewerb haben Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Umwelt- und Energiepolitik der EU und ihren potenziellen negativen Nebenwirkungen aufgeworfen. Die Lage ist kritisch und erfordert geeignete Maßnahmen. MBI müssen so eingesetzt werden, dass sie sowohl die Ökologisierung als auch die Erholung der Wirtschaft fördern.

    2.3

    Obwohl der Klimawandel ein Auslöser der Debatte war, ging es dabei auch um die Wirtschaft und gesellschaftlichen Fortschritt. Es wäre gewinnbringend für Europa, beim Übergang zu einer inklusiven grünen Wirtschaft die Führung zu übernehmen. Aus einer aktuellen Studie der Kommission geht hervor, dass die europäische Industrie bislang ihre globale Marktposition dank einer vergleichsweise niedrigen Energieintensität und einer hohen Marktdurchdringung erneuerbarer Energieträger behaupten konnte (2). Der Ausschuss hat bereits auf die Chancen hingewiesen, die eine kohlenstoffarme Wirtschaft für neue Geschäftsmodelle für nachhaltiges Wachstum und den industriellen Wandel eröffnet (3). Diesen Wandel rasch und erfolgreich zu bewerkstelligen ist zwar eine Herausforderung, jedoch bietet das grüne Wirtschaftsmodell auch die beste Möglichkeit für die EU, ihre Stellung als globale Wirtschaftsmacht aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig muss der Besorgnis Rechnung getragen werden, dass die Energiepreisentwicklung kurzfristig einer Deindustrialisierung Vorschub leistet. Insbesondere für die energieintensiven Industrien sind die niedrigen Gaspreise in den USA und Russland problematisch. Für die Mehrheit der Branchen jedoch sind Produktivität und Arbeitskosten wichtigere Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit als die Energiekosten. Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung zu einer stärkeren europäischen Industrie einen Schwerpunkt auf den Wandel hin zu einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft gelegt (4), weist jedoch auch darauf hin, dass dabei den wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten Rechnung getragen werden muss (5).

    2.4

    Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft würde die Energiesicherheit Europas erhöhen. Europa importiert derzeit Erdöl und Erdgas im Wert von 500 Mrd. EUR jährlich, und zwar z. T. aus politisch instabilen Regionen. Die Ersetzung von Brennstoffeinfuhren durch in der EU erzeugte emissionsarme Energie würde die Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärken und Wertschöpfungsketten in Europa erhalten. Wenn dieser Wandel rechtzeitig und in einem intelligent gesteuerten Tempo vollzogen wird und den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Interessen ausgewogen Rechnung trägt, kann er wesentlich zur Überwindung der Krise beitragen.

    2.5

    Der Wandel darf nicht auf Kosten der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gehen, und grundlegende Voraussetzung dafür ist die Belebung der Wirtschaftstätigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen in vielen Unternehmen in vielen Bereichen. In diesem Zusammenhang kann nicht ignoriert werden, wie billige, vor allem durch die Förderung von Schiefergas gewonnene Energie zu einem Aufschwung der US-amerikanischen Industrie geführt hat. Die EU-Wirtschaft benötigt dringend eine vergleichbare Re-Industrialisierung, damit wieder Arbeitsplätze entstehen und die Steuereinnahmen steigen. Als Voraussetzung für einen solchen Aufschwung muss die EU-Energiepolitik mehr Gewissheit vermitteln und globalen Zwängen besser gerecht werden, während sie gleichzeitig weiterhin auf den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ausgerichtet ist.

    2.6

    Die EU hat sich das Ziel einer 80-95 %igen Verringerung ihrer CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2050 gesetzt. Laut Schätzungen der Europäischen Kommission müssen etwa 1,5 % des BIP der EU pro Jahr zusätzlich in den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft investiert werden, wenn das Ziel erreicht werden soll. Ein Weitermachen wie bisher würde ihr zufolge Kosten von 50 Mrd. EUR jährlich verursachen. Allerdings sind diese potenziellen künftigen Kosten für die zig Millionen EU-Bürger, die derzeit arbeitslos sind oder eine Verschlechterung ihrer Lebensstandards hinnehmen müssen, weitaus weniger real als ihre gegenwärtigen Probleme. Wenn dieses Spannungsfeld nicht aufgelöst werden kann, wird die Verwirklichung des Ziels womöglich noch viel zeit- und kostenaufwändiger sein.

    2.7

    Ziele und Regelungen bestehen vor allem aus Worten; praktische Politik beruht auf Taten. Es ist nicht genug unternommen worden, um die Zielsetzungen zu erreichen. Dafür gibt es viele Gründe: die Finanzkrise, Untätigkeit der Mitgliedstaaten, politische Kehrtwende der Mitgliedstaaten und Widerstand seitens der Öl- und Gasindustrie. Hinzu kommen noch reale Unwägbarkeiten und Anpassungen aufgrund unvorhersehbarer Entwicklungen oder Ereignisse, wie der Schiefergas-Boom in den USA und die Atomkatastrophe von Fukushima. Die daraus resultierende Stop-and-go-Politik bietet nicht den notwendigen stabilen und berechenbaren Rahmen. Damit der Umstellungsprozess ohne Verzögerungen weitergehen kann, muss für ausreichende Flexibilität der Maßnahmen und gleichzeitig die erforderliche langfristige Investitionssicherheit sowie Unterstützung durch geeignete MBI gesorgt werden. Dazu ist ein eingehender Dialog zwischen allen Interessenträgern der Energieversorgungskette, den europäischen Institutionen, den Mitgliedstaaten, der Industrie und der Öffentlichkeit erforderlich.

    2.8

    Wie alle Märkte reagiert auch der Energiemarkt innerhalb des geltenden Regulierungsrahmens auf Preissignale. Wenn der Energiemarkt nicht den Energiemix liefert, der im Zuge der Umstellung erreicht werden soll, dann stimmen die Preissignale nicht. Die Preissignale können verändert werden, doch ist sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Interessenträger nicht schwer benachteiligt werden.

    2.9

    Bei der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft müssen die sozialen Auswirkungen, insbesondere auf Beschäftigung, berücksichtigt werden. Der Kommission zufolge ist das Beschäftigungswachstum in der grünen Wirtschaft während der Rezession gestiegen und soll weiterhin ziemlich stabil bleiben. Allein in den Branchen Energieeffizienz und erneuerbare Energien könnten bis 2020 rund 5 Millionen Arbeitsplätze entstehen (6).

    Ein gerechter Wandel muss durch aktive Beschäftigungspolitiken flankiert werden, um menschenwürdige Arbeitsplätze zu gewährleisten. Wesentliche Voraussetzung dafür ist ein wirtschaftlicher Aufschwung, der wiederum die entsprechenden Weichenstellungen in den Bereichen Energiepolitik, Energieinfrastruktur und Energiemärkte erfordert. Die Auswirkungen auf einkommensschwache Haushalte und Energiepreise müssen sorgfältig geprüft werden. Zudem geben die Energiemarktpreise die echten Energieerzeugungskosten bei verschiedenen Technologien nicht korrekt wider. Anders als bei Strom aus erneuerbaren Energieträgern wird ein Großteil der bei der konventionellen Stromerzeugung anfallenden Kosten nicht separat im Strompreis ausgewiesen und über die Stromrechnung bezahlt, sondern über die öffentlichen Haushalte subventioniert und über negative Auswirkungen als externe Kosten in den Gesundheits- und Umweltbereich verlagert.

    2.10

    Mit der komplexen Thematik der Energiepreise und Auswirkungen der Kosten auf die Privathaushalte und die Industrie setzt sich die Kommission in ihrer Mitteilung über Energiepreise und -kosten in Europa (7) auseinander. U.a. gelangt sie darin zu der Schlussfolgerung, dass die Maßnahmen, die durch die in den letzten Jahren am stärksten gestiegene „Preiskomponente der energiepolitisch motivierten Abgaben und Steuern“ finanziert werden, so kosteneffektiv wie möglich durchgeführt werden müssen.

    3.   Marktwirtschaftliche Instrumente

    3.1   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.1

    Viele EU-Rechtsvorschriften heben auf Emissionsminderung ab. Ein Regelungsrahmen reicht allein nicht aus; der Wandel muss durch finanzielle und wirtschaftliche Anreize („Zuckerbrot und Peitsche“) unterstützt werden. Dabei kommt marktwirtschaftlichen Instrumenten (market-based instruments — MBI) wie Umweltsteuern, handelbaren Emissionsrechten und Subventionsreformen eine wesentliche Funktion zu (8).

    3.1.2

    Diese Instrumente können das Marktgeschehen beeinflussen, denn sie verbessern das System der Preissignale durch die Internalisierung externer Kosten, bieten den Unternehmen mehr Flexibilität sowie Unterstützung beim Hinarbeiten auf Ziele und fördern Effizienz und Innovation.

    3.1.3

    Die EU und die Mitgliedstaaten haben bestimmte Instrumente wie Umweltsteuerreformen, Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, Emissionshandel, Förderung erneuerbarer Energien und ein umweltorientiertes Beschaffungswesen eingeführt. Die verfügbaren Instrumente sind grundsätzlich geeignet. Das Problem liegt eher in der Umsetzung in Rechtsvorschriften, der angemessenen Anwendung, Überwachung und Durchsetzung, und dabei muss öffentliche Akzeptanz sichergestellt werden. Gibt es dabei Lücken, dann besteht ernstlich die Gefahr, dass die Instrumente nicht richtig funktionieren und die Ergebnisse zu wünschen übrig lassen, während den Privathaushalten und der Industrie überhöhte Kosten aufgelastet werden. Die uneinheitliche Lage kommt in den drastischen Energiekostenunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zum Ausdruck.

    3.1.4

    Wenn die EU ihre Emissionssenkungsziele erreichen will, muss sie mehr Dynamik entfalten und öffentliche Überzeugungsarbeit leisten. Es muss mehr Energie gespart und aus fossilen Energieträgern erzeugte Energie durch erneuerbare Energie ersetzt werden — beides Grundvoraussetzungen für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft. Bei der Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger muss berücksichtigt werden, dass für Back-up-Kapazitäten gesorgt werden muss und in Übergangsphasen beispielsweise auf Gas- oder Kernkraftwerke zurückgegriffen wird. Von der Nutzung der vorhandenen Instrumente durch die Mitgliedstaaten gehen keine ausreichenden Impulse auf den Markt aus. Wichtige Instrumente wie Umweltsteuern werden nicht angemessen eingesetzt.

    Das liegt vor allem daran, dass der mögliche Energiemix der einzelnen Mitgliedstaaten je nach den geografischen und klimatischen Gegebenheiten, den verfügbaren natürlichen Ressourcen und der Geschichte sehr unterschiedlich ausfällt. Deshalb unterscheiden sich die Aktionspläne der Mitgliedstaaten für Emissionsreduktionen wie auch ihr Einsatz von MBI erheblich voneinander.

    3.1.5

    Nach Ansicht des Ausschusses sollten erneuerbare Energieträger Teil des Energiemixes sein, wobei im Rahmen ihrer vorrangigen Förderung sichergestellt werden muss, dass die energiepolitischen Maßnahmen sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft fördern. Indes drängt der Ausschuss ungeachtet der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten auf eine möglichst rasche Fertigstellung der transeuropäischen Energienetze. Durch eine Anbindung an diese Netze können im Rahmen der einzelstaatlichen Strategien wertvolle zusätzliche Ressourcen erschlossen werden.

    3.1.6

    Die Umweltpolitik sollte eng mit anderen Politikbereichen verknüpft werden. Durch eine dezentrale Stromerzeugung in ländlichen Gebieten können viele zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Wenn Umwelt- und Regionalpolitik auch in finanzieller Hinsicht ineinander greifen, kann die Lebensqualität in ländlichen Gebieten deutlich verbessert werden.

    3.2   Umweltsteuern

    3.2.1

    Der Gedanke hinter Umweltsteuern ist die Bepreisung umweltschädlicher wirtschaftlicher Tätigkeiten im Einklang mit dem Verursacherprinzip, um in den Marktpreisen die echten Kosten zu berücksichtigen, die durch Produktion und Verbrauch entstehen. In Polen bspw. müssen Verursacher von Umweltverschmutzung in den Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft einzahlen, über den Anreize für Nachhaltigkeitsprogramme finanziert werden. Das Recht, direkte und indirekte Steuern zu erheben, liegt in der EU bei den Mitgliedstaaten. Nur wenige Mitgliedstaaten haben spezifische Umweltsteuern eingeführt; einige gute Beispiele gibt es (z. B. in Finnland, Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Slowenien, Estland). Die Größenordnung der Steuerverlagerungen fällt je nach Mitgliedstaat unterschiedlich aus; insgesamt jedoch belaufen sie sich schätzungsweise auf mehr als 25 Mrd. EUR jährlich (9).

    3.2.2

    Obwohl sich Umweltsteuern in einigen Mitgliedstaaten bewährt haben, haben ÖSR nicht ihr volles Potenzial entfaltet und tiefgreifende finanzpolitische Veränderungen bewirkt. Es wäre zu betonen, dass ÖSR enorme Möglichkeiten bieten, vor allem in Kombination mit Beschäftigungsförderungsmaßnahmen. Wenn die Devise von EU-Kommissarin Connie Hedegaard „Tax what you burn, not what you earn“ (sinngemäß: Brennstoff- statt Einkommensteuer) in die Praxis umgesetzt und die Steuerlast von der Arbeit auf den Ressourcenverbrauch verlagert wird, sinkt der Arbeitgeberanteil an den Arbeitskosten und wird die Schaffung neuer Arbeitsplätze erleichtert, und zwar nicht nur in Öko-Nischen, sondern in vielen Bereichen der Wirtschaft. ÖSR sollten der Eckstein bei der notwendigen allgemeinen Sanierung der Staatsfinanzen mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung sein. Eine solche Reform sollte nicht die Gesamtsteuerlast erhöhen und daher kosten- und ökoeffizient sein. Es sollte vermieden werden, dass die Energiekostensteigerungen die durch Energieeffizienz ermöglichten Energiekosteneinsparungen überschreiten.

    3.2.3

    ÖSR können auch dazu beitragen, Haushaltsdefizite zurückzufahren. Umweltsteuern können zur Haushaltskonsolidierung beitragen und dabei weniger negative Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung haben als andere direkte oder indirekte Steuern wie Einkommensteuer oder Mehrwertsteuer (10). Die Kommission sollte ihren Ansatz, die Vorteile von ÖSR im Jahreswachstumsbericht zu berücksichtigen, im Rahmen des Europäischen Semesters konsequent vorantreiben.

    3.3   Auslaufen schädlicher Subventionen

    3.3.1

    Die EU will bis 2020 umweltschädliche Subventionen abschaffen (11). Die Kommission hat dies 2006 und 2009 versprochen, und 2009 wurde im Rahmen der G20-Beschlüsse vereinbart, Subventionen für fossile Energieträger, die den verschwenderischen Verbrauch fördern, auslaufen zu lassen. Die Verpflichtung wurde auch von der APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) sowie in den Ergebnissen der Rio+20-Konferenz aufgegriffen. Indes ist trotz all dieser Versprechungen bisher nicht genug getan worden.

    3.3.2

    Auf internationaler Ebene hat die OECD Daten über umweltschädliche Subventionen in OECD-Ländern vorgelegt: Demzufolge belaufen sich unmittelbar budgetwirksame Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für fossile Brennstoffe in den OECD-Ländern auf einen Gesamtwert von 55 bis 90 Mrd. USD pro Jahr (12). Laut Berechnungen der IEA belaufen sich die Subventionen für fossile Brennstoffe, ihr zufolge „Volksfeind Nummer eins“, weltweit auf 523 Mrd. USD (13). Die Weltbank veranschlagt die jährlichen Subventionen für fossile Brennstoffe auf bis zu 775 Mrd. USD. Ohne eine Änderung der Politik werden die Subventionen für fossile Brennstoffe innerhalb weniger Jahre ins Unermessliche steigen und viele zusätzliche Probleme verursachen. Eine schrittweise Abschaffung der Subventionen für fossile Energieträger bis 2020 würde die Energienachfrage erheblich dämpfen, den Ausstoß von 1,7 Gt CO2 vermeiden und zusätzliche staatliche Einnahmen generieren.

    3.3.3

    Bislang gibt es keine umfassenden Daten über die Subventionierung fossiler Brennstoffe in der EU; unterschiedliche Quellen nennen unterschiedliche Zahlen. Allgemein lässt sich sagen, dass sie stark subventioniert werden. In der EU wird die Energieerzeugung aus fossilen Energieträgern mit jährlich 68,8 Mrd. EUR subventioniert; dies beinhaltet 26 Mrd. EUR Direktsubventionen und bis zu 42,8 Mrd. EUR, die den Mitgliedstaaten und Bürgern an Kosten durch gesundheitliche Schäden und soziale Folgen entstehen (14). Mit den umweltschädlichen Subventionen sollten ursprünglich nicht die Gesundheit oder Umwelt gefährdet werden, vielmehr dienten sie anderen und positiven Zielen, wie der preiswerten Energieerzeugung vor Ort oder der Schaffung von Arbeitsplätzen. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten dringend auf, zu prüfen, ob die Subventionierung dieser Ziele noch angesagt ist und wie dies erforderlichenfalls auf umweltverträgliche Weise getan werden kann. Ein erster Schritt wäre ein EU-Verzeichnis dieser Beihilfen.

    3.3.4

    Neben den öffentlichen Direktsubventionen und externen Gesundheitskosten müssen weitere, durch negative Umweltfolgen der Verstromung fossiler Brennstoffe verursachte Kosten eingerechnet werden, wie die Folgekosten von Umweltzerstörung sowie von klimawandelbedingten schweren Stürmen und Überschwemmungen. Diese sog. externen Kosten sind die Folge einer unzulänglichen Umsetzung des Verursacherprinzips. Das deutsche Umweltbundesamt schätzt die externen Umweltkosten von CO2-Emissionen auf 80 EUR/t CO2  (15); zusätzliche Kosten in Höhe von 290 Mrd. EUR entstehen dadurch, dass durch die Verbrennung von Brennstoffen 3,652 Mrd. t CO2-Emissionen verursacht werden (16). Kernkraftwerke werden in der EU mit insgesamt 35 Mrd. EUR subventioniert; hinzukommen die Kosten für die Deckung von Unfallrisiken und die Abfallentsorgung. Erneuerbare Energieträger werden mit 30 Mrd. EUR jährlich direkt subventioniert.

    3.3.5

    Trotz dieser ungleichen Ausgangslage schreitet die Entwicklung der Erneuerbare-Energien-Technologien rasch voran; die Kosten erneuerbarer Energie sind in den letzten Jahren stark gesunken (der Preis von Solarpaneelen ist um 85 % zurückgegangen) und im EE-Sektor sind viele Arbeitsplätze entstanden, während der Preis für fossile Energie unverändert hoch bleibt. Im Oktober 2013 forderten Interessengruppen aus der Energiewirtschaft, die Subventionen für erneuerbare Energieträger zu beenden und die Unterstützung der Atomenergie zu erhöhen. Wenn diesen Forderungen nachgegeben wird, dann haben erneuerbare Energieträger aufgrund fehlender gleicher Ausgangsbedingungen keine Chance, im Wettbewerb mit anderen Energieversorgungssystemen zu bestehen.

    3.3.6

    Nicht alle Subventionen sind schädlich. Wenn neue Technologien entwickelt werden müssen, um die nachhaltigere Wirtschaft der Zukunft zu fördern, kann es sinnvoll sein, die Vorlaufforschung, Entwicklung und Infrastrukturen durch Subventionen zu unterstützen, bis sich die neuen Technologien auf dem Markt behaupten können. Diese Art Unterstützung war in der Anfangsphase der Erneuerbaren unerlässlich und wird weiterhin so lange erforderlich sein, bis sie sich als wettbewerbsfähige Energieträger für die Zukunft durchgesetzt haben.

    3.3.7

    Laut dem Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa sollten die Mitgliedstaaten bis 2012 mithilfe etablierter Methoden die wichtigsten umweltschädlichen Subventionen identifiziert sowie Pläne und Fristen für die Abschaffung dieser Subventionen festgelegt und darüber in ihren nationalen Reformprogrammen Bericht erstattet haben. Dabei sind keine ausreichenden Fortschritte zu verzeichnen. In einer Studie der GD ENV aus dem Jahr 2012 wird ein Überblick über die unterschiedlichen umweltschädlichen Subventionen in der EU gegeben (17) und ein Fahrplan für eine Reform dieser Subventionen aufgestellt. Die Kommission sollte dieses Instrument im Rahmen des laufenden Europäischen Semesters überprüfen.

    3.4   Emissionshandelssystem

    3.4.1

    Das auf dem sog. „Cap and Trade“-Prinzip gründende EU-Emissionsrechtehandelssystem (EU-ETS) ist das wichtigste wirtschaftliche Instrument in Europa zur Senkung des Klimagasausstoßes. Das System soll Unternehmen einen starken Anreiz bieten, in die Vermeidung von Treibhausgasen zu investieren und dabei genügend Flexibilität zu bewahren, um eine möglichst effiziente Lösung zu finden.

    3.4.2

    Im ETS gibt es derzeit ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, sodass die preisliche Anreizwirkung für die erforderlichen Investitionen in kohlenstoffarme Technologien nicht ausreicht. Das Überangebot an Emissionszertifikaten ist vor allem auf die unerwartet schwere Wirtschaftskrise und die verbreitete Nutzung internationaler Gutschriften zurückzuführen. Das EU-ETS muss dringend reformiert werden, damit der Emissionshandel eine starke Anreizwirkung für Investitionen in kohlenstoffarme Technologien entfaltet. Die überschüssigen Zertifikate müssen vom Markt genommen und die verbleibenden Zertifikate müssen mit den künftigen Emissionsreduktionszielen der EU, die die Verwirklichung des EU-Ziels einer kohlenstoffarmen Wirtschaft bis 2050 ermöglichen, in Einklang gebracht werden. Eine entsprechende Reform sollte ebenfalls berücksichtigen, was für die Industrie technisch machbar und wirtschaftlich tragfähig ist und welche unbeabsichtigten Folgen daraus erwachsen könnten.

    3.5   Border carbon adjustment

    3.5.1

    Es sind weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionsverlagerungen erforderlich, beispielsweise der preisliche Grenzausgleich auf den Kohlenstoffgehalt von exportierten und importierten Gütern (Border Carbon Adjustments, BCA), um gleiche Ausgangsbedingungen zu gewährleisten. Bei BCA wird der Preis importierter Güter an der Grenze auf der Grundlage ihres Klimagasgehalts erhöht. Modellen einer neueren Studie (18) zufolge können BCA Emissionsverlagerungen in betroffenen Branchen erheblich mindern.

    3.5.2

    BCA in ihrer derzeit geplanten Form werden von einigen der wichtigsten Handelspartner der EU nicht gutgeheißen. Darüber muss im Rahmen der WTO verhandelt werden. Das WTO-Abkommen ermöglicht die Prüfung solcher „nicht handelsbezogenen Anliegen“. Allerdings sollte nicht unterschätzt werden, wie schwierig sich dies ohne eine internationale Vereinbarung über eine Bepreisung der CO2-Emissionen gestalten würde. Dem kann durch konzeptionelle Verbesserungen von BCA begegnet werden. Schlussendlich sind angemessen konzipierte BCA keine Anti-Dumping-Maßnahme, sondern dienen der Förderung eines weltweiten nachhaltigen Klimaschutzes.

    3.6   Förderung nachhaltiger Energie

    3.6.1

    Die Förderung der erneuerbaren Energien (EE) ist eine grundlegende Voraussetzung für die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft; MBI können in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion erfüllen. Die Einführung dieser Instrumente fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die zum Teil auf unterschiedliche Instrumente zurückgegriffen haben, um Strom aus erneuerbaren Energieträgern zu fördern: Investitionsförderung und operative Unterstützung einschließlich Einspeisevergütungen. Erfahrungen verschiedener Mitgliedstaaten zeigen, dass Einspeisevergütungen — häufig über die Garantie einer großzügigen Rendite — die größte Steigerungsrate bei der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern erzielt haben.

    3.6.2

    Einspeisevergütungen zur Förderung der Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen sollten jedoch keinesfalls nur über eine Erhöhung der Energiepreise im Allgemeinen finanziert werden, da sonst womöglich die Öffentlichkeit gegen die Energiepreise und die Erneuerbaren als solche rebelliert. Jedoch ist vielerorts genau das passiert, und das Aufbegehren ist Realität. Es sind dringend Korrekturmaßnahmen erforderlich, um die öffentliche Unterstützung für die grüne Wende zu festigen.

    3.6.3

    Die unterschiedlichen Förderregelungen der Mitgliedstaaten tragen zur Fragmentierung des europäischen Energiemarkts bei. Der Ausschuss befürwortet MBI, die die Integration nationaler Förderregelungen in einem europäischen Energiemarkt begünstigen. Die Einsetzung von „Mechanismen der Zusammenarbeit“, wie sie in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie aus dem Jahr 2009 definiert werden, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung von EU-Synergien über den Elektrizitätsbinnenmarkt (19).

    3.7   MBI im Automobilsektor

    3.7.1

    Die Automobilbranche kann generell als Vorbild für eine erfolgreiche Anwendung von MBI dienen. Das Umstellungsziel lautet, den Verbrauch von kohlenwasserstoffhaltigen Kraftstoffen zu senken und letztendlich ganz darauf zu verzichten. Die Strategie umfasst vier Elemente: Vorschriften, Technologie, Infrastruktur und MBI. Vorschriften sorgen dafür, dass bei neuen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren die Kraftstoffeffizienz verbessert und die Emissionen verringert werden. Die Technologie ermöglicht es, die Kohlenwasserstoffvorschriften einzuhalten und Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Die zunehmende Nutzung von Elektrofahrzeugen erfordert eine Infrastruktur mit Ladestationen einschl. Verbrauchserfassungssystemen, Austausch von Batterien usw., die zunächst parallel zur vorhandenen herkömmlichen Kraftstoffinfrastruktur aufgebaut wird und diese letztendlich ersetzen soll. Neben der Weiterentwicklung der Vorschriften, Technologie und Infrastruktur können auch MBI maßgeblich zur Umstellung beitragen.

    3.7.2

    Als augenfälligstes Ergebnis haben MBI zur Eskalation der Steuern auf kohlenwasserstoffhaltige Kraftstoffe geführt. Dies hat Besitzer von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren dazu bewegt, kleinere Fahrzeuge mit höherer Kraftstoffeffizienz anzuschaffen und auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder umzusteigen. Auch die Besteuerung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren wurde angepasst, um über eine Kaufpreissteuer oder eine jährlich zu entrichtende Nutzungssteuer die Anschaffung und Nutzung kraftstoffsparender Fahrzeuge zu fördern. Durch eine entsprechende unterschiedliche Besteuerung werden auch Elektrofahrzeuge gefördert, wobei deren Marktdurchdringung noch zahlreiche andere Hindernisse im Wege stehen.

    3.8   Umweltorientiertes Beschaffungswesen

    3.8.1

    Mit einem öffentlichen Auftragsvolumen von 16 % des BIP der EU ist der öffentliche Sektor ein wichtiger Marktakteur. Das umweltorientierte öffentliche Beschaffungswesen ist daher ein wichtiges Instrument zur Förderung grüner Produkte und Dienstleistungen. Mit ihrem Aktionsplan 2008 für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch und einer Mitteilung über umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen hat die Kommission in den letzten Jahren auf ein umfangreiches Beratungs- und Unterstützungssystem hingearbeitet. Anhand einer Bewertung der Leistung der Mitgliedstaaten gab die Kommission als Orientierungsziel vor, dass die Mittelverwendung bis 2010 zu 50 % umweltorientiert sein sollte. Dieses Ziel liegt noch in weiter Ferne und sollte in den Aktionsplänen der Mitgliedstaaten eine höhere Priorität erhalten.

    3.9   Privatwirtschaftliche Investitionen

    3.9.1

    Die Umstellung auf ein nachhaltiges Produktions- und Verbrauchsmuster im Energiebereich und anderen Sektoren setzt eine grundlegende Umstrukturierung der Wirtschaft voraus. Staaten und regierungspolitische Maßnahmen können das nicht allein bewältigen. Erforderlich ist eine gesellschaftsweite Auseinandersetzung mit den Fragestellungen und ein umfassender gemeinschaftlicher Dialog unter Beteiligung aller Interessenträger, um einen Konsens zu erreichen und den Willen für die Durchführung der erforderlichen Veränderungen hervorzubringen. Gemäß dem Fahrplan für eine kohlenstoffarme Wirtschaft müssen der öffentliche Sektor und die Privatwirtschaft in den kommenden 40 Jahren zusätzliche Investitionen von 270 Mrd. EUR jährlich tätigen. Aus öffentlichen Mitteln kann ein Drittel der erforderlichen Investitionen finanziert werden, der Rest muss von der Privatwirtschaft aufgebracht werden. Es handelt sich hierbei um langfristige Investitionen; die Kommission betrachtet diese Investitionen als zentrale Herausforderung, um die EU wieder auf den Weg zu einer intelligenten, nachhaltigen und inklusiven Wirtschaft zurückzuführen, beispielsweise durch die Schaffung eines neuen Europäischen langfristigen Investitionsfonds (ELTIF) und die Fazilität Connecting Europe (CEF).

    3.9.2

    Um Investitionen in kohlenstoffarme und klimaresistente Infrastrukturen und grünes Wachstum zu ermöglichen, sollten die Regierungen einem Umwelt-Arbeitspapier der OECD aus dem Jahr 2012 zufolge umfassende strategische, eng mit nationalen Klimaschutzzielen verknüpfte Infrastrukturpläne aufstellen. Die Kommission sollte nach Möglichkeiten suchen, ein solches Investitionsumfeld auch für Europäische langfristige Investitionsfonds zur Verwirklichung einer nachhaltigen Zukunft zu schaffen. Diesbezüglich sollten die Investitionsprioritäten der CEF und des ELTIF auf die Ziele des EU-Fahrplans für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft bis 2050, des Energiefahrplans 2050, der EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel und des derzeit anvisierten Klima- und Energiepakets für 2030 abgestimmt werden.

    3.9.3

    Solche Fonds könnten diese Art Investitionen erleichtern. Da die Fälligkeiten der zu finanzierenden langfristigen Vermögenswerte den Verpflichtungen institutioneller Investoren gerecht werden, können diese Art Investitionsfonds auch für den Kapitalmarkt interessant sein. Allerdings müssen diese Investitionen dadurch attraktiv gemacht werden, dass es nur geringe — vor allem regulatorische — Risiken gibt, Aussicht auf ausreichende Investitionserträge besteht und die Projekte, in die investiert wird, finanziell und technisch solide sind.

    3.9.4

    Innovative Fonds und Finanzinstrumente, die für die Kapitalmärkte attraktiv sind, sind zu begrüßen. Die klassische Bankenfinanzierung wird jedoch weiterhin eine wesentliche Rolle in der europäischen Wirtschaft spielen. Die Ökologisierung von Bankenstandards ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung für die Verlagerung von klassischen Anlageformen auf Investitionen in kohlenstoffarme und klimaresistente Vorhaben. Damit die Klima- und Energieziele erreicht werden können, müssen innovative Finanzinstrumente durch privatwirtschaftliche Finanzmittel Investitionen katalysieren, die sonst gar nicht stattfinden würden.

    Brüssel, den 25. März 2014

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  SWD(2013) 439 final.

    (2)  Europäische Kommission, Energy Economic Developments in Europe, European Economy 1/2014.

    (3)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Geschäftsmodelle für nachhaltiges Wachstum, kohlenstoffarme Wirtschaft, industrieller Wandel“, ABl. C 133 vom 9.5.2013, S. 8.

    (4)  Mitteilung der Kommission „Eine stärkere europäische Industrie bringt Wachstum und wirtschaftliche Erholung“, COM(2012) 582.

    (5)  Mitteilung „Ein Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030“ [COM(2014) 15].

    (6)  Mitteilung der Kommission „Einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung gestalten“ (COM(2012) 173 final).

    (7)  Mitteilung der Kommission „Energiepreise und -kosten in Europa“ (COM (2014) 21 final).

    (8)  Grünbuch „Marktwirtschaftliche Instrumente für umweltpolitische und damit verbundene politische Ziele“ (COM(2007) 140 final).

    (9)  Institute for European Environmental Policy (IEEP), Reforming environmental taxes and harmful subsidies: challenges and opportunities, S. 6.

    (10)  Vivid Economics, CO2-Besteuerung und Haushaltskonsolidierung: Die Möglichkeit mit CO2-Preisen Haushaltsdefizite in Europa zu reduzieren, Bericht erstellt für die European Climate Foundation und Green Budget Europe, Mai 2012.

    (11)  Beschluss Nr. 1386/2013/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020.

    (12)  OECD, Fossil fuel subsidies: billions up in smoke?, 2013.

    (13)  Europäischer Windenergieverband (EWEA), Pressemitteilung vom 4.2.2013.

    (14)  Quellen für die Zahlenangaben zu Direktsubventionen: OECD (2013), Inventory of Estimated Budgetary Support and Tax Expenditures for Fossil Fuels 2013; OECD and IVM Institute for Environmental Studies (2013), „Budgetary support and tax expenditures for fossil fuels: an inventory for six non-OECD EU countries“. Quellen für die Zahlenangaben zu Gesundheitsfolgen: Bericht der Health and Environment Alliance (HEAL), The unpaid health bill — how coal power plants make us sick, 2013. S. auch „Oettinger schönt Subventionsbericht“, Süddeutsche Zeitung, 14.10.2013, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/foerderung-der-energiebranche-oettinger-schoent-subventionsbericht-1.1793957.

    (15)  Bundesumweltamt, Schätzung der Umweltkosten in den Bereichen Energie und Verkehr, 2012.

    (16)  Quelle: EU energy in figures — statistical pocketbook 2013.

    (17)  Institute for European Environmental Policy (IEEP): Study supporting the phasing-out of environmental harmful subsidies, Oktober 2012.

    (18)  Vivid Economics, CO2-Besteuerung und Haushaltskonsolidierung: Die Möglichkeit mit CO2-Preisen Haushaltsdefizite in Europa zu reduzieren, Bericht erstellt für die European Climate Foundation und Green Budget Europe, Mai 2012.

    (19)  SWD(2012) 164 final.


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