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Document 52012AE0819

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäft und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)“ COM(2011) 651 final — 2011/0295 (COD) und zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation“ COM(2011) 654 final — 2011/0297 (COD)

    ABl. C 181 vom 21.6.2012, p. 64–67 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    21.6.2012   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 181/64


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäft und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)“

    COM(2011) 651 final — 2011/0295 (COD)

    und zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation“

    COM(2011) 654 final — 2011/0297 (COD)

    2012/C 181/12

    Berichterstatter: Arno METZLER

    Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 25. November 2011 bzw. am 15. November 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 und 304 des Vertrags über Arbeitsweise der Europäischen Union um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäft und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)

    COM(2011) 651 final — 2011/0295 (COD).

    Der Rat beschloss am 2. Dezember 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 des Vertrags über Arbeitsweise der Europäischen Union um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Vorschlag für Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation

    COM(2011) 654 final — 2011/0297 (COD).

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 7. März 2012 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 479 Plenartagung am 28./29. März (Sitzung vom 28. März mit 138 gegen 2 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Inhalte und Schlussfolgerungen

    1.1   Der EWSA begrüßt, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag den durch die geltende Marktmissbrauchsrichtlinie geschaffenen Rahmen aktualisiert und damit das Vertrauen in die Integrität der Kapitalmärkte schützt.

    1.2   Der EWSA stimmt dem von der Kommission unterbreiteten Vorschlag grundsätzlich zu. In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung des Vorschlages der Kommission in Gestalt einer Verordnung und einer Richtlinie hat der EWSA jedoch verschiedene Bedenken, die teilweise grundlegender Art sind.

    1.3   Insbesondere die unklare Formulierung von vielen Tatbeständen in dem Entwurf für eine Verordnung zum Marktmissbrauch sowie die Überantwortung der weiteren Konkretisierung an ESMA bzw. die Kommission auf Level-2-Ebene sind geeignet, erhebliche Rechtsunsicherheit zu erzeugen. Dies gibt im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Bestimmtheit von Strafnormen Anlass zu Kritik. Der Grundsatz der Bestimmtheit von Strafnormen ist nicht nur in den Verfassungen der Mitgliedstaaten, sondern auch in der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert. Es dürfte weder im Interesse der Kommission, noch im Interesse der Mitgliedstaaten sowie der Rechtsanwender sein, wenn ein europäischer Rechtssetzungsakt derartige grundsätzliche verfassungs- und strafrechtliche Bedenken auslöst. Der EWSA fordert die Kommission daher zu einer weitergehenden Konkretisierung der Tatbestände noch auf Level-1-Ebene auf.

    1.4   Anlass zu Kritik gibt auch Art. 11 des Vorschlages für die Verordnung, der jeden, der gewerbsmäßig Geschäfte mit Finanzinstrumenten vermittelt oder ausführt zur Einführung von Mechanismen zur Aufdeckung von Marktmissbrauch verpflichtet. Ein Mehr an bürokratischem Aufwand bedeutet nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Regulierung. Der EWSA befürwortet eine effiziente und ausgewogene Regulierung. Die Regelung lässt nicht nur befürchten, dass eine Masse unqualifizierter Meldungen abgegeben wird, was nicht im Sinne der Aufsichtsbehörden sein kann. Er benachteiligt auch gerade kleine Kreditinstitute in unverhältnismäßiger Weise und ist daher geeignet, lokale Wirtschaftskreisläufe und damit insbesondere die Interessen der Bevölkerung sowie kleiner und mittlerer Unternehmen in ländlichen Regionen zu beeinträchtigen. Der EWSA fordert die Kommission auf, diesen Bedenken Rechnung zu tragen und einen differenzierten Regelungsansatz zu wählen, wie die Kommission dies auch etwa in Bezug auf die Entlastung kleiner und mittlerer Emittenten in verschiedenen aktuellen Regelungsvorschlägen tut.

    2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

    2.1   Mit dem Erlass der Richtlinie 2003/6/EG zu Insidergeschäften und Marktmanipulation ist auf europäischer Ebene erstmals eine Rechtsvereinheitlichung der Regelungen für Marktmissbrauch angestrebt worden. Am 20. Oktober 2011 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung dieser Richtlinie in Form einer Richtlinie (MAD) und einer Verordnung (MAR) über Marktmissbrauch veröffentlicht.

    2.2   Ziel der Kommission ist es, den durch die geltende Marktmissbrauchsrichtlinie geschaffenen Rahmen zu aktualisieren und für eine fortschreitende Vereinheitlichung der europäischen Regelungen für Insidergeschäfte und Marktmanipulation zu sorgen. Dabei reagiert die Kommission auf sich verändernde Marktgegebenheiten.

    2.3   Während die Markmissbrauchsrichtlinie nur an geregelten Märkten gehandelte Finanzinstrumente erfasst, dehnt der Vorschlag den Anwendungsbereich auf Finanzinstrumente aus, die auf neuen Handelsplattformen und außerbörslich („over the counter“ – OTC) gehandelt werden. Daneben erweitert der Vorschlag die Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse der Regulierungsbehörden und soll den Verwaltungsaufwand für kleine und mittlere Emittenten verringern.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1   Der EWSA begrüßt, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag auf sich verändernde Marktgegebenheiten reagiert und den durch die Marktmissbrauchsrichtlinie geschaffenen Rahmen zu aktualisieren beabsichtigt. Insiderhandel und Marktmissbrauch beeinträchtigen das Vertrauen in die Integrität der Märkte, das eine unverzichtbare Voraussetzung für einen funktionsfähigen Kapitalmarkt ist.

    3.2   Die Ausdehnung des Anwendungsbereiches der geltenden Regelungen zum Marktmissbrauch auf nicht an geregelten Märkten gehandelte Finanzinstrumente sowie auf die Nutzung hochentwickelter Technologien zur Umsetzung von Handelsstrategien wie dem Hochfrequenzhandel ist ein sinnvolles Vorgehen. Dies kann aber nur dann die Integrität der Märkte gewährleisten helfen, wenn deutlich ist, welche praktischen Folgen die Ausweitung des Anwendungsbereiches für die neu aufgenommenen, außerbörslich gehandelten Finanzinstrumente und den Hochfrequenzhandel haben soll.

    3.3   Eine größere Harmonisierung der Regelungen für Insidergeschäfte und Marktmissbrauch ist begrüßenswert. Die Ausgestaltung des vorliegenden Kommissionsvorschlages durch eine Verordnung und eine Richtlinie zum Marktmissbrauch ist allerdings geeignet, eine Vielzahl rechtlicher Probleme, insbesondere im Hinblick auf durch den Vorschlag jeweils betroffene allgemeine straf- und verfassungsrechtliche Prinzipien, aufzuwerfen und gibt aus diesem Grund Anlass für Kritik.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   Der EWSA begrüßt die Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf außerbörslich gehandelte Finanzinstrumente. Unklar bleibt allerdings, in welcher Form diese von dem Vorschlag erfasst werden sollen. Für außerbörslich gehandelte Finanzinstrumente gibt es oftmals gar keinen Markt, da sie lediglich bilateral gehandelt werden. Insoweit dürfte für die Rechtsanwender eine weitere Konkretisierung, etwa durch Ausarbeitung von Beispielsfällen durch die Kommission oder ESMA, hilfreich sein.

    4.2   Der EWSA begrüßt grundsätzlich auch die Einbeziehung hochentwickelter Technologien zur Umsetzung von Handelsstrategien in den Anwendungsbereich der Regelungen zum Marktmissbrauch. Zu bedenken ist aber, dass der auf Algorithmen basierende Handel nicht per se negativ ist, sondern von Kreditinstituten auch zur Abwicklung von alltäglichen Ordergeschäften durch Privatkunden genutzt wird. Daher bedarf es für die Rechtsanwender auch hier einer weiteren Konkretisierung dessen, was rechtlich zulässig ist. Hierfür bietet sich ebenfalls eine Ausarbeitung von Beispielfällen durch die Kommission oder ESMA an.

    4.3   Die Europäische Union hat bei einer Rechtssetzung auf dem Gebiet des Strafrechts den Subsidiaritätsgrundsatz zu beachten. Das geltende Recht sieht eine Regelung in der Form einer Richtlinie vor, Kritik an diesem Ansatz ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, warum die Kommission diesen Ansatz nicht weiterhin verfolgt. Der Vorschlag sieht im Hinblick auf die Sanktionen eine Regelung in der Richtlinie (MAD) vor. Die zu sanktionierenden Tatbestände sind dagegen in der Verordnung (MAR) geregelt und sollen in den Mitgliedstaaten unmittelbare Anwendung finden.

    4.4   Die Regelung der Tatbestände in der Form einer Verordnung ist zweifelhaft, da die vorgeschlagenen Regelungen zu einer Vielzahl an Rechtsanwendungsschwierigkeiten führen dürften. Diese können – anders als bei einer Richtlinie – von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung nicht mehr verhindert werden. Im Sinne der Zielsetzung des Kommissionsvorschlags sollten Schwierigkeiten der Rechtsanwendung jedoch vermieden werden.

    4.5   Rechtsanwendungsschwierigkeiten dürften durch die fehlende Präzisierung von Formulierungen sowie durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe verursacht werden. Die durch Sanktionsnormen hervorgerufene Rechtsunsicherheit berührt allgemeine Prinzipien des Verfassungsrechts sowie des Strafrechts. Dazu gehört der Grundsatz der Bestimmtheit von Strafnormen (nulla poena sine lege certa – z.B. Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz, Art. 25 Abs. 2 der italienischen Verfassung). Demnach muss eine Norm klar erkennen lassen, in welchen Fällen ein Verhalten sanktioniert wird. Dieses allgemeine rechtsstaatliche Prinzip ist auch in Art. 7 EMRK verankert. Der EWSA hat im Hinblick auf die Mehrheit der Regelungen in dem Vorschlag für die Verordnung Zweifel, ob dieser Grundsatz hinreichend berücksichtigt worden ist. Bereits das geltende Regelungsregime zum Insiderrecht wird, jedenfalls in der deutschen juristischen Fachliteratur, als zu große Rechtsunsicherheiten erzeugend und aus diesem Grunde kritisch gesehen.

    4.6   Rechtsunsicherheit wird zudem erzeugt durch diejenigen Vorschriften, die die Kommission bzw. ESMA ermächtigen, auf Level-2-Ebene Konkretisierungen der Sanktionstatbestände vorzunehmen, wie es in Art. 8 Abs. 5 des Vorschlages zur MAR der Fall ist. Zwar ergibt sich aus Art. 8 selbst keine Rechtsfolge, da die Vorschrift lediglich den Begriff der Marktmanipulation bestimmt. Gleichwohl wäre es rabulistisch auf die unmittelbar fehlende Sanktionswirkung von Art. 8 zu verweisen, da die Vorschrift als maßgeblicher Definitionstatbestand für das Delikt des Marktmissbrauches im Ergebnis zwingend Bestandteil der Sanktionsnorm ist. Zudem enthält der Anhang I zur MAR bereits einen Katalog von Indikatoren in Bezug auf einzelne Tatbestandsmerkmale von Art. 8, so dass es fragwürdig ist, diesen in einem weiteren Schritt auf Level-2-Ebene noch zu konkretisieren. Der EWSA hat Verständnis für das dieser Vorgehensweise wohl zugrunde liegende Anliegen der Kommission, eine laufende Anpassung an aktuelle Marktentwicklungen zu ermöglichen und deshalb die Konkretisierung einzelner Elemente oder Aspekte der Kommission oder ESMA zuzuweisen. Neue Marktentwicklungen können auch die Anforderungen an die Aufsicht verändern. Dieses Vorgehen ist im Hinblick auf die betroffene Regelungsmaterie des Strafrechts jedoch rechtsstaatlich bedenklich. Zudem ist aus dem Zusammenspiel von Art. 8, dem Anhang und ggf. weiteren konkretisierenden Maßnahmen kaum noch in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen, welches Verhalten sanktioniert werden soll.

    4.7   Auch dürfte ESMA durch die auf Level-2-Ebene – nicht nur aufgrund des Vorschlages zur Regelung von Marktmissbrauch, sondern auch und parallel aufgrund des Vorschlages zur Neufassung der Richtlinie 2004/39/EG (MiFID) – vorzunehmenden Konkretisierungen überlastet werden. Dies lässt wiederum zeitliche Verzögerungen und fortbestehende Unsicherheiten befürchten.

    4.8   Zweifelhaft in Bezug auf den Adressatenkreis ist die in Art. 11 Abs. 2 des Entwurfes zur MAR getroffene Regelung, die jeden, der gewerbsmäßig Geschäfte mit Finanzinstrumenten vermittelt oder ausführt, verpflichtet, Mechanismen zur Abwehr und zur Aufdeckung von Marktmissbrauch zu schaffen.

    4.9   Personen, die beruflich Geschäfte mit Finanzinstrumenten tätigen, trifft bereits eine Pflicht zur Verdachtsanzeige (vgl. Art. 6 Abs. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie). Diese Verdachtsanzeigen liefern, jedenfalls nach Aussage der deutschen Aufsichtsbehörde BaFin (vgl. Bericht BaFin Journal Juli 2011, S. 6 ff) gut verwertbare Hinweise. Ihre Zahl steigt stetig an.

    4.10   Die Einführung von systemischen Aufdeckungsmechanismen ist geeignet, zu einer Vervielfachung vermeintlich verdächtiger Meldungen zu führen. Eine Masse an unqualifizierten Meldungen kann jedoch nicht im Sinne der Aufsichtsbehörden sein. Praktisch scheint das Problem in Bezug auf Verstöße gegen das Marktmissbrauchsverbot weniger zu sein, dass die Aufsicht keine Kenntnis von den Delikten erhält, als vielmehr, dass die überwiegende Zahl von Verfahren von den Staatsanwaltschaften nicht verfolgt bzw. gegen Geldzahlung eingestellt wird. Möglicherweise fehlt es insoweit in den Mitgliedstaaten etwa an spezialisierten Abteilungen in den Staatsanwaltschaften.

    4.11   Auch ist fraglich, ob jeder, der gewerbsmäßig Geschäfte mit Finanzinstrumenten vermittelt oder ausführt, überhaupt der geeignete Adressat für die Schaffung von Systemen ist, mit denen Marktmissbrauch verhindert und aufgedeckt werden soll.

    4.12   Einen umfassenden Überblick über den nationalen Handel dürften jedenfalls die Handelsüberwachungsstellen der Börsen haben. Da Marktmissbrauch grenzüberschreitend erfolgen kann, würde es der EWSA begrüßen, wenn diese zu einem Ausbau ihrer internationalen Zusammenarbeit ermächtigt werden würden.

    4.13   Insbesondere ist auch fraglich, ob kleine und mittlere Kreditinstitute zur Schaffung systemischer Mechanismen zur Abwehr und Aufdeckung von Marktmissbrauch verpflichtet werden sollten. Diese dürften von der Schaffung gesonderter Mechanismen vermutlich überfordert werden. Kleine und mittlere Kreditinstitute kommen oftmals in ländlichen Regionen vor und sind für die Versorgung der dort ansässigen Bevölkerung sowie kleiner und mittlerer Unternehmen wichtig. Damit tragen sie zur Stabilisierung lokaler Wirtschaftskreisläufe und zur Förderung lokaler Beschäftigung bei. Beispielhaft zu nennen sind hier etwa die Kreditgenossenschaften wie die Cajas Rurales in Spanien oder die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland. Kreditinstitute können nicht die Aufgaben der Aufsicht übernehmen. Die Aufdeckung und insbesondere die Bewertung von Fällen von Marktmissbrauch ist Aufgabe der Aufsichtsbehörden.

    4.14   Zudem stünde eine – zusätzliche – Belastung kleiner und mittlerer Kreditinstitute im Widerspruch zu dem Ziel der Kommission, mit den Vorschlägen zugleich den Verwaltungsaufwand für kleine und mittlere Emittenten zu verringern. Dieses Ziel hat sich die Kommission, neben weiteren Zielen, nicht nur bei der Unterbreitung ihres Regelungsvorschlages zum Marktmissbrauch, sondern etwa auch bei demjenigen zur Überarbeitung der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG gesetzt. Spektakuläre Fälle von Marktmanipulation, die im Zusammenhang mit einzelnen Banken bekannt geworden sind, wurden durch einzelne Händler im Investmentbanking, wie etwa im Jahr 2008 den Franzosen Jérôme Kerviel, ausgelöst. Prominente Fälle von Insiderhandel zeigen, dass Kreditinstitute im Zusammenhang mit diesem Delikt eher keine Rolle spielen. Kleine und mittlere Kreditinstitute sind in Bezug auf die Schaffung systemischer Mechanismen zur Abwehr und Aufdeckung von Marktmissbrauch daher ungeeignete Adressaten, der insoweit nicht differenzierende Ansatz in Art. 11 des Entwurfes zur MAR trägt diesen Unterschieden nicht hinreichend Rechnung.

    4.15   Vor diesem Hintergrund sollte erwogen werden, für diejenigen, die gewerbsmäßig Geschäfte mit Finanzinstrumenten vermitteln oder ausführen in Bezug auf Marktmissbrauch eine Aufsichtsstruktur nach dem Vorbild der Selbstverwaltung unter staatlicher Rechtsaufsicht in den Freien Berufen zu schaffen. Eine solche Aufsichtsstruktur würde das notwendige Fach- und Branchenwissen für eine qualitäts- und vertrauenssichernde, effektive Berufsaufsicht integrieren. Gibt man Finanzmarktakteuren eine Selbstverwaltungsaufgabe unter staatlicher Rechtsaufsicht, nutzt dies vor allem den Verbrauchern und eben nicht den Interessen der Marktakteure, die sich gegenseitig in Schach halten. Selbstverwaltung bricht erworbene Privilegien auf und schafft Transparenz.

    4.16   Die für das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark vorgesehene Ausstiegsklausel aus dem Entwurf zur MAD (Erwägungsgrund 20-22) läuft der Zielsetzung der Rechtsvereinheitlichung zuwider. Eine Ergänzung bzw. Änderung des Entwurfes an den entsprechenden Stellen wäre daher im Sinne der Zielsetzung. Das Vereinigte Königreich hat bereits erklärt, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen und sich – jedenfalls vorerst – nicht an der Annahme und Anwendung der Richtlinie zu beteiligen. Als Argument wird im Wesentlichen angeführt, dass der Entwurf zur MAD von den Ergebnissen der derzeit diskutierten Vorschläge zur MAR sowie zur MiFID abhänge und die daraus sich ergebenden Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar seien. Einerseits bestätigt diese Position aus unserer Sicht die vorstehend geäußerten Bedenken in Bezug auf die Rechtsunsicherheit, die durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Ermächtigung zu zeitlich nachfolgenden Konkretisierungen hervorgerufen werden dürfte. Andererseits ist dieses Vorgehen im Hinblick auf die angestrebte Rechtsvereinheitlichung bedenklich, da mit London der größte Finanzplatz in der EU im Vereinigten Königreich liegt.

    Brüssel, den 28. März 2012

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


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