Rechtssache C-465/07

Meki Elgafaji

und

Noor Elgafaji

gegen

Staatssecretaris van Justitie

(Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State)

„Richtlinie 2004/83/EG – Mindestnormen über die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus – Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz – Art. 2 Buchst. e – Tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens – Art. 15 Buchst. c – Ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts – Beweis“

Leitsätze des Urteils

1.        Visa, Asyl, Einwanderung – Asylpolitik – Mindestnormen über die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus –Richtlinie 2004/83 – Voraussetzungen für den Anspruch auf subsidiären Schutz

(Richtlinie 2004/83 des Rates, Art. 15 Buchst. b und c)

2.        Visa, Asyl, Einwanderung – Asylpolitik – Mindestnormen über die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus – Richtlinie 2004/83 – Voraussetzungen für den Anspruch auf subsidiären Schutz

(Richtlinie 2004/83 des Rates, Art. 2 Buchst. e und Art. 15 Buchst. c)

1.        Das durch Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) garantierte Grundrecht gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, deren Einhaltung der Gerichtshof sichert. Für die Auslegung der Reichweite dieses Rechts in der Gemeinschaftsrechtsordnung findet auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Berücksichtigung. Es ist jedoch Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, der im Wesentlichen Art. 3 EMRK entspricht.

Art. 15 Buchst. c dieser Richtlinie hingegen ist eine Vorschrift, deren Inhalt sich von dem des Art. 3 EMRK unterscheidet und die daher, unbeschadet der Wahrung der durch die EMRK gewährleisteten Grundrechte, autonom auszulegen ist.

(vgl. Randnr. 28)

2.        Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist wie folgt auszulegen:

–       Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.

–       Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.

Diese Auslegung ist in vollem Umfang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK vereinbar.

(vgl. Randnrn. 43-44 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

17. Februar 2009(*)

„Richtlinie 2004/83/EG – Mindestnormen über die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus – Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz – Art. 2 Buchst. e – Tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens – Art. 15 Buchst. c – Ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts – Beweis“

In der Rechtssache C‑465/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach den Art. 68 EG und 234 EG, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2007, in dem Verfahren

Meki Elgafaji,

Noor Elgafaji

gegen

Staatssecretaris van Justitie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und M. Ilešič sowie der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus und L. Bay Larsen (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn und Frau Elgafaji, vertreten durch A. Hekman, advocaat,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und C. ten Dam als Bevollmächtigte,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki, T. Papadopoulou und G. Papagianni als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch J.‑C. Niollet als Bevollmächtigten,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch R. Adam als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch S. Johannesson und C. Meyer-Seitz als Bevollmächtigte,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von S. Wordsworth, Barrister,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304, S. 12, mit Berichtigung in ABl. 2005, L 204, S. 24, im Folgenden: Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn und Frau Elgafaji (im Folgenden: Eheleute Elgafaji) einerseits, die beide die irakische Staatsangehörigkeit besitzen, und dem Staatssecretaris van Justitie andererseits wegen Ablehnung des Antrags der Eheleute Elgafaji, ihnen eine befristete Aufenthaltserlaubnis in den Niederlanden zu erteilen.

 Rechtlicher Rahmen

 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

3        Die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bestimmt in ihrem Art. 3 („Verbot der Folter“):

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

 Gemeinschaftsrecht

4        Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:

„Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Gemeinschaft um Schutz ersuchen.“

5        Der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:

„Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.“

6        Im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie wird ausgeführt:

„Die Richtlinie achtet die Grundrechte und befolgt insbesondere die in der [am 7. Dezember 2000 in Nizza verkündeten] Charta der Grundrechte der Europäischen Union [ABl. C 364, S. 1] anerkannten Grundsätze. Die Richtlinie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde, des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen.“

7        Die Erwägungsgründe 24 bis 26 der Richtlinie lauten:

„(24) Ferner sollten Mindestnormen für die Bestimmung und die Merkmale des subsidiären Schutzstatus festgelegt werden. Der subsidiäre Schutzstatus sollte die in [dem am 28. Juli 1951 unterzeichneten] Genfer [Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge] festgelegte Schutzregelung für Flüchtlinge ergänzen.

(25)      Es müssen Kriterien eingeführt werden, die als Grundlage für die Anerkennung von internationalen Schutz beantragenden Personen als Anspruchsberechtigte auf einen subsidiären Schutzstatus dienen. Diese Kriterien sollten völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach Rechtsakten im Bereich der Menschenrechte und bestehenden Praktiken in den Mitgliedstaaten entsprechen.

(26)      Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, stellen für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre.“

8        Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Das Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung von Mindestnormen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, sowie des Inhalts des zu gewährenden Schutzes.“

9        Nach Art. 2 Buchst. c, e und g der Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke

„c)      ‚Flüchtling‘ einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will …

e)      ‚Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz‘ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel 15 zu erleiden, … und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

g)      ‚Antrag auf internationalen Schutz‘ das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt …“

10      In Kapitel II („Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz“) der Richtlinie wird durch Art. 4 Abs. 1, 3 und 4 Folgendes festgelegt:

–      Die Mitgliedstaaten können es als Pflicht des Antragstellers betrachten, alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen.

–        Die Anträge auf internationalen Schutz sind individuell zu prüfen, wobei eine Reihe von zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevanten Umständen, die mit dem Herkunftsland verbunden sind, und die persönlichen Umstände des Antragstellers zu berücksichtigen sind.

–        Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einem solchen Schaden bedroht wird.

11      Ebenfalls in Kapitel II der Richtlinie bestimmt Art. 8 Abs. 1:

„Bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz können die Mitgliedstaaten feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält.“

12      In Kapitel V („Voraussetzungen für den Anspruch auf subsidiären Schutz“) der Richtlinie sieht Art. 15 („Ernsthafter Schaden“) vor:

„Als ernsthafter Schaden gilt:

a)      die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

b)      Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

c)      eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.“

13      Nach Art. 18 der Richtlinie erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und V der Richtlinie erfüllt, den subsidiären Schutzstatus zu.

 Nationales Recht

14      Art. 29 Abs. 1 Buchst. b und d der Vreemdelingenwet (Ausländergesetz) 2000 (im Folgenden: Vw 2000) bestimmt:

„Eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach Art. 28 kann dem Ausländer erteilt werden,

b)      der plausibel gemacht hat, dass er triftige Gründe für die Annahme hat, dass er bei Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, Folterungen oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen oder Strafen ausgesetzt zu sein;

d)      für den die Rückkehr in sein Herkunftsland nach dem Urteil des Ministers im Zusammenhang mit der allgemeinen dortigen Situation eine besondere Härte darstellen würde.“

15      Das Vreemdelingencirculaire (Ausländer-Runderlass) 2000 in der am 20. Dezember 2006 geltenden Fassung bestimmt in Abschnitt C 1/4.3.1:

„Nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. b [Vw 2000] kann eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn der Ausländer plausibel gemacht hat, dass er triftige Gründe für die Annahme hat, dass er bei Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, Folterungen oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen oder Strafen ausgesetzt zu sein.

Diese Bestimmung beruht auf Art. 3 [EMRK]. Die Verweisung in ein Land, in dem jemand tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Behandlung ausgesetzt zu sein, stellt einen Verstoß gegen diesen Artikel dar. Wenn eine solche tatsächliche Gefahr glaubhaft gemacht worden ist oder wird, wird grundsätzlich eine befristete Aufenthaltserlaubnis wegen Asyls erteilt.

…“

16      In den Vreemdelingenbesluit (Ausländererlass) 2000 wurde ein neuer Art. 3.105d eingefügt, durch den mit Wirkung ab 25. April 2008 ausdrücklich Art. 15 Buchst. c der Richtlinie umgesetzt werden soll.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

17      Am 13. Dezember 2006 beantragten die Eheleute Elgafaji eine befristete Aufenthaltserlaubnis in den Niederlanden. Ihren Anträgen waren Unterlagen zum Beweis der tatsächlichen Gefahr beigefügt, der sie bei einer Ausweisung in ihr Herkunftsland Irak ausgesetzt wären. Zur Begründung ihres Antrags führten sie besonders Tatsachen an, die ihre persönliche Situation betrafen.

18      Sie führten u. a. aus, dass Herr Elgafaji, der der islamischen Konfession der Schiiten angehöre, von August 2004 bis September 2006 für ein britisches Unternehmen gearbeitet habe, das Personaltransporte zwischen dem Flughafen und der so genannten „Grünen Zone“ gesichert habe. Der beim selben Unternehmen beschäftigte Onkel von Herrn Elgafaji sei von Milizen getötet worden, und in seiner Sterbeurkunde sei als Todesursache ein terroristischer Anschlag angegeben worden. Kurze Zeit später sei an der Tür der Wohnung von Herr Elgafaji und seiner – zur islamischen Konfession der Sunniten gehörenden – Ehefrau ein Brief mit der Drohung „Tod den Kollaborateuren“ angebracht gewesen.

19      Mit Bescheiden vom 20. Dezember 2006 lehnte der Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie (Minister für Einwanderung und Integration, im Folgenden: Minister) die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis für die Eheleute Elgafaji ab; dieser Minister blieb für die Angelegenheit zuständig bis zum 22. Februar 2007, als die Zuständigkeit für Einwanderungsangelegenheiten auf den Staatssecretaris van Justitie übertragen wurde. Der Minister war insbesondere der Auffassung, dass die Eheleute Elgafaji die von ihnen angeführten Umstände nicht hinreichend belegt und daher nicht die tatsächliche Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung nachgewiesen hätten, der sie angeblich in ihrem Herkunftsland ausgesetzt seien. Deshalb falle ihre Situation nicht in den Anwendungsbereich von Art. 29 Abs. 1 Buchst. b Vw 2000.

20      Der Minister meinte, dass hinsichtlich des Schutzes nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie die gleiche Beweislast bestehe wie hinsichtlich des Schutzes nach Buchst. c dieses Artikels. Nach beiden Bestimmungen hätten Antragsteller, ebenso wie nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. b Vw 2000, hinreichend ihre persönlichen Umstände nachzuweisen, aus denen sich die tatsächliche Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung ergebe, der sie bei der Ausweisung in ihr Herkunftsland ausgesetzt wären. Da die Eheleute Elgafaji diesen Nachweis im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 Buchst. b Vw 2000 nicht geführt hätten, könnten sie sich nicht auf Art. 15 Buchst. c der Richtlinie berufen.

21      Gegen diese Ablehnung ihrer Anträge, ihnen eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, erhoben die Eheleute Elgafaji Klagen vor der Rechtbank te’ s‑Gravenhage, die den Klagen stattgab.

22      Die Rechtbank war insbesondere der Auffassung, dass Art. 15 Buchst. c der Richtlinie, der auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Heimatland des Schutzsuchenden abstelle, nicht den hohen Individualisierungsgrad der Bedrohung verlange, der nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie und Art. 29 Abs. 1 Buchst. b Vw 2000 erforderlich sei. Daher sei der dem Schutzsuchenden obliegende Beweis für eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Rahmen von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie leichter zu erbringen als nach Buchst. b dieses Artikels.

23      Demgemäß hob die Rechtbank die Bescheide vom 20. Dezember 2006, mit denen den Eheleuten Elgafaji eine befristete Aufenthaltserlaubnis versagt worden war, auf, weil der im Rahmen von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie verlangte Beweis an der Beweisanforderung ausgerichtet worden sei, die im Rahmen von Art. 15 Buchst. b gelte, der durch Art. 29 Abs. 1 Buchst. b Vw 2000 umgesetzt worden sei.

24      Nach Auffassung der Rechtbank hätte der Minister prüfen müssen, ob es nicht Gründe dafür gebe, Herrn und Frau Elgafaji wegen des Vorliegens eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. d Vw 2000 zu erteilen.

25      Nach Ansicht des auf Berufung hin mit dem Verfahren befassten Raad van State werfen die einschlägigen Vorschriften der Richtlinie Auslegungsschwierigkeiten auf. Der Raad van State weist außerdem darauf hin, dass Art. 15 Buchst. c der Richtlinie am 20. Dezember 2006, als die angefochtenen Bescheide des Ministers erlassen worden seien, noch nicht in niederländisches Recht umgesetzt gewesen sei.

26      Unter diesen Umständen hat der Raad van State das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 15 Buchst. c der Richtlinie so auszulegen, dass diese Bestimmung ausschließlich in einer Situation Schutz bietet, auf die auch Art. 3 EMRK, wie er durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgelegt wurde, anwendbar ist, oder bietet Art. 15 Buchst. c der Richtlinie im Vergleich zu Art. 3 EMRK einen ergänzenden oder einen anderen Schutz?

2.      Wenn Art. 15 Buchst. c der Richtlinie im Vergleich zu Art. 3 EMRK einen ergänzenden oder einen anderen Schutz bietet: Was sind in diesem Fall die Kriterien dafür, ob eine Person, die geltend macht, für den subsidiären Schutzstatus in Betracht zu kommen, tatsächlich Gefahr läuft, im Sinne von Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie eine ernsthafte individuelle Bedrohung als Folge von willkürlicher Gewalt zu erleiden?

 Zu den Vorlagefragen

27      Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht eine Klärung der Frage wünscht, welchen Schutz Art. 15 Buchst. c der Richtlinie im Verhältnis zu dem Schutz aus Art. 3 EMRK gewährt, wie er durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. u. a. Urteil NA./Vereinigtes Königreich vom 17. Juli 2008, noch nicht veröffentlicht in den Reports of Judgements and Decisions, §§ 115 bis 117 und die dort angeführte Rechtsprechung) ausgelegt worden ist.

28      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zwar das durch Art. 3 EMRK garantierte Grundrecht zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, deren Einhaltung der Gerichtshof sichert, und dass für die Auslegung seiner Reichweite in der Gemeinschaftsrechtsordnung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Berücksichtigung findet, dass es aber Art. 15 Buchst. b der Richtlinie ist, der im Wesentlichen Art. 3 EMRK entspricht. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie hingegen ist eine Vorschrift, deren Inhalt sich von dem des Art. 3 EMRK unterscheidet und die daher, unbeschadet der Wahrung der durch die EMRK gewährleisteten Grundrechte, autonom auszulegen ist.

29      Die Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, beziehen sich somit auf die Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. e.

30      Bei Berücksichtigung dieser Vorbemerkungen und der Umstände des Ausgangsverfahrens geht die Frage des vorlegenden Gerichts dahin, ob Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, voraussetzt, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Bei Verneinung dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, nach welchem Kriterium es sich richtet, ob eine solche Bedrohung als gegeben anzusehen ist.

31      Um diese Fragen zu beantworten, sind die drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines „ernsthaften Schadens“ vergleichend zu prüfen, die als Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen, um den Anspruch einer Person auf subsidiären Schutz zu begründen, sofern gemäß Art. 2 Buchst. e der Richtlinie stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in das betreffende Land „tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden … zu erleiden“.

32      Insoweit ist zu beachten, dass die Begriffe „Verhängung … der Todesstrafe“, „Vollstreckung der Todesstrafe“ sowie „Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers“ in Art. 15 Buchst. a und b der Richtlinie Situationen erfassen, in denen der den subsidiären Schutz Beantragende spezifisch der Gefahr ausgesetzt ist, einen Schaden ganz bestimmter Art zu erleiden.

33      Hingegen umfasst der in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie definierte Schaden, da er in „einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit“ des Antragstellers besteht, eine Schadensgefahr allgemeinerer Art.

34      Es ist dort nämlich in einem weiteren Sinne von „eine[r] … Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit“ einer Zivilperson statt von bestimmten Gewalteinwirkungen die Rede. Außerdem ergibt sich diese Bedrohung aus einer allgemeinen Lage eines „internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“. Schließlich wird die in Frage stehende Gewalt, der die Bedrohung entspringt, als „willkürlich“ gekennzeichnet, was impliziert, dass sie sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann.

35      In diesem Zusammenhang ist das Adjektiv „individuell“ dahin zu verstehen, dass es sich auf schädigende Eingriffe bezieht, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie ausgesetzt zu sein.

36      Dieser Auslegung, die Art. 15 Buchst. c der Richtlinie einen eigenen Anwendungsbereich zu sichern geeignet ist, steht nicht der Wortlaut des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie entgegen, wonach „Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, … für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar[stellen], die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre“.

37      Auch wenn dieser Erwägungsgrund impliziert, dass die objektive Feststellung einer Gefahr, die mit der allgemeinen Lage eines Landes im Zusammenhang steht, allein grundsätzlich nicht genügt, um den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie hinsichtlich einer bestimmten Person als erfüllt anzusehen, bleibt doch durch die Verwendung des Wortes „normalerweise“ der Fall einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre.

38      Der Ausnahmecharakter einer solchen Situation wird auch durch den subsidiären Charakter des in Frage stehenden Schutzes und durch die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bestätigt, da die in Art. 15 Buchst. a und b definierten Schäden einen klaren Individualisierungsgrad voraussetzen. Auch wenn kollektive Gesichtspunkte für die Anwendung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie eine bedeutende Rolle in dem Sinne spielen, dass die fragliche Person zusammen mit anderen Personen zu einem Kreis von potenziellen Opfern willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gehört, ändert dies nichts daran, dass diese Vorschrift systematisch im Verhältnis zu den beiden anderen Tatbeständen des Art. 15 der Richtlinie und deshalb in enger Beziehung zu dieser Individualisierung auszulegen ist.

39      Dies ist dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.

40      Es ist hinzuzufügen, dass bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie insbesondere zu berücksichtigen sein können

–        das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt sowie der tatsächliche Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betroffene Land, wie es sich aus Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie ergibt, und

–        gegebenenfalls das Vorliegen eines ernsthaften Hinweises auf eine tatsächliche Gefahr im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, angesichts dessen der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, geringer sein kann.

41      Schließlich ist zum Ausgangsverfahren zu bemerken, dass es, wenn Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erst nach den Ereignissen, mit denen das vorlegende Gericht im Ausgangsrechtsstreit befasst ist, ausdrücklich in die innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzt wurde, Sache des vorlegenden Gerichts ist, sich um eine Auslegung des nationalen Rechts, insbesondere des Art. 29 Abs. 1 Buchst. b und d Vw 2000, zu bemühen, die mit der Richtlinie in Einklang steht.

42      Nach ständiger Rechtsprechung muss nämlich ein nationales Gericht, das bei der Anwendung des nationalen Rechts – gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt – dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG nachzukommen (vgl. u. a. Urteile vom 13. November 1990, Marleasing, C‑106/89, Slg. 1990, I‑4135, Randnr. 8, und vom 24. Juni 2008, Commune de Mesquer, C‑188/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 84).

43      Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie wie folgt auszulegen ist:

–        Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.

–        Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.

44      Schließlich ist hinzuzufügen, dass die sich aus den vorstehenden Randnummern ergebende Auslegung von Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie in vollem Umfang mit der EMRK einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. u. a. Urteil NA./Vereinigtes Königreich, §§ 115 bis 117 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) vereinbar ist.

 Kosten

45      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist wie folgt auszulegen:

–        Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.

–        Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.