Rechtssache C‑454/06
pressetext Nachrichtenagentur GmbH
gegen
Republik Österreich (Bund) u. a.
(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesvergabeamts)
„Öffentliche Aufträge – Richtlinie 92/50/EWG – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Begriff der ‚Vergabe eines Auftrags‘“
Leitsätze des Urteils
1. Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 92/50 – Vergabe eines Auftrags – Begriff – Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer
(Richtlinie 92/50 des Rates, Art. 3 Abs. 1, 8 und 9)
2. Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 92/50 – Vergabe eines Auftrags – Begriff – Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer
(Richtlinie 92/50 des Rates, Art. 3 Abs. 1, 8 und 9)
3. Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 92/50 – Vergabe eines Auftrags – Begriff – Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer
(Richtlinie 92/50 des Rates, Art. 3 Abs. 1, 8 und 9)
1. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass sie nicht eine Situation umfassen, in der vom ursprünglichen Dienstleistungserbringer an den öffentlichen Auftraggeber erbrachte Dienstleistungen auf einen anderen Dienstleistungserbringer in Form einer Kapitalgesellschaft übertragen werden, deren Alleingesellschafter der ursprüngliche Dienstleistungserbringer ist, der den neuen Dienstleistungserbringer kontrolliert und ihm Weisungen erteilt, wenn der ursprüngliche Dienstleistungserbringer weiterhin die Haftung für die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen übernimmt.
Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer sind nämlich als Neuvergabe des Auftrags im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen. Die Änderung eines öffentlichen Auftrags während seiner Laufzeit kann als wesentlich angesehen werden, wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären.
Zwar ist die Ersetzung des Vertragspartners, dem der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ursprünglich erteilt hatte, durch einen neuen als eine solche wesentliche Änderung des betreffenden öffentlichen Dienstleistungsauftrags anzusehen, wenn sie nicht in den Bedingungen des ursprünglichen Auftrags vorgesehen war, eine interne Neuorganisation des Vertragspartners stellt jedoch keine wesentliche Änderung der Vertragsbedingungen des ursprünglichen Auftrags dar. Wenn also der neue Vertragspartner eine dem alten Vertragspartner zu 100 % gehörende Tochtergesellschaft ist, wenn dieser ein Weisungsrecht hat und wenn zwischen beiden ein Gewinn- und Verlustausschließungsvertrag besteht, stellt eine solche Vereinbarung keine Änderung einer wesentlichen Bestimmung des Auftrags dar, die als eine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 qualifiziert werden könnte.
(vgl. Randnrn. 34-35, 40, 43-45, Tenor 1)
2. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass sie eine Anpassung des ursprünglichen Vertrags an veränderte äußere Umstände, wie die Umrechnung ursprünglich in nationaler Währung ausgedrückter Preise in Euro, die geringfügige Verringerung dieser Preise zu ihrer Rundung und die Bezugnahme auf einen neuen Preisindex, der gemäß den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags den zuvor festgelegten Index ersetzt, nicht umfassen.
Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer sind nämlich als Neuvergabe des Auftrags im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen. Die Änderung eines öffentlichen Auftrags während seiner Laufzeit kann als wesentlich angesehen werden, wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären.
Auch in dem Fall, in dem ein bestehender Auftrag anlässlich der Umstellung auf den Euro dahin geändert wird, dass die ursprünglich in nationaler Währung ausgedrückten Preise in Euro umgerechnet werden, handelt es sich nicht um eine wesentliche Änderung des Auftrags, sondern nur um eine Anpassung desselben an geänderte äußere Bedingungen, sofern die Eurobeträge gemäß den geltenden Vorschriften gerundet werden. Zudem kann eine solche Umrechnung der Preise eines Auftrags in Euro während dessen Laufzeit eine Anpassung des inneren Wertes der Preise selbst über den nach den Vorschriften in Zusammenhang mit der Einführung des Euro zulässigen Betrag hinaus enthalten, ohne dass hierin eine neue Auftragsvergabe liegt, sofern es sich um geringfügige Anpassungen handelt, die sich objektiv erklären lassen. Dies ist der Fall, wenn sie die Durchführung des Auftrags erleichtern sollen, indem sie beispielsweise die Rechnungstellung vereinfachen. In Bezug auf die Neuformulierung der Wertsicherungsklausel ist festzustellen, dass die Bezugnahme auf einen neuen Preisindex keine Änderung wesentlicher Bedingungen des ursprünglichen Auftrags und damit keine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 darstellt, soweit sich die Neuformulierung auf die Anwendung der Bestimmungen des Basisvertrags über die Anpassung der Wertsicherungsklausel beschränkt hat.
(vgl. Randnrn. 34-35, 57-58, 61, 68-69, Tenor 2)
3. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass sie nicht eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens umfassen, in der ein öffentlicher Auftraggeber mit dem Auftragnehmer während der Laufzeit eines Dienstleistungsauftrags von unbestimmter Dauer in einem Nachtrag vereinbart, eine Kündigungsverzichtsklausel für drei Jahre zu verlängern, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung der neuen Klausel unwirksam geworden wäre, und für bestimmte Staffelpreise in einem besonderen Bereich größere Rabatte als die ursprünglich vorgesehenen festzulegen.
Da nämlich für die Beurteilung, ob eine neue Kündigungsverzichtsklausel eine neue Auftragsvergabe darstellt, entscheidend ist, ob diese Klausel als eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Vertrags anzusehen ist, kann eine Klausel, die nicht die Gefahr der Verfälschung des Wettbewerbs zum Nachteil potenzieller Bieter mit sich bringt, nicht als eine solche Änderung qualifiziert werden und stellt damit keine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 dar.
Die in einem Nachtrag vorgesehene Erhöhung des Rabatts, die eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung wie eine Preisermäßigung hat und folglich dahin ausgelegt werden kann, dass sie unter die Bestimmungen des Basisvertrags fällt, ist nicht als eine wesentliche Vertragsänderung anzusehen und stellt damit keine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 dar. Im Übrigen verändert zum einen die Erhöhung des Rabatts, durch die sich das Entgelt, das der Auftragnehmer erhält, gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen Entgelt verringert, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags nicht zugunsten des Auftragnehmers. Zum anderen kann die Tatsache allein, dass der öffentliche Auftraggeber einen größeren Rabatt auf einen Teil der Dienstleistungen erhält, die Gegenstand des Auftrags sind, nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil potenzieller Bieter führen.
(vgl. Randnrn. 76, 79-80, 83-87, Tenor 3)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
19. Juni 2008(*)
„Öffentliche Aufträge – Richtlinie 92/50/EWG – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Begriff der ‚Vergabe eines Auftrags‘“
In der Rechtssache C‑454/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesvergabeamt (Österreich) mit Entscheidung vom 10. November 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 2006, in dem Verfahren
pressetext Nachrichtenagentur GmbH
gegen
Republik Österreich (Bund),
APA-OTS Originaltext-Service GmbH,
APA Austria Presse Agentur registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter U. Lõhmus, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der pressetext Nachrichtenagentur GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Estermann,
– der Republik Österreich (Bund), vertreten durch A. Schittengruber und C. Mayr als Bevollmächtigte,
– der APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der APA Austria Presse Agentur registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, vertreten durch Rechtsanwalt J. Schramm,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann und C. Mayr als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch J.‑C. Gracia als Bevollmächtigten,
– der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Kukovec und R. Sauer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. März 2008
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) und der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der pressetext Nachrichtenagentur GmbH (im Folgenden: PN) gegen die Republik Österreich, die APA-OTS Originaltext-Service GmbH (im Folgenden: APA-OTS) und die APA Austria Presse Agentur registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: APA) wegen eines Auftrags über Dienstleistungen einer Nachrichtenagentur.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 bestimmt:
„Die Auftraggeber wenden bei der Vergabe ihrer öffentlichen Dienstleistungsaufträge und bei der Durchführung von Wettbewerben Verfahren an, die den Bestimmungen dieser Richtlinie angepasst sind.“
4 Art. 8 dieser Richtlinie lautet:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs I A sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben.“
5 Art. 9 der Richtlinie bestimmt:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs I B sind, werden gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben.“
6 Art. 10 der Richtlinie sieht vor:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs I A und des Anhangs I B sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben, wenn der Wert der Dienstleistungen des Anhangs I A größer ist als derjenige der Dienstleistungen des Anhangs I B. Ist dies nicht der Fall, so werden sie gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben.“
7 Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie bestimmt:
„Die Auftraggeber können in folgenden Fällen Dienstleistungsaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung vergeben:
…
e) für zusätzliche Dienstleistungen, die weder in dem der Vergabe zugrunde liegenden Entwurf noch im zuerst geschlossenen Vertrag vorgesehen sind, die aber wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses zur Ausführung der darin beschriebenen Dienstleistungen erforderlich sind, sofern der Auftrag an den Dienstleistungserbringer vergeben wird, der diese Dienstleistung erbringt,
– wenn sich die zusätzlichen Dienstleistungen in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht ohne wesentlichen Nachteil für den Auftraggeber vom Hauptauftrag trennen lassen oder
– wenn diese Dienstleistungen zwar von der Ausführung des ursprünglichen Auftrags getrennt werden können, aber für dessen Verbesserung unbedingt erforderlich sind.
Der Gesamtwert der Aufträge für die zusätzlichen Dienstleistungen darf jedoch 50 v. H. des Wertes des Hauptauftrags nicht überschreiten;
f) bei neuen Dienstleistungen, die in der Wiederholung gleichartiger Leistungen bestehen, die durch den gleichen Auftraggeber an den Dienstleistungserbringer vergeben werden, der den ersten Auftrag erhalten hat, sofern sie einem Grundentwurf entsprechen und dieser Entwurf Gegenstand des ersten Auftrags war, der nach den in Absatz 4 genannten Verfahren vergeben wurde. Die Möglichkeit der Anwendung des Verhandlungsverfahrens muss bereits bei der Ausschreibung des ersten Vorhabens angegeben werden; der für die nachfolgenden Dienstleistungen in Aussicht genommene Gesamtauftragswert wird vom Auftraggeber für die Anwendung des Artikels 7 berücksichtigt. Dieses Verfahren darf jedoch nur binnen drei Jahren nach Abschluss des ersten Auftrags angewandt werden.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
8 APA wurde in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg in Form einer registrierten Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Fast alle österreichischen Tageszeitungen sowie der österreichische Rundfunk ORF waren Mitglieder dieser Genossenschaft. Zusammen mit ihren Tochtergesellschaften ist APA führender Anbieter auf dem österreichischen Markt für Nachrichtenagenturen und erbringt traditionell verschiedene Nachrichtenagenturleistungen für die Republik Österreich (Bund).
9 PN ist seit 1999 auf dem österreichischen Nachrichtenagenturmarkt tätig, hat aber nur in sehr geringem Ausmaß Presseaussendungen für die österreichischen Bundesdienststellen erstellt. PN beschäftigt weniger journalistische Mitarbeiter als APA und verfügt nicht über ein so großes Archiv wie diese.
10 Im Jahr 1994, also vor ihrem Beitritt zur Europäischen Union, schloss die Republik Österreich einen Vertrag (im Folgenden: Basisvertrag) mit APA, der die Erbringung bestimmter Dienstleistungen gegen Entgelt vorsah. Dieser Vertrag erlaubte den österreichischen Bundesdienststellen im Wesentlichen, aktuelle Informationen einzusehen und zu verwenden (der sogenannte „Basisdienst“), historische Informationen und historische Presseaussendungen aus einer „APADok“ genannten Datenbank von APA abzufragen und den Originaltextservice „OTS“ von APA sowohl zu ihrer Information als auch zur Verbreitung ihrer eigenen Presseaussendungen zu nutzen. Die Datenbank APADok enthält die Daten des Basisdienstes seit dem 1. Januar 1988 und der OTS-Aussendungen seit dem 1. Juni 1989.
11 Der Basisvertrag wurde auf unbestimmte Dauer geschlossen, wobei eine Klausel vorsah, dass die Parteien bis zum 31. Dezember 1999 auf eine Kündigung verzichteten.
12 Der Basisvertrag sah in § 2 lit. c vor:
„Für Online-Abfragen aus den Informationsdiensten der APA gemäß § 1 verrechnet die APA als Abgeltung für die dabei entstehende EDV-Systembelastung pro CPU-Minute (Netto-CPU-Zeit) ein Entgelt entsprechend dem niedrigsten Staffeltarif nach der offiziellen Preisliste (derzeit S 67,‑ exkl. MwSt pro CPU-Minute) abzüglich 15%.“
13 Der Vertrag enthielt auch Bestimmungen über den Zeitpunkt der ersten Preiserhöhung, den Maximalbetrag jeder Erhöhung und die Indexierung der Preise auf der Basis des Verbraucherpreisindex 1986, wobei der Bezugswert die für das Jahr 1994 errechnete Indexzahl war. In dieser Hinsicht sah § 5 Ziff. 3 des Vertrags u. a. vor: „… Es wird ausdrücklich Wertbeständigkeit der Entgelte gemäß § 2 lit. a und b. vereinbart. Als Maß zur Berechnung der Wertbeständigkeit dient der Verbraucherpreisindex 86 (VPI 86), herausgegeben vom Österreichischen Statistischen Zentralamt (ÖSTAT), oder ein an seine Stelle tretender Nachfolgeindex.“
14 Im September 2000 gründete APA in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die APA-OTS, eine Tochtergesellschaft, die sich zu 100 % in ihrem Besitz befindet. Zwischen beiden Gesellschaften besteht ein Gewinn- und Verlustausschließungsvertrag, aus dem sich nach Angaben von APA und APA-OTS ergibt, dass APA-OTS finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Unternehmen der APA eingegliedert ist und bei ihrer Geschäfts- und Betriebsführung nach den Weisungen von APA vorzugehen hat. APA-OTS ist ferner verpflichtet, ihre Jahresüberschüsse an APA abzuführen, während APA etwaige Jahresfehlbeträge von APA-OTS auszugleichen hat.
15 Im September 2000 übertrug APA ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit den OTS-Dienstleistungen auf APA-OTS. Diese Veränderung wurde der Republik Österreich im Oktober 2000 mitgeteilt, wobei ein vertretungsbefugter Mitarbeiter von APA auf Nachfrage der österreichischen Behörden versicherte, dass APA nach der Ausgliederung solidarisch mit APA-OTS hafte und sich an der bisherigen Gesamtleistung nichts ändern werde. Die österreichischen Behörden erteilten daraufhin ihre Zustimmung zur künftigen Erbringung der OTS-Dienstleistungen durch APA-OTS und entrichten seitdem die Entgelte für diese Leistungen direkt an APA-OTS.
16 Darüber hinaus wurden die Bestimmungen des Basisvertrags durch einen im Jahr 2001 vereinbarten ersten Nachtrag geändert, der ab dem 1. Januar 2002 wirksam war. Dieser Nachtrag passte den ursprünglichen Vertrag aus Anlass der Umstellung auf den Euro in der nachstehend in den Randnrn. 17 bis 20 ausgeführten Weise an.
17 Erstens wurde der Betrag der Jahresgebühr von 10 080 000 ATS für die Nutzung der redaktionellen Artikel und der Medienarchive durch den Betrag von 800 000 Euro ersetzt. Wegen der Indexklausel hätte der Preis für 2002 11 043 172 ATS (bei der Umstellung auf den Euro gerundet auf 802 538,61 Euro) betragen müssen. Es wurde beschlossen, nicht diesen Betrag festzulegen, sondern die runde Summe von 800 000 Euro, was einer Ermäßigung um 0,3 % entspricht.
18 Zweitens wurde der Preis für die Online-Abfragen aus den Informationsdiensten der APA, der auf 67 ATS pro Minute festgelegt war, durch den Preis von 4,87 Euro pro Minute ersetzt. Abgesehen von der bei der Umstellung auf den Euro vorgenommenen Rundung wurde der innere Wert dieses Entgelts nicht geändert.
19 Drittens wurde, was die Indexberechnung betrifft, die auf der Grundlage des Verbraucherpreisindex 1986 errechnete Indexzahl für das Jahr 1994 durch die auf der Grundlage des Verbraucherpreisindex 1996 errechnete Indexzahl für das Jahr 2001 als Ausgangsbasis ersetzt. In dieser Hinsicht wurde insbesondere § 5 Ziff. 3 des Basisvertrags durch den ersten Nachtrag wie folgt geändert:
„Es wird ausdrücklich Wertbeständigkeit der Entgelte gemäß § 2 lit. a und b. vereinbart. Als Maß zur Berechnung der Wertbeständigkeit dient der Verbraucherpreisindex 1996 (VPI 96), herausgegeben von der Bundesanstalt Statistik Österreich, oder ein an seine Stelle tretender Nachfolgeindex.“
20 Viertens wurden abweichend von diesem Indexmechanismus bestimmte Preise für die Jahre 2002 bis 2004 direkt festgelegt. Der Preis von 8,50 ATS pro Zeile für die Aufnahme von Presseaussendungen in den OTS-Dienst wurde ersetzt durch feste Entgelte von 0,66 Euro pro Zeile für das Jahr 2002, 0,67 Euro für das Jahr 2003 und 0,68 Euro für das Jahr 2004. Bei Anwendung der Wertsicherungsklausel hätte das Entgelt sich für das Jahr 2002 auf 9,31 ATS pro Zeile (gerundet auf 0,68 Euro pro Zeile) erhöhen müssen. Der Preis wurde also um 2,94 % für das Jahr 2002 und um 1,47 % für das Jahr 2003 ermäßigt.
21 Ein im Oktober 2005 vereinbarter zweiter Nachtrag, der ab 1. Januar 2006 wirksam war, brachte zwei weitere Änderungen des Basisvertrags. Mit diesem zweiten Nachtrag wurde der Basisvertrag in der nachstehend in den Randnrn. 22 und 23 dargestellten Weise geändert.
22 Erstens wurde der im Basisvertrag vereinbarte Kündigungsverzicht bis zum 31. Dezember 1999 bis zum 31. Dezember 2008 erneuert.
23 Zweitens wurde der vereinbarte Rabatt auf den Preis für Online-Abfragen aus den Informationsdiensten der APA, der im Basisvertrag auf 15 % festgelegt war, auf 25 % erhöht. In dieser Hinsicht wurde § 2 lit. c des Basisvertrags durch den zweiten Nachtrag wie folgt geändert:
„Folgende Bestimmungen des [Basisvertrags in der Fassung des ersten Nachtrags] werden mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2006 wie folgt geändert:
1. In § 2 lit. c. wird der Prozentsatz ‚15 %‘ durch ‚25 %‘ geändert.
…“
24 Im Jahr 2004 bot PN der Republik Österreich Nachrichtenagenturleistungen an, ohne dass dieses Angebot jedoch zu einem Vertragsabschluss führte.
25 Mit ihren am 4. und am 19. Juli 2006 gestellten Anträgen begehrte PN beim Bundesvergabeamt die Feststellung, dass die Teilung des Basisauftrags infolge der Umstrukturierung von APA im Jahr 2000 sowie die von ihr als „De-facto-Vergaben“ bezeichneten Nachträge von 2001 und 2005 rechtswidrig gewesen seien und, hilfsweise, dass die Wahl der in Rede stehenden Vergabeverfahren rechtswidrig gewesen sei.
26 In Bezug auf die Antragsfristen führt das Bundesvergabeamt aus, dass die beanstandeten Handlungen zwar in den Jahren 2000, 2001 und 2005 ausgeführt worden seien, der im innerstaatlichen Recht gegen rechtswidrige Auftragsvergaben zur Verfügung stehende Rechtsbehelf (d. h. der Feststellungsantrag mit vertragsauflösender Wirkung) jedoch erst später, mit Wirkung ab 1. Februar 2006, geschaffen worden sei. Die für die Einlegung dieses Rechtsbehelfs vorgesehene Frist betrage sechs Monate ab dem Datum des rechtswidrigen Zuschlags. Das vorlegende Gericht hält die Anwendung von § 1496 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) für angebracht, wonach Verjährungsfristen nicht laufen könnten, wenn die gebotene Rechtspflege nicht funktioniere, vorausgesetzt, diese Anwendung wäre mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
27 Das Bundesvergabeamt hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:
1. Sind der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass sie auch Sachverhalte umfassen, bei denen ein öffentlicher Auftraggeber beabsichtigt, künftig Leistungen von einem Dienstleistungserbringer in Form einer Kapitalgesellschaft entgegenzunehmen, wenn diese Leistungen zuvor von einem anderen Dienstleistungserbringer erbracht wurden, welcher einerseits Alleingesellschafter des künftigen Dienstleistungserbringers ist und andererseits den künftigen Dienstleistungserbringer gleichzeitig über Weisungen beherrscht? Ist es in einem solchen Fall rechtserheblich, wenn dabei für den öffentlichen Auftraggeber nicht gesichert ist, dass die Gesellschaftsanteile am künftigen Dienstleistungserbringer während der gesamten Vertragslaufzeit des ursprünglichen Vertrags nicht zur Gänze oder teilweise an Dritte veräußert werden, und auch nicht gesichert ist, dass sich die Mitgliederzusammensetzung des ursprünglichen, als Genossenschaft organisierten Dienstleistungserbringers während der gesamten Vertragslaufzeit nicht ändert?
2. Sind der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass sie auch Sachverhalte umfassen, bei denen ein öffentlicher Auftraggeber mit den Dienstleistungserbringern während der Geltungsdauer eines auf unbestimmte Zeit mit diesen zur gemeinsamen Dienstleistungserbringung abgeschlossenen Vertrags Änderungen des Entgelts für gewisse vertragliche Leistungen vereinbart und eine Wertsicherungsklausel neu formuliert, wenn diese Änderungen zu geänderten Entgelten führen und anlässlich der Euro-Umstellung erfolgen?
3. Sind der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass sie auch Sachverhalte umfassen, bei denen ein öffentlicher Auftraggeber mit den Dienstleistungserbringern während der Geltungsdauer eines auf unbestimmte Zeit mit diesen zur gemeinsamen Dienstleistungserbringung abgeschlossenen Vertrags im Wege einer Vertragsänderung einerseits einen zum Zeitpunkt der Neuvereinbarung nicht mehr geltenden Kündigungsverzicht erneut für drei Jahre vereinbart, wobei bei dieser Vertragsänderung andererseits zusätzlich eine höhere Rabattierung als bisher für gewisse mengenabhängige Entgelte für einen bestimmten Leistungsbereich festgelegt wird?
4. Für den Fall der Bejahung des Vorliegens einer Vergabe im Sinne einer der ersten drei Fragen: Ist Art. 11 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 92/50 oder sind sonstige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts wie insbesondere der Transparenzgrundsatz dahin auszulegen, dass sie es einem öffentlichen Auftraggeber gestatten, Leistungen in einem einzigen Leistungsvertrag in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung zu vergeben, wenn Teile der Dienstleistungen von Ausschließlichkeitsrechten, wie in Art. 11 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 92/50 genannt, umfasst sind? Oder gebieten es der Transparenzgrundsatz oder sonstige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bei der Vergabe überwiegend nicht prioritärer Dienstleistungen, dass in einem solchen Fall dennoch eine Vergabebekanntmachung vor einer Auftragsvergabe vorgenommen wird, um den interessierten Unternehmerkreisen die Überprüfung zu ermöglichen, ob tatsächlich Leistungen vergeben werden, die einem Ausschließlichkeitsrecht unterliegen? Oder gebieten es die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Vergabe öffentlicher Aufträge, dass in einem solchen Fall die Leistungen je nach vorliegendem oder nicht vorliegendem Ausschließlichkeitsrecht nur in getrennten Vergabeverfahren vergeben werden dürfen, um zumindest teilweise einen Vergabewettbewerb zu ermöglichen?
5. Für den Fall der Beantwortung der vierten Frage dahin, dass ein öffentlicher Auftraggeber die nicht von Ausschließlichkeitsrechten umfassten Leistungen gemeinsam mit den vom Ausschließlichkeitsrecht umfassten Leistungen in einem einzigen Vergabeverfahren vergeben darf: Kann ein Unternehmer bei fehlender eigener Verfügungsbefugnis über Daten, die einem Ausschließlichkeitsrecht eines marktbeherrschenden Unternehmens unterliegen, seine diesbezügliche vergaberechtliche Leistungsfähigkeit zur Erbringung der Gesamtleistung an einen öffentlichen Auftraggeber damit begründen, dass dieser Unternehmer auf Art. 82 EG und eine aus dieser Bestimmung abzuleitende Pflicht des die Datenverfügungsbefugnis innehabenden, marktbeherrschenden Unternehmens in einem Vertragsstaat der EG hinweist, die Daten zu angemessenen Bedingungen weiterzugeben?
6. Für den Fall der Beantwortung der ersten, der zweiten und der dritten Frage dahin, dass durch die teilweise Vertragsübernahme im Jahr 2000 und/oder durch eine oder beide aufgezeigten Vertragsänderungen Neuvergaben stattgefunden haben, und weiters für den Fall, dass entweder die vierte Frage dahin beantwortet werden sollte, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe der nicht von Ausschließlichkeitsrechten umfassten Leistungen im Wege einer getrennten Vergabe oder aber bei der Vergabe des Gesamtleistungsvertrags (hier Presseaussendungen, Basisdienst und Nutzungsrechte an APADok) zuvor eine Vergabebekanntmachung zur Transparenz und Überprüfbarkeit der geplanten Auftragsvergabe hätte vornehmen müssen:
Sind die Begriffe des „Schadens“ in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 oder die Wortfolge „geschädigt worden“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen, dass ein Unternehmer in einem Fall wie dem vorliegenden bereits dann einen Schaden im Sinne dieser Bestimmungen der Richtlinie 89/665 erlitten hat oder geschädigt worden ist, wenn ihm die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren deshalb genommen wurde, weil der öffentliche Auftraggeber vor der Vergabe keine Vergabebekanntmachung vorgenommen hat, auf Basis welcher sich der Unternehmer um den zu vergebenden Auftrag bewerben oder ein Angebot legen oder die Behauptung angeblich vorliegender ausschließlicher Rechte einer Überprüfung durch die zuständige Vergabekontrollbehörde hätte zuführen können?
7. Sind der gemeinschaftsrechtliche Äquivalenzgrundsatz und das gemeinschaftsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes oder der Effektivitätsgrundsatz unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, dass dadurch einem Unternehmer ein subjektives und unbedingtes Recht gegen einen Mitgliedstaat eingeräumt ist, dass dieser seine Rechtsbehelfe zur Erlangung von Schadensersatz nach Zuschlagserteilung wegen eines Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Vergaberechtsvorschriften für zumindest sechs Monate ab Kenntnisnahmemöglichkeit der vergaberechtswidrigen Auftragsvergabe bei der zuständigen nationalen Behörde geltend machen kann, wobei ihm zusätzlich Zeiten zur Verfügung stehen müssen, in denen eine entsprechende Geltendmachung mangels nationaler gesetzlicher Grundlagen nicht möglich war, wenn für auf nationalstaatliche Rechtswidrigkeiten gestützte Schadensersatzansprüche in der nationalen Rechtsordnung im Regelfall Verjährungsfristen von drei Jahren ab Kenntnis des Schädigers und des Schadens vorgesehen sind und mangels Rechtspflege in einem bestimmten Rechtsbereich auch Verjährungsfristen nicht (fort-)laufen?
Zu den Vorlagefragen
28 Vorab ist festzustellen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag zwar geschlossen wurde, bevor die Republik Österreich der Europäischen Union beigetreten ist, die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften aber ab dem Beitritt dieses Staates auf einen solchen Auftrag anwendbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 1998, Tögel, C‑76/97, Slg. 1998, I‑5357, Randnr. 14).
29 Mit seinen ersten drei Fragen möchte das Bundesvergabeamt im Wesentlichen wissen, unter welchen Voraussetzungen Änderungen eines bestehenden Vertrags zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Dienstleistungserbringer als eine neue Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen sind.
30 Die Richtlinie 92/50 enthält keine ausdrückliche Antwort auf diese Fragen, aber mehrere relevante Hinweise, die in den allgemeinen Rahmen der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen einzuordnen sind.
31 Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen die Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs und die Öffnung für einen unverfälschten Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten ist (vgl. Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C‑26/03, Slg. 2005, I‑1, Randnr. 44). Dieses doppelte Ziel wird in den Erwägungsgründen 2, 6 und 20 der Richtlinie 92/50 ausdrücklich genannt.
32 Dieses doppelte Ziel verfolgt das Gemeinschaftsrecht insbesondere durch die Anwendung des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter und der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Transparenz (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. November 1999, Unitron Scandinavia und 3-S, C‑275/98, Slg. 1999, I‑8291, Randnr. 31, vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress, C‑324/98, Slg. 2000, I‑10745, Randnrn. 60 und 61, und vom 29. April 2004, Kommission/CAS Succhi di Frutta, C‑496/99 P, Slg. 2004, I‑3801, Randnrn. 108 und 109).
33 Was die von der Richtlinie 92/50 erfassten Aufträge betrifft, deren Gegenstand ausschließlich oder hauptsächlich Dienstleistungen des Anhangs I A dieser Richtlinie sind, so setzt die Richtlinie diese Grundsätze und die Verpflichtung zur Transparenz insbesondere durch die Festlegung bestimmter Vergabeverfahren um. Für die von der Richtlinie erfassten Aufträge, deren Gegenstand ausschließlich oder hauptsächlich Dienstleistungen des Anhangs I B der Richtlinie sind, sieht die Richtlinie nicht dieselben Regeln für die Vergabeverfahren vor, doch bleibt auch diese Kategorie öffentlicher Aufträge den Grundregeln des Gemeinschaftsrechts und der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Transparenz unterworfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2007, Kommission/Irland, C‑507/03, Slg. 2007, I‑0000, Randnrn. 26, 30 und 31).
34 Um die Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Bieter sicherzustellen, sind Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2000, Kommission/Frankreich, C‑337/98, Slg. 2000, I‑8377, Randnrn. 44 und 46).
35 Die Änderung eines öffentlichen Auftrags während seiner Laufzeit kann als wesentlich angesehen werden, wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären.
36 Desgleichen kann eine Änderung des ursprünglichen Auftrags als wesentlich angesehen werden, wenn sie den Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert. Diese Auslegung wird durch Art. 11 Abs. 3 Buchst. e und f der Richtlinie 92/50 bestätigt, wonach für öffentliche Dienstleistungsaufträge, deren Gegenstand ausschließlich oder hauptsächlich Dienstleistungen des Anhangs I A dieser Richtlinie sind, Einschränkungen bezüglich des Umfangs vorgesehen sind, in dem Auftraggeber bei der Vergabe von weiteren Dienstleistungen, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Vertrags waren, auf das Verhandlungsverfahren zurückgreifen können.
37 Eine Änderung kann auch dann als wesentlich angesehen werden, wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert.
38 Diese Überlegungen sind bei der Beantwortung der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu berücksichtigen.
Zur ersten Frage
39 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Übertragung der bis dahin von APA erbrachten OTS-Dienstleistungen auf APA-OTS im Jahr 2000. Das Gericht möchte wissen, ob ein Wechsel des Vertragspartners unter den im Ausgangsverfahren vorliegenden Umständen eine neue Auftragsvergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1, Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 ist.
40 Im Allgemeinen ist die Ersetzung des Vertragspartners, dem der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ursprünglich erteilt hatte, durch einen neuen als Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung des betreffenden öffentlichen Dienstleistungsauftrags anzusehen, wenn sie nicht in den Bedingungen des ursprünglichen Auftrags, beispielsweise im Rahmen einer Unterbeauftragung, vorgesehen war.
41 Nach dem Vorlagebeschluss besitzt APA-OTS eine von APA, der ursprünglichen Auftragnehmerin, verschiedene Rechtspersönlichkeit, da sie in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet worden ist.
42 Außerdem steht fest, dass der öffentliche Auftraggeber seit der Übertragung der OTS-Dienstleistungen von APA auf APA-OTS im Jahr 2000 die Zahlungen für diese Dienstleistungen direkt an APA-OTS leistet und nicht mehr an APA.
43 Allerdings weist die fragliche Übertragung der Tätigkeit bestimmte besondere Merkmale auf, die den Schluss erlauben, dass derartige Änderungen, die in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens vorgenommen werden, keine Änderung einer wesentlichen Bestimmung des Auftrags darstellen.
44 Aus der Akte geht nämlich hervor, dass APA-OTS eine APA zu 100 % gehörende Tochtergesellschaft ist, dass APA gegenüber APA-OTS ein Weisungsrecht hat und dass zwischen beiden ein Gewinn- und Verlustausschließungsvertrag besteht. Ferner geht aus der Akte hervor, dass eine zur Vertretung von APA berechtigte Person dem öffentlichen Auftraggeber versichert hat, dass APA nach der Übertragung der OTS-Dienstleistungen solidarisch mit APA-OTS hafte und dass sich an der bisherigen Gesamtleistung nichts ändern werde.
45 Eine solche Vereinbarung stellt im Wesentlichen eine interne Neuorganisation des Vertragspartners dar, die die Vertragsbedingungen des ursprünglichen Auftrags nicht wesentlich ändert.
46 Das vorlegende Gericht fragt sich in diesem Zusammenhang, ob der Umstand rechtserheblich ist, dass für den öffentlichen Auftraggeber nicht gesichert ist, dass die Gesellschaftsanteile an APA-OTS während der gesamten Laufzeit des ursprünglichen Vertrags nicht an Dritte veräußert werden.
47 Würden die Gesellschaftsanteile an APA-OTS während der Laufzeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags an einen Dritten veräußert, handelte es sich nicht mehr um eine interne Neuorganisation des ursprünglichen Vertragspartners, sondern um eine tatsächliche Änderung des Vertragspartners, was grundsätzlich eine Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung darstellt. Ein solches Ereignis könnte eine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 darstellen.
48 Eine entsprechende Überlegung gilt, wenn die Abtretung der Gesellschaftsanteile an der Tochtergesellschaft an einen Dritten zum Zeitpunkt der fraglichen Übertragung der Tätigkeiten auf diese bereits vorgesehen war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. November 2005, Kommission/Österreich, C‑29/04, Slg. 2005, I‑9705, Randnrn. 38 bis 42).
49 Solange jedoch eine solche Entwicklung nicht stattgefunden hat, behält die Beurteilung in Randnr. 45 des vorliegenden Urteils ihre Gültigkeit, wonach die in Rede stehende Situation eine interne Neuorganisation des Vertragspartners darstellt. Das Fehlen einer Garantie dafür, dass die Gesellschaftsanteile an der Tochtergesellschaft während der Vertragslaufzeit nicht an Dritte veräußert werden, ändert an dieser Schlussfolgerung nichts.
50 Das nationale Gericht fragt weiter, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, dass für den öffentlichen Auftraggeber nicht gesichert ist, dass sich die Mitgliederzusammensetzung des ursprünglichen Dienstleistungserbringers während der gesamten Vertragslaufzeit nicht ändert.
51 Öffentliche Aufträge werden in der Regel an juristische Personen vergeben. Wurde eine juristische Person in Form einer börsennotierten Aktiengesellschaft gegründet, ergibt sich aus ihrem Wesen selbst, dass sich die Besitzverhältnisse jederzeit ändern können. Dies stellt die Gültigkeit der Vergabe eines öffentlichen Auftrags an eine solche Gesellschaft nicht in Frage. Etwas anderes könnte in Ausnahmefällen wie etwa bei Manipulationen zur Umgehung vergaberechtlicher Gemeinschaftsvorschriften gelten.
52 Entsprechende Überlegungen gelten im Rahmen von öffentlichen Aufträgen, die an juristische Personen vergeben wurden, die, wie im Ausgangsverfahren, nicht in Form einer Aktiengesellschaft, sondern einer registrierten Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegründet worden sind. Mögliche Änderungen der Zusammensetzung des Kreises der Mitglieder einer solchen Genossenschaft führen nicht grundsätzlich zu einer wesentlichen Änderung des an die Gesellschaft vergebenen Auftrags.
53 Daher ändern auch diese Erwägungen nichts an der Schlussfolgerung in Randnr. 45.
54 Hieraus folgt, dass auf die erste Frage zu antworten ist, dass der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen sind, dass sie nicht eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens umfassen, in der vom ursprünglichen Dienstleistungserbringer an den öffentlichen Auftraggeber erbrachte Dienstleistungen auf einen anderen Dienstleistungserbringer in Form einer Kapitalgesellschaft übertragen werden, deren Alleingesellschafter der ursprüngliche Dienstleistungserbringer ist, der den neuen Dienstleistungserbringer kontrolliert und ihm Weisungen erteilt, wenn der ursprüngliche Dienstleistungserbringer weiterhin die Haftung für die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen übernimmt.
Zur zweiten Frage
55 Die zweite Frage des nationalen Gerichts betrifft die Änderungen des Basisvertrags durch den im Jahr 2001 vereinbarten und ab dem 1. Januar 2002 wirksamen ersten Nachtrag. Das Gericht möchte wissen, ob bestimmte Preisänderungen eine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 darstellen.
56 Bei dieser Frage geht es erstens um die Umrechnung der Preise in Euro ohne Veränderung ihres inneren Wertes, zweitens die Umrechnung der Preise in Euro bei gleichzeitiger Verringerung ihres inneren Wertes und drittens die Neufassung einer Wertsicherungsklausel.
57 Hierauf ist zu antworten, dass es sich in dem Fall, in dem ein bestehender Auftrag anlässlich der Umstellung auf den Euro dahin geändert wird, dass die ursprünglich in nationaler Währung ausgedrückten Preise in Euro umgerechnet werden, ebenfalls nicht um eine wesentliche Änderung des Auftrags handelt, sondern nur um eine Anpassung desselben an geänderte äußere Bedingungen, sofern die Eurobeträge gemäß den geltenden Vorschriften, insbesondere denen der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1), gerundet werden.
58 Weicht die Rundung der in Euro umgerechneten Preise von dem Betrag ab, der nach den einschlägigen Vorschriften zulässig ist, handelt es sich um eine Änderung des inneren Wertes der im ursprünglichen Auftrag festgelegten Preise. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob eine solche Änderung der Preise eine neue Auftragsvergabe darstellt.
59 Es liegt auf der Hand, dass der Preis eine wesentliche Bedingung eines öffentlichen Auftrags ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/CAS Succhi di Frutta, Randnr. 117).
60 Die Änderung einer solchen Bedingung während der Laufzeit des Auftrags birgt, wenn sie nach den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags nicht ausdrücklich erlaubt ist, die Gefahr eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter in sich (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/CAS Succhi di Frutta, Randnr. 121).
61 Trotzdem kann die Umrechnung der Preise eines Auftrags in Euro während dessen Laufzeit eine Anpassung des inneren Wertes der Preise enthalten, ohne dass hierin eine neue Auftragsvergabe liegt, sofern es sich um geringfügige Anpassungen handelt, die sich objektiv erklären lassen. Dies ist der Fall, wenn sie die Durchführung des Auftrags erleichtern sollen, indem sie beispielsweise die Rechnungstellung vereinfachen.
62 Im Ausgangsverfahren wurde zum einen die Jahresgebühr für die Nutzung der redaktionellen Artikel und Medienarchive nur um 0,3 % verringert, um einen runden Betrag zur Vereinfachung der Berechnungen zu erhalten. Zum anderen wurden die Zeilenpreise für die Aufnahme der Presseaussendungen in den OTS-Dienst um 2,94 % bzw. 1,47 % für die Jahre 2002 bzw. 2003 ermäßigt, um ebenfalls zur Vereinfachung der Berechnungen runde Beträge zu erhalten. Abgesehen davon, dass diese Preisanpassungen sich auf einen geringen Betrag belaufen haben, haben sie sich nicht zugunsten, sondern zum Nachteil des Auftragnehmers ausgewirkt, da dieser damit einer Ermäßigung der Preise zugestimmt hat, die sich aus den normalerweise anwendbaren Umrechnungs- und Indexierungsregeln ergeben hätten.
63 Unter diesen Bedingungen lässt sich die Auffassung vertreten, dass eine Anpassung der Preise eines öffentlichen Auftrags während dessen Laufzeit keine Änderung wesentlicher Bedingungen dieses Auftrags und damit keine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 darstellt.
64 In Bezug auf die Neuformulierung der Wertsicherungsklausel ist festzustellen, dass in § 5 Ziff. 3 des Basisvertrags u. a. vorgesehen war, dass „[a]ls Maß zur Berechnung der Wertbeständigkeit … der Verbraucherpreisindex 86 (VPI 86), herausgegeben vom Österreichischen Statistischen Zentralamt (ÖSTAT), oder ein an seine Stelle tretender Nachfolgeindex [dient]“.
65 Daraus folgt, dass der Basisvertrag die Ersetzung des von ihm erwähnten Preisindex durch einen späteren Index vorgesehen hat.
66 Der erste Nachtrag hat den im Basisvertrag erwähnten Preisindex, also den vom ÖSTAT herausgegebenen Verbraucherpreisindex 86 (VPI 86), durch einen neueren Index, nämlich den von derselben Stelle herausgegebenen Verbraucherpreisindex 96 (VPI 96), ersetzt.
67 Wie in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils ausgeführt, wurde mit diesem Nachtrag die für das Jahr 2001, das Jahr der Vereinbarung dieses Nachtrags, errechnete Indexzahl an Stelle der Indexzahl des Jahres 1994, in dem der Basisvertrag geschlossen wurde, zur Ausgangsbasis gemacht. Diese Aktualisierung der Ausgangsbasis entspricht der Aktualisierung des Preisindex.
68 Hieraus folgt, dass der erste Nachtrag lediglich die Bestimmungen des Basisvertrags über die Anpassung der Wertsicherungsklausel angewendet hat.
69 Unter diesen Bedingungen ist festzustellen, dass die Bezugnahme auf einen neuen Preisindex keine Änderung wesentlicher Bedingungen des ursprünglichen Auftrags und damit keine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 darstellt.
70 Hieraus ergibt sich als Antwort auf die zweite Frage, dass der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen sind, dass sie eine Anpassung des ursprünglichen Vertrags an veränderte äußere Umstände, wie die Umrechnung ursprünglich in nationaler Währung ausgedrückter Preise in Euro, die geringfügige Verringerung dieser Preise zu ihrer Rundung und die Bezugnahme auf einen neuen Preisindex, der gemäß den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags den zuvor festgelegten Index ersetzt, nicht umfassen.
Zur dritten Frage
71 Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Änderungen des Basisvertrags durch den im Oktober 2005 vereinbarten und ab 1. Januar 2006 wirksamen zweiten Nachtrag.
72 Das Gericht möchte wissen, ob sich zum einen aus der Vereinbarung einer neuen Kündigungsverzichtsklausel und zum anderen aus der Erhöhung der vereinbarten Rabatte auf die Preise bestimmter Dienstleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, eine neue Auftragsvergabe ergibt.
73 Was zunächst die Vereinbarung einer neuen Kündigungsverzichtsklausel während der Laufzeit eines unbefristeten Vertrags angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass die Praxis der Vergabe eines unbefristeten öffentlichen Dienstleistungsauftrags an und für sich der Systematik und den Zielen der Gemeinschaftsvorschriften über öffentliche Dienstleistungsaufträge fremd ist. Eine solche Praxis kann auf lange Sicht den Wettbewerb zwischen potenziellen Dienstleistungserbringern beeinträchtigen und die Anwendung der Vorschriften der Gemeinschaftsrichtlinien über die Öffentlichkeit der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge verhindern.
74 Trotzdem verbietet das Gemeinschaftsrecht bei seinem derzeitigen Stand nicht den Abschluss von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen auf unbestimmte Dauer.
75 Auch eine Klausel, mit der sich die Parteien verpflichten, einen unbefristet geschlossenen Vertrag während eines bestimmten Zeitraums nicht zu kündigen, ist nach gemeinschaftsrechtlichem Vergaberecht nicht ohne Weiteres als rechtswidrig anzusehen.
76 Wie aus Randnr. 34 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist für die Beurteilung, ob eine solche Klausel eine neue Auftragsvergabe darstellt, entscheidend, ob diese Klausel als eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Vertrags anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, Randnrn. 44 und 46).
77 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Klausel legt den Verzicht auf jegliche Kündigung für den Zeitraum von 2005 bis 2008 fest.
78 Allerdings hätte der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag nach Außerkrafttreten der im Basisvertrag enthaltenen Kündigungsverzichtsklausel am 31. Dezember 1999 jederzeit unter Einhaltung einer Frist gekündigt werden können. Er galt jedoch von 2000 bis einschließlich 2005 fort, weil weder der öffentliche Auftraggeber noch der Dienstleistungserbringer von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht haben.
79 Aus der Akte geht nicht hervor, dass es der öffentliche Auftraggeber in dem vom Kündigungsausschluss umfassten Zeitraum von 2005 bis 2008 ohne eine solche Klausel konkret in Betracht gezogen hätte, den laufenden Vertrag zu beenden und eine erneute Ausschreibung vorzunehmen. Selbst wenn er dies beabsichtigt hätte, wäre der Zeitraum, für den die Klausel galt, nämlich drei Jahre, nicht so lang gewesen, dass sie ihn für einen – im Verhältnis zu der für die Organisation eines solchen Vorhabens erforderlichen Zeit – übermäßig langen Zeitraum daran gehindert hätte. Unter diesen Voraussetzungen ist nicht dargetan, dass eine solche Kündigungsausschlussklausel, sofern sie nicht regelmäßig immer wieder in den Vertrag eingefügt wird, die Gefahr der Verfälschung des Wettbewerbs zum Nachteil potenzieller neuer Bieter mit sich bringt. Folglich kann sie nicht als wesentliche Änderung des ursprünglichen Vertrags qualifiziert werden.
80 Daraus folgt, dass unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens die Vereinbarung einer Kündigungsverzichtsklausel für die Dauer von drei Jahren während der Laufzeit eines Dienstleistungsauftrags von unbestimmter Dauer keine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 darstellt.
81 Was sodann die im zweiten Nachtrag vorgesehene Rabatterhöhung betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass im Basisvertrag für die betreffenden Dienstleistungen „ein Entgelt entsprechend dem niedrigsten Staffeltarif nach der offiziellen Preisliste … abzüglich 15 %“ vorgesehen war.
82 Nach den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen nimmt diese Angabe auf den von APA angewendeten degressiven Tarif Bezug, wonach die Preise der in Rede stehenden Dienstleistungen sich ermäßigen, wenn die Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen durch den Vertragspartner von APA steigt.
83 Die im zweiten Nachtrag vorgesehene Erhöhung des Rabatts von 15 % auf 25 % kommt, wiederum nach einigen dieser Erklärungen, der Festlegung eines niedrigeren Preises gleich. Auch wenn sie sich in verschiedener Form darstellten, hätten eine Preisermäßigung und eine Rabatterhöhung eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung.
84 Unter diesen Voraussetzungen kann die Erhöhung des Rabatts dahin ausgelegt werden, dass sie unter die Bestimmungen des Basisvertrags fällt.
85 Im Übrigen verändert zum einen die Erhöhung des Rabatts, durch die sich das Entgelt, das der Auftragnehmer erhält, gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen Entgelt verringert, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags nicht zugunsten des Auftragnehmers.
86 Zum anderen kann die Tatsache allein, dass der öffentliche Auftraggeber einen größeren Rabatt auf einen Teil der Dienstleistungen erhält, die Gegenstand des Auftrags sind, nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil potenzieller Bieter führen.
87 Aus alledem ergibt sich, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die Vereinbarung in einem Nachtrag, für bestimmte Staffelpreise in einem besonderen Bereich größere Rabatte als die ursprünglich vorgesehenen festzulegen, nicht als eine wesentliche Vertragsänderung anzusehen ist und damit keine neue Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie 92/50 darstellt.
88 Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, dass der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen sind, dass sie nicht eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens umfassen, in der ein öffentlicher Auftraggeber mit dem Auftragnehmer während der Laufzeit eines Dienstleistungsauftrags von unbestimmter Dauer in einem Nachtrag vereinbart, eine Kündigungsverzichtsklausel für drei Jahre zu verlängern, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung der neuen Klausel unwirksam geworden wäre und für bestimmte Staffelpreise in einem besonderen Bereich größere Rabatte als die ursprünglich vorgesehenen festzulegen.
89 Angesichts der Antworten auf die ersten drei Fragen brauchen die Fragen vier bis sieben nicht beantwortet zu werden.
Kosten
90 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass sie nicht eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens umfassen, in der vom ursprünglichen Dienstleistungserbringer an den öffentlichen Auftraggeber erbrachte Dienstleistungen auf einen anderen Dienstleistungserbringer in Form einer Kapitalgesellschaft übertragen werden, deren Alleingesellschafter der ursprüngliche Dienstleistungserbringer ist, der den neuen Dienstleistungserbringer kontrolliert und ihm Weisungen erteilt, wenn der ursprüngliche Dienstleistungserbringer weiterhin die Haftung für die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen übernimmt.
2. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 sind dahin auszulegen, dass sie eine Anpassung des ursprünglichen Vertrags an veränderte äußere Umstände, wie die Umrechnung ursprünglich in nationaler Währung ausgedrückter Preise in Euro, die geringfügige Verringerung dieser Preise zu ihrer Rundung und die Bezugnahme auf einen neuen Preisindex, der gemäß den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags den zuvor festgelegten Index ersetzt, nicht umfassen.
3. Der Begriff der „Vergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/50 und der Begriff „vergeben“ in Art. 8 und Art. 9 der Richtlinie 92/50 sind dahin auszulegen, dass sie nicht eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens umfassen, in der ein öffentlicher Auftraggeber mit dem Auftragnehmer während der Laufzeit eines Dienstleistungsauftrags von unbestimmter Dauer in einem Nachtrag vereinbart, eine Kündigungsverzichtsklausel für drei Jahre zu verlängern, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung der neuen Klausel unwirksam geworden wäre, und für bestimmte Staffelpreise in einem besonderen Bereich größere Rabatte als die ursprünglich vorgesehenen festzulegen.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.