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Document 32015R0848

Wirksamere Vorschriften für grenzüberschreitende Insolvenzverfahren in der EU

Wirksamere Vorschriften für grenzüberschreitende Insolvenzverfahren in der EU

 

ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:

Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren

WAS IST DER ZWECK DER VERORDNUNG?

  • Diese Verordnung soll gewährleisten, dass Insolvenzverfahren, die eine natürliche Person oder eine Gesellschaft betreffen, die Geschäftstätigkeiten oder finanzielle Interessen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) als dem Land ihres Hauptsitzes verfolgt, effizient geführt werden.
  • Sie ist eine Neufassung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 und ersetzt sie.

WICHTIGE ECKPUNKTE

  • Die Verordnung legt EU-weite Regeln fest, um Folgendes zu bestimmen:
    • welches Gericht die Zuständigkeit besitzt, einen Insolvenzfall zu eröffnen;
    • das anwendbare nationale Recht;
    • Anerkennung der Entscheidung des Gerichts, wenn eine Gesellschaft, ein Kaufmann oder eine natürliche Person insolvent wird.
  • Die Verordnung gilt nicht für Dänemark.

Anwendungsbereiche

Die Verordnung gilt für alle Verfahren, an denen alle oder ein wesentlicher Teil der Gläubiger des Schuldners beteiligt sind, die auf der Grundlage des Insolvenzrechts stattfinden und in denen zu Zwecken der Rettung, Schuldenanpassung, Reorganisation oder Liquidation:

  • 1.

    der Schuldner sein Vermögen ganz oder teilweise verloren hat und ein Verwalter, z. B. ein Konkursverwalter bestellt wird,

  • 2.

    das Vermögen und die Geschäfte des Schuldners der Kontrolle oder Aufsicht durch ein Gericht unterstellt werden, oder

  • 3.
    Verfahren ausgesetzt wurden, um Verhandlungen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern zu ermöglichen – dies gilt nur, wenn:
    • sie geeignete Maßnahmen zum Schutz der Gesamtheit der Gläubiger vorsieht,
    • keine Einigung bei den Verhandlungen erzielt wird. In einem solchen Fall würde eine der beiden oben angeführten Verfahrensarten eingeleitet.

Die Verordnung umfasst „vorbeugende“ Insolvenzverfahren, die im Rahmen des nationalen Rechts in einer frühen Phase eingeleitet werden können, um die Chancen für die Rettung einer Gesellschaft zu erhöhen. Diese Verfahren sind in Anhang A dieser Verordnung aufgeführt. Sie regelt auch eine ganze Reihe privater Insolvenzverfahren.

Zuständigkeit

  • Die Insolvenzverfahren finden in den Gerichten des Mitgliedstaats statt, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bis zum Beweis des Gegenteils wird dieser wie folgt vermutet:
    • der Ort ihres Sitzes bei Gesellschaften oder juristischen Personen;
    • ihre Hauptniederlassung bei einer natürlichen Person, die eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt;
    • der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts bei allen anderen natürlichen Personen.
  • Diese Annahmen gelten nicht, wenn die Hauptniederlassung sich in einem bestimmten Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geändert hat.
  • Wenn der Schuldner eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als jenem hat, der den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen darstellt, kann dieser Mitgliedstaat ebenfalls ein Insolvenzverfahren gegen den Schuldner eröffnen. Diese „Sekundärinsolvenzverfahren“ sind jedoch auf das in dem betreffenden Mitgliedstaat belegene Vermögen beschränkt.
  • Die Verordnung verbessert die Chancen auf die Rettung einer Gesellschaft durch die Vermeidung der Eröffnung paralleler Sekundärinsolvenzverfahren, in denen die Interessen lokaler Gläubiger anderweitig zugesichert werden.

Anwendbares Recht

Im Allgemeinen findet das Recht des Mitgliedstaats Anwendung, in dem das Verfahren eröffnet wird. Dieses Recht regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt u. a.:

  • bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist;
  • welche Vermögenswerte zur Insolvenzmasse gehören;
  • die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens;
  • wer die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der Auslagen zu tragen hat.

Anerkennung und Vollstreckung

Sobald die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem Mitgliedstaat wirksam wird, muss es in allen anderen Mitgliedstaaten mit derselben Wirkung anerkannt werden.

Insolvenzregister

Um eine bessere Information der betroffenen Gläubiger und Gerichte zu gewährleisten und die Eröffnung von Parallelverfahren zu verhindern, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, relevante Informationen in grenzüberschreitenden Insolvenzfällen in einem öffentlich zugänglichen Online-Register bekanntzumachen. Diese Register werden über das Europäische E-Justiz-Portal gemäß den Datenschutzbestimmungen der EU miteinander verbunden.

Insolvenzverfahren für Unternehmensgruppen

Diese Verordnung schafft einen konkreten rechtlichen Rahmen für die Bewältigung der Insolvenz von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe. Dazu gehören:

  • Vorschriften, die die unterschiedlichen betroffenen Verwalter und Gerichte dazu verpflichten, zusammenzuarbeiten und miteinander zu kommunizieren;
  • eingeschränkte Rechte der Klagebefugnis* für Verwalter in den Verfahren, die ein anderes Mitglied derselben Gruppe betreffen;
  • ein spezifisches System für die Koordinierung von Verfahren, die dieselbe Unternehmensgruppe betreffen („Gruppen-Koordinationsverfahren“).

Änderungen der Anhänge

Die Verordnung wurde dreimal geändert.

  • Die Verordnung (EU) 2017/353 ersetzte Anhang A (Liste der Insolvenzverfahren) und Anhang B (Liste der bestellten Verwalter) der Verordnung (EU) 2015/848 durch neue Listen, die von Polen zur Verfügung gestellte Informationen berücksichtigen.
  • Die Verordnung (EU) 2018/946 ersetzt die Anhänge A und B nach Mitteilungen über Änderungen aus Belgien, Bulgarien, Kroatien, Lettland und Portugal.
  • Die Verordnung (EU) 2021/2260 ersetzt die Anhänge A und B nach Mitteilung über Änderungen aus Deutschland, Italien, Zypern, Litauen, Ungarn, Niederlande, Österreich und Polen über Änderungen ihres nationalen Rechts, durch die neue Arten von Insolvenzverfahren oder Insolvenzverwalter eingeführt wurden. Mit dem Beschluss (EU) 2022/1437 der Kommission zur Änderung wird die Beteiligung Irlands an der Verordnung (EU) 2021/2260 bestätigt.

WANN TRITT DIE VERORDNUNG IN KRAFT?

Sie ist am 26. Juni 2017 in Kraft getreten. Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 und ihre nachträglichen Änderungen wurden durch die Verordnung (EU) 2015/848 geändert und ersetzt.

HINTERGRUND

Weiterführende Informationen:

SCHLÜSSELBEGRIFF

Rechte der Klagebefugnis. Das Recht, vor dem Gericht und dem Generalanwalt mit hinreichend Grund, Verbindung und Beweisen für die Verletzung der rechtlichen Interessen des Verfahrens, Klage einzureichen.

HAUPTDOKUMENT

Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 19-72).

Nachfolgende Änderungen der Verordnung (EU) 2015/848 wurden in den Originaltext eingefügt. Diese konsolidierte Fassung hat ausschließlich dokumentarischen Charakter.

VERBUNDENES DOKUMENT

Durchführungsverordnung (EU) 2017/1105 der Kommission vom 12. Juni 2017 zur Festlegung der in der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates über Insolvenzverfahren genannten Formulare (ABl. L 160 vom 22.6.2017, S. 1-26).

Letzte Aktualisierung: 14.09.2022

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