Ausnahmeregelungen bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern

Ziel dieser Mitteilung ist es, mögliche Fehlinterpretationen und den Missbrauch der Ausnahmeregelungen des Artikels 296 bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Kommission ihre Sicht der Grundsätze darlegen, nach denen Artikel 296 anzuwenden ist, und erläutern, wie sie die Voraussetzungen für die Anwendung versteht

RECHTSAKT

Mitteilung zu Auslegungsfragen vom 7. Dezember 2006, vorgelegt von der Kommission, bezüglich der Anwendung des Artikels 296 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) auf die Beschaffung von Verteidigungsgütern [KOM(2006) 779 endgültig - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG

Die Binnenmarktvorschriften finden keine Anwendung bei der militärischen Beschaffung, wenn es sich um den Handel mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial handelt. Rechtsgrundlage dieser Ausnahmeregelung stellt Artikel 296 dar. Diese Ausnahmeregelung wird jedoch durch das Konzept der „wesentlichen Sicherheitsinteressen" und der in Absatz 2 des Artikels 296 erwähnten Warenliste begrenzt.

Die Ausnahmeregel des Artikels 296 berührt den Kernbereich der grundlegenden Prinzipien und Ziele des Binnenmarktes. Daher darf die Regelung nur ausnahmsweise in Anspruch genommen werden und muss sich auf Fälle beschränken, in denen die Mitgliedstaaten keine andere Wahl haben, als ihre Sicherheitsinteressen über einzelstaatliche Maßnahmen zu gewährleisten.

Die in Artikel 296 erwähnte Liste der militärischen Ausrüstungen wurde 1958 als Ratsentscheidung 255 / 58 angenommen. Die Natur der in der Liste von 1958 aufgeführten Waren sowie der ausdrückliche Hinweis in Artikel 296 auf „eigens für militärische Zwecke bestimmte Waren" bestätigen, dass die Nichtanwendung der Gemeinschaftsregeln lediglich für die Beschaffung von Ausrüstungsgütern gestattet ist, die speziell zu militärischen Zwecken konzipiert, entwickelt und hergestellt werden (Artikel 296 Absatz 1 Buchstabe b).

Artikel 296 kann jedoch auch für die Beschaffung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck zu militärischen wie nichtmilitärischen Sicherheitszwecken in Anspruch genommen werden, falls die Anwendung der Gemeinschaftsregeln einen Mitgliedstaat zwingen würde, Informationen preiszugeben, die dessen wesentlichen Sicherheitsinteressen schaden (Artikel 296 Absatz 1 Buchstabe a).

Die in der Liste von 1958 aufgeführten militärischen Güter sind nicht automatisch von den Regeln des Binnenmarktes ausgenommen. Der Mitgliedstaat, der Artikel 296 in Anspruch nimmt, muss nachweisen, dass die Befreiungen für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind. Dies ist die einzige Rechtfertigung für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung. Allgemeine Hinweise auf politische und geografische Besonderheiten, Geschichte oder Bündnisverpflichtungen sind nicht ausreichend.

Der Begriff der wesentlichen Sicherheitsinteressen gibt den Mitgliedsstaaten Flexibilität in der Wahl der Maßnahmen zum Schutz dieser Interessen. Für öffentliche Auftraggeber ist es von wesentlicher Bedeutung, dass sie jeden Beschaffungsvorgang mit großer Sorgfalt einzeln prüfen.

Die Kommission kann als Hüterin der Verträge und unter Berücksichtigung der Sensibilität des Verteidigungssektors überprüfen, ob die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregel des Artikels 296 für militärische Beschaffungen erfüllt sind.

Die Kommission kann den EuGH auch unmittelbar anrufen, wenn sie der Auffassung ist, dass ein Mitgliedstaat die in Artikel 296 vorgesehenen Befugnisse missbraucht.

Hintergrund

Die Mehrzahl der Beschaffungsaufträge im Verteidigungsbereich wird von den Binnenmarktvorschriften ausgenommen und auf der Grundlage einzelstaatlicher Vorschriften vergeben, die von Land zu Land sehr unterschiedlich sind. Im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Marktes für Verteidigungsgüter wird im Grünbuch 2004 zur Beschaffung von Verteidigungsgütern die Diskussion angestoßen, wie die Rüstungsmärkte zwischen den Mitgliedstaaten transparenter und offener gestaltet werden können. Im Dezember 2005 hat die Kommission zwei Initiativen angekündigt (KOM(2005) 626 endgültig): die Vorlage einer „Mitteilung zu Auslegungsfragen bezüglich der Anwendung des Artikels 296 EGV", die oben analysiert wurde; die Vorbereitung einer möglichen neuen Richtlinie für die Beschaffung von Verteidigungsgütern, auf die die Ausnahmeregelung des Artikels 296 nicht zutrifft.

Letzte Änderung: 21.01.2007