Mehrwertsteuer: Sonderregelung für Reisebüros

Der vorliegende Richtlinienvorschlag dient der Vereinfachung und Änderung der MwSt-Vorschriften für Reisebüros, die innerhalb der Europäischen Union Pauschalreisen verkaufen, um gleiche Voraussetzungen für alle diese Reisebüros zu schaffen, die Anwendung der MwSt-Sonderregelung stärker zu vereinheitlichen und Wettbewerbsverzerrungen v. a. im Zusammenhang mit Reiseveranstaltern/-büros aus Drittstaaten zu beseitigen.

VORSCHLAG

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Sonderregelung für Reisebüros vom 8. Februar 2002.

ZUSAMMENFASSUNG

Mit der 1977 angenommenen Sechsten MwSt-Richtlinie wurde eine Sonderregelung für Reisebüros und Reiseveranstalter eingeführt (Artikel 26 der Richtlinie 77/388/EWG), um der Besonderheit dieser Tätigkeit Rechnung zu tragen. Reisebüros und Reiseveranstalter bieten meist Pauschalreisen an. Diese umfassen insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, die die Reisebüros bzw. -veranstalter von Dritten beziehen und dann in eigenem Namen an Reisende weiterverkaufen. Die Anwendung der normalen MwSt-Vorschriften für die Besteuerungsgrundlage, den Vorsteuerabzug und den Ort der Besteuerung würde aufgrund der Komplexität der Dienstleistungen und der unterschiedlichen Erbringungsorte erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen.

Sonderregelung - derzeitige Anwendung

Im Sinne von Artikel 26 der Sechsten MwSt-Richtlinie gelten die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro erbrachten Umsätze als eine einheitliche Dienstleistung. Als Besteuerungsgrundlage gilt die Gewinnspanne des Reisebüros beim Verkauf einer Pauschalreisen (Differenzbesteuerung). Das Reisebüro hat in diesem Fall kein Recht auf Vorsteuerabzug für die unmittelbar dem Reisenden zugute kommenden Umsätze. Als Ort einer vom Reisebüro erbrachten Dienstleistung gilt der Ort, an dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, bzw. der Wohnort oder der übliche Aufenthaltsort des betreffenden Unternehmers, wenn ein solcher Sitz bzw. eine solche Niederlassung nicht vorhanden sind.

Die Sonderregelung hat also zwei Ziele: a) Die Anwendung der gemeinschaftlichen MwSt-Vorschriften für diese Art von Leistungen zu vereinfachen, um v. a. zu vermeiden, dass ein Reisebüro sich wegen der Steuererhebung in jedem einzelnen Mitgliedstaat registrieren lassen muss, in dem Leistungen erbracht werden; b) dafür zu sorgen, dass die MwSt-Einnahmen dem Staat zufließen, im dem der Endverbrauch der einzelnen Leistungen jeweils stattfindet (die MwSt für Dienstleistungen, die während einer Reise in Anspruch genommen werden - Hotel, Restaurant, Beförderung - fließt dem Mitgliedstaat zu, in dem sie erbracht werden, während die MwSt auf die Gewinnspanne des Reisebüros dem Mitgliedstaat zufließt, in dem das Reisebüro niedergelassen ist).

Gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vertritt die Kommission die Ansicht, dass nur dann mit der Besteuerung der Gewinnspanne gearbeitet werden kann (Differenzbesteuerung), wenn die Pauschalreise direkt an den Reisenden (d.h. den Endverbraucher) verkauft wird. Bei Verkauf an andere Reiseveranstalter/-büros ist die Anwendung der Differenzbesteuerung nicht gerechtfertigt und jeder Umsatz muss getrennt gemäß einschlägigen Vorschriften über den Ort der Dienstleistungen besteuert werden.

Einige Mitgliedstaaten wenden die Differenzbesteuerung jedoch anders an und legen außerdem Artikel 26 so aus, dass die Differenzbesteuerung auch bei Verkauf von Pauschalreisen von Reiseveranstalter/-büro an Reiseveranstalter/-büro anzuwenden wäre.

Darüber hinaus ist in einigen Mitgliedstaaten der Verkauf von Pauschalreisen von der MwSt befreit, während in anderen zur Berechnung der Gewinnspanne des Reisebüros eine Pauschalmethode verwendet wird.

Schwierigkeiten

Die Sonderregelung für Reisebüros wird von den Mitgliedstaaten demnach nicht einheitlich angewendet. Da die Mitgliedstaaten Artikel 26 der Sechsten MwSt-Richtlinie sehr unterschiedlich auslegen, wird die Differenzbesteuerung unterschiedlich angewendet, was zuweilen die Ursache bildet für Doppelbesteuerung, Wettbewerbsverzerrungen und ungleichmäßiger Verteilung der MwSt-Einnahmen zwischen den Mitgliedstaaten.

Lösungsvorschlag: Änderung des Artikels 26

Angesichts dieser Probleme und unter Berücksichtigung der Hauptziele der Sonderregelung (vgl. Punkt 3) schlägt die Kommission vor, Artikel 26 zu ändern, um die gemeinschaftlichen MwSt-Vorschriften zu vereinfachen und zu modernisieren und eine einheitlichere und somit gerechtere Anwendung zu fördern.

Einheitlichere Anwendung der Differenzbesteuerung: Die Kommission schlägt vor, den Anwendungsbereich der Sonderregelung für Reisebüros auszudehnen, so dass die Büros die Differenzbesteuerung gleichermaßen auf an andere Reisebüros und an Privatpersonen verkaufte Leistungen anwenden können.

Außerdem ist im Vorschlag der Kommission vorgesehen, die für Dänemark, Irland und die Niederlande derzeit bestehende Möglichkeit, Reisebüros/-veranstalter von der MwSt zu befreien, abzuschaffen. Die derzeit in Belgien angewendete Pauschalmethode zur Berechnung der Gewinnspanne würde ebenfalls abgeschafft.

Anwendung der MwSt-Regelung auch auf Reiseveranstalter mit Sitz außerhalb der EU: Durch das wachsende Angebot von Reisedienstleistungen im Internet verkaufen immer häufiger in Drittländern ansässige Reisebüros/-veranstalter Pauschalreisen an in der EU ansässige Kunden. Dies führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen, da nach den derzeit geltenden Bestimmungen auf eine Pauschalreise die Differenzbesteuerung anzuwenden ist, wenn sie von einem in der EU ansässigen Veranstalter angeboten wird, dieselbe Reise jedoch nicht besteuert wird, wenn der Veranstalter in einem Drittland ansässig ist. Hier schlägt die Kommission vor, auch für nicht in der EU ansässige Reiseveranstalter eine MwSt-Registrierung einzuführen, wenn sie Pauschalreisen an in der EU ansässige Kunden verkaufen. Die MwSt wäre an den EU-Mitgliedstaat zu entrichten, in dem sich die Kunden befinden. Um die Verpflichtungen der nicht in der EU ansässigen Dienstleister zu vereinfachen und zu vermeiden, dass sie sich in jedem Mitgliedstaat, in dem sie Kunden haben, registrieren lassen müssen, schlägt die Kommission vor, das System der "einzigen Anlaufstelle" anzuwenden, das mit der MwSt-Sonderregelung für elektronische Dienstleistungen eingeführt wurde (vlg. Punkt 12).

Freiwillige Anwendung auf Verkäufe an gewerbliche Kunden: Derzeit kann ein Kunde (z. B. ein Unternehmen), das über ein Reisebüro eine Pauschalreise bucht, die im Gesamtpreis enthaltene Mehrwertsteuer nicht abziehen, obwohl bei Leistungen für Unternehmenszwecke der Vorsteuerabzug sonst möglich ist. Um ihre Vorsteuer dennoch abziehen zu können, ist es für Unternehmen daher vorteilhaft, mit den Leistungserbringern, die den normalen MwSt-Bestimmungen unterliegen, einzeln Kontakt aufzunehmen, anstatt sich an ein Reisebüro zu wenden. Um dieses Problem zu beseitigen, sollten nach dem Vorschlag der Kommission die Reisebüros die Möglichkeit haben, sich statt der Differenzbesteuerung für die Anwendung der normalen MwSt-Bestimmungen zu entscheiden. So käme es nicht länger zu Steuerremanenz, da der steuerpflichtige Kunde berechtigt wäre, die ihm vom Reisebüro berechnete MwSt abzuziehen.

Eine Reihe von Mitgliedstaaten ist bei der Ermittlung der Gewinnspanne im Rahmen der Sonderregelung für Reisebüros auf Schwierigkeiten gestoßen. Daher schlägt die Kommission vor, die Definition der "Gewinnspanne" zu vereinfachen.

Zur Vereinfachung der Differenzbesteuerung schlägt die Kommission des weiteren vor, dass den Reisebüros die Berechnung einer Gesamtgewinnspanne für alle Verkäufe von Pauschalreisen während eines bestimmten Zeitraums gestattet werden sollte. Sie müssten dann nicht beim Verkauf jeder einzelnen Pauschalreise die Gewinnspanne ermitteln.

Bezug und verfahren

Rechtsakt

Zeitpunktdes Inkrafttretens

Umsetzungsfrist in den Mitgliedstaaten

KOM(2002) 64

ABl. C 126 E vom 28.5.2002

CNS/2002/0041

Letzte Änderung: 18.08.2006