Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts (Grünbuch)

In diesem Grünbuch wird vorgeschlagen, Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts zu erleichtern, um dem Recht auf Schadenersatz zu größerer Wirksamkeit zu verhelfen. Es werden zahlreiche Möglichkeiten genannt, wie die Hindernisse für erfolgreiche Schadenersatzklagen beseitigt werden könnten.

RECHTSAKT

Grünbuch vom 19. Dezember 2005 „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts" [KOM(2005) 672 endgültig - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG.

In dem Grünbuch wird vorgeschlagen, Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts (Kartelle - Artikel 81 EG-Vertrag, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung - Artikel 81 EG-Vertrag) zu erleichtern.

Geltendmachen der EU-Wettbewerbsvorschriften

Unternehmen und Privatpersonen haben das Recht, Ersatz für Schäden zu verlangen, die ihnen durch Verletzung der EU-Wettbewerbsvorschriften entstanden sind.

Der Europäische Gerichtshof hat dieses Recht in seinem Urteil vom 20. September 2001 in der Sache Courage v. Crehan (C-453/99) ausdrücklich anerkannt. Nicht nur - so der Gerichtshof - ist durch Ausübung dieses Rechts eine Entschädigung für Verletzungen des Wettbewerbsrechts möglich, sondern dieses Recht trägt auch zur vollen Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts bei und ist geeignet, wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern (Randnummern 26 und 27).

Obwohl die Schäden, die durch Kartelle und Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verursacht werden, hoch sind, stehen zahlreiche Hindernisse Schadenersatzklagen von Unternehmen und Privatpersonen vor nationalen Gerichten wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts entgegen.

Sowohl die staatliche als auch die private Durchsetzung des Wettbewerbsrechts (durch Kommission und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bzw. Opfer wettbewerbswidrigen Verhaltens) sind für die wirksame Anwendung der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags wichtig. Die Schritte der Wettbewerbsbehörden und die Schadenersatzklagen von Geschädigten ergänzen sich insofern, als sie Unternehmen von vornherein von einer Verletzung des Wettbewerbsrechts abhalten bzw. Betroffene im Nachhinein entschädigen können.

Das Grünbuch der Europäischen Kommission enthält daher Vorschläge zur Erleichterung von Schadenersatzklagen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts.

Wichtigste Punkte

Es werden die wichtigsten Hindernisse für Schadenersatzklagen aufgeführt und jeweils Lösungsmöglichkeiten vorgelegt, zur Stellungnahme.

Zugang zu Beweismitteln, Beweislast und Beweisanforderung

Die betreffenden Zuwiderhandlungen sind schwer zu beweisen, da es sich in der Regel um geheime Vorgehensweisen handelt und die Beweismittel sich in Händen des potenziellen Beklagten befinden.

Zur Erleichterung von Schadenersatzklagen wird z. B. vorgeschlagen, den/die Beklagten zur Übergabe von Unterlagen an den Kläger zu verpflichten. Eine andere Möglichkeit wäre es, den Parteien Zugang zu den Dokumenten im Besitz der nationalen Wettbewerbsbehörden zu gewähren.

Ferner wird die Frage aufgeworfen, ob bei Informationsasymetrie zwischen Kläger und Beklagtem nicht die Beweislast des Klägers erleichtert werden sollte. Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden, mit denen ein Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften festgestellt wird, könnten für verbindlich erklärt werden.

Das Grünbuch stellt auch die Frage nach dem Verschuldenserfordernis. Die Kommission schlägt verschiedene Möglichkeiten vor : Es könnte ein Verschulden vermutet werden, sobald ein Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften festgestellt wird, oder der Beweis der Zuwiderhandlung könnte bei besonders gravierenden Verstößen ausreichen.

Schadenersatz

Weiteres Thema ist die rechtliche Definition von Schadenersatz. Sollte er unter Bezug auf den entstandenen Verlust (kompensatorischer Schadenersatz) oder auf die unrechtmäßigen Gewinne des Rechtsverletzers bestimmt werden?

Sehr wichtig sind Höhe und Art und Weise der Berechnung des Schadenersatzes. So könnten Schadenersatzleistungen Zinsen beinhalten oder bei horizontalen Kartellen automatisch oder nach gerichtlichem Ermessen verdoppelt werden.

Die Kosten für Schadenersatzklagen stellen für Verbraucher mit geringen Schadenersatzforderungen eindeutig ein Hindernis für Schadenersatzklagen dar. Um ihre Interessen besser zu schützen, wird in dem Grünbuch die Einführung von Sammelklagen über Verbraucherverbände erwogen.

Staatliche und private Durchsetzung des Wettbewerbsrechts können sich zur wirksamen Anwendung der Wettbewerbsvorschriften ergänzen, müssen jedoch koordiniert werden.

Das Grünbuch enthält Vorschläge, wie dafür gesorgt werden könnte, dass sich Schadenersatzklagen nicht negativ auf die Funktionsweise der Kronzeugenprogramme auswirken und beide Regelungen ihre Wirksamkeit behalten. Die Mitteilung über die Kronzeugenregelung vom Dezember 2006 sieht ebenfalls vor, von Unternehmen im Rahmen der Kronzeugenregelung freiwillig gemachte Erklärungen nicht in zivilrechtlichen Schadenersatzklagen offenzulegen.

Ein Unternehmen kann seine durch wettbewerbswidriges Verhalten eines Geschäftspartners entstandenen wirtschaftlichen Verluste durch Weitergabe der Mehrkosten an seine Kunden mindern. Der Schaden wird somit an die Abnehmer in einer Lieferkette weitergereicht und schließlich, manchmal auch in vollem Umfang, vom Endverbraucher getragen.

Das Grünbuch stellt die Frage, ob es dem Rechtsverletzer erlaubt sein sollte, eine derartige Überwälzung der Kosten bei einer Schadenersatzklage zu seiner Verteidigung anzuführen, und ob die indirekten Abnehmer, an die der überhöhte Kaufpreis weitergegeben wurde, klagebefugt sind.

Hintergrund

Das Grünbuch wurde zur Stellungnahme vorgelegt. Nach Abschluss der Überlegungen wird ein Weißbuch folgen.

See also

Nähere Informationen enthält die Website „Actions for Damages" (Schadenersatzklagen) der Generaldirektion Wettbewerb (EN).

Letzte Änderung: 28.03.2007