Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (bis November 2012)

Diese Richtlinie soll garantieren, dass bei Ausfall eines Versicherungsunternehmens mit Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten ein einziges Liquidationsverfahren für die Versicherten, die Versicherungsunternehmer, die Begünstigten und die Gläubiger angewandt wird.

RECHTSAKT

Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen.

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund

Diese Regelung, die im Aktionsplan für Finanzdienstleistungen vorgesehen war, schließt eine wichtige Rechtslücke im Bereich der Finanzdienstleistungen. Sie fällt in eine Zeit, in der private Anlage- und Sparpläne großen Zulauf haben. Ein erster Richtlinienvorschlag wurde bereits 1987 vorgelegt, doch haben sich die Arbeiten nicht zuletzt wegen der komplizierten Insolvenzordnungen der Mitgliedstaaten in die Länge gezogen.

Heutige Situation

Bei der Liquidation eines Versicherungsunternehmens mit Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten können die Behörden aller Mitgliedstaaten, in denen eine Zweigniederlassung besteht, heutzutage unabhängig voneinander Insolvenzverfahren eröffnen. Dies kann zu Kompetenzkonflikten führen, und die Versicherungsnehmer werden möglicherweise nicht immer gleichbehandelt. Auch im Falle einer Neuordnung des Unternehmens können sich die Vorgehensweisen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheiden. Die Richtlinie soll den Schutz der Verbraucher unabhängig vom Ort ihres Wohnsitzes gewährleisten.

Grundsatz der Herkunftslandkontrolle

Bei Ausfall eines Versicherungsunternehmens mit Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten erfolgt die Liquidation in einem einzigen Insolvenzverfahren in dem Mitgliedstaat, in dem das Versicherungsunternehmen seinen Sitz hat (Herkunftsmitgliedstaat). Für das Verfahren ist somit ein einheitliches Insolvenzrecht maßgebend. Damit wird dem Grundsatz der Herkunftslandkontrolle entsprochen, der den EU-Richtlinien im Versicherungsbereich zu Grunde liegt (Lebensversicherung und Schadenversicherung).

Die Definition der Zweigniederlassung bestimmt sich nach dem Recht des Herkunftsmitgliedstaats, der über die Behandlung des Vermögens und der Verbindlichkeiten einer unabhängigen Person entscheidet, die befugt ist, auf Dauer für das Versicherungsunternehmen als Bevollmächtigter zu handeln.

Geltungs- und Anwendungsbereich

Die Richtlinie gilt für Versicherungsunternehmen mit Sitz in der EU sowie für europäische Zweigniederlassungen von Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Drittland und für in der EU ansässige Gläubiger.

Sie gilt für Liquidationsverfahren, unabhängig davon, ob sie wegen Zahlungsunfähigkeit und ob sie freiwillig oder zwangsweise eröffnet wurden. Sie ist darüber hinaus auf Gesamtverfahren im Sinne des Rechts des Herkunftsmitgliedstaats anwendbar.

Grundsätze der Einheit und der Universalität

Nur die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats können über Verfahren zur Liquidation eines Versicherungsunternehmens entscheiden (Einheitsgrundsatz). Diese Verfahren entfalten ihre Wirkung in der gesamten Gemeinschaft und werden von allen Mitgliedstaaten anerkannt. In der Regel werden alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Versicherungsunternehmens in das Liquidationsverfahren einbezogen (Universalitätsgrundsatz).

Abstimmungsgrundsatz

Die Aufsichtsbehörden des Herkunftsmitgliedstaats und aller anderen Mitgliedstaaten werden unverzüglich von der Eröffnung eines Liquidationsverfahrens unterrichtet.

Bekanntmachung

Die Entscheidung zur Eröffnung eines Liquidationsverfahrens muss in der EU in geeigneter Weise bekannt gemacht werden. Über die Veröffentlichung der Entscheidung hinaus müssen die bekannten Gläubiger, die in der Europäischen Union ansässig sind, über den Gang des Verfahrens regelmäßig einzeln unterrichtet werden.

Gläubigerschutz und Gleichbehandlung

Geschützt sind Forderungen, die Versicherten, Versicherungsnehmern, Begünstigten und geschädigten Dritten, die einen Direktanspruch gegen das Versicherungsunternehmen haben, auf Grund von Versicherungsgeschäften zustehen. Die Mitgliedstaaten haben die Wahl zwischen zwei Methoden: entweder sie räumen Versicherungsforderungen ein absolutes Befriedigungsvorrecht ein oder ein Rangvorrecht, dem nur Lohn- und Gehaltsforderungen, Forderungen der Sozialversicherung, Steuerforderungen und dinglich gesicherte Forderungen vorgehen dürfen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, zwischen den verschiedenen Forderungskategorien eine Rangfolge aufzustellen. Dabei ist für eine Gleichbehandlung aller Gläubiger zu sorgen, ohne nach der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz zu unterscheiden.

Widerruf der Zulassung

Die Eröffnung des Liquidationsverfahrens hat den Widerruf der Zulassung des Versicherungsunternehmens zur Folge.

Ausnahmen

Die Richtlinie sieht Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip vor bei Wirkungen einer Sanierung oder Liquidation auf bestimmte Verträge und Rechte (z. B. auf Arbeitsverhältnisse), auf dingliche Rechte Dritter, auf Eigentumsvorbehalte, Aufrechnungen, geregelte Märkte, benachteiligende Rechtshandlungen, Dritterwerber und auf anhängige Rechtsstreitigkeiten.

Berufsgeheimnis

Dem Berufsgeheimnis unterliegen alle Personen, die im Rahmen der Unterrichtungsverfahren Informationen entgegennehmen oder erteilen.

Drittländer

Der Aufnahmestaat der Zweigniederlassung, dessen Muttergesellschaft in einem Drittland niedergelassen ist, gilt als Herkunftsmitgliedstaat. Hat die Muttergesellschaft Zweigniederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten, wird jede Zweigniederlassung als unabhängiges Unternehmen behandelt (abgestimmtes Vorgehen der zuständigen Behörden, Aufsichtsbehörden, Verwalter und Liquidatoren).

Die vorliegende Richtlinie wird ab dem 1. November 2012 aufgehoben durch die Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung von Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeiten.

Bezug

Rechtsakt

Datum des Inkrafttretens

Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten

Amtsblatt

Richtlinie 2001/17/EG

20.4.2001

20.4.2003

Amtsblatt L 110 vom 20.4.2001

Letzte Änderung: 26.10.2011