Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen

Die Europäische Kommission wendet auf freiberufliche Dienstleistungen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln an. Regelungen, die den Wettbewerb in diesem Sektor behindern und nicht durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind, sollen geändert oder gestrichen werden. Damit wird das Dienstleistungsangebot für den Verbraucher nicht nur wettbewerbsfähiger, sondern gewinnt auch an Qualität. Es geht um Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Architekten, Ingenieure und Apotheker. Da die Wettbewerbsbeschränkungen im Wesentlichen einzelstaatlicher Art sind, wird ihre Beseitigung auch hauptsächlich Sache der Mitgliedstaaten, ihrer Wettbewerbsbehörden sowie der Berufsverbände sein.

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission vom 9. Februar 2004 mit dem Titel „Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen" [KOM (2004) 83 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]

ZUSAMMENFASSUNG

Bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft kommt den freiberuflichen Dienstleistungen eine wesentliche Rolle zu, da sie aufgrund ihrer Qualität und ihrer Wettbewerbsfähigkeit erhebliche Strahlungseffekte haben. Durch den Abbau einschränkender, den Wettbewerb verhindernder Regeln in diesem Sektor könnten den Verbrauchern wettbewerbsfähigere, bessere und kostengünstigere Dienstleistungen angeboten werden.

Der Bericht der Europäischen Kommission zeigt, dass aus wettbewerbspolitischer Sicht Handlungsbedarf im Bereich der freien Berufe besteht und berichtet über die bisherigen Arbeiten der Kommission in diesem Bereich. Er gibt die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission hinsichtlich der wichtigsten Beschränkungen und deren angebliche Begründung durch das Allgemeininteresse wieder und zeigt den Rechtsrahmen der Gemeinschaft für die Analyse dieser Beschränkungen auf. Schließlich veranschaulicht er, wie nicht gerechtfertigte Beschränkungen in der Zukunft beseitigt werden können.

Restriktive Regelungen bei den freiberuflichen Dienstleistungen

Derzeit sind die Dienstleistungen freier Berufe entweder staatlich geregelt oder durch die Berufsverbände selbst reguliert.

Nach einer Analyse der Märkte, auf denen Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Architekten, Ingenieure und Apotheker in der Europäischen Union (EU) tätig sind, stellte die Kommission fest, dass sich die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder die Regulierungssysteme der Berufsverbände in fünf Gruppen von wettbewerbsbeschränkenden Regeln unterteilen lassen.

Es lassen sich hauptsächlich drei Gründe für diese Form der Reglementierung freiberuflicher Dienstleistungen anführen:

Die Kommission räumt ein, dass ein Teil der restriktiven Regelungen für freiberufliche Dienstleistungen gerechtfertigt sind, vertritt aber die Auffassung, dass in bestimmten Fällen wettbewerbsfördernde Mechanismen anstelle dieser einschränkenden Bestimmungen eingesetzt werden könnten und sollten.

Mögliche Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln

Im gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht wird zwischen der Verantwortlichkeit der Berufsverbände und der Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten unterschieden.

Bei Regelungen, die von den Berufsverbänden erlassen werden, handelt es sich um Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die gegen Artikel 81 EG-Vertrag verstoßen können. Hingegen fallen Regelungen, die objektiv notwendig sind, um eine ordnungsgemäße Berufsausübung in dem betreffenden Mitgliedstaat zu gewährleisten, nicht unter das Verbot dieses Artikels.

Artikel 81 selbst betrifft ausschließlich das Verhalten von Unternehmen und nicht die Gesetze oder Regelungen der Mitgliedstaaten. In Verbindung mit Artikel 10 Absatz 2 (der den Mitgliedstaaten alle Maßnahmen untersagt, die die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten) und Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g des Vertrags (der die Intervention der Gemeinschaft rechtfertigt, wenn es darum geht, den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen zu schützen) verbietet es jedoch Artikel 81 den Mitgliedstaaten, Maßnahmen, auch in Form von Gesetzen oder Verordnungen, zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten.

Überträgt nämlich ein Staat seine Regelungsbefugnis einem Berufsverband ohne hinreichende Schutzvorkehrungen, d. h. ohne die zu wahrenden Ziele des Allgemeininteresses klar zu definieren und ohne sich die letztendliche Entscheidungsbefugnis oder die Kontrolle über die Anwendung vorzubehalten, kann der Mitgliedstaat ebenfalls für einen daraus folgenden Verstoß verantwortlich gemacht werden. So können die von Berufsverbänden erlassenen Maßnahmen als legislative oder regulatorische Instrumente staatlicher Stellen die Verantwortlichkeit der Berufsangehörigen und ihrer Verbände gemäß Artikel 81 EG-Vertrag sowie die der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 10 und Artikel 81 EG-Vertrag nach sich ziehen.

Standpunkt der Kommission und vorgeschlagene Maßnahmen

Wie zahlreiche empirische Studien gezeigt haben, können sich übermäßige oder veraltete Regeln für freiberufliche Dienstleistungen nachteilig auf die Verbraucher auswirken, den Wettbewerb zwischen Leistungserbringern ausschalten oder einschränken und so die Anreize für Freiberufler mindern, kosteneffizient und kostengünstig zu arbeiten, die Servicequalität zu verbessern oder innovative Dienstleistungen anzubieten.

In diesem Zusammenhang räumt die Kommission ein, dass eine gewisse Reglementierung freiberuflicher Dienstleistungen gerechtfertigt ist, doch in einigen Fällen könnten und sollten anstelle traditionell restriktiver Vorschriften wettbewerbsfördernde Mechanismen eingesetzt werden. Es gibt eine Vielfalt weniger restriktiver Maßnahmen, um die Qualität zu sichern und die Verbraucher zu schützen. So könnten beispielsweise mehr und bessere Informationen über freiberufliche Dienstleistungen den Verbrauchern dabei helfen, ihre Entscheidung über die Inanspruchnahme solcher Dienstleistungen in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen.

Aus dieser Sicht fordert die Kommission die Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten auf, die in ihre Zuständigkeit fallenden restriktiven Rechtsvorschriften für freiberufliche Dienstleistungen zu prüfen. Insbesondere wäre zu untersuchen, ob die geltenden Beschränkungen ein klar artikuliertes und legitimes Ziel des Allgemeininteresses verfolgen, ob sie notwendig sind, um diese Ziele zu erreichen, und ob es hierfür nicht weniger einschneidende Mittel gibt. Die Kommission fordert auch alle berufsständischen Einrichtungen auf, ihre Regeln und Vorschriften einer ähnlichen Überprüfung zu unterziehen. Sie sollten nach demselben Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgehen wie die einzelstaatlichen Regulierungsbehörden und erforderlichenfalls geltende Regeln ändern bzw. Änderungen vorschlagen.

Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 im Mai 2004 werden die nationalen Wettbewerbsbehörden und die nationalen Gerichte eine größere Rolle übernehmen, wenn es darum geht, die Rechtmäßigkeit von Regeln und Vorschriften für freie Berufe zu bewerten. Soweit Wettbewerbsbeschränkungen schwerpunktmäßig einen Mitgliedstaat betreffen, sollte die administrative Durchsetzung der EG-Wettbewerbsregeln für die freien Berufe hauptsächlich Aufgabe der nationalen Wettbewerbsbehörden sein (erforderlichenfalls wird die Kommission weiterhin einzelne Fälle bearbeiten). Des Weiteren regt die Kommission an, zusammen mit den nationalen Regulierungsbehörden zu erörtern, ob die geltenden Regelungen notwendig, verhältnismäßig und gerechtfertigt sind.

Die Kommission wird 2005 darüber berichten, welche Fortschritte bei der Beseitigung der festgestellten Beschränkungen erzielt wurden oder ob die einschlägigen Regeln nachweislich gerechtfertigt sind. Hierzu wird die Kommission gegen Jahresende die Regulierungsbehörden kontaktieren, um Auskunft darüber zu erhalten, ob diese in den Erfassensbereich des Berichts fallende Maßnahmen erlassen haben. Sollten restriktive Regeln beibehalten werden, ist dies ausdrücklich zu begründen und der Kommission mitzuteilen.

Hintergrund

Der Europäische Rat verabschiedete auf seiner Tagung im März 2000 in Lissabon ein wirtschaftliches Reformprogramm mit dem Ziel, die EU bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. In Verbindung damit hob der Europäische Rat die Schlüsselrolle des Dienstleistungssektors für die Wirtschaft und sein Potenzial für Wachstum und Beschäftigung hervor. Der Dienstleistungssektor ist der wichtigste Wachstumsmotor in der EU mit einem BIP-Anteil von 54 % und einem Anteil von 67 % an der Gesamtbeschäftigung. Eine wichtige Säule des Lissabonner Reformprogramms ist daher die „Binnenmarktstrategie für den Dienstleistungssektor" [KOM (2000) 888], deren Ziel die Schaffung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes für alle Dienstleistungsanbieter ist. Die Kommission schlägt weiter eine neue Richtlinie über die Erbringung von Dienstleistungen vor, um bis 2010 die rechtlichen Hindernisse abzubauen, die Unternehmen daran hindern, sich in anderen Mitgliedstaaten niederzulassen oder dort ihre Dienstleistungen anzubieten.

VERWANDTE RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 5. September 2005 mit dem Titel „Freiberufliche Dienstleistungen - Raum für weitere Reformen - Follow-up zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, KOM(2004) 83 vom 9. Februar 2004 [KOM(2005) 405 endg. - nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

Die Europäische Kommission zieht hierin eine erste Bilanz der Reform ungerechtfertigter restriktiver Regelungen für freiberufliche Dienstleistungen. Auf der einen Seite äußert sie sich zufrieden mit den in manchen Mitgliedstaaten erzielten Fortschritten, auf der anderen Seite zeigt sie sich beunruhigt in Anbetracht der in vielen anderen Mitgliedstaaten noch zu häufig vorhandenen Regelungen, die den Wettbewerb ohne objektive Gründe schwer beeinträchtigen. Es ist jedoch ermutigend festzustellen, dass sich die meisten intensiv mit dem Thema befassen und wohl auch mehr oder weniger konsequente Reformen in Angriff nehmen werden. Einige Mitgliedstaaten lassen hingegen keinerlei Reformbereitschaft erkennen.

Vor diesem Hintergrund fordert die Kommission die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Bemühungen zur Stärkung des Wettbewerbs in diesem Bereich zu intensivieren. Es wird eine vertiefte Analyse der Märkte für freiberufliche Dienstleistungen angeregt, um das Allgemeininteresse besser definieren und gezieltere Regelungen vorsehen zu können. Im Gegensatz zu den Hauptnutzern freiberuflicher Dienstleistungen (Unternehmen und öffentlicher Sektor) benötigen gelegentliche Nutzer (Privatpersonen) freiberuflicher Dienstleistungen einen maßgeschneiderten Regelungsschutz. In Bezug auf kleine Unternehmen ist die Lage noch unklar und erfordert weitere Arbeiten.

Unbedingt erforderlich für diesen Reformprozess ist eine starke politische Unterstützung auf einzelstaatlicher Ebene sowie eine stärkere Einbeziehung der freiberuflichen Dienstleister. Die Kommission wird weiterhin eine Mittlerfunktion übernehmen und zur Verbreitung erfolgreicher Ansätze beitragen.

Letzte Änderung: 28.10.2005