Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften

Im Rahmen der immer häufiger anzutreffenden öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP--Public Private Partnerships) entstehen neuartige Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Das Grünbuch enthält eine Bestandsaufnahme der in der EU bestehenden einschlägigen Praktiken vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts. Es gibt den beteiligten Akteuren das Wort und will so eine Diskussion über die Frage in Gang bringen, ob auf europäischer Ebene ein spezieller Rechtsrahmen geschaffen werden sollte.

RECHTSAKT

Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen [KOM(2004) 327 endg.]

ZUSAMMENFASSUNG

Der Begriff PPP bezeichnet eine Form der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und privaten Wirtschaftsteilnehmern. Ziel dieser Zusammenarbeit ist vor allem die Finanzierung, der Bau, die Renovierung oder die wirtschaftliche Nutzung einer Infrastruktureinrichtung oder die Erbringung einer Dienstleistung. PPP sind anzutreffen in den Bereichen Verkehr, öffentliche Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Abfallwirtschaft sowie Energie- und Wasserversorgung. Auf europäischer Ebene tragen sie zur Durchführung der europäischen Wachstumsinitiative und zur Schaffung der transeuropäischen Netze bei.

Kennzeichnend für PPP sind:

In dem Grünbuch werden zwei Arten von PPP unterschieden:

Analyse der PPP aus dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts

Auf europäischer Ebene gibt es keinen speziellen Rechtsrahmen für PPP. Mit Hilfe des Grünbuchs soll daher untersucht werden, ob der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) und das aus ihm abgeleitete Recht angesichts der besonderen Merkmale von PPP angemessen und ausreichend sind. Diese Untersuchung betrifft sowohl die Auswahl des privaten Partners als auch die Umsetzung der Partnerschaft.

Jede Handlung, durch die eine öffentliche Stelle die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit einem Dritten überträgt, muss vor dem Hintergrund der Regeln und Grundsätze des EG-Vertrags untersucht werden. Auf dem Gebiet der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit (Artikel 43 bis 49) gehören zu diesen Grundsätzen insbesondere Transparenz, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und gegenseitige Anerkennung. PPP fallen somit in den Geltungsbereich des EG-Vertrags.

Für bestimmte Arten von PPP gelten die europäischen Rechtsvorschriften für die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Nachdem sie 2004 überarbeitet wurden, sehen diese Vorschriften vor allem ein neues Vergabeverfahren vor: den wettbewerblichen Dialog. Durch diesen Dialog erhalten bestimmte Arten von PPP eine Rechtsgrundlage, nämlich dann, wenn es um sehr komplexe Projekte geht, bei denen ein spezieller Bedarf einer öffentlichen Stelle vorliegt, so dass diese bei den Wirtschaftsteilnehmern nach der besten technischen Lösung sucht.

PPP können Gegenstand von Bau- oder Dienstleistungskonzessionen sein. Derartige Konzessionen unterscheiden sich insofern von öffentlichen Aufträgen, als der private Partner seine Vergütung zumindest zum Teil aus der Nutzung des Bauwerks oder der Bereitstellung der Dienstleistung bezieht. Auf europäischer Ebene fallen Konzessionen teilweise oder ganz (Dienstleistungskonzessionen) aus dem Geltungsbereich der EU-Richtlinien für die Vergabe öffentlicher Aufträge heraus. Die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht [Amtsblatt C 121 vom 29. April 2000] gibt Aufschluss über die Verpflichtungen, die für die öffentlichen Stellen bei der Auswahl von Konzessionären gelten.

Ist auf europäischer Ebene ein spezieller Rechtsrahmen für PPP erforderlich?

Die Interessenträger beklagen, dass die mangelnde Klarheit des Gemeinschaftsrechts die weitere Ausbreitung von PPP behindert.

Das Grünbuch gibt den Anstoß zu einer öffentlichen Anhörung zu der Frage, wie die Weiterentwicklung von PPP auf der Basis eines wirksamen Wettbewerbs und von Rechtsklarheit gewährleistet werden kann. Es enthält 22 Fragen, die in erster Linie folgende Themen betreffen:

Die Kommission wird die anlässlich der öffentlichen Anhörung eingehenden Beiträge analysieren und deren Ergebnisse veröffentlichen sowie gegebenenfalls konkrete Anschlussmaßnahmen vorschlagen. Dabei sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: eine verbindliche Rechtsvorschrift, eine Mitteilung zu Auslegungsfragen, die bessere Koordinierung der nationalen Maßnahmen oder auch der Austausch vorbildlicher Lösungen zwischen den Mitgliedstaaten.

Hintergrund

Das Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) war von der Kommission in der Binnenmarktstrategie 2003-2006 angekündigt worden.

PPP sind seit rund 15 Jahren immer häufiger anzutreffen. Der öffentliche Sektor greift aufgrund der knappen Finanzmittel zunehmend auf diese Konstruktion zurück, denn auf diese Weise kann er von dem Know-how des privaten Sektors profitieren. Darüber hinaus ermöglichen PPP insofern Einsparungen, als sie sämtliche Phasen eines Projekts, von der Planung bis zur wirtschaftlichen Nutzung, abdecken. Ganz generell sind PPP auch für die auf Gemeinschaftsebene stattfindende Diskussion über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse relevant, und ihre Zunahme spiegelt die Entwicklung der Rolle des Staates in der Wirtschaft wider. Diese Entwicklung geht hin zu einem Staat, der weniger ein direkter Akteur ist als vielmehr ein Organisator, Regulator und Kontrolleur.

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Mitteilung der Kommission vom 15. November 2005 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen und Konzessionen

Letzte Änderung: 02.01.2006