Bericht zur Gleichstellung von Frau und Mann 2004

Die Europäische Kommission legt auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates ihren ersten Jahresbericht über die Fortschritte beim Gender-Mainstreaming in verschiedenen strategischen Bereichen vor. Angesichts des geringen Tempos der Fortschritte ist die Verwirklichung der in Lissabon festgelegten Zielvorgaben in Frage gestellt.

RECHTSAKT

Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie den Ausschuss der Regionen vom 19. Februar 2004: „Bericht zur Gleichstellung von Frau und Mann 2004" [KOM (2004) 115 - nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG

Auf Wunsch des Europäischen Rates (Frühjahrstagung 2003) hat die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates im Jahr 2004 einen Jahresbericht über die Fortschritte bei der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern erstellt. Der Bericht gibt darüber hinaus Orientierungen für eine konsequente Einbindung der Gleichstellungsdimension in verschiedenen Politikbereiche vor.

GLEICHSTELLUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN - BILANZ

Mitgliedstaaten und Beitrittsländer haben zweifelsohne Fortschritte auf dem Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern gemacht. Der Kommissionsbericht bestätigt, dass in verschiedenen strategischen Bereichen ein positiver Trend beim Abbau der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern festzustellen ist.

So ist beispielsweise in den meisten europäischen Ländern im sekundären und tertiären Bildungsbereich der Anteil der Frauen höher als der der Männer. Frauen machen heutzutage die Mehrheit der Hochschulabsolventen aus, wenngleich sie auf der höchsten Bildungsstufe noch in der Minderheit sind. Außerdem hat sich gezeigt, dass der Einsatz der Strukturfondsmittel, insbesondere im Rahmen des Europäischen Sozialfonds, bei der nationalen Politik im Bereich der Geschlechtergleichstellung als Triebkraft wirkt.

Die Entwicklungen im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern stellen sich jedoch von einem Mitgliedstaat zum anderen sehr unterschiedlich dar. Nach wie vor bestehen in den meisten strategischen Bereichen Ungleichheiten. Das geringe Tempo der Fortschritte kann Europas Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. In Lissabon wurde das Ziel festgelegt, die Europäische Union bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen. Unabdingbare Voraussetzungen für die Verwirklichung dieses Ziels sind jedoch eine aktive Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen und der Abbau der in verschiedenen Bereichen bestehenden geschlechtsspezifischen Unterschiede.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten daher - über den Europäischen Rat - auf, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft zu fördern. Dabei zeigt sie einige prioritäre Herausforderungen auf.

HERAUSFORDERUNGEN

Effektivität der Gleichstellungspolitik der Gemeinschaft

Die Kommission unterstreicht die Notwendigkeit, für eine rasche Durchführung der unlängst verabschiedeten Rechtsakte in den Mitgliedstaaten sowie für eine ordnungsgemäße Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Bereich Gleichbehandlung in den Beitrittsländern zu sorgen.

Zum Zwecke der Vereinfachung und aus Gründen der Rechtssicherheit - und nicht zuletzt im Kontext der Erweiterung - plant die Kommission, die bestehenden Rechtsakte durch eine einzige Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Beschäftigung und Beruf zu ersetzen. Im Übrigen würde die Kommission wünschen, dass der Vorschlag für eine Richtlinie zur Ausweitung der Rechtsvorschriften im Bereich der Gleichbehandlung von Frauen und Männern auf andere Bereiche außerhalb des Arbeitsmarktes, insbesondere beim Zugang zu Gütern und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, bis März 2005 verabschiedet wird.

Abbau der Ungleichheiten am Arbeitsmarkt in Bezug auf Beschäftigung und Arbeitsentgelt

Die Kommission stellt fest, dass die Diskrepanzen zwischen Frauen und Männern bei den Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten - trotz eines deutlichen Rückgangs - nach wie vor erheblich sind. Allerdings dürften sich die Unterschiede mit der Erweiterung der Union verringern. Auch das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist immer noch signifikant, und zwar in stärkerem Maße im privaten als im öffentlichen Sektor. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind in erster Linie ein Problem der Frauen, insbesondere, wenn sie eine schlechte Schulausbildung haben, wenn sie Opfer häuslicher Gewalt sind, wenn sie bereits älter sind oder wenn sie allein erziehend sind.

Es ist somit unverzichtbar, dass die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen fortsetzen, um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu gewährleisten und um die in Lissabon festgelegte Zielvorgabe einer Frauenbeschäftigungsquote von 60 % bis zum Jahr 2010 zu erfüllen. Die Kommission nennt in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Prioritäten: Arbeitsplatzqualität fördern, Arbeit lohnend machen, gegen den Lohnrückgang in Tätigkeitsbereichen angehen, in denen sich ein Beschäftigungsanstieg bei den Frauen abzeichnet, auf ein echtes Engagement der Sozialpartner hinarbeiten.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Der Erfolg von Strategien, die auf eine Anhebung der Beschäftigungsquoten abzielen, hängt entscheidend davon ab, ob Frauen und Männer die Möglichkeit haben, Familie und Beruf miteinander in Einklang zu bringen. Der Bericht macht deutlich, dass es die Frauen sind, die den Großteil der Haus- und Familienarbeit verrichten. Die Kommission empfiehlt die Förderung von Elternurlaubsregelungen, die eine Aufteilung zwischen beiden Eltern vorsehen. Ziel soll es vor allem sein, etwaige negative Auswirkungen eines längeren Elternurlaubs auf die Frauenbeschäftigung zu verhindern. Um es sowohl Frauen als auch Männern zu ermöglichen, im Arbeitsmarkt zu verbleiben, sollten die Mitgliedstaaten die Betreuungsangebote für Kinder und andere betreuungsbedürftige Personen ausbauen und geeignete Einrichtungen in ausreichender Zahl bereitstellen. Auch ist es wichtig, Männer dazu zu ermutigen, einen größeren Anteil an den familiären Aufgaben zu übernehmen.

Förderung einer ausgewogenen Vertretung von Männern und Frauen in Entscheidungsprozessen

Frauen sind nach wie vor in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Somit ist es erforderlich, Regierungen, politische Parteien und die Sozialpartner zu mobilisieren, damit sie auf eine ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen in Entscheidungsprozessen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft hinwirken. Im Übrigen setzt sich die Kommission auch für eine ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 ein.

Implementierung des Gender-Mainstreaming

Die Kommission unterstreicht, wie wichtig es ist, das Gender-Mainstreaming in allen strategisch wichtigen Bereichen voranzutreiben, und zwar sowohl in den Mitgliedstaten als auch auf der Ebene der Union. Darüber hinaus muss die Gleichstellung der Geschlechter eine Priorität bei der Zuweisung von Strukturfondsmitteln bleiben, insbesondere mit Blick auf den neuen Programmplanungszeitraum. Außerdem gilt es, im Kontext des Europäischen Forschungsraums die Anstrengungen zur Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen weiterzuverfolgen.

Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und des Frauenhandels

Die Kommission setzt sich dafür ein, über eine bloße Anerkennung der Notwendigkeit der Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und des Frauenhandels hinauszugehen. Mitgliedstaaten und Beitrittsländer müssen ihre diesbezüglichen Maßnahmen verstärken und ausweiten, und sie müssen Indikatoren erarbeiten, die eine Überwachung der Fortschritte ermöglichen. Die Verhütung und Bekämpfung häuslicher Gewalt ist eine Aufgabe, die in erster Linie in den Zuständigkeitsbereich der lokalen und der nationalen Ebene fällt, doch kann sie auch auf die Agenda des neuen Programms Daphne II gesetzt werden. Die Bekämpfung des Frauenhandels muss im Rahmen eines umfassenden Konzepts in Angriff genommen werden. Dabei wird es nicht nur um die Verfolgung der Täter und um den Schutz und die Unterstützung der Opfer gehen, sondern auch um Präventionsmaßnahmen in Form entsprechender Kampagnen und im Wege einer grenzüberschreitenden und internationalen Zusammenarbeit.

Letzte Änderung: 25.02.2004