ISSN 1977-0642

doi:10.3000/19770642.L_2013.119.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

L 119

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Rechtsvorschriften

56. Jahrgang
30. April 2013


Inhalt

 

II   Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

Seite

 

 

BESCHLÜSSE

 

 

2013/197/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 27. Oktober 2010 über die staatliche Beihilfe C 15/08 (ex N 318/07, N 319/07, N 544/07 und N 70/08), die Italien zugunsten der Werft Cantiere Navale De Poli gewähren will (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2010) 7253)  ( 1 )

1

 

 

2013/198/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 27. Juni 2012 über die staatliche Beihilfe SA.28356 (C 37/09) (ex N 226/09) — Habidite Alonsotegi (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2012) 4194)  ( 1 )

9

 

 

2013/199/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 25. Juli 2012 über die staatliche Beihilfe SA.29064 (11/C, ex 11/NN) — Differenzierte Fluggaststeuersätze in Irland (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2012) 5037)  ( 1 )

30

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR

DE

Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben.

Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte.


II Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

BESCHLÜSSE

30.4.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 119/1


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 27. Oktober 2010

über die staatliche Beihilfe C 15/08 (ex N 318/07, N 319/07, N 544/07 und N 70/08), die Italien zugunsten der Werft Cantiere Navale De Poli gewähren will

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2010) 7253)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2013/197/EU)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen (1) und unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 6. Juni 2007, vom 24. September 2007 und vom 6. Februar 2008 meldete Italien Anträge auf Verlängerung der dreijährigen Lieferfrist für vier von der Werft Cantiere Navale De Poli (im Folgenden: „De Poli“ bzw. „die Werft“) zu bauende Chemikalientanker (C 241, C 242, C 243 und C 244) an (2). Im Einzelnen ersuchte Italien um die folgenden Verlängerungszeiten: acht Monate für Schiff C 241, sechs Monate für Schiff C 242, neun Monate für Schiff C 243 und zehn Monate für Schiff C 244.

(2)

Die Anmeldungen bezogen sich auf die von Italien an De Poli gewährten Beihilfen im Rahmen der nationalen Beihilferegelung N 59/2004; diese war von der Kommission am 19. Mai 2004 (3) auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1177/2002 des Rates vom 27. Juni 2002 zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für den Schiffbau (4), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 502/2004 des Rates (5) genehmigt worden (im Folgenden: „die italienische Regelung“ und „die Verordnung über befristete Schutzmaßnahmen”).

(3)

Mit Schreiben vom 31. Juli 2007, 31. August 2007, 7. September 2007, 12. November 2007 und 25. Januar 2008 übermittelte Italien der Kommission zusätzliche Informationen zu den Anmeldungen.

(4)

Mit Schreiben vom 16. April 2008 setzte die Kommission die italienischen Behörden von ihrer Entscheidung in Kenntnis, wegen der Verlängerungsanträge das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einzuleiten (6). Die Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegeben (7). Die Beteiligten wurden zur Stellungnahme aufgefordert.

(5)

Italien nahm mit Schreiben vom 16. Juni 2008, registriert am 17. Juni 2008 Stellung zur Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens. Ebenfalls mit Schreiben vom 16. Juni 2008, registriert am 17. Juni 2008, ging die Stellungnahme von De Poli bei der Kommission ein. Italien übermittelte weitere Informationen mit Schreiben vom 30. Juni 2008, registriert am selben Tag, sowie mit Schreiben vom 29. Oktober 2008, registriert am 3. November 2008.

(6)

Mit Schreiben vom 15. Juli 2008, registriert am 22. Juli 2008, ersuchte Italien um eine zweite Verlängerung der Frist für die Lieferung der beiden Schiffe C 242 und C 244, jeweils bis zum 30. September 2008.

(7)

Mit Schreiben vom 20. Januar 2009, registriert am 22. Januar 2009, ersuchte Italien um eine dritte Verlängerung der Frist für die Lieferung: bis zum 31. Dezember 2008 für Schiff C 242 und bis zum 28. Februar 2009 für Schiff C 243. Mit Schreiben vom 14. April 2009, registriert am 15. April 2009, ersuchte Italien nochmals um eine (vierte) Verlängerung der Lieferungsfrist: bis zum 30. Juni 2009 für Schiff C 242, bis zum 30. September 2009 für Schiff C 243 sowie bis zum 30. November 2009 für Schiff C 244.

(8)

Mit Schreiben vom 8. Mai 2009, registriert am gleichen Tag, ersuchte die Kommission Italien um weitere Informationen und wiederholte dieses Ersuchen nochmals mit Schreiben vom 12. Juni 2009. Italien beschränkte sich in seiner Antwort an die Kommission vom 23. September 2009 (8) auf die Information, dass De Poli zum Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses zugelassen worden sei (9).

(9)

Mit Schreiben vom 28. Januar 2010, registriert am 1. Februar 2010, zog Italien die Verlängerungsanträge für die Schiffe C 242 und C 243 offiziell zurück (10).

(10)

Mit elektronischer Post vom 2. März 2010 ersuchte die Kommission Italien um Klärung des Sachstands betreffend die Anmeldungen zu den beiden Schiffen C 241 und C 244.

(11)

Mit elektronischer Post vom 10. Juni 2010, registriert am 17. Juni 2010, setzte Italien die Kommission davon in Kenntnis, dass Schiff C 241 am 31. August 2008 fertig gestellt und am 3. November 2008 geliefert und die Anmeldung des Verlängerungsantrags aufrechterhalten worden sei.

(12)

Mit Schreiben vom 16. Juni 2010, registriert am 28. Juni 2010 zog Italien seinen Verlängerungsantrag für Schiff C 244 offiziell zurück.

II.   HINTERGRUND

(13)

Die nachstehend beschriebenen Sachverhalte beziehen sich ausschließlich auf Schiff C 241, da Italien die Anträge auf Verlängerung für die Schiffe C 242, C 243 und C 244 zurückgezogen hat.

(14)

Das Unternehmen De Poli betreibt eine Werft in Pellestrina (Venezia) und ist seit den 1990er Jahren auf den Bau von Chemikalienfrachtern und Tankschiffen spezialisiert. Im Jahr 2007 beschäftigte die Werft einschließlich Zulieferer 320 Mitarbeiter und erzielte einen Jahresumsatz von 70 Mio. EUR. Am 11. Februar 2010 erklärte das zuständige italienische Gericht ein Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses der Werft für zulässig (11).

(15)

Am 28. Januar 2005 hatte das Unternehmen Arcotur S.r.l. bei der Werft De Poli den Bau des Chemikalientankers C 241 mit den folgenden technischen Spezifikationen in Auftrag gegeben: Länge über alles: 125 m, gemallte Breite: 19 m, Tragfähigkeit: ca. 7 300 t, Geschwindigkeit: 15 Knoten bei 85 % der maximalen Dauerleistung. Nach den Bestimmungen des Kaufvertrags sollte die Lieferung des Schiffes C 241 an das Unternehmen Arcotur S.r.l. bis zum 31. Dezember 2007 erfolgen, der Gesamtpreis sollte 30 Mio. EUR betragen.

(16)

Am 26. Mai 2006 bestellte die Werft bei einem Lieferanten (im Folgenden „der Lieferant“) ein Untersetzungsgetriebe für den Schiffsmotor mit einem vom Lieferanten bestätigten Liefertermin von spätestens 3. September 2007. Den Informationen von De Poli zufolge handelt es sich bei dem Untersetzungsgetriebe für Schiff C 241 um ein Sondermodell, das gegenüber dem vom Lieferanten hergestellten Standardmodell verschiedene technische Besonderheiten aufweist.

(17)

Am 6. Juli 2006 vereinbarten das Unternehmen Arcoin S.p.A. (vormals Arcotur S.r.l.) und die Werft De Poli im Rahmen einer Änderung ihres Vertrags vom 28. Januar 2005 die folgenden neuen Spezifikationen für das zu liefernde Schiff C 241: Länge über alles: 112 m, gemallte Breite: 16,8 m, Tragfähigkeit: 5 300 t; der Gesamtpreis wurde auf 23 Mio. EUR reduziert.

(18)

Am 20. Juli 2006 trat Arcoin S.p.A. den Vertrag zum Bau des Schiffes C 241 an das Unternehmen Elbana di Navigazione S.p.A. ab.

(19)

Am 3. September 2007, dem Tag des Ablaufs der Lieferfrist für das am 26. Mai 2006 bestellte Untersetzungsgetriebe, war dieses nicht lieferfertig. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2007 teilte der Lieferant De Poli mit, dass das Getriebe wegen einer Rohstoffverknappung auf dem Markt mit entsprechenden Lieferverzögerungen von Zulieferern nicht termingerecht ausgeliefert werden konnte. Am 18. Januar 2008 bestätigte der Lieferant, dass sich die Fertigstellung bis Februar 2008, ca. sechs Monate nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist verzögern werde.

(20)

Vor diesem Hintergrund ersuchten die italienischen Behörden um eine Verlängerung der Lieferfrist für Schiff C 241 bis zum 31. August 2008, acht Monate nach dem zuvor vertraglich vereinbarten Termin (31. Dezember 2007).

(21)

Anhand der ihr vorgelegten Informationen stellte die Kommission schließlich fest, dass die Lieferung des Schiffes C 241 am 3. November 2008 erfolgte (12).

III.   DIE BEIHILFE

(22)

In der Verordnung über befristete Schutzmaßnahmen (13) werden ausnahmsweise vorübergehende Maßnahmen zur Unterstützung der Werften der Gemeinschaft in den Marktsegmenten festgelegt, die zur betreffenden Zeit durch den unlauteren Wettbewerb Koreas eine ernsthafte Schädigung erlitten haben (14).

(23)

Gemäß dieser Verordnung sind direkte Beihilfen für Aufträge zum Bau bestimmter Handelsschiffe (Containerschiffe, Chemikalientanker, Tankschiffe und Flüssiggastanker (15)) bis zu einer Höchstintensität von 6 % des Vertragswerts ohne Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar (16), sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: eine koreanische Werft hat für denselben Auftrag einen niedrigeren Preis geboten (17), der endgültige Vertrag wurde vor Ablauf der Geltungsdauer der Verordnung (31. März 2005) abgeschlossen (18), und das Schiff wird innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des endgültigen Vertrags geliefert (19).

(24)

Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für den Schiffbau ermöglicht der Kommission eine Verlängerung der Dreijahresfrist für die endgültige Ablieferung, „wenn dies aufgrund der technischen Komplexität des betreffenden Schiffbauvorhabens oder durch Verzögerungen zu rechtfertigen ist, die sich aus unerwarteten, erheblichen und vertretbaren Unterbrechungen im Arbeitsprogramm der Werft ergeben, die auf außergewöhnliche, unvorhersehbare und außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegende Umstände zurückzuführen sind“.

(25)

Auf der Grundlage dieser Verordnung genehmigte die Kommission im Mai 2004 die italienische Regelung für Werften (20), in der die gleichen Bedingungen wie in der genannten Verordnung festgeschrieben sind. Insbesondere enthält die italienische Regelung ebenfalls die Bestimmung zur Gewährung von Beihilfen für Aufträge zum Bau von Schiffen, die innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des endgültigen Vertrags geliefert werden, bis zu einem Höchstwert von 6 % des Vertragswerts ohne Beihilfe sowie die Möglichkeit der Verlängerung der Dreijahresfrist durch die Kommission, „wenn dies aufgrund der technischen Komplexität des betreffenden Schiffbauvorhabens oder durch Verzögerungen zu rechtfertigen ist, die sich aus unerwarteten, erheblichen und vertretbaren Unterbrechungen im Arbeitsprogramm der Werft ergeben, die auf außergewöhnliche, unvorhersehbare und außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegende Umstände zurückzuführen sind)“ (Paragraph 29 der italienischen Regelung).

(26)

Am 31. Januar 2005 stellte De Poli bei den italienischen Behörden einen Antrag auf Genehmigung des nach der genannten Regelung vorgesehen Zuschusses zum Bau des Schiffs C 241 in Höhe von 1,3 Mio. EUR.

(27)

Am 25. Januar 2008 ersuchte De Poli um Verlängerung des Liefertermins für Schiff C 241 vom 31. Dezember 2007 auf den 31. August 2008.

(28)

Die italienischen Behörden haben bestätigt, dass die Beihilfe noch nicht ausgezahlt wurde. Des Weiteren haben sie darauf hingewiesen, dass aufgrund der Entscheidung vom 21. Oktober 2008 (21), in der die Kommission die weitere Aufstockung der in der italienischen Regelung vorgesehenen Mittel um 10 Mio. EUR für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt hatte, zurzeit keine ausreichenden Mittel zur Auszahlung einer solchen Beihilfe bereitstünden.

IV.   BESCHLUSS ZUR EINLEITUNG DES VERFAHRENS

(29)

In ihrem Beschluss zur Einleitung des Verfahrens bezweifelt die Kommission, dass die von den italienischen Behörden und De Poli dargelegten Umstände der verspäteten Lieferung des Schiffs C 241 (wie auch der Schiffe C 242, C 243 und C 244, die nicht Gegenstand der vorliegenden Würdigung sind) als Verzögerungen einzustufen sind, die sich im Sinne von Paragraph 29 der italienischen Regelung „aus unerwarteten, erheblichen und vertretbaren Unterbrechungen im Arbeitsprogramm der Werft ergeben, die auf außergewöhnliche, unvorhersehbare und von dem Unternehmen nicht zu verantwortende Umstände zurückzuführen sind“.

(30)

Wenngleich sie alle vier Schiffe (C 241, C 242, C 243 und C 244) betreffen, beziehen sich die im Beschluss zur Einleitung des Verfahrens erhobenen Zweifel nunmehr ausschließlich auf die Würdigung im Zusammenhang mit Schiff C 241.

(31)

Zum einen hat die Kommission Zweifel, inwieweit die mit Arcoin S.p.A abgeschlossenen Verträge als endgültig zu betrachten sind oder ob sie für De Poli nicht vielmehr einen Ausweg darstellten, um die letztmögliche Frist für die Zulässigkeit der Beihilfe zu wahren, und nur in zweiter Linie der Suche nach endgültigen Käufern dienten.

(32)

Darüber hinaus fragt sich die Kommission, ob nicht die Übertragung der Kaufverträge zwischen den Schiffseignern selbst bereits zur Verzögerung der Ablieferung beigetragen hat.

(33)

Sodann überlegt die Kommission, ob De Poli bei der Auftragsannahme nicht möglicherweise die eigenen Kapazitätsgrenzen überschritten hat, da das Unternehmen für den Zeitraum 2005-2008 den Bau von 18 Schiffen geplant hatte, wovon die Hälfte auf den beiden Haupthellingen gebaut werden sollte, die andere Hälfte an einer kleineren Betriebsstätte.

(34)

Schließlich erhebt die Kommission Zweifel daran, dass die angeführten Verzögerungen bei der Lieferung wichtiger Bauteile tatsächlich, wie von den italienischen Behörden dargelegt, unvorhersehbar waren, sondern vermutet vielmehr, dass es sich hier um ein gewöhnliches Geschäftsrisiko handelte, das ein sorgfältig agierendes Unternehmen bei seinen Arbeitsabläufen einkalkulieren müsste. Die Kommission ist insbesondere der Auffassung, dass De Poli durch die zu spät erfolgte Bestellung einiger Schiffsbauteile möglicherweise selbst zur Erhöhung des Verzögerungsrisikos beigetragen hat.

(35)

Die italienischen Behörden führen in ihrer Stellungnahme zur Entscheidung vom 16. Juni 2008 über die Einleitung des Prüfverfahrens im Hinblick auf Schiff C 241 aus, dass De Poli potenziell durchaus die erforderliche Produktionskapazität für die im Kaufvertrag festgesetzte Lieferung der Schiffe innerhalb von 36 Monaten habe. Die Verzögerung sei ausschließlich der verspäteten Bereitstellung des Untersetzungsgetriebes durch den Lieferanten zuzuschreiben; diesen Sachverhalt bezeichnet Italien im Sinne von Paragraph 29 der italienischen Regelung als erheblich, außergewöhnlich, unvorhersehbar und außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegend.

(36)

De Poli führt in seiner Stellungnahme vom selben Tag an, die Tatsache, dass sich die Werft und das Unternehmen Arcoin S.p.A. beide im Besitz von Mitgliedern der Familie De Poli befinden, sei keine hinreichende Begründung für Zweifel an der Wirksamkeit des ursprünglich am 28. Januar 2005 abgeschlossenen Vertrags. Diese Argumentation wird von den italienischen Behörden unterstützt, die ihrerseits darauf verweisen, dass zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung für Schiff C 241 keine direkten unternehmerischen Verflechtungen zwischen der Werft und dem Unternehmen Arcoin S.p.A. bestanden hätten (abgesehen von der Tatsache, dass Arcoin S.p.A. im Besitz von Angehörigen der Familie De Poli war, die nicht identisch waren mit den Aktionären von De Poli).

(37)

In diesem Zusammenhang macht De Poli geltend, dass es im Reedereiwesen durchaus gängig sei, Schiffe zu bestellen und diese dann bei Fertigstellung der Arbeiten oder noch während der Bauarbeiten am Markt zu verkaufen.

(38)

Zur Planung der Arbeitsabläufe für Schiff C 241 führt De Poli aus, dass angesichts der Komplexität von Schiffbauprojekten in der Regel mehrere Monate zwischen dem Vertragsabschluss und der Aufnahme der Arbeiten lägen. In diesem Zwischenzeitraum sei es bei Werften gängige Praxis, vor Baubeginn vorbereitende Aktivitäten durchzuführen wie die Festlegung des Arbeitsplans und die Aufnahme von Verhandlungen mit den verschiedenen Zulieferern.

(39)

Nach dem ursprünglichen Arbeitsplan, den die Werft De Poli den italienischen Behörden vorgelegt hatte (22), waren der Beginn der Bauarbeiten für Schiff C 241 im ersten Quartal 2006 und die Ablieferung im zweiten Halbjahr 2007 vorgesehen. Nach dem geänderten Arbeitsplan sollten die Arbeiten für Schiff C 241 jedoch erst am 28. September 2006 (auf der südlichen der beiden Hellingen der Werft) beginnen.

(40)

Laut De Poli ist die Lieferung des Untersetzungsgetriebes eine wichtige Etappe beim Bau eines Schiffs, an die sich die Montage des Getriebes an den Motor, das Anbringen der Schiffsschraube und die Fertigstellung des Schiffsrumpfs anschließen. Verschiedene Montage- und Vorbereitungs-/Konstruktionsarbeiten seien erst nach dem Einbau des Untersetzungsgetriebes möglich. Bauteile wie dieses würden jedoch in der Regel nicht im Voraus bestellt, um Lagerungskosten und Vorauszahlungen zu vermeiden. Im Übrigen habe man sich bei diesem Lieferanten an einen erfahrenen Marktführer der Branche gewendet, so dass kein Anlass bestanden habe, mit einer zeitlichen Verzögerung der Lieferung zu rechnen.

(41)

De Poli macht geltend, im Zeitraum 2005-2008 durchaus zur Lieferung der bestellten 18 Schiffe in der Lage gewesen zu sein, da sich deren Tragfähigkeit auf 10 000 Tonnen pro Jahr belief, während die Werft seit jeher eine Produktionskapazität von mehr als 12 000 Tonnen pro Jahr habe. Im Übrigen seien neun der bestellten 18 Schiffe relativ klein gewesen (mit 20 Metern Länge und einer Tragfähigkeit von 25 Tonnen), und nur die restlichen neun Schiffe seien in der gleichen Größenordnung wie das in Rede stehende Schiff C 241 gewesen. Dies belege, so De Poli, dass die Kapazität für die termingerechte Abwicklung aller Aufträge ausreichend gewesen und das Unternehmen keine Verpflichtungen eingegangen sei, die die Produktionskapazität überschritten hätten.

(42)

Schließlich verweist De Poli darauf, dass die Kommission bereits in der Vergangenheit wiederholt Anträgen auf Verlängerung der Lieferfrist stattgegeben habe, die mit der verspäteten Lieferung wichtiger Bauteile begründet worden waren (darunter auch Anträge, bei denen De Poli beteiligt war).

VI.   BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG

(43)

Vorab ist festzuhalten, dass aufgrund der formellen Rücknahme der Verlängerungsanträge für die Lieferung der Schiffe C 242, C 243 und C 244 durch Italien und der Tatsache, dass keine Mittelzuweisung erfolgt ist, das förmliche Prüfverfahren in Bezug auf die Ersuchen Italiens zu den drei oben genannten Schiffen nunmehr gegenstandslos ist und ohne weitere Würdigungen eingestellt wird.

(44)

Die vorliegende Würdigung betrifft somit ausschließlich Schiff C 241, auf die Schiffe C 242, C 243 und C 244 wird nur insoweit Bezug genommen, als dies für den in Rede stehenden Sachverhalt von Belang ist.

(45)

Gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Deshalb stellt Artikel 107 Absatz 1 AEUV kumulative Anforderungen für die Einstufung einer staatlichen Maßnahme als staatliche Beihilfe: wenn sie einen selektiven Vorteil verschafft, aus staatlichen Mitteln finanziert wird, wettbewerbsverzerrend wirkt und sich negativ auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirkt.

(46)

Die Maßnahme, die Italien dem Unternehmen De Poli für den Bau des Schiffs C 241 zu gewähren beabsichtigt und die in einem Zuschuss von bis zu 6 % des Vertragswerts ohne Beihilfe (ca. 1,3 Mio. EUR) besteht, stellt zweifellos eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV dar. Die Finanzierung der Maßnahme erfolgt durch den italienischen Staat. Diese Mittel, die dazu bestimmt sind, die beim Bau eines Schiffes in der Regel von der Werft zu tragenden Kosten zu decken, verschaffen De Poli einen Vorteil. Die Maßnahme ist selektiv, da sie ausschließlich De Poli zugute kommen soll, und sie ist durch die Stärkung der Position der Werft gegenüber den europäischen Konkurrenten dazu geeignet, den Wettbewerb auf dem europäischen Schiffbaumarkt zu verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

(47)

Der vorliegende Fall weist zwei Aspekte auf, die die Kommission daran zweifeln lassen, dass die Beihilfe für De Poli mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Zum ersten sieht Paragraph 29 der italienischen Regelung die Gewährung von Beihilfen für den Bau von Schiffen vor, wenn diese innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des endgültigen Vertrags abgeliefert werden, zum zweiten heißt es in Paragraph 33 der Regelung, dass die endgültigen Verträge vor Ablauf der Geltungsdauer der Verordnung zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für den Schiffbau abgeschlossen sein mussten, d.h. vor dem 31. März 2005.

(48)

Im Hinblick auf den letztgenannten Punkt haben die italienischen Behörden dargelegt, dass die Abtretung von Verträgen unter Schiffseignern nach Ablauf der Geltungsdauer der Verordnung über befristete Schutzmaßnahmen nicht als Hinweis dafür ausgelegt werden könne, dass es sich bei dem ursprünglichen, am 28. Januar 2005 abgeschlossenen Vertrag für Schiff C 241 nicht um einen „endgültigen Vertrag“ im Sinne von Paragraph 29 der italienische Regelung handelte.

(49)

Die Kommission erkennt an, dass die Abtretung eines Vertrags an Dritte im Schiffbausektor anscheinend gängige Praxis ist. So gelangte die Kommission in einer früheren Entscheidung (23) zum gleichen Sachverhalt (Verlängerung der Dreijahresfrist für die Lieferung zweier Schiffe) zu dem Schluss, dass ungeachtet der Übertragung von Verträgen der erste abgeschlossene Vertrag als der endgültige zu betrachten war, da der Vertragsgegenstand unverändert blieb und der neue Eigner alle Rechte und Pflichten aus den Originalverträgen übernahm. In der genannten Beihilfesache zog die Kommission deshalb die Schlussfolgerung, dass allein die Übertragung der Eigentumsrechte das Wesen des Vertrags nicht veränderte und sich damit auch nicht auf die Beihilfefähigkeit auswirkte.

(50)

Auch im vorliegenden Fall hatte die Abtretung des Vertrags an einen anderen Schiffseigner keine Auswirkungen auf Gegenstand oder Natur des Vertrags, und der neue Eigner hat die Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei im Wesentlichen übernommen. Demgemäß betrachtet die Kommission den ursprünglich abgeschlossenen Vertrag als den endgültigen und hält die Beihilfen gemäß der italienischen Regelung für zulässig.

(51)

Was die Zweifel an den Voraussetzungen für die Verlängerung der dreijährigen Lieferfrist angeht, so kann die Kommission gemäß der italienischen Regelung eine Verlängerung gewähren, sofern dies „aufgrund der technischen Komplexität des betreffenden Schiffbauvorhabens oder durch Verzögerungen zu rechtfertigen ist, die sich aus unerwarteten, erheblichen und vertretbaren Unterbrechungen im Arbeitsprogramm der Werft ergeben, die auf außergewöhnliche, unvorhersehbare und außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegende Umstände zurückzuführen sind“.

(52)

Die Kommission hat also zu bewerten, ob die italienischen Behörden hinreichend nachgewiesen haben, dass die eingetretenen Verzögerungen bei der Lieferung des Schiffs C 241 die Voraussetzungen für eine Verlängerung gemäß der italienischen Regelung erfüllen.

(53)

Vor einer Bewertung der von italienischer Seite übermittelten Informationen verweist die Kommission zunächst auf das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 16. März 2000 in der Sache Astilleros Zamacona  (24), in dem festgestellt wird, dass diese [auf außergewöhnliche Umstände Bezug nehmende] Bestimmung, die ein von den Grundsätzen des ersten Unterabsatzes der Bestimmung [Dreijahresfrist] abweichendes System vorsieht, „eng ausgelegt“ werden muss. Nach Ansicht des Gerichts lässt die in der Bestimmung verwendete Formulierung „außergewöhnliche Umstände“ erkennen, dass der Richtliniengeber ihre Anwendung auf ganz spezielle Sachverhalte beschränken wollte. Mit der Feststellung, der betroffene Mitgliedstaat müsse nachweisen, dass die angenommenen außergewöhnlichen Umstände die Ursache für die Störung des Arbeitsprogramms der Werft und dadurch der Verzögerung bei der Lieferung des Schiffes seien, hat das Gericht somit eine kausale Verbindung zwischen den beiden Sachverhalten hergestellt.

(54)

Die italienischen Behörden machen geltend, dass die Verzögerung bei der Fertigstellung des Schiffs C 241 durch die verspätete Lieferung des Untersetzungsgetriebes (6 Monate) und die sich daraus ergebende Verzögerung der Montagearbeiten um einen Monat verursacht worden sei. Die Kommission stellt fest, dass dies die einzige von Italien angeführte Begründung für den Zeitverzug ist; insbesondere enthält der Verlängerungsantrag keinen Hinweis auf die neuen Spezifikationen nach der Abtretung des Vertrags als Grund für die Verzögerung.

(55)

Nach ständiger Praxis der Kommission (25) erfüllen gewöhnliche oder normale Ereignisse, deren Berücksichtigung bei der Arbeitsplanung von einem Schiffbau-Unternehmen erwartet werden kann, nicht die Voraussetzung „außergewöhnlicher“ Umstände. Als außergewöhnlich kann eine erhebliche Verzögerung bei der Lieferung wichtiger Bauteile geltend gemacht werden, nicht aber eine Verzögerung, die im Vergleich zu Dauer und Komplexität eines Schiffbauprojekts eher geringfügiger Natur ist. Im Übrigen prüft die Kommission vor dem Hintergrund des Gebots der engen Auslegung der Ausnahmen sorgfältig, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Werft die geltend gemachten Verzögerungen hätte einkalkulieren, vermeiden oder verringern können, zum Beispiel durch eine entsprechende Anpassung der Auftragsabwicklung gegenüber dem Arbeitsprogramm. Das Erfordernis der Unvorhersehbarkeit des Ereignisses schließt alle Faktoren aus, deren Berücksichtigung von den Parteien vernünftigerweise erwartet werden kann.

(56)

Die Kommission erkennt an, dass durchaus ein kausaler Zusammenhang zwischen der verspäteten Lieferung wichtiger Bauteile und dem Ersuchen um Verlängerung des Ablieferungstermins für das in Rede stehende Schiff bestehen kann (26). In der spezifischen Situation des vorliegenden Falles zieht sie jedoch das behauptete Vorliegen außergewöhnlicher und unvorhersehbarer Umstände in Zweifel: Die notwendigen Voraussetzungen für die Schlussfolgerung, dass die geltend gemachte Verzögerung die Anforderungen nach Paragraph 29 der italienischen Regelung erfüllt, scheinen hier nicht gegeben.

(57)

Wie bereits angeführt, hat die Kommission in der Vergangenheit durchaus anerkannt, dass erhebliche Verzögerungen bei der Lieferung wichtiger Bauteile als außergewöhnliche Umstände gelten können. Ein Ersuchen um Fristverlängerung muss jedoch stets einer sorgfältigen Einzelfallprüfung unterzogen werden. Da bei De Poli schon wiederholt solche Störungen in den betrieblichen Abläufen zu verzeichnen waren (nicht nur hat die Werft bereits in der Vergangenheit ähnliche Verlängerungsanträge (27) gestellt, auch die anderen drei Verträge, die am selben Tag wie der für den Bau des Schiffs C 241 abgeschlossen wurden, waren Gegenstand wiederholter Verlängerungsanträge - siehe hierzu die Erwägungsgründe 1, 6 und 7), gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass die geltend gemachten Verzögerungen nicht mehr als echte Ausnahmesituationen zu betrachten sind. Die wiederholten Störungen der betrieblichen Abläufe infolge solcher Verzögerungen können nicht als völlig unvorhersehbar eingestuft werden.

(58)

Gerade die zuletzt eingetretenen Störungen erwecken den Eindruck, dass De Poli bei der Organisation seiner Produktionsabläufe nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist.

(59)

Dem ursprünglichen Arbeitsprogramm zufolge sollte der Baubeginn des Schiffs C 241 im ersten Quartal 2006 und die Ablieferung im zweiten Quartal 2007 erfolgen; insgesamt war für den Bau des Schiffs also ein Zeitraum von 15 bis 24 Monaten vorgesehen.

(60)

Laut dem geänderten Arbeitsprogramm erfolgte der Baubeginn jedoch erst am 28. September 2006, und der Liefertermin wurde auf den 30. Dezember 2007 festgesetzt, nur einen Monat vor dem letztmöglichen Ablieferungstermin (28. Januar 2008). Somit war im Arbeitsprogramm für den Bau des Schiffes gemäß den vertraglichen Bedingungen nun lediglich ein Zeitraum von 15 Monaten vorgesehen. Nach den von den italienischen Behörden vorgelegten Informationen hatte man für den Bau von Schiffen desselben Typs bzw. sogar mit kleineren Dimensionen (C 229 und C 240) auf derselben Helling (Scalo Sud) 22 bzw. 20 Monate vom Produktionsbeginn bis zur Lieferung eingeplant.

(61)

Zudem ließen der späte Produktionsbeginn (28. September 2006) und der festgesetzte Liefertermin (30. Dezember 2007), der nur einen Monat vor dem letztmöglichen Termin (28. Januar 2008) lag, keinerlei Spielraum für eventuelle Verzögerungen bei den Produktionsabläufen, zumal De Poli, wie aus anderen Ersuchen des Unternehmens um Verlängerung der Ablieferungsfrist hervorgeht, auch in der Vergangenheit schon mit Verzögerungen konfrontiert war, sowohl wegen Problemen bei der Lieferung von Bauteilen durch Dritte als auch bei der Produktion selbst.

(62)

Im Übrigen führt die gestiegene Nachfrage (die italienischen Behörden haben Nachweise für einen Anstieg der Bestellungen von Dieselmotoren im Zeitraum 2003-2005 um ca. 60 % vorgelegt) zu dem Schluss, dass bei wichtigen Bauteilen wie dem Untersetzungsgetriebe die Bestellung und Vereinbarung des Liefertermins mit einem gewissen Vorlauf hätte getätigt werden müssen. Die Versicherung von De Poli, dies sei kein übliches Vorgehen, reicht nicht aus, um die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Werft vertretbar gehandelt und angemessene Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung der Verzögerungen ergriffen habe, insbesondere vor dem Hintergrund der gestiegenen Nachfrage und der bereits in der Vergangenheit eingetretenen Verzögerungen.

(63)

Die Kommission stellt hingegen fest, dass die Bestellung des Untersetzungsgetriebes am 26. Mai 2006 mit Liefertermin im September 2007 allenfalls einen sehr geringen Spielraum für eventuelle Verzögerungen ließ, da das Schiff C 241 am 31. Dezember 2007 zu liefern war. De Poli weist selbst darauf hin, dass nach Erhalt des Untersetzungsgetriebes noch umfangreiche Arbeiten durchzuführen sind (siehe Erwägungsgrund 39); dieser Umstand scheint zu bestätigen, dass das Unternehmen bei seiner Arbeitsplanung einen gewissen Spielraum für den Fall einer verzögerten Lieferung essentieller Schiffsbauteile hätte einplanen müssen.

(64)

Im Hinblick auf ihre im Beschluss zur Eröffnung des Verfahrens geäußerten Zweifel, der Sachverhalt der Übertragung des Vertrags an einen neuen Eigentümer könne schon für sich allein einen Verzögerungsgrund darstellen, stellt die Kommission fest, dass die Abtretung des Vertrags von Arcoin S.p.A. an das Unternehmen Elbana Navigazione S.p.A. erst am 20. Juli 2006 erfolgt ist, also mehrere Monate nach dem ursprünglich vorgesehenen Baubeginn (erstes Quartal 2006). Somit ist im vorliegenden Fall nicht auszuschließen, dass bereits die Vertragsabtretung allein einen Verzögerungsgrund für die Produktionsabläufe und die verspätete Lieferung des Schiffs darstellt, insbesondere da die Abtretung des Vertrags mit einigen Änderungen der Spezifikationen für das Schiff einherging.

(65)

Im Ergebnis und unter Berücksichtigung der restriktiv auszulegenden Kriterien bei der Beurteilung von Verlängerungsanträgen, die sich auf außergewöhnliche Umstände stützen, haben die italienischen Behörden nicht kohärent dargelegt, warum die angeführten Umstände nicht hätten vermieden beziehungsweise warum die negativen Auswirkungen dieser Umstände nicht mit einer umsichtigen Betriebsplanung und Auftragsabwicklung durch De Poli hätten erheblich abgeschwächt werden können. Ausgehend von diesen Erwägungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die angeführten Umstände, auf die sich das Verlängerungsersuchen stützt, nicht als so außergewöhnlich und unvorhersehbar zu betrachten sind, dass die verspätete Lieferung des Schiffs C 241 als unvorhergesehen oder vertretbar im Sinne von Paragraph 29 der italienischen Regelung gelten kann.

(66)

Schließlich haben die italienischen Behörden ein Ersuchen um Verlängerung der Lieferfrist für Schiff C 241 von insgesamt acht Monaten (vom 31. Dezember 2007 auf den 31. August 2008) gestellt, dieses jedoch lediglich für sieben der acht in Rede stehenden Monate begründet.

(67)

Im Unterschied zu früheren Verlängerungsanträgen bei von De Poli zu bauenden Schiffen (28) überschreitet im vorliegenden Fall die von den italienischen Behörden beantragte Dauer der Verlängerung den Zeitraum der Verzögerung, die die Behörden als einziges Motiv geltend machen (d. h. die verspätete Lieferung des Untersetzungsgetriebes); folglich lässt sich die Behauptung, es bestehe ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verzögerung, auf die sich das Ersuchen um Verlängerung gründet, und der verspäteten Lieferung wichtiger Bauteile nicht aufrechterhalten.

(68)

Die tatsächliche Lieferung des Schiffes durch De Poli erfolgte erst am 3. November 2008. Die Verspätung hat also nicht nur den Zeitraum überschritten, der den als Begründung angeführten Faktoren zuzuschreiben ist, sondern sogar noch die beantragte Dauer der Verlängerung selbst. Für diese neuerliche Verspätung der Schiffslieferung um mehr als zwei Monate hat Italien keinerlei Erklärung abgegeben, und bei der Kommission ist auch kein Verlängerungsersuchen für diese zwei Monate eingegangen.

(69)

Daraus folgt, dass der Bau des Schiffs C 241 auch dann, wenn die ursprüngliche Verzögerung begründet gewesen wäre und die Kommission die beantragte Verlängerung gewährt hätte, nicht für eine Beihilfe gemäß der italienischen Regelung in Frage gekommen wäre, weil auch der letztmögliche Verlängerungstermin nicht eingehalten worden wäre.

VII.   SCHLUSSFOLGERUNG

(70)

Zu den Schiffen C 242, C 243 und C 244 wird angesichts der formellen Rücknahme der Verlängerungsanträge durch Italien und der Tatsache, dass keine Mittelzuweisung erfolgt ist, das förmliche Prüfverfahren als gegenstandslos eingestellt.

(71)

Im Hinblick auf Schiff C 241 liegen gemäß der vorstehenden Würdigung die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verlängerung der Dreijahresfrist nicht vor. Die Lieferung des Schiffes ist zudem erst nach dem Zeitpunkt erfolgt, der in Fall einer Gewährung der Verlängerung festgelegt worden wäre. Somit kommt Schiff C 241 für eine Beihilfe gemäß der italienischen Regelung N 59/04 auf der Grundlage der Verordnung über befristete Schutzmaßnahmen nicht in Frage.

(72)

Da die italienischen Behörden bestätigt haben, dass keine Auszahlung der Beihilfe an De Poli erfolgte, ist eine Rückforderung nicht erforderlich —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die staatliche Beihilfe beziehungsweise die Verlängerung der Lieferfrist von drei Jahren für das Schiff C 241, die Italien im Sinne der von Italien angemeldeten Beihilferegelung N 59/04 auf der Grundlage der Verordnung zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für den Schiffbau zugunsten des Unternehmens De Poli gewähren will, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Diese Beihilfe darf somit nicht durchgeführt werden.

Artikel 2

Italien unterrichtet die Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses über die Maßnahmen zur Durchführung dieses Beschlusses.

Artikel 3

Nach Rücknahme der Anträge auf Verlängerung der Lieferfrist für die Schiffe C 242, C 243 und C 244 durch die italienischen Behörden wird das förmliche Prüfverfahren in Bezug auf diese Maßnahmen als gegenstandslos eingestellt.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 27. Oktober 2010

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  ABl. C 208 vom 15.8.2008, S. 14.

(2)  Die Anträge wurden unter den folgenden Nummern registriert: N 319/07 für Schiff C 243 (Schreiben vom 6. Juni 2007), N 318/07 für Schiff C 244 (Schreiben vom 6. Juni 2007), N 544/07 für Schiff C 242 (Schreiben vom 24. September 2007) sowie N 70/08 für das Schiff C 241 (Schreiben vom 6. Februar 2008).

(3)  ABl. C 100 vom 26.4.2005, S. 27.

(4)  ABl. L 172 vom 2.7.2002, S. 1.

(5)  ABl. L 81 vom 19.3.2004, S. 6.

(6)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag die Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag und die Artikel 107 und 108 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieses Beschlusses sind Bezugnahmen auf die Artikel 107 und 108 AEUV als Bezugnahmen auf die Artikel 87 und 87 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist.

(7)  Siehe Fußnote 1.

(8)  Dieses Schreiben ist erst am 19. Februar 2010 bei der Kommission eingegangen und registriert worden.

(9)  Der Terminus „concordato preventivo” (Vergleich zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens) bezeichnet im italienischen Recht ein insolvenzrechtlich geregeltes Verfahren, in dem der Schuldner seinen Gläubigern einen Umschuldungsplan vorlegt. Dieser Vorschlag wird dann von dem zuständigen Gericht am Sitz des Unternehmens geprüft. Das Gericht kann den Vorschlag per Beschluss bestätigen oder den Antrag abweisen und das Insolvenzverfahren formell eröffnen. Im Fall der Bestätigung des Vorschlags, d.h. bei Zulassung des Vergleichsverfahrens darf der Schuldner unter der Aufsicht eines Vermögensverwalters weiter über das Vermögen des Unternehmens verfügen und die Geschäfte weiter führen.

(10)  Die Rücknahme wurde mit Schreiben vom 13. Mai 2010, registriert an 15. Mai 2010, bestätigt.

(11)  Das Unternehmen hatte bereits zu Beginn des Jahres 2009 die Zulassung zum Vergleichsverfahren im Rahmen eines „concordato preventivo“ beantragt (Näheres zu diesem Verfahren siehe Fußnote 9).

(12)  Das von den italienischen Behörden mit 30. August 2008 angegebene Datum der Fertigstellung des Schiffes C 241 ist insofern unerheblich, als sich die Verordnung über befristete Schutzmaßnahmen und somit auch die italienische Beihilferegelung ausschließlich auf das Datum der Lieferung beziehen.

(13)  Siehe Fußnoten 4 und 5.

(14)  Erwägungsgrund 3 der Verordnung.

(15)  Im Sinne von Artikel 1 der Verordnung.

(16)  Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung.

(17)  Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung.

(18)  Artikel 4 und 5 der Verordnung, geändert durch Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 502/2004 des Rates – siehe Fußnoten 4 und 5.

(19)  Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung.

(20)  Siehe Fußnote 3.

(21)  Entscheidung der Kommission vom 21. Oktober 2008 über die staatliche Beihilfe C 20/08 (ex N 62/08), die Italien im Rahmen einer Änderung der Beihilferegelung N 59/04 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau gewähren will, ABl. L 17 vom 22.1.2010, S. 50, zurzeit Gegenstand eines beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittels (Rechtssachen T-584/08 und T-3/09).

(22)  Am 25. Februar 2008 haben die italienischen Behörden zur Anmeldung N 70/08 für das Schiff C 241 den ursprünglichen und den geänderten Arbeitsplan in Kopie vorgelegt.

(23)  Siehe Beihilfe C 33/2004, in der die Kommission trotz der erfolgten Abtretung von Verträgen die Auffassung vertrat, dass es sich beim ersten Vertrag um den endgültigen handelte.

(24)  Siehe Rechtssache T-72/98 Astilleros Zamacona SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 2000, S. II-1683. In dem Urteil wird Bezug auf eine identische Bestimmung in der früheren Verordnung (EG) Nr. 1540/98 des Rates zur Neuregelung der Beihilfen für den Schiffbau genommen, die auch in die Verordnung über befristete Schutzmaßnahmen aufgenommen wurde.

(25)  Vgl. z. B. Giacalone, Beihilfe N 69/08, Erwägungsgrund 21.

(26)  Vgl. z. B. die Beihilfefälle N 586/03, N 587/03 und N 589/03 sowie die Beihilfefälle N 68/08 und N 69/08.

(27)  Vgl. die Beihilfefälle N 586/03, N 587/2003 und N 589/03.

(28)  Siehe die Beihilfen N 586/03, N 587/03 und N 589/03.


30.4.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 119/9


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 27. Juni 2012

über die staatliche Beihilfe SA.28356 (C 37/09) (ex N 226/09) — Habidite Alonsotegi

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2012) 4194)

(Nur der spanische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2013/198/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1 (1),

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

gestützt auf den Beschluss der Kommission, das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV in Zusammenhang mit der Beihilfe C 37/09 (ex N 226/09) zu eröffnen (2),

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den vorgenannten Artikeln und unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Am 15. April 2009 hat Spanien aus Gründen der Rechtssicherheit zwei Vereinbarungen angemeldet, die am 15. Dezember 2006 zwischen der Bizkailur S.A. (nachstehend „Bizkailur“ genannt) und der Diputación Foral de Bizkaia (nachstehend „Diputación“ genannt) einerseits und den privaten Unternehmen Habidite Technologies País Vasco S.A. (nachstehend „Habidite“ genannt), Grupo Empresarial Afer S.L. (nachstehend „Grupo Afer“ genannt) und Grupo Habidite andererseits geschlossen wurden.

(2)

Am 2. Dezember 2009 eröffnete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV in Bezug auf die angemeldeten Vereinbarungen (nachstehend „Eröffnungsbeschluss“ genannt) (3). Der Eröffnungsbeschluss wurde am 12. März 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (4).

(3)

Spanien übermittelte keine Stellungnahme zum Eröffnungsbeschluss. Habidite übermittelte seine Stellungnahme zum Eröffnungsbeschluss mit Schreiben vom 9. April 2010. Diese Stellungnahme wurde mit Schreiben vom 15. April 2010 an Spanien weitergeleitet und von Spanien mit Schreiben vom 12. Mai 2010 beantwortet. Stellungsnahmen anderer Beteiligter zum Eröffnungsbeschluss sind nicht eingegangen.

(4)

Am 6. September 2010 beantragte Habidite Zugang zu den von Spanien übermittelten Dokumenten des Vorgangs im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (5). Die Kommission konsultierte Spanien am 10. September 2010 zu diesem Antrag. Am 13. September 2010 teilte Spanien mit, dass von seiner Seite keine Einwände dagegen bestehen, die betreffenden Dokumente Habidite zugänglich zu machen, woraufhin die Übersendung am 7. Oktober 2010 erfolgte.

(5)

Die Kommission forderte mit Schreiben vom 28. Juni 2010 und vom 8. Dezember 2010 von Spanien zusätzliche Auskünfte an. Spanien antwortete mit Schreiben vom 26. Juli 2010 bzw. 14. Januar 2011.

(6)

Habidite übermittelte am 27. Juli 2010, am 6. April 2011 (eingegangen am 13. April 2011) und am 7. Juli 2011 zusätzliche Stellungnahmen und Auskünfte; Spanien antwortete darauf am 3. November 2011 bzw. am 30. Mai 2011 (eingegangen am 6. Juni 2011). Am 3. Februar 2011 fand in Brüssel auf Wunsch von Habidite ein Treffen der Dienststellen der Kommission mit Vertretern von Habidite statt.

II.   SACHVERHALT

(7)

Die beiden Vereinbarungen, die Gegenstand dieses Beschlusses sind, wurden am 15. Dezember 2006 zwischen Bizkailur und der Diputación einerseits und Habidite, Grupo Afer und Grupo Habidite andererseits geschlossen.

(8)

Bizkailur war ein zu 100 % im Eigentum der Diputación stehendes Unternehmen, dessen Gesellschaftszweck der Erwerb und die Erschließung von Grundstücken zur Förderung von Gewerbeprojekten und Projekten des sozialen Wohnbaus in der Provinz Bizkaia bildete. Im Juni 2010 erfolgte die Verschmelzung von Bizkailur und anderen öffentlichen Unternehmen mit ähnlichem Geschäftsfeld zur nunmehrigen Azpiegiturak S.A.U., die zu 100 % der Diputación gehört und weiterhin auf demselben Gebiet tätig ist (6).

(9)

Habidite bildet, zusammen mit anderen mit Grupo Habidite verbundenen Unternehmen, die private Unternehmensgruppe Grupo Afer, mit Sitz in Ortuella, Bizkaia (7). Zum Zeitpunkt der Anmeldung bestand Grupo Afer aus insgesamt dreizehn Unternehmen der Baubranche und verwandter Sektoren (8). Zum damaligen Zeitpunkt standen alle Unternehmen von Grupo Afer mehrheitlich im Eigentum von […] (9). Als die angemeldeten Vereinbarungen unterzeichnet wurden, waren nach Angaben der Diputación und von Habidite weder Habidite noch Grupo Afer Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Randnummern 9, 10 und 11 der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (nachstehend „Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien“ genannt) (10).

(10)

Die angemeldeten Vereinbarungen wurden zur Unterstützung eines neuen Investitionsvorhabens, das Habidite umzusetzen sollte, geschlossen: der Gründung eines Werks für Fertigbaumodule (nachstehend „das Habidite-Werk“ genannt) in Alonsotegi, einer Gemeinde im Kreis Großraum Bilbao, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der angemeldeten Vereinbarungen ein Fördergebiet im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV (11) war. Das Habidite-Werk sollte 1 100 neue Arbeitsplätze in diesem Fördergebiet schaffen.

(11)

Die neue Fabrik sollte die so genannten „Habidite-Module“ erzeugen, d. h. Fertigbaumodule, die bei der Errichtung von Wohn- und sonstigen Gebäuden in Systembauweise verwendet werden. Die Habidite-Module werden ähnlich wie in der Autoindustrie am Montageband gefertigt und anschließend direkt an ihren Bestimmungsort transportiert und dort montiert. Nicht nur wegen der besonderen Herstellungstechnik galt das Erzeugnis als innovativ, sondern auch wegen der damit verbundenen Zeit- und Ressourcenersparnis bei der Errichtung des Enderzeugnisses (Wohn- und sonstige Gebäude) und wegen der Verwendung energiesparender Materialien. Das Unternehmen hatte für dieses Erzeugnis mehrere Patente angemeldet (12).

(12)

Nach Auskunft der Diputación wurden zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung die Kosten dieses Investitionsvorhaben in Alonsotegi mit 55 Mio. EUR veranschlagt; dieser Betrag schlüsselte sich auf wie folgt:

Grundstücke

4,8 Mio. EUR

Werksbauten

22,5 Mio. EUR

Erschließung

4,04 Mio. EUR

Anlagen

24,0 Mio. EUR

Insgesamt

55,34 Mio. EUR

(13)

Man schätzte, dass die Jahresproduktion des künftigen Habidite-Werks in den ersten Jahren nach seiner Inbetriebnahme 3 500 Wohneinheiten und nach Erreichen der vollen Produktionskapazität 4 500 Wohneinheiten betragen würde.

(14)

Zum besseren Verständnis des Kontexts, in dem die angemeldeten Vereinbarungen am 15. Dezember 2006 unterzeichnet wurden, muss kurz der rechtliche Rahmen beschrieben werden, der den sozialen Wohnungsbau im Baskenland regelt.

(15)

Die Durchschnittspreise auf dem Immobilienmarkt im Baskenland waren vor Beginn der Krise im Jahr 2008 höher als im übrigen Spanien und sie sind es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch immer. Die Behörden des Baskenlandes versuchen den Zugang der am meisten benachteiligten Bürger zu Wohnraum zu gewährleisten, indem sie Sozialwohnungen im engeren Sinne (viviendas protegidas) und preisgeregelte Wohnungen (viviendas tasadas) anbieten. In den Erwägungsgründen (16) bis (19) werden die Merkmale der beiden Kategorien von sozialem Wohnungsbau näher erläutert.

(16)

Das baskische Baugesetz Ley 2/2006 de Suelo y Urbanismo  (13) (nachstehend „Landesgesetz Nr. 2/2006” genannt) sieht vor:

a)

40 % des für Wohnzwecke vorgesehenen städtischen Baulands sind den viviendas protegidas und viviendas tasadas vorzubehalten, und zwar für jede der beiden Kategorien je 20 % (Artikel 80 Absatz 2 des Landesgesetzes Nr. 2/2006);

b)

in jedem vorwiegend für Wohnzwecke vorgesehenen Abschnitt Bauerwartungsland sind 55 % der Flächen den viviendas protegidas und 20 % den viviendas tasadas vorzubehalten (Artikel 80 Absatz 3 des Landesgesetzes Nr. 2/2006).

(17)

Die öffentlich geförderten preisgeregelten Wohnungen (viviendas tasadas) stellen eine Kategorie zwischen den Sozialwohnungen im engeren Sinne und den frei am Markt verkäuflichen Wohnungen dar. Die Preise der viviendas tasadas sind durch das Landesgesetz Nr. 2/2006 geregelt und dürfen höchstens 170 % der Höchstpreise von viviendas protegidas betragen. Die Höchstpreise letzterer werden in der Provinz Bizkaia nach einer Verordnung der Wohnbau- und Sozialbehörde vom 1.8.2004 (14) fixiert; diese legte einen geregelten Ausgangspreis fest, der seither jährlich im Einklang mit dem vom spanischen statischen Amt ermittelten Verbraucherpreisindex (IPC) angepasst wird.

(18)

Nach Angaben der Diputación ergaben sich daraus im Jahr 2006, als die angemeldeten Vereinbarungen unterzeichnet wurden, für viviendas protegidas folgende Höchstpreise:

1 351,86 EUR/m2 in den in Anhang I der Verordnung vom 1.8.2004 aufgezählten Gemeinden;

1 307,94 EUR/m2 in den in Anhang II der Verordnung vom 1.8.2004 aufgezählten Gemeinden;

1 181,54 EUR/m2 in den übrigen Gemeinden;

472,40 EUR/m2 für Nebenbauten (Garagen/Speicher usw.).

Die Preise der viviendas tasadas durften höchstens 170 % der zuvor genannten Preise betragen.

(19)

Als Bizkailur mit Habidite die angemeldeten Vereinbarungen unterzeichnete, handelte die Diputación nach eigenen Angaben aufgrund des Gebietskörperschaftsgesetzes Ley 7/1985, de 2 de abril de 1985, reguladora de las Bases del Regímen Local (nachstehend „Gesetz Nr. 7/1985“ genannt) (15), welches den Gemeinden die Zuständigkeit für die Regelung der Angelegenheiten von lokalem Interesse, einschließlich des sozialen Wohnungsbaus (Artikel 25), zuspricht. Gestützt auf Artikel 109 Absatz 2 der Gesetzesverordnung Nr. 1372/1986 und Artikel 79 des Gesetzes Nr. 7/1985 (konsolidierte Fassung) übertrugen die Gemeinden Bizkailur entweder entgeltlich oder unentgeltlich die Vermögenswerte, die zur Erfüllung der Zielsetzungen in Sachen sozialer Wohnungsbau erforderlich waren. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der angemeldeten Vereinbarungen (15. Dezember 2006) waren diese Zielsetzungen in einem von der Diputación im Jahr 2004 angenommenen Plan für den sozialen Wohnungsbau in Bizkaia im Zeitraum 2004-2007 definiert: dem Plan Foral de actuación en materia de vivienda 2004-2007 (nachstehend „Regionaler Aktionsplan“ genannt). Nach Angaben der Diputación sah der Regionale Aktionsplan die Errichtung von insgesamt 3 000 Sozialwohnungen im engeren Sinne durch Bizkailur im Zeitraum 2004-2007 vor.

(20)

Aufgrund der ersten Vereinbarung, die im Eröffnungsbeschluss als „Maßnahme 1“ bezeichnet und nachstehend „die Grundstücksvereinbarung“ genannt wird, verpflichteten sich die Diputación und Bizkailur dazu (Teil II Artikel 1 Absatz ii der Vereinbarung), dass Bizkailur innerhalb einer Frist von 24 Monaten ab der Unterzeichnung im Industriegebiet von Montalegre in der Gemeinde Alonsotegi eine Fläche von 101 430 m2 erwirbt und für eine gewerbliche Nutzung erschließt (81 600 m2 für das Werk, 5 300 m2 für Büros und 14 300 m2 für sonstige gewerbliche Zwecke). Bizkailur sollte das Eigentum an dem erschlossenen Baugrund innerhalb einer Frist von 12 Monaten ab Unterzeichnung der Vereinbarung (Teil II Artikel 1 Ziffer iii der Vereinbarung) an Habidite „lasten-, spesen- und abgabenfrei“ zu einem Preis übertragen, der„den von Bizkailur bei seinem Erwerb getragenen tatsächlichen Kosten“ (Teil II Artikel 1 Ziffer vi der Vereinbarung) entspricht ist. Habidite sollte diesen Preis in vier Teilzahlungen in Höhe von jeweils 25 % am Ende des vierten, fünften, sechsten und siebenten Jahres nach Errichtung der Übertragungsurkunde bezahlen.

(21)

Aufgrund der zweiten Vereinbarung, die im Eröffnungsbeschluss als “Maßnahme 2” bezeichnet und nachstehend „die Wohnungsvereinbarung“ genannt wird, sollte die Diputación entweder direkt oder über Bizkailur, insgesamt 1 500 Wohnungen von Habidite kaufen, darunter 750 Wohnungen mit einer Fläche von weniger als 75 m2. Zwischen Mai 2007 und Ende Juni 2010 hätte die Diputación 1 500 Wohnungen in Auftrag gegeben, um im Mai 2011 insgesamt 1 500 Wohnungen übergeben zu können.

(22)

Die in Auftrag gegebenen Wohnungen wären auf Habidite von Bizkailur zur Verfügung gestellten Grundstücken errichtet und anschließend als viviendas tasadas entweder direkt von der Diputación bzw. Bizkailur oder von Habidite selbst unter Einhaltung der geltenden Höchstpreisbestimmungen (vgl. Erwägungsgründe (14) bis (19)) verkauft worden. Sollte die Diputación oder Bizkailur den Verkauf der betreffenden Wohnungen durchführen, hätte Habidite das Eigentum an den Grundstücken für die Wohnungen nicht erworben. In diesem Fall hätte sich die Rolle von Habidite ausschließlich auf die Errichtung der Wohnungen beschränkt.

(23)

In Form einer Ausnahmeregelung sah die Vereinbarung auch die Möglichkeit vor, dass Habidite oder Grupo Afer bei einigen der in der Vereinbarung vorgesehenen Wohnungen als Bauträger agieren könnte (Artikel A Buchstabe f der Wohnungsvereinbarung). In diesen Ausnahmefällen sollten Habidite oder Afer zunächst das Eigentum an den erforderlichen Grundstücken erwerben, danach die Bauarbeiten ausführen und schließlich den Verkauf der Wohnungen als viviendas tasadas abwickeln. In diesen Fällen hätte Habidite oder Afer nur den für die Wohnungen vereinbarten Preis (siehe Erwägungsgrund (24)) einbehalten, den auf das Grundstück entfallenden Teil des Preises jedoch an die Diputación bzw. Bizkailur weitergeleitet.

(24)

Nach Artikel A Buchstabe e der Wohnungsvereinbarung sollte Habidite für die 1 500 Wohnungen folgenden Preis erhalten:

a)

Wohnungen mit einer Nutzfläche von mehr als 75 m2: 83 % des von Bizkailur verlangten Preises sowie 100 % des Preises der Nebenbauten (Garagen, Speicher);

b)

Wohnungen mit einer Nutzfläche von weniger als 75 m2: 83,30 % des von Bizkailur verlangten Preises sowie 100 % des Preises der Nebenbauten (Garagen, Speicher).

(25)

Somit wären Bizkailur die restlichen 17 % bzw. 16,70 % des für die Wohnungen erzielten Preises verblieben (außer im Fall der Nebenbauten, wie Garage, Speicher usw., deren Preis zur Gänze Habidite zugute gekommen wäre).

(26)

Im von der Diputación beschriebenen hypothetischen Fall einer 75-m2-Wohnung, die Bizkailur im Jahr 2006 als vivienda tasada zu einem Gesamtpreis von 200 459,50 EUR verkauft hätte, wäre auf Habidite Folgendes entfallen: 143 060,58 EUR (83 % von 75 m2 × 1351 EUR × 1,7) sowie 28 107,6 EUR für die Nebenbauten (100 % von 35 m2 × 472,4 EUR).

(27)

Nach Artikel A Buchstabe g der Wohnungsvereinbarung konnten die Diputación oder Bizkailur einen Teil der 1 500 bei Habidite in Auftrag gegebenen Wohnungen ausnahmsweise zum Marktpreis verkaufen; in diesem Fall hätte Habidite dieselben prozentmäßigen Anteile am Kaufpreis erhalten, wie in Artikel A Absatz e vereinbart und oben in Erwägungsgrund (24) angegeben.

(28)

Die Diputación und Bizkailur haben vor dem Abschluss der Vereinbarung mit Habidite keine öffentliche Ausschreibung durchgeführt.

(29)

Das Habidite-Projekt wurde schließlich de facto aufgegeben. Nach Angaben der Diputación war dies hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Bizkailur für den Erwerb und die gewerbliche Erschließung der Grundstücke, auf denen das Habidite-Werk errichtet werden sollte, höhere Kosten als ursprünglich vorgesehen entstanden sind.

(30)

Die Diputación teilte mit (16), Bizkailur habe zwischen Mai 2007 und April 2008 für dieses Vorhaben 205 487,73 m2 Baugrund erworben und dafür insgesamt 4,7 Mio. EUR bezahlt. Nach Angaben der Diputación wäre der Erwerb von weiteren 95 000 m2 mit voraussichtlichen zusätzlichen Kosten von ca. 2,6 Mio. EUR erforderlich gewesen. Die Kosten der gewerblichen Erschließung der Grundstücke wurden im März 2009 auf 28,5 Mio. EUR geschätzt.

(31)

Das Eigentum an den von Bizkailur bereits für dieses Projekt erworbenen Grundstücken wurde nicht an Habidite übertragen.

III.   DER ERÖFFNUNGSBESCHLUSS

(32)

Im Eröffnungsbeschluss vom 2. Dezember 2009 (17) stellte die Kommission fest, dass die Grundstücksvereinbarung und die Wohnungsvereinbarung allem Anschein nach Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV beinhalten. Auch schienen die Beihilfen nicht aufgrund irgendeiner einschlägigen Bestimmung über staatliche Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar zu sein.

(33)

In Bezug auf die Grundstücksvereinbarung gelangte die Kommission zu der vorläufigen Schlussfolgerung, dass die Bedingungen für die Rückzahlung der für den Erwerb und die Erschließung ausgelegten Beträge durch den Begünstigten mit einem zinslosen Darlehen vergleichbar waren und dies Habidite einen Vorteil verschaffte, den das Unternehmen auf dem Markt nicht erhalten konnte.

(34)

In Bezug auf die Wohnungsvereinbarung stellte der Eröffnungsbeschluss fest, dass der von Bizkailur für die 1 500 Wohnungen zu zahlende Kaufpreis nicht marktkonform zu sein schien, da der Begünstigte in seinem eigenen Geschäftsplan davon ausgegangen war, von Bizkailur einen Durchschnittspreis von 2 012,19 EUR/m2 erzielen zu können, während der am Markt zu erzielende Durchschnittspreis mit 1 762,6 EUR/m2 angesetzt wurde.

(35)

Die Kommission verwies auch auf eine Reihe von Indizien für das Vorliegen eines Vorteils zugunsten von Habidite im Lichte des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache P&O Ferries  (18): a) die Wohnungsvereinbarung kam nicht auf dem Wege einer öffentlichen Ausschreibung zustande; b) die Diputación Foral de Bizkaia und Bizkailur haben weder vorgebracht noch nachgewiesen, dass ein dringender Bedarf nach Sozialwohnungen bestand; und c) die Wohnungsvereinbarung sah die Möglichkeit vor, einen Teil der 1 500 bei Habidite erworbenen Wohnungen auf dem Markt zu verkaufen. Des Weiteren stellte die Kommission fest, dass der Kauf eines beträchtlichen Teiles des Ausstoßes des neuen Werks in den ersten Jahren seines Betriebes die Risiken, die normalerweise mit einem neuen Investitionsvorhaben verbunden sind, verringerte. Was das Kriterium der Verwendung staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Mittel betrifft, stellte der Beschluss in Bezug auf die möglicherweise in beiden Vereinbarungen enthaltene Beihilfe fest, dass es sich bei Bizkailur um ein zu 100 % im öffentlichen Eigentum stehendes und öffentlich kontrolliertes Unternehmen handelte, das vom Staat mit der Durchführung bestimmter Aufgaben betraut wurde. Zur Frage der Selektivität wurde festgestellt, dass die Vereinbarungen eindeutig und ausschließlich Habidite und Grupo Afer zugute kamen. Hinsichtlich des Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des Handels wurde festgestellt, dass Habidite in der Baubranche tätig war, in der ein sehr intensiver Wettbewerb herrscht und eine Beihilfe für ein Unternehmen einen Nachteil für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten nach sich ziehen kann.

(36)

Im Eröffnungsbeschluss äußerte die Kommission Zweifel, ob die potentiell in den angemeldeten Vereinbarungen enthaltene Beihilfe aufgrund der Vereinbarkeitsvoraussetzungen, die in den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (19), in der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (20), und im Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise (21).geregelt sind, mit den EU-Beihilfenrecht vereinbar ist.

IV.   STELLUNGNAHMEN SPANIENS

(37)

Spanien übermittelte keine Stellungnahme zum Eröffnungsbeschluss (vgl. Erwägungsgrund (3)), jedoch nach Aufforderung durch die Kommission nach dem Eröffnungsbeschluss ergänzende Auskünfte, und es nahm zu einigen der Argumente von Habidite Stellung. Diese Antworten und ergänzenden Auskünfte werden in den Erwägungsgründen (48) bis (54) zusammengefasst.

V.   STELLUNGNAHMEN BETEILIGTER

(38)

Wie in den Erwägungsgründen (3) und (6) erwähnt, nahm Habidite am 9. April 2010 zum Eröffnungsbeschluss Stellung und übermittelte am 27. Juni 2010, am 6. April 2011 und am 7. Juli 2011 ergänzende Auskünfte und Stellungnahmen. Bei diesen Gelegenheiten teilte Habidite erstens einige Sachverhalte mit, die der Kommission nicht bekannt waren, als sie den Eröffnungsbeschluss erließ, und brachte zweitens Argumente vor, um das Vorliegen einer Beihilfe bei den angemeldeten Vereinbarungen zu bestreiten. Die von Habidite übermittelten Argumente und ergänzenden Sachverhalte werden in den Erwägungsgründen (39) bis (47) zusammengefasst.

(39)

Erstens teilte Habidite mit, dass am selben Tag wie die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung (15. Dezember 2006) noch eine dritte Vereinbarung unterzeichnet wurde. Mit dieser dritten Vereinbarung (nachstehend „die Ausbildungsbeihilfenvereinbarung“ genannt) verpflichtete sich die Diputación, Habidite für die 1 100 neuen Beschäftigten im Habidite-Werk eine Ausbildungsbeihilfe bereitzustellen. Konkret verpflichtete sie sich dazu, die Ausbildungskosten der 1 100 Arbeitnehmer abzudecken, während sich Habidite umgekehrt verpflichtete, die 1 100 neuen Arbeitsplätze mindestens 5 Jahre lang zu erhalten. Aufgrund des Scheiterns des Habidite-Projekts wurde die Ausbildungsbeihilfenvereinbarung de facto hinfällig (vgl. die Erwägungsgründe (29) bis (31)).

(40)

Zweitens übermittelte Habidite Unterlagen, aus denen hervorging, dass dem Habidite-Projekt auf Beschluss der Regierung des Baskenlandes vom 30. Dezember 2008 eine Regionalbeihilfe nach der Regionalbeihilferegelung XR 175/2007, die unter eine Gruppenfreistellung fällt, in Höhe von insgesamt 6 Mio. EUR gewährt worden war (22).

(41)

Drittens teilt Habidite mit, dass man nach der Einstellung des Habidite-Projekts mit Schreiben vom 6. Februar 2009 und vom 17. September 2009 das Verwaltungsgericht wegen Verletzung der Verpflichtungen aus den drei Vereinbarungen durch die Diputación und Bizkailur angerufen habe. Habidite teilte auch mit, das Unternehmen beabsichtigte, seine Forderungen bei den zuständigen spanischen Gerichten weiter zu betreiben.

(42)

Nach Ansicht von Habidite lässt sich nicht die Auffassung vertreten, dass die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV beinhalten, da sie nicht die kumulativen Tatbestandsmerkmale erfüllen.

(43)

In Bezug auf die Elemente, die zum Vorteil hinzukommen müssen, um von einer staatlichen Beihilfe sprechen zu können, brachte Habidite die folgenden, beide angemeldeten Vereinbarungen betreffenden Argumente vor:

a)

Keine der beiden Vereinbarungen bewirkt eine Übertragung staatlicher Mittel, da die Transaktionen zu Marktbedingungen durchgeführt werden und daher keinen Verlust öffentlicher Mittel nach sich ziehen sollten (laut dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache PreussenElektra  (23)).

b)

Die Tatsache, dass die Wohnungsvereinbarung ohne öffentliche Ausschreibung geschlossen wurde, bedeutet nicht, dass das Kriterium der Selektivität erfüllt ist. Nach der Neufassung des Gebietskörperschaftsgesetzes (Real Decreto Legislativo no 781/1986, de 18 de abril de 1986, por el que se aprueba el texto refundido de las disposiciones legales vigentes en materia de Régimen Local  (24)) und Artikel 31 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (25), können solche Verträge auch direkt, d. h. ohne Ausschreibung, vergeben werden, wenn dies aufgrund der technischen Merkmale des Vorhabens oder des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten gerechtfertigt ist.

c)

Die Einzigartigkeit der Fertigbaumodule von Habidite schließt vom Standpunkt der Produktmerkmale und der Montagetechnik her gesehen die Möglichkeit einer Wettbewerbsverfälschung oder Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus. In den Wettbewerbssachen N-09084 Ristretto Group/Williams Scottsman und N-04059 TDR Capital/Agelco definierte die spanische Wettbewerbsbehörde die Referenzmärkte als „Herstellung, Verkauf und Vermietung von Modularbauten“. Nach dieser Definition ergibt sich aus der Einzigartigkeit der Module von Habidite, dass dieses Unternehmen keine direkten Wettbewerber hat, die durch die beiden Vereinbarung geschädigt werden könnten. Auch in der Entscheidung der Kommission im Fall M.2473 Finnforest/Moelven Industrier  (26), wurde festgestellt, dass der Markt der Modularbauten ein lokaler oder regionaler Markt ist, da die Transportkosten einen Wettbewerb über größere Entfernungen unwirtschaftlich machen. Jedenfalls waren die Preise von Habidite in Anbetracht der technischen Merkmale des Erzeugnisses sehr wettbewerbsfähig.

(44)

Habidite bestritt auch mit ausführlichen und konkreten Argumenten, dass dem Unternehmen durch eine der beiden angemeldeten Vereinbarungen ein Vorteil erwachsen sei.

(45)

In Bezug auf den Wohnungsvertrag vertritt Habidite im Wesentlichen die Auffassung, dass das Unternehmen keinen Vorteil erzielen konnte, da die vereinbarten Verkaufspreise nicht über den Marktpreisen, sondern vielmehr darunter lagen. Im Einzelnen wird angeführt:

a)

Die Preise, die Habidite aufgrund der Vereinbarung für die Wohnungen erzielt hätte, mussten in jedem Fall unter dem Marktniveau liegen, da Bizkailur die Wohnungen zu den von Gesetzes wegen für viviendas tasadas vorgesehen, geregelten Preisen verkaufen wollte, die niedriger als die Marktpreise sind (vgl. die Erwägungsgründe (14) bis (19)).

b)

Der Durchschnittspreis von 2 010,19 EUR/m2, den Bizkailur für die von Habidite errichteten Wohnungen bekommen hätte, war mit den durchschnittlichen Preisen vergleichbar, die Bizkailur zu diesem Zeitpunkt aufgrund ähnlicher Vereinbarungen für die Errichtung von viviendas protegidas und viviendas tasadas bezahlte. Zum Beispiel bezahlte Bizkailur nach Angaben von Habidite im Jahr 2007 für die Errichtung Sozialwohnungen in Lemoiz 2 277 EUR/m2, in Ziérbana 1 964 EUR/m2 und in Areatza 2 021 EUR/m2. Im Jahr 2007 betrug der Preis von als viviendas tasadas (VPOT) verkauften 84-m2-Wohnungen in vier Gemeinden Bizkaias im Durchschnitt 1 808,69 EUR/m2  (27).

c)

Nach der Wohnungsvereinbarung (vgl. die Erwägungsgründe (24) und (25)) hätte Habidite jedenfalls 83 % bzw. 83,30 % (je nachdem, ob die Fläche der Wohnungen größer oder kleiner als 75 m2 war) des Durchschnittspreises von 2 010,19 EUR/m2 erhalten. Hierzu ist festzuhalten, dass im Eröffnungsbeschluss der Betrag von 2 010,19 EUR/m2 irrtümlich als der Preis genannt wurde, den Habidite selbst aufgrund dieser Vereinbarung erhalten sollte.

d)

Der Durchschnittspreis, den Bizkailur für die von Habidite errichteten Wohnungen erhalten hätte, lag deutlich unter dem Preisniveau ähnlicher Wohnungen, die in der Provinz frei am Markt verkauft wurden. Im Jahr 2007 betrug der durchschnittliche Marktpreis in der Provinz Bizkaia 2 921,9 EUR/m2  (28).

(46)

In Bezug auf die Grundstücksvereinbarung vertritt Habidite die Auffassung, das Unternehmen habe keinen Vorteil erzielt, da es davon ausgegangen war, dass es Bizkailur nicht nur die beim Erwerb und der Erschließung des Grundstücks tatsächlich entstandenen Kosten erstatten sollte – wie in der Vereinbarung vorgesehen -, sondern auch die damit verbundenen Finanzierungskosten.

(47)

Außerdem bestreitet Habidite die von der Diputación für den Erwerb und die Erschließung der Grundstücke veranschlagten Kosten. Nach der Grundstücksvereinbarung hätte Bizkailur für das Projekt nur 101 403 m2 erwerben müssen und nicht 205 000 m2, wie von der Diputación angegeben. Außerdem seien die Kosten der gewerblichen Erschließung von 254 785 m2 Baugrund, die sich nach Angaben der Diputación auf 28,5 Mio. EUR belaufen, nicht richtig angesetzt. Diese scheinen eher den Kosten zu entsprechen, die der Diputación bei einem anderen Vorhaben entstanden sind, nämlich beim Bau des Abschnitts Kastrexana-Arbuio-Sodupe der Kadagua-Autobahn. Darüber hinaus behauptet Habidite, die für das Habidite-Projekt erworbenen Grundstücke seien auf rechtswidrige Weise für die Müllablagerung benutzt wurden, wie auch das Gericht erster Instanz von Barakaldo in seinem Urteil Nr. 148/2010 vom 1. September 2010 feststellte.

VI.   ERGÄNZENDE AUSKÜNFTE SPANIENS UND BEANTWORTUNG DER STELLUNGNAHMEN VON HABIDITE

(48)

Auf Anfrage der Kommission bestätigte die Diputación, dass das Habidite-Projekt eingestellt wurde und die gegenüber Habidite in der Grundstücks- und in der Wohnungsvereinbarung eingegangenen vertraglichen Pflichten nicht erfüllt wurden.

(49)

In Bezug auf die Ausbildungsbeihilfenvereinbarung (vgl. Erwägungsgrund (39)) betont die Diputación, dass ihre Zusage, den 1 100 Arbeitnehmern des Habidite-Werks Ausbildungsbeihilfen zu gewähren, nach Artikel 10 der Vereinbarung an die Erfüllung der einschlägigen Vorschriften geknüpft war; dies beinhaltete somit implizit, dass sie ggf. bei der Kommission angemeldet oder eine beihilferechtliche Konformitätsbescheinigung eingeholt worden wäre. Die Diputación hat bestätigt, dass diese Ausbildungsbeihilfen nicht ausbezahlt wurden.

(50)

Auf die Frage, ob eine Beziehung zwischen den angemeldeten Vereinbarungen und den im Jahr 2008 von der Regierung des Baskenlandes gewährten Regionalförderungen bestehe, insbesondere ob beide Maßnahmenpakete sich auf dasselbe Investitionsvorhaben bezogen, schloss die Diputación nicht aus, dass es sich um dasselbe Investitionsvorhaben handeln könnte. Sie betonte jedoch, dies bedeute nicht notwendigerweise, dass es sich bei den beihilfefähigen Investitionskosten, die von der Regierung des Baskenlandes im Jahr 2008 für die Beihilfe von 6 Mio. EUR berücksichtigt wurden, um dieselben beihilfefähigen Kosten des Projekts handelt, so wie sich dieses im Jahr 2006 bei der Unterzeichnung der angemeldeten Vereinbarungen darstellte. Hierzu verweist die Diputación auf die von der Regierung des Baskenlandes und Habidite übermittelten Angaben.

(51)

In Bezug auf die Rückzahlung, die Habidite aufgrund der Grundstücksvereinbarung schuldete, und insbesondere zum Argument von Habidite, man sei davon ausgegangen, dass die Rückzahlungsverpflichtungen des Unternehmens auch die Finanzierungskosten im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Erschließung der Grundstücke umfassten, verweist die Diputación auf den Wortlaut der Grundstücksvereinbarung; Artikel 1 besagt: „der von [Habidite] zu zahlende Preis entspricht den von Bizkailur S.A. […] beim Erwerb der in […] beschriebenen Grundstücke getragenen tatsächlichen Kosten“.

(52)

Schließlich waren nach Wissen der Diputación zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der beiden Vereinbarungen weder Habidite noch Grupo Afer Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Randnummern 9, 10 und 11 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien.

(53)

Die Regierung des Baskenlandes übermittelte ihrerseits Angaben über die Regionalbeihilfe in Höhe von 6 Mio. EUR, die Habidite am 30. September 2008 gewährt wurde, sowie zu den beihilfefähigen Ausgaben, die für die Gewährung dieser Beihilfe berücksichtigt wurden. Die beihilfefähigen Ausgabenkategorien sind in folgender Tabelle aufgeschlüsselt:

Gesamtinvestition (in Mio. EUR)

90,42

FuE-Aufwendungen

13,71

Beihilfefähige Ausgaben, davon

76,71

IT

2,85

Grundstücke

5,5

Gebäude

34,76

Technische Ausrüstung

19,14

Maschinen

11,94

Sonstige Betriebsmittel

0,737

IT-Geräte

0,965

Überschüssige Grundstücke und Gebäude

3,9

Beihilfefähige Ausgaben insgesamt

72,8

Gewährte Beihilfe

6

(54)

Diese Beihilfe wurde nicht ausbezahlt. Im Einklang mit Randnummer 65 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (29), übermittelte Spanien der Kommission am 19. Februar 2009 das Formblatt über gewährte Beihilfen für große Investitionsvorhaben, die gemäß einer genehmigten Regionalbeihilfenregelung nicht anmeldepflichtig sind (30).

VII.   WÜRDIGUNG

(55)

Aus den in den Erwägungsgründen (56) bis (59) dargelegten Gründen werden in diesem Beschluss nicht behandelt: a) die von der Diputación und Habidite am 15. Dezember 2006 unterzeichnete Ausbildungsbeihilfenvereinbarung; und b) die Regionalbeihilfe von 6 Mio. EUR, welche die Regierung des Baskenlandes am 30. Dezember 2008 Grupo Habidite gewährte.

(56)

In Bezug auf die Ausbildungsbeihilfenvereinbarung, welche die Diputación und Habidite am selben Tag wie die angemeldeten Vereinbarungen unterzeichneten (vgl. die Erwägungsgründe (39) und (49)), verweist die Kommission darauf, dass diese von Spanien nicht angemeldet und nicht im Eröffnungsbeschluss berücksichtigt wurde. Nach gängiger Auffassung gilt die staatliche Beihilfe zu dem Zeitpunkt als gewährt, wenn eine rechtlich verbindliche und unbedingte Verpflichtung zu ihrer Auszahlung entstanden ist (31). Artikel 10 der Ausbildungsbeihilfenvereinbarung (vgl. Erwägungsgrund (49)) knüpft die Verpflichtung zur Auszahlung der Ausbildungsbeihilfe an die Erfüllung der einschlägigen Vorschriften, einschließlich der EU-Regeln für staatliche Beihilfen. Daraus ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung die darin enthaltene Verpflichtung zur Auszahlung der Beihilfe nicht als unbedingte ansehen war. Außerdem hat Spanien bestätigt, dass diese Ausbildungsbeihilfe nicht ausbezahlt wurde. Da das Habidite-Projekt in Alonsotegi nicht umgesetzt wurde, ist es auch unwahrscheinlich, dass diese Beihilfe in Zukunft noch ausbezahlt wird.

(57)

Dieser Beschluss behandelt auch nicht die Habidite von der Regierung des Baskenlandes am 30. Dezember 2008 gewährte Regionalbeihilfe von 6 Mio. EUR (vgl. die Erwägungsgründe (40) und (50)). Es muss jedoch betont werden, dass sowohl die beiden in diesem Beschluss geprüften angemeldeten Vereinbarungen als auch die im Jahr 2008 gewährte Regionalbeihilfe sich auf dasselbe Investitionsvorhaben beziehen, nämlich die Schaffung eines Modulwerks von Habidite in Alonsotegi. Dies wurde weder von der Regierung des Baskenlandes noch von der Diputación konkret bestritten (vgl. hierzu Erwägungsgrund (50)).

(58)

Nach Randnummer 66 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (32) hat Spanien für die Einhaltung der auf die 2008 gewährte Regionalbeihilfe anwendbaren Bestimmungen über die Beihilfenkumulierung zu sorgen.

(59)

Überdies ist zu berücksichtigen, dass nach Angaben der Diputación (vgl. Erwägungsgrund (30)) mit dem Kauf der für das Investitionsvorhaben erforderlichen Grundstücke im Mai 2007 begonnen wurde und bis zum April 2008 nach und nach Parzellen für diesen Zweck erworben wurden. Somit begann die Ausführung des Vorhabens bereits im Mai 2007. Nach Randnummer 38 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (33), dürfen, um die Anreizwirkung der Regionalbeihilfe für die Investition zu gewährleisten, Beihilfen im Rahmen von Beihilferegelungen nur gewährt werden, wenn der Empfänger diese beantragt und die zuständige Behörde vor Beginn der Ausführung schriftlich bestätigt hat, dass das Vorhaben die Förderwürdigkeitsbedingungen grundsätzlich erfüllt.

(60)

Vor Prüfung der Frage, ob eine Beihilfe vorliegt und ob diese mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, muss festgestellt werden, welche Regeln für staatliche Beihilfen ratione temporis anwendbar sind.

(61)

Die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung wurden am 15. Dezember 2006 unterzeichnet, jedoch erst im April 2009 zur Prüfung durch die Kommission angemeldet. Wie bereits in Erwägungsgrund (56) erwähnt, gilt nach gängiger Praxis (34) die staatliche Beihilfe zu dem Zeitpunkt als gewährt, wenn eine rechtlich verbindliche und unbedingte Verpflichtung zu deren Auszahlung entstanden ist. Im Fall der beiden angemeldeten Vereinbarungen wurde diese rechtlich verbindliche und unbedingte Verpflichtung am 15. Dezember 2006 eingegangen, als sie die Diputación und Bizkailur unterzeichneten. Folglich ist jegliche in den beiden Vereinbarungen enthaltene Beihilfe rechtswidrig, da sie unter Verletzung der in Artikel 108 Absatz 3 AEUV enthaltenen Meldepflicht gewährt wurde.

(62)

Nach der Entscheidung in der Rechtssache CELF/SIDE  (35) bewirkt eine nachträgliche Anmeldung oder Vereinbarkeitserklärung keine Heilung der Unrechtmäßigkeit von unter Verletzung der Anmeldepflicht oder des Durchführungsverbots gewährten Beihilfen. Wie in der Bekanntmachung der Kommission über die zur Beurteilung unrechtmäßiger staatlicher Beihilfen anzuwendenden Regeln (36) festgestellt wird, sind solche Beihilfen anhand der zum Zeitpunkt der Beihilfegewährung, also im vorliegenden Fall am 15. Dezember 2006, geltenden Regeln zu beurteilen. Diese Grundsätze werden in den Randnummern 63 und 105 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (37) bestätigt. Somit muss sich die Kommission, wenn sie das Vorliegen und die Vereinbarkeit einer Beihilfe würdigt, auf die am 15. Dezember 2006, dem Tag der Unterzeichnung der angemeldeten Vereinbarungen, geltenden Regeln für staatliche Beihilfen stützen.

VII.1   Vorliegen einer Beihilfe

(63)

Um festzustellen, ob die betreffenden Maßnahmen eine staatliche Beihilfe darstellen, muss die Kommission prüfen, ob die in Artikel 107 Absatz 1 AEUV genannten kumulativen Tatbestandsmerkmale zutreffen. Diese Bestimmung besagt: „Soweit in diesen Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ Diese kumulativen Tatbestandsmerkmale werden in den Erwägungsgründen (64) bis (107) für jede der beiden angemeldeten Vereinbarungen geprüft.

VII.1.1   Maßnahme 1: Grundstücksvereinbarung

(64)

Eines der Kriterien um festzustellen, ob eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt, ist die Verwendung staatlicher Mittel, entweder in Form einer Auszahlung oder in Form eines Einnahmeverzichts durch den Staat. Des Weiteren sind nach ständiger Rechtsprechung die Mittel öffentlicher Unternehmen oder von Privatunternehmen, bei denen die Behörden direkt oder indirekt die Kontrolle ausüben können, als staatliche Mittel anzusehen, soweit diese Mittel ständig unter öffentlicher Kontrolle und somit zur Verfügung der zuständigen nationalen Behörden stehen (38). Hierzu stellt die Kommission in den Erwägungsgründen (65) und (66) Folgendes fest:

(65)

Erstens wurde die Grundstücksvereinbarung von der Diputación und Bizkailur gemeinsam unterzeichnet. Die Vereinbarung enthält mehrere deutliche Indizien dafür, dass Bizkailur im Rahmen dieser Vereinbarung als „Arm“ der Diputación handelte. Für die Diputación und für Bizkailur unterzeichnete die Grundstücksvereinbarung der Vorsitzende der Diputación. Absatz 2 der Präambel dieser Vereinbarung stellt fest, dass die Diputación als 100 %ige Eigentümerin von Bizkailur neben anderen politischen Zielen auch die Förderung neuer und innovativer Investitionsvorhaben, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bereitstellung von Sozialwohnungen für die Bürger von Bizkaia verfolgt. In Absatz 5 der Präambel wird festgestellt, dass die Vereinbarung zu dem Zweck geschlossen wird, die in Absatz 2 der Präambel genannten wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen entweder direkt oder über öffentliche Unternehmen wie Bizkailur besser verwirklichen zu können.

(66)

Zweitens standen die Mittel, die Bizkailur bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen zum Erwerb und zur gewerblichen Erschließung des Grundstücks für die Ansiedelung des Habidite-Werks in Alonsotegi verwenden sollte, unter der Kontrolle der Diputación. Seit dem Jahr 1999 gehörte Bizkailur zu 100 % der Diputación und wurde von dieser kontrolliert (39). Es liegen die folgenden von der Rechtsprechung im Fall Stardust Marine definierten „organischen“ und „strukturellen“ Indizien vor, um die Handlungen von Bizkailur im Rahmen der Grundstücksvereinbarung dem Staat zuzurechen: (40)

a)

Die Diputación definierte den Umfang der Tätigkeiten von Bizkailur im Rahmen der Grundstücksvereinbarung;

b)

für die Zwecke der Vereinbarung handelte Bizkailur ausdrücklich im Namen der Diputación;

c)

der spezifische Charakter der Tätigkeiten von Bizkailur, die ausschließlich politische Ziele verfolgten, zeigt, dass dieses Unternehmen kein normaler Marktteilnehmer war, der zu Marktbedingungen in Wettbewerb tritt.

(67)

Im Lichte der in den Erwägungsgründen (65) und (66) dargestellten Indizien ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass im Fall der Grundstücksvereinbarung das Tatbestandsmerkmal der Verwendung staatlicher Mittel und der Zurechenbarkeit an den Staat erfüllt ist.

(68)

Die Kommission hat die Rückzahlungsmodalitäten und –konditionen für die Grundstücke, welche die Diputación und Bizkailur für das Habidite-Projekt in Alonsotegi nach Teil II Artikel 1 Ziffer vi und Ziffer vii der Grundstücksvereinbarung bereitstellen sollten (vgl. auch Erwägungsgrund (20)), geprüft und stellt gestützt auf diese Prüfung in den Erwägungsgründen (69) bis (83) Folgendes fest:

(69)

Nach Teil II Artikel 1 Ziffer vi der Grundstücksvereinbarung entsprach der Preis, den Habidite für den Erwerb und die gewerbliche Erschließung der Grundstücke durch Bizkailur bezahlen sollte, den „von Bizkailur S.A. […] beim Erwerb der in […] beschriebenen Grundstücke getragenen tatsächlichen Kosten“. Habidite argumentierte (vgl. Erwägungsgrund (46), dass hier seinem Verständnis nach die Finanzierungskosten enthalten waren. Diese Auslegung kann nicht akzeptiert werden. Die Bezugnahme auf die „beim Erwerb der Grundstücke getragenen tatsächlichen Kosten“ ist klar genug, so dass sich eine zusätzliche Auslegung erübrigt: Diese beinhalten nur den tatsächlich von Bizkailur für den Erwerb der Grundstücke bezahlten Preis.

(70)

Folglich muss erstens die Schlussfolgerung gezogen werden, dass dieser Wortlaut die von Bizkailur bei der gewerblichen Erschließung der Grundstücke getragenen Kosten ausschließt.

(71)

Zweitens sind die in Teil II Artikel 1 Ziffer vi der Grundstücksvereinbarung vorgesehenen Rückzahlungsmodalitäten – nämlich eine „Karenzperiode“ von vier Jahren und danach vier jährliche Teilzahlungen in Höhe von jeweils 25 % des tatsächlich von Bizkailur für die Grundstücke gezahlten Kaufpreises – in der Praxis einem zinslosen Darlehen gleichzusetzen. Eine Auslegung in dem Sinne, dass der Wortlaut von Artikel 1 Ziffer vii auch die Finanzierungskosten eines gleichwertigen Darlehens beinhaltet, also die Zinsen die ein marktüblicher Gläubiger von Habidite für ein ähnliches Darlehen verlangt hätte, ist nicht möglich. Vielmehr ist zu bezweifeln, dass ein privater Marktteilnehmer in einer ähnlichen Situation wie Bizkailur auf die Erstattung der Erschließungskosten des Grundstücks durch Habidite verzichtet und gleichzeitig eine rückzahlungsfreie Zeit von vier Jahren für die Erstattung des beim Kauf der Grundstücke bezahlten Preises sowie eine Frist von sieben Jahren ab dem Datum der Abtretung des Eigentums an den Grundstücken an Habidite für die gesamte Rückzahlung akzeptiert hätte, ohne irgendwelche Zinsen für diese Finanzierung zu verlangen.

(72)

Im Lichte der Erkenntnisse der Erwägungsgründe (69) bis (71) muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Habidite dank der Grundstücksvereinbarung einen Vorteil erzielte, den das Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht hätte erzielen können. Dieser Vorteil besteht aus den folgenden zwei Elementen:

a)

Den nicht erhobenen Zinsen für ein Darlehen in Höhe der gesamten von Bizkailur beim Erwerb des Grundstücks getragenen Kosten im Einklang mit der genannten Vereinbarung, d. h.: einem Darlehen mit einer Laufzeit von sieben Jahren, einer rückzahlungsfreien Zeit von vier Jahren und vier gleichen jährlichen Rückzahlungsraten (von jeweils 25 % des ausgelegten Betrages); sowie

b)

den von Bizkailur nach Artikel 1 Ziffer ii der Grundstücksvereinbarung für die gewerbliche Erschließung der für das Vorhaben erforderlichen Bauparzelle mit einer Gesamtfläche von mindestens 101 403 m2 (mindestens 81 600 m2 für das Werk, 5 300 m2 für Büros und Nebengebäude und 14 300 m2 für sonstige gewerbliche Zwecke) getragenen Kosten.

(73)

Das erste Element, d. h. die im Zusammenhang mit der Erstattung des Kaufpreises der Grundstücke nicht erhobenen Zinsen, entsprach nach Berechnung der Kommission einem Nettosubventionsäquivalent (NSÄ) von 13,21 % des von Bizkailur für den Erwerb der Grundstücke bezahlten Preises. Dieses NSÄ wurde nach dem in den Erwägungsgründen (74) bis (77) beschriebenen Verfahren berechnet.

(74)

Zunächst wurde der auf ein vergleichbares Darlehen anwendbare Zinssatz auf der Basis des in Spanien im Dezember 2006 geltenden Referenzzinssatzes von 4,36 %, der aus der Referenzzinsmitteilung der Kommission (41) hervorgeht, ermittelt.

(75)

Anschließend wurde gestützt auf die Mitteilung der Kommission über die Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze von 1997 (42) (nachstehend „die Mitteilung der Kommission von 1997“), die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Grundstücksvereinbarung in Kraft war, festgestellt, dass kein Zuschlag erforderlich war, um dem Risikoprofil des Darlehens an Habidite gerecht zu werden. Aufgrund der Mitteilung der Kommission von 1997 galt, dass die Referenzsätze die Durchschnittshöhe der in den verschiedenen Mitgliedstaaten geltenden Zinssätze für mit den üblichen Sicherheiten versehene, mittel- und langfristige Darlehen (Laufzeit 5 bis 10 Jahre) widerspiegeln. Die Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission änderte konkret nichts an diesem allgemeinen Grundsatz (43). In Ermangelung direkter Angaben über das Rating von Habidite bzw. Grupo Afer zum damaligen Zeitpunkt kann man nach Auffassung der Kommission davon ausgehen, dass Habidite ein normales Unternehmen und eine normale Besicherung gegeben war. Tatsächlich stimmen die Diputación und Habidite dahingehend überein, dass damals weder Habidite noch Grupo Afer Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Randnummern 9, 10 und 11 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien waren (vgl. Erwägungsgrund (52))

(76)

Als dritter Schritt wurde das Bruttosubventionsäquivalent der in der Rückzahlungsvereinbarung enthaltenen Beihilfe unter Berücksichtigung der Körperschaftssteuer, die der Beihilfeempfänger hätte entrichten müssen und die damals in Spanien 35 % betrug, korrigiert.

(77)

Im Einklang mit den in den Erwägungsgründen (74) bis (76) behandelten Elementen wird in der nachstehenden Tabelle das NSÄ dieses Darlehens mit Zinszuschuss dargestellt:

Darlehenssumme

100 %

Laufzeit

7 Jahre

Rückzahlungsfreie Zeit

4 Jahre

Referenzzinssatz

4,36 %

Marge/Zuschlag

 

Anwendbarer Gesamtzinssatz

4,36 %

Bruttosubventionsäquivalent der Beihilfe

20,33 %

Körperschaftssteuer

35 %

Nettosubventionsäquivalent (nach Steuern)

13,21 %

(78)

Des Weiteren stellt die Kommission fest, dass die tatsächlichen Kosten des Erwerbs der Grundstücke für dieses Vorhaben, die die Berechnungsgrundlage bilden, um durch Anwendung des NSÄ den Betrag der Beihilfe zu ermitteln, zwischen den Parteien umstritten sind. Wie in Erwägungsgrund (30) angegeben, ist die Diputación der Ansicht, dass Bizkailur bis September 2009 einen Betrag von 4,7 Mio. EUR für den Kauf von 205 000 m2 Baugrund bezahlt hat und noch weitere 2,6 Mio. EUR notwendig gewesen wären, um die restlichen für das Projekt erforderlichen 95 000 m2 zu kaufen. Habidite hingegen erklärt, Bizkailur hätte für das Vorhaben keine so große Fläche kaufen müssen, denn die Grundstücksvereinbarung sah nur eine Fläche von insgesamt 101 403 m2 vor (vgl. Erwägungsgrund (47)).

(79)

Zu dieser Meinungsverschiedenheit stellt die Kommission erstens fest, dass nach dem Wortlaut von Artikel 1 Ziffer ii der Grundstücksvereinbarung die Fläche für das Projekt insgesamt „mindestens“101 403 m2 groß sein sollte. Zweitens konnte sich die Kommission anhand der von den Parteien im Zuge des förmlichen Prüfverfahrens gemachten Angaben keine wirkliche Meinung zu diesem Thema bilden. Da jedoch die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe nicht zur Auszahlung gelangte und daher keine Rückforderung angeordnet werden muss, kann man die Frage des genauen Preises, den Habidite für den Erwerb der Grundstücke hätte erstatten müssen, offen lassen. Für die Zwecke dieses Beschlusses genügt es, das Beihilfeelement, das sich aus den in der Grundstücksvereinbarung vorgesehenen Erstattungskonditionen ergibt, zu definieren.

(80)

Dieses Beihilfeelement wird somit beschrieben als 13,21 % der Kosten, die nach Teil II Artikel 1 Ziffer ii der Grundstücksvereinbarung an Bizkailur für den Kauf der für das Habidite-Projekt erforderlichen Grundstücke zu erstatten waren. Der auf diese Weise bestimmte Betrag entspricht den Zinsen, die ein normaler Marktteilnehmer für ein Darlehen mit einer Laufzeit von sieben Jahren, einer rückzahlungsfreien Zeit von vier Jahren und mit vier gleichen jährlichen Rückzahlungsraten (zu je 25 % des Rückzahlungsbetrages) verlangt hätte und die von Bizkailur nicht erhoben wurden. Die Berechnungsgrundlage dieses Beihilfeelements sind die tatsächlichen Kosten, die Bizkailur für den in Teil II Artikel 1 Ziffer ii der Grundstücksvereinbarung vorgesehenen Erwerb des Grundstücks tragen sollte.

(81)

Ähnliche Erwägungen sind in Bezug auf das zweite Beihilfeelement der Grundstücksvereinbarung anzuwenden, d. h. die Kosten der gewerblichen Erschließung des Baugrundes, die dieser Vereinbarung zufolge Bizkailur nicht erstattet werden sollten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe (69) und (70)). Auch in diesem Fall gehen die Meinungen der Beteiligten über die Beträge auseinander. Nach Angaben der Diputación wurden diese Kosten im März 2009 auf 28,5 Mio. EUR geschätzt (vgl. Erwägungsgrund (30)). Habidite hingegen ist der Ansicht, dass diese Schätzung zu hoch angesetzt ist (vgl. Erwägungsgrund (47)), teils weil Bizkailur eine größere Fläche gekauft hat, als nach der Grundstücksvereinbarung für das Projekt notwendig gewesen wäre, teils weil ein Teil der bereits für das Projekt erworbenen Grundstücke für andere Zwecke verwendet wurde, z. B. als Mülldeponie.

(82)

Auch hier genügt es, in Erwägung der Tatsache, dass die Beihilfe nicht zur Auszahlung kam und daher nicht zurückgefordert werden muss, dieses in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfeelement zu definieren: Es besteht aus den gesamten Kosten, die Bizkailur für die gewerbliche Erschließung der Bauparzelle des Projekts im Sinne von in Teil II Artikel 1 Ziffer iii der Grundstücksvereinbarung getragen hätte, Kosten, die Habidite nach dem Wortlaut von Teil II Artikel 1 Ziffer iii Bizkailur nicht erstatten musste.

(83)

Die Kommission gelangt auch zu dem Schluss, dass der in den Erwägungsgründen (68) bis (77) beschriebene Vorteil, der aus den beiden in den Erwägungsgründen (80) und (82) beschriebenen Elementen besteht, als selektiv zu werten ist, soweit er aufgrund der Grundstücksvereinbarung nur einem bestimmten Beihilfeempfänger gewährt wurde, nämlich Habidite und Grupo Afer, zu der Habidite gehört.

(84)

Wie in Erwägungsgrund (43) erwähnt, argumentiert Habidite, dass die angemeldeten Vereinbarungen aus den folgenden Gründen zu keiner Verfälschung des Wettbewerbs führen: a) der Referenzmarkt beschränkt sich auf „Herstellung, Verkauf und Vermietung von Modularbauten“ und b) die einzigartigen Merkmale der Fertigbaumodule von Habidite bewirken, dass das Unternehmen keine Mitbewerber hat.

(85)

Die Kommission kann den von Habidite vorgebrachten Argumenten nicht zustimmen. Selbst wenn man die Fertigbaumodule von Habidite aufgrund ihrer Merkmale als einzigartiges Erzeugnis ansehen könnte, muss im vorliegenden Fall als Referenzmarkt im weiteren Sinne der Wohnungsmarkt im Allgemeinen herangezogen werden – der sowohl die auf dem freien Markt als auch die im geregelten Marktsegment (sozialer Wohnungsbau) verkauften Wohnungen umfasst.

(86)

Wie Habidite selbst erklärt, kann man die Preise der Wohnungen, die an Bizkailur verkauft werden sollten, entweder mit denen von auf dem freien Markt verkauften Wohnungen vergleichen oder mit den Preisen solcher Wohnungen, die für den Wiederverkauf als Sozialwohnungen im engeren oder weiteren Sinne bestimmt waren. Die Tatsache, dass Bizkailur auch andere Hersteller als Habidite mit der Errichtung von Wohnungen für den Wiederverkauf als preisgeregelte Wohnungen beauftragte, zeigt, dass es damals auch andere Bauunternehmen gab, die bei der Bereitstellung von zum Verkauf als Sozialwohnungen im engeren oder weiteren Sinne bestimmten Wohnungen an Bizkailur de facto mit Habidite in Wettbewerb standen.

(87)

Außerdem berief sich Habidite in dem Geschäftsplan, den es der Regierung des Baskenlandes mit seinem Antrag auf Regionalförderung für das Jahr 2008 (datiert November 2008. S. 10-12) übermittelte, selbst darauf, dass das Unternehmen auf mehreren Regionalmärkten in Spanien mit traditionellen Bauunternehmen in Wettbewerb getreten sei, um dort seine Erzeugnisse zu verkaufen (insbesondere im Baskenland, in Navarra, Kantabrien, La Rioja und Madrid und in geringerem Ausmaß auch in anderen autonomen Gemeinschaften Spaniens). Habidite schätzte, dass sein Anteil am gesamten spanischen Markt (freier Markt und sozialer Wohnungsbau) von 0,4 % im Jahr 2011 auf 1 % im Zeitraum 2012-2016 steigen würde. Habidite prognostizierte z. B., dass im Jahr 2011 auf dem spanischen Markt insgesamt ca. 320 000 Wohnungen verkauft und davon auf Habidite 1 403 Wohnungen entfallen würden, was einem Marktanteil von 0,4 % entspricht. Konkret für das Baskenland prognostizierte Habidite einen Marktanteil von 0,5 % im Jahr 2011 und von bis zu 2,8 % ab 2014, wobei man davon ausging, dass im Zeitraum 2011-2016 die Nachfrage in dieser Region insgesamt 8 000 Wohnungen pro Jahr betragen werde.

(88)

Nach ständiger Rechtsprechung ist dann von einer Verfälschung des Wettbewerbs durch die Beihilfe auszugehen, wenn sie die finanzielle Stellung und die Möglichkeiten des begünstigten Unternehmens im Vergleich zu den Mitbewerbern, die keine Beihilfe erhalten, stärkt (44). Im Lichte dieses Grundsatzes und der vorstehenden Erwägungsgründe ist der Schluss zu ziehen, dass die an Habidite und Grupo Afer durch die Grundstücksvereinbarung gewährten Beihilfen den Wettbewerb verfälschende Auswirkungen gehabt hätten, denn sie hätten es Habidite ermöglicht, die Investitionskosten, die normalerweise das Unternehmen selbst trägt, zu verringern und folglich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber tatsächlichen und potentiellen Mitbewerbern zu erzielen.

(89)

In ähnlicher Weise, wie zuvor in den Erwägungsgründen (84) bis (87) dargestellt, kann man das Argument von Habidite, dass der geografische Referenzmarkt insbesondere beim Fertigteilwohnbau wegen der Transportkosten der Fertigbauteile nur ein lokaler oder regionaler ist, nicht akzeptieren. In Anbetracht der geografischen Nähe des Baskenlandes zu anderen Mitgliedstaaten und seiner Nähe zum Meer kommt wahrscheinlich den zusätzlichen Transportkosten keine entscheidende Bedeutung zu, um mögliche Mitbewerber von Habidite in dieser autonomen Gemeinschaft auszuschließen. Umgekehrt stellen möglicherweise die Transportkosten für Habidite kein Hindernis dar, wenn es darum geht, um den Bau von Wohnungen in nahe gelegenen Mitgliedstaaten in Wettbewerb zu treten.

(90)

Wenn man dem zuvor in Erwägungsgrund (88) zitierten Grundgedanken der Rechtsprechung folgt, ist eine staatliche Beihilfe, wenn sie die Position eines Unternehmens im Verhältnis zu anderen Mitbewerbern auf dem Binnenmarkt der Union stärkt, als Benachteiligung dieser Mitbewerber zu werten. Die Beihilfe kann solcher Art sein, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten auch dann beeinträchtigt, wenn das begünstigte Unternehmen selbst keine grenzüberschreitenden Geschäfte betreibt (45).

(91)

Gestützt auf die Erwägungsgründe (89) und (90) muss die Kommission die Schlussfolgerung ziehen, dass die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe wahrscheinlich den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt.

VII.1.2   Maßnahme 2: Wohnungsvereinbarung

(92)

Die in den Erwägungsgründen (64)-(67), (84)-(88) und (89)-(90) behandelten Tatbestandsmerkmale einer staatlichen Beihilfe - Verwendung staatlicher Mittel und Zurechenbarkeit an den Staat, Verfälschung des Wettbewerbs und Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - lassen sich mutatis mutandis auf die Wohnungsvereinbarung anwenden. Folglich wird in den Erwägungsgründen (93) bis (96) nur das Vorliegen des selektiven Vorteils geprüft.

(93)

Wie in Erwägungsgrund (45) dargestellt, argumentiert Habidite, die Wohnungsvereinbarung hätte dem Unternehmen keinen Vorteil gebracht, im Wesentlichen weil die Preise, die Bizkailur für die 1 500 von Habidite aufgrund des Vertrages zu errichtenden Wohnungen bezahlen sollte, tatsächlich unter den Marktpreisen lagen.

(94)

Erstens ist Habidite insbesondere der Auffassung, dass Bizkailur die 1 500 vom Unternehmen aufgrund dieser Vereinbarung bereitzustellenden Wohnungen als viviendas tasadas zu einem von den Regionalgesetzen geregelten Höchstpreis verkaufen sollte, der maximal 170 % des Preises betragen darf, der in der Verordnung der Regierung des Baskenlandes vom 1.8.2004 festgelegt und danach regelmäßig auf der Basis des vom spanischen Statistischen Amt ermittelten Verbraucherpreisindexes (IPC) angepasst wurde (vgl. hierzu die Erwägungsgründe (17) und (18). Daher hätte Bizkailur für die 1 500 Wohnungen nur einen Durchschnittspreis von 2 010,19 EUR/m2 erzielen können, also weniger als den Durchschnittspreis von 2 921,9 EUR/m2, der auf dem freien Wohnungsmarkt in der Provinz Bizkaia im Jahr 2007 bezahlt wurde. Außerdem hätte Habidite von den 2 010,19 EUR/m2, die Bizkailur beim Verkauf der Wohnungen als preisgeregelten Wohnungen erhalten hätte, nur 83 % (bzw. 83,30 % im Fall der 750 Wohnungen mit weniger als 75 m2) bekommen.

(95)

Zweitens ist Habidite der Auffassung, der Preis, den das Unternehmen von Bizkailur aufgrund der Wohnungsvereinbarung für die 1 500 Wohnungen bekommen hätte, sei mit den Preisen vergleichbar gewesen, die andere Bauunternehmen, die im selben Zeitraum ähnliche Vereinbarungen mit Bizkailur abschlossen, bekamen (in Erwägungsgrund (45) werden Beispiele genannt).

(96)

Schließlich argumentierte Habidite auch, dass nach der Gesetzesverordnung 78/1986 und Artikel 31 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge solche Verträge auch direkt, d. h. ohne Ausschreibung, vergeben werden können, wenn dies aufgrund der technischen Merkmale des Vorhabens oder des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten gerechtfertigt ist (46).

(97)

Nach Würdigung der Angaben und Argumente von Habidite nimmt die Kommission dazu in den Erwägungsgründen (98) bis (107) wie folgt Stellung.

(98)

Erstens ist festzustellen, dass die Angaben über die Preise, die andere Bauunternehmen aufgrund ähnlicher Vereinbarungen mit Bizkailur erzielten, ausschließlich auf in der Presse veröffentlichten Daten beruhen. Die Kommission erhielt von der Diputación keine direkten Informationen zu diesem Thema, etwa in Form von Kopien ähnlicher Vereinbarungen, die Bizkailur mit anderen Bauunternehmen geschlossen hat. Jedenfalls beziehen sich sowohl die von Habidite als auch die von der Diputación übermittelten Preisschätzungen auf die Jahre 2006 und 2007, während nach Artikel A Buchstabe c der Wohnungsvereinbarung und dem Geschäftsplan von Habidite (veröffentlicht 2009) die Übergabe der 1 500 Wohnungen an Bizkailur im Laufe der Jahre 2009 -2011 erfolgen sollte.

(99)

Selbst wenn man einräumt, dass die Preise, die Habidite von Bizkailur aufgrund dieser Vereinbarung für die 1 500 Wohnungen bekommen sollte, mit den Preisen vergleichbar waren, die andere Bauunternehmen auf der Basis ähnlicher Vereinbarungen von Bizkailur bekamen, und dass sie jedenfalls niedriger waren, als die am freien Markt für solche Wohnungen zu beobachtenden Preise, reicht dieses Argument nicht aus, um die Kommission zu dem Schluss gelangen zu lassen, dass Habidite aus dieser Vereinbarung keinen Vorteil ziehen konnte. Wie ebenfalls im Eröffnungsbeschluss erwähnt (47), bestand der Vorteil, den Habidite aus dieser Vereinbarung zog, im Wesentlichen in der garantierten Abnahme eines beträchtlichen Teils seiner anfänglichen Produktion, wodurch sich die mit einem neuen Investitionsvorhaben verbundenen Risiken, die per definitionem bei der Markteinführung eines neuen Erzeugnisses wie den „Habidite-Modulen“ noch größer sind, erheblich verringerten.

(100)

Bekanntlich war der Wettbewerb auf dem spanischen Wohnbaumarkt zum damaligen Zeitpunkt sehr groß und ist es immer noch. Die Tatsache, dass Bizkailur bei Habidite 1 500 Wohnungen in Auftrag gab, muss für das Unternehmen so gesehen einen nicht zu vernachlässigenden Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern bedeuten, selbst wenn man nur die Nachfrage für die Errichtung von Wohnungen berücksichtigt, die zum Verkauf als viviendas tasadas oder viviendas protegidas bestimmt sind.

(101)

Die Tatsache, dass nach Angaben der Diputación der Regionale Aktionsplan (vgl. Erwägungsgrund (19)) vorsah, dass Bizkailur im Zeitraum 2004-2007 insgesamt 3 000 Wohnungen nach der Regelung für den sozialen Wohnungsbau zum Verkauf anbietet, ist ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Anzahl der bei Habidite in Auftrag gegeben Wohnungen keineswegs unbedeutend war. Zwar bezieht sich der Regionale Aktionsplan auf den Zeitraum 2004-2007, während die Übergabe der 1 500 von Bizkailur bei Habidite in Auftrag gegebenen Wohnungen (laut der 2009 veröffentlichten Fassung des Geschäftsplans des Unternehmens) in der Zeit von 2009 bis 2011 erfolgen sollte. Dennoch ist dies ein Indiz dafür, wie viele Wohnungen Bizkailur zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wohnungsvereinbarung insgesamt nach der Regelung für den sozialen Wohnungsbau zu verkaufen beabsichtigte.

(102)

Dieses Element ist im Lichte des Anteils der von der Diputación und Bizkailur in Auftrag gegebenen Wohnungen an der voraussichtlichen Gesamtproduktion von Habidite im Referenzzeitraum zu würdigen. Laut dem 2009 bekannt gegebenen Geschäftsplan rechnete Habidite damit, dass das Unternehmen im Jahr 2009 die gesamte Produktion von 433 Wohnungen ausschließlich an Bizkailur verkaufen werde. Im Jahr 2010 sollte Bizkailur Habidite bei einer Gesamtproduktion von 1 113 Wohnungen 670 Wohnungen abkaufen. Und im Jahr 2011 sollte Bizkailur Habidite bei einer Gesamtproduktion von 3 151 Wohnungen 342 Wohnungen abkaufen. Das ist ein Anhaltspunkt dafür, dass Habidite selbst zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wohnungsvereinbarung damit rechnete, dass die Diputación und Bizkailur in den ersten beiden Jahren nach Inbetriebnahme des Habidite-Werks in Alonsotegi (2009-2010) einen beträchtlichen Teil der Produktion abnehmen würden. Das erhärtet die Schlussfolgerung, dass die Wohnungsvereinbarung tatsächlich die mit einem neuen Investitionsvorhaben und insbesondere mit der Markteinführung eines neuen Erzeugnisses (der „Habidite-Module“) verbundenen Risiken beträchtlich verringerte.

(103)

Ein weiteres Indiz dafür, dass sich dank dieser Vereinbarung für Habidite das mit der Vermarktung seines Erzeugnisses verbundene Risiko erheblich verringert hätte, findet sich im Geschäftsplan des Unternehmens (vom November 2008), der für die Beantragung der Regionalbeihilfen 2008 eingereicht wurde. In diesem Geschäftsplan prognostizierte Habidite, die Gesamtnachfrage nach preisgeregelten Wohnungen im gesamten Baskenland werde im Zeitraum 2011-2016 jährlich etwa 8 000 Wohnungen betragen. Dieser Geschäftsplan zeigt, dass Habidite die Absicht hatte, sowohl im Baskenland als auch in anderen autonomen Gemeinschaften Spaniens vorrangig das geregelte Marktsegment (sozialer Wohnungsbau) zu bedienen. Konkret wurde für das Jahr 2011 prognostiziert, dass Habidite in Spanien auf dem geregelten Markt 289 Wohnungen, bei einer Gesamterzeugung von 1 403 Wohnungen im selben Jahr, absetzen werde. Das zeigt deutlich, dass nach Auslaufen der Wohnungsvereinbarung (die 1 500 von der Diputación und Bizkailur in Auftrag gegebenen Wohnungen sollten spätestens im Mai 2011 übergeben werden) der Anteil der für den geregelten Markt bestimmten Wohnungen an der Gesamtjahresproduktion von Habidite, nämlich 289 Wohnungen bei einer Gesamtproduktion von 1 403, sehr viel niedriger angesetzt wurde, als in den ersten drei Jahren nach Inbetriebnahme des Habidite-Werks in Alonsotegi, die der Wohnungsvereinbarung unterlagen.

(104)

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der tatsächliche Bedarf an Sozialwohnungen in der Provinz Bizkaia, den Bizkailur durch die Wohnungsvereinbarung abdeckte. Weder die Diputación noch Habidite übermittelten konkrete Beweise zum tatsächlichen Bedarf an Sozialwohnungen, den Bizkailur durch die mit Habidite zu den vereinbarten Bedingungen abgeschlossene Wohnungsvereinbarung befriedigen wollte. Wie bereits in Erwägungsgrund (98) erwähnt, rechnete man damit, dass die Übergabe der 1 500 von der Vereinbarung vorgesehenen Wohnungen im Zeitraum 2009-2011 erfolgten werde. Des Weiteren bestritt die Diputación nicht, dass sie bei der Unterzeichnung der Vereinbarung die Erbringung einer Dienstleistung von allgemein wirtschaftlichem Interesse, nämlich den sozialen Wohnungsbau, im Auge hatte. Ebenso muss erwähnt werden, dass die Wohnungsvereinbarung nicht nach einer öffentlichen Ausschreibung unterzeichnet wurde, während Bizkailur anscheinend normalerweise eine derartige Vereinbarung hätte ausschreiben müssen, wie aus den Informationen hervorgeht, die Habidite selbst in Bezug auf ähnliche von Bizkailur mit anderen Bauunternehmen geschlossene Vereinbarungen übermittelte.

(105)

So gesehen kann die Kommission das Argument von Habidite (vgl. Erwägungsgrund (96)), dass die spezifischen technischen Merkmale dieses Vorhabens eine direkte Auftragsvergabe ohne öffentliche Ausschreibung erlaubten, nicht akzeptieren. Erstens beziehen sich die Bestimmungen, auf die sich Habidite beruft, nicht auf Situationen wie die vorliegende, bei der die besondere Art des Vorhabens darin bestand, ein neues Erzeugnis auf dem Markt einzuführen. Gegenstand der Wohnungsvereinbarung war der Erwerb von Wohnungen zum Wiederverkauf als viviendas tasadas für benachteiligte Bürger. Die bei ihrer Errichtung verwendete Technik ist dabei irrelevant, da die mit Fertigbaumodulen errichteten Wohnungen in direktem Wettbewerb mit solchen standen, die mit traditionellen Methoden errichtet wurden. Zweitens hat der Rechnungshof des Baskenlandes in einem Bericht vom Januar 2009 (48) im Kontext einer Kritik an öffentlichen Aufträgen, die unter Verletzung der Grundsätze der Transparenz und der Angebotsausschreibung vergeben wurden, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung geäußert.

(106)

Nach der Rechtsprechung im Fall P&O Ferries  (49) genügt, falls sich herausstellt, dass der Mitgliedstaat keinen tatsächlichen Bedarf an von ihm erworbenen Gütern hatte, der bloße Umstand, dass eine Behörde Güter zu den üblichen Marktbedingungen erwirbt, nicht bereits, um aus diesem Vorgang ein marktübliches Geschäft zu machen, insbesondere dann nicht, wenn der Auftragsvergabe kein öffentliches Ausschreibungsverfahren vorausging. Im vorliegenden Fall bilden das Fehlen von Informationen darüber, ob es tatsächlich erforderlich war, dass Bizkailur im Zeitraum 2009-2011 die 1 500 in Auftrag gegebenen Wohnungen als preisgeregelte Wohnungen verkauft, und das Fehlen einer öffentlichen Ausschreibung, Anhaltspunkte dafür, dass die Transaktion nicht zu Markbedingungen abgeschlossen wurde.

(107)

Vor dem Hintergrund der Erwägungsgründe (97) bis (106) muss die Kommission zur Schlussfolgerung gelangen, dass die Wohnungsvereinbarung nicht als marktübliches Geschäft angesehen werden kann. Im Gegenteil: Die Vereinbarung gewährt Habidite und Grupo Afer offensichtlich einen Vorteil, da sie das Risiko verringerte, die gesamte Produktion unter Markbedingungen und in direktem Wettbewerb zu anderen Bauunternehmen verkaufen zu müssen. Als Beihilfeelement ist hier der Gewinn zu definieren, den Habidite durch den Verkauf der 1 500 Wohnungen an die Diputación und Bizkailur zu den Konditionen der Wohnungsvereinbarung erzielt hätte, d. h.: die Differenz zwischen dem in Artikel A Buchstabe e der Wohnungsvereinbarung vorgesehenen Verkaufspreis der 1 500 Wohnungen und deren Baukosten. Es handelt sich um einen selektiven Vorteil, denn er wird aufgrund der Wohnungsvereinbarung nur Habidite und Grupo Afer gewährt.

VII.1.3.   Vorläufige Schlussfolgerungen

(108)

Vor dem Hintergrund der Erwägungsgründe (64) bis (90) und (92) bis (106) sowie unbeschadet weiterer Schlussfolgerungen zur Vereinbarkeit mit den EU-Vorschriften zur öffentlichen Auftragsvergabe muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellen.

(109)

Im Fall der Grundstücksvereinbarung besteht die betreffende staatliche Beihilfe aus zwei Elementen:

a)

Die nicht erhobenen Zinsen für ein Darlehen in Höhe des Gesamtbetrages der von Bizkailur beim Erwerb des Grundstücks für das Habidite-Projekt getragenen Kosten, das zinsfrei mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einer rückzahlungsfreien Zeit von vier Jahren gewährt worden wäre. Diese nicht erhobenen Zinsen entsprechen einem NSÄ von 13,41 % der Anschaffungskosten des Gründstücks, die Bizkailur nach Teil II Artikel 1 Ziffer ii der Grundstücksvereinbarung zu tragen hatte.

b)

Die von Bizkailur im Einklang mit Teil II Artikel 1 Ziffer iii der Grundstücksvereinbarung getragenen Gesamtkosten der gewerblichen Erschließung dieser Parzelle mit einer Flache von mindestens 101 430 m2.

(110)

Im Fall Wohnungsvereinbarung besteht das Beihilfeelement aus dem Gewinn, den Habidite aufgrund dieser Vereinbarung aus dem Verkauf der 1 500 Wohnungen erzielt hätte, d. h. der Differenz zwischen dem in Artikel A Buchstabe e für die 1 500 Wohnungen vorgesehenen Preis und den von Habidite getragenen Herstellungskosten der 1 500 Wohnungen.

VII.2   Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt

(111)

Im Eröffnungsbeschluss vom 2. Dezember 2009 äußerte die Kommission Zweifel, ob die in der Grundstücks- und in der Wohnungsvereinbarung enthaltene Beihilfe aufgrund der zum Zeitpunkt der Würdigung geltenden einschlägigen Vorschriften, und zwar insbesondere in Bezug auf den Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen (50), die Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien 2004, die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (51) und die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung 2008 (52), als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann.

(112)

Jedoch wurde, wie in den Erwägungsgründen (60) bis (62) erwähnt, die in der Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung enthaltene Beihilfe auf rechtswidrige Weise am 15. Dezember 2006 (d. h. vor der Anmeldung bei der Kommission) gewährt, weshalb ihre Vereinbarkeit vielmehr unter Heranziehung der zum Zeitpunkt ihrer Gewährung geltenden Vorschriften in Sachen staatliche Beihilfen zu würdigen ist.

(113)

Unter Berücksichtigung dieses zeitlichen Faktors kann die Vereinbarkeit der durch die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung gewährten Beihilfe nicht im Lichte der in Zusammenhang mit der Krise geltenden Sondervorschriften gewürdigt werden, die erst später beschlossen wurden und in Kraft traten.

(114)

Andererseits waren nach Angaben der Diputación bei Habidite und Grupo Afer zum 15. Dezember 2006 nicht die Voraussetzungen gegeben, um sie als Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Randnummern 9, 10 und 11 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien 2004 anzusehen. Daher hatten sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung keinen Anspruch auf Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen.

(115)

Die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung wurden am 15. Dezember 2006 mit dem Ziel abgeschlossen, ein Investitionsvorhaben in Alonsotegi zu unterstützen, einer Gemeinde im Kreis Großraum Bilbao, die zum damaligen Zeitpunkt ein Fördergebiet im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV (53) war. Folglich ist zu prüfen, ob die Beihilfe aus der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung nach den am 15. Dezember 2006 geltenden Regionalförderungsregeln, d. h.: nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 1998 (54) (nachstehend „Regionalbeihilfeleitlinien 1998“ genannt) und dem Multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben 2002 (55) (nachstehend „Multisektoraler Rahmen 2002“ genannt), in Verbindung mit Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar war.

(116)

Um als mit dem Binnenmarkt vereinbar zu gelten, müssen Regionalbeihilfen für Investitionen eine Reihe von Standardvoraussetzungen erfüllen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Grundstücksvereinbarung, am 15. Dezember 2006, in den Regionalbeihilfeleitlinien 1998 geregelt waren. Insbesondere müssen die Beihilfen imstande sein, einen Beitrag zur regionalen Entwicklung zu leisten, und ein Erstinvestitionsvorhaben unterstützen, mit dessen Ausführung erst begonnen wird, nachdem der Empfänger einen Beihilfeantrag gestellt hat (Anreizeffekt); des Weiteren muss das Investitionsvorhaben zu mindestens 25 % aus den Eigenmitteln des Begünstigten finanziert werden und die Investition muss im betreffenden Fördergebiet mindestens fünf Jahre lang erhalten bleiben. Außerdem dürfen bei der Gewährung der Beihilfe nur bestimmte beihilfefähige Ausgaben berücksichtigt werden und die Beihilfe darf nicht in einer Weise mit anderen Beihilfen kumuliert werden, die zu einer Überschreitung der Höchstgrenze der anwendbaren Regionalbeihilfe führt.

(117)

Nach Randnummer 2 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 sind Ad-hoc-Beihilfen zugunsten nur eines Unternehmens oder Beihilfen, die auf einen einzigen Wirtschaftzweig begrenzt sind, im Allgemeinen nicht als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen, da ihre Nachteile für den Wettbewerb größer sind als ihr positiver Beitrag zur regionalen Entwicklung. Außerdem waren Ad-hoc-Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten verboten.

(118)

Die Beihilfe für Habidite nach der Grundstücksvereinbarung wurde von Spanien nicht im Rahmen einer genehmigten Regionalbeihilferegelung angemeldet. Diese Beihilfe könnte eher die Voraussetzungen erfüllen, um als Ad-hoc-Beihilfe angesehen zu werden, die nur Habidite und Grupo Afer sowie indirekt der Baubranche zu gute kommt.

(119)

Jedoch kann nach der zitierten Randnummer 2 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 eine solche Beihilfe zugunsten eines einzigen Wirtschaftszweiges oder nur eines Unternehmens ausnahmsweise für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar befunden werden, falls nachgewiesen werden kann, dass sie einen erheblichen Beitrag zur Regionalentwicklung leistet, der gegenüber ihren nachteiligen Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und den Wettbewerb überwiegt. Obwohl Spanien keine diesbezüglichen Argumente übermittelt hat, wird die Kommission aus eigener Initiative und gestützt auf die ihr vorliegenden Informationen prüfen, ob im Fall der Beihilfe durch die Grundstücksvereinbarung die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahmereglung gegeben sind.

(120)

Die Grundstücksvereinbarung verfolgte klar das Ziel, ein neues Investitionsvorhaben, d. h. das neue Werk von Habidite in Alonsotegi zu unterstützen. Zum damaligen Zeitpunkt rechnete man damit, dass das Vorhaben 1 100 neue direkte Arbeitsplätze in einem Fördergebiet und höchstwahrscheinlich auch eine beträchtliche Anzahl neuer indirekter Arbeitsplätze schaffen würde. Hinzu kam der Umstand, dass das neue Investitionsvorhaben durch die parallele Wohnungsvereinbarung auch zur Verwirklichung regionalpolitischer Zielsetzungen, nämlich zur Errichtung von Sozialwohnungen für die am wenigsten begünstigten Bürger der Provinz Bizkaia, beigetragen hätte. Zudem erfüllten zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung weder Habidite noch Grupo Afer die Voraussetzungen, um als Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Randnummern 9, 10 und 11 der Sanierungs- und Umstrukturierungsleitlinien zu gelten (vgl. Erwägungsgrund (9)). Die Kommission muss daher den Schluss ziehen, dass im Fall der Grundstücksvereinbarung die Voraussetzungen gegeben sind, um die im letzten Absatz von Randnummer 2 der Regionalförderungsleitlinien 1998 vorgesehene Ausnahmeregelung anzuwenden.

(121)

Nach Randnummer 4 Absatz 4 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 fallen unter den Begriff der Regionalbeihilfe nur Beihilfen für Erstinvestitionen, wobei darunter Anlageinvestitionen bei der Errichtung einer neuen Betriebsstätte, bei der Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte oder bei der Vornahme einer grundlegenden Änderung des Produkts oder des Produktionsverfahrens einer bestehenden Betriebsstätte zu verstehen sind. Die Beihilfe aus der Grundstücksvereinbarung entspricht dieser Definition, da sie mit dem Ziel gewährt wurde, die Niederlassung eines neuen Investitionsvorhabens in Alonsotegi zu unterstützen.

(122)

Nach Randnummer 4 Absatz 5 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 dürfen Erstinvestitionsbeihilfen ausschließlich zur Abdeckung der beihilfefähigen Investitionskosten verwendet werden und diese dienen folglich als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beihilfehöchstgrenze. Gemäß Randnummer 4 Absätze 5 und 6 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 umfasst der Begriff „beihilfefähige Investitionskosten“ im Fall einer Erstinvestition Grundstücke, Gebäude und Anlagen sowie bestimmte Kategorien immaterieller Investitionen (Patente, Betriebslizenzen, technische Kenntnisse) im Umfang von höchstens 25 % der einheitlichen Bemessungsgrundlage, wenn es sich um große Unternehmen handelt.

(123)

Folglich sind zunächst die beihilfefähigen Ausgaben des Habidite-Projekts in Alonsotegi zum 15. Dezember 2006 zu ermitteln.

(124)

Da die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe nicht aufgrund eines zuvor gestellten Antrags gewährt wurde, übermittelte der Empfänger zum damaligen Zeitpunkt nicht die im Fall einer Regionalbeihilfe notwendigen Informationen zur Feststellung der bei einer Erstinvestition beihilfefähigen Ausgaben. Die der Diputación zu den beihilfefähigen Ausgaben vorliegenden Informationen wurden in Erwägungsgrund (12) wie folgt angegeben:

Grundstücke

4,8 Mio. EUR

Werksbauten

22,5 Mio. EUR

Erschließung

4,00 Mio. EUR

Anlagen

24,0 Mio. EUR

Insgesamt

55,34 Mio. EUR

(125)

Die hier genannten Ausgabenkategorien können als „Investitionswert“ im Sinne von Randnummer 4 Absatz 5 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 angesehen werden. Außerdem erfüllt die Beihilfe aus der Grundstücksvereinbarung, da sie direkt mit dem Erwerb und der gewerblichen Erschließung der Grundstücken für das neue Investitionsvorhaben zusammenhängt, auch diese Voraussetzung, die sich aus Randnummer 4 Absatz 5 der Regionalbeihilfenleitlinien 1998 ergibt.

(126)

Nach Randnummer 4 Absatz 10 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 müssen Beihilfen für Erstinvestitionen gewährleisten, dass die betreffende Investition während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren erhalten bleibt. Zwar wurde Habidite diese Bedingung im Kontext der Grundstücksvereinbarung nicht ausdrücklich gestellt, im Kontext der parallelen (in Erwägungsgrund (39) beschriebenen) Ausbildungsbeihilfenvereinbarung, die ebenfalls am 15. Dezember 2006 und in Zusammenhang mit demselben Investitionsvorhaben abgeschlossen wurde, hatte sich Habidite jedoch verpflichtet, 1 100 Arbeitsplätze mindestens fünf Jahre lang zu erhalten. Die Kommission muss somit den Schluss ziehen, dass auch Randnummer 4 Absatz 10 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 erfüllt wird.

(127)

Da keine Informationen über die voraussichtlichen Lohnkosten der 1100 Arbeitnehmer des Habidite-Werks in Alonsotegi vorliegen, kann die Kommission die Vereinbarkeit der aufgrund der Grundstücksvereinbarung gewährten Beihilfen mit Randnummer 4 Absatz 11 bis Absatz 17 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 betreffend Beihilfen für die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht zuverlässig beurteilen. Soweit jedoch die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe an den Kauf der Gründstücke gebunden ist, der eine beihilfefähige Ausgabe darstellt, ist eine Würdigung nach Randnummer 4 Absatz 11 bis Absatz 17 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 nicht erforderlich.

(128)

Vor der Unterzeichnung der Grundstücksvereinbarung hatte das Investitionsvorhaben von Habidite keine andere Investitionsbeihilfe erhalten, die zu berücksichtigen wäre, um Kumulierungseffekte nach Randnummer 4 Absatz 18 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 zu bewerten.

(129)

Nach Randnummer 4 Absatz 2 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 müssen Beihilferegelungen vorsehen, dass der Beihilfeantrag vor Beginn der Projektausführung gestellt wird. Diese Vorschrift soll gewährleist, dass die Regionalbeihilfe nur dann gewährt wird, wenn sie eine nachprüfbare Anreizwirkung hat. Falls die Arbeiten an einem Projekt bereits vor der Antragstellung begonnen haben, hätte die nachträglich gewährte Regionalbeihilfe offensichtlich keine Anreizwirkung, denn in diesem Fall würde das Vorhaben höchstwahrscheinlich auch ohne Beihilfe durchgeführt werden.

(130)

Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Grundstücksvereinbarung eine Ad-hoc-Maßnahme war und keine im Rahmen einer genehmigten Regelung gewährte Beihilfe. Die Anreizwirkung ist jedoch ein allgemeines Vereinbarkeitskriterium im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV, dessen Erfüllung in jedem Fall zu überprüfen ist. Obwohl sich die Diputación im Zusammenhang mit dieser Maßnahme nicht auf das Vorliegen einer Anreizwirkung beruft, muss die Kommission dennoch von Amts wegen die Erfüllung dieser wesentlichen Vereinbarkeitsvoraussetzung prüfen.

(131)

Die Kommission muss berücksichtigen, dass aus den im Folgenden angeführten Gründen die Anreizwirkung im Fall der in der Grundstücksvereinbarung enthaltenen Beihilfe gegeben ist. Erstens wurde die Beihilfe zwar nicht vor ihrer Gewährung (15. Dezember 2006) angemeldet, mit der Projektausführung wurde jedoch erst nach der Gewährung der Beihilfe begonnen. Nach Auskunft der Diputación begann der Ankauf der für das Projekt erforderlichen Grundstücke, der als Beginn der Ausführung dieses Investitionsvorhaben angesehen werden kann, erst im Mai 2007, d. h. nach der Unterzeichnung der Grundstücksvereinbarung, die am 15. Dezember 2006 stattfand. Zweitens kann man die Tatsache, dass das Habidite-Projekt nach Aussetzung der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung nicht durchgeführt wurde, als Beweis dafür ansehen, dass die Beihilfe eine Anreizwirkung hatte: Ohne die Beihilfe wurde das Vorhaben nicht durchgeführt.

(132)

Nach Randnummer 4 Absatz 2 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 musste der Beihilfeempfänger auch einen finanziellen Beitrag aus Eigenmitteln in Höhe von mindestens 25 % der beihilfefähigen Ausgaben leistet. Diese Voraussetzung ist im Fall der in der Grundstücksvereinbarung enthaltenen Beihilfe offensichtlich ebenfalls erfüllt. Die von der Diputación für dieses Projekt angegebenen beihilfefähigen Ausgaben betrugen 55 Mio. EUR; davon hätte Habidite mindestens 25 %, also mindestens 13,75 Mio. EUR, aus Eigenmitteln finanzieren müssen. Die Kommission muss berücksichtigen, dass das Beihilfeelement der Grundstücksvereinbarung, so wie es in Erwägungsgrund (109) beschrieben wird, 75 % der beihilfefähigen Ausgaben, d. h. 41,25 Mio. EUR, keinesfalls übersteigen durfte, nicht einmal im hypothetischen Fall, dass sich der Gesamtbetrag der Beihilfe erheblich erhöht hätte, da akzeptiert wurde, dass die Beihilfe 28,2 Mio. EUR an tatsächlichen Kosten für die gewerbliche Erschließung der Grundstücke zzgl. 0,98 Mio. EUR (d. h. 13,41 % von insgesamt 7,3 Mio. EUR, die von der Diputación für den Erwerb der Grundstücke veranschlagt wurden) umfasste.

(133)

Gestützt auf die Erwägungsgründe (116) bis (132) muss die Kommission die Schlussfolgerung ziehen, dass die in Form der Grundstücksvereinbarung gewährte Beihilfe die Vereinbarkeitsvoraussetzungen der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 erfüllte.

(134)

Die Angaben zu den beihilfefähigen Investitionskosten, in den Erwägungsgründen (12) und (124) zeigen auch, dass das Investitionsvorhaben von Habidite im Dezember 2006 die Voraussetzungen erfüllte, um als großes Investitionsvorhaben im Sinne des Multisektoralen Rahmens 2002 zu gelten, da die beihilfefähigen Gesamtkosten des Vorhabens 50 Mio. EUR überstiegen. Folglich muss die Vereinbarkeit der in der Grundstücksvereinbarung enthaltenen Beihilfe auch unter dem Gesichtpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen des Multisektoralen Rahmens 2002 geprüft werden.

(135)

Im Dezember 2006 betrug die im Kreis Großraum Bilbao zulässige Beihilfehöchstintensität 20 % NSÄ. Im Einklang mit Randnummer 21 des Multisektoralen Rahmens 2002 und unter Berücksichtigung der in Erwägungsgrund (12) angegeben beihilfefähigen Ausgaben für das Habidite-Projekt ab 2006, hätte sich folgende Verringerung der zulässigen Beihilfehöchstintensität ergeben:

Beihilfefähige Ausgaben

Herabgesetzte Beihilfehöchstsätze

Bis 50 Mio. EUR

10 Mio. EUR (20 % – regionaler Beihilfehöchstsatz – von 50 Mio. EUR)

Zwischen 50 und 100 Mio. EUR

0,5 Mio. EUR (10 % – Hälfte des regionalen Beihilfehöchstsatzes – von 5 Mio. EUR)

100 Mio. EUR überschreitender Teilbetrag

Insgesamt

10,5 Mio. EUR

(136)

Daraus ergibt sich, dass die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe nur bis zu einem Gesamtbetrag von 10,5 Mio. EUR mit dem Binnenmarkt vereinbar gewesen wäre, der diese Grenze übersteigende Teil jedoch unvereinbar. Wie in den Erwägungsgründen (78) bis (82) und (109) festgestellt, lässt sich der in der Gründstücksvereinbarung enthaltene Beihilfebetrag aufgrund der Meinungsverschiedenheiten über die tatsächlichen Kosten, die Bizkailur aus der Erfüllung der vertraglichen Pflichten zum Kauf und zur gewerblichen Erschließung der für die Errichtung des Habidite-Werks in Alonsotegi bestimmten Grundstücke entstanden wären, nicht exakt beziffern; die Kommission sieht sich außerstande, in diesem Rechtsstreit einen korrekten endgültigen Standpunkt zu beziehen.

(137)

Das erste Beihilfeelement entspricht einem Anteil von 13,21 % an den von Bizkailur beim Kauf der Grundstücke getragenen tatsächlichen Kosten. Die Diputación erklärt, diese tatsächlichen Kosten hätten insgesamt 7,3 Mio. EUR betragen, Habidite hingegen ist der Ansicht, dieser Betrag sei zu hoch angesetzt. Es wird auch festgestellt, dass nach den Angaben der Diputación selbst (vgl. Erwägungsgrund (12)) die Kosten für den Kauf der Grundstücke zu einem bestimmten Zeitpunkt mit 4,8 Mio. EUR veranschlagt wurden. Schließlich betrugen im November 2008 die für den Kauf der Grundstücke veranschlagten Kosten laut dem mit dem Regionalbeihilfeantrag 2008 eingereichten Geschäftsplan von Habidite 5,5 Mio. EUR.

(138)

In Bezug auf das zweite Beihilfeelement, d. h. die gesamten von Bizkailur im Zusammenhang mit der gewerblichen Erschließung der betreffenden Grundstücke getragenen tatsächlichen Kosten, veranschlagte die Diputación im März 2009 einen Betrag von 28,5 Mio. EUR, obwohl sie auch angab, zu einem bestimmten Zeitpunkt seien diese Kosten auf nur 4,04 Mio. EUR geschätzt worden (vgl. Erwägungsgrund (12)).

(139)

Anhand der vorliegenden Informationen kann nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe den für dieses Vorhaben zulässigen Betrag von 10,5 Mio. EUR überschritten hätte.

(140)

Randnummer 24 des Multisektoralen Rahmens 2002 sieht zusätzliche Vereinbarkeitsvoraussetzungen für Beihilfen vor, deren Betrag die für eine Investition von 100 Mio. EUR im selben Fördergebiet zulässige Höchstbeihilfe übersteigt. Im vorliegenden Fall betrug im Dezember 2006 aufgrund von Randnummer 21 des Multisektoralen Rahmens 2002 die zulässige Höchstbeihilfe für eine Investition von 100 Mio. EUR im Kreis Großraum Bilbao 15 Mio. EUR (10 Mio. EUR, d. h. 20 % für die ersten 50 Mio. EUR, plus 5 Mio. EUR, d. h., 10 % für die zweiten 50 Mio. EUR).

(141)

Wie bereits in den Erwägungsgründen (78) bis (82) erläutert, lässt sich anhand der vorliegenden Informationen der Gesamtbetrag der in der Grundstücksvereinbarung enthaltenen Beihilfe nicht genau quantifizieren. Die Kommission kann jedoch nicht ausschließen, dass der Beihilfebetrag die Höchstgrenze von 15 Mio. EUR überstiegen hätte. Unter diesen Umständen hat die Kommission geprüft, ob im Fall der Grundstücksvereinbarung die beiden zusätzlichen Voraussetzungen für die Genehmigung dieser Beihilfe erfüllt wurden.

(142)

Die erste Voraussetzung ist, dass der Beihilfeempfänger weder vor noch nach der Investition mehr als 25 % des Umsatzes des betreffenden Produkts gewährleisten konnte bzw. kann. Die zweite Voraussetzung ist, dass die durch das Investitionsvorhaben geschaffene Produktionskapazität nicht mehr als 5 % des betreffenden Marktes beträgt. Nach Randnummer 24 der Multisektoralen Richtlinien 2002 obliegt die Beweislast dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, beim betreffenden Mitgliedstaat. Im vorliegenden Fall hat Spanien keine Informationen übermittelt, die es der Kommission erlauben, die Erfüllung dieser beiden zusätzlichen Voraussetzungen zu überprüfen.

(143)

Anhand der Marktpreisschätzungen, die Habidite im November 2008 für den Erhalt der Regionalbeihilfe 2008 (vgl. Erwägungsgrund (87)) übermittelte, berechnete aber das Unternehmen, dass sein Anteil am allgemeinen spanischen Wohnbaumarkt (freier Markt und Marktsegment Sozialwohnungen) im Jahr 2011, also einschließlich. der durch dieses Investitionsvorhaben geschaffenen neuen Kapazität, [0,1-1,0] % betragen und ab dem Jahr 2012 auf [0,5-1,5] % ansteigen werde. Wenn man nur den baskischen Markt betrachtet, würde der Anteil von Habidite im Jahr 2011 im Marktsegment der frei verkäuflichen Wohnungen [0,1-1,0] betragen, mit der Tendenz ab 2014 auf [2,0-3,0]% anzusteigen.

(144)

Vor dem Hintergrund dieser Schätzungen, die von keinen anderen der Kommission vorliegenden Informationen in Frage gestellt werden, kann angenommen werden, dass Habidite im Dezember 2006 die in Randnummer 24 des Multisektoralen Rahmens 2002 vorgesehenen Marktanteil- und Kapazitätsgrenzen in Bezug auf die durch die Grundstücksvereinbarung geförderte Investition nicht überschritten hat.

(145)

Demnach hätte jener Teil der in der Grundstücksvereinbarung enthaltenen Beihilfe, der den zulässigen Höchstbetrag von 10,5 Mio. EUR nicht überschreitet, auch die Vereinbarkeitsbedingungen des Multisektoralen Rahmens 2002 erfüllt. Hingegen wäre jener Teilbetrag der Beihilfe, der ggf. diese Höchstbetrag überschritten hätte, nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gewesen, da er weder die Vereinbarkeitsbedingungen der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 noch die des Multisektoralen Rahmens 2002 erfüllte.

(146)

Da die Beihilfe nicht zur Auszahlung gelangte und keine Rückforderung erforderlich ist, sind diese Schlussfolgerungen über die Vereinbarkeit der in der Grundstücksvereinbarung enthaltenen Beihilfe für die Zwecke dieses Beschlusses ausreichend.

(147)

Die Kommission macht die zuständigen spanischen Behörden darauf aufmerksam, dass die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe zu berücksichtigen ist, um die Einhaltung der Kumulierungsregeln in Bezug auf die von der Regierung des Baskenlandes gewährten Regionalbeihilfen 2008 für dasselbe Vorhaben zu prüfen. Das ist insbesondere erforderlich, wenn man bedenkt, dass sowohl die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe als auch die Regionalbeihilfe 2008 die beihilfefähigen Ausgaben in Zusammenhang mit dem Erwerb und der Erschließung derselben Grundstücke abdeckten. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Ausführung dieses Investitionsvorhabens im Mai 2007 begann, der Regionalbeihilfeantrag 2008 jedoch erst im Jahr 2008 gestellt wurde.

(148)

Wie in den Erwägungsgründen (93) bis (107) ausgeführt, verringert die in der Wohnungsvereinbarung enthaltene Beihilfe die mit der Erstinvestition verbundenen Risiken, da sie die Abnahme eines wesentlichen Teils der Erstproduktion des neuen Werks gewährleistet; und sie gewährt Habidite auch dadurch einen Vorteil gegenüber anderen Mitbewerbern, dass sie ohne öffentliche Ausschreibung einen Auftrag für die Lieferung von 1 500 zum Verkauf als preisgeregelte Wohnungen bestimmten Wohnungen an die Behörden garantiert. Die in der Wohnungsbeihilfe enthaltene Beihilfe wurde definiert als der Gewinn, den Habidite aus dem Verkauf der 1 500 Wohnungen an die Diputación und Bizkailur erzielt hätte, nämlich die Differenz zwischen dem Verkaufspreis der Wohnungen und den von Habidite für deren Herstellung getragenen Selbstkosten.

(149)

Nach den Regionalbeihilfeleitlinien 1998 sind Regionalbeihilfen an die beihilfefähigen Kosten gebunden. Zwar schränkt Randnummer 4 Absatz 2 der Regionalbeihilfenrichtlinie 1998 die Form, in der die Beihilfen gewährt werden können, nicht ein, aus Randnummer 4 Absatz 5 und dem gesamten Inhalt der Regionalbeihilferichtlinien geht jedoch hervor, dass Investitionsbeihilfen für die beihilfefähigen Investitionskosten zu verwenden sind. Nach Randnummer 4 Absatz 5 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 können bei der Bemessung von Regionalbeihilfen nur die Anschaffungskosten von Investitionsbestandteilen wie Grundstücken, Gebäuden und Anlagen bzw. Maschinen berücksichtigt werden. Gemäß Randnummer 4 Absatz 6 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 können Regionalbeihilfen auch zur Förderung anderer Kosten, etwa für den Erwerb von Patenten, Betriebslizenzen und technischen Kenntnissen verwendet werden.

(150)

Aufgrund ihrer Merkmale dient die Beihilfe aus der Wohnungsvereinbarung jedoch nicht diesen beihilfefähigen Ausgaben, sondern der Senkung der laufenden Betriebsausgaben des Beihilfeempfängers. Nach Randnummer 4 Absatz 15 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 sind Betriebsbeihilfen grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise in Fördergebieten im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a AEUV zulässig Das Habidite-Projekt sollte jedoch in einem Fördergebiet im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c und nicht im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a durchgeführt werden.

(151)

Daher muss die Kommission die Schlussfolgerung ziehen, dass es sich bei der in der Wohnungsvereinbarung enthaltenen Beihilfe um eine Betriebsbeihilfe handelte, die nach Randnummer 4 Absatz 15 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gewesen wäre.

VIII.   SCHLUSSFOLGERUNG

(152)

Vor dem Hintergrund der Erwägungsgründe (63) bis (151) und unbeschadet weiterer Schlussfolgerungen zur Vereinbarkeit mit den europäischen Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe muss die Kommission den Schluss ziehen, dass die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV beinhalten.

(153)

Im Fall der Grundstücksvereinbarung besteht die Beihilfe aus zwei Elementen:

a)

Den nicht erhobenen Zinsen für ein Darlehen in Höhe des Gesamtbetrages der von Bizkailur beim Erwerb des Grundstücks für das Habidite-Projekt getragenen Kosten, das zinsenfrei mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einer rückzahlungsfreien Zeit von vier Jahren gewährt worden wäre. Diese nicht erhobenen Zinsen entsprechen einem NSÄ von 13,41 % der von Bizkailur aufgrund von Teil II Artikel 1 Ziffer ii der Grundstücksvereinbarung getragenen Anschaffungskosten der Baugründe.

b)

Den von Bizkailur zu tragenden Gesamtkosten der gewerblichen Erschließung der Bauparzelle mit einer Flache von mindestens 101 403 m2, wie in Teil II Artikel 1 Ziffer iii der Grundstücksvereinbarung vorgesehen.

(154)

Im Fall der Wohnungsvereinbarung besteht das Beihilfeelement aus dem Gewinn, den Habidite und Grupo Afer aus dem Verkauf der 1 500 von der Diputación und Bizkailur in Auftrag gegebenen Wohnungen erzielt hätten, d. h. aus der Differenz zwischen dem Verkaufspreis der Wohnungen aufgrund der Wohnungsvereinbarung und den Kosten, die ihre Errichtung Habidite verursacht hätte.

(155)

Die verfügbaren Informationen reichen nicht aus, um die in der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung enthaltenen Beihilfebeträge genau zu beziffern. Die Quantifizierung der Beihilfe ist für die Zwecke dieses Beschlusses jedoch nicht erforderlich, da die Beihilfe nicht ausgezahlt wurde und daher nicht zurückgefordert werden muss.

(156)

Des Weiteren muss die Kommission ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung eine rechtswidrige Beihilfe enthalten. Die in beiden Vereinbarungen enthaltene Beihilfe wurde am 15. Dezember 2006 unter Verletzung der im EG-Vertrag vorgesehenen Anmeldepflicht gewährt. Im Licht der Entscheidung in der Rechtssache CELF/SIDE  (56), bewirkt die nachträgliche Anmeldung der beiden Vereinbarungen und die abschließende Feststellung der teilweisen Vereinbarkeit der in der Grundstücksvereinbarung enthaltenen Beihilfe bis zum zulässigen Betrag von 10,5 Mio. EUR nicht die Heilung des rechtswidrigen Charakters der Beihilfe. Die Kommission fordert Spanien auf, alle notwendigen rechtlichen Konsequenzen aus dem rechtswidrigen Charakter der in der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung enthaltenen Beihilfe zu ziehen.

(157)

Die Beihilfe aus der Grundstücksvereinbarung ist nach den Regionalbeihilfeleitlinien 1998 und dem Multisektoralen Rahmen 2002 bis zu dem genehmigten Betrag von 10,5 Mio. EUR mit dem Binnenmarkt vereinbar. Der Teil der nach Grundstücksvereinbarung gewährten Beihilfe, welcher ggf. diesen zulässigen Betrag überschreitet, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

(158)

Die durch die Wohnungsvereinbarung gewährte Beihilfe stellt eine Betriebsbeihilfe dar, die nach Randnummer 4 Absatz 15 der Regionalbeihilfeleitlinien 1998 zur Gänze mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist.

(159)

Die Schlussfolgerungen dieses Beschlusses über das Vorliegen einer Beihilfe in der Grundstücksvereinbarung sind für die im Jahr 2008 von der Regierung des Baskenlandes für dasselbe Investitionsvorhaben gewährten Beihilfen mit regionaler Zielsetzung von Bedeutung. Die Kommission stellt fest, dass mit der Ausführung dieses Investitionsvorhabens im Mai 2007, also vor Beantragung der Regionalbeihilfe 2008 begonnen wurde.

(160)

Die Empfänger der durch die Grundstücks- und die Wohnungsvereinbarung gewährten Beihilfe sind die Habidite Technologies País Vasco S.A. und Grupo Afer, die beide Vertragsparteien der Grundstücks- und der Wohnungsvereinbarung sowie miteinander verbundene Unternehmen im Sinne von Artikel 3 Absätze 2 und 3 des Anhangs der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (57) sind –

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die zwei vom Königreich Spanien am 15. April 2009 angemeldeten Vereinbarungen, die am 15. Dezember 2006 zwischen der Diputación Foral de Bizkaia und Bizkailur S.A. einerseits sowie Habidite Technologies País Vasco S.A. und Grupo Afer andererseits unterzeichnet wurden, enthalten eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV.

Artikel 2

Die in den angemeldeten Vereinbarungen enthaltene Beihilfe ist rechtswidrig, da sie unter Verletzung der Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV gewährt wurde.

Artikel 3

Die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe besteht aus:

a)

Den von der Diputación und Bizkailur nicht erhobenen Zinsen für ein Darlehen in Höhe des Gesamtbetrages der beim Erwerb des Grundstücks getragenen Kosten, das nach einer rückzahlungsfreien Zeit von vier Jahren in vier gleichen Raten zu je 25 % ohne Zinsen zurückzuzahlen wäre. Das NSÄ eines zinslosen Darlehens, wie dem vorliegenden, hätte 13,41 % der von Bizkailur beim Erwerb des Grundstücks für das Projekt nach Teil II Artikel 1 Ziffer ii der Grundstücksvereinbarung getragen tatsächlichen Kosten betragen.

b)

Den tatsächlichen Gesamtkosten, die Bizkailur für die gewerbliche Erschließung der Grundstücke mit einer Fläche von mindestens 101 430 m2, die für das Projekt erworben werden sollten, entstanden wären, wie in Teil II Artikel 1 Ziffer iii der Grundstücksvereinbarung vorgesehen.

Artikel 4

Die in der Wohnungsvereinbarung enthaltene Beihilfe besteht aus dem Gewinn, den Habidite und Grupo Afer aus dem Verkauf der 1 500 von der Diputación Foral de Bizkaia und Bizkailur S.A. in Anwendung dieser Vereinbarung in Auftrag gegeben Wohnungen erzielt hätten. Dieser Gewinn besteht aus der Differenz zwischen dem Preis, den Habidite von Bizkailur nach Artikel A Buchstabe e der Wohnungsvereinbarung erhalten hätte, und den Selbstkosten von Habidite für die Errichtung der 1 500 Wohnungen.

Artikel 5

Die in der Grundstücksvereinbarung enthaltene Beihilfe ist nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 1998 und dem Multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben 2002 bis zu dem genehmigungsfähigen Betrag von 10,5 Mio. EUR mit dem Binnenmarkt vereinbar. Die Beihilfe, die diese Höchstgrenze überschreitet, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Artikel 6

Die in der Wohnungsvereinbarung enthaltene Beihilfe ist nach Randnummer 4 Absatz 15 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 1998 mit dem Binnenmarkt unvereinbar, da es sich um eine Betriebsbeihilfe handelt.

Artikel 7

Diese Entscheidung ist an das Königreich Spanien gerichtet.

Brüssel, den 27. Juni 2012

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag die Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag und die Artikel 107 und 108 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieses Beschlusses sind Bezugnahmen auf die Artikel 107 und 108 AEUV als Bezugnahmen auf die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist.

(2)  Beschluss der Kommission K(2009) 9310 endgültig vom 2. Dezember 2009 (ABl. C 61 vom 12.3.2010, S. 6).

(3)  Vgl. Fußnote 2.

(4)  Vgl. Fußnote 2.

(5)  Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).

(6)  http://www.azpiegiturak.bizkaia.net/index.php?option=com_content&task=view&id=140&Itemid=185.

(7)  Vgl. http://www.grupoafer.com/.

(8)  Ausgenommen ist hier die neu gegründete Habidite Technologies Alonsotegi S.A., in Bezug auf welche die angemeldeten Vereinbarungen geschlossen wurden.

(9)  Geschäftsgeheimnis.

(10)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(11)  Vgl. die Entscheidung der Kommission vom 17.5.2000 in der Beihilfesache N 773/99, Genehmigung der nationalen Fördergebietskarte 2000-2006: Spanien. Diese Entscheidung kann konsultiert werden auf: http://ec.europa.eu/eu_law/state_aids/comp-1999/n773-99.pdf.

(12)  Laut dem (nicht datierten) Geschäftsplan von Habidite, der zum Zeitpunkt des Abschlusses der angemeldeten Vereinbarungen zur Verfügung stand, wurden insgesamt 56 Patente in Zusammenhang mit diesem Erzeugnis angemeldet. Die Beteiligten haben nicht angegeben, ob diese auch eingetragen wurden. Für weitere Informationen zu den Merkmalen der Habidite-Module vgl. die Website von Habidite: http://www.habidite.com/descripcion.html.

(13)  Amtsblatt des Baskenlandes BOPV Nr. 2006/138, S. 15396.

(14)  BOPV Nr. 2004/160, S. 15872

(15)  Amts- und Gesetzblatt Spaniens BOE (Boletín Oficial del Estado) Nr. 80 vom 3.4.1985, S. 8945.

(16)  Nach Angaben, welche die Diputación am 23. September 2009, also vor Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens, übermittelte.

(17)  Vgl. Fußnote 2.

(18)  Vgl. die verbundenen Rechtssachen T-116/01 und T-118/01, P&O European Ferries (Vizcaya) und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission, Slg. 2003, II-2957.

(19)  ABl. C 54 vom 4.3.2006, S. 13.

(20)  ABl. L 214 vom 9.8.2008, S. 3.

(21)  ABl. C 83 vom 7.4.2009, S. 1 (konsolidierte Fassung).

(22)  Bekannt gemacht im Amtsblatt des Baskenlandes Nr. 194 vom 8.10.2007.

(23)  Rechtsache C-379/98, PreussenElektra, Slg. 2001, I-02099.

(24)  BOE Nr. 96 vom 22.4.1986.

(25)  ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114.

(26)  ABl. C 239 vom 25.8.2001, S. 9.

(27)  Vgl. www.behargintza.net/home2/Bizkaiamedia/Contenido_Noticia.asp?TNo_Codigo=0&Not-Codigo=1196&Tem_Codigo=7&Texto=plan%foral%20vivienda.

(28)  Nach Angaben von Habidite, gestützt auf vom spanischen Infrastrukturministerium veröffentlichte Zahlen, siehe bei www.fomento.gob.es/BE2/sedal/35101000.XLS.

(29)  ABl. C 54 vom 4.3.2006, S. 13.

(30)  Sache MF 12/2009, Habidite – Spanien, zum Zeitpunkt dieses Beschlusses noch anhängig.

(31)  Vgl. z. B. die Entscheidung der Kommission in der Beihilfensache C 19/2006 Javor Pivka Lesna Industrija d.d., (ABl. L 29 vom 2.2.2008, S. 16).

(32)  Vgl. Fußnote 18.

(33)  Vgl. Fußnote 18.

(34)  Vgl. Fußnote 30.

(35)  Rechtssache C-199/06, CELF/SIDE, Slg. 2008, I-469.

(36)  ABl. C 119 vom 22.5.2002, S. 22.

(37)  Vgl. Fußnote 18.

(38)  Vgl. z. B. die Rechtsachen C-278/00 Griechenland/Kommission, Slg. 2004, I-3997, Randnr. 50; C-482/99 Frankreich/Kommission, Slg. 2002, I-4397; und die verbundenen Rechtsachen C-328/99 und C-399/00, Italien/Kommission (SIM 2 Multimedia), Slg. 2003, I-4035, Randnr. 33.

(39)  Vgl. http://www.azpiegiturak.bizkaia.net/index.php?%20option%20=%20com_content%20&%20task%20=%20view%20&%20id%20=%20397%20&%20Itemid%20=%20492.

(40)  Rechtsache C-482/99, Frankreich/Kommission, Slg. 2002, I-4397.

(41)  http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/reference_rates.html.

(42)  ABl. C 273 vom 9.9.1997, S. 3.

(43)  Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 140 vom 30.4.2004, S. 1). Die Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze wird tatsächlich erst 2008 durch die Einführung der Zuschläge/Margen, die abhängig vom Rating des Kreditnehmers und der Besicherung auf den Referenzzinssatz aufgeschlagen werden sollen, geändert. – Vgl. die Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (ABl C 14 vom 19.1.2008, S. 6).

(44)  Vgl. z. B. die Rechtssachen 730/79 Philip Morris Holland/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 11; und C-259/85, Frankreich/Kommission, Slg. 1987,4393, Randnr. 24.

(45)  Vgl. z. B. die Rechtssachen C-102/87, Frankreich/Kommission (SEB), Slg. 1988, 4067, und C-310/99, Italien/Kommission, Slg. 2002, I-289, Randnummer 85.

(46)  ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114.

(47)  Vgl. Erwägungsgrund (32) des Eröffnungsbeschlusses.

(48)  Vgl. http://legislacion.derecho.com/acuerdo-11-junio-2009-tribunal-vasco-de-cuentas-publicas-2231134.

(49)  Vgl. die verbundenen Rechtssachen T-116/01 und T-118/01, P&O European Ferries (Vizcaya), SA und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission, Slg. 2003, II-2957, insbesondere Randnrn. 109 bis 139 Das Urteil wurde in dieser Hinsicht durch die Entscheidung des Gerichtshofs im Rechtsmittelverfahren vom 1. Juni 2006 bestätigt.

(50)  Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise (ABl. C 83 vom 7.4.2009, S. 1).

(51)  ABl. C 54 vom 4.3.2006, S. 13.

(52)  Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (ABl. L 214 vom 9.8.2008, S. 3).

(53)  Vgl. die Entscheidung der Kommission vom 17.5.2000 in der Beihilfesache N 773/99, Genehmigung der nationalen Fördergebietskarte 2000-2006: Spanien. Diese Entscheidung kann konsultiert werden auf: http://ec.europa.eu/eu_law/state_aids/comp-1999/n773-99.pdf.

(54)  ABl. C 74 vom 10.3.1998, S. 9.

(55)  ABl. C 70 vom 19.3.2002, S. 8.

(56)  Vgl. Fußnote 33.

(57)  ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36.


30.4.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 119/30


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 25. Juli 2012

über die staatliche Beihilfe SA.29064 (11/C, ex 11/NN) — Differenzierte Fluggaststeuersätze in Irland

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2012) 5037)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2013/199/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a desselben,

nachdem die Beteiligten entsprechend diesen Bestimmungen zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurden (1) und gestützt auf diese Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Im Jahr 2009 erhielt die Kommission eine Beihilfebeschwerde von einer Luftfahrtgesellschaft (im Folgenden „der Beschwerdeführer“) betreffend mehrere Aspekte einer von Irland eingeführten Fluggaststeuer, die einen separaten Steuersatz für Flüge zu Zielen beinhaltete, die maximal 300 km vom Flughafen Dublin entfernt lagen, wodurch Aer Arann mutmaßlich begünstigt wurde.

(2)

Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 teilte die Kommission Irland ihren Beschluss mit, wegen der unterschiedlichen Sätze der irischen Fluggaststeuer das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV zu eröffnen. Die Kommission forderte Irland auf, den Begünstigten eine Kopie des Beschlusses zu übermitteln.

(3)

Am 9. August 2011 und am 5. September 2011 wandte sich die Luftfahrtgesellschaft Ryanair Ltd. (im Folgenden „Ryanair“) bezüglich des Beschlusses der Kommission zur Verfahrenseröffnung schriftlich an die Kommission. Die Kommission beantwortete diese Schreiben am 5. Oktober 2011. Am 17. Oktober 2011 übermittelte Ryanair erneut eine Stellungnahme.

(4)

Nach einer Verlängerung der Antwortfrist übermittelte Irland am 15. September 2011 seine Bemerkungen zum Beschluss der Kommission.

(5)

Am 18. Oktober 2011 wurde der Beschluss der Kommission zur Eröffnung des Verfahrens im Amtsblatt der Europäischen Union  (2) veröffentlicht. Die Kommission forderte die Beteiligten auf, ihre Stellungnahme zu der Maßnahme abzugeben.

(6)

Am 17. November 2011 kam Ryanair dieser Aufforderung nach. Mit Schreiben vom 28. November 2011 erkundigte sich die Kommission, ob das Vorbringen von Ryanair vertrauliche Angaben enthalte, die gegenüber den irischen Behörden nicht offengelegt werden dürfen. Am 30. November 2011 bestätigte Ryanair schriftlich, dass das Vorbringen vom 17. November 2011 an Irland weitergeleitet werden dürfe.

(7)

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 leitete die Kommission die Stellungnahme von Ryanair an Irland weiter, dessen Antwort darauf am 13. Januar 2012 erfolgte.

2.   BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

(8)

Am 30. März 2009 meldete Irland eine Verbrauchsteuer für den Personenluftverkehr an. Die nationale Rechtsgrundlage der Steuer ist Abschnitt 55 des Finanzgesetzes (Nr. 2) von 2008 (Finance (No. 2) Act 2008), dem zufolge eine Verbrauchssteuer unter der Bezeichnung „air travel tax“ (Fluggaststeuer) eingeführt wird, die die Luftfahrtgesellschaften „bei jedem Abflug eines Fluggastes mit einem Flugzeug von einem [in Irland befindlichen] Flughafen“ [„every departure of a passenger on an aircraft from an airport“ located in Irland] (3) abführen müssen. Die Steuer wird fällig, wenn ein Fluggast von einem Flughafen mit einem Flugzeug abfliegt, das mehr als 20 Fluggäste befördern kann und nicht für staatliche oder militärische Zwecke genutzt wird. Obgleich die Steuer letztlich über den Ticketpreis auf die Fluggäste abgewälzt werden soll, sind es die Luftfahrtgesellschaften, die sie erheben und abführen müssen. (4)

(9)

Zum Zeitpunkt der Einführung der Steuer wurde diese auf der Grundlage der Entfernung zwischen dem Startflughafen und dem Zielflughafen berechnet und betrug i) 2 EUR für Reisen zu Zielflughäfen, die maximal 300 km vom Flughafen Dublin entfernt lagen, und ii) 10 EUR in allen anderen Fällen.

(10)

Nachdem die Kommission geprüft hatte, ob möglicherweise eine Verletzung der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (5) und von Artikel 56 des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr vorlag, wurden die Steuersätze ab 1. März 2011 zu einer einheitlichen, entfernungsunabhängigen Steuer von 3 EUR auf alle Flüge zusammengefasst. (6)

3.   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

(11)

Die Kommission leitete das förmliche Verfahren für die Prüfung des niedrigeren Steuersatzes für bestimmte Flugrouten im Zeitraum 30. März 2009 bis 1. März 2011 ein, weil sie der Ansicht war, dass er eine staatliche Beihilfe darzustellen schien, über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt Zweifel bestanden.

(12)

Im Rahmen der Beurteilung der Maßnahme auf ihre Selektivität ermittelte die Kommission zunächst im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (7) das maßgebliche steuerliche Referenzsystem und prüfte anschließend, ob die Maßnahme eine Abweichung von diesem System darstellte und ob Irland gegebenenfalls nachweisen konnte, dass eine etwaige Abweichung der Logik und dem Wesen des Steuersystems entsprach.

(13)

Sie gelangte zu dem Schluss, dass die Besteuerung von Fluggästen, die von einem in Irland befindlichen Flughafen abfliegen, als Referenzsystem heranzuziehen ist.

(14)

Der Kommission fiel auf, dass bei dem Fluggaststeuersystem neben einem allgemeinen bzw. normalen und auf nahezu alle Flüge anwendbaren Steuersatz ein reduzierter Steuersatz für Flüge zu Zielen, die maximal 300 km vom Flughafen Dublin entfernt lagen, vorgesehen war. Sie kam zu dem Schluss, dass der normale Steuersatz das Referenzsystem ist. Der reduzierte Steuersatz, der nur auf eine eng begrenzte Kategorie von Flügen anwendbar war, schien dagegen eine Ausnahme von diesem Referenzsystem darzustellen.

(15)

Die Kommission zweifelte daran, dass dieser reduzierte Steuersatz auf der Grundlage der Entfernung zwischen Start- und Zielflughafen gerechtfertigt war.

(16)

Erstens orientierte er sich nicht an der tatsächlichen Länge der Flugreise, sondern an der Entfernung zwischen Flughafen Dublin und Zielflughafen.

(17)

Zweitens schien die Steuer ihrem Aufbau und ihrer objektiven Beschaffenheit nach nicht mit der Flugentfernung in Zusammenhang zu stehen, sondern mit der Tatsache, dass von einem irischen Flughafen aus geflogen wird. Die Verbindung mit der Finanzbehörde, der Steuertatbestand (Abflug von einem irischen Flughafen) und die negativen externen Effekte für die irische Gesellschaft (Lärm und Umweltverschmutzung) waren exakt dieselben für alle von einem irischen Flughafen aus abfliegenden Fluggäste – unabhängig vom Flugziel und der zurückgelegten Entfernung. Die betroffenen Luftfahrtgesellschaften befanden sich diesbezüglich in derselben rechtlichen und faktischen Situation.

(18)

Drittens war das Steuersystem nicht dadurch charakterisiert, dass die Höhe der Steuer anhand der Flugentfernung festgelegt wurde, sondern es enthielt nur zwei Steuersätze: einen für Kurzstreckenflüge und einen für alle übrigen Flüge. Bei der Anlegung dieses Maßstabs schienen Flüge innerhalb Irlands und in bestimmte westliche Teile des Vereinigten Königreichs im Vorteil zu sein und folglich schien eine Diskriminierung zwischen Inlandsflügen und Flügen innerhalb der Union vorzuliegen. Im vorliegenden Fall argumentierte Irland damit, dass höhere Abgaben auf Ziele, für die der niedrigere Satz galt, im Vergleich zum Preis nicht verhältnismäßig seien. Die Kommission stellte fest, dass der Ticketpreis für inländische Ziele nicht notwendigerweise niedriger ausfällt als der Preis für Flüge zu anderen Zielen in der Union. Der niedrigere Steuersatz schien daher nicht logisch bzw. durch die Beschaffenheit des Fluggaststeuersystems gerechtfertigt werden zu können und daher eine selektive Maßnahme darzustellen.

(19)

Da auch alle anderen Kriterien des Artikels 107 Absatz 1 AEUV erfüllt zu sein schienen, schien die Maßnahme eine staatliche Beihilfe für die Luftfahrtgesellschaften darzustellen, die die Flugrouten betrieben hatten, die in den Genuss des reduzierten Satzes kamen.

(20)

Die Beihilfe schien nicht in den Anwendungsbereich von Leitlinien der Kommission für die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt zu fallen. Da es sich um eine Betriebsbeihilfe zu handeln schien, bei der eine Diskriminierung zwischen Flügen innerhalb der Europäischen Union vorlag, konnte diese nicht als unmittelbar mit Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV vereinbar angesehen werden. Auch fiel die Beihilfe nicht unter eine der anderen in Artikel 107 Absatz 2 oder 3 AEUV genannten Ausnahmen.

(21)

Folglich zweifelte die Kommission an der Vereinbarkeit der Fördermaßnahme mit dem Binnenmarkt und entschied sich daher zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, (8) in dessen Rahmen Irland und andere Beteiligte aufgefordert wurden, ihre Stellungnahme abzugeben.

4.   STELLUNGNAHMEN DER BETEILIGTEN

(22)

Als Antwort auf die Bekanntmachung im Amtsblatt  (9) erhielt die Kommission Stellungnahmen von Irland und von Ryanair.

4.1.   Stellungnahme Irlands

4.1.1.   Bei der Steuer handelt es sich um eine Abgabe für Verbraucher

(23)

Irland gibt an, dass es sich bei der Fluggaststeuer von der Art der Steuer her im Wesentlichen um eine Steuer handele, die die Kunden zu entrichten hätten. Um die Anwendung zu erleichtern, verpflichteten die irischen Behörden jede Luftverkehrsgesellschaft, den entsprechenden Betrag für jeden von einem irischen Flughafen mit einer Maschine dieser Luftverkehrsgesellschaft abreisenden Fluggast an das Finanzamt zu entrichten. Die Luftfahrtgesellschaften wiederum dürften jedoch die Steuer auf ihre Fluggäste abwälzen.

(24)

Des Weiteren sei die Fluggaststeuer normalerweise beim Ticketpreis und/oder in den Vertragsbedingungen der Luftfahrtgesellschaften zusammen mit anderen Steuern und Abgaben als solche aufgeführt. Daher stelle die Steuer keinen Vorteil für bestimmte Luftfahrtgesellschaften dar, weil sie lediglich eine weitere Steuer oder Abgabe sei, die tatsächlich vom Verbraucher erhoben werde.

4.1.2.   Fehlen eines Vorteils für bestimmte Luftfahrtunternehmen

(25)

Nach Ansicht Irlands ist die Erzielung eines Vorteils durch bestimmte Luftfahrtunternehmen eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Fluggaststeuer in den Anwendungsbereich von Artikel 107 Absatz 1 AEUV fällt. Wenn es sich bei der Fluggaststeuer im Wesentlichen um eine Verbrauchssteuer handelt, kann sie laut Irland unabhängig davon, ob sie nun 10 EUR oder 2 EUR beträgt, schwerlich als Vorteil für bestimmte Luftfahrtunternehmen angesehen werden.

(26)

Dass alle Luftfahrtunternehmen, unabhängig davon, ob sie nun 10 EUR oder 2 EUR Steuern erheben müssen, gleich zu behandeln seien, stehe nicht zur Debatte. Die Frage sei, ob die Luftfahrtunternehmen, die nur die 2-EUR-Steuer erheben müssten, dadurch im Vorteil seien. Nach Ansicht Irlands könnte die Fluggastesteuer höchstens dann eine Beihilfe darstellen, wenn die Luftfahrtgesellschaften, die Flugrouten zu maximal 300 km vom Flughafen Dublin entfernten Zielen betreiben, die Fluggaststeuer in Höhe von EUR 10 erheben müssten, aber die Differenz zwischen dem 10-EUR-Satz und dem 2-EUR-Satz einbehalten dürften. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. In dieser Hinsicht muss betont werden, dass Irland bei der Ausgestaltung der in Rede stehenden Steuer kein bestimmtes Luftverkehrsunternehmen oder Geschäftsmodell vor Augen hatte.

4.1.3.   Keine Vorteile für die irischen Luftfahrtgesellschaften

(27)

Zunächst ist anzumerken, dass Irland keine nationalen Fluggesellschaften per se mehr hat, da der Staat seine Beteiligung an Aer Lingus, ursprünglich die staatliche Fluggesellschaft, in eine Minderheitsbeteiligung umgewandelt hat.

(28)

Wenn die Steuer Auswirkungen auf irische Luftfahrtgesellschaften hätte, wären diese für die einzelnen Unternehmen sehr unterschiedlich. Irland führt an, dass die Flugrouten innerhalb der EU, für die der höhere Satz von 10 EUR galt, im Wesentlichen von denselben irischen Fluggesellschaften bedient worden seien. Im relevanten Zeitraum hielten die drei Luftfahrtgesellschaften etwa [93-97] (10) % des Markts für Flüge, für die der niedrigere Satz galt, aber sie dominierten auch den Markt für Flugreisen innerhalb der Union mit [82-87] (10) % all dieser Flüge.

(29)

Irland führt insbesondere an, dass jegliche von Ryanair geltend gemachten Nachteile eindeutig unhaltbar seien, weil Ryanair ca. [56-63] (10) % aller Fluggäste auf Routen befördert habe, für die der niedrigere Satz gelte (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1

Marktanteile irischer Fluggesellschaften, die von irischen Flughäfen abfliegen

Marktanteile

 

Maximal 300 km

Über 300 km (11)

Ryanair

[56-63] (*) %

[42-47] (*) %

Aer Lingus

[16-23] (*) %

[35-40] (*) %

Aer Arann

[10-17] (*) %

[0.5-2.5] (*) %

GESAMT

[93-97] (*) %

[82-85] (*) %

Quelle:

Von Irland auf der Grundlage der Angaben der drei irischen Fluggesellschaften bereitgestellte Daten sowie Daten des irischen Amts für Statistik (Central Statistics Office).

(30)

Aus Tabelle 1 geht hervor, dass Aer Lingus als einzige Fluggesellschaft, die aufgrund der staatlichen Minderheitenbeteiligung als staatliche Fluglinie eingestuft werden könnte, einen wesentlich größeren Anteil an Flügen, auf die der höhere Satz anwendbar war, zu bedienen hatte ([35-40] (*) %), als Flüge, für die der niedrigere Satz galt ([16-23] (*) %). Daher wäre Aer Lingus, wenn der niedrigere Steuersatz eine Auswirkung auf Fluggesellschaften gehabt hätte, deutlich benachteiligt gewesen.

(31)

Was Aer Arann anbelangt, die laut dem Beschwerdeführer ebenfalls einen Vorteil aus der mutmaßlichen Beihilfe gezogen haben soll, gibt Irland an, dass die Fluggesellschaft zwischen 2007 und 2010 einen deutlich geringeren Umsatz und signifikant weniger Fluggäste zu verzeichnen hatte. Nach Einführung der Steuer verbuchte Aer Arann Verluste von 18 Mio. EUR. Es sieht daher so aus, als sei die Fluggesellschaft vor Einführung der Steuer am profitabelsten gewesen. Irland führt ferner an, dass es nur eine einzige inländische Flugroute gebe, auf der der Beschwerdeführer und Aer Arann miteinander konkurrierten, und dass auf dieser Route nahezu [37-42] (*) % der Flüge vom Beschwerdeführer durchgeführt würden. Was Flüge zu ausländischen Zielen anbelange, die von dem niedrigeren Satz profitierten (westliches Vereinigtes Königreich), habe der Beschwerdeführer über [37-42] (*) % der Linienflüge durchgeführt, während die Anteile von Aer Arann und Aer Lingus kleiner gewesen seien.

(32)

Darüber hinaus habe es nicht irischen Fluggesellschaften stets freigestanden, Flüge, für die der niedrigere Steuersatz galt, durchzuführen. Der Staat habe hier nicht nach freiem Ermessen entscheiden können. Irland wendet ein, dass sich, wenn aus den Flügen mit dem niedrigeren Steuersatz ein Vorteil zu ziehen gewesen sei, ausländische (bzw. nicht irische) Fluggesellschaften dafür entschieden hätten, solche Flüge durchzuführen. Das fehlende Angebot solcher Flüge durch ausländische Fluggesellschaften sei ein Indiz dafür, dass der niedrigere Steuersatz nicht mit einem Vorteil verbunden gewesen sei.

4.1.4.   Der niedrigere Steuersatz wurde eingeführt, um zu vermeiden, dass die Steuer im Vergleich zum Ticketpreis unverhältnismäßig hoch ausfällt

(33)

Irland betont, dass die Differenzierung der Steuersätze vorgenommen worden sei, um die Höhe der Steuer im Vergleich zur Entfernung verhältnismäßig zu gestalten, da die Preise normalerweise bei näheren Zielen niedriger seien. Obgleich man zustimme, dass die Korrelation zwischen Entfernung und Preis nicht optimal sei, scheine der Zusammenhang doch ausreichend vorhanden zu sein, um ein Aufsplitten der Steuer in zwei verschiedene Sätze zu rechtfertigen. Irland vertritt die Ansicht, dass eine präziser an der Entfernung orientierte steuerliche Differenzierung die Besteuerung außergewöhnlich verkompliziert und aus der Sicht der Verwaltung aufwändig gestaltet hätte.

4.1.5.   Keine Wettbewerbsverzerrung

(34)

Irland vertritt die Auffassung, dass der niedrigere Steuersatz nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt und sich nicht auf den Handel ausgewirkt habe. Erstens habe die Steuer, da es sich ihrer Art nach um eine Verbrauchssteuer handelte, keine merkliche Auswirkung auf die Fluggesellschaften gehabt. Zweitens sei bei der Differenzierung der Steuersätze keine Unterscheidung zwischen dem irischen Markt und den Märkten anderer Mitgliedstaaten vorgenommen worden. Die Flüge, für die der niedrigere Satz galt, seien größtenteils keine Inlandsflüge (68 % im Vergleich zu 32 % reine Inlandsflüge). Drittens hätten die Fluggesellschaften ihr Geschäft auf einem Markt betrieben, der offen für den Wettbewerb gewesen sei, was bedeute, dass der Markt neu eintretenden Unternehmen offen gestanden habe, für die der niedrigere Steuersatz zu denselben Bedingungen gegolten habe wie für andere Fluggesellschaften. Wenn der niedrigere Steuersatz bestimmten Luftfahrtgesellschaften einen Vorteil verschafft hätte, hätten sich nicht irische Fluggesellschaften vermutlich dafür entschieden, Flugrouten zu bedienen, für die der niedrigere Steuersatz galt. Dass keine neuen Marktteilnehmer vorhanden gewesen seien, sei ein Indiz dafür, dass der niedrigere Satz nicht für bestimmte Luftfahrtgesellschaften mit Vorteilen behaftet gewesen sei.

4.1.6.   Jegliche Beihilfe wäre eine De-minimis-Beihilfe bzw. sie hätte eine unbedeutende Auswirkung für die beteiligten Fluggesellschaften

(35)

Irland vertritt die Auffassung, dass der niedrigere Steuersatz, selbst wenn er als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV gelte, als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden sollte, da er entweder eine De-minimis-Beihilfe sei oder jedenfalls nur eine unbedeutende Auswirkung für die beteiligten Fluggesellschaften habe.

4.2.   Stellungnahmen Dritter

4.2.1.   Ryanair

(36)

Bezüglich des Beihilfecharakters des niedrigeren Steuersatzes stimmt Ryanair mit der vorab in ihrem Beschluss vom 13. Mai 2011 geäußerten Ansicht der Kommission überein, dass der niedrigere Steuersatz für bestimmte Luftfahrtgesellschaften mit einem Vorteil verbunden ist und eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt. Ryanair erklärt sich jedoch nicht mit der Auffassung der Kommission einverstanden, dass (i) der höhere Satz von 10 EUR als der „normale“ Satz zu betrachten sei und dass (ii) Ryanair durch diese Maßnahme einen Vorteil erhalten habe.

(37)

Was die Schaffung des „normalen“ bzw. des „Standard“-Satzes im Rahmen des Steuersystems anbelangt, vertritt Ryanair die Ansicht, dass die Auffassung der Kommission, dass der höhere Satz von 10 EUR der normale Satz sei und alle Luftfahrtgesellschaften, für die der niedrigere Satz von 2 EUR gegolten habe, dadurch im Vorteil gewesen seien, willkürlich ist. Laut Ryanair gibt es keinen Grund, warum der höhere Satz und nicht der niedrigere als der normale Satz angesehen werden sollte. Da ferner der zweistufige Satz inzwischen durch einen einzigen Satz ersetzt wurde, sei der neue Satz wahrscheinlich ein Kompromiss zwischen den beiden ursprünglichen Sätzen. Daher wäre der neue Satz ein angemessener Maßstab zur Bewertung potenzieller Vor- oder Nachteile des zweistufigen Systems.

(38)

Ryanair gibt des Weiteren an, dass es durch die zweistufige Fluggaststeuer keinen Vorteil erlangt habe. Bei der Prüfung einer Maßnahme, die möglicherweise eine staatliche Beihilfe darstelle, müsse die Kommission deren Gesamtauswirkungen auf den potenziell Begünstigten prüfen und insbesondere die Vor- und Nachteile der mutmaßlichen Beihilfe gegeneinander abwägen. In dem Zeitraum, als das zweistufige Steuersystem galt, hat Ryanair die in Tabelle 2 genannten Steuern gezahlt.

Tabelle 2

Beförderte Fluggäste und gezahlte Steuern im Zeitraum 30. März 2009 bis 1. März 2011

Zielkategorie vom Flughafen Dublin aus

Steuerpflichtige Fluggäste

Entrichtete Steuern

Anteil

Maximal 300 km innerhalb des Staates (2-EUR-Satz)

[…] (*)

[…] (*) EUR

[0.5-2.5] (*) %

Maximal 300 km außerhalb des Staates (2-EUR-Satz)

[…] (*)

[…] (*) EUR

[1.5-4.5] (*) %

Über 300 km innerhalb der EU

[…] (*)

[…] (*) EUR

[93-98] (*) %

Über 300 km außerhalb der EU

[…] (*)

[…] (*) EUR

[0.3-2.5] (*) %

GESAMT

[…] (*)

[…] (*) EUR

100 %

(39)

Da Ryanair der Ansicht ist, dass der neue Einheitssatz von 3 EUR als der normale Satz angesehen werden sollte, hätte Ryanair im Zeitraum 30. März 2009 bis 1. März 2011 eigentlich den Betrag von […] (*) EUR (12) an Fluggaststeuern zahlen müssen. Dies sind […] (*) EUR weniger als der tatsächlich entrichtete Betrag (siehe Tabelle 2). Ryanair gibt daher an, dass es keinen Vorteil durch die niedrigere Steuer erlangt, sondern eher einen Nachteil erlitten habe.

4.3.   Anmerkungen Irlands zur Stellungnahme Dritter

(40)

Am 13. Januar 2012 übermittelte Irland seine Bemerkungen zur Stellungnahme von Ryanair: Erstens widerspricht Irland der Beschreibung der Steuer durch Ryanair, da die Steuer im Wesentlichen eine Verbrauchssteuer sei und der niedrigere Steuersatz nicht mit einem Vorteil für die Fluggesellschaften verbunden gewesen sei. Zweitens kann Irland nicht nachvollziehen, warum Ryanair die Partei sein sollte, die am stärksten negativ von dem niedrigeren Satz betroffen gewesen sein sollte, insbesondere da Ryanair sich für [56-63] (*) % der im Rahmen des niedrigeren Steuersatzes beförderten Fluggäste verantwortlich zeichnet. Drittens entbehre die Behauptung, dass der niedrigere Steuersatz zur Förderung von Aer Arann eingerichtet worden sei, jeglicher Grundlage. Irland hat die Fluggaststeuer nicht mit Blick auf eine bestimmte Luftverkehrsgesellschaft eingeführt. Viertens sei das Argument von Ryanair, dass der höhere Satz von 10 EUR nicht als der normale Satz der Fluggaststeuer zu betrachten sei, nicht logisch. Unter dem zweistufigen Steuersystem galt der höhere Satz für ca. 85 bis 90 % aller Flüge. Irland wiederholt, dass mit der Abweichung von dem Standardsatz von 10 EUR die Höhe der Steuer im Vergleich zur Entfernung verhältnismäßiger gestaltet werden sollte.

5.   WÜRDIGUNG

5.1.   Vorliegen staatlicher Beihilfe gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV

(41)

Gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV „sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

(42)

Damit Artikel 107 Absatz 1 AEUV bei einer Maßnahme greift, muss diese selektiv sein (13). Bei der Feststellung, ob eine Maßnahme selektiv ist, muss die Kommission bewerten, ob durch die Maßnahme ‘bestimmte Unternehmen oder die Produktion von bestimmten Waren gegenüber anderen, die sich faktisch und rechtlich in einer vergleichbaren Lage befinden, begünstigt werden. (14) Gemäß der ständigen Rechtsprechung (15) ist eine steuerliche Maßnahme a priori selektiv, wenn sie von der normalen Anwendung der allgemeinen Steuerregelungen abweicht.

(43)

Zunächst muss die Kommission das maßgebliche steuerliche Referenzsystem ermitteln. Im Hinblick auf die Besteuerung stellt die Kommission fest, dass die Festlegung des Besteuerungssystems grundsätzlich in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fällt. Bei der Gestaltung ihres Besteuerungssystems haben die irischen Behörden den Abflug eines Fluggastes von einem in Irland gelegenen Flughafen aus als Steuertatbestand der Fluggaststeuer festgelegt. Das Referenzsystem ist daher die Besteuerung von Fluggästen, die von einem in Irland gelegenen Flughafen aus abfliegen. Ziel dieses Systems ist es, Einnahmen für den Staatshaushalt zu erzielen. Die Schlussfolgerung, dass als Referenzsystem die Besteuerung von Fluggästen, die von einem in Irland gelegenen Flughafen aus abfliegen, heranzuziehen ist, wurde von den irischen Behörden in ihrer Antwort auf die Anmerkungen Dritter bestätigt.

(44)

Zweitens muss die Kommission gemäß der ständigen Rechtsprechung (16) bestimmen, ob die betreffende Steuermaßnahme eine Abweichung von dem ermittelten Referenzsystem darstellt.

(45)

Ryanair argumentiert, dass der niedrigere Satz von 2 EUR oder alternativ der Einheitssatz von 3 EUR, der am 1. März 2011 eingeführt wurde, als der normale Satz des Fluggaststeuersystems zu betrachten ist. Abgesehen von einigen Flugzielen im Westen des Vereinigten Königreichs galt der niedrigere Satz allerdings nur für inländische Ziele und den irischen Behörden zufolge nur für ungefähr 10–15 % aller besteuerten Flüge. Daher kann dieser Satz nicht als der normale Steuersatz betrachtet werden. Der Satz von 3 EUR war zu dem Zeitpunkt, auf den sich der vorliegende Beschluss bezieht, nicht in Kraft und kann daher nicht als der normale Satz des Fluggaststeuersystems zu diesem Zeitpunkt angesehen werden. Daher ist die Kommission der Auffassung, dass der höhere Satz von 10 EUR der normale Satz des Referenzsystems war, während der reduzierte Satz von 2 EUR, der nur auf eine eng begrenzte Kategorie von Flügen anwendbar war, eine Ausnahme von diesem Referenzsystem darstellte.

(46)

Drittens muss die Kommission prüfen, ob solche Ausnahmen aufgrund „der Natur oder des inneren Aufbaus des Systems“ (17) in dem Mitgliedstaat gerechtfertigt sind. Ist dies der Fall, wird nicht davon ausgegangen, dass die Maßnahme einen selektiven Vorteil vermittelt und somit staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß der Rechtsprechung (18) die Grund- und Leitprinzipien des Referenzsystems und nicht diejenigen der betreffenden besonderen Maßnahme maßgeblich sind.

(47)

Nach Aussage der irischen Behörden wurde der niedrigere Satz eingeführt, um die Höhe der Steuer im Vergleich zur Flugentfernung verhältnismäßig zu gestalten. Die Kommission ist der Ansicht, dass sich diese Argumentation nicht auf die Grund- und Leitprinzipien des Steuersystems selbst, sondern vielmehr auf die Abweichung selbst bezieht. Die Steuer stand nach ihrem Aufbau und ihrer objektiven Natur nicht mit der Flugentfernung in Zusammenhang, sondern mit der Tatsache, dass von einem irischen Flughafen aus geflogen wird. Die Verbindung mit der Finanzbehörde, der Steuertatbestand (Abflug von einem irischen Flughafen aus) und die negativen externen Effekte für die irische Gesellschaft (Lärm und Umweltverschmutzung) waren für alle von einem irischen Flughafen aus abfliegenden Fluggäste exakt dieselben – unabhängig von Flugziel und zurückgelegter Entfernung. Die betroffenen Fluggesellschaften befanden sich daher diesbezüglich in derselben rechtlichen und faktischen Lage.

(48)

Darüber hinaus war das Steuersystem nicht dadurch charakterisiert, dass die Höhe der Steuer anhand der tatsächlichen Länge der Flugreise festgelegt wurde. Erstens orientierte sich der Steuersatz nicht an der tatsächlichen Länge der Flugreise, sondern an der Entfernung zwischen Flughafen Dublin und Zielflughafen, und zwar ungeachtet des Abflugorts. Zweitens enthielt das Steuersystem nur zwei Sätze: einen für ausgesprochene Kurzstreckenflüge vom Flughafen Dublin aus und einen für alle übrigen Flüge.

(49)

Auch wenn der Grund für die Abweichung in der Natur und Logik der Prinzipien des Fluggaststeuersystems lag, hat der Gerichtshof im Übrigen entschieden, dass ein Vorteil nicht nur mit den innewohnenden Eigenschaften des betreffenden Steuersystems konsistent sein muss, sondern auch im Hinblick auf die Art und Weise seiner Umsetzung (19). Wie in Erwägungsgrund 47 erwähnt, wurden durch das Steuersystem faktisch keine verhältnismäßigen Sätze in Bezug auf die tatsächliche Länge der Flugreise sichergestellt, da der anwendbare Satz auf der Grundlage der Entfernung zwischen Flughafen Dublin und Zielflughafen, ungeachtet des Abflugorts, festgesetzt wurde und da nur zwei Sätze anwendbar waren: einer für ausgesprochene Kurzstreckenflüge vom Flughafen Dublin aus und einer für alle übrigen Flüge. Der Ticketpreis für inländische Ziele fällt nicht notwendigerweise niedriger aus als derjenige für Flüge zu anderen Zielen in der Union. Die Maßnahme verfehlte somit ihr Ziel, die Verhältnismäßigkeit zwischen Besteuerung und Flugentfernung sicherzustellen. Im vorliegenden Fall haben weder die irischen Behörden noch Dritte argumentiert, dass die Abweichung dazu führte, dass die Höhe der Steuer faktisch proportional zur Entfernung war. Im Gegenteil erkennen die irischen Behörden an, dass zwischen Entfernung und Steuersatz keine perfekte Korrelation bestand.

(50)

Daher sieht die Kommission keinen Grund, ihre vorab geäußerte Ansicht zu ändern, dass der niedrigere Satz nicht mit der Logik und dem inneren Aufbau des Fluggaststeuersystems im Einklang steht. Dementsprechend vertritt die Kommission die Meinung, dass die Maßnahme selektiv ist und nicht durch die Natur und Logik des Systems gerechtfertigt wird.

(51)

Aufwendungen für Steuern stellen Kosten dar, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.

(52)

Die Anwendung des Fluggaststeuersystems kann sich auf die Einnahmen der Fluggesellschaften, die diese Steuer zahlen müssen, auswirken, da im Zuge dessen die Ticketpreise, die sie ihren Kunden anbieten können, steigen oder die Marge bei jedem verkauften Ticket schrumpft, sofern die Fluggesellschaften beschließen, die Steuer nicht an die Kunden weiterzugeben. In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof wie folgt entschieden: „Da die Flughafenabgaben unmittelbar und ohne weiteres den Preis für die Flugstrecke beeinflussen, wirkt sich eine Differenzierung der von den Fluggästen zu tragenden Abgaben automatisch auf die Kosten der Beförderung aus und führt […] zu einer Privilegierung des Zugangs zu nationalen oder regionalen Flügen gegenüber dem Zugang zu innergemeinschaftlichen Flügen (20).

(53)

Ein reduzierter Satz hat daher bei einem bestimmten Typ von Flügen eine geringere Auswirkung auf die Fluggesellschaften, die diesen Typ von Flügen anbieten, als der normale Satz. Diese Fluggesellschaften werden von Kosten befreit, die sie normalerweise tragen müssten, sodass die Kosten, die sie an ihre Kunden weitergeben oder selbst übernehmen müssen, geringer ausfallen.

(54)

Dementsprechend ist die Kommission der Auffassung, dass der vorgesehene niedrigere Steuersatz für Fluggesellschaften, die die Flugverbindungen, auf die dieser Satz anwendbar war, bedienen, mit einem Vorteil verbunden war. Die geringeren Kosten, die sie an ihre Kunden weitergeben oder selbst übernehmen mussten, stellten finanzielle Mittel dar, die diese Fluggesellschaften einsparen konnten, und verbesserte somit deren wirtschaftliche Lage gegenüber anderen Fluggesellschaften, die auf dem Luftverkehrsmarkt konkurrieren. Der Vorteil entspricht der Differenz zwischen dem niedrigeren Satz von 2 EUR und dem normalen Steuersatz von 10 EUR während des Zeitraums 30. März 2009 bis 1. März 2011. Die Kommission stellt fest, dass die Flüge, auf die der niedrigere Satz angewandt wurde, überwiegend von Fluggesellschaften mit enger Bindung an Irland durchgeführt wurden (Aer Lingus, Aer Arann und Ryanair wurden in Irland errichtet und haben dort weiterhin ihre Unternehmenszentrale). Daher stellte der reduzierte Satz faktisch einen Vorteil für die irischen Fluggesellschaften gegenüber anderen Fluggesellschaften in der Union dar.

(55)

Die Kommission kann das Argument von Ryanair, dass der Vorteil auf die Differenz zwischen dem niedrigeren Satz von 2 EUR und dem am 1. März 2011 eingeführten Satz von 3 EUR begrenzt war, nicht akzeptieren. Ein solcher Satz galt nicht gleichzeitig mit dem niedrigeren Satz und im Falle der Festlegung eines Vorteils in einem System mit einem niedrigeren Satz und einem höheren Satz wird durch die Anwendung eines Bezugswerts, der irgendwo zwischen diesen beiden Sätzen festgesetzt wird, der gesamte gewährte Vorteil nicht vollständig erfasst.

(56)

Ryanair argumentiert ferner, dass es weniger von dem niedrigeren Steuersatz profitiert habe als beispielsweise Aer Arann, da die Mehrheit seiner Flüge Flugziele betraf, bei denen der höhere Satz galt. Jedoch entspricht der sich aus der Anwendung des niedrigeren Steuersatzes von 2 EUR ergebende Vorteil der Differenz zwischen diesem Satz und dem Standardsatz von 10 EUR. Im Zuge der Anwendung des niedrigeren Satzes auf bestimmte Flüge hatte Ryanair wie alle anderen Fluggesellschaften, die Flüge, auf die dieser Satz anwendbar war, durchführten, einen Vorteil entsprechend der Differenz zwischen den beiden Sätzen.

(57)

Die irischen Behörden argumentieren, dass die Steuer an die Fluggäste weitergegeben werden sollte und daher kein Vorteil für die Fluggesellschaften bestand. In diesem Zusammenhang stellt die Kommission fest, dass eine Reduzierung des normalen Satzes einer bestimmten Steuer einen selektiven Vorteil für die Fluggesellschaft, die den reduzierten Satz zu zahlen hat, darstellt, selbst wenn die betreffende Steuer den Rechtsvorschriften zufolge an die Kunden weitergegeben werden muss (21). Die Kommission stellt weiterhin fest, dass im vorliegenden Fall kein Mechanismus bestand, durch den sichergestellt wurde, dass die Steuer tatsächlich weitergegeben wurde, sondern dass der Fluggesellschaft die Entscheidung überlassen wurde, ob und wie die Steuer an die Fluggäste weitergegeben wird. In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer ein gegenteiliges Argument vor, nämlich, dass er die Kosten der Kosten nicht an seine Kunden weitergeben konnte, da sich dies unverhältnismäßig auf die Ticketpreise ausgewirkt hätte. Die Kommission stimmt daher nicht mit den irischen Behörden überein, dass für die Fluggesellschaften kein Vorteil bestand: Die Fluggesellschaften, die den niedrigeren Steuersatz bei bestimmten Flügen anwenden konnten, hatten geringere Kosten, die sie an ihre Kunden weitergeben mussten, als andere. Im Einklang mit der Praxis der Kommission im Zusammenhang mit Beihilfemaßnahmen auf der Grundlage einer Verbrauchsteuer (22) stellt die Befreiung von solchen Abgaben für die zur Zahlung einer solchen Steuer verpflichtete Fluggesellschaft einen Vorteil dar, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass diese juristische Einheit entscheiden kann, ob sie die Kosten an ihre Kunden weitergibt oder nicht.

(58)

Dementsprechend ist die Kommission der Auffassung, dass der vorgesehene niedrigere Steuersatz für bestimmte Fluggesellschaften mit einem Vorteil verbunden war. Der Vorteil entspricht der Differenz zwischen dem niedrigeren Satz von 2 EUR und dem normalen Steuersatz von 10 EUR während des Zeitraums 30. März 2009 bis 1. März 2011. Die Flüge, auf die der niedrigere Satz angewandt wurde, wurden überwiegend von Fluggesellschaften mit enger Bindung an Irland durchgeführt (Aer Lingus, Aer Arann und Ryanair). Daher stellte der reduzierte Satz einen Vorteil für die irischen Fluggesellschaften gegenüber anderen Fluggesellschaften in der Union dar.

(59)

Die Tatsache, dass die irischen Behörden die Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes als den normalen Steuersatz erlaubte, führte zu einem Verlust an Steuereinnahmen für den Staat, sodass diese Maßnahme aus staatlichen Mitteln finanziert wurde. Da der niedrigere Satz von den nationalen Behörden beschlossen wurde, ist die Maßnahme dem Staat zurechenbar.

(60)

Die Fluggesellschaften, die von dem niedrigeren Satz profitierten, wurden gegenüber ihren Wettbewerbern von Kosten entlastet, die sie ansonsten hätten tragen oder an ihre Kunden weitergeben müssen. Daher verbesserte der niedrigere Satz der Fluggaststeuer ihre wirtschaftliche Lage gegenüber anderen Unternehmen, die auf dem Luftverkehrsmarkt konkurrieren, wodurch der Wettbewerb verzerrt wurde bzw. eine solche Wettbewerbsverzerrung drohte.

(61)

Verstärkt eine von einem Mitgliedstaat gewährte Finanzhilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel, muss dieser als von der Beihilfe beeinflusst erachtet werden (23). Es reicht schon aus, dass der Begünstigte auf dem Wettbewerb unterliegenden Märkten mit anderen Unternehmen in Wettbewerb steht. (24) Der Luftverkehrssektor ist geprägt von einem harten Wettbewerb zwischen Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten, insbesondere seit Inkrafttreten der dritten Stufe der Liberalisierung des Luftverkehrs („drittes Paket“) am 1. Januar 1993, nämlich der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen (25), der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (26) und der Verordnung (EWG) Nr. 2409/92 vom 23. Juli 1992 über Flugpreise und Luftfrachtraten (27). Der reduzierte Satz war daher geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da die Stellung einiger Fluggesellschaften, die in einem auf EU-Ebene vollständig liberalisierten Markt in Wettbewerb stehen, gestärkt wurde.

(62)

Da auch alle anderen Kriterien aus Artikel 107 Absatz 1 AEUV erfüllt sind, stellt die Maßnahme eine staatliche Beihilfe für alle Fluggesellschaften dar, die die Flugrouten betrieben hatten, die in den Genuss des reduzierten Satzes kamen.

5.2.   Rechtmäßigkeit

(63)

Da die irischen Behörden es versäumten, die Maßnahme vor ihrer Umsetzung zu notifizieren, verstießen sie gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV. Die Beihilfemaßnahme stellt daher rechtswidrige staatliche Beihilfe dar.

5.3.   Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Vertrag

(64)

Gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV können Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Da es sich bei der Beihilfe um Betriebsbeihilfe handelte, wodurch die laufenden Ausgaben bestimmter Fluggesellschaften gesenkt wurden, ist sie gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar (28). Die Beihilfe fällt nicht in den Anwendungsbereich von Leitlinien für die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen, die von der Kommission in diesem Zusammenhang aufgestellt wurden. Insbesondere fällt sie nicht unter die Gemeinschaftlichen Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen (29), da sie nicht mit dem Anlauf neuer Flugverbindungen verknüpft ist. Die irischen Behörden haben keine Argumente oder Informationen vorgelegt, um aufzuzeigen, dass die Beihilfe als mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen vereinbar betrachtet werden könnte (30), sondern stellten im Gegenteil klar, dass das Ziel der Steuer die Erzielung von Einnahmen und nicht der Umweltschutz ist. Die Tatsache, dass die betreffende Steuer in keiner eindeutigen oder proportionalen Beziehung zur Reduzierung des Energieverbrauchs, der Umweltverschmutzung oder Gasemissionen, der Lärmbelästigung usw. steht, unterstützt diese Argumentation. Daher betrachtet die Kommission die Beihilfe gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV als nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(65)

Die betreffende Beihilfe fällt nicht unter eine der anderen in Artikel 107 Absatz 2 oder 3 AEUV genannten Ausnahmen.

(66)

Wenn die Beihilfe einer der in Artikel 107 Absatz 2 oder 3 AEUV genannten Ausnahmen entsprechen würde, was aber nicht der Fall ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass das Verfahren gemäß Artikel 107 und 108 AEUV niemals ein Ergebnis erbringen darf, das anderen spezifischen Bestimmungen des Vertrags zuwiderläuft. Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass Modalitäten einer Beihilfe, die einen etwaigen Verstoß gegen andere besondere Vertragsbestimmungen als Artikel 107 und 108 enthalten, derart untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verknüpft sein können, dass sie nicht für sich allein beurteilt werden können. (31) In diesem speziellen Fall wurden die differenzierten Sätze, wie in Erwägungsgrund 10 erläutert, einer Untersuchung durch die Kommission unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass sie gegen die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 und Artikel 56 des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen, da der Betrieb von Flugdienstleistungen innerhalb der Union durch die Differenzierung härteren Bedingungen unterworfen wurde, als dies bei inländischen Flugdienstleistungen der Fall war. Der Gerichtshof hat in Fällen betreffend die Flughafensteuern ausdrücklich erklärt, dass die Bestimmungen des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr auch für den Verkehrssektor gelten (32). Im vorliegenden Fall resultiert die staatliche Beihilfe aus der Differenzierung der Steuersätze selbst. Da die Steuer und die Beihilfe zwei Elemente derselben steuerlichen Maßnahme darstellen, sind sie voneinander untrennbar (33), sodass die staatliche Beihilfe nicht ohne Verletzung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs gewährt werden kann. Demzufolge kann die Beihilfe keinesfalls als mit dem Vertrag vereinbar erklärt werden, da dies zwangsläufig gegen die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 und Artikel 56 des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen würde.

(67)

Daher gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass die Beihilfe nicht als mit dem Vertrag vereinbar betrachtet werden kann.

6.   SCHLUSSFOLGERUNG

(68)

Die Kommission stellt fest, dass der in Anwendung von Abschnitt 55 Absatz 2 des Finanzgesetzes (Nr. 2), insbesondere dessen Artikel 2 Absatz b, im Zeitraum vom 30. März 2009 bis 1. März 2011 gewährte niedrigere Satz der Fluggaststeuer für Flüge zu Zielen in einer Entfernung von maximal 300 km vom Flughafen Dublin eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt. Irland setzte diese staatliche Beihilfe rechtswidrig unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV um.

(69)

Die staatliche Beihilfe entspricht keiner der in Artikel 107 Absatz 2 und 3 AEUV vorgesehenen Ausnahmen. Da für die vorliegende Maßnahme keine anderen Gründe für deren Vereinbarkeit erkennbar sind, ist sie nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(70)

Die staatliche Beihilfe entspricht der Differenz zwischen dem niedrigeren Satz der Fluggaststeuer und dem pro Fluggast erhobenen Standardsatz von 10 EUR (d. h. 8 EUR pro Fluggast). Dies betrifft alle Flüge mit einem Flugzeug, das mehr als 20 –Fluggäste befördern kann und nicht für staatliche oder militärische Zwecke genutzt wird und das von einem Flughafen mit einem Fluggastaufkommen von mehr 10 000 Passagieren pro Jahr zu einem Zielflughafen abfliegt, der maximal 300 km vom Flughafen Dublin entfernt liegt. Die Begünstigten sind Ryanair, Aer Lingus, Aer Arann und andere Fluggesellschaften, die noch von Irland anzugeben sind.

(71)

Gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 muss die Kommission bei Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheiden, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe von den Begünstigten zurückzufordern. Irland ist daher aufzufordern, die unvereinbare Beihilfe zurückzufordern –

HAT DEN VORLIEGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die von Irland in Anwendung von Abschnitt 55 des Finanzgesetzes (Nr. 2) 2008 in der Zeit vom 30. März 2009 bis zum 1. März 2011 unter Verletzung des Artikels 108 Absatz 3 AEUV 3 rechtswidrig gewährte staatliche Beihilfe in Form eines geringeren Fluggaststeuersatzes für alle Flüge mit einem Flugzeug, das mehr als 20 Fluggäste befördern kann, nicht für staatliche oder militärische Zwecke genutzt wird und von einem Flughafen mit einem Fluggastaufkommen von mehr 10 000 Passagieren pro Jahr zu einem Zielflughafen abfliegt, der höchstens 300 km vom Flughafen Dublin entfernt liegt, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Artikel 2

Einzelbeihilfen, die aufgrund der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt werden, stellen keine Beihilfe dar, sofern sie die Voraussetzungen erfüllen, die in einer nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates (34) erlassenen Verordnung vorgesehen sind.

Artikel 3

Einzelbeihilfen, die aufgrund der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt werden und zum Zeitpunkt ihrer Bewilligung die Voraussetzungen erfüllen, die in einer nach Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates erlassenen Verordnung oder in einem Beschluss der Kommission zur Genehmigung einer Beihilferegelung vorgesehen sind, sind bis zu den für derartige Beihilfen geltenden Beihilfehöchstintensitäten mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 4

1.   Irland fordert die unvereinbare Beihilfe, die im Rahmen der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt wurde, von den Begünstigten zurück.

2.   Die Rückforderungsbeträge umfassen Zinsen, die von dem Zeitpunkt, ab dem die Beihilfe den Begünstigten zur Verfügung stand, bis zu deren tatsächlicher Rückzahlung berechnet werden.

3.   Die Zinsen werden gemäß Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 (35) der Kommission nach der Zinseszinsformel berechnet.

Artikel 5

1.   Die Beihilfe, die im Rahmen der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt wurde, wird sofort und tatsächlich zurückgefordert.

2.   Irland stellt sicher, dass dieser Beschluss binnen vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.

Artikel 6

1.   Irland übermittelt der Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)

eine Aufstellung der Begünstigten, die Beihilfen im Rahmen der in Artikel 1 genannten Regelung erhalten haben, und des von jedem Begünstigten im Rahmen dieser Regelung erhaltenen Gesamtbetrags;

b)

Gesamtbetrag (Hauptforderung und Zinsen), der von jedem Begünstigten zurückzufordern ist;

c)

ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen;

d)

Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass an die Begünstigten eine Rückzahlungsanordnung ergangen ist.

2.   Irland unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung des vorliegenden Beschlusses, bis die Rückforderung der Beihilfe, die im Rahmen der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt wurde, abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Irland unverzüglich Informationen über die Maßnahmen vor, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt Irland ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die von den Begünstigten bereits zurückgezahlt wurden.

Artikel 7

Dieser Beschluss ist an Irland gerichtet.

Brüssel, den 25. Juli 2012

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  ABl. C 306 vom 18.10.2011, S. 10.

(2)  Vgl. Fußnote 1.

(3)  Flugzeuge mit weniger als 20 Fluggastplätzen sowie für staatliche oder militärische Zwecke genutzte Flugzeuge sind vom Anwendungsbereich der Steuer ausgenommen. Dasselbe gilt für den Abflug von Flughäfen mit weniger als 10 000 Flugreisenden pro Jahr.

(4)  Jede steuerpflichtige Luftverkehrsgesellschaft muss sich beim Finanzamt anmelden und innerhalb von 20 Tagen oder einer anderen vom Finanzamt festzusetzenden Frist einen Beleg über die Anzahl der Abflüge nach Fluggästen im Vormonat einreichen.

(5)  ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3.

(6)  Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens übersandte die Kommission am 18. März 2010 ein Mahnschreiben, in dem sie die Ansicht vertrat, dass Irland mit den verschiedenen Steuersätzen für Flugreisen die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 und Artikel 56 des Vertrags verletzt habe. Infolge des Mahnschreibens änderte Irland das Steuersystem.

(7)  Vergleiche zum Beispiel die Urteile in der Rechtssache C-88/2003 Portugal/Kommission, Slg. 2006, I-115, Randnr. 56, und in der Rechtssache C-487/2006 P British Aggregates/Kommission, Slg. 2008, I-10505, Randnrn. 81-83.

(8)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(9)  Vgl. Fußnote 1.

(10)  Zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses wird nur eine Spanne angegeben.

(11)  Ausschließlich innerhalb der Union.

Quelle:

Von Irland auf der Grundlage der Angaben der drei irischen Fluggesellschaften bereitgestellte Daten sowie Daten des irischen Amts für Statistik (Central Statistics Office).

(12)  3 EUR multipliziert mit […] (*) Fluggästen

(13)  Siehe Rechtssache C-66/02, Italien/Kommission, Slg. 2005, I-10901, Randnr. 94.

(14)  Siehe z. B. Rechtssachen C-143/99, Adria-Wien Pipeline, Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, Slg. 2001, I-8365, Randnr. 41, C-308/01, GIL Insurance u. a., Slg. 2004, I-4777, Randnr. 68, und C-172/03, Heiser, Slg. 2005, I-1627, Randnr. 40, C-88/03, Portugal, Slg. 2006, I-7115, Randnr. 54, und C-169/08, Presidente del Consiglio dei Ministri/Regione Sardegna, Slg. 2009, I-10821, Randnr. 61.

(15)  Siehe z. B. Urteile in der Rechtssache T-210/02, RENV British Aggregates Association/Kommission, Slg. 2006, II-2789, Randnr. 107, und Rechtssachen C-88/03, Portugal, Randnr. 56, und C-487/06 P, British Aggregates, Slg. 2008, Randnr. 81-83.

(16)  Siehe Fußnote 12 oben.

(17)  Siehe z. B. Rechtssache C-173/73, Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, sowie Randnr. 13ff der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (ABl. C 384 vom 10.12.1998, S. 3).

(18)  Siehe z. B. Urteile in den verbundenen Rechtssachen C-78/08 bis C-80/08 Amministrazione delle finanze Agenzia delle Entrate gegen Paint Graphos scarl Adige Carni scrl, in Liquidation, gegen Ministero dell'Economia e delle Finanze, Agenzia delle Entrate and Ministero delle Finanze gegen Michele Franchetto, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, insbesondere Randnr. 69, sowie in der Rechtssache Case T-210/02, Randnr. 107.

(19)  Siehe z. B. Urteil in den verbundenen Rechtssachen C78-C-80/08, Randnr. 73.

(20)  Siehe z. B. Rechtssache C-92/01, Georgios Stylianakis/Elliniko Dimosio, Slg. I-1291, Randnr. 28, und Rechtssache C-70/99, Kommission/Portugal, Slg. 2001, I-4845, Randnr. 20.

(21)  Siehe z. B. Rechtssache C-143/99, insbesondere Randnrn. 5, 54 und 55.

(22)  Siehe Entscheidung der Kommission K(2007) 754 betreffend die staatliche Beihilfe N 892/2006 – Finnland – Änderung des differenzierten Energiesteuersystems (ABl. C 109 vom 15.5.2007, S. 1); Entscheidung der Kommission K(2007) 2416/2 in der Sache N 775/2006 – Deutschland – Ermäßigte Steuersätze für die Fertigungsindustrie, Land- und Forstwirtschaft usw. (ABl. C 152 vom 6.7.2007, S. 3); Entscheidung der Kommission K(2005) 1815/3 in der Sache N 190/A/2005 – Vereinigtes Königreich – Änderung der Klimawandel-Abgabe (ABl. C 146 vom 22.6.2006, S. 8); und Entscheidung der Kommission K(2009) 8093/2 in der Sache N 327/2008 – Dänemark – NOX-Steuerermäßigungen für starke Verschmutzer und Unternehmen, die für eine Verringerung der Umweltverschmutzung eintreten, sowie Steuerermäßigungen für Biogas und Biomasse (ABl. C 166 vom 25.6.2010, S. 1).

(23)  Siehe insbesondere Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 11, Rechtssache C-53/00, Ferring, Slg. 2001, I-9067, Randnr. 21, und Rechtssache C-372/97, Italien/Kommission, Slg. 2004, I-3679, Randnr. 44.

(24)  Rechtssache T-214/95, Het Vlaamse Gewest/Kommission, Slg. 1998, II-717.

(25)  ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 1.

(26)  ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 8.

(27)  ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 15.

(28)  Rechtssache T-459/93, Siemens SA/Kommission, Slg. 1995, II-1675, Randnr. 48. Siehe auch Urteil in der Rechtssache T-396/08, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission, Slg. 2010 (Widerspruch erhoben), Randnr. 46-48, Rechtssache C-156/98, Deutschland/Kommission, Slg. 1980, I-6857, Randnr. 30 und darin zitierte Rechtsprechung.

(29)  ABl. C 312 vom 9.12.2005, S. 1.

(30)  ABl. C 82 vom 1.4.2008, S. 1.

(31)  Siehe z. B. Urteile in den Rechtssachen C-225/91 Matra gegen Kommission [1993] Slg. I-3203, Randnr. 41, und T-156/98 RJB Mining gegen Kommission [2001] Slg. II-337, Randnr. 112, und die darin zitierte Rechtsprechung.

(32)  Siehe Rechtssachen C-92/01 Georgios Stylianakis gegen Elliniko Dimosio, Randnr. 23, und C-70/99 Kommission gegen Portugal [2001] Slg. I-4845, Randnr. 27 und 28, sowie Rechtssache C-49/89 Corsica Ferries France gegen Direction Générale des Douanes Françaises [1989] Slg. 4441, Randnr. 10.

(33)  Rechtssache C-526/04, Laboratoires Boiron gegen ACOSS [2006] Slg. I-7529, Randnr. 45.

(34)  ABl. L 142 vom 14.5.1998, S. 1.

(35)  ABl. L 140 vom 30.4.2004, S. 1